des Vereins - Frauenhaus Oberursel
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Tätigkeitsbericht 2007<br />
<strong>des</strong> <strong>Vereins</strong><br />
„Frauen helfen Frauen e.V.“<br />
Hochtaunuskreis
Der Verein Frauen helfen Frauen wurde 1980 gegründet. Er ist Träger <strong>des</strong><br />
autonomen <strong>Frauenhaus</strong>es, das nun seit 23 Jahren besteht, und der Beratungsstelle<br />
in <strong>Oberursel</strong>, die seit 18 Jahren als einzige frauenspezifische Beratungsstelle und als<br />
Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt im Hochtaunuskreis existiert.<br />
Verein Frauen helfen Frauen e.V. Hochtaunuskreis<br />
Postfach 1667<br />
61406 <strong>Oberursel</strong><br />
www.frauenhaus-oberursel.de<br />
<strong>Frauenhaus</strong> Telefon 06171 – 5 16 00 Notruf<br />
Telefon 06171 – 58 08 04 Büro<br />
Fax 06171 – 50 35 37<br />
fh@frauenhaus-oberursel.de<br />
Beratungsstelle Telefon 06171 – 5 17 68<br />
Fax 06171 – 58 79 09<br />
Am Marktplatz 10<br />
61440 <strong>Oberursel</strong><br />
beratungsstelle@frauenhaus-oberursel.de<br />
Spendenkonten Taunus-Sparkasse (BLZ 512 500 00) Konto 7 099 215<br />
Postbank Frankfurt (BLZ 500 100 60) Konto 151 690 607<br />
2
Inhalt<br />
Auf ein Wort (Einleitung) 4<br />
1. Das <strong>Frauenhaus</strong> 6<br />
Statistik 6<br />
Notrufe 9<br />
Die Arbeit im Kinderbereich 10<br />
Aus dem Hauswirtschaftsbereich 12<br />
2. Die Beratungsstelle 13<br />
Statistik 14<br />
Problemfelder 14<br />
Interventionsstelle 15<br />
„Die gehen ja doch zurück“ 16<br />
Fortbildung und Vernetzungen 19<br />
3. Öffentlichkeitsarbeit und Kooperationen 20<br />
Fachtagung zum Umgangsrecht 21<br />
Ausstellung „Opfer“ 22<br />
Standpunkte-Aktion 23<br />
Workshop 24<br />
Ein deutsch-italienischer Praxisvergleich 25<br />
Infostände 26<br />
4. Zeit, Geld und Räume 27<br />
Projekt Neues <strong>Frauenhaus</strong> 27<br />
Die personelle Situation 30<br />
Praktikantinnen 30<br />
Die finanzielle Situation 31<br />
Spenden 32<br />
Dankeschön 34<br />
3
Auf ein Wort<br />
Mutmaßungen über das Moselvirus<br />
Cochem? – Cochem an der Mosel kennt jeder. Ein idyllisches Kreisstädtchen mit<br />
gerade mal knapp 7.000 EinwohnerInnen. Und doch ist dieses Städtchen dabei, ein<br />
Stück deutsche Rechtsgeschichte zu schreiben.<br />
Im Jahr 1992 kam der Familienrichter <strong>des</strong> Amtsgerichtes Cochem, <strong>des</strong>sen<br />
Zuständigkeitsbereich den Landkreis Cochem-Zell mit 65.700 EinwohnerInnen<br />
umfasst, auf die Idee, das Familienrecht umzugestalten, und im Laufe der Zeit<br />
entstand das, was heute das „Cochemer Modell“ genannt wird.<br />
Die Grundgedanken waren eine schnelle Terminierung in Scheidungsfällen, eine<br />
frühzeitige Konfliktlösung und möglichst keine gerichtlichen Entscheidungen, sondern<br />
freiwillige Vereinbarungen im Hinblick auf das Sorgerecht und den Umgang mit den<br />
Kindern. Allerdings ist die Freiwilligkeit nicht immer ganz so freiwillig, notfalls wird mit<br />
etwas Zwang „nachgeholfen“, und dies auch in hochstreitigen Fällen und auch dann,<br />
wenn häusliche Gewalt zur Trennung geführt hat.<br />
„Zur Veranschaulichung wird in Publikationen immer wieder darauf hingewiesen,<br />
dass im Amtsgerichtsbezirk Cochem-Zell zwischen 1998 und 2003 die Quote <strong>des</strong><br />
gemeinsamen Sorgerechts bei nahezu 100% lag und zwischen 1996 und 1999 keine<br />
streitigen Entscheidungen im Sorge- und Umgangsrecht ergingen. Neuere Zahlen<br />
liegen nicht vor.“ (Tanja Fauth-Engel, Juni 2007)<br />
Grundsätzlich ist nichts gegen eine schnelle Terminierung und gegen eine gütliche<br />
Einigung einzuwenden, allerdings nicht, wenn Gewalt im Spiel ist. Aber das scheint<br />
in Cochem auch nicht der Fall gewesen zu sein. Jedenfalls wurde häusliche Gewalt<br />
in Cochem-Zell in der bisherigen zehnjährigen Praxis nicht thematisiert, so dass der<br />
Eindruck entsteht, dass dieses Problem in der Cochemer Idylle überhaupt nicht<br />
existiert.<br />
Es erhebt sich die Frage, ob im Moselwasser ein besonderes Virus schwimmt, das<br />
Cochems Männer friedfertiger macht als anderswo und das als eine Art Heilwasser<br />
ex-portiert werden könnte.<br />
Jedenfalls gibt es keinerlei Evaluation <strong>des</strong> Cochemer Modells und keine empirischen<br />
Erkenntnisse. Trotzdem wurden wesentliche Elemente dieses Modells in den<br />
Gesetzesentwurf zur Reform <strong>des</strong> Verfahrens in Familiensachen und in<br />
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) übernommen.<br />
Zwar wird in dem Entwurf der Problematik der häuslichen Gewalt an einigen Stellen<br />
deutlich Rechnung getragen, es wurden aber keine expliziten gesetzlichen<br />
Regelungen dazu formuliert. So gibt es in der Rechtspraxis erhebliche Spielräume<br />
und es wird in Zukunft stark darauf ankommen, welches Wissen das zuständige<br />
Gericht über die Thematik hat und wie ausgeprägt das Problembewusstsein der<br />
einzelnen Verfahrensbeteiligten ist.<br />
4
Als besonders problematisch betrachten wir die kurzfristige Terminierung.<br />
Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass Verfahren im Kindschaftsrecht vorrangig und<br />
beschleunigt durchgeführt werden. Allerdings ist es bei komplexen<br />
Gefährdungslagen, insbesondere in hochstreitigen Fällen und bei häuslicher Gewalt,<br />
nicht möglich, innerhalb eines Monats eine Diagnose zu stellen und zu sinnvollen<br />
Lösungen zu kommen.<br />
Frauen, die möglicherweise traumatisiert sind oder deren Selbstbewusstsein durch<br />
lang andauernde Misshandlungserfahrung zerstört ist, kann nicht zugemutet werden,<br />
schon nach sehr kurzer Zeit (höchstens vier Wochen) ihrem Mißhandler auf<br />
Augenhöhe gegenüberzutreten und einvernehmliche Lösungen zu erarbeiten.<br />
Verantwortliches elterliches Handeln ist vor dem Hintergrund häuslicher Gewalt sehr<br />
zweifelhaft. Die Täter leugnen oder bagatellisieren in der Regel ihre Gewalttätigkeit<br />
und Frauen oder auch Kinder benötigen eine längere Zeit, um detailliert über<br />
Misshandlungen berichten zu können. Sie brauchen erst einmal Zeit, um zur Ruhe zu<br />
kommen und um das Erlebte verarbeiten zu können.<br />
Es ist bekannt, dass die Gefahr der erneuten schweren Misshandlung oder auch die<br />
Gefahr getötet zu werden während der Trennungsphase am größten ist. Das<br />
Zusammentreffen bei Besuchsübergaben <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> ist oftmals gefährlich und kann<br />
retraumatisierend auf Mutter und Kind wirken. Um wenigstens ansatzweise Schutz<br />
zu gewährleisten, müssen Gewaltschutzsachen bei Gericht unbedingt vorrangig vor<br />
Kindschaftssachen verhandelt werden.<br />
Bevor Elemente <strong>des</strong> Cochemer Modells gesetzlich implementiert werden, ist eine<br />
sorgfältige und fundierte empirische Evaluation notwendig. Dem Ergebnis dieser<br />
Evaluation sowie dem Ergebnis einer chemischen Analyse <strong>des</strong> Moselwassers sehen<br />
wir mit Spannung entgegen.<br />
Die Mitarbeiterinnen <strong>des</strong> <strong>Vereins</strong> Frauen helfen Frauen e.V. Hochtaunuskreis<br />
<strong>Oberursel</strong>, im April 2008<br />
5
1. Das <strong>Frauenhaus</strong><br />
Den fachlichen Standards der Arbeit in unserem <strong>Frauenhaus</strong> liegt ein Menschenbild<br />
zugrunde, das Frauen sowohl als Akteurinnen ihres Lebens begreift mit Ressourcen<br />
und Kompetenzen als auch als Opfer von Gewalt. Nach den Prinzipien <strong>des</strong><br />
Empowerments und der Ressourcenorientierung bedeutet dies, mit den Stärken der<br />
Frauen zu arbeiten und Beeinträchtigungen zu integrieren.<br />
Unser Auftrag besteht darin, anonyme Wohnmöglichkeiten sowie Schutz,<br />
psychosoziale Beratung und Begleitung für Frauen mit und ohne Kinder zur<br />
Verfügung zu stellen, die aus der häuslichen Gewaltsituation fliehen mussten.<br />
Vorrang haben Einwohnerinnen <strong>des</strong> Hochtaunuskreises.<br />
Die Mitarbeiterinnen <strong>des</strong> <strong>Frauenhaus</strong>es arbeiten nach dem Frauenbezugsystem.<br />
Dies bedeutet, dass eine Mitarbeiterin eine Frau während ihres gesamten<br />
Aufenthaltes im <strong>Frauenhaus</strong> begleitet.<br />
Eine neu angekommene Bewohnerin wird im <strong>Frauenhaus</strong> erst einmal grundlegend<br />
versorgt und eingeführt. Dazu gehört, dass sie mit dem Haus, ihrem Zimmer und den<br />
Bewohnerinnen bekannt gemacht wird und, sofern sie nichts von zu Hause<br />
mitnehmen konnte, mit Lebensmitteln, Toilettenartikeln sowie Bettwäsche und<br />
Handtüchern versorgt wird. Darüber hinaus wird sie, wenn nötig, zur ärztlichen<br />
Versorgung gebracht und erhält das Angebot, in einem ersten<br />
Kriseninterventionsgespräch sich der Mitarbeiterin anzuvertrauen.<br />
Für die weitere Unterstützung und Betreuung der Frauen ist es wichtig, eine<br />
Vertrauensbeziehung aufzubauen und Kontinuität zu gewährleisten, um eine Ebene<br />
zu schaffen, auf der sie über Gewalterfahrungen sprechen und die weiteren für sie<br />
notwendigen Schritte planen können.<br />
In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung praktischer Hilfe ständig<br />
zugenommen. Die Frauen erhalten zum Beispiel konkrete Unterstützung beim<br />
Formulieren und Ausfüllen von Anträgen und Briefen, Hilfe bei der Beschaffung von<br />
Kleidung, bei der Arbeitssuche oder Vermittlung von Kontakten zu anderen<br />
Institutionen und Fachkräften (Therapeutinnen, Ärztinnen, Schuldnerberatung usw.).<br />
