Karl Keck
Karl Keck
Karl Keck
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Bernhard Röckle<br />
Geboren in<br />
schwerer Zeit<br />
<strong>Karl</strong> Fix und die Entstehung der<br />
Volksmission entschiedener Christen<br />
Von 1933 bis 1945<br />
Selbstverlag der Volksmission entschiedener Christen
©<br />
Impressum<br />
1. Auflage Oktober 2002<br />
(copyright) 2002 Volksmission entschiedener Christen, Sitz Stuttgart<br />
Herausgeber:<br />
Volksmission entschiedener Christen,<br />
Sitz Stuttgart, Güglinger Straße 4, 70435 Stuttgart<br />
Zu beziehen durch:<br />
Sekretariat: Industriestraße 3, 74321 Bietigheim-Bissingen<br />
Tel. (0 71 42) 98 06 07, Fax (0 71 42) 98 06 08<br />
eMail: sekretariat@vmec.de<br />
Satz und Umschlaggestaltung: Ideeal Werbung, Uhingen<br />
Druck: Schönbach Druck GmbH, 64390 Erzhausen
Vorwort<br />
Im Rahmen meiner Vorstandstätigkeit für die Volksmission<br />
hatte ich im Juni/Juli 2000 die Gelegenheit, auf einer Berlinreise<br />
die Ursprünge dieser Gemeindebewegung an Ort und Stelle kennenzulernen.<br />
Dies veranlasste mich, die packende Entstehungsgeschichte<br />
zu Papier zu bringen.<br />
Während 1933 aus dem braunen Sumpf des Nationalsozialismus<br />
Adolf Hitler zum Reichskanzler emporstieg und seinen totalitären<br />
Führerstaat errichtete, entwickelte sich in der Stadt Berlin<br />
eine neutestamentliche Gemeinde, deren Leiter, <strong>Karl</strong> Fix, mutigen<br />
Widerstand leistete.<br />
Weder das 1934 erteilte Versammlungsverbot noch die permanente<br />
Gestapoüberwachung konnten den brennenden Eifer der<br />
Neubekehrten eindämmen. Weit über 1000 Gottesdienstbesucher,<br />
von denen viele außergewöhnliche Heilungen erlebten,<br />
wurden 1934 gezählt.<br />
Durch die Schriftenmission, in der Fix etwa zwei Millionen<br />
Traktate in über 12 Ländern verteilte, breitete sich die Bewegung<br />
rasch bis über die deutschen Grenzen aus. Sein prophetischer<br />
Blick ermutigte ihn, in aller Offenheit vor dem selbsternannten<br />
„Führer“ zu warnen.<br />
Der Schweizer Historiker Walter Hollenweger publizierte 1969<br />
sein Standardwerk Enthusiastisches Christentum – Die Pfingst-
ewegung in Geschichte und Gegenwart. Darin erwähnt er die<br />
Volksmission nur in einer Randnotiz, ohne auf ihre geschichtliche<br />
Bedeutung einzugehen. Ziel und Absicht dieser Arbeit ist<br />
deshalb, nach einem kurzen Abriss der Entstehung der Pfingstbewegung<br />
in Deutschland den Beitrag der Volksmission zu dieser<br />
aufzuzeigen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Gründungsphase<br />
in den Jahren 1933-1945. Die Theologie des Gründungsvaters<br />
soll in Bezug auf Heilslehre, Wasser- und Geistestaufe<br />
sowie hinsichtlich seines prophetischen Blicks anhand<br />
seiner zahlreichen Veröffentlichungen abschließend aufgezeigt<br />
werden.<br />
Herzlich danken möchte der Autor allen, die ihm Quellenmaterial<br />
aus den Anfängen zur Verfügung gestellt haben.<br />
Bernhard Röckle<br />
Geislingen
Zum Geleit<br />
Schon lange war es uns ein Anliegen, die faszinierende Geschichte<br />
der Volksmission entschiedener Christen unseren Gemeinden<br />
und Freunden in dieser Form zugänglich zu machen. Nun ist es<br />
uns eine Freude, mit diesem ersten Band dem Wunsch vieler zu<br />
entsprechen.<br />
Mein lieber Freund und Kollege Bernhard Röckle hat mit der<br />
ihm eigenen Akribie sorgfältigst nachgeforscht, zusammengetragen,<br />
aussortiert, zusammengestellt und das Ergebnis zu einer<br />
Lektüre verarbeitet, die den Leser nicht mehr loslässt. Sein prägnanter<br />
Stil, der kein überflüssiges Wort duldet, führt hinein in<br />
Gottes Wunderwirken während der dunkelsten Zeit des deutschen<br />
Volkes im vergangenen Jahrhundert und zeigt auf, wie dieser<br />
Gott durch einen Mann namens <strong>Karl</strong> Friedrich Fix anfängt,<br />
das Licht des Lebens für viele neu leuchten zu lassen. Es ist ein<br />
Buch der Hoffnung für Hoffnungslose, weil Jesus Christus gestern<br />
und heute und in alle Ewigkeit derselbe ist.<br />
Es gelingt dem Autor meisterhaft, die geistliche Situation<br />
jener Tage mit dem damals vorherrschenden politischen Spannungsfeld<br />
in Bezug zu setzen und die Verbindung zwischen der<br />
Entstehung der Volksmission und dem erwecklich-pfingstlichen<br />
Aufbruch in Deutschland nachzuweisen. Somit ist dieses Buch<br />
ein Geschichtsbuch der Extraklasse, weil es in übersichtlicher<br />
Weise viele Komponenten vereinigt, Prägungen, Hintergründe<br />
und Zusammenhänge aufzeigt, Antworten auf Fragen bietet und<br />
in dem allen Gottes souveränes Handeln in der Welt und in Seiner<br />
Gemeinde offenbart, ganz so wie es <strong>Karl</strong> Fix wohl selber präsentiert<br />
hätte.<br />
Die biographischen Züge des Gründers der Volksmission<br />
werden sehr sachlich geschildert, aber gerade deshalb wirken sie<br />
ungeheuer schlagkräftig und inspirierend. Bekehrung und Ruf<br />
von <strong>Karl</strong> Fix vibrieren mit göttlichem Wirken; seine Vision, sein<br />
Kampf, sein Pioniergeist, sein humorvolles und cholerisches<br />
Temperament, sein Unternehmungsgeist, seine kernige, volkstümliche<br />
Verkündigungsart, seine Aufgeschlossenheit für neue<br />
Wege der Evangelisation, seine Liebe zu Jesus, all das reißt mit<br />
und spornt an. Er war sicher ein „auserwähltes Rüstzeug“ seines<br />
Herrn, ein Apostel Jesu Christi, voller Güte, Scharfsinn und steter<br />
Hilfsbereitschaft, der seiner Generation in völliger Hingabe<br />
diente.
Nie macht er es sich leicht, noch sucht er je einen bequemen Weg.<br />
Er kämpft sich selbst durchs theologische Unterholz jener Tage,<br />
er prüft, er ringt sich zu Überzeugungen durch, pflegt Gemeinschaft<br />
mit international bewährten, ausgewogenen Männern Gottes<br />
und bleibt standhaft. Ein Mann nach dem Herzen Gottes.<br />
Er zeichnet sich aus durch Liebe zu den Verlorenen, den<br />
Armen, Elenden, Mühseligen, Ausgestoßenen und Abgeschriebenen.<br />
Sein Schlachtruf, besonders in seiner unermüdlichen Arbeit<br />
in der Schriftenmission, bleibt bis zuletzt: „Für alle Welt ist<br />
Rettung da im Gnadenstrom von Golgatha.“<br />
Es war mein Vorrecht, auch durch meine Freundschaft mit<br />
seinem Sohn Johannes, ihn persönlich zu kennen und ihm in<br />
Stuttgart und Berlin, wenigstens eine Zeitlang, die Aktentasche<br />
tragen zu dürfen. Die Verbindung zu ihm brach selbst während<br />
meines Dienstes in Afrika nicht ab. Jeden Monat kam ein persönlicher<br />
Brief von ihm an. Einmal meinte er scherzhaft, alle<br />
Dinge hätten zwei Seiten, nur seine Briefe nicht. Aber diese eine<br />
Seite hatte es jeweils in sich!<br />
Die Lebensbeschreibung von Missionar <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong>, dem ersten<br />
offiziellen Vorsitzenden der Volksmission, bildet den letzten<br />
Teil dieses Buches. In gekonnter Weise skizziert Pastor Dieter<br />
zum Felde diesen herausragenden Gottesmann für uns auf. <strong>Karl</strong><br />
<strong>Keck</strong> hat die Leiterschaft der Nachfolgegeneration innerhalb der<br />
Volksmission wie kein anderer mitgeprägt. Zu ihr gehört unter<br />
anderem auch Pastor Gottlob Ling, Vorstandsvorsitzender i.R.,<br />
der das Vorwort für diesen Abschnitt schrieb: „<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong>, der<br />
Leiter ohne Terminkalender.“<br />
Als Vorstand der Volksmission entschiedener Christen schätzen<br />
wir uns glücklich, das uns überlassene Vermächtnis hiermit<br />
unserer verehrten Leserschaft zum geistlichen Gewinn herzlich<br />
weiterzuempfehlen.<br />
Herbert Ros<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Volksmission entschiedener Christen, Sitz Stuttgart
Inhalt<br />
1. Entstehung der Pfingstbewegung in Deutschland 9<br />
1.1 Heiligungs- und Gemeinschaftsbewegung<br />
bahnen den Weg<br />
1.2 Wales rüttelt wach<br />
1.3 R. A. Torrey auf der Jahreskonferenz der<br />
Evangelischen Allianz<br />
1.4 Jonathan Paul und Emil Meyer besuchen<br />
T.B.Barrat<br />
1.5 Heinrich Dallmeyer und die norwegischen<br />
Missionarinnen in Kassel<br />
1.6 Die Bewegung entgleist<br />
1.7 Paul empfängt die Geistestaufe und Dallmeyer<br />
distanziert sich<br />
1.8 Erste Pfingstkonferenz in Hamburg<br />
1.9 Die Berliner Erklärung<br />
1.10 Die Mülheimer Erklärung<br />
1.11 Weitere Pfingstbewegungen<br />
2. Das Missionswerk der Volksmission entsteht<br />
in Berlin und breitet sich nach Süddeutschland aus 21<br />
2.1 Hindenburg erlässt die Notverordnung<br />
„Zum Schutz von Volk und Staat“<br />
2.2 Hitler erlässt das Ermächtigungsgesetz<br />
2.3 Gleichschaltung<br />
2.4 <strong>Karl</strong> Fix findet zu Christus<br />
2.5 Fix gründet die „Deutsche Volksmission“<br />
2.6 Öffentliche Versammlungen in der Linienstraße<br />
2.7 Vereinsgründung und -verbot<br />
2.8 Umzug in die Höchstestraße<br />
2.9 Aufbau der Schriftenmission<br />
2.10 Die GESTAPO beschlagnahmt „Grausen,<br />
Grausen“<br />
2.11 Alle Pfingstgemeinden werden verboten<br />
2.12 Außenstationen entstehen<br />
2.13 Der Weckhof in Süddeutschland<br />
2.14 Schweiz und Österreich
2.15 Der II. Weltkrieg bricht aus<br />
2.16 Das Lazaruskrankenhaus wird zur neuen<br />
Heimat<br />
2.17 Wie die Volksmission nach Stuttgart kam<br />
3. Theologische Prägung der Volksmission 46<br />
3.1 Schriftenmission floriert<br />
3.2 Deutsch-schweizerische Arbeitsgemeinschaft für<br />
Volksmission<br />
3.3 Glaubensgrundsätze und Vereinsgründung in<br />
Stuttgart<br />
3.4 Heilslehre<br />
3.5 Krankenheilung<br />
3.6 Glaubenstaufe<br />
3.7 Geistestaufe<br />
3.8 Prophetischer Blick<br />
4. Schlussbemerkungen 74<br />
5. Bibliographie 77<br />
6. <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> 86
1<br />
Entstehung der Pfingstbewegung<br />
in Deutschland<br />
1.1 Heiligungs- und Gemeinschaftsbewegung<br />
bahnen den Weg<br />
Die Pfingstbewegung in Deutschland ging aus der deutschen Gemeinschaftsbewegung<br />
hervor, welche in den siebziger Jahren des<br />
19. Jahrhunderts stark von der Heiligungsbewegung in England<br />
beeinflusst war. Eine Reihe deutscher Theologen nahm an den<br />
Konferenzen von Oxford teil. Die durch Moody und Sankey auf<br />
die Britischen Inseln gebrachte Evangelisationsbewegung übte<br />
auch auf Deutschland ihre Wirkung aus. Die überall sich bemerkbar<br />
machende geistliche Belebung fand ihren breiten Kanal in<br />
dem „Deutschen Verband für Gemeinschaftspflege und Evangelisation“,<br />
dem sogenannten „Gnadauer Verband“. In den Predigten<br />
wurde die Notwendigkeit persönlicher Heilsgewissheit durch<br />
Buße und Glauben sowie die Notwendigkeit der Heiligung betont.<br />
Die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Jesu sowie die<br />
Wahrheit vom Leib Christi und seiner Einheit waren zentrale<br />
Themen. Einige bezeugten auch die göttliche Heilung. Die Neubekehrten<br />
sammelten sich in christlichen Vereinen und Gemeinschaften,<br />
ohne sich jedoch von den offiziellen Kirchen zu trennen.<br />
Glaubenskonferenzen wurden durchgeführt, Kreise für Bibelstudium<br />
entwickelten sich, und neue Missionsgesellschaften<br />
wurden gegründet.<br />
1.2 Wales rüttelt wach<br />
Die Erweckungsbewegung in Wales begann 1904. Unter dem<br />
Dienst von Evan Roberts (1878-1947), Seth Joshua, Joseph<br />
Jenkins und Jessie Penn-Lewis soll es zu etwa 100 000 Bekehrungen<br />
gekommen sein. 1 Diese Ereignisse rüttelten auch die<br />
Suchenden in Deutschland wach. Der bekannte Pastor Otto<br />
Stockmayer und andere schauten sich das Phänomen vor Ort an.<br />
Die Berichte von den außerordentlichen Vorgängen in Wales wurden<br />
weit verbreitet, und man sah in diesem Aufbruch ein Wirken<br />
1 Allen, D., The Unfailing Stream a Charismatic Church History in Outline, Sovereign World,<br />
Kent 1994, S. 110-111. Zur Erweckung in Wales siehe auch Evans, E., The Welsh Revival of<br />
1904, Evangelical Press, London 1969<br />
9
Gottes, das Vorbote noch größerer Dinge sein würde. Man stellte<br />
sich darauf ein, dem Heiligen Geist auch die Bahn für große<br />
Dinge in Deutschland zu bereiten.<br />
1.3 R. A. Torrey auf der<br />
Jahreskonferenz der Evangelischen Allianz<br />
Im August 1906 predigte der amerikanische Evangelist Dr. R. A.<br />
Torrey auf der Jahreskonferenz der Evangelischen Allianz in Bad<br />
Blankenburg (Thüringen) über „Die Taufe im Heiligen Geist“,<br />
welche er nach Apostelgeschichte 1:8 als Empfang der „Kraft aus<br />
der Höhe für den Zeugendienst“ deutete. 2 Der unter den Zuhörern<br />
weilende Generalleutnant von Viebahn bezeugte, eine ganz<br />
neue Kraft zum Evangelistendienst empfangen zu haben. Neue<br />
Erweckungen waren die Folge.<br />
1.4 Jonathan Paul und Emil Meyer besuchen<br />
T.B.Barrat<br />
Im Frühjahr 1907 reiste Pastor Jonathan Paul 3 nach Norwegen,<br />
um dort die durch Pastor T. B. Barrat ins Leben gerufene Pfingstbewegung<br />
in Christiana/Oslo kennenzulernen. 4 Bereits 1896 hatte<br />
Paul ein Buch mit dem Titel Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes<br />
empfangen veröffentlicht. Darin hatte er, zehn Jahre vor den<br />
Ereignissen in der „Azusa Street“, 5 festgestellt:<br />
10<br />
Weil es der heutigen Zeit so sehr an Geistesfülle fehlt, so<br />
fehlt es auch an Geistesmacht und damit auch an den<br />
Gnadengaben des Geistes. 6<br />
2 Steiner, L., Mit folgenden Zeichen. Eine Darstellung der Pfingstbewegung, Verlag Mission für das<br />
volle Evangelium, Basel 1954, S. 17<br />
3 Jonathan Paul (1853-1931) wurde nach seinem Universitätsstudium Pfarrer von Ravenstein<br />
und diente ab 1899 als freier Evangelist. Eine ausführliche Studie über sein Leben und Werk<br />
hat Pfarrer Dr. Ernst Giese erstellt (Giese, E., Jonathan Paul, ein Knecht Jesu Christi. Leben und<br />
Werk, Missionsbuchhandlung und Verlag, Altdorf bei Nürnberg 1965)<br />
4 Wessler, G., „Ein Stück Kirchengeschichte.“ 75 Jahre BFP freikirchliche Pfingstbewegung in<br />
Deutschland, Erzhausen 1982, S. 4<br />
5 Über diesen bemerkenswerten Aufbruch in Los Angeles schrieb Witt, E. in Wie Pfingsten<br />
nach Los Angeles kam (deutsche Übersetzung des Berichts von Pastor Frank Bartlemann),<br />
Philadelphia-Verlag Leonberg, o.J.<br />
6 Paul, Jonathan, Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, Deutsche Evangelische<br />
Buch- und Tractatgesellschaft, Berlin 1896, S. 187
Paul schrieb nach seiner Rückkehr aus Norwegen in dem<br />
Heftchen Zur Dämonenfrage:<br />
Ich fand in den Pfingstversammlungen in Christiana eine<br />
Erweckungsbewegung, bei welcher es sich um tiefere Reinigung<br />
durch das Blut Jesu und um das Trachten nach stärkerer<br />
Geistesausgießung und Geistesgaben handelte. 7<br />
Neben Paul reiste 1907 auch der Leiter der Hamburger Stadtmission<br />
nach Norwegen, Emil Meyer, der später maßgeblichen Einfluss<br />
auf <strong>Karl</strong> Fix, den Gründer der Volksmission, hatte. Er brachte<br />
von dort zwei Missionarinnen, Dagmar Engström 8 und Agnes<br />
Telle mit, welche die Gabe der Zungenrede empfangen hatten.<br />
1.5 Heinrich Dallmeyer und die norwegischen<br />
Missionarinnen in Kassel<br />
In Hamburg hörte sie Heinrich Dallmeyer aus Kassel, lud sie ein<br />
und begann am 07. Juli 1907 im Kasseler Blaukreuzheim mit Veranstaltungen.<br />
Auch Berichten späterer Gegner zufolge verliefen die Versammlungen<br />
anfangs ruhig und harmonisch. Otto Kaiser schreibt<br />
in Erlebnisse und Erfahrungen mit der Pfingstbewegung (1948, S.<br />
8-10), und wird so von Christian Krust zitiert:<br />
Am Mittwochnachmittag besuchte ich die von Bruder<br />
Dallmeyer gehaltene Bibelstunde, in der ganz plötzlich und<br />
von allen unerwartet eine der Norwegerinnen in Zungen<br />
redete. Ihre Botschaften wurden übersetzt. Es waren fast<br />
durchweg Zeugnisse der Heiligen Schrift, die in erschütterndem<br />
Ernst zu der Versammlung sprachen. Die Atmosphäre<br />
in der Versammlung war trotz der ernsten Botschaften<br />
so, dass man glaubte, man sei im Himmel und werde<br />
von Gott selbst angesprochen. Viele der Teilnehmer brachen<br />
in stilles Weinen aus, das sowohl aus dem Glück tiefer Beu-<br />
7 zitiert nach Krust, C., 50 Jahre Deutsche Pfingstbewegung Mülheimer Richtung, Missionsbuchhandlung<br />
und Verlag, Altdorf bei Nürnberg 1958, S. 46<br />
8 Oberkirchenrat Kurt Hutten (1901-1979) gibt den Nachnamen mit „Gregersen“ an (Hutten,<br />
K., Seher Grübler Enthusiasten. Sekten und religiöse Sondergemeinschaften der Gegenwart, Quell<br />
Verlag, Stuttgart, 9. Auflage 1964, S. 490)<br />
11
gung als auch einer tiefen Glückseligkeit floss. Zum Schluß<br />
wurde der Versammlung durch die Norwegerin das Verheißungswort<br />
Lukas 2:32 zugerufen: „Fürchte dich nicht,<br />
du kleine Herde, denn es ist eures Vaters Wohlgefallen euch<br />
das Reich zu geben…“ 9<br />
1.6 Die Bewegung entgleist<br />
Später nahmen die Versammlungen allerdings einen lauten und<br />
unruhigen Verlauf. Die Presse berichtete über die Veranstaltungen.<br />
Oft versammelten sich Menschen vor dem Blaukreuzheim, um<br />
sich von draußen grölend über die Teilnehmer lustig zu machen.<br />
In diesen Veranstaltungen begannen andererseits Menschen Christus<br />
zu vertrauen, und Kranke wurden geheilt.<br />
In dieser Zeit hatte Dallmeyer ein Erlebnis, dessen Beginn<br />
Paul Fleisch so schildert:<br />
Am 19. dachte ein Bruder während eines Gebets um Christi<br />
Wiederkunft: Der Herr kommt so bald noch nicht. Da kam<br />
der Geist über ihn, er fiel wie tot zu Boden und fühlte einen<br />
heftigen Schmerz in der Brust. Als die Versammlung nach<br />
Hause ging, bekam er Offenbarungen von 10.30 Uhr bis<br />
1.00 Uhr nachts, etwa 32. Nach jeder schloss der Geist: „Abwarten“.<br />
Dann vergingen 2-3 Minuten bis zur nächsten. 10<br />
Ernst Giese bemerkt zu den Vorfällen:<br />
12<br />
Hier muß nun gefragt werden: Hatte H. Dallmeyer das Gotteswort<br />
vergessen 1. Korinther 14:32: „Die Geister der Propheten<br />
sind den Propheten untertan“? Musste nicht der<br />
merkwürdige Zwiespalt, in dem sich dieser Mann befand,<br />
die eigenartige und medial-okkulte Weise, in der der Liegende<br />
die Wahrsagungen aussprach, und vor allem die Mahnung<br />
Schrenks, er solle sich hüten vor falscher Prophetie,<br />
ihn darauf aufmerksam werden lassen, dass er in dieser<br />
9 ibid. S. 47<br />
10 Fleisch, Paul, Geschichte der Pfingstbewegung in Deutschland von 1900-1950, Verlag der<br />
Francke-Buchhandlung, Marburg 1983 S. 38 (Das Buch erschien früher unter dem Titel Die<br />
Pfingstbewegung in Deutschland: Ihr Wesen und ihre Geschichte in fünfzig Jahren, Heinriche<br />
Feesche Verlag, Hannover 1957)
Nacht, wo er eine Privatoffenbarung suchte, der Wahrsagerei<br />
zum Opfer gefallen war? Gottes Heiliger Geist hatte<br />
ihn immer wieder durch die interpretierten Sprachenreden<br />
der Norwegerinnen gemahnt, „dass man das Echte vom<br />
Unechten unterscheiden soll“. 11<br />
Von diesem Zeitpunkt an entgleiste die Bewegung in Kassel. Die<br />
Haltung der Norwegerinnen wird bei Fleisch und Giese unterschiedlich<br />
geschildert. 12 Beide sind sich aber einig, dass sie vor<br />
Vorkommnissen gewarnt hatten, die nicht vom Heiligen Geist in<br />
den Versammlungen gewirkt waren. Als sie nicht gehört wurden,<br />
verließen sie die Versammlungen und folgten einer Einladung in<br />
die Schweiz.<br />
Immer mehr muss es in den Kasseler Versammlungen zu<br />
Entgleisungen gekommen sein. So soll ein Mann in Ekstase mit<br />
der Bibel auf eine sitzende Frau eingeschlagen haben, und ein zu<br />
Boden gefallener Pastor presste die Zähne zusammen und suchte<br />
die Luft einzuziehen, so dass es sich wie das Zischen einer<br />
Schlange anhörte, und dabei schlängelte er sich dann einer<br />
Schlange gleich zwischen den Stühlen der Zuhörer durch. Ein<br />
Zungenredner rief in Ekstase fortwährend „Dallmeyer, Dallmeyer,<br />
Dallmeyer“, und eine Frau zerriss im Fallen ihre Bluse<br />
dermaßen, dass man mehr als wünschenswert zu sehen bekam. 13<br />
Nachdem sensationslüsterne Zeitungsreporter einige Artikel<br />
veröffentlicht hatten, kamen solche Massen von Neugierigen,<br />
dass schließlich die Polizei mit Hunden patrouillieren und für<br />
Ordnung sorgen musste. Schließlich wurde Dallmeyer von der Polizeiverwaltung<br />
dringend gebeten, die seit vier Wochen täglich<br />
stattfindenden Versammlungen zu schließen.<br />
Christian Krust stellt fest:<br />
Wer das, was in Kassel geschah, sachlich beurteilt, wird vor<br />
allem feststellen, dass es den für die Leitung verantwortlichen<br />
Brüdern an der nötigen Besonnenheit mangelte. Man<br />
lässt eine Veranstaltung zum Zwecke der Evangeliumsver-<br />
11 Giese, Ernst, Und flicken die Netze: Dokumente zur Erweckungsgeschichte des 20. Jahrhunderts.<br />
Herausgegeben von Prof. O.S. von Bibra, Ernst Franz Verlag, Metzingen 1987, S. 58<br />
12 ibid. S. 67<br />
13 Fleisch op. cit. S. 41<br />
13
kündigung nicht so ausarten, wie es hier geschah. Zum anderen<br />
wird offenbar, dass es der Leitung auch an der Fähigkeit<br />
und Nüchternheit fehlte, das, was vom Geist Gottes<br />
gewirkt war, und das, was aus der menschlichen Seele heraus<br />
gemacht wurde, – also das ganze Gemisch von Fleischlich-Seelischem<br />
und Geistlichem, wie es sich mehr und mehr<br />
entfaltete – klar voneinander zu unterscheiden und entsprechend<br />
korrigierend einzugreifen. 14<br />
1.7 Paul empfängt die Geistestaufe.<br />
Dallmeyer distanziert sich<br />
Da in Kassel Besucher aus ganz Deutschland angereist waren,<br />
breitete sich die Erfahrung der Geistestaufe rasch aus. Am 15.<br />
September 1907 empfing Pastor Jonathan Paul die Geistestaufe<br />
„auf dem Wege von Esra 8:23“, nachdem er in Christiana der<br />
Versuchung widerstanden hatte, sich von Geschwistern die<br />
Hände auflegen zu lassen, die mit Zungen redeten. Er wollte nicht<br />
„in das Schlepptau eines Geistes kommen, den er noch nicht genügend<br />
kannte.“ 15 Paul berichtete auf der XIII. schlesischen Konferenz<br />
– vom 23. bis 26.09 in Breslau – von seiner Erfahrung. Später<br />
wurden die Prediger Eugen Edel (1872-1951) und Regehly zu<br />
Führern der Pfingstbewegung. 16<br />
Während sich so die Bewegung ausbreitete, kam es gleichzeitig<br />
zu Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinschaftsbewegung.<br />
Heinrich Dallmeyer distanzierte sich, und sein Bruder<br />
August stellte in der Zeitschrift Reichsgottesarbeiter fest:<br />
14<br />
Die Gaben in dieser Bewegung sind nicht echt, sie sind ohne<br />
Ausnahme alle vom Teufel gewirkt. Durch sie ist Satan<br />
unter die Heiligen gekommen. In der Los Angeles Bewegung<br />
ist ein großer Lügengeist tätig. 17<br />
14 Krust, C., 50 Jahre Deutsche Pfingstbewegung, op. cit. S. 50<br />
15 Fleisch op. cit. S. 57-60 und Giese, Ernst, Jonathan Paul, Ein Knecht Jesu Christi Leben und<br />
Werk, Missionsbuchhandlung und Verlag Altdorf bei Nürnberg, 1965 (2. Auflage), S. 128-130<br />
16 Fleisch op. cit. S. 59 und 62<br />
17 Fleisch op. cit. S. 66
1.8 Erste Pfingstkonferenz in Hamburg<br />
Vom 8. bis 11. Dezember 1908 trafen sich erstmals in Hamburg<br />
im Hause der dortigen Strandmission Vertreter der neuen Bewegung<br />
zu einer Konferenz. Daran nahmen auch Gäste aus England,<br />
Holland, Norwegen, Schweden und der Schweiz teil. Krust führt<br />
folgende Namen auf:<br />
„Mr. Cecil Polhill, London; Alexander A. Boddy, Sunderland<br />
(Pfarrer); T. B. Barratt, Christiana (Pastor); J. Paul (Pastor), J.<br />
Koch (Evangelist), Blankenburg, S. E. Cooke-Collis, Schweiz; G. R.<br />
Polmann (Evangelist), Amsterdam; P. Oltmann (Amsterdam);<br />
Emil Humburg, Mühlheim a. d. Ruhr; Evangelist Edel, Brieg;<br />
Andrew Johnson, Orebro, Schweden; Voget (Pastor), Bunde; E.<br />
Meyer (Strandmission), Hamburg; u.a.“ 18<br />
Zu dem Thema des ersten Tages „Mitteilungen über Erfahrungen<br />
und Beobachtungen“ berichtete A. Boddy (1854-1930) 19 :<br />
Mit 40 oder 50, die die Taufe mit dem Heiligen Geist empfangen<br />
haben, haben wir dreimal in der Woche Versammlungen,<br />
und da ist vollkommene Freiheit im Gebet und Lobgesang.<br />
Obgleich der Böse mit aller Macht kommt, obgleich<br />
das Fleisch manchmal arbeitet, so danken wir dem Herrn<br />
doch für diese Pfingstbewegung. Wir danken Ihm, dass wir<br />
ein Teil des großen Leibes einer Pfingstgemeinde sein dürfen.<br />
Auch hierher sind wir gekommen, um Segen zu empfangen.<br />
20<br />
Auf dieser Konferenz wurde auch beschlossen, unter dem Namen<br />
Pfingstgrüße ein „periodisch erscheinendes Blatt zur Orientierung<br />
über die neueste Geistesbewegung“ herauszugeben, dessen<br />
Schriftleitung Pastor J. Paul übertragen wurde. 21<br />
18 Krust, C., 50 Jahre Deutsche Pfingstbewegung, op. cit. S. 59<br />
19 Einen guten Überblick über Leben und Wirken von Alexander Boddy gibt William Kay in seiner<br />
Doktorarbeit (Kay, W., A History of British Assemblies of God, doctoral thesis for the<br />
University of Nottingham, 1989) S. 18-40; siehe auch Allen, D., Signs and Wonders. The<br />
