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<strong>Band</strong> IV<br />
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o<strong>de</strong>r<br />
wie Igor <strong>de</strong>m verlorenen Ring nachjagte,<br />
von an<strong>de</strong>ren Ringjägern gejagt wur<strong>de</strong>,<br />
die Herzogin von Rauricaria kennenlernte<br />
und<br />
mit <strong>de</strong>n Gefährten gar viel Fährnisse bestand.<br />
<strong>Band</strong> IV.1
<strong>Band</strong> IV.2
Tika und immer weiter<br />
Der nächste Tag war ausgefüllt mit Besorgungen, hatten doch sowohl <strong>de</strong>r eitle<br />
Gnom, als auch die Heldinnen und natürlich auch <strong>de</strong>r Bastard vor, bei einem<br />
Empfang <strong>de</strong>r Herzogin von Rauricaria einigermaßen or<strong>de</strong>ntlich, vielleicht sogar<br />
hübsch auszusehen. Denn die Herzogin von Rauricaria war ja die ehemalige<br />
Königin von Lhorin und die Mutter <strong>de</strong>r jetzigen rechtmäßigen Königin und<br />
Schwiegermutter <strong>de</strong>s regieren<strong>de</strong>n Makors von Saas-Kwaaq. Und damit eine <strong>de</strong>r<br />
Hauptpersonen dieses ganzen unrühmlichen Bürgerkrieges. Wie sollte man einer<br />
solchen Frau gegenübertreten? Sicher nicht in zerschlissenen Klei<strong>de</strong>rn.<br />
Akara kaufte sich <strong>de</strong>shalb feines elfisches Linnen, aus <strong>de</strong>m ihr ein einfaches aber<br />
geschmackvolles Kleid zugeschnitten wur<strong>de</strong>. Am Leib war es körperbetont<br />
geschnitten ohne einengend zu sein und fiel in lockerem Schwung bis auf<br />
Knöchelhöhe. Die weiten Ärmel und <strong>de</strong>r großzügige aber nicht zu frivole Ausschnitt<br />
gefasst von feiner farblich abgestimmter thyrscher Borte. Ein feines Stück und zum<br />
Tanzen sehr geeignet, und getanzt wird auf herzoglichen Empfängen immer, durfte<br />
sie zu ihrer Freu<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>rin erfahren.<br />
Kelen begleitete sie wohl, ihr schmales Vermögen reichte aber nur für einen<br />
schlichten neuen Mantel und als das Gespräch aufs Tanzen kam, machte sie kein<br />
so glückliches Gesicht, <strong>de</strong>nn diese Kunst war ihr bisher fremd. Doch Akara bot sich<br />
an bei Gelegenheit eine Einführung zu geben.<br />
Leros und Summs erstan<strong>de</strong>n feine Westen und saubere Blusen sowie neue<br />
Le<strong>de</strong>rhosen. Der Gnom feilschte lange um einen Satz silberner Westenknöpfe und<br />
dazu passen<strong>de</strong>r Schuhschnallen. Passten doch diese Tupfen Silber beson<strong>de</strong>rs gut<br />
zu <strong>de</strong>m satten Aubergine in <strong>de</strong>m die Weste gehalten war.<br />
Der Zwerg hatte keinen Bedarf an so etwas, er kaufte sich nur eine ausreichen<strong>de</strong><br />
Menge von Stahlpolitur und Le<strong>de</strong>rwichse, „<strong>de</strong>nn was ein richtiger Zwerg ist, <strong>de</strong>r tritt<br />
in Rüstung auf.“ Und <strong>de</strong>r Bastard entschied sich für einen unauffälligen<br />
graubraunen Umhang, von <strong>de</strong>m es hoffte, daß es damit wenig auffallen wür<strong>de</strong>, und<br />
falls doch, daß es damit als Pilger durchgehen wür<strong>de</strong>.<br />
Aber etwas eitel war es doch, <strong>de</strong>nn es leistete sich nach langem Han<strong>de</strong>ln ein<br />
kleines Kästchen, das innen einen Spiegel angebracht hatte. Im Kästchen waren<br />
neben einer silbernen Bürste noch ein kleines Flakon mit Parfüm, das ihm<br />
wohlriechen<strong>de</strong> Erinnerungen an bessere Zeiten bringen sollte.<br />
Nur adäquates Schuhwerk konnte keiner <strong>de</strong>r Abenteurer so schnell fin<strong>de</strong>n, ein<br />
Schuhmacher braucht halt länger als einen Tag. Aber sie ließen sich die Adresse<br />