Insbesondere bei Frauen, die nicht gut Deutsch können, ist dies alles sehr zeit- und<br />
organisationsaufwändig. Der Betreuungsaufwand variiert mit jedem Einzelschicksal.<br />
In jedem Fall gilt der Grundsatz „so viel Hilfe wie nötig, so viel Selbstständigkeit wie<br />
möglich“.<br />
Statistik<br />
Die Belegung im Jahr 2007 betrug etwa 70 %. Aufgrund der Platzsituation in<br />
unserem Haus lassen wir bei familienorientierter Belegung auch Betten frei, um den<br />
Frauen und Kindern ein wenig mehr Privatsphäre zu verschaffen. Das heißt, wenn<br />
eine Frau mit zwei Kindern ein Vierbettzimmer bewohnt, wird das vierte Bett nicht mit<br />
einer alleinstehenden Frau belegt.<br />
6
Im Jahr 2007 konnten wir 73 Frauen und 56 Kindern Schutz und Unterkunft zur<br />
Verfügung stellen. Davon kamen 31 Frauen aus dem Hochtaunuskreis.<br />
Herkunft der Frauen<br />
übriges Hessen<br />
21%<br />
anderes<br />
Bun<strong>des</strong>land<br />
15%<br />
Frankfurt<br />
16%<br />
7<br />
Maintaunuskreis<br />
4%<br />
Hochtaunuskreis<br />
44%<br />
Mehr als die Hälfte der Frauen mussten vor dem Ehemann und Vater ihrer Kinder<br />
fliehen.<br />
Misshandler<br />
Ex-Ehemann<br />
8%<br />
Lebensgefährte<br />
23%<br />
männlicher<br />
Haushaltsangehöriger<br />
7%<br />
sonstige Person<br />
3%<br />
Ehemann<br />
59%
17 Frauen haben sich endgültig von ihrem Misshandler getrennt, und sind nach<br />
ihrem Aufenthalt im <strong>Frauenhaus</strong> in eine eigene Wohnung gezogen.<br />
Auszug<br />
sonstiges<br />
9%<br />
unbekannt<br />
17%<br />
anderes<br />
<strong>Frauenhaus</strong><br />
11%<br />
Verwandte<br />
Freunde<br />
19%<br />
8<br />
neue eigene<br />
Wohnung<br />
21%<br />
zugewiesene<br />
Ehewohnung<br />
6%<br />
Rückkehr zum<br />
Misshandler<br />
17%<br />
Fast die Hälfte der Frauen sind nur einige Tage geblieben, um sich zu orientieren, in<br />
ein anderes <strong>Frauenhaus</strong> zu wechseln oder zur Familie oder zu Freuden zu gehen.<br />
Die Frauen, die in eine eigene Wohnung gezogen sind, waren in der Regel zwischen<br />
vier und acht Monaten bei uns im Haus. Alleinstehende Frauen, die auf eine<br />
Sozialwohnung warten, sind inzwischen gezwungen, fast ein Jahr bei uns zu bleiben.<br />
Aufenthaltsdauer<br />
1-3 Monate<br />
19%<br />
6-12 Monate<br />
3-6 Monate 2%<br />
11%<br />
1 Woche bis<br />
ein Monat<br />
17%<br />
länger als 12 Mon.<br />
2%<br />
bis 1 Woche<br />
49%
Ein Drittel der Frauen, die zu uns kamen, waren deutsche Staatsbürgerinnen. Ein<br />
Fünftel der Frauen kam aus dem restlichen Europa, 15 % der Frauen aus Afrika. Im<br />
Vergleich zum letzten Jahr ist die Zahl der osteuropäischen Frauen, die Hilfe<br />
gebraucht haben, bei uns zurückgegangen.<br />
Türkei<br />
11%<br />
Notrufe<br />
Asien<br />
4%<br />
Deutschland<br />
33%<br />
Osteuropa<br />
7%<br />
Nationalitäten<br />
9<br />
Afrika<br />
15%<br />
Sonstige<br />
11%<br />
restl. Europa<br />
19%<br />
Im Jahr 2007 gingen im <strong>Frauenhaus</strong> über 100 Notrufe ein. Das sind ca. 20 weniger<br />
als im Jahr zuvor. Dies hängt damit zusammen, dass sich viele Frauenhäuser in<br />
Hessen vernetzt haben und seit drei Jahren intern eine sogenannte Notrufliste<br />
führen. Auf dieser Liste werden die freien <strong>Frauenhaus</strong>plätze zweimal in der Woche<br />
gemeldet.<br />
So kann eine Hilfe suchende Frau gezielt weitervermittelt werden, unnötige<br />
Telefonate werden vermieden. Bevor diese Liste eingeführt wurde, hatten wir im Jahr<br />
bis zu 270 Notrufe.
Die Arbeit im Kinderbereich<br />
Die pädagogische Arbeit mit den Kindern, die im <strong>Frauenhaus</strong> Schutz und Unterkunft<br />
finden, wird von einer Mitarbeiterin getragen, die zur Zeit über Spenden finanziert<br />
wird.<br />
Im Jahr 2007 lebten 14 von 56 Kindern mehrere Monate im <strong>Frauenhaus</strong>. Diese<br />
hatten Mütter aus neun Nationen. Die Mütter waren überwiegend Arbeitslosengeld-II-<br />
Empfängerinnen. Zwei von Ihnen waren Analphabetinnen. Die Kinder waren<br />
zwischen ein und sechzehn Jahren alt.<br />
Wenn die Kinder zu uns ins <strong>Frauenhaus</strong> kommen, sorgen wir nach einer Phase <strong>des</strong><br />
Ankommens, der Stabilisierung und Orientierung dafür, dass die Kinder ab drei<br />
Jahren im Kindergarten und die Älteren in der ihrem Alter entsprechenden Schule<br />
untergebracht werden, um eine kontinuierliche, altersgemäße stabile Förderung und<br />
Versorgung zu gewährleisten.<br />
Ein wichtiger Teil der Arbeit mit Kindern im <strong>Frauenhaus</strong> besteht darin, in einen<br />
fördernden Dialog mit den Kindern zur Stärkung der Resilenz zu treten. Als Resilenz<br />
bezeichnet man die Fähigkeit einer Person, die personalen und sozialen<br />
Kompetenzen und Ressourcen erfolgreich zu nutzen, um schwierigen<br />
Lebensumständen zu trotzen und kritische Ereignisse und Risikobedingungen<br />
erfolgreich zu bewältigen.<br />
10
Die Kinder entwickeln diese Fähigkeit trotz andauerndem hohem Risikostatus (zum<br />
Beispiel niedriger sozioökonomischer Status, häusliche Gewalt oder elterliche<br />
psychische Erkrankungen). Sie lernen, mit Belastungen in akuten<br />
Stressbedingungen erfolgreich umzugehen, sich eigenständig Hilfe zu holen und sich<br />
von traumatischen Erlebnissen schnell zu erholen.<br />
Sie erwerben die Fähigkeit, schwierige Situationen in ihrem Leben (zum Beispiel<br />
Transitionen: Übergänge zwischen Lebensabschnitten) nicht nur als Belastung,<br />
sondern auch als Herausforderung zu sehen.<br />
Weitere Aufgaben bei der Arbeit mit den Kindern sind<br />
die Arbeit mit den Bewältigungsformen der Kinder unter Berücksichtigung<br />
der geschlechtsspezifischen Konsequenzen für Jungen und Mädchen<br />
Formen und Folgen der Traumatisierung (sexuelle und körperliche Gewalt)<br />
erkennen und bearbeiten<br />
Vermittlung einer äußeren Struktur, um die innere Struktur zu stabilisieren<br />
Freizeitpädagogische Angebote (Einzelarbeit und Gruppenarbeit)<br />
Kunsttherapeutische Einzelfallarbeit<br />
Stabilisierung der Lernfähigkeit<br />
Bildungsversorgung (Kindergarten, Schule und Hort)<br />
Umgang mit Ambivalenzen und Trennungsängsten<br />
Bewusstmachen der Kompetenzen und Ressourcen<br />
Elternarbeit, unter besonderer Berücksichtigung <strong>des</strong> Mutter-Kind-<br />
Verhältnisses<br />
Vorbereitung auf eine neue Transition<br />
Kooperation mit anderen oder Vermittlung an andere Hilfeeinrichtungen<br />
Neben Spiel -, Spaß- und Hausaufgabenbetreuung im Haus ermöglichten wir den<br />
Kindern viel Bewegung im Freien, besuchten mehrmals das Schwimmbad, waren im<br />
Kino, im Sommertheater, auf dem Weihnachtsmarkt, feierten fröhliche Geburtstage<br />
und Abschiedsfeste, kochten und backten gemeinsam.<br />
11
Aus dem Hauswirtschaftsbereich<br />
Wo viel Leben ist, gibt es auch viel zu reparieren und auszubessern. Die Enge und<br />
das Alter <strong>des</strong> Hauses tragen ihren Teil dazu bei. Am Ende <strong>des</strong> Jahres kam noch ein<br />
Wasserrohrbruch im Haus dazu und die Handwerker gaben sich die Klinke in die<br />
Hand. Die gute Seite daran ist eine neue Badewanne sowie neue Wasserrohre im<br />
Erdgeschoss. Für mich eine Sorgenstelle weniger.<br />
Trotz der zum Teil alten und entsprechend undichten Fenster haben wir es geschafft,<br />
den Heizölverbrauch zu senken. Dies liegt nicht nur am – durch verstärkte<br />
Erklärungen und Kontrollen – sorgfältigeren Umgang mit der Heizung und dem<br />
warmen Wasser, sondern sicher auch an der kürzeren Heizperiode aufgrund der<br />
Klimaveränderung.<br />
Sehr bemerkbar macht sich auch das immer knapper werdende Geld, das den<br />
Frauen, die hier kurz- oder längerfristig leben müssen, zur Verfügung steht.<br />
Riemchen von Sandalen oder Schulranzen wieder zusammenflicken, die eigentlich in<br />
den Müll gehören, ist ja nichts Neues. Aber Plastikhaarbürsten oder Haarspängchen<br />
wieder kleben zu müssen, tut mir in der Seele ebenso weh wie DIN A4-Schulhefte<br />
durchzuschneiden, um zwei Notenhefte daraus zu machen.<br />
Trotz allem gibt es zum Beispiel bei Gartenarbeiten, die ich manchmal mit den<br />
Frauen gemeinsam mache, oder bei Trockenübungen:<br />
wie tapeziere ich einen Raum,<br />
wie messe ich einen Raum aus,<br />
wie streiche ich einen Raum,<br />
wie montiere ich eine WC-Brille,<br />
wie koche ich energiesparend usw.<br />
noch Gelegenheit zum Lächeln und Schmunzeln. Die Existenzängste der<br />
Bewohnerinnen treten dann für ein paar Minuten in den Hintergrund.<br />
12
2. Die Beratungsstelle<br />
Statistik<br />
In der Beratungsstelle arbeiten zwei Sozialarbeiterinnen mit je 37 Wochenstunden.<br />
Im Jahr 2007 wurden von ihnen insgesamt 244 Frauen beraten, 2006 waren es 222,<br />
das ist eine Steigerung von 11 % (in Klammern die Zahlen aus 2006).<br />
183 (154) Frauen kamen zum ersten Mal.<br />
Aus dem Vorjahr haben wir 50 (47) Frauen übernommen.<br />
Aus früheren Jahren wurde die Beratung von 11 (21) Frauen wieder aufgenommen.<br />
137 (128) Frauen waren Deutsche<br />
107 (94) hatten einen Migrationshintergrund.<br />
67 Frauen bezogen Arbeitslosengeld I oder Leistungen nach Arbeitslosengeld II<br />
Herkunft der Frauen<br />
<strong>Oberursel</strong> 92<br />
Bad Homburg 45<br />
Kronberg 14<br />
Steinbach 12<br />
Neu Anspach 13<br />
Friedrichsdorf 19<br />
Usingen 8<br />
Königstein 7<br />
Wehrheim 5<br />
13<br />
Weilrod 4<br />
Grävenwiesbach 3<br />
Glashütten 3<br />
Schmitten 2<br />
Frankfurt, Offenbach 7<br />