Origins, Growth, Development and Significance of Assemblies of God in Great Britain and<br />
Ireland 1900 - 1980, thesis submitted for the degree of Ph.D. (University of London), 1989,<br />
S. 38-57<br />
20 Krust, C., 50 Jahre Deutsche Pfingstbewegung, op. cit. S. 60<br />
21 ibid. S. 64<br />
15
Bemerkenswert ist die erste Stellungnahme zum Zungenreden,<br />
welche zeigt, dass „initial evidence“ (der Anfangsbeweis) kein<br />
Thema war:<br />
Niemand möge denken, dass das Zungenreden für uns ein<br />
„Schibboleth“ ist, und als schätzten wir irgendein Gotteskind,<br />
das diese Gabe nicht empfängt, geringer. Dies ist<br />
durchaus nicht der Fall. Wir sind nicht der Meinung, dass<br />
nur diejenigen den Heiligen Geist empfangen haben, welche<br />
zum Zungenreden gelangt sind. Ebenso ist uns das Zungenreden<br />
an sich kein Beweis dafür, dass jemand mit dem Heiligen<br />
Geist erfüllt ist. Wir wissen, dass wir an den Früchten<br />
sehen können, mit wem wir es zu tun haben (Matthäus 7,<br />
16). Darum ist uns die Frucht des Geistes (Galater 5, 22)<br />
die Hauptsache. Wo sich dieselbe findet, da hat der Geist Gottes<br />
im Herzen Wohnung gemacht. Das Zungenreden möchten<br />
wir in keiner Weise höher werten, als es die Bibel tut. 22<br />
Krust resümiert, „dass mit dieser Konferenz die Deutsche Pfingstbewegung<br />
ins Leben getreten ist“ und ihre weitere Entwicklung<br />
ab hier datiert werden muss. 23<br />
Pastor Jonathan Paul, Prediger Eugen Edel (Brieg im Osten)<br />
und Emil Humburg (Mühlheim a. d. Ruhr im Westen) kristallisierten<br />
sich als die Führer der Bewegung heraus. Emil Meyer veröffentlichte<br />
einen Aufruf an die, die nicht hatten teilnehmen können,<br />
in dem er zum Lesen der Pfingstgrüße aufforderte. 24<br />
Inzwischen breitete sich die Bewegung in ganz Deutschland<br />
aus, nicht zuletzt durch die im Juli 1909 beginnenden Mühlheimer<br />
Pfingstkonferenzen. Waren es auf der ersten Konferenz<br />
vom 14.-16. Juli 1909 etwa 1700 Teilnehmer, so zählte man auf<br />
der zweiten Mühlheimer Konferenz bereits 2500 Teilnehmer.<br />
1.9 Die Berliner Erklärung<br />
Etwa 60 leitende Gemeinschaftsbrüder kamen am 15. September<br />
1909 in Berlin zusammen. Dem vorliegenden Material zufolge<br />
22 Pfingstgrüße Nr. 1, Februar 1909, zitiert in Krust, op. cit. S. 64<br />
23 Krust, op. cit. S. 65<br />
24 Fleisch op. cit. S. 82<br />
16
glaubten sie, eine Erklärung herausgeben zu müssen, in welcher<br />
endgültig festgestellt wurde, dass die in der Pfingstbewegung<br />
praktizierten Geistesgaben nicht vom Geiste Gottes, sondern von<br />
„dämonischen Abgrundsgeistern“ stammten. Nach einer neunzehnstündigen<br />
Sitzung wurde die sogenannte Berliner Erklärung<br />
verabschiedet, in der es unter anderem heißt:<br />
Die Bewegung steht in untrennbarem Zusammenhang mit<br />
der Bewegung von Los Angeles, Christiana, Hamburg,<br />
Kassel, Großalmerode … Die sogenannte Pfingstbewegung<br />
ist nicht von oben, sondern von unten; sie hat viele Erscheinungen<br />
mit dem Spiritismus gemein. Es wirken in ihr<br />
Dämonen, welche, vom Satan mit List geleitet, Lüge und<br />
Wahrheit vermengen, um die Kinder Gottes zu verführen.<br />
In vielen Fällen haben sich die sogenannten „Geistbegabten“<br />
nachträglich als besessen erwiesen. An der Überzeugung,<br />
dass diese Bewegung von unten her ist, kann uns die<br />
persönliche Treue und Hingebung einzelner führender Geschwister<br />
nicht irre machen, auch nicht die Heilungen,<br />
Zungen, Weissagungen … Schon oft sind solche Zeichen mit<br />
ähnlichen Bewegungen verbunden gewesen, z. B. mit dem<br />
Irvingianismus, ja selbst mit der „Christlichen Wissenschaft“<br />
(Christian Science) und dem Spiritismus … Der<br />
Geist dieser Bewegung führt sich durch das Wort Gottes ein,<br />
drängt es aber in den Hintergrund durch sogenannte „Weissagungen“<br />
(vergleiche 2. Chronik 18, 18-22)… Die Übermittler<br />
sind meist Frauen. Das hat an verschiedenen Punkten<br />
der Bewegung dahin geführt, dass gegen die klaren<br />
Weisungen der Schrift Frauen, ja sogar junge Mädchen, leitend<br />
im Mittelpunkt der Arbeit stehen. In der sogenannten<br />
Pfingstbewegung steht in Deutschland J. Paul als Führer<br />
vor der Öffentlichkeit. An Aussprache mit ihm und an Ermahnungen<br />
im engeren und weiteren Brüderkreis hat es<br />
nicht gefehlt. Nachdem alles vergeblich war, müssen wir<br />
nun um seinet- und der Sache Gottes willen hiermit aussprechen:<br />
Wir können ihn als Führer und Lehrer in der Gemeinde<br />
Jesu nicht mehr anerkennen und befehlen ihn der<br />
zurechtbringenden Gnade des Herrn an … Wir erwarten<br />
nicht ein neues Pfingsten; wir warten auf den wiederkom-<br />
17
menden Herrn. Wir bitten hierdurch alle unsere Geschwister<br />
um des Herrn und seiner Sache willen, welche Satan verderben<br />
will: Haltet euch von dieser Bewegung fern! Wer<br />
unter die Macht dieses Geistes geraten ist, der sage sich los<br />
und bitte Gott um Vergebung und Befreiung. 25<br />
Man wollte keine Verständigung und sah die Rettung der deutschen<br />
Gemeinschaftsbewegung nur in einer klaren Scheidung von<br />
den „dämonischen“ Pfingstkreisen. Nur pfingstgegnerische Brüder<br />
waren zu diesem Treffen eingeladen worden. Das Urteil wurde<br />
gesprochen, ohne dass der Angeklagte überhaupt gehört worden<br />
wäre. Nachdem in der darauf folgenden Sitzung des Gnadauer<br />
Verbandes diese Verurteilung bestätigt wurde, legte man<br />
allen Mitgliedern auf, mit Brüdern der Pfingstbewegung keine<br />
Arbeitsgemeinschaft zu haben. Ein Zuwiderhandeln gegen diesen<br />
Beschluss wurde „für nicht vereinbar mit der Stellung im Gnadauer<br />
Verband“ erklärt. 26<br />
1.10 Die Mülheimer Erklärung<br />
Auf ihrer dritten Konferenz in Mühlheim im Oktober 1909 antworteten<br />
die Anhänger der Pfingstbewegung auf die Berliner Erklärung<br />
mit der Mülheimer Erklärung, in der sie unter anderem<br />
feststellten:<br />
18<br />
Wir danken dem Herrn für die jetzige Geistesbewegung.<br />
Wir sehen sie als den Anfang einer göttlichen Antwort auf<br />
die jahrelangen Glaubensgebete um eine weltumfassende<br />
Erweckung. Wir erkennen also in ihr eine Gabe von oben<br />
und nicht von unten … Im einzelnen möchten wir hervorheben,<br />
dass selbstverständlich auch in dieser Bewegung sich<br />
nicht nur Göttliches, sondern auch Seelisches bzw. Menschliches<br />
und unter Umständen auch Dämonisches geltend<br />
macht. Es ist das eine Erscheinung, die wir bei jeder Erweckung<br />
finden. 27<br />
25 Krust op. cit. S. 67-71<br />
26 ibid. S. 71<br />
27 ibid. S. 73-77
Trotz verschiedener weiterer Treffen und Erklärungen war die<br />
Pfingstbewegung ab 1910 mehr oder weniger isoliert. Am 2. Februar<br />
1914 wurde die „Christliche Kolportage-Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung zu Mühlheim-Ruhr“ gegründet. 28 Geschäftsführer<br />
wurde Emil Humburg. Bereits zu Weihnachten 1914<br />
brachte die Gesellschaft – trotz des Beginns des Ersten Weltkriegs<br />
– Das Neue Testament (Mühlheimer Ausgabe) in der Sprache der<br />
Gegenwart in der ersten Auflage heraus, der seither mehrere<br />
Auflagen gefolgt sind. 29<br />
1.11 Weitere Pfingstbewegungen<br />
Bereits ab 1907 entstanden freie Pfingstgemeinden u.a. in Velbert/<br />
Rheinland, Duisburg-Hamborn und Berlin. Mit ihnen begann die<br />
Geschichte der freikirchlichen Pfingstbewegung. Diese unterschied<br />
sich vom Mülheimer Verband, welcher an der Säuglingstaufe<br />
festhielt, durch die Praxis der Glaubenstaufe. 30<br />
Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen im Bereich Lehre<br />
und Praxis wollten sich seit 1911 einige Brüder nicht mehr dem<br />
„Hauptbrüdertag“ der Mülheimer Bewegung unterstellen. Zwei<br />
dieser Brüder, Heinrich Vietheer und Benjamin Schilling, wurden<br />
zu Gründungsvätern des freikirchlich-täuferischen Zweigs<br />
der deutschen Pfingstbewegung. 31<br />
Der 1865 geborene Benjamin Schilling stammte ursprünglich<br />
aus dem Baptismus und war maßgeblich vom baptistisch-pfingstlichen<br />
Kongregationalismus Schwedens geprägt. In seinen neugegründeten<br />
Gemeinden in Berlin plädierte er auch für eine etwas<br />
freiere Ausübung der Geistesgaben als J. Paul, der ihm zu vorsich-<br />
28 Am 17. Februar 1938 wurde vom Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten folgendes<br />
Schreiben erlassen: „Nach dem Gesetz zum Schutze von Bezeichnungen der NSDAP vom<br />
7.4.1937, RGBl. I, S. 442, dürfen die Bezeichnungen, die die Nationalsozialistische Deutsche<br />
Arbeiterpartei, ihre Gliederungen und ihre angeschlossenen Verbände für ihre Amtsträger,<br />
ihren Aufbau, ihre Einrichtungen und Symbole führen, von anderen Vereinigungen weder<br />
allein noch in Verbindung von Zusätzen geführt werden.“<br />
Da auch die Bezeichnung „Bewegung“ oder „Reichsbewegung“ unzulässig war, wurde der<br />
bisher als „Deutsche Pfingstbewegung“ bezeichnete Gemeinschaftsverband, juristisch vertreten<br />
durch die „Missionsgesellschaft m.b.H. Mühlheim-Ruhr“, ab 29.4.1938 in „Christlicher<br />
Gemeinschaftsverband G.m.b.H. Mühlheim Ruhr umbenannt (Krust S. 174).“<br />
29 ibid. S. 122-123<br />
30 Krüger, Richard, Helles Feuer oder Glut unter der Asche? 90 Jahre Deutsche Pfingstbewegung –<br />
50 Jahre BFP in Wort & Geist, Nr. 10, Oktober, 1997, S. 5<br />
31 Morris, Philipp, Die Geschichte der neuzeitlichen Pfingstbewegung, EBS, Rudersberg, 1995,<br />
S. 44<br />
19
tig war und „mit gezogener Bremse fuhr“. Nach seinem Tod wurde<br />
1934 der in Schweden ausgebildete Erwin Lorenz sein Nachfolger.<br />
1937 wurde die Gemeinde durch die GESTAPO 32 verboten. 33<br />
Seit 1922 arbeitete der Evangelist Heinrich Vietheer mit der<br />
Berliner Zeltmission zusammen und gründete viele ELIM-Gemeinden.<br />
Andere Gemeinden schlossen sich diesem Verband an.<br />
1938 erfolgte aufgrund der politischen Lage der Zusammenschluss<br />
der Elim-Gemeinden mit Baptisten und Darbisten zum<br />
„Bund Evangelisch Freikirchlicher Gemeinden“ (BEFG).<br />
Von der Bibelschule in Danzig aus erfolgte seit 1928 eine<br />
weitreichende missionarische Aktivität mit Hilfe der „Assemblies<br />
of God“ Nordamerikas unter Leitung der Brüder Herbert<br />
Schmidt und Gustav Kindermann. Im Jahre 1931 unterrichtete<br />
dort auch erstmalig Donald Gee, der große Pfingstpionier Großbritanniens.<br />
34 Die Pfingstbewegung breitete sich dadurch in<br />
Osteuropa unter Deutschen, Polen und Russen aus und führte<br />
zum Entstehen der „Freien Christengemeinden“.<br />
32 Die Geheime Staatspolizei war im nationalsozialistischen Deutschland der Sicherheitspolizei<br />
angegliedert. Das allgemeine Polizeirecht fand auf sie keine Anwendung. Ihre Verfügungen<br />
unterstanden nicht der Nachprüfung durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte. Sie ist verantwortlich<br />
für massenhafte, in einem willkürlichen, summarischen Verfahren ausgeführte<br />
Todesurteile und wurde im Nürnberger Prozeß als „verbrecherische Organisation“ verurteilt.<br />
33 Schmidgall, Paul, 90 Jahre deutsche Pfingstbewegung, Leuchter Verlag, 1997, S. 96-97<br />
34 Massey, R., Another Springtime. The Life of Donald Gee, Pentecostal Leader and Teacher,<br />
Highland Books, Guildford, Surrey, 1992, S. 86<br />
20
2.<br />
Das Missionswerk der Volksmission<br />
entsteht in Berlin und breitet sich nach<br />
Süddeutschland aus<br />
2.1 Hindenburg erlässt die Notverordnung<br />
„Zum Schutz von Volk und Staat“<br />
Die nach dem I. Weltkrieg (1914-1918) im Jahre 1919 entstandene<br />
Weimarer Republik 35 wurde in den nur 15 Jahren ihres Bestehens<br />
von schweren wirtschaftlichen und politischen Krisen<br />
erschüttert. Schließlich erließ am 28. Februar 1932 der 84-jährige<br />
Reichspräsident von Hindenburg auf Veranlassung Hitlers die<br />
Notverordnung „Zum Schutz von Volk und Staat“. Sie bedeutete<br />
das Ende der von der Verfassung garantierten persönlichen<br />
Freiheit. Die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) wurde<br />
umgehend verboten und politische Gegner ohne rechtsstaatliche<br />
Verfahren ausgeschaltet. Trotzdem verfehlte die NSDAP (Nationalsozialistische<br />
Deutsche Arbeiterpartei) bei den am 5. März<br />
stattfindenden Neuwahlen die absolute Mehrheit. Die 81 Mandate<br />
der KPD wurden sofort eingezogen, und das neue Parlament<br />
trat am 21. März in der Garnisonskirche von Potsdam zusammen.<br />
288 Nationalsozialisten, 52 Deutsch-Nationale, 73 Zentrumsvertreter<br />
und einige Vertreter aus den Splittergruppen feierten den<br />
„Tag von Potsdam“. Die durch Verhaftungen von 120 auf 94 Abgeordnete<br />
geschrumpfte SPD 36 -Fraktion war erst zwei Tage später<br />
anwesend und stimmte geschlossen gegen das von den anderen<br />
441 Abgeordneten angenommene Ermächtigungsgesetz, das die<br />
erste deutsche Republik endgültig liquidierte. 37<br />
35 Eine Bundesrepublik von 17 Ländern, selbst und in den Ländern demokratisch und parlamentarisch<br />
regiert. Gesetzgebendes Organ war der Reichstag mit ganz beschränkter Mitwirkung des<br />
Reichsrates. Oberstes Vollzugsorgan war der Reichspräsident, der Reichskanzler und Reichsregierung<br />
ernannte.<br />
36 Unter dem Namen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) entstand im Jahre 1890<br />
nach Aufhebung des Sozialistengesetzes die Sozialdemokratie neu. Die wachsende Stärke der<br />
Berliner SPD spiegelte sich in den Ergebnissen der Reichstagswahlen wider. 1880: 126 317<br />
Stimmen, 1893: 151 122 Stimmen, 1898: 155 411 Stimmen, 1903: 218 238 Stimmen, 1907:<br />
251 215 Stimmen - das entsprach einem Anteil von 66,2 Prozent. 1912 waren es gar 74,9<br />
Prozent; mit anderen Worten: Dreiviertel aller Berliner wählten sozialdemokratisch (Berger,<br />
J., Berlin freiheitlich & rebellisch, Goebel Verlag, Berlin 1987, S. 121).<br />
37 Gödeke, Peter, Schlagzeilen unseres Jahrhunderts – Was die Welt bewegte, Naumann & Göbel<br />
Verlagsgesellschaft mbH, Köln, 1995, S. 78<br />
21
2.2 Hitler erlässt das Ermächtigungsgesetz<br />
Am 30. Januar 1933 hatten die rechts stehenden Parteien endlich<br />
ihr Ziel erreicht: Hindenburg ernannte Adolf Hitler zum Reichskanzler.<br />
Alle Bedenken des greisen Hindenburg wurden mit Hinweisen<br />
auf Koalitionszwänge seitens der NSDAP und auf die aktuellen<br />
Machtverhältnisse im Parlament beschwichtigt. Die Demokratie<br />
war schon tot, sie wusste nur noch nicht, wohin sie fallen<br />
sollte, hatte ein Beobachter nachträglich gesagt. Und tatsächlich<br />
ging Hitler sofort daran, die Demokratie endgültig zu beseitigen.<br />
Er ließ Neuwahlen ausschreiben, die letzten, wie er stolz<br />
verkündete, und setzte dabei zur Unterstützung seiner Partei alle<br />
Machtmittel ein, während alle anderen Parteien schutzlos dem<br />
Terror der SA 38 ausgeliefert waren. Den Reichstagsbrand nahm er<br />
zum Anlass, die Kommunistische Partei zu zerschlagen. Trotzdem<br />
gewann er auch jetzt keine absolute Mehrheit. Die NSDAP<br />
erzielte nur 44% der abgegebenen Stimmen, und Hitler brauchte<br />
einen Koalitionspartner für die Regierungsumbildung. Aber er<br />
wollte mehr als nur die absolute Mehrheit. Er wollte mit<br />
Zweidrittelmehrheit „legal“ die Verfassung außer Kraft setzen.<br />
Am 23. März 1933 versammelten sich in der Krolloper die<br />
Reichstagsabgeordneten. Marschmäßig, in brauner SA-Uniform,<br />
rückten die Nationalsozialisten ein. Viele Abgeordnete fehlten.<br />
Die Mitglieder der KPD-Fraktion waren verhaftet worden, ebenso<br />
viele Sozialdemokraten. Die Regierung hatte einen Gesetzesentwurf<br />
vorgelegt, durch den sie ermächtigt werden sollte, für die<br />
nächsten vier Jahre ohne Zustimmung des Reichstages nach Gutdünken<br />
selbst Gesetze zu verabschieden, auch solche mit die Verfassung<br />
änderndem Inhalt. „Schlagt Brüning tot“, riefen die Wachmannschaften<br />
der SA, als dieser, der ehemalige Reichskanzler<br />
und Abgeordnete der katholischen Zentrumspartei den Saal verlassen<br />
wollten, um sich der Stimme zu enthalten. Nur die Sozialdemokraten<br />
widerstanden:<br />
22<br />
Wir stehen zu den Grundsätzen des Rechtsstaates, der<br />
Gleichberechtigung, des sozialen Rechtes, die in der Verfassung<br />
von Weimar festgelegt worden sind. Wir deutsche<br />
Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen<br />
38 SA = „Sturmabteilung“, die militärisch ausgebildete Kampfgruppe der NSDAP
Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit<br />
und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.<br />
Kein Ermächtigungsgesetz gibt ihnen die Macht, Ideen, die<br />
ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.<br />
Das war für 12 Jahre die letzte freie Rede in Deutschland, mit der<br />
der Abgeordnete und Fraktionssprecher Otto Wels (1873-1939)<br />
die Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes durch die SPD begründete.<br />
Aber Hitler bekam seine Zweidrittelmehrheit. 39<br />
2.3 Gleichschaltung<br />
Es folgte die Ausdehnung der Verhaftungswelle auf alle anderen<br />
politischen Parteien, Verhaftungen nicht durch die Staatsorgane,<br />
sondern durch SA oder SS 40 , verbunden mit Misshandlungen und<br />
Einlieferungen in die ersten Konzentrationslager, „ganz unbürokratisch“,<br />
wie die nationalsozialistischen Zeitungen rühmend hervorhoben.<br />
Eine erste Emigrationswelle setzte ein. Die Parteien,<br />
ihrer Führer beraubt, unsicher geworden, gespalten, bespitzelt,<br />
resignierten und lösten sich auf. KPD und SPD wurden verboten.<br />
Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, die Länderverfassungen<br />
aufgehoben, die Presse „gleichgeschaltet“ und das Erziehungswesen<br />
und die Kunst einheitlich im Sinne des nationalsozialistischen<br />
Staates ausgerichtet. Nur die Gleichschaltung der<br />
Kirchen gelang nicht vollkommen. Im Protestantismus bildete<br />
sich die sogenannte „Bekennende Kirche“ 41 , die entschieden Widerstand<br />
leistete. Auch die katholische Kirche widersetzte sich<br />
teilweise der geistigen Gleichschaltung, 42 nachdem sie zuerst<br />
39 Schildt, Gerhard, Geschichte Europas, Westermann, Braunschweig, 1988, S. 240-247<br />
40 SS = Abkürzung für „Schutzstaffel“, die ursprüngliche Leibgarde Hitlers, die nach dem<br />
„Röhm-Putsch“ und mit dem Aufstieg Himmlers die vollständige Macht im Staat bekam und<br />
die „Herrenschicht“ in Europa heranzüchten sollte.<br />
41 Widerstandskirche, die sich seit 1933 gegen die „Deutschen Christen“ nationalsozialistischer<br />
Richtung wandte. Am 21.09.1933 wurde unter Führung von Pfarrer Martin Niemöller (1892-<br />
1984) und Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) der „Pfarrernotbund“ gegründet, der 1934 zur<br />
ersten freien Synode tagte und der staatlichen Anmaßung in Glaubens- und Gewissensfragen<br />
mutig entgegentrat. Nach Kriegsende waren die Führer der Bekennenden Kirche maßgeblich<br />
am Neuaufbau der kirchlichen Ordnung beteiligt.<br />
42 Als Beispiel sei hier Rottenburgs Johannes Baptista Sproll genannt, der von Anfang an unter<br />
besonderer Überwachung der Gestapo stand, weil er immer wieder gegen die nationalsozialistische<br />
Weltanschauung predigte und am 10.04.1938 der Volksabstimmung zum Anschluss<br />
Österreichs fernblieb.<br />
23
durch das Angebot eines großzügigen Konkordats, eines Staatsvertrages<br />
zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl,<br />
verwirrt worden war.<br />
Dies war das politische Umfeld, in dem am 1. Januar 1934 die<br />
erste öffentliche Versammlung der Volksmission in Berlin stattfand.<br />
2.4 <strong>Karl</strong> Fix (1897-1969) findet zu Christus<br />
<strong>Karl</strong> Friedrich Fix, der Gründer der Volksmission entschiedener<br />
Christen, wurde am 14.08.1897 in Kupferzell bei Künzelsau in<br />
Baden-Württemberg geboren und verbrachte seine Kindheit in<br />
Löwenstein bei Heilbronn. In jungen Jahren begeisterte er sich<br />
für Mystik und Philosophie, insbesondere für F. Nietzsche und<br />
hatte auch Berührung mit spiritistischen Kreisen, mit Hellsehern<br />
und Wahrsagern. 43 Fünf Monate nach Abschluss seiner Ausbildung<br />
zum Textilkaufmann nahm er im März 1914 als „Kriegsfreiwilliger“<br />
am I. Weltkrieg teil 44 und war an dessen Ende mit 21<br />
Jahren „krank an Leib, Seele und Geist“. 45 Vom „Nie-wieder-<br />
Krieg“ der SPD angezogen, fand er den Weg zur Politik und wurde<br />
Sozialist. Da er schon in früher Jugend ein talentierter Schreiber<br />
gewesen war, wurde er Journalist bei der „Heilbronner Stimme“.<br />
46 Dort betätigte er sich als Lokalreporter, Filmkritiker und<br />
Pressevertreter und war von 1928-1932 „Berichterstatter über<br />
unzählige politische Versammlungen“. 47 Vom übermäßigen Trinken<br />
48 an Leberzirrhose schwer erkrankt, wurde er von den Menschen<br />
aufgegeben. 49 In seinem Traktat Volle Erlösung in Christo<br />
Jesu, aus dem ein Auszug in der Zeitschrift Der feste Grund abgedruckt<br />
wurde, schrieb der, welcher einst Spottgeschichten gegen<br />
den Glauben verfasst hatte: 50<br />
43 Fix, K., Frevel - Grauen - Grausen: Selbstmord, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Heilbronn 1948, S. 41<br />
44 Fix, K., Aus dem Kleinsten sollen tausend werden … Ein Zeugnis über das Werden unserer Schriftenmission,<br />
Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf, 2. Auflage<br />
1957, S. 4<br />
45 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn 30 Jahre Volksmission entschiedener Christen Berlin 1. Januar<br />
1934 bis 1964, Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf 1964, S. 5<br />
46 Gast, H.J., Heimat für Heimatlose in 60 Jahre Volksmission Berlin 1934-1994. Festschrift,<br />
Berlin, Volksmission Berlin 1994, S. 11-12<br />
47 Fix, K., Aus dem Kleinsten sollen tausend werden … op. cit. S. 5<br />
48 Fix K., Bibel und Krankheit, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener Christen, Vaihingen/<br />
Enz 1951, S. 17<br />
49 Gast op. cit. S. 12<br />
50 Velke H., Erlebte Gnade, Missionsverlag Gottlob Ling, Bauschlott, 2. Auflage 1994, S. 18<br />
24
Mein ganzes Leben<br />
war von frühester Jugend<br />
an eine einzige<br />
Unruhe, ein dauerndes<br />
Suchen und Nichtfinden.<br />
Ich fraß mit<br />
Gier alles Wissen, versäumte<br />
Schlaf und<br />
Pflicht. Oft war ich<br />
schwermütig und wollte<br />
mir das Leben nehmen.<br />
Schließlich war<br />
ich derart geistig gebunden,<br />
dass es oft<br />
schien, als wollten<br />
meine eigenen, finsteren<br />
Gedanken mich<br />
verzehren. Von den<br />
Ärzten bekam ich viel Gift, Brom usw. Gegen meine<br />
Verzweiflung kämpfte ich mit Rauschmitteln, von denen ich<br />
bestimmte Dosen brauchte, um leben zu können. Gifte und<br />
Gebundenheiten zerfraßen mich. Ein hoffnungsloser Fall.<br />
Vor einem Selbstmordversuch wurde ich durch ein Kind<br />
gerettet. Ich war eine wandelnde Leiche und wurde mir<br />
selbst und anderen zur Last. 51<br />
Viele Menschen hatten Anteil daran, dass er zum Glauben fand.<br />
Die gläubige Mutter und eine Kusine, die über 15 Jahre für ihn<br />
gebetet hatte, sowie einen leitenden Bruder der Mennoniten hebt<br />
Fix in seiner Schrift Preiset mit mir den Herrn besonders hervor.<br />
In seiner ihm eigenen Ausdruckskraft schildert er, wie ihm jener<br />
Bruder, auf einer Friedhofsbank vor dem Grab seiner ersten Frau<br />
sitzend 52 , immer wieder den einen Satz in die Nacht seines Lebens<br />
51 Grunewald E., Segenstage in Berlin, Der feste Grund, Nr. 15, 6.Jahrgang (1. August 1935), S.<br />
2. Ausführlich erzählt Fix seine Geschichte in Frevel – Grauen – Grausen: Selbstmord, op. cit.<br />
S. 40-45<br />
52 Am 14. Februar 1932 starb nach knapp 10 Ehejahren seine Frau Hermine, geb. Nübel. Mit<br />
seinem 9-jährigen Sohn Wolfgang allein gelassen, versank Fix in tiefe Depressionen.<br />
Wolfgang fiel in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges im sogenannten „Volkssturm“ im<br />
Osten (mündliche Information von Johannes Fix am 27.05.2001 und 8. Januar 2002).<br />
25
sprach: „Und wenn Dir auch niemand mehr helfen kann, Einer<br />
kann Dir immer noch helfen, und das ist der Herr Jesus Christus,<br />
gestern, heute und derselbe in Ewigkeit.“ 53 Dieser Prediger, den<br />
er als „Freund“ bezeichnete, aktivierte Gebetskreise zum Gebet<br />
für Fix und versorgte ihn mit christlichen Schriften. Besonders<br />
angesprochen wurde er durch ein Büchlein von Fritz Binde 54 Vom<br />
Atheisten zum Evangelisten. Der Mennonitenprediger und Schweizer<br />
Geschäftsmann Alfred Geistlich brachte Fix dann in Verbindung<br />
mit dem Evangelisten Emil Meyer, der dafür bekannt war,<br />
dass durch ihn viele Zeichen und Wunder geschahen. Dieser<br />
sandte Fix seine Schrift Aus Satans Bann. Nachdem er diese studiert<br />
hatte, schrieb Fix:<br />
Beim Lesen dieser Schrift wurde mir das Gesetz der Sünde<br />
und des Todes innerlich völlig klar; meine absolute Verlorenheit<br />
und Verstrickung in den Banden der Finsternis.<br />