eines edlen Schuhmachers in Katin geben, auf daß sie dort vielleicht diese Not<br />
lin<strong>de</strong>rn konnten. Dafür hatten die sechs fast ihren gesamten Sold ausgegeben, nur<br />
was an Beute noch über war hatten sie jetzt noch an barer Münze. Aber was sollte<br />
es, schließlich waren sie jetzt auch keine Soldaten mehr, sie waren freie Bürger <strong>de</strong>r<br />
Andalanen und wür<strong>de</strong>n sicher eine Arbeit fin<strong>de</strong>n wenn es <strong>de</strong>nn nötig wäre.<br />
Am nächsten Tag wollten sie nach Katin aufbrechen, zuvor wollten sie sich jedoch<br />
beim Vogt noch verabschie<strong>de</strong>n.<br />
Dies traf sich gut, <strong>de</strong>nn er überreichte ihnen Papiere und beschrieb ihnen genau<br />
<strong>de</strong>n Weg: „Zuerst immer nach Nor<strong>de</strong>n zur Spornburg, <strong>de</strong>n Weg kennt ihr ja schon.<br />
Dort könnte ihr mit euren Begleitbriefen Einlaß und Unterkunft und Kost bekommen.<br />
Genau wie bei allen an<strong>de</strong>ren Lehnsmännern und Vögten von ganz Rauricaria, <strong>de</strong>nn<br />
ihr seid eingela<strong>de</strong>ne Gäste unserer Herzogin. Von <strong>de</strong>r Burg aus also weiter nach<br />
Nor<strong>de</strong>n immer <strong>de</strong>n Weg lang. Ihr müßt insgesamt sehr weit nach Nor<strong>de</strong>n, bis<br />
<strong>Band</strong> IV.3
Nasont. Unterwegs wer<strong>de</strong>t ihr sicher vier o<strong>de</strong>r fünfmal Rast machen müssen, o<strong>de</strong>r<br />
sogar noch öfter, ich weiß ja nicht wie gut euch das Reisen mit Maultieren<br />
bekommt.“ Der Vogt musterte hierbei <strong>de</strong>n Zwergen. „Wie <strong>de</strong>m auch sei, ihr müßt bis<br />
fast in <strong>de</strong>n Nor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Halbinsel um einen Paß über <strong>de</strong>n Bergrücken zu fin<strong>de</strong>n,<br />
Dieser Paß ist <strong>de</strong>r Krähenpaß, und seine Aussicht ist phantastisch. Auch die Küche<br />
<strong>de</strong>s Gasthofes auf <strong>de</strong>r Paßhöhe hat einen guten Ruf.“<br />
„Vom Krähenpaß aus müßt ihr dann wie<strong>de</strong>r nach Sü<strong>de</strong>n die Straße führt euch dann<br />
nach Katin.“<br />
„Und es gibt keinen schnelleren Weg nach Katin?“ Kelen war begierig am Hof zu<br />
erscheinen.<br />
„Doch, und zwar <strong>de</strong>r Weg Richtung Murgos, <strong>de</strong>r Hauptstadt <strong>de</strong>s Herzogtums<br />
Fallnets, unserer Fein<strong>de</strong>. Die Kämpfe sind dort etwas abgeflaut, aber ich wür<strong>de</strong><br />
mich nicht darauf verlassen.“<br />
„Aber nun zu etwas an<strong>de</strong>rem. Ihr hattet mich bei unserem letzten Gespräch nach<br />
einem flüchtigen Zauberer gefragt.“ Der Vogt sprach Leros und Summs an, die<br />
an<strong>de</strong>ren waren nicht dabei gewesen. Könnte ich noch einmal eine genaue<br />
Beschreibung <strong>de</strong>s Mannes habe?“ Kelen, die Katarrh am besten kannte beschrieb<br />
ihn in allen Einzelheiten..<br />
Der Vogt fuhr dann fort: „Nun, ich habe vor kurzer Zeit Nachricht <strong>de</strong>r Ermittlungen<br />
<strong>de</strong>r Stadtwachen bekommen. Ein Mann, auf <strong>de</strong>n eure Beschreibung paßt ist vor<br />
zwei Tagen eilends gen Nor<strong>de</strong>n geritten. Da keine Suche ausgeschrieben war, er<br />
nicht verdächtig aussah und sich als andalanischer Teilnehmer <strong>de</strong>r Schlacht gegen<br />
Marin ausweisen konnte konnte er das Stadttor passieren. Jetzt tut es mir natürlich<br />
leid euch dies erst jetzt berichten zu können, aber <strong>de</strong>r Diensthaben<strong>de</strong> hatte gestern<br />
Freischicht und trat erst heute seinen Dienst wie<strong>de</strong>r an. Aber mit etwas Glück könnt<br />
ihr in ja immer noch einholen. Ich habe mir erlaubt euch sieben Maultiere zur<br />