Wetterauskreis 2<br />
übriges Hessen 4<br />
andere Orte 4<br />
Die Frauen kamen aus allen Gemeinden <strong>des</strong> Hochtaunuskreises. Diejenigen, die aus<br />
Frankfurt, Offenbach, dem Maintaunuskreis, dem Wetteraukreis und aus anderen Städten<br />
kamen, hatten einen Bezugspunkt in <strong>Oberursel</strong>.<br />
Alter der Frauen<br />
unter 18 19<br />
18 bis 25 14<br />
26 bis 40 130<br />
41 bis 50 49<br />
51 bis 60 19<br />
über 60 10<br />
ohne Angabe 3<br />
Die Gruppe der 26- bis 40-jährigen Frauen ist, wie auch in den letzten Jahren, bei den<br />
Beratungssuchenden am größten.<br />
Tätigkeit der Frauen<br />
arbeitslos 67<br />
voll berufstätig 52<br />
Hausfrau 42<br />
teilzeitberufstätig 40<br />
Ausbildung, Umschulung 11<br />
Rentnerin 10<br />
erwerbsunfähig 7<br />
Erziehungsurlaub 5<br />
unbekannt 1
Problemfelder<br />
Die Zeit für ein Gespräch beträgt im Durchschnitt 60 Minuten, bei Erstgesprächen aber oft<br />
länger. Begleitungen dauern je nach Weg zwei bis vier Stunden. Vor allem bei stark<br />
traumatisierten Frauen sind Beratungen oder Begleitung über einen längeren Zeitraum bis<br />
hin zu zwei bis drei Jahren notwendig.<br />
Zuerst muss ein Vertrauensverhältnis zwischen Beraterin und Klientin aufgebaut werden,<br />
danach kommt eine lange Zeit der Stabilisierung. Stabilisierung bedeutet, einen äußeren<br />
Rahmen zu schaffen, der der Frau Sicherheit gibt und es ihr ermöglicht, ihre<br />
Entscheidungen wieder selbstständig zu treffen und ihr Leben in die Hand zu nehmen.<br />
Das Trauma von Gewalterfahrung lässt Betroffene Ohnmacht und Kontrollverlust erfahren<br />
und nimmt ihnen ihre Handlungsfähigkeit. Diese muss nach und nach wieder-hergestellt<br />
werden. (siehe Fallbeispiel Seite 17)<br />
Themen in der Beratung<br />
Die folgende Tabelle zeigt, wie oft das jeweilige Thema Inhalt der Beratung war<br />
(Mehrfachnennungen sind möglich, in Klammern die Zahlen aus 2006):<br />
141 (121) Gewalt, davon 14 mal (16 mal) sexualisierte Gewalt<br />
140 (127) Trennung, Scheidung: Fragen zu Unterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht<br />
134 (117) Sozialberatung: ALG II, Wohnungssuche, Wohngeld; Probleme mit<br />
Anträgen oder mit den Behörden, Schulden, Mietprobleme<br />
42 (42) Arbeitssuche, Berufsorientierung, Wiedereinstieg<br />
41 (51) Kinder: Erziehungsprobleme<br />
61 (19) Gesundheit: völlige Erschöpfung, Kuren, Schwangerschaft,<br />
45 (45) Psychische Krankheiten: Depressionen, Suizidversuche, Borderline<br />
13 (17) Sucht (die eigene oder die <strong>des</strong> Partners)<br />
31 (46) Migration: Asyl, Aufenthaltsrecht, Sprachkurse, Integrationskurse<br />
Wir begleiteten oder hatten intensiven telefonischen Kontakt zu Jugendamt, Sozialamt,<br />
Ausländerbehörde, Gericht, Polizei, Schuldnerberatung, Psychiatrie, Anwälten,<br />
Anwältinnen und Therapeutinnen.
Interventionsstelle<br />
Die Beratungsstelle ist als Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt anerkannt. Im Jahr<br />
2007 erhielt die Interventionsstelle erstmals zusätzliche Gelder vom Hochtaunuskreis.<br />
Zur Arbeit als Interventionsstelle gehören unter anderem<br />
die Beratungen zu häuslicher Gewalt und der Anwendung <strong>des</strong><br />
Gewaltschutzgesetzes<br />
die Kooperation mit Polizei, Jugendämtern, Gerichten und anderen<br />
Beratungsstellen<br />
die Mitarbeit in Arbeitskreisen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>präventionsrates zur Umsetzung <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong>aktionsplanes<br />
die Erarbeitung und Durchführung von Fortbildungsangeboten für Polizei und<br />
Gesundheitswesen<br />
Ausstellungen<br />
Vorträge in verschiedenen Gruppen, auch an der Fachhochschule Frankfurt<br />
Teilnahme an Tagungen zum Thema der häuslichen Gewalt und zu verwandten<br />
Themen, zum Beispiel<br />
Ambivalenz der Frauen<br />
Runde Tische gegen häusliche Gewalt<br />
Tötungsdelikte und schwere Gewalt durch Intimpartner<br />
Stalking<br />
Veröffentlichung von Artikeln in Fachzeitschriften<br />
In der Beratungsarbeit mit den oben genannten 141 (121) Frauen, die zum Thema Gewalt<br />
beraten wurden, ging es um (Mehrfachnennungen sind möglich, in Klammern die Zahlen<br />
von 2006):<br />
92 (75) Frauen, die von akuter häuslicher Gewalt betroffen waren<br />
106 (83) mitbetroffene Kinder<br />
12 Stalking<br />
14 (16) sexualisierte Gewalt<br />
22 Kontakte zur Beratungsstelle über die Polizei (pro aktiv)<br />
5 Kontakte zur Beratungsstelle über Ämter, Ärzte, Kliniken<br />
11 (9) von der Polizei ausgesprochene Wegweisungen<br />
33 (27) von Frauen berichtete Polizeieinsätze<br />
21 (15) Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz<br />
Wenn ein Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt werden soll, raten wir dazu, einen<br />
Anwalt oder eine Anwältin einzuschalten. Dadurch bekommen wir allerdings nicht immer<br />
Rückmeldungen, ob Schutzanordnungen oder Wohnungszuweisungen durch das Gericht<br />
erlassen werden.<br />
15
Die gehen ja doch zurück<br />
Über die Ambivalenz einer Trennung<br />
„Die gehen ja doch zurück“ – Diese Antwort erhalten wir Mitarbeiterinnen der<br />
Beratungsstelle und <strong>des</strong> <strong>Frauenhaus</strong>es oft, wenn es um Frauen geht, die von ihrem<br />
Partner misshandelt werden. Stimmt das so? Und falls ja, was bringt Frauen dazu, zu<br />
ihrem Mißhandler zurückzukehren?<br />
Nach einer repräsentativen Untersuchung der Bun<strong>des</strong>regierung über „Gewalt gegen<br />
Frauen in Deutschland“, die im Jahre 2004 veröffentlicht wurde, haben 25 % der in<br />
Deutschland lebenden Frauen zwischen 16 und 65 Jahren einmal oder mehrmals<br />
körperliche, zum Teil auch zusätzliche sexuelle Gewalt durch männliche Bezugspersonen<br />
erfahren. Das heißt, dass jede vierte Frau in Deutschland Opfer männlicher Gewalt wurde.<br />
Etwa 45.000 Frauen suchen mit ihren Kindern jährlich in einem der etwa 400<br />
Frauenhäuser in Deutschland Schutz und Unterkunft.<br />
Seit dem Jahr 2002 wurde mit dem Inkrafttreten <strong>des</strong> Gewaltschutzgesetzes (GewSchG)<br />
die rechtliche Position von Opfern häuslicher Gewalt gestärkt. Es erleichtert unter<br />
anderem die Zuweisung der gemeinsamen Wohnung, zumin<strong>des</strong>t für eine bestimmte Zeit,<br />
und es benennt häusliche Gewalt eindeutig als Straftat, die eine polizeiliche Anzeige nach<br />
sich zieht. Dies ist zweifellos ein Fortschritt und wurde als Paradigmenwechsel von den<br />
Frauenorganisationen und von vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen und sozialen<br />
Initiativen begrüßt.<br />
Allerdings wird das Gesetz durch andere gesetzliche Regelungen manchmal nahezu<br />
konterkariert. Das sind insbesondere die geplanten Gesetzesänderungen im Rahmen <strong>des</strong><br />
Gesetzes zur Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) und das am 1. Juli 1998 in<br />
Kraft getretene Kindschaftsrechts-Reformgesetz. Es sind auch ganz aktuell die<br />
gesetzlichen Änderungen hinsichtlich der Unterhaltsregelungen, durch die Frauen oftmals<br />
sehr viel schlechter gestellt werden als bisher.<br />
Die häufigsten Befürchtungen, die Frauen in der Beratung hinsichtlich einer Trennung<br />
äußern, sind<br />
ökonomische Faktoren: drohende Arbeitslosigkeit, Arbeitslosengeld-II-Bezug und die<br />
damit verbundene Diskriminierung, ausbleibende Unterhaltszahlungen oder<br />
überhaupt fehlende Unterhaltsansprüche, sozialer Abstieg;<br />
Probleme mit dem Umgangsrecht und dem Sorgerecht;<br />
bei Migrantinnen Angst vor dem Verlust der Aufenthaltserlaubnis;<br />
Druck durch die Familie;<br />
Schuldgefühle, den Kindern den Vater und das soziale Umfeld zu nehmen;<br />
Angst, die Anforderungen von Ämtern, Gerichten und den Schriftverkehr allein nicht<br />
bewältigen zu können;<br />
ein höheres Gefährdungsrisiko für die Frau und die Kinder bei einer Trennung.<br />
Auch wir Mitarbeiterinnen in der Frauenberatungsstelle müssen die bange Frage, ob das<br />
<strong>Frauenhaus</strong> und die rechtlich möglichen Schutzmassnahmen einen hundertprozentigen<br />
Schutz bieten, regelmäßig verneinen. Wir können zusammen mit der Frau eine<br />
Gefährdungsprognose erstellen und einen Sicherheitsplan entwickeln, der auch meistens<br />
funktioniert, aber nicht immer.<br />
16
Trennungsmuster<br />
Die soziale und die psychische Situation, in der sich eine Frau befindet, spielt eine<br />
wichtige Rolle bei der Frage, ob und wie eine Frau die Trennung bewältigen kann. Prof.<br />
Dr. Cornelia Helferich benennt vier unterschiedliche Muster von Gewaltdynamiken:<br />
1. Rasche Trennung<br />
2. Neue Chance<br />
3. Fortgeschrittener Trennungsprozess<br />
4. Ambivalente Bindung<br />
1. Rasche Trennung<br />
Diese Frauen sind sehr schnell bereit, Gewalt in einer Beziehung von Anfang an nicht<br />
hinzunehmen. Nachdem der Partner das erste oder zweite Mal gewalttätig geworden ist,<br />
reagieren sie rasch mit einer klaren und dauerhaften Trennung. Diese Frauen sind eher<br />
selbstbewusst und haben in ihrem sozialen Umfeld emotionalen Rückhalt.<br />
2. Neue Chance<br />
Diese Frauen sind eher länger verheiratet, familienorientiert und wollen die Ehe unter<br />
bestimmten Voraussetzungen aufrechterhalten. Sie hoffen auf eine Verhaltensänderung<br />
<strong>des</strong> Partners, zum Beispiel dadurch, dass er eine Therapie macht, mit dem Trinken aufhört<br />
usw. Sie sind wenig verstrickt in die Beziehung, wissen, was sie wollen, und sehen<br />