Auf der anderen Seite gab es ja nur eine Hilfe: die Erlösung<br />
durch unseren Herrn Jesus Christus. 55<br />
Als Fix Emil Meyer bei einer Evangelisation in Kassel hören wollte,<br />
war er so schwach, dass er dort erst ein Hotel aufsuchen musste,<br />
um sich mit seinen starken Medikamenten zu kräftigen. Dr.<br />
Bircher-Benner, der weltbekannte Arzt aus Zürich, hatte ihm<br />
1925 schon attestiert, dass sein Leben „nur noch an einem Faden<br />
hänge und ganz unmittelbar der Tod eintreten könne“. 56<br />
Evangelist Meyer betete über einen Zeitraum von 8-10 Tagen<br />
täglich mit ihm, bis er, wie er schreibt, die Kraft Gottes erlebte<br />
und nach Leib und Seele heil wurde. Fix berichtet:<br />
26<br />
Jeden Tag hatten wir mindestens zwei Versammlungen,<br />
Sprechstunden und Gebetsstunden. Mit einer ungeheuren<br />
53 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 5<br />
54 Fritz Binde (1867-1921) war Sozialist und Anarchist gewesen, ehe er zum Glauben kam.<br />
Nach seiner Bekehrung arbeitete er zunächst mit der Deutschen Zeltmission, später als freier<br />
Evangelist, Seelsorger und Schriftsteller (Bauer H. und andere, Eine Saat geht auf. 75 Jahre<br />
Süddeutsche Vereinigung für Evangelisation und Gemeinschaftspflege 1910-1985, Stuttgart,<br />
Süddeutsche Vereinigung für Evangelisation und Gemeinschaftspflege, Stuttgart 1985, S. 12)<br />
55 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 6<br />
56 Fix, K., … und rufe mich an in der Not, so will ich Dich erretten!, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf, S. 6
Wucht wurde das Wort Gottes an mich herangetragen. Ich<br />
hörte auch viele Zeugnisse von Menschen, die Gott erlebten,<br />
und war interessiert, sie alle aufzuschreiben, kam ich doch<br />
von der Presse und war gewohnt, aus allem Geschehen Geld<br />
zu machen. Aber an jenem Abend sagte eine Stimme zu<br />
mir: „Was tust Du denn eigentlich hier? Du passt doch gar<br />
nicht zu diesen frommen Leuten!“ In dieser Erkenntnis hat<br />
mich ein tiefes Weh ergriffen über meine innerste Verlorenheit<br />
– und plötzlich war alles da! Die Kraft Gottes kam so<br />
gewaltig über mich, dass es mir die Menschen ansahen, hier<br />
war etwas Besonderes geschehen. Ich habe in meinen Elendsjahren<br />
viele, viele Nächte trotz stärkster Mittel nicht geschlafen<br />
und sah immer „schwarz in schwarz“. Nun kam<br />
die erste Nacht meines Lebens, in der ich vor lauter Wonne<br />
und Freude nicht schlafen konnte. Etwa 24 Stunden habe<br />
ich überhaupt meinen Mund nicht mehr zugebracht vor<br />
lauter Freude. Da war das Große geschehen: Gott hat sich<br />
meiner erbarmt! 57<br />
Fix folgte dem Vorschlag, Evangelist Meyer auf seiner nächsten<br />
Evangelisations-Kampagne in Berlin zu begleiten. Er stellte seine<br />
Beziehungen zur Presse in den Dienst Meyers und half ihm bei<br />
der Öffentlichkeitsarbeit. Bald übergab ihm Meyer seine Verlagsarbeit<br />
und die Redaktion seiner Monatszeitschrift Gott mit uns 58<br />
mit den vielsagenden Worten: „Sie können bei mir in einem Vierteljahr<br />
mehr lernen als sonst in 3 Jahren auf einer Bibelschule.“ 59<br />
2.5 Fix gründet die „Deutsche Volksmission“<br />
Sechs Monate lang wurden, beginnend in den Garde-Sälen der<br />
Sophienstraße am 1.01.1933, in ganz Berlin Großveranstaltungen<br />
abgehalten, bei denen viele Zeichen und Wunder geschahen und<br />
Fix seine ersten „Zeugnisse“ geben durfte. Neben überströmendem<br />
Glück berichtet Fix aber auch von Anfechtungen auf dem<br />
Weg, sich in die Welt der gläubigen Christen einzuleben:<br />
57 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 8<br />
58 Sommer G., Anfänge freikirchlicher Pfingstgemeinden in Deutschland zwischen 1907 und 1945,<br />
unveröffentlichte wissenschaftliche Hausarbeit, vorgelegt im Fachbereich Historische Theologie<br />
der FTA, Gießen, April 1998, S. 56<br />
59 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 9<br />
27
Man muss da so unendlich viel lernen. Man kennt sie alle<br />
nicht, die verschiedenen Gruppen und Vereinigungen. Man<br />
weiß nicht, was ein „Methodist“ ist, ein „Baptist“, ein<br />
„Pfingstler“. Man weiß als Außenstehender gar nichts von<br />
den Gruppierungen, von den Hecken und Zäunen, von den<br />
kleinen und großen Päpsten. Ich muss zu meiner großen<br />
Schande gestehen, dass ich erst in Berlin erfahren habe,<br />
dass es in meiner schwäbischen Heimat ein „Möttlingen“ 60<br />
gab. 61<br />
Im Juni 1933 hörte Fix zum ersten Mal durch einen Glaubensbruder<br />
das Zeugnis von der biblischen Geistestaufe. Trotz einigen<br />
Widerstandes gegen die Art und Weise des Empfangens war sein<br />
Sehnen gemäß Lukas 4:18-19, „… dass auch auf mich der Geist<br />
des Herrn kommen möchte als heilige Salbung, gesandt und befähigt,<br />
das Evangelium zu verkünden den Armen“, welches dann<br />
im Herbst 1933 in einer der Außenstationen in Sachsen erfüllt<br />
wurde. Fix berichtet:<br />
Erstmals habe ich einen Kreis gläubiger Menschen erlebt,<br />
wie sie in 1. Korinther 14:26 gezeichnet sind. Da waren<br />
geistige Kräfte mächtig, Gesichte, Zungen, Offenbarungen,<br />
Auslegungen. Dort hörte ich einmal in einer besonders<br />
geweihten Gebetsstunde den Ruf Gottes: „Wen soll ich senden?<br />
Wer will mein Bote sein?“ Und in meinen Herzen tönte<br />
es mit Zittern und Zagen: „Herr, sende mich (Jesaja 6,8). 62<br />
Fix deutete diesen Ruf so, dass er in Berlin ein selbständiges<br />
„Werk des Glaubens“ mit dem Namen „Deutsche Volksmission<br />
entschiedener Christen Berlin“ beginnen sollte.<br />
Inspiriert durch 1. Timotheus 2:7 – „Gott will, dass allen<br />
Menschen geholfen werde und sie zu der Erkenntnis der Wahr-<br />
60 Durch das Wirken von Pfarrer Johann Christoph Blumhardt (geb. 16.07.1805) kam es in dem<br />
kleinen Dorf Möttlingen bei Calw zu einer Erneuerungs- und Bußbewegung, die landesweite<br />
Auswirkungen hatte. Aufschlussreich ist hier der Bericht über die Krankheits- und Heilungsgeschichte<br />
von Gottliebin Dittus in Blumhardt J.C., Die Krankheitsgeschichte der Gottliebin<br />
Dittus in Möttlingen. Der Tatsachenbericht an die vorgesetzte Kirchenbehörde, 1844, Verlag<br />
Goldene Worte, 15. Auflage, Stuttgart 1975<br />
61 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 9<br />
62 ibid. S. 12<br />
28
heit kommen“ – umreißt Fix in seiner Zeugnisschrift diesen<br />
Auftrag folgendermaßen:<br />
Und das war nun der Grund für die Volksmission. Für<br />
Menschen, die in Sünden und Gebundenheiten und auch in<br />
Krankheitsnöten leben, zu beten und ihnen so das Leben zu<br />
retten nach Leib, Seele und Geist… Missionsgemeinde zu<br />
sein, kann ja nie Selbstzweck sein, sondern sie ist gesetzt,<br />
dass Seelen gerettet werden. Seelenrettung ist auch die erste<br />
Voraussetzung zu einer biblischen Gemeinde. 63<br />
2.6 Öffentliche Versammlungen in der Linienstraße<br />
Es war eine Glaubensschwester namens Selma Bischof aus der<br />
Niederlausitz, der Gott während des Gebets den inneren Eindruck<br />
gab, dass <strong>Karl</strong> Fix im Nordosten Berlins, wo die Ärmsten<br />
der Armen lebten, eine Gemeinde gründen sollte, „die das Zeugnis<br />
des vollen Heils in Christus Jesus auf den Leuchter stelle“. 64<br />
<strong>Karl</strong> Fix im Sommer 1953<br />
Der „Verein für Urchristen“ stellte Fix einen Saal in der<br />
Linienstraße zur Verfügung, den er einige Monate mieten konnte.<br />
Am 1.01.1934 fand die erste Versammlung statt. Jeden Morgen<br />
63 ibid. S. 13-14<br />
64 Gast, H.J., Heimat für Heimatlose op .cit. S. 12<br />
29
war Gebetsstunde, und jeden Abend fand eine Evangelisationsversammlung<br />
statt. Tagsüber wurden Freiversammlungen in den<br />
großen Berliner Hinterhöfen durchgeführt.<br />
Fix schreibt, dass etwa 95% der im ersten Jahr weit über 1.000<br />
Versammlungsbesucher Jesus als ihren Arzt erlebten und viele von<br />
Gebundenheiten und Lastern befreit und geistgetauft wurden. 65<br />
2.7 Vereinsgründung und -verbot<br />
Obwohl Fix zunächst keine offizielle Gemeinde gründen wollte,<br />
ließ er sich von seinem Quartiergeber, einem älteren Ehepaar,<br />
raten, dies zu tun. So wurde die Gemeinde am 27.06.1934 mit 35<br />
Mitgliedern und etwa 75 Freunden ein eingetragener Verein. Nur<br />
acht Tage später bekam Fix eine Vorladung zur Polizei. Der<br />
Reviervorsteher erklärte ihm, dass er gegen einen gewissen Paragraphen<br />
verstoßen habe, deshalb seien nun die Versammlungen<br />
verboten. „Dass Sie sich nicht noch einmal unterstehen, im Raum<br />
von Großberlin einen solchen Laden aufzumachen!“, sagte der<br />
gestrenge Herr bei der Verabschiedung. 66<br />
Vorübergehend traf sich die Gemeinde heimlich in Stubenversammlungen,<br />
bis nach wochenlangen Nachfragen und dem<br />
Studium des Reichsgesetzblattes der Paragraph, aufgrund dessen<br />
das Verbot erlassen worden war, in Erfahrung gebracht werden<br />
konnte: „Verkauf und Handel mit unerlaubten Arzneimitteln“.<br />
Der Polizeipräsident von Berlin-Pankow erklärte Fix, indem<br />
er aus dem Heilsboten Nr.7 Fixen's Artikel Willst du gesund werden<br />
vorlas, dass die Ursache des Verbots in der Bezeugung der<br />
Krankenheilung lag. Schließlich wurde mit dem Polizeipräsidenten<br />
folgende Abmachung getroffen: Versammlungen dürfen<br />
nur unter Aufsicht des Polizeireviers stattfinden, vorausgesetzt,<br />
dass sich die Besucherzahl höchstens aus einem Drittel Freunden<br />
und aus zwei Drittel Mitgliedern zusammensetzt. Freiversammlungen<br />
wurden verboten, und die Zeitschrift Der Heilsbote durfte<br />
nicht mehr gedruckt werden.<br />
Mitglieder und Freunde wurden von der GESTAPO vernommen,<br />
was besonders auch in Hinblick auf die sozialistische Ver-<br />
65 Fix, K., Volksmission entschiedener Christen. Weg und Werk, Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Schorndorf 1956, S. 9<br />
66 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 17<br />
30
gangenheit von <strong>Karl</strong> Fix nicht ungefährlich war. Als der ältere<br />
Glaubensbruder Kuttler über Fix und seinen politischen Hintergrund<br />
vernommen wurde, sagte er: „Früher war er Sozialist,<br />
aber jetzt betreiben wir himmlische Politik.“ Auf die Nachfrage,<br />
was dies für eine sei, sagte Kuttler: „Wir warten auf den wiederkommenden<br />
Herrn.“ Verächtlich klappte der Beamte mit den<br />
Worten „der kommt ja doch nicht“ sein Buch zu, und Fix<br />
bemerkt: „Damit war diese Gefahr für mich vorbei.“ 67<br />
Selbst die Gebete wurden von den emsigen Gestapobeamten<br />
mitstenographiert, und über jedes Wort musste Rechenschaft<br />
abgelegt werden. 68<br />
Rückblickend schreibt Fix über diese Zeit der Bedrängnis:<br />
Und das sei nach Römer 8:28 mit allem Nachdruck gesagt:<br />
Durch dieses Verbot wurde erst richtig unsere Arbeit befestigt.<br />
Ich selbst hatte Zeit fürs Gebet und das Wort Gottes.<br />
Der Herr sprach zu mir in dieser Zeit besonders über den<br />
biblischen Gemeindebau. Aber auch unsere Mitglieder wurden<br />
befestigt. Wir wussten jetzt aufs Allergewisseste, wer zu<br />
uns gehört. Der Name „Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen Berlin“ war fortan amtlich registriert, 69 es<br />
lagen Akten bei der Behörde über uns vor, man wusste, wer<br />
wir waren und was wir wollten. Wir hatten eine unserer<br />
ersten Bewährungs- und Feuerproben bestanden. 70<br />
Fix zählte zur Gemeinde nur diejenigen, welche großgetauft 71<br />
waren, und nur solche Menschen konnten auch am Gedächtnismahl<br />
teilnehmen. 72<br />
67 Im folgenden zitiert aus: Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 18<br />
68 Fix schildert, wie er von einem Gestapobeamten auf der Behörde vernommen wurde: „Es<br />
hatte da eine Schwester gebetet: ‚Herr Jesus, sage doch der Schwester Meier, sie soll nicht<br />
mehr auf ihren kranken Fuß schauen, sondern auf Dich, Herr Jesus.‘ Was das wohl zu bedeuten<br />
habe?“ (Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 19)<br />
69 Die Satzung der Berliner Gemeinde aus dem Jahre 1938 weist unter § 8 darauf hin: „Die<br />
Volksmission ist bei der geheimen Staatspolizei Berlin C unter V 3270/V 3250/34 mit<br />
Personenverzeichnis und Glaubensbekenntnis registriert, im NSDAP-Vereinsregister unter<br />
No. 1391/38 (Kreis Berlin) verzeichnet.“<br />
70 ibid. S. 20<br />
71 Immer wieder traten bei der Taufe auch Heilungen ein. Helene Velke, die 1935 zur Volksmission<br />
stieß, berichtet in ihrem autobiographischen Lebenszeugnis Erlebte Gnade, wie sie bei ihrer Taufe<br />
von starken Kniebeschwerden, verursacht durch Kalkablagerungen, spontan geheilt wurde (S. 22).<br />
72 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 34<br />
31
Eine große Stütze für Fix war Erna Müller, die ursprünglich aus<br />
der Mädchengruppe von Fräulein von Treskow kam und in den<br />
Anfangstagen zum Werk der Volksmission dazustieß, Glaubensheilung<br />
von schwerer Krankheit erfuhr und sich am 24.04.1935<br />
mit Fix vermählte. 73 Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor:<br />
Helmut, der am 26.08.1936 zur Welt kam und 1991 in Stuttgart-<br />
Zuffenhausen starb, und die Zwillingsbrüder <strong>Karl</strong> und Johannes<br />
(genannt Hans), die am 16.04.1938 geboren wurden. <strong>Karl</strong> starb<br />
im Alter von eineinhalb Jahren an Keuchhusten. Hans dient<br />
heute noch dem Herrn in großem Segen, unter anderem bei<br />
„Christus für alle Nationen.“<br />
2.8 Umzug in die Höchstestraße<br />
Rasches Wachstum und Spannungen mit dem Vermieter „Verein<br />
für Urchristentum“ drängten zur Suche nach eigenen Räumlichkeiten.<br />
Schließlich konnte ein ehemaliger Tanzsaal in der<br />
Höchstestraße 27, der zwischenzeitlich einer Obstbaugroßhandlung<br />
als Lagerraum gedient hatte und Platz für 200 Personen<br />
bot, 74 angemietet werden. Übersprudelnde Freude kennzeichnete<br />
den Einweihungsgottesdienst. Fix berichtet:<br />
32<br />
Kaum mit dem Lobpreis angefangen, fing unser lieber, alter<br />
Bruder Fritz Döhring plötzlich zu stottern an und ist in die<br />
Zungensprache durchgebrochen … Die Botschaft, die ich<br />
hörte, ging in mich hinein: „Friede sei mit Euch! Das ist der<br />
Weg. Folget mir nach. Ihr müsst durch viel Anfechtung in<br />
das Reich Gottes eingehen. Aber fürchtet euch nicht. Ich,<br />
der Herr, bin bei euch. Ich stärke euch …“ Was weiter geschah,<br />
das ist ja nun nicht zu berichten. Wenn es im Psalm<br />
36 heißt: „Sie werden trunken von den reichen Gütern deines<br />
Hauses, und du tränkest sie mit Wonne wie mit einem<br />
Strom, denn bei dir ist die Quelle, und in deinem Licht<br />
sehen wir das Licht“, so ist uns das ein buchstäbliches, gewaltiges<br />
Erlebnis geworden. Trunken in himmlischer<br />
Wonne! Meinen lieben Geschwistern ist es ähnlich ergangen,<br />
und damit wurden wir zusammengeschweißt im guten<br />
73 ibid. S. 13<br />
74 Gast, H.J., Geschichte der Volksmission Berlin, unveröffentlichtes Typoscript, Berlin 2000, S. 1
Heiligen Geist zu einer bestimmten Sendung … Wir waren<br />
fortan vereint, getauft in Seinem Geist. Zu seinem Leib vereint<br />
mit dem Bund der Liebe, des Heiligen Geistes und mit<br />
einer göttlichen Dienstverpflichtung. 75<br />
Der geladene Festredner, Pastor Martin Gensichen, 76 erklärte<br />
dann anhand von 2. Chronik 1:7 am Nachmittag die morgens aufgetretenen<br />
Phänomene und die Bedeutung der Geistestaufe.<br />
2.9 Aufbau der Schriftenmission<br />
Einen Schwerpunkt setzte die Volksmission in Berlin mit der<br />
Schriftenmission. Nachdem sie durch den Umzug in die Höchstestraße<br />
einem neuen Polizeirevier zugeordnet worden war und<br />
sich die Beziehungen zu den Behörden kontinuierlich verbessert<br />
hatten, fand die Überwachung jetzt nur noch „in Stichproben“<br />
statt. Die Beamten kamen zu den Versammlungen als „Geheime“. 77<br />
Ein Büchertisch durfte wieder geführt werden. Er wurde über die<br />
Liebenzeller Mission, zu der damals gute Beziehungen bestanden,<br />
der Reichsschrifttumskammer angeschlossen. 78 Traktate wurden<br />
aus der Schweiz vom „Verein für entschiedenes Christentum in<br />
Basel“ bezogen, aber dies war für Fix nur ein kümmerlicher Notbehelf.<br />
Dem ganzen deutschen Volk sollte die Botschaft des vollen<br />
Heils in Christus nahegebracht werden, als Gegenpart zur<br />
„Hochflut der nationalsozialistischen Propaganda, mit der das<br />
Volk überschwemmt wurde“. 79 Fix schreibt:<br />
Und so bedrängte ich Gott unter Beten und Fasten um eine<br />
Schriftenmission und machte ihm auch ein klares Ver-<br />
75 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 22<br />
76 Martin Gensichen, geboren 1879, Sohn des Berliner Missionsdirektors, bekehrte sich am<br />
3.12.1900 durch Stöcker, und hatte bereits 1905 eine Geistestaufe Torreyscher Art empfangen.<br />
Unter Ohly in der Berliner Stadtmission tätig, geriet er 1908 mit diesem in Konflikt, weil dieser<br />
verlangte, dass er seine Predigen niederschreibe (Fleisch, P., Geschichte der Pfingstbewegung<br />
in Deutschland von 1900-1950, S. 83). Als weitgereister Mann in den USA, Kanada und England<br />
„erfreute er sich der Bekanntschaft des großen Donald Gee“ (Dietze, R. „Schwimmgnade“<br />
nicht „Knöchelgnade“, unveröffentlichte Ordinationsarbeit, Erzhausen, BFP-Archiv, 1993, S. 13)<br />
77 Fix, K., Aus dem Kleinsten sollen tausend werden … op. cit. p. 10<br />
78 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 23. Die Satzung von 1938 vermerkt unter § 8: „Für<br />
den Schriftverkehr ist der Missionsleiter persönlich durch die Liebenzeller Mission, Bad<br />
Liebenzell, unter VA 207/BII/19231 dem Bund Reichsdeutscher Buchhändler (innerhalb der<br />
Reichsschrifttumskammer) einverleibt.“<br />
79 Fix, K., Aus dem Kleinsten sollen tausend werden … op. cit. S. 10<br />
33
sprechen, dass ich hier nichts für mich suche, es soll auch<br />
auf keiner Schrift ein Postscheckkonto zu lesen sein. (Ich<br />
sah, dass das Geld da und dort im Reich Gottes, samt dem<br />
Postscheckkonto, eine recht üble Rolle spielte!) Die Traktate<br />
sollten möglichst umsonst verteilt werden. 80<br />
Traktat der Schriftenmission<br />
Kurz darauf wurde Fix von Otto Gohlke, einem Landwirt aus dem<br />
deutsch-polnischen Grenzgebiet, aufgesucht. Dieser hatte mit<br />
einigen Brüdern die Meseritzer Schriftenmission gegründet, die<br />
Traktate und Schriften herausgab. Die Präsentation nach außen<br />
war jedoch etwas mangelhaft, und so wurde Fix gebeten, die<br />
Schriftleitung und den Druck in Berlin zu übernehmen. Neben<br />
der Herausgabe der Traktate wurde auch eine prophetische Abhandlung<br />
über das Volk Israel verfasst, die aber auf dem Postweg<br />
abhanden kam. Nicht nur, dass sie diese nie wiederbekamen,<br />
auch die „Meseritzer Schriftenmission“ wurde kurz darauf verboten.<br />
81<br />
80 ibid. S. 11<br />
81 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 23<br />
34
Fix brachte nun im Selbstverlag 82 Schriften heraus, die er mit folgendem<br />
Vermerk verteilen ließ: „Diese Blätter werden kostenlos<br />
verteilt. Die seither erschienenen werden bei Angabe der Adresse<br />
nachgeliefert. Sorgt für die Verbreitung dieser Schriften, betet<br />
dafür.“ 83 Die ersten 5000 Traktate kosteten 60 Mark.<br />
2.10 Die GESTAPO beschlagnahmt „Grausen, Grausen“<br />
Das vierte Traktat, mit dem provozierenden Titel „Grausen!<br />
Grausen! Wehe denen, die auf der Erde wohnen …“, zeugt von<br />
Fix' prophetischen Blick bezüglich der kommenden Katastrophen<br />
des Zweiten Weltkriegs. Fix schreibt zu dessen Entstehung:<br />
Mit dem Traktat „Grausen! Grausen!“ hatte ich eine besondere<br />
Herzensnot. Ich hörte viele Weissagungen über das<br />
kommende Verderben, Gesichte und Botschaften. Mir war<br />
das kommende Verderben offenbar, und ich hätte gerne<br />
noch einmal alle gewarnt. Aber ich wusste auch, dass das<br />
nie gut ausgehen kann, wenn auf der anderen Seite das<br />
„Tausendjährige Reich“ proklamiert wird. Da war ein langer<br />
Kampf in mir „für und wider“. Zuletzt sagte ich mir:<br />
Wenn man in einem Hause wohnt und man weiß, dass es<br />
brennt, dann muss man wenigstens einmal „Feurio“ rufen,<br />
wenn auch die andern sagen: Sei still – es ist alles in bester<br />
Ordnung. 84<br />
82 Die Traktate bekamen den Vermerk <strong>Karl</strong> Fix, Deutsche Volksmission entschiedener Christen,<br />
Berlin N 58, Chorinerstr. 61 (Fix, K., Lasset uns fortfahren mit der Heiligung in der Furcht des<br />
Herrn, Nr. 11, Datum unbekannt)<br />
83 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 24<br />
84 ibid. S. 25; 1955 schrieb Fix rückblickend:<br />
Als vor dem letzten Weltkrieg Mussolini seinen ersten Staatsbesuch bei Hitler in Berlin machte,<br />
da waren in diesen Tagen einmal etwa 2 Millionen Menschen auf dem Maifeld angetreten.<br />
Damals hat der „Führer“ vor aller Welt verkündigt: „Wenn es morgen einen Krieg in Europa<br />
gibt, dann wird es übermorgen in Europa keine Juden mehr geben!“ Alle Welt hat diese<br />
Voraussage gehört. Aber niemand hatte die Macht, diese Katastrophe abzuwenden. Ich selbst<br />
habe damals an einer Warnschrift gearbeitet. Ich wollte mit dieser Schrift die Menschen in<br />
den besonders gefährdeten Gebieten des nächsten Krieges warnen. Das mussten nach der<br />
Bibel die Länder in Europa sein, in denen am meisten Juden wohnten. Das waren Polen,<br />
Rumänien, Ungarn. Ich bin damals mit dieser Schrift nicht durchgekommen. Eine Warnschrift<br />
wurde mir direkt in der Druckerei von der GESTAPO beschlagnahmt (Fix, K.,<br />
Millionen Menschen müssen sterben! Ein Mahnruf an alle, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf 1955, 7. Auflage 1962, S. 66).<br />
35
Nachdem die erste Auflage über 5000 Stück bereits verteilt worden<br />
war, beschlagnahmte die GESTAPO das Traktat und brachte<br />
die zweite Auflage direkt von der Druckerei in das Präsidium.<br />
Trotzdem wurde das Werk und die Schriftenmission nicht verboten.<br />
Sie erfuhr sogar bis Juli 1939 durch den Kontakt zu dem<br />
schwedischen Evangelisten E. Grunewald, der im Sommer 1935<br />
auf Einladung von Fix eine Evangelisation durchführte und ihn<br />
mit Adressen von schwäbischen Gemeinden in Ungarn und Jugoslawien<br />
versorgte, eine internationale Ausweitung. Als dann<br />
die Schriftenmission verboten wurde, waren über zwei Millionen<br />
großer, vierseitiger Traktate in zwölf Länder versandt worden,<br />
bis hin nach Kanada und Brasilien. Dabei ist zu bedenken, dass<br />
zu jener Zeit das freie Verteilen von christlichen Traktaten wegen<br />
Erregung öffentlichen Ärgernisses in Deutschland verboten war<br />
und jeder Schriftensendung ein besonderes Rundschreiben mit<br />
dem Vermerk „Das öffentliche Verteilen dieser Traktate ist verboten“<br />
beigefügt werden musste. Beanstandete Schriften durften<br />
nur noch ins Ausland versandt werden. Jede Neuerscheinung,<br />
auch die Manuskripte, mussten vor Drucklegung der GESTAPO<br />
vorgelegt werden. Im Juli 1939 wurde schließlich dann die<br />
Schriftenmission endgültig und als Ganzes verboten. 85 Dazu Fix:<br />
Man brauchte sich darüber keinen Illusionen hinzugeben:<br />
vor der Türe stand der Zweite Weltkrieg. Seit Monaten<br />
hatte ich schon einen Wehrpass mit einem Gestellungsbefehl<br />
für den ersten Mobilmachungstag. So schrieb ich für alle<br />
meine Freunde der Schriftenmission einen Rundbrief zum<br />
Abschied mit dem herrlichen Trostwort Hebr. 13:5b und<br />
packte für jeden noch ein Schriftenpäckchen. Das war mein<br />
letzter großer Schriftenversand im Dritten Reich. Am<br />
nächsten Tag wurde ich „Fahrer“ bei der 3. Batterie A. R.<br />
176 Potsdam. 86<br />
Der letzte Schriftenversand zog eine strenge Hausdurchsuchung,<br />
mit Einzug nahezu sämtlicher Schriften, nach sich. Der Protest<br />
85 Ein Grund dafür war der pazifistische Inhalt, dokumentiert durch Aussagen wie „Liebet eure<br />
Feinde …“ (Fix, K., Aus dem Kleinsten sollen tausend werden … op. cit. S. 18)<br />
86 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S .29<br />
36
von Erna Fix „Da wird sich ja mein Mann freuen im Felde, wenn<br />
ich ihm dies schreibe“ wurde so kommentiert: „Das ist sein<br />
Glück, dass er dort ist, sonst würden wir ihn mitnehmen.“ 87 (<strong>Karl</strong><br />
Fix wurde bald danach aus gesundheitlichen Gründen dem OKW<br />
in Berlin zugestellt und konnte so der Gemeinde in Berlin dienen.<br />
Siehe Seite 41)<br />
2.11 Alle Pfingstgemeinden werden verboten<br />
Obwohl die Volksmission von 1935-1945 von der GESTAPO kontinuierlich<br />
überwacht wurde und Fix ständig Vorladungen zum<br />
Polizeipräsidium Folge leisten musste, war sie, im Gegensatz zu<br />
den Pfingstgemeinden, nicht verboten worden. Das anfängliche<br />
Erheben der Hände beim Singen und Beten, welches später als<br />
irreführende Nachahmung des „Hitlergrußes“ galt, unterließ Fix,<br />
und auch der Aufforderung anderer Pfingstkreise: „Schließt euch<br />