Verfügung zu stellen, sie sind allerdings Eigentum <strong>de</strong>r Armee und müssen in Katin<br />
zurückgegeben wer<strong>de</strong>n, als Beweis, daß ihr sie nicht gestohlen habt gilt dieser<br />
Schein hier.“ Er zeigte auf ein Dokument. „Und das ist <strong>de</strong>r Passierschein aus <strong>de</strong>r<br />
Stadt heraus, <strong>de</strong>n je<strong>de</strong> Gruppe braucht. Und hier noch ein Empfehlungsschreiben<br />
an <strong>de</strong>n Vogt von Nasont, ein guter Freund von mir...“ Der Vogt teilte noch weitere<br />
Dokumente aus, bis sie sich schließlich losreißen konnten.<br />
Sie führten die Maultier zu ihrer Unterkunft, dort belu<strong>de</strong>n sie sie mit ihrer<br />
Ausrüstung und schließlich ritten sie los. Es war zwar etwas spät gewor<strong>de</strong>n, aber<br />
sie hatten das Gefühl nicht länger säumen zu dürfen. Auf <strong>de</strong>m Weg aus <strong>de</strong>r Stadt<br />
hielt ein <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren unbekannter Händler Summs an und fragte ihn wie es <strong>de</strong>nn<br />
mit <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>l sei. „Nun ja,“ entgegnete <strong>de</strong>r Gnom vorsichtig.“ Wir müssen uns<br />
noch über <strong>de</strong>n Preis unterhalten, aber grundsätzlich glaube ich schon, daß ein<br />
Interesse besteht zu verkaufen. Aber wir müssen jetzt los, lei<strong>de</strong>r habe ich keine<br />
Zeitmehr, Wie<strong>de</strong>rsehen und Lebt wohl!.<br />
Der Händler rief ihm hinterher „Ihr seht ja dann meinen Cousin in Katin.“ Dann<br />
waren die sechs um eine Ecke.<br />
„Wer war <strong>de</strong>nn das?“ wollte Kelen wissen, „<strong>de</strong>r sieht ja schon eher unsympathisch<br />
aus.“ Summs räusperte sich erst ein paar mal, aber er als er dann zu Re<strong>de</strong>n<br />
anfangen wollte fiel ihm Akara ins Wort: „Das ist Herr Kolphos, er gehört zur<br />
berühmten Händlerfamilie <strong>de</strong>r Rolf aus Thyr. Ich habe ihm gestern die Rüstung aus<br />
Marin verkauft, die wir so lange mit uns herumgeschleppt hatten, er hat mir, glaube<br />
ich, einen recht guten Preis gemacht. Was Summs noch mit ihm besprochen hat<br />
weiß ich natürlich nicht, wollte er von dir auch etwas kaufen Summs?“<br />
„Na ja, es gibt noch mehr An<strong>de</strong>nken von unseren Abenteuern, die einen Händler<br />
<strong>Band</strong> IV.4
interessieren...“ gedankenverloren spielte er mit seinem Messer. „Aber ich will ihn<br />
erst einmal hinhalten, vielleicht wird <strong>de</strong>r Preis ja besser. Außer<strong>de</strong>m habe ich so ein<br />
Gefühl was diese Rüstung angeht, daß da <strong>de</strong>r Preis auch hätte besser sein<br />
können.“<br />
„Vielleicht hast du ja recht, aber sollten wir dieses scheppern<strong>de</strong> Ding etwa bis Katin<br />
schleppen?“<br />
„Scheppern<strong>de</strong>s Ding! So eine schön gearbeitete Rüstung!“ Ozirk war empört. „Und<br />
dann re<strong>de</strong>t ihr über sei<strong>de</strong>ne Elfenbän<strong>de</strong>r, als ob das eine handwerkliche<br />
Meisterleistung wäre. Ich wette, Zwerge, wenn sie sich um einen solchen Tand<br />
kümmern sollten, wür<strong>de</strong>n viel bessere Bän<strong>de</strong>r fabrizieren.“ Damit war dieses Thema<br />
aus seiner Sicht erledigt.<br />
Der erste Teil <strong>de</strong>s Weges war ihnen ja bereits bekannt, sie waren ihn ja einmal hin-<br />
und einmal zurück marschiert als die Burg belagert und erstürmt wur<strong>de</strong>n. Sie<br />
kamen an <strong>de</strong>r Burg erst am zweiten Tag ihrer neuen Reise an, <strong>de</strong>nn so schnell<br />
waren sie mit <strong>de</strong>n ungewohnten Maultieren doch nicht. Die an<strong>de</strong>ren konnten das<br />
jammrige „zu Fuß wären wir schneller gewesen“ <strong>de</strong>r Zwerges nicht mehr hören. Der<br />