rechtliche Möglichkeiten, zum Beispiel die Wegweisung, als eine Möglichkeit an, ihren<br />
Partner unter Druck zu setzen, damit er sein Verhalten ändert.<br />
3. Fortgeschrittener Trennungsprozess<br />
Frauen, die sich im fortgeschrittenen Trennungsprozess befinden, haben oft schon<br />
Schritte in Richtung Trennung aus einer in der Regel langjährigen und von Gewalt<br />
geprägten Beziehung vollzogen. Sie haben sich beispielsweise anwaltlich beraten lassen,<br />
schlafen in getrennten Zimmern oder sie haben schon wichtige persönliche Papiere<br />
außerhalb <strong>des</strong> Haushalts in Sicherheit gebracht.<br />
Bei diesen Paaren ist die Gefahr groß, dass die Gewalt in der nun konkreten<br />
Trennungssituation eskaliert. In dieser Phase ist die Gefahr am größten, durch den<br />
Partner getötet zu werden. Hier sind erneute Begegnungen zum Beispiel bei der Übergabe<br />
<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> an den gewalttätigen Vater zur Wahrnehmung <strong>des</strong> Umgangsrechtes fatal. Von<br />
sogenannten „letzten Aussprachen“ muss unbedingt abgeraten werden!<br />
4. Ambivalente Bindung<br />
Diese Frauen leben in Beziehungen, die von andauernder und massiver Gewalt, Kontrolle,<br />
Manipulation und Angst geprägt sind. Sie weisen oftmals deutliche Merkmale von<br />
Traumatisierung auf. Ihre enge Bindung an den Partner lässt sich im Zusammenhang mit<br />
dem Überleben nach chronischen traumatischen Erfahrungen interpretieren. Hier erfolgt<br />
oftmals ein Eingreifen von außen. Nachbarn alarmieren die Polizei, das Jugendamt sorgt<br />
sich um das Wohlergehen der Kinder, Verwandte drängen zur Trennung.<br />
Es sind die Frauen der letztgenannten Gruppe, die Polizei, Ärzte usw. zur Verzweiflung<br />
treiben, die am meisten auffallen und zu der Schlussfolgerung verleiten, „die gehen ja<br />
doch alle zurück“.<br />
Frauen, die ambivalent an ihren Partner gebunden sind, haben massive Angst vor ihm.<br />
Auf Grund der lang anhaltenden Traumatisierung und <strong>des</strong> zerstörten Selbstbewusstseins<br />
fühlen sie sich aber nicht in der Lage, ihr Leben allein oder allein mit den Kindern zu<br />
17
ewältigen. Hinzu kommen oft Schuldgefühle, die Gewalt zumin<strong>des</strong>t mitverursacht zu<br />
haben, oder die Sorge um den Partner, wenn er im Falle einer Trennung mit Suizid droht.<br />
Manche Frauen glauben, dass ihr Partner ohne sie nicht leben könne („Der kann sich ja<br />
nicht mal alleine ein Spiegelei braten“). Sie haben Rettungsphantasien: nur sie können<br />
den Partner verstehen, weil sie ihn und manchmal auch seine Kindheitsgeschichte so gut<br />
kennen, nur sie können ihn retten und zu einem besseren Verhalten bewegen. Diese<br />
Frauen schwanken zwischen dem Gefühl der Grandiosität und schweren Schuldgefühlen,<br />
wenn sie „es doch wieder nicht hingekriegt haben“, Streit und Gewalt zu verhindern.<br />
Die Loslösung aus einer solchen ambivalenten Beziehung ist ein langsamer, oft quälender<br />
Prozess. Frauen zur Trennung überreden zu wollen wäre der falsche Weg und könnte zu<br />
einer Solidarisierung mit dem misshandelnden Partner führen. Hier müssen die Menschen,<br />
die Kenntnis von der Situation haben, die es „gut meinen“ und sich um die Frau und die<br />
Kinder ängstigen, eher zurückhaltend agieren. Sie müssen Acht geben, dass sie nicht in<br />
die Gewaltdynamik mit hineingezogen werden. Wir Mitarbeiterinnen wissen, wie schwer<br />
das ist. Hilfreich für die Frau ist es, immer Ansprechpartner zu haben, nicht verurteilt zu<br />
werden und immer wieder Unterstützung angeboten zu bekommen.<br />
Unserer Erfahrung nach ist die Gefahr, in eine gewalttätige Beziehung zu gehen und in ihr<br />
zu verharren, am größten bei Frauen, deren Kindheit bereits durch Gewalt geprägt war.<br />
Besonders problematisch ist die psychische Situation von Frauen, die von der Mutter<br />
misshandelt wurden und die ihre Väter als eher abhängig und schwach erlebt haben.<br />
Väter, von denen sie heimlich mit Schokolade „getröstet“ wurden, die sich aber niemals<br />
schützend vor sie gestellt haben.<br />
Obwohl sie im Alltag oft perfekt funktionieren, berufstätig sind, die eigene Familie und<br />
manchmal noch die alten Eltern versorgen, zu denen sie eine sehr ambivalente Beziehung<br />
haben, fühlen sie sich absolut minderwertig. Ihre Persönlichkeit scheint sich in den<br />
Bedürfnissen anderer Menschen aufgelöst zu haben. Sie erfüllen alle Forderungen und<br />
seien sie noch so absurd.<br />
Ein Fallbeispiel<br />
Frau W. wurde als Kind oft so schwer misshandelt, dass sie tagelang nicht zur Schule<br />
gehen durfte, weil die Misshandlungsspuren zu deutlich zu sehen waren. Der Vater<br />
solidarisierte sich heimlich mit ihr, schützte sie aber nicht. Die vielen Fehlzeiten wurden<br />
von der Schule nie hinterfragt.<br />
Seit einiger Zeit ist Frau W. an Krebs erkrankt und müsste unbedingt im Krankenhaus<br />
behandelt werden. Sie geht aber nicht hin, weil ihr Mann damit droht, die gemeinsame<br />
Tochter nicht zu versorgen, und weil ihre Mutter nicht bereit ist, während <strong>des</strong><br />
Krankenhausaufenthaltes von Frau W. „Essen auf Rädern“ zu akzeptieren. Frau W.<br />
möchte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, sie kümmere sich nicht genug um die Mutter.<br />
Sie ist schwer depressiv, am Ende ihrer Kraft und nimmt alles hin, einschließlich der<br />
Misshandlungen ihres Mannes.<br />
Irgendwas habe ich falsch gemacht“. Sie sagt, dass sie eigentlich nicht mehr leben<br />
wolle, sie sei ja ohnehin nur eine Last, wird immer kränker und erweckt den Eindruck, als<br />
„wolle sie sich suizidieren lassen“. (Eine merkwürdige Definition, ich weiß, aber sie hat<br />
sich mir so aufgedrängt). Beraterin, Therapeutin, Arzt und Freundin möchten Frau W.<br />
helfen, erreichen sie aber nicht. Die Hilfsangebote sind gut gemeint und professionell, aber<br />
sie kommen 40 Jahre zu spät. Sie greifen nicht mehr.<br />
18
Gewalt gegen Frauen wird sich nur eindämmen lassen, wenn beim Schutz der Kinder<br />
angesetzt wird.<br />
Bei Frau W. haben im Laufe ihrer Lebensgeschichte Entwicklungen stattgefunden, die<br />
nicht mehr voll umkehrbar sind. Sie wird sich vermutlich immer nur als „Opfer“ definieren<br />
können. Aber wenn es doch noch gut geht, kann sie möglicherweise irgendwann einmal<br />
die Definition „Überlebende“ akzeptieren.<br />
Manchmal erwägt sie, im Anschluss an eine vielleicht doch erfolgte<br />
Krankenhausbehandlung gleich in ein <strong>Frauenhaus</strong> zu gehen, „der Kleinen zuliebe“, die<br />
nicht so ein Leben haben soll wie sie.<br />
(„Die gehen ja doch zurück“ und das Fallbeispiel sind eine gekürzte Version eines Artikels von Eva<br />
Beyer, der im „Forum Kriminalprävention“, 4. Quartal 2007, erschienen ist. Der vollständige Artikel<br />
kann in der Beratungsstelle angefordert werden)<br />
Fortbildung und Vernetzung<br />
Für unsere eigene Fortbildung nehmen wir an Fachtagungen teil und haben regelmäßige<br />
Supervision.<br />
Vernetzung und Kooperation mit anderen Frauenprojekten, Fachstellen, Beratungsstellen,<br />
Polizei, Gerichten und politischen Gremien sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.<br />
Wir nehmen teil an den vierteljährlich stattfindenden Arbeitstreffen <strong>des</strong> HIP<br />
(Hochtaunusinterventionsprojekt gegen häusliche Gewalt), an den regelmäßigen Treffen<br />
der Lan<strong>des</strong>arbeitsgemeinschaft der hessischen Frauenhäuser und Beratungsstellen, an<br />
dem zweimal im Jahr stattfindenden Runden Tisch „Migration“ und an den Treffen <strong>des</strong><br />
Frauennetzwerkes <strong>Oberursel</strong>.<br />
Auf Lan<strong>des</strong>ebene arbeitet eine Mitarbeiterin mit im hessischen Netzwerk<br />
„Gewaltprävention im Gesundheitswesen“, wo es darum geht, das Thema „Gewalt gegen<br />
Frauen“ im Gesundheitswesen zu implementieren. Ziel ist es, die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit zu erweitern und Fortbildungsmodule zu entwickeln.<br />
Als Referentin konnte im Sommer 2007 eine Kollegin einen Workshop in der<br />
Fachhochschule Frankfurt, Fachbereich Sozialarbeit zum Thema „Frauenhäuser und<br />
Beratungsstellen im internationalen Vergleich“ mitgestalten. Kolleginnen aus der Schweiz,<br />
Österreich und Deutschland waren von der Professorin Magrit Brückner eingeladen<br />
worden, mit StudentInnen die aktuelle Situation in den jeweiligen Ländern zu betrachten.<br />
19
3. Öffentlichkeitsarbeit und Kooperationen<br />
Im Januar beteiligten wir uns an der Ausstellung „Opfer“ <strong>des</strong> Weißen Rings (s. S. 20).<br />
Im Februar hatten wir ein Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Petra Fuhrmann, die<br />
sich über unsere Arbeit informiert hat.<br />
Im März nahm eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle an einer Podiumsdiskussion zum<br />
Thema „Migration und Integration“ teil, ausgerichtet vom Ausländerbeirat in Bad Homburg.<br />
Dabei wurde die Situation der von Gewalt betroffenen ausländischen Frauen dargestellt.<br />
Um den gegenseitigen Austausch und eine bessere Zusammenarbeit ging es in<br />
Gesprächen mit den TeamleiterInnen <strong>des</strong> Sozialamtes und der Kollegin, die in der<br />
Arbeitsvermittlung tätig ist. Auch mit Therapeutinnen und mit den Beamten der<br />
Polizeistationen in Usingen und Königstein fanden Info-Treffen statt, um die jeweilige<br />
Arbeit besser kennenzulernen und Absprachen über die Zusammenarbeit (zum Beispiel<br />
