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Gewalt, Normen und Gegengewalt ... - Friedrich Kümmel

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selbst noch um den Preis der Selbstdestruktivität ihre Schwäche hervorkehrt, nur um<br />

nicht zurückschlagen <strong>und</strong> schuldig werden zu müssen. Im Unterschied dazu meint Jesus<br />

einen Menschen, der sich aus innerer Stärke heraus eine widerstandslose Position<br />

erlauben <strong>und</strong> durch Unerreichbarkeit den Gegner überwinden kann.<br />

Das entsprechende Ideal des <strong>Gewalt</strong>täters, wenn man es hinzukonstruieren wollte, wäre<br />

der Unsterbliche oder der unsterblich Gewordene, der durch das wiederholte Getötetwerden<br />

über die eigene Körperbedingung hinausgewachsen ist bzw. sie zu beherrschen<br />

gelernt hat. In negativer Utopie wäre es der Zombi, der zwar töten, aber selber<br />

nicht mehr getötet werden könnte.<br />

In der Version des Guten wie in der des Bösen wird der Versuch gemacht, die Kette<br />

der <strong>Gewalt</strong> in ihrem Zurückschlagen auf sich selber zu durchbrechen, indem man sich<br />

für den Gegenschlag unerreichbar macht. Bleibt man also beim Getrennthalten von<br />

Gut <strong>und</strong> Böse, mit dem die Konsequenz der <strong>Gewalt</strong> wie der Moral ausgelöst wird, so<br />

kann es für den Guten wie für den Bösen in der Tat nur ein mögliches Ziel geben,<br />

nämlich einen Zustand zu erreichen, in dem die <strong>Gewalt</strong> nicht mehr zurückschlagen<br />

<strong>und</strong> den Täter töten kann.<br />

Vorderhand bleibt es aber dabei, daß <strong>Gewalt</strong> nach beiden Seiten hin tötet <strong>und</strong>, was den<br />

physischen Tod anbelangt, auch erfolgreich ist. In subtilerer Weise gilt dies auch für<br />

die Moral. Das Spiel muß also weitergehen, gleich ob es von Moralvorstellungen geleitet<br />

oder von seiten bestehender <strong>Gewalt</strong>neigungen weitergeführt wird.<br />

14. Wenn ein Erfolg des <strong>Gewalt</strong>handelns angesichts des Todes nicht widerlegt<br />

werden kann, vermag nur eine prinzipielle Einsicht ihr Ende herbeizuführen<br />

Eine Konsequenz dieser Überlegungen ist, daß ein Ende der <strong>Gewalt</strong> weder durch diese<br />

selbst noch durch eine ihr entgegengestellte Moral herbeigeführt werden kann, nicht<br />

einmal unter Zuhilfenahme von Projektionen eigener [97/98] Unsterblichkeit. Ein<br />

mögliches Ende der <strong>Gewalt</strong> zu denken verlangt die andere Einsicht, der gemäß beide<br />

Seiten ihre innere Zusammengehörigkeit zeigen <strong>und</strong> das <strong>Gewalt</strong>-Tun wie das komplementäre<br />

<strong>Gewalt</strong>-Erleiden als gleichermaßen selbstfrustrierendes Tun durchschaut<br />

wird. Anders gesagt ist ein Ende der <strong>Gewalt</strong> nur abzusehen, wenn eingestanden wird,<br />

daß diese letztlich immer nur sich selber trifft <strong>und</strong> dem Leben gegenüber ohnmächtig<br />

bleibt.<br />

Der <strong>Gewalt</strong> liegt so kein Wahrheitserweis, sondern immer nur der Gedanke der <strong>Gewalt</strong><br />

zugr<strong>und</strong>e, der sie als eine erfolgreiche Strategie erscheinen läßt. Dasselbe gilt vom<br />

Gedanken der Moral, in dem diese sich als eine die <strong>Gewalt</strong> überwindende Instanz<br />

wähnt, ohne den Beweis dafür antreten zu können. Beide Gedanken haben mit dem,<br />

was ist, nur sehr wenig zu tun <strong>und</strong> können in Wirklichkeit ihre eigene Ohnmacht nur<br />

mühsam verbergen. Die beide Unternehmungen tragenden Glaubenssätze lassen sich<br />

dann aber nur ersetzen durch einen neuen Gedanken, der die logischen Eigenschaften<br />

der <strong>Gewalt</strong> wie der Moral besser durchschaut <strong>und</strong> in beiden dieselbe Vorstellung des<br />

Mächtig-Seins erkennt. Die zentrale Einsicht geht somit dahin, daß die nach wie vor<br />

gegebene Macht der <strong>Gewalt</strong> wie der Moral mit einer letztlichen Ohnmacht dem Leben<br />

gegenüber verb<strong>und</strong>en ist.

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