unserem Bund an, sonst werdet ihr verboten!“ widersetzte sich<br />
Fix mit Berufung auf Jesaja 8:12-13:<br />
Ihr sollt nicht sagen: Bund. Dies Volk redet von nichts denn<br />
von Bund. Fürchtet ihr euch nicht also, wie sie tun, und lasset<br />
euch nicht grauen; sondern heiligt den Herrn Zebaoth.<br />
Den lasset eure Furcht und Schrecken sein. 88<br />
Auf die Frage der GESTAPO nach dem Unterschied zwischen<br />
den Pfingstgemeinden und der Volksmission bezog sich Fix mit<br />
Verweis auf 1. Korinther 14:33.40 vor allem auf die Gottesdienstpraxis:<br />
„Wir achten auf geordnete Versammlungen.“ 89 Hauptgrund,<br />
warum die Volksmission nicht verboten wurde, war aber<br />
sicherlich deren Engagement für die Armen und Hilfsbedürftigen.<br />
Allein ein Drittel des monatlichen Überschusses wurde für<br />
die Bedürftigen verwendet. 90<br />
87 ibid. S .30<br />
88 So hatte es Fix auch in § 7 der 1938 erstellten Satzung festgelegt: „Da die D.V.e.C. der Allgemeinheit<br />
ohne besondere konfessionelle Bindung dienen will – sie selbst hat in ihrer Mitte<br />
Protestanten, dann ehemalige Katholiken, Baptisten, Methodisten, freikirchliche Gemeinschaftler<br />
u.s.w. –, so betreibt sie von sich aus keine Anschlussbewegung.“<br />
89 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 31<br />
90 ibid. S. 32<br />
37
2.12 Außenstationen entstehen<br />
Das Anliegen, neue Gemeinden zu gründen, trieb Fix ständig um.<br />
So wurden in Großberlin Außenstationen in Birkenwerder,<br />
Friedrichsfelde, Borkheide, Klein-Machnow und Moabit gegründet.<br />
91 Seine „Sachsenreisen“ führten ihn nach Zittau, Groß-<br />
Schönau und Waltersdorf. Krankenheilungen wurden oft zum<br />
Grundstock neuer Gemeinden. 92<br />
2.13 Der Weckhof in Süddeutschland<br />
Im Jahre 1935 kam Fix durch seine Verwandtschaft in Süddeutschland<br />
mit dem „Weckhof“, einem kleinen Weiler im Hohenloher<br />
Land nahe seines Geburtsorts Kupferzell, in Berührung<br />
und half mit, die junge Gemeinde zu stabilisieren. 93 Die „Gründerin“<br />
der Weckhof-Gemeinde, Marie Primmer 94 , geb. Wolf (1873),<br />
war gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika ausgewandert<br />
und muss von der Erweckung 1906 in Los Angeles gehört<br />
haben. Im Juli 1925 kam sie für einen zweijährigen Aufenthalt<br />
nach Deutschland zurück und hielt in den Wohnungen der Verwandtschaft<br />
Stubenversammlungen ab, in denen sie das Wort<br />
Gottes las und erklärte. Ihre Nichte Rosa Munzinger berichtet,<br />
dass bereits am 9. August 1925 drei Jugendliche „mit dem heiligen<br />
Geist getauft wurden und in neuen Zungen redeten“. 95 Wassertaufen<br />
wurden in der Kupfer durchgeführt und umliegende<br />
Ortschaften per Fuß und Fahrrad evangelisiert. Nachdem die Erweckungsbewegung<br />
von kirchlicher Seite heftig bekämpft wurde,<br />
kam es zum fast geschlossenen Kirchenaustritt der Weckhöfer.<br />
Am 23. Juni 1928 wurde ein eingetragener Verein unter dem<br />
Namen „Freie Pfingstgemeinde Weckhof e.V. gegründet.“ 96 Georg<br />
91 Ros H. und Kaupp G. (eds), Missionarisch in die Zukunft – 50 Jahre Volksmission entschiedener<br />
Christen 1945-1995, Volksmission entschiedener Christen e.V., Stuttgart, 1995, S. 65<br />
92 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 34-35<br />
93 Breuninger, W., 50 Jahre Missionsgemeinde entschiedener Christen e.V. Weckhof, Missionsgemeinde<br />
Weckhof e. V., 1975, S. 13<br />
94 In Breuninger, W., 50 Jahre Missionsgemeinde entschiedener Christen e.V, op. cit. wird der<br />
Nachname der Gemeindegründerin mit „Brümmer“ angegeben. Korrekt ist aber „Primmer“,<br />
siehe Schreiben von Taubert, M. vom 26.02.2001, der auf einen handschriftlichen Brief verweist,<br />
auf dem eindeutig als Absender „Primmer“ zu lesen ist.<br />
95 Munzinger, R., Augenzeugenbericht über die Entstehung der Weckhof-Gemeinde, unveröffentlichtes<br />
Typoscript, Künzelsau 1998. R. Munzinger berichtet, wie ihr elfjähriger Bruder nach<br />
der Taufe im Heiligen Geist prophezeite, dass noch viele – auch von weither – auf den<br />
Weckhof kommen würden .<br />
96 Breuninger, W., 50 Jahre Missionsgemeinde entschiedener Christen e.V, op.cit. S. 3-5<br />
38
Breuninger wurde zum Gemeindeleiter berufen. Nachdem er an<br />
Bibelkursen von Benjamin Schilling 97 in Berlin teilgenommen<br />
hatte, knüpfte er dort Verbindungen zu Gemeinden in Leipzig,<br />
Thüringen, in der Schweiz und in Wien. In den Jahren 1931-1939<br />
dienten die Brüder Benjamin Schilling, Ernst Hebeisen und Hans<br />
Lack (Schweiz) sowie <strong>Karl</strong> Fix, der den „Weckhof“ als seine zweite<br />
geistige Heimat bezeichnete, 98 mit Predigtdiensten. 99 Die Festschrift<br />
anlässlich des 50-jährigen Jubiläums bezeugt die Standhaftigkeit<br />
der Gemeinde und die Verblüffung der amerikanischen<br />
Besatzer am Ende des Krieges:<br />
Da der ganze Ort dem Nationalsozialismus von Anfang an<br />
ablehnend gegenüberstand, fand sich in keinem Haushalt<br />
weder eine Fahne, ein Hakenkreuz noch ein Hitlerbild. Als<br />
der befehlshabende Offizier den damaligen Versammlungsraum<br />
im Hause Breuninger/Eissele betrat, bemerkte er sofort<br />
an der Gestaltung und Einrichtung, dass dies ein Gottesdienstraum<br />
war. Als ihm erklärt wurde, dass am Ort<br />
eine Pfingstgemeinde bestehe, war er sehr überrascht und<br />
erfreut. Er gab sofort den Befehl, den ganzen Ort mit allen<br />
Einwohnern und den zahlreichen Evakuierten zu schonen …<br />
Es kam zu keinen Diebstählen, Plünderungen, Hausräumungen<br />
usw. 100<br />
2.14 Schweiz und Österreich<br />
Die Schweizer Brüder Hebeisen und Lack luden nun Fix in ihre<br />
Arbeit ein, und mit der schwer erkämpften Ausreiseerlaubnis der<br />
Gestapo durfte Fix im „Verein entschiedener Christen“, Klingentalgraben<br />
7 in Basel dienen. 101<br />
Nachdem der österreichische Bundeskanzler Dollfuß am<br />
25.07.1934 einem nationalsozialistischen Anschlag zum Opfer gefallen<br />
war, versuchte sein Nachfolger Schuschnigg, sich mit dem<br />
97 Schilling war in den Jahren 1928/29 auf dem Weckhof. Es wird von Wunderheilungen berichtet,<br />
die durch ihn geschahen (Taubert, M., Info über Weckhof-Gemeinde, unveröffentlichtes<br />
Typoscript, Künzelsau 1998)<br />
98 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 34<br />
99 Taubert M., Gemeinde auf dem Weg 75 Jahre Missionsgemeinde entschiedener Christen<br />
Künzelsau, Künzelsau, Missionsgemeinde e. C., 2000, S. 8<br />
100 Breuninger, W., 50 Jahre Missionsgemeinde entschiedener Christen e.V, op.cit. S. 8<br />
101 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 34<br />
39
inzwischen mächtig gewordenen Nationalsozialismus zu verständigen.<br />
Er konnte aber nicht verhindern, dass am 13.03.1938 die<br />
deutschen Heere einmarschierten und Österreich dem deutschen<br />
Reich „angeschlossen“ wurde, in dessen Staatsverband es dann<br />
am II. Weltkrieg teilnehmen musste. Die „Heimkehr ins Reich“ 102<br />
war gewaltsam vollzogen worden.<br />
Die in den 20er Jahren in Wien von schwedischen Missionaren<br />
der Stockholmer Filadefiaförsamlingen gegründete Pfingstgemeinde<br />
bekam 1936 Versammlungsverbot. Öffentliche Gottesdienste<br />
von staatlich nicht anerkannten Religionsgemeinschaften<br />
durften nicht mehr stattfinden, Gemeindelokale wurden behördlich<br />
versiegelt, und ausländische Missionare mussten das Land<br />
verlassen. 103 Hier ereilte 1938 Fix der Ruf eines österreichischen<br />
Eisenbahners, etwas für die verbotenen Gemeinden zu tun. 104 Die<br />
Einverleibung Österreichs wirkte sich für die Pfingstgemeinde in<br />
Wien insofern nicht schädlich aus, als es Fix gelang, „das Versammlungsverbot<br />
aufzuheben und die Gemeindearbeit unter dem<br />
Namen „Volksmission entschiedener Christen“ weiterzuführen.“<br />
105 Am 14.08.1938 wurde in Zusammenarbeit mit Gabriel<br />
Germ die Missionsgemeinde in Wien neu eröffnet. Fix war es<br />
möglich, die Gemeinden in Salzburg, Wien und Graz zu besuchen.<br />
Auf seiner letzten Missionsreise im Frühjahr 1939 predigte er erneut<br />
in den freundschaftlich verbundenen Gemeinden in Süddeutschland,<br />
Österreich und der Schweiz, um sie „auf das Kommende<br />
mit Psalm 91:14-16 vorzubereiten“. 106<br />
2.15 Der II. Weltkrieg bricht aus<br />
Ende August 1939 wurde <strong>Karl</strong> Fix einberufen. Er übertrug die<br />
stellvertretende Gemeindeleitung an Fritz Döhring. Rudolf<br />
Lehmann aus der Steglitzer Gemeinde wurde beauftragt, den Predigtdienst<br />
zu versehen. Nach einem Jahr Einsatz an der Westfront<br />
wurde seine Kompanie als Besatzungstruppe in den Osten ver-<br />
102 Bracher D. in Unser Jahrhundert im Bild – Die dreißiger Jahre 1933-1939, Bertelsmann Verlag,<br />
Gütersloh 1964, S. 488<br />
103 Winter K., und Bergmair A. Eine Bewegung stellt sich vor. 50 Jahre Freie Christengemeinden in<br />
Österreich 1946-1996, Lebensbotschaft-Eigenverlag, Salzburg 1997, S. 16-17<br />
104 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 37<br />
105 Winter K., Eine Bewegung stellt sich vor op. cit. S. 17<br />
106 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 37<br />
40
legt. Dort führte sein Weg als Führer einer Munitionskolonne<br />
über Ungarn, Rumänien, Bulgarien bis an die russische Winterfront.<br />
Geschwächt durch das Wolhynische Fieber, welches wohl<br />
von einem Rückendurchschuss herrührte, wurde er schließlich<br />
am 20.04.1942 in ein deutsches Lazarett eingeliefert und so vor<br />
dem Weg nach Stalingrad bewahrt. 107 Fix betrachtete es als ein<br />
Wunder, dass er durch Vermittlung eines Kameraden zum Stabsquartier<br />
OKW (Oberkommando West) in die Chiffrierabteilung,<br />
eine Geheimdienststelle der ausländischen Rundfunküberwachung,<br />
versetzt wurde. 108 Da er hauptsächlich nachts Dienst<br />
hatte, konnte er weiter die Versammlungen besuchen und der<br />
Gemeinde in der schlimmsten Notzeit vorstehen, 109 bis im April<br />
1945 sein Wehrmachtsführungsstab in den Süden, 50 km von<br />
Salzburg entfernt, verlegt wurde. Da der führende General die<br />
Heeresgruppe den Amerikanern übergab, kam Fix in den Genuss<br />
einer vorzeitigen Entlassung in seine süddeutsche Heimat, wohin<br />
seine Familie bereits 1943 evakuiert worden war. 110 Das ehemalige<br />
Wohnhaus war allerdings zerstört, aller Besitz verbrannt und geplündert<br />
worden, so dass seine Frau mit ihren zwei Kindern<br />
(Helmut und Johannes) zunächst in einem Notquartier im Schulhaus<br />
des Nachbarortes unterkommen musste. 111<br />
Gerade in der Notzeit der Bombardements kamen viele Menschen<br />
zum Glauben. So veröffentlichte gar der Präses und Bischof<br />
der Berliner Landeskirche, Kurt Scharf, in der Festschrift „Wir<br />
sind doch Brüder“ zum 1. Kirchentag in Berlin unter dem Titel<br />
„Die verborgene Gemeinde“ das Zeugnis der früheren SPD-Abgeordneten<br />
im preußischen Landtag, Frau Dr. Hildegard Wegscheider.<br />
Er kündigte es mit den Worten an:<br />
„Dass Berlin heute wieder lebt, nach dem furchtbaren<br />
Nervenfieber der Hitlerherrschaft und der letzten Monate des<br />
Zweiten Weltkrieges, ist das Verdienst seiner verborgenen Ge-<br />
107 Interview mit Johannes Fix am 5.06.2001<br />
108 Hier war seine Dienststelle direkt Admiral Wilhelm Canaris (1887-1945), Chef der Abwehr<br />
im Kriegsministerium, unterstellt, der als Widerstandskämpfer am 9.4.1945 im KZ Flossenbürg<br />
hingerichtet wurde.<br />
109 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 39<br />
110 Fix, K., 20 Jahre Volksmission entschiedener Christen Stuttgart September 1945 bis September<br />
1965 – Weg und Werk –, Schorndorf, Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen<br />
1965, S. 3<br />
111 ibid. S. 3<br />
41
meinde von Christen. Ich bringe dafür als ein beweisstarkes Zeugnis<br />
die Aussage eines unverdächtigen Zeugen bei, den Schluss der<br />
Lebenserinnerungen der, als sie dieselben schrieb, 76-jährigen<br />
Hildegard Wegschneider, die von ihren Besuchen in der Volksmission<br />
berichtet“:<br />
Es war alles ganz anders, als es meinen Lebensgewohnheiten<br />
entsprach. Meine ästhetischen Empfindungen wurden<br />
nicht befriedigt. Aber da waren ein paar hundert Leute,<br />
viele von ihnen alte Frauen wie ja auch ich, die hingegeben<br />
einem Redner lauschten, der in Feldwebeluniform ganz<br />
schlicht vor uns stand, aber von einer inneren Wahrhaftigkeit<br />
erfüllt war, die mir ans Herz griff. Ich ging wieder und<br />
wieder hin, ganz allmählich überwand ich die Fremdheit,<br />
es wuchs in mir eine große Hoffnung: Die Menschen dort<br />
halfen mir, als sie sahen, wie notwendig das war, und unter<br />
unsäglichen Tränen konnte ich ein ganz neues Leben beginnen<br />
… Es hat lange gedauert, sehr alte Gewohnheiten des<br />
Denkens und Fühlens mussten absterben, neue traten an<br />
ihre Stelle. Wie anders war es jetzt, wenn die Sirene erklang.<br />
Ich wusste, hier entschied sich ein Stück Weltgeschichte,<br />
nicht durch unser Eingreifen oder Handeln, sondern<br />
durch göttliche Kraft. Die großen Kämpfe der Menschen<br />
auf den Schlachtfeldern waren nur ein Abbild der<br />
großen Wandlung der Menschheitsgeschichte.<br />
Scharf kommentiert:<br />
42<br />
Dies hat eine bekannte Sozialistin geschrieben, als ihr, wie<br />
durch einen Zufall, eine verborgene, bekennende Gemeinde<br />
begegnet war. Aus solchen gesunden Zellen hat der aus tiefen<br />
Wunden blutende, vom Wundfieber geschüttelte Organismus<br />
unserer zerstörten Heimatstadt seine Lebenskraft erneuert.<br />
Das Gebet und die Zuversicht von ein paar tausend<br />
Greisen und Frauen unter Millionen und ihr so manches<br />
Mal unsinnig verwegenes Bekenntnis einer Liebe, die sich<br />
nicht erbittern und nicht enttäuschen ließ, sind die Bunkerwände<br />
aus Beton gewesen, die das Feuer der sonst alles er-
greifenden Vernichtung nicht zu durchdringen vermochte.<br />
Unter ihrem Schutz hat Gott so viel Saatgut erhalten, als er<br />
brauchte, um neue Frucht wachsen zu lassen. 112<br />
2.16 Das Lazaruskrankenhaus wird zur neuen Heimat<br />
Am 18.03.1945, kurz vor der bedingungslosen Kapitulation am<br />
8.05.1945, gingen die Wohnviertel um den Friedrichshain und<br />
somit auch die Versammlungsstätte der Volksmission im Bombenhagel<br />
in den Flammen auf. 113 Da die Volksmission auch in Moabit<br />
einen kleinen Saal hatte, konnten vorübergehend dort Versammlungen<br />
abgehalten werden, bis schließlich die Gesamtgemeinde in<br />
der Kapelle des Lazaruskrankenhauses in der Bernauer Straße<br />
für 3 Jahre und 6 Monate eine Herberge fand. Dies erreichten<br />
treue Diakonissen, die sich der Volksmission zugehörig fühlten<br />
und sich im Krankenhaus so gut bewährt hatten, dass „die Frau<br />
Oberin und der Herr Pfarrer Diekmann in freundlichem Entgegenkommen<br />
ihre Kapelle zur Verfügung stellten.“ 114<br />
Da Fix keinen „Mangelberuf“ (Maurer oder ähnliches) aufzuweisen<br />
hatte, wurde ihm von der Behörde Ostberlins der dauernde<br />
Aufenthalt verweigert, so dass er seinen ständigen Wohnsitz<br />
in Vaihingen/Enz in Württemberg bezog. 115 Dennoch besuchte<br />
er des öfteren die Berliner Gemeinde, welche er den Händen<br />
von August Witt anvertraut hatte. 116 Bereits am 8.09.1946 konnte<br />
wieder ein Taufgottesdienst durchgeführt werden. 117<br />
2.17 Wie die Volksmission nach Stuttgart kam<br />
Kurz nach dem Ersten Weltkrieg hatte eine namentlich nicht bekannte<br />
Glaubensschwester während eines längeren Amerikaaufenthaltes<br />
eine Pfingstgemeinde kennen gelernt. Daraufhin legte<br />
sie jeden Sonntagnachmittag in einer „Stubenversammlung“ in<br />
der Hördtstraße 2 in Zuffenhausen bei Schwester Richt das Wort<br />
Gottes aus. Die Hausgemeinde bekam Kontakt zur „Freien Pfingst-<br />
112 Scharf, K., Wir sind doch Brüder – Festschrift zum 1. Kirchentag in Berlin, S. 41-46<br />
113 Gast, H.J., Geschichte der Volksmission Berlin op. cit. S. 1<br />
114 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 53<br />
115 Fleisch, P., Geschichte der Pfingstbewegung in Deutschland von 1900-1950, S. 364<br />
116 Fix, K., Preiset mit mir den Herrn op. cit. S. 53<br />
117 Gast, H.J., Geschichte der Volksmission Berlin op. cit. S. 1<br />
43
gemeinde Weckhof e. V.“, und als die Schwester altershalber die<br />
Versammlungen nicht mehr halten konnte, übernahmen neben<br />
anderen die Brüder Breuninger und Egner von der Gemeinde<br />
Weckhof diese Aufgabe. Besonderer Höhepunkt war im Jahre<br />
1937 oder 1938 eine Bibelstunde, die <strong>Karl</strong> Fix hielt. 118<br />
Parallel zu diesem Kreis, der <strong>Karl</strong> Fix Heimat und Absteigequartier<br />
wurde, entwickelte sich eine Gebetsstunde ähnlicher Art in<br />
der Brackenheimer Straße, etwa 10 Minuten Fußweg von der<br />
Hördtstraße entfernt. Hier leitete Paula Gassner, die bei einem<br />
Gastaufenthalt in London im Kensington-Tempel die Geistestaufe<br />
erlebt hatte, 119 die „Stunden“. Zu den tragenden Säulen dieser Versammlung<br />
gehörten auch Otto Stegmüller und Adolf Schnegelsberg.<br />
120 In den Jahren 1938/1939 nutzte Fix die Möglichkeit, dort<br />
zu dienen. 121<br />
Christophorus-Zelt<br />
Als <strong>Karl</strong> Fix am 18.06.1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft<br />
nach Heilbronn entlassen worden war, nahm Paula<br />
118 Ros, H., 40 Jahre Volksmission entschiedener Christen Stuttgart in Volksmissionar , Nr. 11,<br />
Oktober 1985, S. 4<br />
119 Gassner, P., In des Töpfers Hand – Die Autobiographie von Paula Gassner, Selbstverlag der<br />
Biblischen Glaubens-Gemeinde, Stuttgart 1977, S. 31<br />
120 Adolf Schnegelsberg (1911-1991) war später langjähriger Gemeindeleiter der Volksmission<br />
Stuttgart<br />
121 Fix, K., 20 Jahre Volksmission entschiedener Christen Stuttgart op. cit. S. 4<br />
44
Gassner wegen Verlagsangelegenheiten mit ihm Kontakt auf. Da<br />
der eingeladene Festredner für die erste öffentliche Versammlung<br />
der Stuttgarter Hauskreise nicht erschien, wurde Fix spontan angefragt,<br />
die Wortverkündigung am Sonntag, dem 9.09.1945 in der<br />
angemieteten Hohensteinschule, in der sich ca. 50 Besucher eingefunden<br />
hatten, zu übernehmen. 122<br />
Zu Paula Gassner und <strong>Karl</strong> Fix kam 1946 Missionar <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong><br />
von der Liebenzeller Mission hinzu. Diese drei waren nun für die<br />
Freiversammlung auf dem Schlossplatz in Stuttgart<br />
Versammlungen und die Missionsarbeit verantwortlich. Im September<br />
1946 fand die erste öffentliche Taufe, die von vielen Heilungen<br />
begleitet war, mit 250 Taufwilligen im Inselbad in Stuttgart-Untertürkheim<br />
statt. 123 Durch Zeltversammlungen und Freiluftgottesdienste<br />
breitete sich die Volksmission rasch in Süddeutschland<br />
aus, so dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt ca. 60<br />
Gemeinden, neben der Berliner Enklave, in Süddeutschland bestehen.<br />
122 Näheres dazu findet sich im Zeugnisbericht des Schuhmachermeisters Otto Stegmüller in Ros<br />
H., Der Mann aus China – Leben und Wirken des Oskar Siering, Missionsverlag Gottlob Ling,<br />
Pforzheim 1982, S. 114-115<br />
123 ibid S. 19<br />
45
3.<br />
Theologische Prägung<br />
der Volksmission<br />
3.1 Schriftenmission floriert<br />
Nach dem Sieg der Alliierten brachen insbesondere im Westen<br />
Deutschlands neue Freiheiten an, die die Verbreitung des Evangeliums<br />
in Wort und Schrift förderten. Natürlich benötigte man<br />
hierzu die Erlaubnis der Besatzungstruppen, was sich jedoch, mit<br />
Ausnahme des Ostsektors, als nicht schwierig erwies. Gutes Englisch<br />
war hilfreich in den Verhandlungen, und so erhielt Paula<br />
Gassner vom Offizier der amerikanischen Besatzung einen Ausweis,<br />
der sie dazu berechtigte, „das volle Evangelium zu verkündigen“.<br />
124 Auch bei der Genehmigung des Versammlungsraumes<br />
wurde wohlwollend Hilfe zugesagt.<br />
Als ehemaliger Journalist wusste Fix um die Macht des geschriebenen<br />
Wortes. Leider sind nahezu keine Schriften aus der<br />
Vorkriegszeit erhalten geblieben. 125 Vieles wurde von der GESTA-<br />
PO konfisziert, um nie wieder aufzutauchen. Fix schreibt:<br />
Was über den „Umbruch“ für die Schriftenmission gerettet<br />
war, das bin ich, der durch die Gnade Gottes der Schriftleiter<br />
sein durfte; weiter die Schreibmaschine, die ich im Jahre<br />
1933 kaufte … 126<br />
<strong>Karl</strong> Fix war überzeugt, dass Gott Deutschland durch die Reformation<br />
zum besonderen Segensträger im Herzen Europas bestimmt<br />
124 Gassner, P., In des Töpfers Hand op. cit. S. 115<br />
125 Einige Schriften hat Fix später erneut aufgelegt: Sein Büchlein … und rufe mich an in der Not<br />
leitet Fix so ein: „Diese Schrift erschien in unserer alten Traktatserie unter Nr. 20. Sie wurde<br />
1939 verboten und beschlagnahmt. Wir bringen sie jetzt wieder als geeignete Fortsetzung der<br />
Schrift Nr. 1 (Fix, K., und rufe mich an in der Not, so will ich Dich erretten!, <strong>Karl</strong> Fix Verlag<br />
Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf, S. 2) heraus.“<br />
Zur Neuauflage von Den ganzen Weg mit Jesu von R. Fris schreibt Fix: „Diese Schrift des<br />
bekannten Bibellehrers Rikard Fris wurde früher von uns in großen Massen als Traktat überall<br />
hin vertrieben. Während des Krieges haben wir sie dann noch einmal als kleine Broschüre<br />
drucken lassen. Dann wurde sie plötzlich verboten. Wegen „pazifistischen“ Inhalts. Sie enthält<br />
vier biblische Sätze über Feindesliebe. Eine recht gefährliche Angelegenheit.“ Fris, R.,<br />
Den ganzen Weg mit Jesu, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen,<br />
Schorndorf, o.J., S. 2<br />
126 Fix, K., Aus dem Kleinsten sollen tausend werden. op. cit. S. 19<br />
46
Einladung zum Chrisophorus-Zelt in Stuttgart, Schlossplatz<br />
hatte. Weil es aber dann den „Verführungen der Hitler-Dämonie<br />
verfallen war,“ 127 benötigte es einen neuen Ruf-, Weck- und Mahndienst.<br />
Deshalb begann Fix entsprechende Traktate und Broschüren<br />
zu entwerfen. Im Januar 1946 bekam er durch das positive<br />
Zeugnis seines einstigen Chefredakteurs von der Militärregierung<br />
die vorläufige Druckgenehmigung für einzelne Volksmissionshefte<br />
und Ende Februar dann auch die heißbegehrte Verlegerlizenz<br />
US-W-1056. 128 Auch „gewisse Herren der evangelischen<br />
Landeskirche“, die ihm vorgeworfen hatten, das ganze Land mit<br />
„christlichem Schund“ zu überschwemmen, und schließlich bewirkt<br />
hatten, dass ihm über die damalige Militärregierung das Papier<br />
gesperrt wurde, konnten Fix nicht abhalten, „sein ganzes<br />
Missionsprogramm als Zeugnis-Schriften des vollen Heils in<br />
Christus zu drucken.“ 129 Von überall her wurde Altpapier gespendet;<br />
einzelne opferten gar ihre kostbaren Bibliotheken. Bereits<br />
vor Ausbruch des Krieges konnte Fix die Übersetzung einer<br />
127 ibid S. 20<br />
128 ibid S. 21<br />
129 ibid S. 21<br />
47
Schrift von Donald Gee ohne Genehmigung der Reichsschrifttumskammer<br />
drucken und verbreiten, 130 und auch dieser Dienst<br />
wurde mit der neu gewonnenen Freiheit intensiviert.<br />
In seinem zeugnishaften Bericht über die Entstehung der<br />
Schriftenmission Aus dem Kleinsten sollen tausend werden schrieb<br />
Fix zum Ziel der 49 bereits erschienenen Hefte: „Mit diesen<br />
Schriften sollte der neuen Geistesbewegung vor allem eine gesunde<br />
innere Ausrichtung vermittelt werden.“ 131 Evangelistisch-missionarische<br />
Bemühungen nach außen wurden durch die Traktat-<br />
Mission vorangetrieben. 1952 schrieb Fix:<br />
Augenblicklich haben wir ein Lager von über 50 Titeln.<br />
Einzelne Schriften haben eine Auflage über 100 000 erlebt,<br />
so dass wir in aller Bescheidenheit sagen dürfen: Wir haben<br />
in den letzten Jahren etliche Millionen Traktate durch die<br />
Gnade Gottes verbreiten können. 132<br />
3.2 Deutsch-schweizerische Arbeitsgemeinschaft<br />
für Volksmission<br />
Am 30. Juli 1949 gründete <strong>Karl</strong> Fix mit Hans Lack in Aarburg<br />
(CH) die „Deutsch-schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Volksmission“,<br />
die sich folgende Ziele setzte und sofort ihre Arbeit aufnahm:<br />
48<br />
1. Die Verkündigung des vollen Heils in Christus Jesus durch<br />
Wort und Schrift. 133<br />
2. Austausch biblischen Schrifttums zwischen beiden Ländern.<br />
3. Kostenloser Versand von Schriften, Bibeln und Neuen Testamenten<br />
in die Ostzone für Heilshungrige und Verlangende<br />
sowie Unterstützung der dortigen Missionsgemeinden.<br />
4. Anschaffung eines Missionszeltes für die dringende Evangelisation<br />
in Deutschland.<br />
130 ibid S. 18<br />
131 ibid S. 21<br />
132 ibid S. 22<br />
133 Die Arbeitsgemeinschaft wurde in Deutschland vertreten durch den Verlag Deutsche Volksmission<br />
entschiedener Christen, <strong>Karl</strong> Fix, (14a) Vaihingen/Enz und in der Schweiz durch den<br />
„Harfe-Verlag“, Prediger Hans Lack, Aarburg (Aargau).
