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Aktenanalyse als erhebungsmethode

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Mehrstufiges Vorgehen<br />

in enger Kooperation mit<br />

den Sozialdiensten<br />

Im Rahmen des Projektes wurden 286<br />

Sozialhilfedossiers analysiert. Die systematische<br />

Aufbereitung der benötigten Angaben<br />

aus den Dossiers erfolgte in einem<br />

längeren Erhebungsprozess, welcher auch<br />

der jeweils spezifischen Akten- und Fallführung<br />

auf dem Sozialdienst Rechnung<br />

zu tragen hatte (z.B. Datenerfassungsricht-<br />

linien, Fallverwaltungssysteme, Historisierung<br />

der Daten). Entsprechend gliederten<br />

sich die Vorbereitung und Durchführung<br />

der <strong>Aktenanalyse</strong> in den drei Städten<br />

Basel, Winterthur und Luzern in mehrere<br />

Arbeitsschritte, zu denen die beteiligten<br />

Sozialdienste entscheidende Beiträge<br />

leisteten (vgl. Abbildung):<br />

1. Organisation und Planung:<br />

Kontaktaufnahme mit dem Sozialdienst,<br />

Klärung der zeitlichen, räumlichen und<br />

administrativen Rahmenbedingungen,<br />

Einführung ins jeweilige Fallverwaltungssystem<br />

und Freigabe des Zugriffs für<br />

das Erfassungsteam, Klärung der<br />

notwendigen Unterstützungsleistungen<br />

durch den Sozialdienst, Klärung des<br />

Vorgehens betreffend Einhaltung der<br />

Datenschutzbestimmungen<br />

2. Erarbeitung des Erhebungsrasters:<br />

Erarbeitung eines Fragerasters auf Grundlage<br />

der Theorie, Verfeinerung und Bereinigung<br />

nach dem Einblick ins Fallverwaltungssystem<br />

und in die jeweils<br />

geltende Fallbewirtschaftungspraxis,<br />

Programmierung in Form eines elektronischen<br />

Fragebogens<br />

3. Stichprobenziehung und Pretest:<br />

Ziehung einer Zufallsstichprobe aus der<br />

Grundgesamtheit sämtlicher in einem<br />

definierten Stichmonat aktiven Unter-<br />

stützungsfälle in der Zielgruppe (d.h.<br />

Dossiers mit mindestens einer Person<br />

im Alter von 45 bis 65 Jahren), Test<br />

des Erhebungsrasters anhand einzelner<br />

Fälle, Anpassung des Erhebungsrasters<br />

4. Datenerhebung und -erfassung:<br />

Identifikation der Fälle in der Stichprobe<br />

im Fallverwaltungssystem vor Ort auf<br />

dem Sozialdienst, Bereitstellung von<br />

Papierakten bei Dossiers mit langem<br />

Bezug, Zusammentragen der relevanten<br />

Informationen aus dem Fallverwaltungssystem<br />

und der Papierakten entlang des<br />

elektronischen Fragebogens, laufende<br />

Abklärung von Fragen zur konkreten<br />

Praxis des Sozialdienstes resp. zu den<br />

geltenden Rahmenbedingungen und<br />

Richtlinien für die Sozialhilfeunterstützung<br />

Die Bereitschaft des Sozialdienstes, sich<br />

über sein grundsätzliches Einverständ-<br />

nis hinaus für die <strong>Aktenanalyse</strong> zu engagieren<br />

und eng mit dem Erfassungsteam<br />

zusammenzuarbeiten, ist <strong>als</strong> kritischer<br />

Faktor für den Erfolg der Erhebungsmethode<br />

anzusehen. Ebenfalls von grosser<br />

Bedeutung ist ein gemeinsames Grundverständnis<br />

innerhalb des Erfassungs-<br />

teams bezüglich Art und Umfang der zu<br />

den einzelnen Fragen des Rasters zu<br />

erhebenden Informationen.<br />

Herausforderungen<br />

im umgang mit der reichhaltigen<br />

Datenquelle<br />

Zur Beantwortung der interessierenden<br />

Forschungsfragen zu den 45- bis 65-jährigen<br />

Sozialhilfebeziehenden erwiesen sich die<br />

Sozialhilfeakten <strong>als</strong> äusserst ergiebige<br />

Datenquelle. Die bereits vorliegenden<br />

Resultate zur Situation der Altersgruppe<br />

verdeutlichen, dass die <strong>Aktenanalyse</strong><br />

eine adäquate Datengewinnungsmethode<br />

darstellt. Auch beinhaltet die Methode<br />

ein erhebliches Potenzial, weitergehende<br />

Fragestellungen noch vertieft zu bearbeiten.<br />