beim „pro aktiv“ Ansatz) zu treffen.<br />
Bei der Eröffnung <strong>des</strong> Möbellagers <strong>des</strong> Kreises in Usingen sowie <strong>des</strong> Caritasladens in Bad<br />
Homburg waren wir dabei, weil gute Kontakte zu diesen Einrichtungen für unsere<br />
Klientinnen sehr hilfreich sein können.<br />
Im April beteiligten wir uns an einem deutsch-italienischen Praxisvergleich (s. S. 24).<br />
Im Mai begann die Standpunkte-Aktion im Hessischen Landtag in Wiesbaden (s. S. 22).<br />
Im Juni wurde ein Workshop in der Fachhochschule Frankfurt mitgestaltet (s. S. 23).<br />
Im Juli veranstalteten wir in der Beratungsstelle einen „Offenen Abend“ mit von<br />
Bewohnerinnen <strong>des</strong> <strong>Frauenhaus</strong>es selbstgemachten Häppchen und Getränken. Dabei<br />
zeigten wir den eingeladenen SpenderInnen und UnterstützerInnen mit einem kleinen<br />
Videofilm den momentanen Zustand <strong>des</strong> <strong>Frauenhaus</strong>es und berichteten über unser<br />
Projekt „Neues <strong>Frauenhaus</strong>“. Wir baten um Ideen und Vorschläge, sammelten diese auf<br />
Kärtchen und werden sicherlich so manche Anregung bei unseren zukünftigen Planungen<br />
berücksichtigen. Der rege Zuspruch an diesem Abend lässt uns hoffen, dass wir für unser<br />
Projekt viel Unterstützung, sowohl in ideeller als auch finanzieller Hinsicht, erhalten<br />
werden.<br />
Im August erfreute die Theatergruppe <strong>Oberursel</strong> unter der Leitung von Frau Popadiuk die<br />
<strong>Oberursel</strong>er Kinder mit drei Theateraufführungen zugunsten <strong>des</strong> neuen <strong>Frauenhaus</strong>es.<br />
Am 17. und 18. September fand unsere große Fachtagung zum Thema „(K)ein Umgangsrecht<br />
für gewalttätige Väter“ in der Stadthalle <strong>Oberursel</strong> statt (s. S. 20).<br />
Im Oktober informierte die Rechtsanwältin Gabriele Fries an zwei Abenden über die<br />
Themen „Trennung/Scheidung“ und „Gewaltschutzgesetz“. Diese beiden Abende wurden<br />
von der Leitstelle <strong>des</strong> Kreises für Frauen, Senioren, Behinderte und Krankenhilfe finanziert<br />
und fanden in unseren Räumen statt.<br />
Nach diesen Infoabenden boten wir die jährliche Frauengruppe mit Frau Fink an. Sie ist<br />
gedacht für Frauen, die sich in Trennungssituationen befinden oder sich mit dem<br />
Gedanken an Trennung/Scheidung tragen. Seit Anfang <strong>des</strong> neuen Jahres trifft sich die<br />
Gruppe regelmäßig einmal in der Woche.<br />
Im November informierten wir an Infoständen in <strong>Oberursel</strong> und Usingen (s. S. 26).<br />
20
Fachtagung zum Umgangsrecht<br />
m September 2007 veranstalteten wir eine Fachtagung zum Thema „(K)ein Umgangsrecht<br />
für gewalttätige Väter? – ein kritischer Blick auf das Cochemer Modell.“ Für die<br />
Fachtagung gewannen wir als ReferentInnen:<br />
Klaus Fischer, Dipl. Psychologe, Leiter der Beratungsstelle Lebensberatung Cochem,<br />
Edith Schwab, Rechtsanwältin, Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V.,<br />
Heinz Rahn, Psychotherapeut, Fachbereichsleiter <strong>des</strong> Jugendamtes HTK,<br />
Dr. Anita Heiliger, Soziologin, Mitherausgeberin <strong>des</strong> Buches „Verrat am Kin<strong>des</strong>wohl“,<br />
Herr Reinhard Prenzlow, Studienrat und Verfahrenspfleger.<br />
In einer Trennungssituation aus Gründen von häuslicher Gewalt sind einvernehmliche<br />
Regelungen zu Sorge- und Umgangsrecht meist schwierig, wirken oft konfliktverschärfend<br />
und damit auch zum Nachteil <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>. Die Konflikte der Paarebene und der<br />
Elternebene sind nicht leicht voneinander zu trennen. Einvernehmliche Regelungen zu<br />
verlangen, entspricht nicht den Mechanismen, die in einem gewaltgeprägten<br />
Familienleben herrschen und die in der Trennungsphase weiterwirken. Für das Wohl <strong>des</strong><br />
Kin<strong>des</strong> erweist sich das Cochemer Modell kontraproduktiv.<br />
Im Zuge der Fachtagung wurde diese Problemstellung durch die Referentinnen und<br />
Referenten eingehend aus unterschiedlichen Blickrichtungen beleuchtet. Das Cochemer<br />
Modell, das zunehmend Eingang in die Beratungs- und Gerichtspraxis findet, wurde<br />
kritisch hinterfragt. Es wurde diskutiert, welche Antworten es für den Umgang bei<br />
häuslicher Gewalt gibt, und ob das Cochemer Modell in diesem Zusammenhang<br />
überhaupt angewendet werden kann.<br />
Die umfangreiche, vorbereitende Arbeit zu dieser Fachtagung wurde dadurch belohnt,<br />
dass wir weit über hundert TeilnehmerInnen begrüßen durften. Die Auseinandersetzung<br />
mit diesem Thema war für PraktikerInnen von zentralem Interesse und wird uns auch in<br />
Zukunft noch weiter beschäftigen.<br />
Ausstellung „Opfer“<br />
Im Januar 2007 organisierte der Weiße Ring im Rathaus <strong>Oberursel</strong> eine Ausstellung zum<br />
Thema „Häusliche und sexualisierte Gewalt“. Trotz unserer Bedenken zur inhaltlichen und<br />
gestalterischen Aufmachung der Ausstellung war uns das Thema wichtig, so dass wir als<br />
Kooperationspartnerinnen neben der Frauenbeauftragten ein Rahmenprogramm zur<br />
Ausstellung mitgestalteten.<br />
Wir organisierten einen Workshop mit den Eheleuten Rachut (Frau Rachut war selbst in<br />
der Kindheit von sexueller Gewalt betroffen und ihr Partner hat die Folgen mit ihr<br />
getragen) zum Thema: „Hilfen zur Überwindung der Folgen sexueller Gewalt – Hilfe geben<br />
– Hilfe annehmen“. Zielgruppe waren Betroffene, Angehörige, PartnerInnen, FreundInnen<br />
sowie Professionelle.<br />
Parallel zu der Ausstellung fand eine Informations- und Diskussionsveranstaltung mit<br />
RechtsanwältInnen und MitarbeiterInnen von Polizei und Krisenberatungsstellen im<br />
Rathaus statt, wo es um das Gewaltschutzgesetz, den Ablauf von Gerichtsverfahren und<br />
Hilfsangebote für Betroffene ging.<br />
Als Abschlussveranstaltung fand ein ökumenischer Gottesdienst in der Hospitalkirche<br />
statt, in dem eindrücklich die Not von Menschen, die von Gewalt betroffen sind, zum<br />
Ausdruck gebracht wurde.<br />
21
Die Ausstellung fand in der Öffentlichkeit viel Zuspruch. In der Hessenschau und in einer<br />
Talkrunde <strong>des</strong> Rhein-Main-TV mit Mitarbeiterinnen <strong>des</strong> Weißen Ringes und unserer<br />
Beratungsstelle wurde darüber berichtet.<br />
(aus: Blitz-Tipp vom 20. Januar 2007)<br />
Das Schweigen endlich brechen<br />
Ausstellung „Opfer" mit Begleitprogramm bis 24. Januar im <strong>Oberursel</strong>er<br />
Rathaus<br />
<strong>Oberursel</strong> (rb/pm). Ein beklemmen<strong>des</strong> Gefühl<br />
beschleicht den Betrachter der neuen<br />
Ausstellung „Opfer" im <strong>Oberursel</strong>er Rathaus.<br />
Eine Rasierklinge auf blutender Haut. Das<br />
blutig geschlagene Gesicht einer Ehefrau im<br />
Bilderrahmen („Manche Bilder kommen nicht<br />
ins Familienalbum"). Eine Packung<br />
Taschentücher für „Tränen, die nicht trocknen."<br />
Ein kleines, unschuldiges Mädchen,<br />
das den Betrachter treuherzig anschaut.<br />
Unter dem Porträtfoto steht „Diese Hure hat<br />
ihren Onkel verführt." Darunter ist – etwas<br />
kleiner geschrieben – zu lesen: „So<br />
rechtfertigen sich die Täter." Dies sind nur<br />
einige der außergewöhnlichen Exponate, die<br />
unter die Haut gehen und zum Nachdenken<br />
anregen.<br />
Die Ausstellung „Opfer" wurde von Studenten<br />
der Bauhaus-Universität Weimar in Zusammenarbeit<br />
mit Deutschlands größter<br />
Opferschutzorganisation Weißer Ring<br />
gestaltet. Dem „Opfer-Sein" ein Gesicht<br />
geben, wachrütteln und das Schweigen<br />
brechen – das wollen die mehr als 100 Fotos,<br />
Plakate und Anzeigenkampagnen, die noch<br />
22<br />
bis Mittwoch, 24. Januar, im Stadtverordnetensitzungssaal<br />
<strong>des</strong> <strong>Oberursel</strong>er<br />
Rathauses zu sehen sind.<br />
In Kooperation mit <strong>Oberursel</strong>s Frauenbeauftragter<br />
Gabriela Wölki und dem Verein<br />
„Frauen helfen Frauen" wird die Ausstellung<br />
von den Außenstellen Hochtaunuskreis und<br />
Main-Taunus-Kreis <strong>des</strong> Weißen Rings<br />
veranstaltet. Gemeinsam wurden zusätzliche<br />
Veranstaltungen während der Ausstellungswoche<br />
organisiert, die sich auf sehr<br />
unterschiedliche Art und Weise mit der<br />
Opferthematik befassen. Vor allem aber<br />
haben sie alle auch den Hintergrund, die<br />
vielfältigen Hilfsangebote für Betroffene und<br />
auch deren Angehörige aufzuzeigen und Opfern<br />
damit Perspektiven zu geben.<br />
Schirmherr der Ausstellung „Opfer" in <strong>Oberursel</strong><br />
ist kein geringerer als Hessens Justizminister<br />
Jürgen Banzer, der die Ausstellung<br />
auch offiziell eröffnete.<br />
Zusätzlich wurde ein Begleitprogramm zur<br />
Ausstellung konzipiert. So beginnt am<br />
Dienstag, 23. Januar, um 20 Uhr im<br />
Hieronymi-Saal im Rathaus eine Informations-<br />
und Diskussionsveranstaltung zu<br />
den Themen Häusliche Gewalt, Sexuelle<br />
Gewalt und Sexueller Missbrauch an Kindern.<br />
Rechtsanwältinnen und Mitarbeiterinnen von<br />
Polizei und Krisenberatungsstellen geben<br />
Auskunft zu Gerichtsverfahren, Gewaltschutzgesetz,<br />
Umgang mit Opfern und Tätern<br />
sowie dem Hilfsangebot der Beratungsstellen<br />
für Betroffene. Fragen und Diskussion aus<br />
dem Publikum sind erwünscht!<br />
Am Mittwoch, 24. Januar, beginnt um 17 Uhr<br />
eine Besichtigung der Ausstellung „Opfer"<br />
und um 19 Uhr lädt die Hospitalkirche zu<br />
einem ökumenischen Gottesdienst ein.