Bastard hingegen jammerte nur leise vor sich hin, <strong>de</strong>nn er wußte es noch besser<br />
als die an<strong>de</strong>ren, daß er zu Fuß ganz sicher nicht schneller war.<br />
Nach einer kurzen Nacht in <strong>de</strong>n Wiesen brachen sie früh auf um im Laufe <strong>de</strong>s<br />
Vormittages die Burg zu erreichen. Dort machten sie nur eine Mittagsrast,<br />
versorgten sich mit frischer Nahrung und machten sich dann auf <strong>de</strong>n Weg zum<br />
nächsten Dorf. Auf ihre Frage, ob jemand, <strong>de</strong>r aussah wie Katarrh vor ihnen<br />
vorbeigekommen war konnte die Besatzung <strong>de</strong>r Burg nicht antworten.<br />
Erst spät in <strong>de</strong>r Nacht erreichten sie das nächste Dorf, in <strong>de</strong>m sie trotz<strong>de</strong>m vom<br />
Dorfvorsteher freundlich aufgenommen wur<strong>de</strong>n. Er konnte zwar die Schreiben nicht<br />
lesen, erkannte aber das Siegel <strong>de</strong>r Herzogin.<br />
Am nächsten Morgen erfuhren sie, daß man <strong>de</strong>n Zauberer hier hatte vorbei reiten<br />
sehen, er sah wohl etwas heruntergekommen aus, hatte aber weiterhin zwei Tage<br />
Vorsprung.<br />
„Den holen wir nie ein“ meinte Summs. „Mit unseren Maultieren gegen ein Pferd!“<br />
„Warte es ab“ entgegnete ausgerechnet Ozirk. „Wir sparen uns die Suche nach<br />
Nahrung und nach einer Unterkunft. Zu<strong>de</strong>m befin<strong>de</strong>n wir uns nicht in<br />
unfreundlichem Gebiet und müssen <strong>de</strong>shalb nicht vorsichtig sein. Außer<strong>de</strong>m sind<br />
die Maultiere im Gebirge einem Pferd überlegen!“<br />
Doch Igor ließ die Hoffnung bereits fallen. Der Ring, das Gefühl <strong>de</strong>r Macht, das es<br />
durchflutet hatte. Der Bastard hatte dabei die ganze Zeit das Gefühl, als fehle im<br />
etwas, als hätte jemand ein Stück aus seinem Inneren herausgeschnitten und<br />
weggeworfen, genauer gesagt, als wäre da noch eine hauchfeine Verbindung, dünn<br />
wie ein Spinnenfädchen, das hinter seinen Magen festgebun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n war und es<br />
jetzt nach Nor<strong>de</strong>n ziehen wür<strong>de</strong>, als ob dort das fehlen<strong>de</strong> Teil Igors wäre. Und wer<br />
weiß welche Mächte auf seinen Träger dieser Ring noch hatte. Auf Akara wohl<br />
keine Macht mehr, <strong>de</strong>nn sie war unter seinem Bann gewesen und hatte sich<br />
schließlich, wenn auch mit Hilfe lösen können. Und nach<strong>de</strong>m nun die Göttin ihre<br />
Abscheu gezeigt hatte. Aber Igor, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Ring beherrscht hatte und nicht<br />
umgekehrt... . Doch was sollte dieses Grübeln, jetzt hieß es die Meilen hinter sich<br />
bringen. Zum Glück waren sie nicht mehr in umkämpften Gebiet, <strong>de</strong>nn die Armee<br />
Marins war aus dieser Gegend schon lange wie<strong>de</strong>r abgezogen.<br />
So ritten sie <strong>de</strong>nn auf <strong>de</strong>m Pfad <strong>de</strong>r parallel zur Küste <strong>de</strong>r Halbinsel streng gen<br />
Nor<strong>de</strong>n ging.<br />
<strong>Band</strong> IV.5
Das Meer bekamen sie aber nur an wenigen Punkten zu sehen. Wohl aus Furcht<br />
vor Seeräubern hielt sich <strong>de</strong>r Weg immer ein gutes Stück im Lan<strong>de</strong>sinneren.<br />
Zur Mittagsrast hatten einige <strong>de</strong>r ungeübten Reiter große Probleme ihre steifen<br />
Glie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Maultieren herabzuquälen. Nachtquartier bezogen sie in einem<br />
kleinen Ort <strong>de</strong>ssen Vogt Larfarg nur über zwei Mann verfügte, die zu<strong>de</strong>m oft als<br />
Boten unterwegs waren. Erfreut über die Abwechslung gab er ihnen <strong>de</strong>n<br />