5. Eröffnung eines Jugendheimes für gefährdete Mädchen<br />
und Knaben in Berlin. 134<br />
Christophorus-Zelt Berlin-Wedding<br />
Im Jahre 1956 schätzte Fix die Anhängerschaft der Volksmission<br />
in der Berliner Missionsarbeit und in den Arbeitsgebieten in Süddeutschland,<br />
wo zu diesem Zeitpunkt ca. 70 Außenstationen und<br />
Gebetskreise bestanden, auf rund 5000. Ca. 100 Verlagstitel und<br />
60 Traktate waren erschienen. Zusätzlich publizierte die Bewegung<br />
seit 1949 die Zeitschrift Der Volksmissionar, welche zunächst<br />
„je nach Bedarf“ erschien. 135<br />
3.3 Glaubensgrundsätze und<br />
Vereinsgründung in Stuttgart<br />
Nachdem sich Paula Gassner 1951 von der Volksmission getrennt<br />
und die „Biblische Glaubensgemeinde“ in Stuttgart gegründet<br />
hatte, trafen sich am 18.05.1951 58 Glieder der Volksmission im<br />
Versammlungslokal Stuttgart-Heslach, Schreiberstr. 22, zur Gründungsbesprechung<br />
des Vereins. 136 Die Notwendigkeit der Vereins-<br />
134 Fix K., Das Christophoruszelt eine Posaune Gottes! Ein kurzer Zeltbericht des I. Zeltjahres 1950,<br />
<strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener Christen, Vaihingen/Enz 1950, S. 3<br />
135 Der Volksmissionar Nr. 1, 1949, S. 4 (1949 erschienen 6 und 1950 9 Ausgaben)<br />
136 Ros H. und Kaupp G. (eds), Missionarisch in die Zukunft op. cit. S. 21-22<br />
49
gründung sah Fix in dem Umstand, dass dadurch die rechtlichen<br />
Voraussetzungen zum Erwerb eines Grundstücks und zum Bau<br />
eines Missionsheims geschaffen wurden. 137 Bezirksnotar G.<br />
Geiger ließ im Vereinsregister Stuttgart unter VR 558 den Namen<br />
„Volksmission entschiedener Christen e. V., Sitz Stuttgart“ eintragen.<br />
138 Das Hauptanliegen des „unabhängigen Missionswerks evangelisch-bibelgläubiger<br />
Christen“ wurde in § 1 der Satzung so definiert:<br />
Der Zweck der Volksmission entschiedener Christen ist, in<br />
freier, von kirchlicher Organisation unabhängiger Weise<br />
das wahre Evangelium – das volle Heil in Christo Jesu – der<br />
Heiligen Schrift in Wort und Schrift unter allen Menschen<br />
zu verkündigen, getreu dem Missionsauftrag ihres erhöhten<br />
Herrn, im Sinn und Geiste Jesu Christi, um dadurch christliches<br />
Leben zu wecken und zu pflegen. 139<br />
Als Voraussetzung zur Mitgliedschaft wurde festgelegt:<br />
Mitglied des Vereins kann werden, wer im Glauben und<br />
Wandel auf dem Boden des Wortes Gottes steht. Ein Zeugnis<br />
der Wiedergeburt und ein Bekenntnis zur biblischen Glaubenstaufe<br />
nach 2. Tim. 3:15-17 und Apg. 2:38-39 sind erforderlich.<br />
140<br />
Wohl um dem Vorwurf der Sektiererei zu entgehen, forderte Fix bewusst<br />
keinen Kirchenaustritt und verweist ausdrücklich darauf,<br />
dass keine „Sonderlehren“ verkündigt und auch nicht gegen andere<br />
Kirchen polemisiert wird. In seiner 1965 erschienenen Schrift<br />
20 Jahre Volksmission Stuttgart 1945-1965 schrieb er deshalb:<br />
50<br />
So gehören zur Volksmission Evangelische und Katholiken,<br />
Angehörige der großen Freikirchen und viele Gläubige, die<br />
137 Fix, K., Volksmission entschiedener Christen. Weg und Werk, S. 13<br />
138 Dieser Name entwickelte sich aus der „Deutschen Volksmission“ von <strong>Karl</strong> Fix und der<br />
„Internationalen Volksmission“ von Paula Gassner (Ros H. und Kaupp G. (eds), Missionarisch<br />
in die Zukunft op. cit. S. 22).<br />
139 Fix, K., 20 Jahre Volksmission entschiedener Christen Stuttgart op. cit. S. 2<br />
140 § 5.1 der Satzung vom 18.05.1951
aus allerlei Not heraus, aus Gebundenheiten und Krankheiten,<br />
den Weg zu Gott und zu einem neuen Leben gefunden<br />
haben. 141<br />
Als Glaubensgrundsätze wurden unter der Überschrift „Was wir<br />
glauben und lehren“ Folgendes festgelegt: 142<br />
1. Die Bibel ist das inspirierte Wort Gottes und deren Inhalt<br />
unfehlbare göttliche Offenbarung und daher unanfechtbare<br />
Autorität für den Glauben und Wandel. (2.Tim.3:14-17;<br />
2.Petr.1:19-21; Luk.24:25-27; 44-45)<br />
2. Der alleinige Gott, Schöpfer, Erhalter und Richter aller<br />
Menschen, der sich offenbart in drei Personen, Vater, Sohn<br />
und Heiliger Geist. (Röm.1:19-20; Jes. 45:5-6; Mt. 28:19;<br />
Joh.15:26)<br />
3. Der Sündenfall der ersten Menschen und die erbliche Verdorbenheit<br />
aller Menschen. (1.Mo.3:1-7; Röm. 3:23; 5:12;<br />
1.Mose 8:21)<br />
4. Die Menschwerdung Christi, des Sohnes Gottes, seine am<br />
Kreuze vollbrachte Versöhnung und Erlösung für alle<br />
Menschen, seine leibliche Auferstehung und Himmelfahrt.<br />
(Gal.4:4; 1.Kor.15:3-4; 1.Joh.2:2; Apg. 10: 40-41; Apg. 1:9)<br />
5. Das einzige ewige Heil für alle Menschen allein durch den<br />
Glauben an Jesum Christum, den Sohn Gottes. (1.Tim.<br />
2:5-6; Apg. 4:12; Gal.2:16. Joh. 3:16)<br />
6. Buße, Bekehrung und Wiedergeburt sowie Heiligung zur<br />
Vollkommenheit in Christo und Vollendung durch Glaubensgehorsam.<br />
(Apg. 17:30; 26:20; Joh.3:3-8; Mt. 5:48;<br />
1.Petr.1:15-16; Hebr. 12:14; 1. Thess. 5:23; Hebr. 10:10 u. 14)<br />
7. Die Wassertaufe (durch Untertauchen) für Gläubiggewordene<br />
und das Abendmahl als Gedächtnismahl Christi<br />
für die Gemeinde. (Mt. 28:19; Apg. 2:38; 8:36-38;<br />
1.Kor.11:23-29)<br />
141 Fix, K., 20 Jahre Volksmission entschiedener Christen Stuttgart op. cit. S. 15<br />
142 Dieses Glaubensbekenntnis wurde auch nach Neufassungen der Satzung am 1.10.1977,<br />
14.05.1988, 10.06.1995 und 23.05.1998 unverändert beibehalten.<br />
Hollenweger führt ein nahezu wortgleiches Bekenntnis für die „Schweizerische Pfingstmission“<br />
auf (Hollenweger W., Enthusiastisches Christentum. Die Pfingstbewegung in Geschichte<br />
und Gegenwart, Brockhaus Verlag, Wuppertal 1969, S. 591-592)<br />
51
8. Die Taufe im Heiligen Geiste mit den schriftgemäß folgenden<br />
Zeichen. (Luk.3:16; Apg. 1:4-5; 2:4; 10:44-46; 11:15-<br />
16; 19:6)<br />
9. Die Geistesgaben und biblischen Ämter zur Erbauung des<br />
Leibes Christi. (Eph. 4:7-16. 1.Kor.12:1-31)<br />
10.Die göttliche Heilung von Krankheit des Leibes auf Grund<br />
des vollbrachten Erlösungswerkes von Golgatha. (Jes. 53:4;<br />
Mt. 8:16-17; Jak.5:14-16)<br />
11.Die Wiederkunft Christi und die Entrückung der Gläubigen<br />
vorgängig dem tausendjährigen Reich Christi auf<br />
Erden. (Apg. 1:11; 1.Kor. 15:22-24; 1.Thess. 4:13-18;<br />
1.Kor. 15:51-57; Offb. 20:1-6)<br />
12.Das End-(Jüngste-)Gericht. Das ewige Heil aller Gottseligen<br />
und die ewige Bestrafung aller Unbußfertigen. (Offb.<br />
20:11-15; Röm.2:2-16. Mt.12:36; Joh.3:36; 5:24-29;<br />
Mt.25:31-46; 2.Thess.1:7-10)<br />
3.4 Heilslehre<br />
Bereits in der Vorrede zu seiner ersten Schrift im Januar 1946 betont<br />
Fix seine Überzeugung von der Verlorenheit der Menschheit<br />
und sieht den größten Verlust des deutschen Volkes in dem „Verlust<br />
an biblischer Gottes- und Selbsterkenntnis“. Ziel der neuen<br />
Heftchen sollte sein, „dass viele Menschen gerettet werden von<br />
der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“. 143 Als Beweis der<br />
Gottesexistenz verweist Fix unter Bezugnahme auf Apostelgeschichte<br />
14:17 und auf Römer 1:28 auf Gottes Zeugnis in der<br />
Schöpfung. 144 Den Niedergang des Dritten Reiches und die daraus<br />
folgenden Konsequenzen deutet er als „Zuchtruten des heiligen<br />
Gottes“, zeigt aber gleichzeitig die Option der Heilsaneignung<br />
gemäß 1. Thessalonicher 5:9,10 und Hesekiel 18:23 auf 145 und verweist<br />
dabei auf sein eigenes Beispiel. 146 Alttestamentarische Bundeszusagen<br />
an das jüdische Volk wie in 5. Mose 4:31 deutet Fix<br />
auch im Hinblick auf die notleidenden Menschen seiner Zeit. 147<br />
143 Fix, K., Brauchen wir heute noch einen Gott?, Neue Schriften der Volksmission, Nr. 1, <strong>Karl</strong> Fix<br />
Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Heilbronn 1946, S. 2<br />
144 Fix, K., Brauchen wir heute noch einen Gott? op.cit. S. 7<br />
145 ibid S. 8-9<br />
146 ibid S. 10-11<br />
147 Fix, K., … und rufe mich an in der Not op. cit. S. 3<br />
52
Seine persönlich erlebte übernatürliche Heilung sieht Fix als Auftrag,<br />
die Rettungsbotschaft allen Menschen zu verkündigen<br />
(Psalm 118:17). Mit tiefer Besorgnis stellt Fix die Rekordzahlen<br />
des Selbstmordes fest, die es nach dem Umbruch 1945 gab. Diesen<br />
Verzweiflungstaten will er mit seiner Schrift Frevel – Grauen –<br />
Grausen: Selbstmord begegnen. Er zitiert in diesem Zusammenhang<br />
den französischen Existenzphilosophen und Nobelpreisträger<br />
so:<br />
Es gibt nur ein wirklich ernsthaftes philosophisches Problem,<br />
das ist der Selbstmord. Das Leben für lebenswert oder<br />
für nicht lebenswert halten, heißt auf die fundamentale<br />
Frage der Philosophie antworten. Alles übrige, ob die Welt<br />
drei Dimensionen, ob der Geist neun oder zwölf Kategorien<br />
hat, kommt erst danach. Das sind Spielereien; erst heißt es<br />
antworten.<br />
Hier fühlt sich Fix herausgefordert, eine lebensbejahende Antwort<br />
zu geben, und nimmt neben den abschreckenden biblischen Beispielen<br />
eines Königs Saul und des Judas Iskarioth auch Walther Rathenau<br />
zum Zeugen, der in seinen Briefen an eine Liebende feststellt:<br />
Ich halte dies Ende für ein metaphysisches Unrecht, für ein<br />
Unrecht am Geiste. Es ist ein Mangel an Vertrauen zur ewigen<br />
Güte, Auflehnung gegen die innerste Pflicht, dem Weltgesetz<br />
zu gehorchen … Wir sind dazu da, vom Leiden der<br />
Welt etwas auf uns zu nehmen, indem wir unsere Brust darbieten,<br />
nicht es zu vermehren, indem wir Gewalt tun. 148<br />
Den Tod Jesu, der schon im Alten Bund „abgeschattet“ 149 ist, interpretiert<br />
Fix als „Lösegeld für die Menschheit“ 150 Dabei wendet<br />
er sich gegen die Prädestinationslehre: „Dieser Heiland Jesus<br />
Christus … breitet heute noch weit die Arme aus und sucht selig<br />
zu machen, wer immer es werden will.“ 151 Gleichzeitig betont er<br />
148 Fix, K., Frevel – Grauen – Grausen: Selbstmord op. cit. S. 7-9<br />
149 Fix, K., Brauchen wir heute noch einen Gott? op.cit. S.3<br />
150 Fix, K., Ein reines Herz durch Christi Blut. Ein Gottes-Geschenk für Gott-Suchende. <strong>Karl</strong> Fix<br />
Verlag Volkmission entschiedener Christen, Vaihingen/Enz, o.J., S. 6<br />
151 Fix, K., … und rufe mich an in der Not op. cit. S. 3<br />
53
aber in seiner Auslegung zu Offenbarung 21:1-8, dass es am Ende<br />
eine klare Scheidung zwischen denen, die „drinnen“ und<br />
„draußen“ sind, gibt. 152 So publiziert er 1946 die Schrift des Evangelisten<br />
Fritz Göttler Ist mit dem Tode alles aus?, die bereits vor<br />
dem Krieg drei Auflagen erlebt hatte. Göttler statuiert Folgendes:<br />
Es gibt eine Richtung unter den Protestanten, die die Prädestinationslehre<br />
vertritt, die da behauptet, ein Teil der<br />
Menschen sei für den Himmel und der andere für die Hölle<br />
bestimmt. Da wäre Gott allerdings ein grausamer Despot,<br />
wenn dies der Fall wäre! Aber das ist nicht wahr, sondern<br />
nach 1. Timotheus 2:4 „will Gott, dass allen Menschen geholfen<br />
werde.“ 153<br />
Von ausschließlichen „Bußpredigten“ hält Fix aber nichts: „Es<br />
ziemt sich nicht, einfach jedem den Revolver auf die Brust zu setzen:<br />
Du musst dich bekehren!“ 154 Werbend und einladend soll der<br />
Ruf zu Christus sein, und hier ist Pastor John Nelson-Parr<br />
(Assemblies of God, England) für Fix beispielhaft. Nachdem dieser<br />
anlässlich einer Arbeitstagung der „Freien Gemeinden“ in<br />
Bremen-Rönnebeck im Januar 1950 als Gastprediger gedient hatte,<br />
veröffentlicht Fix eine Schrift mit seinen Vorträgen unter dem<br />
Titel Werdet Seelenretter! 155 Seelenretter müssen sich auch den sozial<br />
Schwachen zuwenden. Fix' Engagement für soziale Randgruppen<br />
wird deshalb bereits in § 2 der 1938 erstellten Satzung<br />
der Berliner Gemeinde deutlich:<br />
54<br />
Der Zweck der Volksmission ist die Verkündigung des wahren<br />
Evangeliums an Arme, Kranke, Elende, Gebundene nach<br />
Lukas 4:18-19. „Wir predigen keine Dogmen, bestimmen<br />
keine Theologie (halten uns auch religiösen Streiten fern).<br />
152 Fix, K., Drinnen oder draußen? Wo wirst du die Ewigkeit zubringen?, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf<br />
153 Göttler, F., Ist mit dem Tode alles aus?, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Schorndorf, S. 8-9<br />
154 Fix, K., ... und rufe mich an in der Not op. cit. S. 7<br />
155 Fix, K., Werdet Seelenretter! Eine dringende Mahnung an alle Christen, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf 1950, S. 2, Seinen Werdegang beschreibt<br />
J. N. Parr in seiner Autobiographie (Parr, J.N., Incredible, Fleetwood 1972)
Liebe, dienende Liebe wollen wir üben, helfen und retten<br />
wollen wir. Wir vernehmen den Schrei der Verirrten, der an<br />
unser Ohr tönt, und wissen, dass wir der Not unserer Mitmenschen<br />
gegenüber Schuldner sind. Wir versuchen ihnen<br />
zu helfen und sind fest überzeugt, dass unsere Mission vom<br />
Herrn aus bestätigt wird. Wir wollen gern unser Leben<br />
dafür einsetzen, dem Herrn in dieser Weise zu dienen. Besonderes<br />
Mitleid haben wir mit Gebundenen aller Art,<br />
Trinkern usw., auch mit unheilbar Kranken.“<br />
3.5 Krankenheilung<br />
Im Februar 1946 befasste sich Fix in seiner Reihe „Neue Schriften<br />
der Volksmission“ ausführlich mit dem Thema Krankenheilung.<br />
156 Aufgrund des neutestamentlichen Befundes zeigt er mit<br />
Verweis auf Markus 1:27 und Lukas 5:26 wie Jesus, „derselbe<br />
gestern und heute und in Ewigkeit“ (Hebräer 13:8), gleich zu Beginn<br />
seines Dienstes Krankenheilungen und Exorzismen bewirkt.<br />
157 Dann begegnet er dem Argument, Wunderwirkungen seien<br />
mit dem apostolischen Zeitalter zum Abschluss gekommen. Er<br />
verweist auf die Bevollmächtigung Jesu in Markus 16:17-18 für all<br />
diejenigen, „die da glauben“. 158 1. Korinther 12:9 und Jakobus<br />
5:14-16 sind für ihn Beweis, dass Heilungen nicht zeitlich limitiert<br />
sind. Er sieht sich hier mit Andrew Murray, aus dessen Buch<br />
„Heilung für die Kranken“ er ausführlich zitiert, in guter Gesellschaft.<br />
159 Fix macht dann einen Streifzug durch die Kirchengeschichte,<br />
beginnend bei den Kirchenvätern Clement und Justin,<br />
den Märtyrer, den er so zitiert:<br />
Unzählige Besessene in der ganzen Welt, die von denen, die<br />
Zauberei und Heilmittel gebrauchen, nicht geheilt werden<br />
156 Fix, K. Du bist der Gott der Wunder tut! Heilt Gott heute noch Kranke?, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf. Diese Schrift ist im Wesentlichen eine<br />
Kurzfassung von Bibel und Krankheit, 1939 in Berlin erstmals aufgelegt, welche Fix 1951 in<br />
fünfter Auflage mit folgendem Vorwort herausbrachte: „… Während des 2. Weltkrieges<br />
wurde die Schrift in der Schweiz verlegt. Seit Pfingsten durften wir auch in Deutschland<br />
schon wieder 10.000 Exemplare verbreiten.“<br />
157 ibid S 4-5<br />
158 ibid S. 6<br />
159 Fix, K., Wenn du könntest glauben! Worte der Besinnung für Kranke, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf, o.J., S. 9-12<br />
55
konnten, wurden von christlichen Männern geheilt auf den<br />
Namen Jesu Christi, von Pontius Pilatus gekreuzigt. 160<br />
Irenäeus, Tertullian, Origenes folgen der Liste und schließlich<br />
Clemens, auf den er hinsichtlich von Krankenbesuchen so Bezug<br />
nimmt: „Lasst sie daher mit Fasten und Beten Fürbitte einlegen<br />
als Männer, welche die Gabe gesund zu machen besitzen zur Ehre<br />
Gottes.“ 161 Über die Waldenser und Zinzendorf, Luthers Gebet für<br />
den kranken Melanchton, Richard Baxter und Bengel kommt Fix<br />
auf den Heilungsdienst von Dorothea Trudel (Männedorf) im 19.<br />
Jahrhundert zu sprechen. Als Zeugen der Neuzeit dienen ihm<br />
Seckendorf, Blumhardt, Seitz, Stockmeyer, Paul und Stanger mit<br />
seinem Glaubensheim in Möttlingen. Fix schreibt: „Über das große<br />
Versagen einer liberalen Theologie führt Gott selbst seine Kinder<br />
zu wahrem Gotterleben und baut so allenthalben selbst sein Reich,<br />
fest und unvergänglich.“ 162 Heilungsgrund ist für Fix laut Psalm<br />
12:6 Gottes Erbarmen. Immer wieder streut Fix neben seinem eigenen<br />
Zeugnis aktuelle Heilungsberichte ein, wie jener von einem<br />
jungen Mädchen, „das von frühester Jugend an heftigen Krämpfen<br />
litt“ und schließlich durch die Salbung mit Öl geheilt wurde. 163<br />
Zwar geschieht Heilung aus Gnade, wird aber bewirkt durch<br />
Glauben: „Glaubensheilung entspringt einzig und allein den Wunden<br />
des auferstandenen und erhöhten Heilandes, wird gewirkt<br />
und vermittelt durch den Heiligen Geist, und erlangt durch den<br />
Glauben.“ 164 Entschieden wehrt sich Fix gegen die „fromme Meinung“,<br />
dass Krankheit von Gott kommt, ein Segen ist oder zur<br />
Läuterung dienen soll. Für ihn ist Krankheit „Gericht Gottes“,<br />
was er mit den Beispielen der vom Aussatz befallenen murrenden<br />
Mirjam (4. Mose 12), des Götzen befragenden Ahasja (2. Könige<br />
1:4) und des gottlos regierenden und schließlich an schlimmen<br />
Schmerzen sterbenden Joram (2. Chronik 21:14,19) belegt. Als<br />
neutestamentliche Beweisstellen zitiert er den ehrfurchtslosen<br />
König Herodes (Apostelgeschichte 12:23), die „zu früh Entschlafenen“<br />
der korinthischen Gemeinde (1. Korinther 11:30) und die in<br />
160 ibid S. 7<br />
161 ibid S. 8<br />
162 ibid S. 10<br />
163 ibid S. 15<br />
164 Fix K., Bibel und Krankheit op. cit., S. 3<br />
56
Thyathira wirkende götzendienerische Isebel, welche mit ihren<br />
Kindern dem Seuchentod anheimfallen soll (Offenbarung 2:20). 165<br />
Für Fix ist Heilung im Erlösungswerk Jesu eingeschlossen.<br />
Mit Hinweis auf Matthäus 8: 16,17 und 1. Petrus 2:24 schreibt er:<br />
Wenn nun der Herr Jesus die Schrift erfüllt hat, die Krankheiten<br />
und Schmerzen getragen hat, müssen wir sie auch<br />
noch weiter tragen, oder hat er's auch für uns vollbracht?<br />
Klar tritt uns aus dem ganzen Zeugnis Jesu entgegen: Heil<br />
für Leib, Seele und Geist ist in der Erlösung eingeschlossen! 166<br />
Fix entgegnet auf das Argument, „man habe um Christi Willen<br />
Leiden und Trübsale“, dass es sich hier „um Feindschaft um Jesu<br />
willen handle, die der Christ erleidet.“ Anhand der Anweisungen<br />
von Jakobus 5:13,14: „leidet jemand unter euch, der bete …, ist jemand<br />
krank, der rufe die Ältesten“, versucht er, den Unterschied<br />
zwischen „Leiden um Jesu willen“ und „Krankheit“ aufzuzeigen.<br />
So definiert er auch den von Paulus erwähnten „Pfahl im Fleisch“<br />
(2. Korinther 12:7) nicht als Krankheit, sondern als Auswirkung<br />
seiner Schwachheiten, die da sind: „Misshandlungen, Nöte, Verfolgungen.“<br />
167<br />
Arzneimittel sah Fix eher als Hinderungsmittel, 168 und so riet<br />
er einer von Nieren- und Gallenschmerzen sehr geplagten Glaubensschwester,<br />
die nach ausführlichem Studium der Heilungsbelege<br />
meinte, ihren Gesundheitstee weiter trinken zu können:<br />
„Wenn ich zu Gott um Heilung bete und denke zugleich an meinen<br />
Tee, der mir helfen soll, was ist das schon für ein Gebet!“ 169<br />
Kranken kann Fix nur den Rat geben, Gott nach der Ursache zu<br />
fragen und aufgedeckte Schuld dann zu bekennen. Bestehende<br />
Krankheit muss als Feind erkannt werden:<br />
165 ibid S. 11<br />
166 ibid S. 12<br />
167 ibid S. 13-14<br />
168 Allerdings legt Fix in seiner Reihe „Neue Schriften der Volksmission“ mit Nr. 83 ein Heft mit<br />
der Predigt von Pfarrer Otto Witt auf, die dieser in Leonberg am 19. August 1945 gehalten<br />
hat. Dort räumt dieser in seinen Schlussfolgerungen zum Thema Krankenheilung ein: „Das<br />
schließt nicht aus, dass die ärztliche Kunst in ihrem Bereich dankbar in Anspruch genommen<br />
wird (Witt, O., Er hat alles wohlgemacht!, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Schorndorf, o.J., S. 16).“<br />
169 Fix K., Bibel und Krankheit op. cit., S. 14<br />
57
Man muss innerlich von der Krankheit los sein, muss sie als<br />
einen sündig-satanischen Fremdkörper erkennen, der durch<br />
den Sündenfall erst über die Menschheit gekommen ist. 170<br />
Glaube ohne Zweifel und die Überzeugung, „dass es Gottes Wille<br />
ist, dass ein Mensch gesund sei“, sind unabdingbare Voraussetzungen<br />
für die Glaubensheilung, wobei hier auch der Glaubensmangel<br />
innerhalb der gesamten Gemeinde oft hinderlich ist. 171 Fix<br />
legt Wert auf Vergebung für: „Hurerei, Ehebruch, Selbstbefleckung,<br />
Blutschande, Diebstahl, heimliche Morde (Abtreibung), Sünden<br />
nach 3. Mose 18:22,23 und Römer 1:24, 26,27,29, Besprechen von<br />
Mensch und Vieh, Kartenlegen, Wahrsagen, Horoskope-Stellen.“ 172<br />
1963 griff Fix das Thema „Krankenheilung“ erneut auf. Einleitend<br />
schreibt er in dem in der Reihe „Neue Schriften der Volksmission<br />
Nr. 98“ erschienenen Heftchen: „Dieses Heftchen ist<br />
eine neu bearbeitete Teil-Ausgabe unserer 1939 erstmals erschienenen<br />
Broschüre Bibel und Krankheit, die seit zwei Jahren vergriffen<br />
ist.“ Fix benutzt hier im Wesentlichen dieselbe Argumentation<br />
wie vorgehend und zitiert Arthur Richter zur Bestätigung<br />
seiner Thesen so:<br />
58<br />
Nach dem Gesamtzeugnis der Bibel gehört die Krankheit<br />
nicht zur Schöpfungsordnung Gottes; sie ist die Folge des<br />
Falls, der Sünde. Nach dem Willen des Schöpfers sollte der<br />
Mensch in harmonischer Ordnung und in gesundem Zusammenklang<br />
von Leib, Seele und Geist vor ihm leben. Durch<br />
die Sünde ist es anders geworden. Eure Verschuldungen<br />
haben die Ordnung gestört (Jeremia 5:25), entwickelt er<br />
doch eine moderatere Haltung zur Ursache der Krankheit:<br />
„… ein oberflächliches Zurückführen einzelner Leiden oder<br />
Krankheitsfälle auf bestimmte Sünden wird deutlich abgelehnt,<br />
weil es der Tiefe der Zusammenhänge nicht gerecht<br />
wird (Buch Hiob; Johannes 9:2-3; 11:4).“ 173<br />
170 ibid S. 20<br />
171 ibid S. 22<br />
172 ibid S. 22<br />
173 ibid S. 8
In Bezug auf die Ärzte zitiert er Pfarrer J. C. Blumhardt:<br />
Der Arzneikunde gebührt hier das Lob, trotz ihres baren<br />
Unglaubens an und für sich (ich rede hier nicht von einzelnen<br />
Ärzten) unendlich treuer gearbeitet und gewirkt zu<br />
haben als die Träger des Evangeliums, die insbesondere bei<br />
Geisteskranken, neben der treuen Rührigkeit und Sorgfalt<br />
der Ärzte, in der Regel seltsam sich ausnehmen, sofern sie,<br />
sei's auch mit den schönsten Trostsprüchen, nichts wissen<br />
außer dem Jakobischen: „Gott berate euch!“ (Jakobus 2:16),<br />
während ursprünglich den Dienern des Evangeliums eine<br />
reale Gotteskraft zugedacht war.<br />
Fix ergänzt: „Es gibt, Gott sei Dank, auch heute noch Ärzte (oder<br />
erst wieder neu?), die bibelgläubig sind und die neben der Verabreichung<br />
heilungsfördernder Medikamente mit ihren Kranken beten.“<br />
174 Daraus, ob ein Kranker den Arzt befragen darf oder nicht,<br />
will Fix „kein Gesetz machen“ und verweist darauf, dass wahrhaftige<br />
Gotteskinder immer zuerst um Leitung und Führung des<br />
Heiligen Geistes beten. In seiner Literaturempfehlungsliste erscheint<br />
dann neben H. v. Seckendorffs „Hausandachten – Zeugnisse<br />
über Glaubensheilung“, O. Stockmayers „Krankheit und Evangelium“<br />