Standpunkte-Aktion<br />
Im Mai nahmen wir an der Auftaktveranstaltung im hessischen Landtag teil, bei der die<br />
„Standpunkte-Kampagne“ <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> der Beratungsstellen und Notrufe<br />
öffentlich gemacht wurde. Viele Landtagsabgeordnete und auch die Ministerin Frau<br />
Lautenschläger ließen sich „mit ihrem Standpunkt“ zu Gewalt gegen Frauen fotografieren.<br />
Die Fotos sind auf einer bun<strong>des</strong>weiten Homepage www.frauen-gegen-gewalt.de zu sehen<br />
und jede/r kann ihren/ seinen eigenen Standpunkt auf dieser Seite dokumentieren.<br />
23
Workshop in der Fachhochschule<br />
(aus: Frankfurter Fachhochschulzeitung - Ausgabe 102 November/Dezember 2007)<br />
Internationaler Workshop „Häusliche Gewalt und Interventionsstrategien<br />
in Deutschland, Österreich und der Schweiz!“<br />
Im Rahmen <strong>des</strong> Theorie-Praxisbereichs<br />
Frauenarbeit (Fb 4, Studiengang Sozialarbeit)<br />
fand vom 15. 6. - 17. 6. 2007 ein sehr<br />
erfolgreicher Workshop mit internationaler<br />
Beteiligung aus dem deutschsprachigen<br />
Raum statt, der bei den Referentinnen und<br />
den Studierenden so viel Anklang gefunden<br />
hat, dass die eingeladenen Kolleginnen aus<br />
Österreich und der Schweiz ihn in den<br />
folgenden Jahren an ihren Hochschulen mit<br />
dem gleichen Team wiederholen wollen.<br />
Doch jetzt der Reihe nach: Das Thema<br />
häusliche Gewalt und Interventionsstrategien<br />
ist seit der Veröffentlichung der Problematik –<br />
zumeist gegen Frauen gerichtete Gewalt in<br />
der Familie – durch die inter-nationale<br />
Frauenbewegung vor rund 30 Jahren von<br />
internationaler Bedeutung und seither<br />
zunehmend ein wichtiges Feld interprofessioneller<br />
Arbeit, in dem grenzüberschreitend<br />
Konzepte entwickelt und ausgetauscht<br />
werden.<br />
Der Fachbereich hat eine lange Tradition von<br />
Lehrangeboten, Praxis- und Forschungsprojekten<br />
und internationalen Kontakten zu<br />
diesem Thema, so dass ein solcher<br />
Die Teilnehmerinnen <strong>des</strong> Workshops<br />
24<br />
Workshop eine reizvolle Umsetzung in das<br />
diesjährige Studienprogramm schien.<br />
Eingeladen waren aus Fachhochschulen<br />
Prof. (FH) Maga. Elfriede Fröschl (Wien,<br />
Österreich), Prof. Gabriella Schmid (St.<br />
Gallen, Schweiz), Dozentin Maria Solèr<br />
(Luzern, Schweiz), die alle selbst langjährige<br />
praktische Erfahrungen in diesem Bereich<br />
haben sowie an der Konzeptentwicklung in<br />
ihren Ländern beteiligt waren und/ oder<br />
darüber veröffentlicht haben.<br />
Aus der Praxis haben Dipl.-Sozialarbeiterin<br />
Hildegard Calmano (Frauenberatungsstelle<br />
<strong>Oberursel</strong>) und Dipl.-Sozialarbeiterin Simone<br />
Holler (autonomes <strong>Frauenhaus</strong> Frankfurt),<br />
bei<strong>des</strong> frühere Absolventinnen unseres<br />
Fachbereichs, ihre langjährigen Erfahrungen<br />
und Kenntnisse als Referentinnen eingebracht.<br />
Geleitet wurde der Workshop von Prof. Dr.<br />
Margrit Brückner, Koordinatorin <strong>des</strong> Frauenschwerpunktes.<br />
Erfreulich war die aktive<br />
Teilnahme nicht nur Frankfurter Studierender,<br />
sondern auch zweier Schweizer<br />
Studentinnen der Fachhochschule St. Gallen.
Der Workshop wurde mit einem Grußwort der<br />
Dekanin Prof. Dr. Ursula Fasselt eröffnet.<br />
Thema <strong>des</strong> ersten Tages war „Das Private ist<br />
politisch – Gewalt gegen Frauen als<br />
öffentliches Thema“ als Einführung in die<br />
gesellschaftspolitische Entwicklung dieses<br />
Arbeitsfel<strong>des</strong> anhand von filmischen<br />
Beiträgen aus allen drei Ländern, die<br />
reichhaltigen Diskussionsstoff boten.<br />
Im Mittelpunkt <strong>des</strong> 2. Tages standen sowohl<br />
die unterschiedlichen institutionellen<br />
Rahmenbedingungen und Organisationsformen<br />
der einzelnen Länder im Kampf<br />
gegen häusliche Gewalt als auch allgemeine<br />
Fragen der Beratung und der<br />
Beziehungsdynamik. Der 3. Tag war der<br />
Vertiefung besonderer sozial-arbeiterischer<br />
Fragestellungen gewidmet, indem der<br />
Situation von Kindern als Zeugen und Opfern<br />
Ein deutsch-italienischer Praxisvergleich<br />
25<br />
häuslicher Gewalt nachgegangen und<br />
Ansätze der Arbeit mit Tätern diskutiert<br />
wurden.<br />
Alle drei Tage waren gekennzeichnet von<br />
einem lebhaften Austausch unter den Teilnehmenden,<br />
angeregt durch die Anwesenden<br />
aus verschiedenen Ländern und die<br />
Anwesenheit sowohl von Theoretikerinnen<br />
als auch Praktikerinnen.<br />
Doch an dem Wochenende wurde nicht nur<br />
gearbeitet, sondern die Gäste erhielten auch<br />
eine Führung durch Frankfurt, die in einer<br />
traditionellen Äppelwoikneipe in Sachsenhausen<br />
ihren Ausklang fand.<br />
Margrit Brückner, Fb4<br />
brueckn@fb4.fh-frankfurt.de<br />
Viel Neues und Interessantes erfuhren 10 Mitarbeiterinnen aus hessischen Frauenhäusern<br />
und Beratungsstellen im April bei einer Bildungsreise nach Italien, die von unserer Kollegin<br />
Hildegard Calmano und von Simone Holler aus dem Frankfurter <strong>Frauenhaus</strong> organisiert<br />
wurde. Das Thema dieser Reise war: „Frauenhäuser und Beratungsstellen: ein deutschitalienischer<br />
Praxisvergleich“. Die Gruppe besuchte Frauenprojekte in Pisa, Florenz, Prato<br />
und Bologna und musste feststellen, dass die Situation in Italien sich doch sehr von<br />
unserer unterscheidet.<br />
Für die wissenschaftliche Begleitung dieser Reise konnte die Fachhochschulprofessorin<br />
Magrit Brückner gewonnen werden. Sie führte an einem Nachmittag in Bologna<br />
zusammen mit der italienischen Kollegin Guiditta Creazzo eine vergleichende Diskussion<br />
zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung der Frauenhäuser aus sozialwissenschaftlicher<br />
Sicht, bei der die unterschiedliche Einbettung der <strong>Frauenhaus</strong>arbeit in Italien und<br />
Deutschland deutlich wurde.<br />
Ebenfalls in Bologna fand ein Besuch im rechtsmedizinischen Institut statt. Dr. med.<br />
Federica Lugaresi, eine Rechtsmedizinerin, berichtete über die multi-institutionelle<br />
Zusammenarbeit und den Aufbau eines Netzwerkes und einer rechtsmedizinischen<br />
Untersuchungsstelle für von Gewalt betroffene Frauen.<br />
Bei den italienischen Kolleginnen war großes Interesse an einem Gegenbesuch zu<br />
spüren. Wir arbeiten daran, dies in den nächsten 1 bis 2 Jahren zu realisieren, und<br />
rechnen mit der Unterstützung <strong>des</strong> hessischen Sozialministeriums, da die Emilgia Romana<br />
die Partner-Region von Hessen ist. In diesem Zusammenhang geht unser Dank auch<br />
nochmals an das Ministerium, das diese Reise finanziell unterstützt hat.