Dem Erhebungsteam stellten sich<br />

jedoch auch verschiedene Herausforderungen:<br />

Eine Schwierigkeit bestand im Um -<br />

gang mit der enormen Informationsfülle.<br />

Nicht selten handelte es sich um sehr dicke<br />

Akten, da sich die Erwartung bestätigte,<br />

dass viele Angehörige der untersuchten<br />

Altersgruppe zu den Langzeitbeziehenden<br />

gehören. Neben der elektronischen Fallverwaltung<br />

mussten folglich auch Papierakten<br />

beigezogen werden, die in einigen<br />

Fällen sehr umfangreich waren.<br />

Gerade bei solch umfangreichen Akten<br />

zeigte sich die zentrale Bedeutung eines<br />

in Abgleich mit den elektronischen Fallverwaltungssystemen<br />

aller beteiligten Sozialdienste<br />

verfeinerten und gut strukturierten<br />

Erhebungsinstruments. Ein stringentes,<br />

sich an der Logik der Aktenverwaltung<br />

orientierendes und dabei aber auf<br />

die wesentlichen Untersuchungsfragen<br />

beschränkendes Raster erleichtert eine<br />

zielführende Erhebung der relevanten Angaben.<br />

Erschwerend kommt jedoch hinzu,<br />

dass die Fallverwaltung auf Sozialdiensten<br />

in der Regel sehr unterschiedlich organisiert<br />

ist. Sie verwenden unterschiedliche<br />

Fallverwaltungssoftware und halten sich<br />

an divergierende Grundsätze bei der Dossierführung.<br />

Für das Erhebungsteam<br />

bedingt die Aufarbeitung der Daten folglich<br />

immer ein Eindenken in verschiedene<br />

Logiken und Praktiken der Fallführung.<br />

Mit Blick auf die besonders interessierende<br />

Thematik der gesundheitlichen Situation<br />

von älteren Sozialhilfebeziehenden<br />

hat sich schliesslich gezeigt, dass die<br />

Sozialdienste der Erfassung des Gesundheitszustands<br />

ihrer Klientel bislang eher<br />

wenig Aufmerksamkeit schenken. Die Angaben<br />

zur gesundheitlichen Situation der<br />

untersuchten Fälle waren oft rudimentär<br />

und mussten vom Erhebungsteam teilweise<br />

in unstrukturierten Aktennotizen aufwendig<br />

zusammengesucht werden. Angesichts<br />

der Ergebnisse des Projektes, dass rund<br />

80 bis 90 Prozent der Sozialhilfebeziehen-<br />

den zwischen 45 und 65 Jahren gesundheitliche<br />

Probleme haben, dürfte sich eine<br />

strukturierte Aufarbeitung und Darstellung<br />

der gesundheitlichen Situation in den<br />

Dossiers für die Zukunft aufdrängen. Denkbar<br />

wäre, für die einheitliche Abklärung<br />

des Gesundheitszustands auf den Sozialdiensten<br />

ein ähnliches Raster einzuführen,<br />

wie es zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit<br />

bereits existiert.<br />

Der Schlussbericht zum Forschungsprojekt<br />

liegt seit Ende Mai 2011 vor.<br />

Weitere Informationen finden Sie unter<br />

www.soziale-arbeit.bfh.ch/forschung.<br />

Literatur:<br />

Neukomm, S.; Salzgeber, R. (2011): Diagnose:<br />

nicht vermittelbar. In: SozialAktuell 2/2011, S. 29-30.<br />

Ablaufschema und Aufgaben der Beteiligten bei einer <strong>Aktenanalyse</strong><br />

Organisation<br />

und planung<br />

erarbeitung des<br />

erhebungsrasters<br />

Stichprobenziehung<br />

und pretest<br />

Datenerhebung<br />

und -erfassung<br />

erhebungsteam Sozialdienst<br />

– Anfrage des Sozialdienstes und<br />

Klärung der Rahmenbedingungen<br />

– Erarbeitung und Programmierung<br />

des Fragerasters<br />

– Test des Erhebungsrasters und<br />

Anpassung des Fragerasters<br />

– Zusammentragen relevanter<br />

Informationen und Eingabe in<br />

das elektronische Erhebungstool<br />

– Einführung ins Fallverwaltungssystem<br />

– Zugangsberechtigung<br />

– Datenschutzbestimmungen<br />

– Ziehung der Zufallsstichprobe<br />

– Bestimmung der Auskunfts-<br />

personen<br />

– Bereitstellung der Daten, insbesondere<br />

auch der Papierakten<br />

– Auskunft bei Fragen der<br />

Dossierverwaltung<br />

impuls Juni 2011<br />

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