und Hans Mallaus „Wenn du könntest glauben“ auch Donald Gees<br />
„Trophimus ließ ich krank zurück. Probleme der Glaubensheilung“. 175<br />
Fix ist sich durchaus auch der heilsamen Wirkung des Fastens<br />
bewusst und greift dieses Thema in seiner Jubiläumsnummer<br />
100 der Serie „Neue Schriften der Volksmission“ auf. 176 In einem<br />
Abriss des Alten Testaments über Moses’ vierzigtägiges Fasten<br />
(2. Mose 34:28), Elias Wüstenwanderung (1. Könige 19:8) und<br />
Davids Fastenübungen für seine Feinde (Psalm 35:13) kommt Fix<br />
zu Jesu Versuchungsgeschichte in der Wüste, seine Aufforderung<br />
an die vollmachtslosen Jünger (Matthäus 17:21) und der dynamischen<br />
Ausbreitung der Gemeinde zu Antiochien (Apostelgeschichte<br />
13). So zeigt er, wie Fasten in der Schrift praktiziert wurde. 177<br />
174 ibid S. 14<br />
175 ibid S. 16<br />
176 Fix, K., Beten und Fasten – Das Heilfasten, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Schorndorf<br />
177 ibid S. 3-6<br />
59
Neben diesem spirituellen Fasten verkennt Fix aber auch nicht die<br />
wiederherstellende Wirkung des Heilfastens und zitiert Prof. Dr.<br />
med Alfred Brauchle, Dr. Franz Mayr mit seiner „Mayr-Kur“ und<br />
schließlich Dr. Buchinger sen., den er im biblischen Alter von 85<br />
Jahren als Redner erleben durfte, als Propagandisten des „Heilfastens“.<br />
178 Zu Letzerem bemerkt er:<br />
Sehr interessant und besonders auch für Bibelfreunde wichtig,<br />
stellt Dr. Buchinger die Unterscheidung zwischen Krankheiten<br />
und chronischen Leiden heraus. Unsere chronischen<br />
Leiden sind die Summe all der vielen kleinen Fehler, Untugenden<br />
und schlechten Gewohnheiten unseres Lebens. 179<br />
Dr. Kapferers Empfehlung der vollen Nahrungsenthaltung bei fieberhaften<br />
und entzündlichen Krankheiten bezeugt Fix des öfteren<br />
erfolgreich exerziert zu haben. 180<br />
3.6 Glaubenstaufe<br />
Im Mai 1946 beschäftigt sich Fix erstmals mit der „biblischen<br />
Glaubenstaufe“, die er auch „Großtaufe“ im Gegensatz zur „Kindertaufe“<br />
nennt. Ausdrücklich betont er, dass er kein „Tauffanatiker“<br />
sei, „sich aber dieser biblischen Wahrheit letzten Endes auch<br />
niemals verschließen kann und darf“. 181 In der Großtaufe sieht er<br />
einen „Gehorsamsakt“ und bezeugt aus eigenem Erfahren, dass<br />
bei den Taufen unmittelbar viele Heilungen geschehen sind und<br />
viele sich auch taufen ließen, „um nach Apostelgeschichte 2:38<br />
die Gabe des Heiligen Geistes zu empfangen“. 182 Völliges Untertauchen<br />
drückt für ihn symbolisch das „Begraben des alten Menschen“<br />
183 aus.<br />
Im Alten Testament sieht Fix Vorbilder für die Taufe und<br />
erwähnt in diesem Zusammenhang den Akt der Beschneidung (1.<br />
Mose 17; Kolosser 2:11-12), die Sintflut (1. Petrus 3:21) und den<br />
178 ibid S. 7-13<br />
179 ibid S. 14<br />
180 ibid S. 10<br />
181 Fix, K., Die biblische Glaubenstaufe, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Schorndorf, S. 2<br />
182 ibid S. 4<br />
183 ibid S. 5<br />
60
Zug der Israeliten durchs Meer (1. Korinther10:1-2). 184 Fix argumentiert<br />
weiter, dass Jesus selbst großgetauft wurde und bei seinem<br />
Abschied in Matthäus 28:18-20 den Taufbefehl gab. Markus<br />
16:16 mit der Zusage, „wer da glaubt und getauft wird …“ ist für<br />
ihn der Beweis, dass im Neuen Testament keine Kindertaufe<br />
praktiziert wurde:<br />
In diesem Taufbefehl tritt schon klar zutage, dass damit nie<br />
die heutige Kindertaufe gemeint sein kann, so wie sie die<br />
Kirche handhabt. Das bezeugen selbst viele Pfarrer. Ein Säugling<br />
kann weder gelehrt werden, noch glauben; es kann ihm<br />
weder etwas befohlen werden, noch kann er etwas halten. 185<br />
Gegen eine Nivellierung der Taufe wehrt sich Fix entschieden:<br />
Es gibt in Deutschland eine Glaubensbewegung, die sagt,<br />
großgetauft oder nicht, das ist nicht wichtig; die Hauptsache<br />
ist, man ist mit dem Heiligen Geist getauft! 186 Der<br />
Apostel Petrus lehrt uns aber hier etwas anderes. Es heißt<br />
in Apostelgeschichte 10:48: „und befahl sie zu taufen in<br />
dem Namen des Herrn.“ 187<br />
In der Wiederholung der Taufhandlung der Zwölf zu Ephesus<br />
(Apostelgeschichte 19:1-7) erkennt Fix die Legitimation für eine<br />
„erneute“ Taufe bei denen, die als Kind getauft wurden. 188 Mit<br />
Verweis auf Epheser 4:5 und 1. Korinther 12:13 sieht Fix die<br />
Taufe als Ausdruck des neuen Menschen in Christus und als das<br />
Bindeglied aller Gläubigen:<br />
Die Gemeinde Gottes ist weltweit, aber sie ist eins in ihm, sie<br />
braucht nicht organisatorisch geeint zu werden, sie wächst<br />
184 ibid S. 6-7<br />
185 ibid S. 9<br />
186 Hier richtet sich Fix wohl gegen die Praxis des Mülheimer Gemeinschaftsverbands, der zur<br />
Wassertaufe so Stellung nimmt: „Hinsichtlich der Ausübung der Taufhandlung respektieren<br />
wir die Führung Gottes und die Gewissensüberzeugung des Einzelnen …“ (Krust, C., Was wir<br />
glauben, lehren und bekennen, Missionsbuchhandlung und Verlag, Altdorf bei Nürnberg 1980,<br />
S. 136).<br />
187 Fix, K., Die biblische Glaubenstaufe op. cit. S. 11<br />
188 ibid S. 12<br />
61
organisch zusammen, „erbaut auf den Grund der Apostel<br />
und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist …, zu<br />
einer Behausung Gottes im Geist. 189<br />
Anstatt der Kindertaufe empfiehlt Fix die „Darbringung“ und<br />
„Segnung“ durch die Ältesten der Gemeinde und verweist dabei<br />
auf Markus 10:13-16. 190<br />
Die im Sommer 1947 erschienene Schrift des Schweizer Theologieprofessors<br />
<strong>Karl</strong> Barth Die Kirchliche Lehre von der Taufe<br />
führt dazu, dass sich Fix im Jahre 1953 erneut mit dem „frommen<br />
Massenbetrieb“, wie er in der „Kindertaufe“ gehandhabt wird,<br />
auseinandersetzt. 191 In dem Bewußtsein, dass sich die evangelische<br />
Kirche durch Barths Schrift angegriffen fühlt, zitiert ihn Fix so:<br />
Die Befürworter der Kindertaufe zeigen mit ihrem Suchen<br />
nach neutestamentlichen Argumenten, dass es sinnlos ist,<br />
die exegetische Frage zu stellen …, da es mit der neutestamentlichen<br />
Begründung der Kindertaufe mehr als schwach<br />
bestellt ist. 192<br />
Aber nicht nur Barth dient Fix als willkommener Garant, sondern<br />
auch Otto Baumgarten mit seiner Schrift „Die Gefährdung<br />
der Wahrhaftigkeit durch die Kirche“ 193 sowie die Real Enzyklopädie<br />
für protestantische Theologie und Kirche 194 bestätigen für<br />
Fix gleichermaßen sein Verständnis der Taufpraxis. 195 Fix, als Begründer<br />
einer Freikirche, findet in Baumgarten vor allem seine<br />
Bestätigung:<br />
189 ibid S. 13<br />
190 ibid S. 14<br />
191 Fix. K., Kindertaufe oder Erwachsenentaufe, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener Christen,<br />
Vaihingen/Enz, 2. Auflage 1953, S. 2<br />
192 ibd S. 3; Barth, K., Die kirchliche Lehre von der Taufe, Christoph Kaiser Verlag, München 1947,<br />
S. 32<br />
193 Fix zitiert: „In der Kindertaufe ist der Traditionalismus des evangelischen Kirchenwesens verankert.“<br />
Baumgarten, O., Die Gefährdung der Wahrhaftigkeit durch die Kirche, Gotha 1925, S. 23<br />
194 Fix zitiert: „Dass im Neuen Testament sich keine direkte Spur der Kindertaufe findet, darf<br />
als festgestellt gelten; die Versuche, ihre Notwendigkeit aus den Einsetzungsworten, ihre<br />
Übung aus Stellen wie Apg. 2:39; 1. Kor. 1:16 zu beweisen, leiden an dem Mangel, dass das<br />
zu Beweisende vorausgesetzt wird.“ (2. Auflage 1885, Band 15, S. 219)<br />
195 Fix. K., Kindertaufe oder Erwachsenentaufe op. cit. S. 5<br />
62
Wirklicher Heilsglaube, rettender Vollglaube, protestantischer<br />
Überzeugungsglaube kann weder durch die Kindertaufe<br />
noch durch den Kinderkatechumenat übermittelt,<br />
kann nur durch persönliche Selbstübergabe an den Heiland<br />
und durch die Aufnahme in eine wirkliche Gemeinde der<br />
Heiligen gesichert sein. Aber wer mit diesen Gedanken Ernst<br />
macht, der verzichtet zugleich auf eine kirchliche Volksgemeinschaft,<br />
die auf die Gesamtheit der evangelisch Geborenen<br />
und Getauften Anspruch erhebt, und kommt konsequenterweise<br />
zu einer Freikirche oder Sekte. 196<br />
3.7 Geistestaufe<br />
Nachdem sich Fix in seiner Schrift Nr. 24 mit der Thematik Wassertaufe<br />
beschäftigt hatte, wendete er sich im Mai 1946 in seiner<br />
nachfolgenden Schrift Nr. 25 erstmalig dem Thema „Geistestaufe“<br />
zu. 197 Hierbei fühlt er sich vom Geist geleitet und stellt einleitend<br />
fest:<br />
Es wäre mir nicht möglich, von dem guten Heiligen Geist zu<br />
zeugen, wenn er sich mir nicht geoffenbart hätte und wenn<br />
er mir jetzt nicht selber zu Hilfe käme und die Leitung<br />
übernehmen würde. 198<br />
Nachdem Fix erneut darauf hingewiesen hatte, dass ihn nach seiner<br />
Bekehrung wohl „jede Mission als Schüler oder Mitarbeiter<br />
abgewiesen hätte“, 199 berichtet er, wie er durch einen Glaubensbruder<br />
„auf die Verheißung des Vaters“ (Apostelgeschichte 1:4)<br />
aufmerksam gemacht wurde. 200 Einerseits gibt der dabei empfangene<br />
Heilige Geist Fix eine vermehrte Zeugniskraft, andererseits<br />
ist er für ihn der „wunderbare Tröster“ und mit Verweis auf<br />
Epheser 1:13-14 „das Siegel, Angeld und Pfand unserer Erlösung“.<br />
Fix verweist mit 1. Johannes 2:20-27 darauf, dass er durch<br />
den Empfang des Geistes auch die Lehrbefugnis erhalten hat:<br />
196 ibid S. 6<br />
197 Fix, K., Wie empfangen wir die Geistestaufe? <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Heilbronn 1946, S. 2<br />
198 ibid S. 3<br />
199 ibid S. 4<br />
200 ibid S. 5<br />
63
In der Salbung des Heiligen Geistes empfangen wir einen gesegneten<br />
Durchblick im Worte Gottes, so dass wir über allem<br />
Zweifel auch schriftgemäß andere lehren können, ohne selbst<br />
in dieser Hinsicht von Menschen abhängig zu sein. 201<br />
Fix berichtet, wie er in seinem drei Monate dauernden Ringen<br />
um den Empfang des Geistes immer wieder von Gläubigen gewarnt<br />
wurde, dass er einen falschen Geist bekommen und auf Irrwege<br />
gelangen könnte, er aber Trost in der Zusage von Lukas<br />
11,13 fand: „So denn ihr, die ihr arg seid, könnet euren Kindern<br />
gute Gaben geben, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den<br />
Heiligen Geist geben, denen, die ihn bitten.“ 202 Diesen ersten, eher<br />
zeugnishaften Teil, schließt Fix mit einem klaren Bekenntnis ab. 203<br />
Im zweiten Kapitel seines Büchleins setzt sich Fix mit der<br />
Problematik auseinander, wie die Gemeinde zur Geistestaufe und<br />
Geistesfülle geführt werden kann. Nach dem Studium vieler Schriften<br />
zu diesem Themenkomplex bezeugt Fix, wie er durch den<br />
Geist Gottes für sich persönlich folgende Antwort erhalten hat:<br />
Führe sie zum Kreuz! Aus den durchgrabenen Wunden fließt<br />
Leben und Heil, volles Genüge, alles, auch die Geistestaufe.<br />
204<br />
So beschränkte er sich darauf, „das volle Heil in Christo zu verkündigen,<br />
einschließlich der Wahrheit der Geistestaufe“ und es<br />
„Gott zu überlassen, an den Seelen zu wirken, wie er will.“ Als<br />
Voraussetzung für die Geistestaufe ist nach Fix mit Verweis auf<br />
Apostelgeschichte 2:38 Buße erforderlich. Dies bedeutet, sich von<br />
seiner Sünde bekehren und reinigen lassen:<br />
64<br />
Niemand bete um den Heiligen Geist, der sich nicht zuvor<br />
reinigen lasse im Blute des Lammes und der sich nicht in<br />
dieser fortlaufenden Reinigung befindet. 205<br />
201 ibid S. 6<br />
202 ibid S. 9<br />
203 ibid S. 9<br />
204 ibid S. 10<br />
205 ibid S. 12
Weiter hält Fix die Wassertaufe auf den Namen des Vaters, des<br />
Sohnes und des Heiligen Geistes als Schritt zum Empfang der<br />
Geistestaufe als notwendig und berichtet, dass „er solche kennt,<br />
die bei der Wassertaufe die Geistestaufe erlebten.“ 206 Fix weiß um<br />
Apostelgeschichte 10, wo „der Geist auf Menschen fiel, die noch<br />
nicht getauft waren“, erklärt aber, dass Petrus trotzdem die Wassertaufe<br />
anordnete. 207 Mit Hinweis auf Apostelgeschichte 5:32 und<br />
Lukas 11:13 sieht Fix Gehorsam und Gebet als weitere Voraussetzungen<br />
für den Empfang der Geistestaufe. Der Behauptung<br />
einiger „Freunde“, dass sie den Heiligen Geist bei der Bekehrung<br />
und Wiedergeburt empfangen haben, begegnet Fix so:<br />
Es ist ein Unterschied, ob der Heilige Geist in uns, wie in<br />
jedem Gläubigen, in einem verborgenen Heiligtum wohnt,<br />
manchmal ohne dass wir uns selbst dessen bewusst sind,<br />
oder ob er völligen Besitz von seinem Tempel nimmt, uns leitet<br />
und regiert (1. Korinther 6,19). 208<br />
In der Neuauflage seiner Schrift Wie empfangen wir die Geistestaufe<br />
im Jahre 1956 benützt Fix dann schon eine deutlichere<br />
Sprache, wenn er von den „vielen Stimmen“ spricht, die „gegen<br />
die Geistestaufe zeugen und vor ihr warnen“, und meint mit Verweis<br />
auf Matthäus 12:31-32, „das ist da und dort sogar eine vermessene,<br />
gotteslästerliche Kühnheit“. 209 Er stellt fest, „dass die<br />
Gegner der Geistestaufe viele unnütze Reden verbreiten, einer<br />
dem anderen nachredet und man mit zugkräftigen Beschwörungsformeln<br />
das Kind mit dem Bade ausschüttet.“ Fix statuiert:<br />
Das Ergebnis ist das satanische Blendwerk unserer Zeit:<br />
Eine Christenheit ohne Kraft aus der Höhe. 210<br />
Die Geistestaufe ist für Fix nun „der Triumph der Erlösung“ und<br />
der Heilige Geist „versiegelt die Gotteskindschaft, erschließt die<br />
206 ibid S. 12<br />
207 ibid S. 13<br />
208 ibid S. 14<br />
209 Fix, K., Wie empfangen wir die Geistestaufe? <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, Schorndorf 1956, S. 3<br />
210 ibid S. 3<br />
65
heimliche Weisheit Gottes und gibt Blicke in die Tiefen der<br />
Gottheit (1. Korinther 1:18 - 2:16).“ 211 In der Schilderung seines<br />
persönlichen Zeugnisses erwähnt Fix auch erstmalig, dass er beim<br />
Empfang seiner Geistestaufe in neuen Zungen redete:<br />
Unvergesslicher Tag und Stunde. Ich wußte nicht mehr, wie<br />
mir geschah. Ein Strom der Freude drohte mich zu sprengen.<br />
Und dann pries ich Gott in neuen Zungen. „Maranatha:<br />
unser Herr kommt!“ soll das erste Zeugnis gewesen sein, das<br />
ich redete, sagten nachher die Zeugen dieser ersten Stunde. 212<br />
Zwischenzeitlich hatte Fix in T.B. Barrat einen weiteren Verfechter<br />
für seine Thesen gefunden und dazu dessen Schrift Das Wesen<br />
der Geistestaufe als Heft Nr. 45 in seiner Serie „Neue Schriften<br />
der Volksmission“ verlegt. 213 Dort stellte Barrat die These auf, dass<br />
das „Reden in Zungen“ als „äußeres Zeichen der Geistestaufe gewertet<br />
werden kann“. 214 Bereits 1948 hatte Fix Donald Gees Schrift<br />
God's Grace and Power for Today nach der Übersetzung von<br />
Johann Justus Meier unter dem Titel Gottes Gnade und Kraft für<br />
heute verlegt, nachdem er, wie er in seinem Einleitungswort feststellt,<br />
Gees Schriften Über die geistlichen Gaben und Gottes große<br />
Gabe bereits als Traktate veröffentlicht hatte. 215 Unter empfehlenswertes<br />
Schrifttum listet er als weitere Schriften von D. Gee:<br />
66<br />
• Die Gaben Christi für den geistlichen Dienst.<br />
• Die Früchte des Geistes.<br />
• Pfingsten.<br />
• Gottes große Gnade. 216<br />
211 ibid S. 4<br />
212 ibid S. 10<br />
213 Barrat, T.B., Das Wesen der Geistestaufe, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener Christen,<br />
Vaihingen/Enz, o.J.<br />
214 ibid S. 12, Kurz nach seiner Schrift Wie empfangen wir die Geistestaufe hat Fix in seinem<br />
Verlag auch Otto Witts im Jahre 1946 erstellte Übersetzung des Norwegers W. Skibstedt, Die<br />
Geistestaufe im Licht der Bibel, verlegt. Dort findet sich ein ausführlicher Lebenslauf von<br />
Pastor T.B. Barrat (Skibstedt, W., Die Geistestaufe im Licht der Bibel, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Vaihingen/Enz, o.J., S. 120-125).<br />
215 Gee, D., Gottes Gnade und Kraft für heute. Das Erlebnis des Erfülltwerdens mit dem Heiligen<br />
Geist, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Heilbronn 1946, S. 2<br />
216 Barrat, T.B., Das Wesen der Geistestaufe op. cit. S. 15
Seine Verehrung für Gee kommt in seinem Vorwort zu Gottes<br />
Gnade und Kraft für heute zum Ausdruck:<br />
Wir dürfen ihn ohne Übertreibung als einen gottbegnadeten<br />
Lehrer der Christenheit des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Was<br />
ihn uns besonders teuer macht und was ihn von so vielen<br />
„Bibelauslegern“ vorteilhaft unterscheidet, ist seine große Ehrfurcht<br />
vor dem geschriebenen Worte Gottes, die aber nie und<br />
nirgends in eine einseitige Buchstabendogmatik ausartet. 217<br />
1949 legte Fix Andrew Murrays Abhandlung Der volle Pfingstsegen<br />
auf und bemerkt einleitend:<br />
Die Schriften von Andrew Murray haben uns alle schon<br />
viel zu sagen gehabt und tiefe Segnungen vermittelt. Eine<br />
dieser Gesegnetesten scheint aber doch im Sturm der Zeit<br />
„verschüttet“ gewesen zu sein. Wir haben sie vergeblich in<br />
der Schweiz und in Deutschland als deutsche Ausgabe<br />
gesucht. Wir verstehen dies. Zum Teil gehört schon etwas<br />
Mut dazu. Aber es bleibt dabei, heute erst recht. „Das Eine,<br />
was not ist, ist der volle Pfingstsegen. Wir haben selten eine<br />
so klare und überzeugende Schrift gelesen, die uns diese<br />
unumstößliche Wahrheit so dringend vor Augen stellt. 218<br />
Pfingsten 1958 äußerte sich Fix, indem er Hermann Ditterts Thesen<br />
auflegte, erneut zur Thematik „Wiedergeburt und Geistestaufe“,<br />
„um denen entgegenzuwirken, die behaupten, wer wiedergeborenes<br />
Glied am Leibe Jesu Christi ist, der ist auch geistgetauft.“<br />
219 Diese Schrift, welche sich zum Ziele setzte, nachzuweisen,<br />
dass Jesu Verheißung der Geistestaufe nur den Wiedergeborenen<br />
galt 220 und der Geist nur auf die fiel, die zuerst bekehrt<br />
und gerettet waren, 221 wurde von Fix „als Gegenwehr gegen viele<br />
seichte unbiblische Angriffe herausgegeben.“ 222<br />
217 Gee, D., Gottes Gnade und Kraft für heute op.cit., S. 4<br />
218 Murray, A., Der volle Pfingstsegen. Das Eine, was not ist, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener<br />
Christen, Vaihingen/Enz 1949, S. 6<br />
219 Dittert, H., Wiedergeburt und Geistestaufe, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener Christen,<br />
Schorndorf 1958<br />
220 ibid S. 4<br />
221 ibid S. 5<br />
222 ibid S. 2<br />
67
1964, fünf Jahre vor seinem Tod, wendet sich Fix mit seiner<br />
Schrift Versiegelt mit dem Heiligen Geist erneut der „Pfingstwahrheit,<br />
die vielen heute nichts mehr zu sagen hat“, zu. 223 Anhand<br />
von Johannes 14:21-23 versucht Fix nachzuweisen, dass Jesus<br />
zuerst davon spricht, sich zu „offenbaren“ und dann „Wohnung<br />
zu machen“. 224 Zwar anerkennt Fix mit Verweis auf Römer 8:14-<br />
16, dass „ein wahrer Christ das Zeugnis der Gotteskindschaft<br />
durch den Heiligen Geist in seinem Herzen trägt“ und gemäß<br />
Galater 4:4-7 „den Geist der Kindschaft besitzt“ 225 , sieht nun allerdings<br />
die „Versiegelung durch den Heiligen Geist“ als eine nachfolgende<br />
Erfahrung, welche die ersten Christen am Pfingstfest<br />
und die samaritischen Gläubigen durch den Dienst der Apostel<br />
(Apostelgeschichte 8) empfingen. Auch die Gläubigen zu Ephesus,<br />
so Fix mit Hinweis auf Epheser 1, empfingen die „Versiegelung“<br />
erst, als ihnen Paulus zum Empfang des Geistes die Hände aufgelegt<br />
hatte. 226 So stellt Fix fest:<br />
Wir können hier von zwei Erfahrungen sprechen: 1. des vorbereitenden<br />
Wirkens des Geistes Gottes an uns und 2. Seiner<br />
tatsächlichen Einwohnung in das Herz jedes einzelnen<br />
Christen.<br />
Letzteres beschreibt Fix zufolge die „Versiegelung“, und gemäß<br />
Offenbarung 7:2-8 und 9:4 werden nur die Menschen mit dieser<br />
Erfahrung in den „Endkatastrophen der Völkerwelt“ nicht dem<br />
Verderben anheimfallen. 227<br />
Fix schlägt dann eine Brücke zu denen, die nicht an eine<br />
„Geistestaufe“ glauben, und schreibt:<br />
68<br />
Geistestaufe und Versiegelung können zusammentreffen, es<br />
braucht aber nicht so zu sein. Viele glauben nicht an eine<br />
biblische Geistestaufe und können sie daher nicht erleben,<br />
da aber auch sie das Zeugnis der Kindschaft im Herzen tra-<br />
223 Fix, K., Versiegelt mit dem Heiligen Geist, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener Christen,<br />
Schorndorf 1964, S. 2<br />
224 ibid S. 6<br />
225 ibid S. 7<br />
226 ibid S. 12,13<br />
227 ibid S. 11,12
gen durch die Wiedergeburt, haben auch sie die Versiegelung<br />
mit dem Geist der Kindschaft in ihrem Herzen, der da<br />
schreit: „Abba, lieber Vater.“ 228<br />
3.8 Prophetischer Blick<br />
In seinem dritten Band in der Reihe „Neue Schriften der Volksmission“<br />
gibt Fix Einblicke in sein prophetisches Denken und berichtet<br />
rückblickend über die Entstehung seines Traktates Grausen,<br />
Grausen …<br />
Während Vermessene auf der Erde schrien: „Freut euch des<br />
Lebens!“, während sie grölend ein ewiges irdisches Reich<br />
gründeten und mit der knochenerweichenden Lehre von der<br />
Lebensverneinung, vom Jammertal dieser Erde … – dem<br />
Christentum – gründlich aufräumten, da war schon das<br />
Urteil über diese Welt gefällt: „Da sie sich für Weise hielten,<br />
sind sie zu Narren geworden.“ Und der Geist Gottes bezeugte<br />
das kommende große Weltgericht: „Wehe, denen, die auf<br />
Erden wohnen!“ Ja, und dann entlud sich furchtbar das<br />
„Grausen“ über die alte Erde. 229 Als ich vor rund 10 Jahren<br />
über den kommenden Krieg musste immer wieder Zeugnis<br />
ablegen, da haben mich viele ausgelacht, diese werden nun<br />
im Anblick der Ruinen schweigen. 230<br />
Die „Achsenmächte“ mit ihren Führern Hitler und Mussolini<br />
hält Fix von Dämonen und Finsternismächten beeinflusst. Hitler<br />
hatte seine eigene Sternwarte, um besondere Glückstage berechnen<br />
zu können, und Mussolini ließ sich vor wichtigen Entscheidungen<br />
von einer Wahrsagerin beraten. „Satan hatte willige Werkzeuge<br />
gefunden, sein Zerstörungswerk hier auf Erden auf die<br />
Spitze zu treiben …“ 231<br />
In Krieg, Schwert, Hunger und Tod sieht Fix die apokalyptischen<br />
Endzeitreiter, die von der Bibel angekündigt und von<br />
228 ibid S. 14<br />
229 Fix, K., Was sollen wir tun? Eine Frage von vielen – und eine Antwort an Alle!, <strong>Karl</strong> Fix Verlag<br />
Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Heilbronn 1946, S. 4<br />
230 ibid S. 6<br />
231 ibid S. 10<br />
69
Dante und Dürer beschrieben worden sind. 232 Die Untergangsprophetie<br />
über den babylonischen König in Jesaja 14:15-17 233 deutet Fix<br />
nach dem verlorenen Krieg auf das deutsche Volk. Für ihn war mit<br />
der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs die von Daniel angekündigte<br />
„trübselige Zeit“ (12:1) mit einer Kette göttlicher Gerichte,<br />
angebrochen. Er beruft sich dabei auch auf die „ersten Staatsmänner“,<br />
die „im Angesicht der Atombombe“ anfingen, vom Untergang<br />
zu sprechen. 234 Mangelnde Bußfertigkeit deutet Fix mit Verweis auf<br />
Offenbarung 9:21 und Römer 1:28-32. In diese Situation hinein<br />