Infostände<br />
Mit zwei Infoständen zum Internationalen Tag „Keine Gewalt gegen Frauen“ waren wir<br />
diesmal mit Polizei, Frauenbeauftragten, Amnesty International und dem Weißen Ring am<br />
25. November in <strong>Oberursel</strong> und Usingen vertreten. In <strong>Oberursel</strong> trat dabei zum Gedenken<br />
an unsere im Jahr 2006 ermordete Vorstandsfrau Sonja Eisenkolb der Chor „Entrüstet<br />
Euch“ auf, in dem auch Sonja mitgesungen hatte.<br />
26
4. Zeit, Geld und Räume<br />
Wenn man unsere Arbeit – von außen betrachtet – in einem Satz beschreiben sollte, käme<br />
man vielleicht auf folgende Formulierung: Wir stellen Zeit und Räume zur Verfügung für<br />
Menschen, die in einer schwierigen Situation Hilfe suchen. Das haben wir mit vielen<br />
anderen helfenden Organisationen gemeinsam. Eine weitere Gemeinsamkeit ist auch,<br />
dass dieses Bereitstellen von Zeit, Fachwissen und Räumen Geld kostet.<br />
Projekt Neues <strong>Frauenhaus</strong><br />
Warum wollen wir ein neues <strong>Frauenhaus</strong>?<br />
Das <strong>Frauenhaus</strong> besteht seit 1985. Es befindet sich in einem privaten Einfamilienhaus,<br />
das durch den Verein angemietet ist.<br />
Das <strong>Frauenhaus</strong> verfügt über 21 Plätze, aufgeteilt in fünf Zimmern. Daher ist es häufig<br />
nicht möglich, jeder Familie ein eigenes Zimmer zuzuweisen. Frauen ohne Kinder müssen<br />
sich zu dritt oder zu viert ein Zimmer teilen.<br />
Der Vermieter ist nicht bereit, Instandhaltungs- und Reparaturkosten zu übernehmen.<br />
Somit entstehen dem Verein „Frauen helfen Frauen e. V.“ jährlich steigende<br />
Instandhaltungskosten, die eine effektive Bewirtschaftung <strong>des</strong> Objektes nicht ermöglichen.<br />
Gelder, die eigentlich für die Betreuung der Bewohnerinnen und ihrer Kinder dringend<br />
notwendig sind, müssen zunehmend für notwendige Reparaturen verwendet werden.<br />
Die beengte Raumsituation, aufgezeigt am Erdgeschoss<br />
Ein Sechsbett-Zimmer (16,0 m 2 ), eingerichtet mit zwei Etagenbetten und zwei Rollbetten,<br />
vorgesehen für eine Frau mit fünf Kindern oder für vier erwachsene Frauen.<br />
Ein Vierbett-Zimmer (14,6 m 2 ) mit einem Etagenbett, einem Rollbett und einem<br />
Kindergitterbett, vorgesehen für eine Frau mit drei Kindern oder für drei erwachsene<br />
Frauen.<br />
Eine Gemeinschaftsküche mit 10,3 m 2 und ein Badezimmer mit 4,4 m 2 .<br />
Private Rückzugsmöglichkeiten sind im <strong>Oberursel</strong>er <strong>Frauenhaus</strong> nicht vorhanden. Es gibt<br />
für alle nur ein Gemeinschaftswohnzimmer von 25 m 2 . Die beengte Situation verlangt von<br />
den Bewohnerinnen und ihren Kindern ständige gegenseitige Rücksichtnahme, obwohl<br />
sich alle in einer akuten Stresssituation befinden.<br />
Den Kindern fehlt es an Platz, um ungestört Hausaufgaben zu machen, zu spielen oder zu<br />
toben. Die Kinder leiden sehr unter der im Elternhaus miterlebten, mitangehörten,<br />
mitangesehenen Gewalt und dem Verlust der vertrauten häuslichen Umgebung. Sie<br />
brauchen viel Unterstützung und Zuwendung, um sich im Alltag wieder zu stabilisieren und<br />
weiterzuentwickeln. Die beengte Situation ist hier kontraproduktiv.<br />
27
Arbeitsgruppe Neues <strong>Frauenhaus</strong><br />
Unter Vorsitz <strong>des</strong> <strong>Oberursel</strong>er Bürgermeisters Hans-Georg Brum konnte die Arbeitsgruppe<br />
„Neues <strong>Frauenhaus</strong>“ einige Ideen und Vorstellungen konkretisieren, um die Realisierung<br />
<strong>des</strong> Projektes zu erreichen. Zu der Arbeitsgruppe gehören außerdem der erste Stadtrat,<br />
Herr Rosentreter, die Frauenbeauftragte Gabriela Wölki, je nach Fachgebietsfragen<br />
wechselnde Teilnehmer und zwei Mitarbeiterinnen <strong>des</strong> <strong>Vereins</strong> „Frauen helfen Frauen<br />
e.V.“ Hochtaunuskreis.<br />
Für das Grundstück, das die Stadt <strong>Oberursel</strong> dem Verein Frauen helfen Frauen zur<br />
Verfügung stellen will, wurde die notwendige Bebauungsplanänderung in die Wege<br />
geleitet. Die Vergabe <strong>des</strong> Grundstückes bedarf jedoch der Abstimmung im<br />
Stadtparlament.<br />
Es wurden drei Architektenbüros gefunden, die für den Verein unentgeltlich je einen ersten<br />
Entwurf für ein <strong>Frauenhaus</strong> erstellt haben. Damit einher ging auch ein erster Kostenplan.<br />
Bei zwei Entwürfen belaufen sich die Kosten auf rund 800.000 Euro. Der dritte Entwurf<br />
liegt deutlich darüber. Die Stadt <strong>Oberursel</strong> prüft die Vergleichbarkeit der Entwürfe<br />
hinsichtlich Kosten und Bauvolumen. Für die Finanzierung <strong>des</strong> Projekts werden wir den<br />
Hochtaunuskreis um Beteiligung bitten.<br />
Die Frage, ob sich ein Bauträger findet – zum Beispiel die Stadt <strong>Oberursel</strong> oder der<br />
Hochtaunuskreis – und der Verein das Objekt dann mietet (das wäre unser Wunsch) oder<br />
ob der Verein selbst bauen sollte, konnte noch nicht geklärt werden, ebenso wenig die<br />
damit einhergehenden vertraglichen Modalitäten.<br />
Wir wünschen uns für das Jahr 2008, dass alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte<br />
uns unterstützen und in positiver Weise entgegenkommen, damit Frauen und Kinder, die<br />
das <strong>Frauenhaus</strong> in Anspruch nehmen müssen, in einem größeren Haus angemessen<br />
leben und wohnen können. Dies ist in den Jahren, in denen das jetzige Haus diesem<br />
Zweck dient, zunehmend schwieriger geworden.<br />
Am Anfang <strong>des</strong> Sommers luden wir zu einer kleinen Veranstaltung ein, in der wir unser<br />
großes Projekt „Neues <strong>Frauenhaus</strong>“ vorstellten und um Hilfe, Tipps und Ratschläge baten.<br />
Es sind viele hilfreiche Informationen zusammengetragen worden.<br />
Kleine Wünsche werden sofort erfüllt, ...<br />
Da stand er plötzlich kurz vor 18:00 Uhr in der Beratungsstelle, der kleine Steppke. Ein<br />
bisschen verfroren und ein bisschen verheult.<br />
Der geübten Sozialarbeiterin schoss in Sekundenschnelle die ganze Palette durch den<br />
Kopf: Kin<strong>des</strong>misshandlung – Jugendamt – In Obhutnahme – um diese Zeit, oh Himmel, da<br />
ist kein Mensch mehr erreichbar…<br />
„Helfen Sie auch Kindern?“, fragte der Steppke zaghaft.<br />
„Wo brennt’s denn?“<br />
„Ich hab’ mein Fahrgeld für den Bus verloren“<br />
... große dauern etwas länger<br />
28
(aus: <strong>Oberursel</strong> Stadtmagazin Oktober 2007)<br />
Endlich geht es voran<br />
Der dringend notwendige Neubau <strong>des</strong> <strong>Frauenhaus</strong>es rückt in greifbare<br />
Nähe<br />
Haben Sie schon einmal Gewalt erlebt, weil<br />
Sie von Ihrem Mann bedroht oder geschlagen<br />
wurden? Oder kennen Sie eine Frau, die<br />
häusliche Gewalt erlebt? Nein? Dann haben<br />
Sie Glück gehabt! Denn jede dritte Frau wird<br />
min<strong>des</strong>tens einmal im Leben Opfer von<br />
Gewalt in der Partnerschaft. Für viele Frauen<br />
ist die Flucht ins <strong>Frauenhaus</strong> der einzige<br />
Ausweg aus einem meist jahrelangen Leiden.<br />
Drei oder vier Frauen wohnen in einem Zimmer<br />
Aktuelle Situation im <strong>Oberursel</strong>er<br />
<strong>Frauenhaus</strong><br />
Je<strong>des</strong> Jahr finden zwischen 70 und 90<br />
Frauen und ebenso viele Kinder im<br />
<strong>Frauenhaus</strong> <strong>des</strong> <strong>Vereins</strong> Frauen helfen<br />
Frauen e.V. Schutz und Unterkunft. Viele<br />
Frauen und ihre Kinder können aus<br />
Platzmangel nicht aufgenommen werden und<br />
müssen an andere Frauenhäuser<br />
weitervermittelt werden. Das <strong>Frauenhaus</strong><br />
verfügt über 21 Plätze, aufgeteilt in fünf<br />
Zimmer. Daher ist es häufig nicht möglich,<br />
29<br />
jeder Familie ein eigenes Zimmer<br />
zuzuweisen. Frauen ohne Kinder müssen<br />
sich zu dritt oder viert ein Zimmer teilen. Es<br />
gibt nur einen Gemeinschaftsraum und vor<br />
allem den Kindern fehlt es an Platz, um<br />
ungestört Hausaufgaben zu machen und zu<br />
spielen. Sie leiden sehr unter der im<br />
Elternhaus miterlebten, mit angehörten, mit<br />
angesehenen Gewalt und brauchen viel<br />
Unterstützung, um dies alles zu verarbeiten.<br />
Endlich ist eine Lösung in Sicht!<br />
Dass es eine Lösung für die angespannte<br />
räumliche Situation im <strong>Oberursel</strong>er<br />
<strong>Frauenhaus</strong> geben muss, ist unumstritten.<br />
Einige Zeit hat es gedauert, bis alle<br />
Vorstellungen für das neue <strong>Frauenhaus</strong><br />
berücksichtigt werden konnten, aber nun ist<br />
es endlich so weit: ein geeignetes<br />
Grundstück wurde gefunden, der Baubeginn<br />
ist in ein bis zwei Jahren möglich. Wichtige<br />
Voraussetzung ist jedoch auch eine<br />
abgesicherte Finanzierung.<br />
Die Kosten für den Neubau <strong>des</strong><br />
<strong>Frauenhaus</strong>es betragen min<strong>des</strong>tens 650.000<br />
Euro. Durch Spenden und sparsame<br />
Finanzwirtschaft ist Frauen helfen Frauen<br />
e.V. in der Lage, ca. 100.000 Euro in<br />
Eigenleistung aufzubringen. Auch der<br />
Hochtaunuskreis hat bereits seine finanzielle<br />
Beteiligung signalisiert. Jede Spende ist<br />
wichtig, damit das neue <strong>Frauenhaus</strong> bald<br />
Realität werden kann. Wenn Sie noch auf der<br />
Suche nach einem guten Zweck für Ihre<br />
diesjährige Weihnachts-Spendenaktion in der<br />
Firma sind oder wenn Sie privat etwas<br />
spenden wollen, würden Sie Gutes tun,<br />
indem Sie das Projekt „Neubau <strong>Oberursel</strong>er<br />
<strong>Frauenhaus</strong>“ unterstützen!
