Platon und Hegel - Friedrich Kümmel
Platon und Hegel - Friedrich Kümmel
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durch ihn selbst sich ausbilden läßt: »Der Mensch kennt nur sich<br />
selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich <strong>und</strong> sich nur in ihr<br />
gewahr wird. Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues<br />
Organ in uns auf.« (aaO. 16, 880) Das ganze Verhältnis rückt in die<br />
Äußerlichkeit eines sich durch sich selbst erfüllenden <strong>und</strong> aus sich<br />
begründenden Erfahrungszusammenhanges, der über seine unabsehbaren<br />
Voraussetzungen selbst »entscheiden« muß <strong>und</strong> ihre unbestimmte<br />
Möglichkeit durch sich selbst erst zum Austrag bringt. Die phänomenale<br />
Wirklichkeit hat das Wesen in sich selbst als ihre eigene erscheinende<br />
Tiefe (ein »heilig öffentlich Geheimnis«; 1,519). Das polare<br />
Gesetz ihres Zusammenhangs läßt sich nicht auf das zugr<strong>und</strong>eliegende<br />
Substrat abbilden oder von dessen Gesetzlichkeiten her verstehen.<br />
Die Weise <strong>und</strong> Ordnung des »wahren Scheins« (aaO.) ist ursprünglich<br />
auf wahrnehmende Subjekte bezogen, aber nicht auf deren<br />
Organisation zurückführbar <strong>und</strong> vielmehr diese selbst bedingend. Der<br />
Mensch erkennt »die Welt in sich«, weil er »sich in ihr« befindet <strong>und</strong><br />
darin selbst bestimmen <strong>und</strong> finden kann. Das durch sich selbst ermöglichte<br />
<strong>und</strong> ausgebildete Verhältnis läßt gar keine Alternative von einseitig<br />
begründender Subjektivität oder Objektivität mehr zu. Seine<br />
sich ständig umwandelnde Bestimmtheit verweist auf unbestimmte<br />
Gr<strong>und</strong>lagen (ein »doppelt Unendliches«; 17,11), die sich nur im Verhältnis<br />
von »Wirkung« <strong>und</strong> »Gegenwirkung« (vgl. 16, 907 f.) wechselseitig<br />
einschränken lassen <strong>und</strong> durcheinander formulierbar werden.<br />
Dem unendlichen Verhältnis kann nur eine sich von zwei Seiten her<br />
im Zirkel einschränkende mittlere Bestimmtheit gerecht werden, die<br />
ihre offene Verweisung behält <strong>und</strong> doch in ihrem »Spielraum« ein<br />
»Maß« hat <strong>und</strong> nicht schlechthin unbegreiflich bleibt. Um sie zu erfassen,<br />
muß »mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen«<br />
sein (16,879) <strong>und</strong> die Analyse sich mit der Synthese notwendig<br />
verbinden. »Dich im Unendlichen zu finden / Mußt unterscheiden<br />
<strong>und</strong> dann verbinden.« (1,524) Oder in anderer Formulierung ausgedrückt:<br />
»Möge doch jeder von uns bei dieser Gelegenheit sagen, daß<br />
Sondern <strong>und</strong> Verknüpfen zwei unzertrennliche Lebensakte sind. Vielleicht<br />
ist es besser gesagt: daß es unerläßlich ist, man möge wollen oder<br />
nicht, aus dem Ganzen ins Einzelne, aus dem Einzelnen ins Ganze zu<br />
gehen, <strong>und</strong> je lebendiger diese Funktionen des Geistes, wie Aus-<br />
<strong>und</strong> Einatmen, sich zusammen verhalten, desto besser wird für die<br />
Wissenschaften <strong>und</strong> ihre Fre<strong>und</strong>e gesorgt sein.« (17,395) Wenn man<br />
aber so verfahren muß, »man möge wollen oder nicht«, kommt alles<br />
darauf an, wie dieser Kreis beschritten wird, <strong>und</strong> hier setzt dann die<br />
Auseinandersetzung Goethes mit einem unzureichenden Hypothesenbilden<br />
<strong>und</strong> Ableiten, mit voreiligen Systembildungen <strong>und</strong> Bequemlichkeiten<br />
erst ein. Entscheidend wichtig ist für sein Verfahren die<br />
Einsicht, daß die »unendliche« Beziehung durch eine bleibende Inkon- <br />
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