erklingt der Ruf des Petrus: „Lasset euch erretten aus diesem verkehrten<br />
Geschlecht! Tut Buße!“ (Apostelgeschichte 2:37-42). 235<br />
Zwei Weltkriege hatte Fix miterleben müssen. Der 1946 beginnende<br />
„Kalte Krieg“ zwischen den Mächtegruppierungen des<br />
Westens (besonders der USA) und des Ostens (besonders der<br />
UdSSR) in Verbindung mit der atomaren Aufrüstung versetzte<br />
den scharfsinnigen Beobachter des Zeitgeschehens in tiefe<br />
Besorgnis. Mit dieser apokalyptischen Bedrohung setzte er sich in<br />
seinen Schriften Millionen Menschen müssen sterben 236 ,Wie sollen<br />
wir dem kommenden Verderben entfliehen? 237 und Welt im Verderben<br />
238 auseinander.<br />
Um die bevorstehende Katastrophe einer atomaren Auseinandersetzung<br />
zu verdeutlichen, zitiert Fix namhafte Wissenschaftler<br />
und Philosophen, wie zum Beispiel <strong>Karl</strong> Jaspers, der<br />
1958 in Die Atombombe und die Zukunft der Menschheit schrieb:<br />
70<br />
Seit jeher sind neue Zerstörungswaffen zunächst für verbrecherisch<br />
erklärt worden, einst die Kanonen, zuletzt die<br />
warnungslose Torpedierung durch U-Boote im Ersten Weltkrieg.<br />
Doch bald wurde durch Gewöhnung ihr Dasein eine<br />
fraglose Gegebenheit.<br />
232 ibid S. 3<br />
233 „Ist das der Mann, der die Welt zittern und die Königreiche beben machte? Der den Erdboden<br />
zur Wüste machte und die Städte darin zerbrach und gab seine Gefangenen nicht los?“<br />
234 ibid S. 6-7<br />
235 ibid S. 8<br />
236 Fix, K., Millionen Menschen müssen sterben! Ein Mahnruf an alle, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche<br />
Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf 1955 (7. Auflage 1962)<br />
237 Fix, K., Wie sollen wir dem kommenden Verderben entfliehen? Jeder hat eine Chance …, <strong>Karl</strong> Fix<br />
Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf 1962<br />
238 Fix, K., Welt im Verderben, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener Christen,<br />
Schorndorf 1967
Auch Albert Einstein, der Begründer der Relativitätstheorie und<br />
Nobelpreisträger, wird mit einer Erklärung, die er 1955, kurz vor<br />
seinem Tod unterzeichnet hatte, so von Fix zitiert:<br />
Für den Fall einer massenhaften Verwendung von Hydrogenwaffen<br />
ist mit dem plötzlichen Tod eines kleinen Teils<br />
der Menschheit und mit qualvollen Krankheiten und<br />
schließlichem Absterben aller Lebewesen zu rechnen. 239<br />
In Chemiker Otto Hahn (1879-1968), der 1944 mit dem Nobelpreis<br />
(Atomspaltung) ausgezeichnet wurde, sowie in dem Physiker<br />
Max Born (1882-1970), der entscheidenden Anteil an der Entwicklung<br />
der modernen Quantentheorie hatte (Nobelpreis 1954),<br />
sieht Fix weitere Warner vor der bevorstehenden Katastrophe. 240<br />
Das Wettrüsten versteht Fix als „Programm des Teufels und<br />
der Hölle: Die Vernichtung aller und von allem.“ 241 Fix ist sich bewusst,<br />
dass er, so wie Robert Oppenheimer (1904-1967), ein unbequemer<br />
Mahner ist. Er zitiert diesen Pionier der Atombombenentwicklung<br />
mit seinem weit beachteten Warnruf Atombomben<br />
und amerikanische Politik:<br />
Wir können einen Zustand der Dinge voraussagen, in dem<br />
zwei Großmächte in der Lage sein werden, das Ende der<br />
Zivilisation herbeizuführen, freilich bei dem Risiko auch<br />
der eigenen Vernichtung. 242<br />
Der Feststellung Churchills in seiner Unterhausrede vom<br />
1.03.1955, „dass der künftige Friede die Tochter der Furcht ist“<br />
und es im Zeitalter der Wasserstoffbombe nur die Verteidigung<br />
durch Abschreckung gebe, entgegnet Fix:<br />
Wir als Christen glauben nicht, dass diese Theorie richtig<br />
ist. In unserer Bibel steht: „Was der Gottlose befürchtet, das<br />
wird ihm widerfahren“ und: „Wenn sie sagen Friede,<br />
Friede, wird sie das Verderben plötzlich überfallen.“ 243<br />
239 Fix, K., Millionen Menschen müssen sterben! op. cit. S. 6<br />
240 ibid S. 7<br />
241 ibid S. 8<br />
242 ibid S. 10<br />
243 ibid S. 13<br />
71
Die Drohungen des nach dem Sturz von Malenkow (1955) 244<br />
erstarkten Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow, der 1960<br />
in einer dreieinhalbstündigen Marathonrede vor 1300 Delegierten<br />
des Obersten Sowjets erklärte, dass Moskau einen potentiellen<br />
Angreifer mit seinem ganzen Land und den Ländern seiner<br />
Verbündeten ausradieren könne, kommentierte Fix so:<br />
Hier spielt Herr Chruschtschow vorab eine Gipfelfigur des<br />
kommenden Weltreiches – eben der Endkatastrophen der<br />
Völkerwelt – genau so, wie die Bibelchristen in der Offenbarung<br />
des Johannes lesen können. Chruschtschows Rede ist<br />
ein Alarm für die Völkerwelt und vor allem für alle Christen,<br />
auf die Zeichen der Zeit zu achten und sie zu prüfen!<br />
Lukas 12:54-57 245<br />
Angesichts der Entwicklung der Wasserstoff- und Kobaltbombe<br />
und schließlich der bakteriologischen und psycho-chemischen<br />
Kampfmittel sieht Fix als „einziges Heilmittel die geistige<br />
Wiedergeburt der Menschheit, im Eingehen auf den Heilsplan<br />
Gottes durch den Glauben an die vollbrachte Erlösung Jesu<br />
Christi“. 246<br />
Hier stimmt Fix bezüglich der Zerrissenheit der Christenheit<br />
Dr. Oswald Smith zu, den er so zitiert:<br />
72<br />
Unter uns allen gibt es Meinungsverschiedenheiten über<br />
Lehrfragen, aber in einem Stück sollten wir uns immer finden<br />
und uns einigen können: In der Verkündigung der<br />
„Frohen Botschaft“. Wenn wir sonst in keinem anderen<br />
Stück übereinstimmen können: um verlorene Männer und<br />
Frauen für unseren Herrn Jesus Christus zu gewinnen,<br />
wenn es sich um die Verkündigung des Evangeliums handelt,<br />
dann sollten Pfarrer, Prediger und Laien aller Kirchen<br />
und Benennungen miteinander Hand in Hand arbeiten<br />
können.“ 247<br />
244 Georgij Malenkow (1902-1988) war seit 1946 Stellvertreter Stalins und nach dessen Ableben<br />
1953 Vorsitzender des ZK der KPDSU<br />
245 Fix, K., Millionen Menschen müssen sterben! op. cit. S. 17<br />
246 ibid S. 24<br />
247 ibid S. 25
So wie Joseph von Gott gebraucht wurde, das hereinbrechende<br />
Gericht über Ägypten abzuwenden, sieht Fix „die bibelgläubigen<br />
Christen als Botschafter“ in die Pflicht genommen. 248 Er zieht als<br />
Zeugen für seine Aufforderung zu einer neuen Hinwendung zu<br />
Gott folgende Männer heran 249 : Billy Graham, der am 24.06.1954<br />
bei seinem Besuch in Deutschland feststellt: „Wir sind am Ende<br />
– in der Politik, in der Wissenschaft und mit uns selbst. Gott<br />
allein kann uns helfen“; Harold Talbott, den amerikanischen<br />
Minister für Luftfahrt, der im November 1954 erklärte: „Nur<br />
Gott kann uns helfen“; und US-Präsident D. Eisenhower, der<br />
nach einer Besprechung der Lage nach einem möglichen atomaren<br />
Luftangriff gesagt haben soll: „Da hilft nur beten.“<br />
Bei seiner Analyse der „7 Zeitalter“, 250 bei der er sich auf<br />
Fünning Das feste prophetische Wort, auf F.P.Keller Das harrt ihrer<br />
und auf Erich Sauer Das Morgenrot der Welterlösung beruft, 251<br />
stellt Fix fest, dass „die Siegel- und Posaunengerichte der Offenbarung<br />
bereits angelaufen sind“. 252 Fix war überzeugt, dass als Ende<br />
des „Kalten Krieges“ ein Atomkrieg unmittelbar bevorsteht 253 und<br />
schließt seine aufrüttelnde Schrift mit einem Aufruf an Gottes Volk:<br />
Die kommenden Katastrophen lassen sich ja nicht „wegbeten“,<br />
aber es werden, wenn wir mit Gott rechnen und wenn<br />
wir treu unsere Pflicht als Gotteskinder tun, noch viele Menschen<br />
gerettet werden können. 254<br />
Wenn sich auch die für Fix unmittelbar bevorstehende atomare<br />
Auseinandersetzung glücklicherweise bisher nicht ereignet hat,<br />
so war er doch schon zu einer Zeit ein kühner prophetischer Rufer,<br />
als fast ganz Deutschland dem „Führer“ zujubelte und jede<br />
Kritik lebensgefährlich war.<br />
248 ibid S. 38<br />
249 ibid S. 41<br />
250 Abgeleitet ist diese Meinung wohl von Scofield, der in seiner Bibel schrieb: “a dispensation is<br />
a period of time during which man is tested in respect of obedience to some specific revelation<br />
of the will of God (Berkhof, L., Systematic Theology, The Banner of Truth Trust, Edinburgh<br />
1958, S. 290)”<br />
251 Fix, K., Millionen Menschen müssen sterben! op. cit. S. 44<br />
252 ibid S. 60<br />
253 ibid S. 63<br />
254 ibid S. 71<br />
73
4.<br />
Schlussbemerkungen<br />
Plötzlich und unerwartet starb <strong>Karl</strong> Fix am 19.01.1969 in Leutenbach,<br />
nachdem er kurz zuvor mit seiner Ursprungsgemeinde<br />
Berlin deren 35-jähriges Jubiläum gefeiert hatte. Selbst der 1979<br />
verstorbene Kirchenrat Dr. Kurt Hutten, Sektensachverständiger,<br />
langjähriger Leiter der „Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen“<br />
und erster „Pressepfarrer der württembergischen<br />
Landeskirche“, dessen immer wieder aktualisiertes Buch<br />
Seher, Grübler, Enthusiasten inzwischen in der 15.Auflage erschienen<br />
ist 255 und der in seinen Artikeln des „Evangelischen Gemeindeblattes“<br />
die Volksmission als Pfingstbewegung immer wieder<br />
heftig kritisiert hatte, 256 musste, was den Verkündigungsstil<br />
von <strong>Karl</strong> Fix anging, in seinem Materialdienst zugestehen, dass<br />
auch einige Pfarrer diesen äußerst positiv bewerteten:<br />
Nie wirkte er irgendwie weich, sondern immer sehr männlich.<br />
– Die Stimme ist klangvoll und gewinnend, nicht exaltiert.<br />
Der Mann hat „Distanz zwischen den Schultern“,<br />
spricht gutes Deutsch, ist nicht ohne rhetorische Begabung.<br />
– Seine Verkündigung trägt im guten Sinn das Gepräge der<br />
Heiligungsbewegung eines Stockmayer … 257<br />
Die Geschichte der Volksmission, die seit 1988 durch ihre Mitgliedschaft<br />
im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) die<br />
Körperschaftsrechte besitzt, ist untrennbar mit dem Wirken von<br />
<strong>Karl</strong> Fix verbunden. Bis zum letzten Atemzug war er Inspirator<br />
und Motor dieses heute ca. 60 Gemeinden umfassenden Verbandes<br />
und gab ihm eine gesunde theologische Prägung. Seine Fürsorge<br />
für ältere und pflegebedürftige Senioren führte dazu, dass<br />
unter seiner Regie 1962 der Verein „Haus Elim, Alters- und Er-<br />
255 Hub, D., Sektenexperte und Vorkämpfer evangelistischer Publizistik. Zum 100. Geburtstag von<br />
Kurt Hutten, dem einstigen Schriftleiter des Gemeindeblattes, Evangelisches Gemeindeblatt für<br />
Württemberg, Nr. 9, 2001, S. 10<br />
256 Fix, K., Der Fromme-Leute Schreck: Die Pfingstbewegung, Der Volksmissionar, Nr. 20, 1951, S. 2<br />
257 Sommer, G., Die Sammlung deutscher freikirchlicher Pfingstgemeinden in der Zeit des Wiederaufbaus<br />
1945-1955 zur Arbeitsgemeinschaft der Christengemeinden in Deutschland (ACD) –<br />
Entwicklung und Selbstverständnis, unveröffentlichte Licentiate Thesis für die Evangelisch<br />
Theologische Fakultät der FTA, Giessen, August 1999, S. 132<br />
74
holungsheim Leutenbach“ gegründet wurde, welcher heute zwei<br />
Alten- und Pflegeheime unterhält. 258 Seinem außenmissionarischen<br />
Blick ist es zuzurechnen, dass die Volksmission nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg als erste Pfingstgemeinde in Deutschland mit Heinz<br />
Battermann im Jahre 1956 einen Missionar nach Kenia, Ostafrika,<br />
aussenden konnte. 259<br />
Möge sein unerschütterlicher Glaube und hingegebenes Leben die<br />
nachfolgende Generation zum vorbehaltlosen Einsatz für ihren<br />
Herrn Jesus Christus anspornen.<br />
1957 Brüderfreizeit, <strong>Karl</strong> Fix in der Mitte<br />
258 Ros H. und Kaupp G. (eds), Missionarisch in die Zukunft op. cit. S. 29<br />
259 ibid S. 134<br />
75
1952 Abschied beim Jugendtag in Esslingen a.N.<br />
Versammlung im Christophorus-Zelt<br />
76
5.<br />
Bibliographie<br />
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Christen<br />
77
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<strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen<br />
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Deutsche Volksmission entschiedener Christen,<br />
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Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Heilbronn,<br />
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Volksmission entschiedener Christen<br />
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<strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
Christen, 1946<br />
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Gott-Suchende, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Volksmission entschiedener<br />
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Deutsche Volksmission entschiedener Christen, Schorndorf,<br />
1964<br />
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78
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entschiedener Christen, Heilbronn, 1946<br />
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Kranke, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
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Christen, <strong>Karl</strong> Fix Verlag Deutsche Volksmission entschiedener<br />
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81
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in den Nachkriegsjahren im Spiegel ihrer Periodika,<br />
Abschlussarbeit Bibelschule Beröa vorgelegt im Fachbereich<br />
Historische Theologie, November 2000<br />
82
Briefe von und an <strong>Karl</strong> Fix<br />
83
86<br />
Von Dieter zum Felde<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong><br />
Vorwort von Gottlob Ling
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong>, der Leiter ohne Terminkalender!<br />
Gott hat für jede Zeit und in jeder Generation seine spezifischen<br />
Leute, die er dann auf seine Weise gebraucht.<br />
Mose wuchs im Hause des Pharao auf und wurde dort ausgebildet,<br />
König David war in seiner Jugendzeit ein einfacher Hirtenjunge;<br />
Petrus und fast alle Jünger waren Fischer und einfache<br />
Handwerker, Paulus dagegen ein Pharisäer der strengsten Sekte<br />
und hoch gebildet. <strong>Karl</strong> Fix war ein Volksredner, der große Versammlungen<br />
liebte, <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> dagegen roch geradezu die verborgenen,<br />
kleinen Anfänge und half Einzelpersonen, dass zunächst<br />
Hauskreise und dann Versammlungen zustande kamen.<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> bekam seine Weisungen meistens gegen 4.00 Uhr<br />
morgens im Gebet und im persönlichen Umgang mit Gott. Beim<br />
Aufstehen hieß es dann: heute fahren wir nach Bayern, oder in<br />
den Schwarzwald oder auf die Schwäbische Alb. Überall gab es<br />
kleine und bescheidene Stützpunkte. Nicht selten wurde ihm bei<br />
seiner Ankunft versichert: „Gut, dass du gekommen bist. Wir<br />
brauchen deine Hilfe“. Ich weiß es deshalb, weil ich ihn auf diesen<br />
Reisen in der Regel chauffierte.<br />
Diese Zeit kam mir für meinen späteren Dienst sehr zugute.<br />
Mit <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> konnte ich über alles sprechen. Zuweilen hat er<br />
mich schroff zurechtgewiesen und gleichzeitig war er doch stolz<br />
auf meine Schlagfertigkeit. Ich denke, dass er auch von mir manches<br />
gelernt hat.<br />
Sein plötzlicher Tod war ein schrecklicher Einschnitt in<br />
mein Leben. Es war fast so, wie wenn ein Adler sein Junges aus<br />
dem Nest wirft. Für mich und meine Brüder und späteren Kollegen<br />
wie Ernst Göhner, Albert Bühler und Dieter zum Felde folgte<br />
eine echte Bewährungsphase, die eine notwendige Voraussetzung<br />
für die große Verantwortung schuf, die sich anbahnte, das Werk<br />
der Volksmission nicht nur fortzuführen, sondern auch in größere<br />
Zusammenhänge zu bringen, wie dies durch den Beitritt in den<br />
Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) einige Jahre nach<br />
dem Heimgang von Missionar Oskar Siering geschehen ist.<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> war besonders der jüngeren Generation ein gütiger<br />
Vater in Christo, älteren Brüdern gegenüber konnte er unerbittlich<br />
sein. Auch <strong>Karl</strong> Fix hat er die Stirn geboten, was ich einmal<br />
87
zu meinem Erstaunen miterlebte. Geistgeleitet konnte er sagen:<br />
„Umwickle dein Schwert nicht mit Lappen der Menschengefälligkeit.“<br />
Das machte ihn gütig und gerecht zugleich. Von langen Terminkalendern<br />
wollte er nichts wissen.<br />
Ich freue mich, dass mein lieber Freund Dieter zum Felde<br />
einige Anekdoten aus seinem Leben für uns festgehalten hat.<br />
Möge sie der Herr für uns zum geistlichen Gewinn werden lassen.<br />
Gottlob Ling, Vorstandsvorsitzender i.R.<br />
Volksmission entschiedener Christen, Sitz Stuttgart<br />
Missionar <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> – ein Vater in Christo<br />
1. Zur Einführung<br />
Missionar <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> war ein Original, das man nicht nachahmen<br />
kann.In großer Treue und unermüdlicher Tätigkeit diente er Gott<br />
in seinem Leben. Die letzten 12 Jahre innerhalb der Volksmission<br />
können als die „Hochzeit“ seiner Laufbahn bezeichnet werden.<br />
Für seinen himmlischen Herrn hat er Jahrzehnte lang gekämpft,<br />
gearbeitet und gelitten. Unerschrocken bezeugte er Jesus<br />
Christus auch an schwierigen Plätzen, wo man ihm drohte, auflauerte<br />
und ihn schlug. Hierüber sprach er nicht. Er segnete seine<br />
Feinde.<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong>, ein Vater in Christo, der für viele Zeit hatte, jedes<br />
Anliegen geduldig anhörte und unsagbar viel Kleinarbeit tat. Sein<br />
Rat war oft nicht leicht, aber weise und heilsam. Er konnte warten,<br />
doch auch überraschend schnell reagieren und handeln. Jede<br />
Altersgruppe war ihm gleichermaßen wichtig.<br />
Er strahlte Güte und Liebe aus, ging jedoch gegen Sünde und<br />
Ungerechtigkeit hart vor. Er betete viel und schlief wenig. Manche<br />
Nacht verbrachte er in Fürbitte. <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong>s Leben und Wirken<br />
war eingebettet in ein wunderbar klares, herzliches Verhältnis<br />
zum Herrn. Seine Botschaft lautete: „Jesus rettet, Jesus heilt, Jesus<br />
tauft mit dem Heiligen Geist und Jesus kommt wieder.“ Der Herr<br />
bestätigte den Dienst von <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> durch mitfolgende Zeichen.<br />
In seinem Nachruf am Grab von <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> fasste <strong>Karl</strong> Fix zusammen:<br />
„Wir verlieren einen Ältesten, wie wir ihn vielleicht nur<br />
88
einmal haben konnten. Wir verlieren einen treuen Vater in Christo,<br />
einen lieben Freund und einen treuen Fürbitter.“<br />
Diese kurze Biographie möchte dazu dienen, <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> denen,<br />
die ihn kannten, in Erinnerung zu halten und den nächsten Generationen<br />
sowie allen Lesern ein Ansporn zu sein, seinem Glauben<br />
nachzufolgen.<br />
Was wir erlebt haben und zusammenstellen konnten, legen<br />
wir in des Lesers Hände, mit der Bitte um einen Segen, wie ihn<br />
Bruder <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> sicher auch gewünscht hätte.<br />
2. Vom Segen der Vorfahren<br />
und seine Ausbildung<br />
Von der Zuffenhäuser Hohensteinschule her schallte einladender<br />
Gesang. Wir betraten etwas verspätet den Saal. Von uns nahm<br />
kaum jemand Kenntnis. Eine gut besuchte Versammlung war mit<br />
Gesang und Liederbüchern beschäftigt. Nur der untersetzt wirkende<br />
Leiter im dunklen Anzug am Rednerpult, mit der kurz geschnittenen<br />
Frisur und dem Oberlippenbart winkte uns mit einem herzlichen<br />
Lächeln ein Willkommen zu – und sang weiter. Er liebte<br />
die Heilslieder. Da trat der Chorleiter an ihn heran und sagte:<br />
„Bruder <strong>Keck</strong>, du singst ins Mikrophon!“ Sofort nahm <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong><br />
Abstand und bedankte sich; denn er konnte den Ton nicht halten.<br />
Wie dankbar waren wir für Bruder <strong>Keck</strong>! Er stammte aus<br />
dem Schwarzwald und wurde am 7.09.1892 in Unteriflingen,<br />
Kreis Freudenstadt, geboren. Sein Vater, Johannes <strong>Keck</strong>, war Landwirt<br />
und Bürgermeister vom Ort. Die Mutter, Christine, geb.<br />
Link, stammte aus Dürrenmettstetten und hatte 12 Kinder. 8<br />
Buben und 4 Mädchen.<br />
Die Mutter war eine gläubige Frau. Sie besuchte die Süddeutsche<br />
Vereinigung in Unteriflingen. Ebenso die Großmutter<br />
Barbara, die oft kniend mit den Enkeln betete. Ähnlich wie einst<br />
Timotheus, kam <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> durch diese Vorbilder zum Glauben<br />
und besuchte gern die Gottesdienste der „Stundenleute.“<br />
Nach seiner Schulzeit absolvierte er in Basel bei einem gläubigen<br />
Bäckermeister die Lehre zum Bäcker. Während dieser Ausbildung<br />
übergab <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> sein Leben bewusst Jesus Christus<br />
und empfand den Ruf zum hauptamtlichen Missionsdienst.<br />
Nach den Wanderjahren besuchte <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> die Missions- und<br />
Bibelschule der Liebenzeller Mission, deren Gründer und Leiter<br />
89
Heinrich Coerper war. In ihm fand der junge Mann einen Vater<br />
in Christo und einen Freund, der offen für geistliche Wirkungen<br />
war und den Dienst von <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> durch sein Vorbild mit prägte.<br />
Sicher lernte der Bibelschüler hier, wie sich ein Glaubensvater zu<br />
benehmen hat und was man von ihm erwartet, nämlich, dass aus<br />
ihm die Weisheit des Ewigen wider leuchtet, die Milde, die Güte,<br />
das Verstehen und das allzeit hilfsbereit sein. Von Pastor Coerper<br />
erzählte Bruder <strong>Keck</strong> manches Mal. Er wäre gern in die<br />
Außenmission gegangen, hieß doch das Werk „Liebenzeller<br />
Mission im Verband der China-Inland-Mission“. Doch sein Vater<br />
ließ es nicht zu.<br />
So wirkte <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> im Inland als Liebenzeller Prediger und<br />
begann 1930 eine neue Aufgabe als Stadtmissionar in Nördlingen.<br />
In Bayern gewann er viele Freunde, gründete einige Hauskreise<br />
und Versammlungen u.a. in Nördlingen, Wassertrüdingen, Dentlein-Kaierberg,<br />
die sich später mit ihm der Volksmission anschlossen.<br />
Manche Leute bekehrten sich in seinen Evangelisationen,<br />
unter ihnen 1940 Rudolf Nanz.<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> blieb mit seinen leiblichen Geschwistern eng verbunden.<br />
Er schrieb ihnen und besuchte sie. Wenn er nach Unteriflingen<br />
zur Barbara oder in der Erntezeit zu Gustav auf den Lotenberg<br />
bei Heiningen kam, griff er gleich zum Werkzeug und arbeitete<br />
mit. Er sagte: „Wer bei der Arbeit nichts taugt, taugt auch im<br />
Reich Gottes nichts.“<br />
3. Dienst in schwerer Zeit<br />
Mit der Politik der Nazis war <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> nicht einverstanden. Sein<br />
Vorsatz blieb die Verkündigung des Reiches Gottes. Hierin scheute<br />
er keine Anstrengung und kein Opfer. Er führte ein Leben der<br />