Die personelle Situation<br />
Alle Mitarbeiterinnen im <strong>Frauenhaus</strong> und in der Beratungsstelle sind Diplom-<br />
Sozialarbeiterinnen oder Diplom-Pädagoginnen mit Zusatzqualifikationen. Im <strong>Frauenhaus</strong><br />
arbeiten fünf Mitarbeiterinnen in Teilzeit. In der Beratungsstelle arbeiten zwei<br />
Mitarbeiterinnen mit je 37 Wochenstunden.<br />
Für die Buchhaltung und für die Gehaltsabrechnung haben wir externe Fachkräfte<br />
beauftragt.<br />
Praktikantinnen<br />
Die Arbeit im <strong>Frauenhaus</strong> und in der Beratungsstelle ist sehr vielfältig. Aus diesem Grunde<br />
haben wir viele Anfragen nach Praktikumplätzen, denen wir soweit wie möglich<br />
nachkommen.<br />
Im Jahr 2007 hatten wir im <strong>Frauenhaus</strong> und in der Beratungsstelle zur Ausbildung:<br />
zwei Studentinnen der Sozialarbeit an der Fachhochschule Frankfurt<br />
eine Pädagogik-Studentin der Universität Frankfurt<br />
eine Pädagogik-Studentin der Universität Marburg<br />
zwei Hospitantinnen der Fachhochschule Frankfurt<br />
Das Hospitationspraktikum ist ein neues Projekt der Fachhochschule Frankfurt. Hier<br />
müssen wir noch erproben, wie wir zukünftig mit diesem Hospitationspraktikum umgehen,<br />
denn dreißig Stunden sind zu wenig, um einen echten Einblick in die Arbeit zu bekommen.<br />
Das <strong>Frauenhaus</strong> hatte 2007 Anteil an der Ausbildung von Studentinnen der<br />
Fachhochschule Frankfurt (Fachbereich Sozialarbeit). Eine Studentin kam als Praktikantin<br />
für sechs Wochen, eine andere für vier Wochen, zwei weitere für dreißig Stunden<br />
(Hospitationspraktikum). Alle Praktikantinnen konnten vieles lernen und in der Praxis<br />
erproben.<br />
Die Praktikantinnen lernten den Alltag <strong>des</strong> <strong>Frauenhaus</strong>es mit den vielfältigen<br />
Anforderungen und die Komplexität <strong>des</strong> Projektes kennen. Je nach Ausbildungsstand der<br />
Praktikantin wurden ihnen unterschiedliche Aufgaben zugewiesen, beginnend mit der<br />
Kontrolle <strong>des</strong> Küchendienstes bis hin zum Gespräch mit der hilfesuchenden Frau. Die<br />
Praktikantinnen reflektieren die Arbeit und Hintergründe im Anleitergespräch mit der für sie<br />
zuständigen Kollegin.<br />
Auch in der Beratungsstelle wurden wieder Praktikantinnen ausgebildet, die entweder an<br />
der Fachhochschule oder an der Universität ein Sozialpädagogikstudium absolvieren.<br />
Unsere Praktikantin Nina hat die Fachtagung im Herbst aktiv mit vorbereitet und die<br />
Fotoaktion „Standpunkte“ organisiert.<br />
Im Beratungsstellenalltag nehmen die Praktikantinnen – sofern die Klientin es erlaubt – an<br />
den Beratungsterminen teil, allerdings nicht, wenn es sich um langfristige<br />
Beratungsgespräche handelt. Sie gehen mit zu Arbeitskreisen, machen Telefondienst,<br />
bekommen Einblick in die Verwaltungsabläufe, Finanzen und Statistik und können eigene<br />
Ideen ausprobieren. Glücklich sind wir Mitarbeiterinnen immer, wenn wir von den jungen<br />
Kolleginnen noch etwas lernen können – am meisten im EDV-Bereich!<br />
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Die finanzielle Situation<br />
Das Haushaltsvolumen für das Jahr 2007 betrug 333.000 Euro. Wir bekamen vom<br />
Hochtaunuskreis die gleichen Fördermittel, wie in den Jahren zuvor, das waren 122.400<br />
Euro. In diese Summe sind die ehemaligen Lan<strong>des</strong>mittel mit eingeflossen.<br />
Zusätzlich erhielten wir vom Hochtaunuskreis 9.000 Euro für die Arbeit der Beratungsstelle<br />
als Interventionsstelle.<br />
Die Zahlungen der Städte und Gemeinden <strong>des</strong> Hochtaunuskreises sind im Jahr 2007<br />
unverändert geblieben und belaufen sich auf 78.500 Euro.<br />
Eine weitere wichtige Einnahmequelle sind die Mieteinnahmen, die Bußgelder und die<br />
allgemeinen Spenden, die etwa ein Drittel unserer Kosten decken.<br />
Auch die Stelle unserer pädagogischen Fachkraft im Kinderbereich wurde durch<br />
zweckgebundene Spenden finanziert.<br />
Die Spendenakquirierung für das neue <strong>Frauenhaus</strong> wird erst dann voll anlaufen, wenn die<br />
vertraglichen Bedingungen genau geklärt sind. 14.600 Euro sind aber schon als<br />
zweckgebundene Spenden eingegangen und wurden entsprechend zurückgestellt.<br />
(aus: Frankfurter Rundschau vom 28. April 2007)<br />
Panne<br />
Junger Mann steckt in Altkleidercontainer fest<br />
HATTERSHEIM Bei dem britischen Spaßmacher<br />
Mr. Bean gab es ähnliche<br />
Missgeschicke schon öfter zu sehen, in den<br />
Straßen Hattersheims allerdings sicher noch<br />
nicht. Da steckte am Donnerstagabend ein<br />
junger Mann kopfüber in einem<br />
Altkleidercontainer, rief um Hilfe und<br />
strampelte mit den Beinen. Davor bemühte<br />
sich eine junge Frau, die Einwurfklappe<br />
aufzuhalten, damit der Rest <strong>des</strong> Pechvogels,<br />
der dort herausschaute, keinen Schaden<br />
nähme.<br />
Der von Passanten in die Königsberger<br />
Straße gerufenen Polizei wollte es nicht<br />
gelingen, den Hattersheimer aus seiner<br />
misslichen Lage zu befreien. Erst die<br />
Feuerwehr schnitt den 24-Jährigen mit<br />
schwerem Gerät aus seinem blechernen<br />
Gefängnis heraus. Mit Erleichterung stellten<br />
31<br />
die Retter fest, dass der Unglücksrabe<br />
unversehrt geblieben war.<br />
Hineingekrochen war er in den Sammelbehälter,<br />
um die Kleider seiner Freundin zu<br />
bergen, die er zuvor wutentbrannt dort<br />
entsorgt hatte. Die 21-Jährige, die mit dem<br />
Mann zusammenwohnt, hatte ihm nämlich im<br />
Verlaufe eines Streits mitgeteilt, aus der<br />
gemeinsamen Wohnung ausziehen zu<br />
wollen.<br />
Kurz nach seiner Tat packte den Hitzkopf<br />
jedoch die Reue und so startete er im Beisein<br />
seiner Freundin den Versuch, deren<br />
Garderobe vor einer Zweitverwertung zu<br />
bewahren. Als Folge seines Gefühlsausbruches<br />
muss er nun laut Polizei nicht nur für<br />
die Reparatur <strong>des</strong> Containers, sondern auch<br />
für den Feuerwehreinsatz aufkommen. WY
Spenden<br />
Dank zahlreicher Geldspenden gelang es uns, die Arbeit für die Frauen und Kinder im<br />
gleichen Umfang wie in den Jahren davor fortzusetzen.<br />
Im jährlichen Haushalt sind Spendeneinnahmen ein unverzichtbarer Bestandteil<br />
geworden. Über ein Drittel unserer jährlichen Kosten werden nicht durch die Gelder <strong>des</strong><br />
Kreises und der Kommunen gedeckt, diesen Betrag muss der Verein selbst erwirtschaften.<br />
Mit Spenden wird die Teilzeitstelle für das Kinderprojekt finanziert.<br />
Darüber hinaus spendeten uns viele Menschen Haus- und Bettwäsche, Spielzeug,<br />
Hausratsgegenstände, Hygieneartikel und viele Weihnachtsgeschenke für die Kinder.<br />
m Sommer hat die Theatergruppe <strong>Oberursel</strong> unter der Leitung von Frau Popadiuk das<br />
Kindertheater „Peppino und der dumme August“ an drei Samstagen aufgeführt. Der Erlös<br />
wurde für das Projekt „Neues <strong>Frauenhaus</strong>“ gespendet.<br />
Am Weihnachtsmarkt wurde Glühwein zu unseren Gunsten verkauft und es wurden<br />
Informationen zu unserem Verein, unserer Arbeit und dem „Neuen <strong>Frauenhaus</strong>“<br />
weitergegeben.<br />
Dank vieler engagierter Privatpersonen erhielten unsere Frauen und Kinder zu<br />
Weihnachten eine Menge wunderschöner Geschenke. Insbesondere die Kinder waren<br />
sehr glücklich, weil das Christkind ihnen das brachte, was sie sich schon lange gewünscht<br />
hatten.<br />
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Ein ganz herzliches<br />
DANKESCHÖN<br />
an alle Spenderinnen und Spender<br />
für Geldspenden,<br />
Sachspenden, Ratschläge und Worte der Ermunterung. Viele von Ihnen sind uns schon<br />
seit vielen Jahren verbunden und begleiten unsere Arbeit.<br />
Dank an alle <strong>Vereins</strong>mitglieder für die Unterstützung und das Engagement,<br />
den Menschen, die ungenannt bleiben möchten, sowie den<br />
Geburtstagskindern, die auf Geschenke zu unseren Gunsten verzichteten.<br />
Dank an die Amtsgerichte Bad Homburg, Königstein, Usingen und Frankfurt sowie der<br />
Amtsanwaltschaft Frankfurt für die Bußgeldzuweisungen.<br />
Wir danken im Namen der von uns beratenen und geschützten Frauen und Kindern.<br />
Architekturbüro Djafari und Euler<br />
Architektur- und Ingenieurbüro W15<br />
Anthyllis Institut für Naturkosmetische Behandlungen<br />
Basarkreis Kronberg<br />
Buchhandlung Bollinger<br />
Bürgerliste Bad Homburg<br />
Christusgemeinde <strong>Oberursel</strong><br />
Deutscher Frauenring e.V.<br />
Evangelische Kirchengemeinde St. Johann, Kronberg<br />
Evangelische Kirchengemeinde St. Georg, Steinbach<br />
Firma Römischer<br />
Fitnessgruppe TV Stierstadt<br />
Firma Neubronner GmbH & Co KG<br />
Firma Stempelmeer, <strong>Oberursel</strong><br />
Firma Schwörer<br />
Förderverein <strong>des</strong> Lions Club <strong>Oberursel</strong> e.V.<br />
Frankfurter Rundschau<br />
Inner Wheel Club Bad Homburg<br />
Karstadt Bad Homburg<br />
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Katholische Frauengemeinschaft St. Aureus & Justina<br />
Katholische Frauengemeinde St. Ursula<br />
Kindergarten Liebfrauen<br />
Kleiderbasar der SPD-Frauen<br />
Kunstgriff e.V.<br />
Mainova AG<br />
<strong>Oberursel</strong>er Wohnungsgenossenschaft e. G.<br />
Procter & Gamble<br />
Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG<br />
Rotary Club <strong>Oberursel</strong><br />
St. Mary’s Parish of English Speaking Catholics<br />
Schnelle Hilfe in Not e.V.<br />
Soroptimist International Club Taunus<br />
Taunus Golfclub Weilrod<br />
Taunus-Sparkasse<br />
Tickets Palm, Bad Homburg<br />
Turnfrauen Rod am Berg<br />
Turnfrauen Wehrheim<br />
Zonta Club Bad Homburg<br />
Durch Ihre Unterstützung können wir unsere Arbeit qualifiziert fortführen.<br />
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