1. Einleitung Die Gesamtheit der Wörter einer ... - Das slavische Verb

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12 Volkmar Lehmann: Linguistik des Russischen ‚die Zähne fletschen’, oder�at´ pobedu ‘Sieg erringen’, potupit´ golovu ‘(beschämt) den Kopf senken’. Während hier jeweils das Substantiv in seiner freien (nicht phraseologisch gebundenen) Bedeutung auftritt und also teilweise motiviert ist (�anskij: frazeologíçeskoe soçetánie / Phraseologische Fügung), wäre als Spezialfall (a’) anzusetzen, dass ein Phraseologismus überhaupt nicht synchron motiviert ist, wie bit´ baklu‚i, ‘faulenzen’, auch wenn darin bekannte Wörter wie hier bit’ vorkommen, dies jedoch in einer unbekannten (nicht freien) Bedeutung; vgl. auch neroven ças (on zametit qto) ‘plötzlich’; sem´ pätnic na nedele (u nego) ‘er wirft ständig seine Entscheidungen um‘ (�anskij:: frazeologíçeskoe srawénie / phraseologische Verflechtungen); (b) dass eine B e d e u t u n g eines Wortes nur in einer bestimmten Verbindung mit anderen Wörtern (in Ausweitung der Definition: oder nur in einer bestimmten Verbindung mit anderen Begriffen) vorkommt, z.B. tresku�ij moroz ‚klirrender Frost’, v mgnovenie oka ‘Lidschlag‘, krylo doma ‚Flügel des Hauses’ („gebundene / idiomatische Bedeutung“ im Gegensatz zur „freien Bedeutung“); (c) dass für etwas Gemeintes eine bestimmte Ausdrucksform (als Standardform) bereitsteht (onomasiologisch gebundene / parametrische Ausdrucksform). Hierzu gibt es ein Kontinuum von vollständig transparenten bis kaum transparenten Phraseologismen: socialistiçeskoe sorevnovanie ‚sozialistischer Wettbewerb’; trudovye uspexi ‘Arbeitserfolge’; vys‚ee uçebnoe zavedenie ‚Hochschule’; Lübvi vse vozrasty pokorny ‚Der Liebe ist jedes Alter zu Diensten’ zakinut´ udoçku ‚die Angel auswerfen’ (wörtlich und übertragen), ‚seine Fühler ausstrecken’, Ne vse to zoloto, çto blestit ‚Es ist nicht alles Gold was glänzt’ pervyj blin komom (kom ’Klumpen’) ‚Der erste Versuch geht gern mal daneben’ namylit´ golovu ‘den Kopf waschen, gehörig kritisieren’ brat´ sebä v ruki ‚sich zusammennehmen, -reißen’ iz pal´ca vysosat´ ‚sich aus den Fingern saugen, sich ausdenken’ Der zweite Beispielblock enthält Übertragungen, der erste nicht, das mittlere Beispiel kann wörtlich und übertragen verwendet werden. Die Bedeutung des Phraseologismus ist in allen Beispielfällen vollständig motivierbar. Der phraseologische Charakter besteht hier darin, dass nur diese und keine andere Ausdrucksweise für den Fügungs- oder Satzbegriff verwendet wird. Die Beispiele des 1. Blocks sind kompositional, jedoch nur im Hinblick auf die Analyse, d.h. es besteht nur eine semasiologische Kompositionalität. Im Hinblick auf die Produktion, onomasiologisch gesehen, besteht die Nichtkompositionalität darin, dass genau die Formulierung des Phraseologismus für den Fügungs- bzw. Satzbegriff zu wählen ist.
8. Lexikologie und Lexikographie (1. Teil) 13 Die Klassifizierung ist nicht immer eindeutig. Im folgenden Beispiel könnte sie Schwierigkeiten machen, es befindet sich im Übergang von Typ (c) zum nicht motivierbaren Typ (a’): polo�it´ zuby na polku ‘hungern, elend sein, (wörtlich) die Zähne aufs Regal legen‘ In der westlichen Fremdsprachenvermittlung wird im Zusammenhang mit den Beschränkungen, die für die lexikalischen Verbindungsmöglichkeiten zwischen Wörtern einer Fügung gelten, der Ausdruck Kollokation verwendet. Kollokationen umfassen neben phraseologischen Fügungen vom Typ (c) vor allem Beschränkungen der Verbindbarkeit von Wörtern mit anderen Wörtern. Im Russischen sind zum Beispiel folgende Kollokationen vorgegeben: inozemnye obyçai/nravy ‘Gebräuche/Sitten anderer Völker’ zagraniçnye tovary ‘ausländische Waren’ inostrannye äzyki ‘Fremdsprachen’ Zagraniçnyj pasport ist ein Pass für das Ausland, inostrannyj pasport ein ausländischer Pass. Weitere Beispiele im Anhang unter A1.1.2.Z 6. Lexikalische Felder Im Strukturalismus, z.B. von de Saussure, wurde behauptet, dass sprachliche Zeichen nicht absolut, sondern durch ihren “Wert” bestimmt sind, d.h. dadurch, dass sie als Elemente eines Systems eine bestimmte Position in Relation zu den anderen Elementen dieses Systems haben. Ein Beispiel für ein solches System bzw. für einen Systemausschnitt aus dem Wortschatz sind die Notenskalen für Schülerleistungen. So sagt, absolut genommen, çetvörka noch nichts über den Leistungsstand aus, ebenso wenig wie unsere Note “Vier”. Erst wenn man den “Bedeutungswert” kennt, d.h. das Gesamtsystem und die relative Stellung von “Vier” zu den anderen Noten der Skala, bekommt man ein Bild von dem dadurch bezeichneten Leistungsstand. In Russland enthält die Notenskala fünf Einheiten, in der Zählung ausgehend von “Fünf” (otli�no) zur “Eins” (o�en’ plocho). Je nach Skalaeinteilung des Notensystems, ob es sechs Einheiten enthält, wie bei uns, oder zwanzig, wie in Frankreich, hat ein Ausdruck für eine Note also verschiedene Bedeutung. Das gilt analog auch für die Bezeichnung der Leistung durch Adverbien wie choro�o, befriedigend usw. Ähnlich, wenn auch insgesamt komplizierter, verhält es sich mit den Bezeichnungen von Farben. Bekanntlich ist das Spektrum des Sonnenlichts ein Kontinuum, so dass es keine physikalischen Kriterien für das gibt, was man noch als blau oder schon als grün bezeichnen soll. Allerdings gibt es physiologische Ursachen dafür, dass fast alle Sprachen sehr wohl einen Unterschied z.B. zwischen Blau und Grün machen. Das Russische freilich hat da, wo wir nur von blau und grün sprechen, die drei Bezeichnungen sinij – goluboj – zelenyj. Beiden Wortparadigmen liegt ein und desselben physikalische Farbenspektrum zu Grunde. Es geht bei sinij – goluboj nicht um einen Unterschied zwischen einem ‘Dunkelblau’ und ‘Hellblau’, also um den
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