Entsagung und wusste um seine göttliche Erwählung zu Dienst<br />
und Leiden. Er praktizierte, was er verkündigte. So war er mit<br />
ganzer Hingabe unterwegs. Einiges aus 2. Korinther 11, 26 ff traf<br />
bei ihm zu. Als seine Braut die Verlobung löste, blieb er hinfort<br />
allein, was er jungen Leuten durchweg nicht empfahl. Seine Braut<br />
hatte Kontakt zu einer Gruppe bekommen, welche die Ehelosigkeit<br />
lehrte.<br />
Während des Krieges fand sein hauptamtlicher Dienst eine<br />
plötzliche Unterbrechung. <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> wurde „kriegsdienstverpflichtet“<br />
und musste im Kreiskrankenhaus Freudenstadt als<br />
90
Pförtner arbeiten. Dadurch ergaben sich für ihn gute Möglichkeiten,<br />
abends Stubenversammlungen zu halten. Während dieser<br />
Zeit erlebte er sein persönliches Pfingsten und großartige Führungen<br />
Gottes nahmen ihren Lauf.<br />
Eines Tages lud ihn eine Frau an der Krankenhauspforte in<br />
den Hauskreis von Gertrud Zeeb ein. Dorthin ging er häufig und<br />
sprach schon von einer inneren Weisung, dass der Herr ihn in ein<br />
größeres Werk führen werde.<br />
Nach dem Einmarsch der Franzosen wirkte <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> einige<br />
Monate in Wälde, half beim Aufbau des Hauses seiner Schwester<br />
Maria und hielt bei Familie Geiser Versammlungen. Ein Bruder<br />
schrieb aus Wälde: „Seine Predigten haben uns Schulkinder und<br />
Jugendliche sehr angesprochen, so dass wir nicht zum Besuch der<br />
Versammlungen aufgefordert werden brauchen. Bei anderen dagegen<br />
wurde uns schrecklich langweilig.“<br />
Paula Gassner bekam von den Alliierten die Genehmigung,<br />
öffentliche Gottesdienste durchzuführen, was sie im Namen der<br />
„Internationalen Volksmission“ in Zuffenhausen in der Hohensteinschule<br />
mit <strong>Karl</strong> Fix begann. Sie hörte einiges über <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong><br />
und traf ihn im Hauskreis in Freudenstadt bei Gertrud Zeeb, wo<br />
sie ihn nach Stuttgart einlud. Auf diese Weise kam er mit den Anfängen<br />
der Volksmission und mit <strong>Karl</strong> Fix in Verbindung. Er sah<br />
sich vom Herrn in die neue Aufgabe gestellt und wurde daher und<br />
auf Grund seines Bekenntnisses zur Pfingstwahrheit von der Liebenzeller<br />
Mission durch Pastor Möller entlassen.<br />
Auf Enttäuschungen und Schwierigkeiten reagierte <strong>Karl</strong><br />
<strong>Keck</strong> gern mit dem Vers von Paul Gerhardt: „Mein Herze geht in<br />
Sprüngen und kann nicht traurig sein, ist voller Freud’ und<br />
Singen, sieht lauter Sonnenschein. Die Sonne, die mir lachet, ist<br />
mein Herr Jesus Christ, das, was mich singen machet, ist, was im<br />
Himmel ist.“<br />
4. Was „Schwere Zeit“ bedeutet<br />
Einerseits hatte die Not unseres Volkes dem Evangelium Eingang<br />
verschafft, denn es brachen überall geistliche Erweckungen auf.<br />
Andererseits brachte sie den Verkündigern viele Hindernisse.<br />
Der „totale Krieg“ war verloren. Es gab nur wenige Familien, die<br />
nicht Hab’ und Gut, Heim, Heimat oder Angehörige verloren hatten.<br />
Viele waren arm geworden. Unzählige hatten dem Tod in die<br />
91
Augen gesehen. Mit großer Mühe ging es an den Wiederaufbau.<br />
Zwei junge Brüder trafen sich am Bahnhof Pforzheim.<br />
Bruder <strong>Keck</strong> hatte sie geschickt. Sie sollten aus einem Erdbunker<br />
einen Versammlungsraum machen. Er meinte, wie ihr das macht,<br />
werdet ihr schon sehen und gab etwas Geld mit.<br />
Die beiden waren behindert: Furunkel, der eine, und hohes<br />
Fieber, der andere. Sie konnten nicht mehr weiter und stellten<br />
ihre „Schottische Karre“, beladen mit Balken und Brettern, an<br />
den Straßenrand und setzten sich auf den Kantstein. – Ein sichtbarer<br />
Ausdruck von „schwerer Zeit“! Am Abend war die Erschöpfung<br />
derart, dass einer von ihnen das Kopf- mit dem Fußende<br />
des Bettes verwechselte und es nicht einmal merkte. Nach<br />
Tagen ging die Meldung an Bruder <strong>Keck</strong>: „Erdbunker in Pforzheim<br />
fertig zum Gottesdienst.“ Es gab Versammlungen wie in den<br />
Katakomben. Das war Gemeinde-Beginn!<br />
Ein gelernter Arbeiter verdiente 94 Pfennige in der Stunde.<br />
Unbezahlte Überstunden hielt man für selbstverständlich. Es war<br />
vorerst nicht möglich, hauptamtlichen Nachwuchs zu versorgen.<br />
Die Verkehrsmittel hießen Straßen- und Eisenbahn. Auf dem<br />
Land: Fuhrwerk und Fahrrad. Schusters Rappen mussten oft herhalten.<br />
Als „Vergütung“ für einen Dienst gab es auf dem Land<br />
Naturalien: Einige Eier oder zwei Bratwürste oder ähnliches.<br />
Wenn es Geld war, reichte es gerade für neue Schuhsohlen. Hieraus<br />
wird deutlich, mit welchen Hindernissen Bruder <strong>Keck</strong> es zu<br />
tun hatte, wenn er den vielen Aufgaben nachkommen wollte.<br />
Später wurde es etwas besser, gab es aber noch mehr Arbeit.<br />
Allein schaffte er es nicht mehr. Wenn er einen Bruder zum<br />
Dienst brauchte, rief Bruder <strong>Keck</strong> in der Bibelschule an: „Was<br />
machst du morgen Abend?“ Oder er ging zu Albert Bühler auf die<br />
Baustelle. Die Bauarbeiter kannten ihn bereits und sagten zu ihrem<br />
Meister: „Dein Prediger steht da unten!“ Als Albert Bühler verunglückte,<br />
er war vom Gerüst gestürzt und schwer verletzt, besuchte<br />
ihn Bruder <strong>Keck</strong> jeden Tag im Krankenhaus und betete mit ihm.<br />
Mehrmals stand für Bruder <strong>Keck</strong> und seinen Begleiter – er<br />
nahm gern junge Brüder mit sich, bei denen er eine Gabe zum<br />
Dienst erkannte – nur ein Bett zur Verfügung. Vor den Quartiersleuten<br />
wusste er humorvoll einen Ausweg: „Ich schlafe im Bett<br />
und er unter dem Bett.“ Für jeden stand dann ein halbes Bett zur<br />
Verfügung.<br />
92
In einer bayerischen Stadt bestand im Haus ein Defekt an der<br />
Gasleitung. Die Übernachtungen sind in der Küche, wo zugleich<br />
das „Gastzimmer“ war, nur mit weit geöffneten Fenstern (in der<br />
kalten Jahreszeit!) risikolos gewesen. Das Sofa als Bett während<br />
einer Bibelwoche maß nur 1,20 Meter. Die Beine ab dem Knie<br />
lagen außerhalb. – Die Reihe ließe sich fortsetzen.<br />
5. In der Volksmission<br />
Der Schwerpunkt von <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> war der geistliche, prophetische<br />
Dienst. Unzählige hörten ihn gern, wenn auch manche, die kein<br />
gutes Gewissen hatten, sich lieber nicht zu weit nach vorn setzten.<br />
Seine Verkündigung war klar, treffend, biblisch fundiert und<br />
originell. Mit einer hervorragenden Bibelkenntnis erbaute er seine<br />
Hörer. So konnte er auch ein Mann des Ausgleichs sein.<br />
Wenn es allerlei Ansichten und Meinungen gesetzlicher und<br />
auch sehr freier Art gab, musste und konnte er ausgleichen. Wer<br />
meint, die Anfangsjahre der Volksmission wären nur himmlisch<br />
gewesen, hat entweder ein schlechtes Gedächtnis oder lebt in<br />
Wunschgebilden. Die Gefahren von Spaltungen wegen verschiedener<br />
Lehrfragen wie Kopfbedeckungen, Fußwaschung, Frisuren,<br />
Kleidung, Mitgliedschaft, enthusiastischer oder stiller Versammlungsabläufe<br />
etc. standen oft vor der Tür. Probleme gab es schon<br />
immer. Bruder <strong>Keck</strong> konnte hier oft in Liebe und auch in Strenge<br />
ausgleichen, wobei er weise Antworten und gute Lösungen parat<br />
hatte.<br />
Das betraf ebenso seine umfangreiche Korrespondenz. Er erhielt<br />
viele Briefe verschiedenen Inhalts. Es war ihm ein Anliegen,<br />
möglichst schnell zu antworten. So traf er sich häufig mit einem<br />
jungen Bruder, der eine Reiseschreibmaschine mitbrachte, und<br />
diktierte stundenlang direkt und flüssig in die Maschine. Vorher<br />
zog er den mit Gummiband zusammengehaltenen Stoß Briefe und<br />
Postkarten von 20 bis 30 cm Höhe aus seinem Koffer. An einem<br />
Nachmittag nahm der Stoß etwa 5 cm ab (von oben, wo die ältesten<br />
Eingänge lagen, neue fügte er unten an). Sein erstaunliches<br />
Gedächtnis über die Inhalte der Briefe ist erwähnenswert.<br />
Bei der Erledigung der Post gab es nur einmal einen Zwischenfall:<br />
Bruder <strong>Keck</strong> war sehr müde. Er diktierte im Liegen vom Sofa aus<br />
und schlief dabei ein. Der Schreiber merkte es und sagte: „Ich bin<br />
soweit.“ Bruder <strong>Keck</strong> fragte: „Was hasch geschrieben?“ Der<br />
93
Schreiber las vor – und wieder war es still. Nach dreifacher Wiederholung<br />
ging der Schreiber leise zu den Hausleuten hinaus und<br />
erzählte ihnen den Vorfall. Alle lachten und schon stand Bruder<br />
<strong>Keck</strong> da und sagte: „Du bist mir ein Schöner, läufst einfach davon!“<br />
Der junge Bruder erzählte den Vorgang, worauf Bruder<br />
<strong>Keck</strong> lachend meinte: „Jetzt wird aber geschrieben.“ Er schlief<br />
nicht mehr ein.<br />
Bei der Einheitskonferenz der „Freien Pfingstgemeinden in<br />
Deutschland“ vertrat <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> die Volksmission vom 21.-23.09.<br />
1948 in Hamburg. Es war die zweite Konferenz und führte zur<br />
Gründung der späteren ACD. <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> liebte brüderliche Verbindungen,<br />
was auch in der Bachstraße in Hamburg deutlich<br />
wurde. Er half hier sehr aktiv, Weichen für die Zukunft zu stellen.<br />
Sein Motiv war: „Altes und Neues“!<br />
Bruder <strong>Keck</strong> predigte nicht nur, er machte außerdem unermüdlich<br />
Hausbesuche bei Geschwistern, Einsamen, Kranken und<br />
Ungläubigen. Plötzlich und unerwartet stand er vor der Tür und<br />
zeigte mit Erfolg sein Hirtenherz.<br />
Das Werk breitete sich aus und es erstanden nach und nach<br />
Chöre, die weitere Mitarbeiter benötigten. Bruder <strong>Keck</strong> setzte sie<br />
gern ein. Die längeren Dienste wie Evangelisationen, Bibelwochen<br />
und Rundreisen durch ein Gebiet konnten nur von hauptamtlichen<br />
Leuten versehen werden. Mit ihnen kam Bruder <strong>Keck</strong> etwa<br />
alle zwei Monate zusammen: Christian Gross, Heinrich Wolf,<br />
Bruder Schulz (Rentner aus Plochingen), Käthe Keppler (ehemalige<br />
Liebenzeller Schwester), Marie Luise Linse (ehemals Liebenzeller<br />
Chinamissionarin) und ein junger Bruder als Anfänger.<br />
Bruder <strong>Keck</strong> stellte die Frage: „Wer geht nächste Woche nach<br />
Bayern?“ Fast alle waren anderweitig festgelegt, bis auf eine<br />
Schwester, die in Hemmingen wohnte. Sie meinte, dass sie in<br />
Bayern Hemmungen hätte. Bruder <strong>Keck</strong> etwas lieb-energisch:<br />
„Das ist doch klar, dass man in Hemmingen Hemmungen hat – du<br />
gehst also nach Bayern!“ Wie er am Schluss der Dienstbesprechung<br />
für die Mitarbeiter betete, machte auf den einzig aus diesem<br />
Kreis heute noch Lebenden einen tiefen Eindruck.<br />
Für die Gründung einer Außenmission brachte Bruder <strong>Keck</strong><br />
wohl schon von seiner Ausbildungszeit einen klaren Blick und<br />
festen Wunsch mit. Er holte 1951 die Chinamissionare Oskar und<br />
Martha Siering von Velbert nach Stuttgart. Eines Tages gab er<br />
94
ihnen die väterliche Anweisung: Sorgt ihr, die ihr Missionare<br />
gewesen seid dafür, dass die Volksmission eine Außenmission<br />
bekommt. 1956 war es soweit. Der erste Missionar Heinz<br />
Battermann – zugleich der erste Missionar der deutschen Pfingstbewegung<br />
nach dem Krieg – wurde nach Kenia ausgesandt. Bruder<br />
<strong>Keck</strong> ließ es sich nicht nehmen, mit jungen Brüdern nach<br />
Neapel zu fahren, um Heinz Battermann dort im Hafen zu verabschieden.<br />
Im gleichen Jahr begann der Bau der Zentrale in der<br />
Güglinger Straße 4.<br />
Seit 18. August 1951, dem Tag der Eintragung des Vereins<br />
„Volksmission entschiedener Christen“ war <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> Vorstandsvorsitzender<br />
und <strong>Karl</strong> Fix dessen Stellvertreter geworden. Paula<br />
Gassner gab den Namen „Internationale Volksmission“ und <strong>Karl</strong><br />
Fix den Namen „Deutsche Volksmission“ auf. Die Geschäftsstelle<br />
lag in Stuttgart-Uhlbach, Uhlbacherstraße 203 im Hause Ortlieb,<br />
wohin Geschwister Siering zogen.<br />
Die „Troika“ – <strong>Karl</strong> Fix, Paula Gassner, <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> – arbeitete<br />
erfolgreich zusammen, was bei den unterschiedlichen und starken<br />
Persönlichkeiten nicht immer leicht ging. <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> glich auch hier<br />
aus, bis die schmerzliche Trennung unaufhaltbar wurde. Paula<br />
Gassner gründete die „Biblische Glaubensgemeinde“. In die entstandene<br />
Lücke stellte sich im gleichen Jahr 1951 Oskar Siering,<br />
der es verstand, sich in der neuen „Troika“ gut einzuordnen.<br />
6. Vorbild und Vollmacht<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> besaß eine ausgeprägte Gabe der Geisterunterscheidung.<br />
Oft sagte er den Leuten ihr Fehlverhalten auf den Kopf zu.<br />
Dadurch war er in der Lage, eine gute seelsorgerliche Arbeit zu<br />
leisten. In seiner Predigt hielt er plötzlich inne, blickte in eine<br />
Richtung und sagte dahin zeigend: „Hier ist jemand, der Streit<br />
mit seinem Nachbarn hat. Versöhne dich mit ihm!“ Obwohl er<br />
davon keine Ahnung hatte, bekam er vom Geiste Gottes derartige<br />
Einblicke geschenkt. Es stimmte genau, weshalb manche meinten,<br />
man habe ihn vorher informiert.<br />
Bruder <strong>Keck</strong> hatte gute Fähigkeiten zu evangelisieren, ohne<br />
ein ausgesprochener Evangelist zu sein. In einem Dorf sprach er<br />
eine Woche lang im Saal der Gaststätte. Es gab noch keine Gemeinde<br />
im Ort. Im Saal drängten sich etwa 200 Personen. <strong>Karl</strong><br />
<strong>Keck</strong> kam richtig „in Fahrt“, zeigte das laue Christentum auf und<br />
95
nannte viele vorhandene Sünden beim Namen. Am Wochenende<br />
gab es einen Durchbruch. Leute drängten sich nach vorn und<br />
taten weinend Buße. Es waren wenige, denen nicht Tränen über<br />
die Wangen liefen. Der Schmied bat die Anwesenden um Verzeihung,<br />
weil er zu hohe Rechnungsbeträge gefordert hatte. Ergreifend!<br />
Es war Freude im Himmel.<br />
An einem Ort fand nachts eine Gebetsgemeinschaft statt.<br />
Bruder <strong>Keck</strong> gab die Anweisung, kurz und lieber mehrmals zu<br />
beten, weil lange Gebete die Zuhörenden ermüden. Um 24 Uhr<br />
gab es ein großes Spektakel. Alle Kühe im Stall tobten. Die Bauersleute<br />
rannten zum Stall. Aber Bruder <strong>Keck</strong> erkannte die Situation,<br />
gebot dem Feind – und augenblicklich war er still.<br />
In Echterdingen evangelisierte Bruder <strong>Keck</strong>. Der Chorleiter<br />
reiste mit der Straßen- und Filderbahn an. Wo er einstieg, stieg<br />
seine spätere Frau aus. Sie wusste noch nichts von seiner Zuneigung.<br />
Doch er war über die kurze, unerwartete Begegnung hoch<br />
erfreut und betrat in dieser Freude die Stube, in der Bruder <strong>Keck</strong><br />
saß. Da sieht er den jungen Mann an und sagt laut: „Nur nicht<br />
immer ans Heiraten denken! Jetzt wird erst für den Herrn gearbeitet!“<br />
Der Chorleiter antwortetete: „Aber Bruder <strong>Keck</strong>, jetzt<br />
sagen wir erst ‚guten Abend’.“ Jener lachte sofort und begrüßte<br />
ihn väterlich. Der junge Bruder praktizierte den Rat, dass der<br />
Herr und sein Werk Vorrang haben – und wurde sehr glücklich.<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> machte jungen Männern Mut, für die passende<br />
Frau im Leben zu beten. Erst kürzlich bei einem Treffen überlegten<br />
wir und kamen zu dem Ergebnis: Es war uns keine der damals<br />
geschlossenen vielen Ehen innerhalb der Volksmission bekannt,<br />
die gescheitert wäre. Zahlreiche Kinder dieser Ehen führen heute<br />
des Herrn Werk im In- und Ausland fort. Eine Frucht der Väter<br />
in Christo, die Gottes Wort lebten. Zu ihnen gehörte <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong>.<br />
Gemeindebau, Hauskreise, Bibelwochen, Evangelisationen –<br />
waren immer Bruder <strong>Keck</strong>s Themen. So prägte er auch die jüngeren<br />
Brüder. Er appellierte zugleich an die Treue und Hingabe<br />
der nächsten Generation: „Denn in wenigen Jahren tragt ihr die<br />
Verantwortung!“<br />
6. Unter jungen Leuten<br />
fühlte sich Bruder <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> wohl. Er war ein Vater in Christo<br />
für Jung und Alt und besaß ein Herz für junge Brüder. Er förder-<br />
96
te sie ohne sie zu verwöhnen. Reisen mit ihm waren eine praktische<br />
Bibelschule; lehrreich, abhärtend, Mut machend. Es konnte<br />
vorkommen, dass er seine Predigt abbrach und zu dem jungen Begleiter<br />
sagte: „Jetzt machst du weiter!“<br />
Gern ließ er sich sogar von jungen Brüdern etwas sagen.<br />
Plötzlich fragte er einen: „Was machst du, wenn wir beide Streit<br />
bekommen?“ Der „Geprüfte“ überlegte kurz und antwortete: „Das<br />
stelle ich mir so vor: Du bist der Gescheitere und der Gescheitere<br />
gibt nach.“ – Eine Antwort, wie sie Bruder <strong>Keck</strong> liebte.<br />
Albert Bühler und Dieter zum Felde kamen durch ihn in den<br />
Predigtdienst. Hans Kirschner sen., Gottlob Ling, Ernst Göhner<br />
und Heinz Battermann verdanken es ihm, dass sie als die ersten<br />
Brüder der Volksmission auf die Bibelschule gehen konnten.<br />
Die jungen Leute beteiligte Bruder <strong>Keck</strong> gern am Gottesdienst.<br />
Er ließ den Chor mehrmals singen und die Jugend die<br />
Einzelgebete übernehmen. In manchen Versammlungen erbat er<br />
Zeugnisse. Es kam vor, dass jemand im Eifer zu lange sprach, was<br />
Bruder <strong>Keck</strong> von seinem Platz aus mit einem merklichen Ziehen<br />
am Jackett des Betreffenden beendete. Wenn derjenige trotzdem<br />
weitermachte, folgte ein doppeltes, stärkeres Ziehen, was bestimmt<br />
zum Schluss führte. Der Vorteil dieser Taktik: Die Versammlung<br />
merkte nichts von den Signalen und erfuhr mehr Würze,<br />
die in der Kürze liegt.<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> und seine „Jungs“<br />
97
Bruder <strong>Keck</strong> drängte es, an Orten im Umkreis einer Gemeinde<br />
Versammlungen oder Evangelisationen zu halten. Er suchte dafür<br />
Helfer. Wenn die jungen Männer zögerten, erfolgten Sprüche, von<br />
denen Bruder <strong>Keck</strong> oft Gebrauch machte: „Dann liegst halt ins<br />
Bett.“ Oder: „Lass dich in einen Glasschrank einschließen.“ Es<br />
zeigte sich immer wieder: Er war humorvoll, direkt, treffend, ernst<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> und Chor<br />
1955 Jugendtreffen in Schorndorf, in der Mitte <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong><br />
98
und streng in seinen Äußerungen, sowohl im persönlichen Umgang,<br />
als auch in den Versammlungen.<br />
Mancher Ausspruch ist den damals jungen Leuten heute<br />
noch in Erinnerung:<br />
„Der Geiz gibt nichts und der Hochmut nimmt nichts.“<br />
„Der Schwatzgeist vertreibt den Heiligen Geist.“<br />
„Manche tragen einen siebenfachen Gerechtigkeitskittel.“<br />
„Loben und Danken vertreibt den Teufel.“<br />
„Gestern ist vorbei, heute hilft der Herr und morgen ist<br />
noch nicht da.“<br />
Bei seinen vielen Reisen ergab sich für Bruder <strong>Keck</strong> ab und zu<br />
eine Mitfahrgelegenheit. Da scheute er sich nicht, bei einem jungen<br />
Bruder auf das Motorrad zu sitzen. Einmal war er unterwegs<br />
mit einem jungen Mann, der einen kleinen Lastwagen fuhr. Da<br />
gab es eine Reifenpanne. Während des Radwechsels sagte Bruder<br />
<strong>Keck</strong> mehrmals im Blick auf den Zeitverlust, die Mühe und die<br />
schmutzigen Hände: „Das Autofahren hat auch seine Vor- und<br />
Nachteile!“<br />
Als junger Praktikant besaß Gottlob Ling als erster ein Auto.<br />
Er war damit mehr Chauffeur von Bruder <strong>Keck</strong> als Praktikant<br />
einer Gemeinde. Doch diese Zeit kam Bruder Ling in seiner weiteren<br />
Laufbahn sehr zugut.<br />
Anfang der fünfziger Jahre fuhren zwei junge Brüder per<br />
Fahrrad nach Unteriflingen. Bruder <strong>Keck</strong> sollte dort sein. Sie fanden<br />
ihn aber nicht. Am Ortsende begegnete ihnen ein Ochsengespann,<br />
das Mist transportierte. Sie wollten den Kutscher, der<br />
auf dem Bock saß, nach <strong>Karl</strong> <strong>Keck</strong> fragen, als jener das unverkennbare<br />
herzliche Lächeln zeigte. Es war tatsächlich der Gesuchte,<br />
den sie unrasiert und in der Arbeitskleidung mit dem<br />
alten Hut nicht erkannt hatten. Sofort ließ er das Gespann zum<br />
Anwesen seiner Schwester Barbara fahren und sagte: „Ihr seid<br />
sicher hungrig, kommt herein zum Vesper.“ Er bewirtete mit<br />
Brot, Rauchfleisch und Milch. Dazu gab es an jenem Morgen<br />
eine kostbare Gemeinschaft. Das war Bruder <strong>Keck</strong> unter jungen<br />
Leuten. Wir waren ihm so wichtig, dass er seine Dinge zurückstellte.<br />
99
7. Abschied und Nachruf<br />
Kurz vor seinem Schlaganfall besuchte Bruder <strong>Keck</strong> eine Gemeinde<br />
und wünschte sich dort das Lied:<br />
„Wenn wir vollendet am Throne Gottes steh’n,<br />
alle gewaschen in Jesu Blut uns seh’n,<br />
alle gekleidet in Seide, weiß und rein;<br />
o, wie wird uns dann sein!<br />
Herrlich verklärt, halleluja, auf ewig daheim.“<br />
Bald darauf hielt er im März 1957 eine Evangelisation in Tailfingen-Truchtelfingen,<br />
heute ein Stadtteil von Albstadt. Am<br />
13.03.1957, dem letzten Tag seines Dienstes, ereilte ihn am Schluss<br />
der Verkündigung ein Schlaganfall. Er war bewusstlos und kam<br />
ins Krankenhaus. Die Brüder Reinhard Beck und Walter Leibfritz<br />
nahmen sich seiner an. Nach einigen Tagen wurde er in das Kreiskrankenhaus<br />
Freudenstadt verlegt. Bruder <strong>Keck</strong> war bei sich und<br />
konnte wieder etwas sprechen, sollte sich aber nicht mehr erholen.<br />
Am 21. März 1957 war er um 17.00 Uhr auf ewig daheim.<br />
Der für den Herrn Jesus ständig Reisende hatte das Ziel erreicht.<br />
Am 24. März 1957 traf sich eine große Trauergemeinde in<br />
dem lieblichen Schwarzwaldort Unteriflingen. Die Straße hinunter<br />
stand Autobus an Autobus, fünf allein von Stuttgart.<br />
Bruder <strong>Karl</strong> Fix hielt die Predigt am offenen Grab und sagte<br />
u.a.:<br />
„Genau vier Wochen vor seinem Heimgang war Bruder <strong>Karl</strong><br />
<strong>Keck</strong> mit der Leitende und Redende, als wir das Richtfest unseres<br />
werdenden Missionsheims in Stuttgart-Zuffenhausen feierten.<br />
Und nun, da er abberufen ist, ist es mir, als wollte er sagen: Der<br />
Rohbau ist nun fertig. Da habe ich als erster mitgetragen, mitgebetet,<br />
mitgezogen. Und jetzt, liebe Brüder und Schwestern, seht<br />
zu, wie ihr weiterbaut. Seht zu, dass ihr das Werk Gottes vollendet,<br />
das wir in aller Schwachheit beginnen und fördern durften.“<br />
<strong>Karl</strong> Fix beschloss seinen Nachruf: „So ist uns dieser Heimgang<br />
eine Mahnung zum Weiterwirken. Lasst uns auch Frucht<br />
bringen für die Ewigkeit. Es wird gesät in Schwachheit, mit vielen<br />
Fehlern und vielen Mängeln, aber es wird auferstehen in<br />
Kraft und Herrlichkeit, so wahr unser Herr Jesus lebt!“<br />
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