gewünschten Raum. Am nächsten Morgen zogen sie nach reichlichem Frühstück<br />
und von Segenswünschen begleitet weiter. Der Ort begann sich auch schon<br />
sichtbar von <strong>de</strong>n Verheerungen <strong>de</strong>s Krieges zu erholen. Die aus Nasont und <strong>de</strong>n<br />
Bergen zurückgekehrten Bewohnern hatten bereits neue Strohdächer auf ihre<br />
Häuser gesetzt und ein Grossteil <strong>de</strong>r Fel<strong>de</strong>r war wie<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Pflug. Nur im<br />
Tierbestand waren noch Lücken <strong>de</strong>utlich zu erkennen und zwei Jahre Ernteausfall<br />
ließ viele verstärkt im Wald sammeln gehen um das von <strong>de</strong>r Herzogin vorgesteckte<br />
Saatgetrei<strong>de</strong> nicht angreifen zu müssen.<br />
Die nächste Nacht verbrachten sie im Freien und mancheiner von ihnen streckte die<br />
blanke Rückseite in <strong>de</strong>n kühlen<strong>de</strong>n Nachtwind.<br />
Doch weiter zogen sie und erreichten am Abend <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Tages schließlich<br />
das kleine Städtchen Mirlintir, das an <strong>de</strong>r Mündung eines Flusses <strong>de</strong>s Mirlin<br />
angelegt war. Der Fluß mün<strong>de</strong>te in eine große Bucht, einem richtigen natürlichen<br />
Hafen, an <strong>de</strong>ssen Ausgang zu bei<strong>de</strong>n Seiten Befestigungen angebracht waren um<br />
dieses kleine Zentrum <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls und <strong>de</strong>r Wirtschaft zu schützen. Obwohl <strong>de</strong>r<br />
Abend noch nicht sehr weit fortgeschritten war machten sie beim dortigen Vogt<br />
P.F.Lei<strong>de</strong>rer eine Rast, da sie zum einen durch die schnelle Reise sehr erschöpft<br />
waren, zum an<strong>de</strong>ren hatte <strong>de</strong>r Vogt sie zu einem Jagdausflug am Abend<br />
eingela<strong>de</strong>n und Leros wollte sich diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen<br />
lassen.<br />
Igor und Ozirk lehnten dankend die Einladung ab, hatten doch bei<strong>de</strong> wun<strong>de</strong><br />
Hinterteile und hätten sicher wenig Gefallen an weiteren Anstrengungen.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re Igor jammerte die ganze Zeit, daß ihm sein Stummelschwänzchen<br />
weh tun wür<strong>de</strong> und es hätte noch nie so gelitten, noch nicht einmal als Sklave auf<br />
<strong>de</strong>r Galeere o<strong>de</strong>r damals als es <strong>de</strong>n Hafen ausbaggern mußte...<br />
„Du bist ja auch meist erschöpft und ohnmächtig gewesen“ versuchte Akara ihn in<br />
die Realität zurückzubringen, „und jetzt bist du frei und <strong>de</strong>in eigener Herr.“<br />
„Was weißt du <strong>de</strong>nn schon von Freiheit?“ <strong>de</strong>r Bastard war richtig wütend. „Du<br />
vergißt, daß es mir mein Herz zerreißt, es wird mir aus <strong>de</strong>r Brust gerissen und will<br />
nach Nor<strong>de</strong>n, obwohl mein Hintern kaum auf das heymliche Gemach sitzen mag.“<br />
Der Bastard jammerte also weiter, während Akara, Summs und Kelen die<br />
Gelegenheit zu einem erfrischen<strong>de</strong>n Bad nutzen. Leros hingegen nutzte wie schon<br />
gesagt dieses Angebot gerne und schoß tatsächlich einen kapitalen Bock, <strong>de</strong>n es<br />
dann auch zum Nachtmahl gab.<br />
Nach<strong>de</strong>m die Hel<strong>de</strong>n am nächsten Morgen die weitere Wegbeschreibung und<br />
einiges an Wegzehrung erhalten hatten machten sie sich bereits im Morgengrauen<br />
wie<strong>de</strong>r auf die Jagd nach <strong>de</strong>m Ringdieb.<br />
Der nächste Ort an <strong>de</strong>m sie rasteten, war von <strong>de</strong>n Kriegswirren sehr mitgenommen<br />
wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r hiesige Verwalter hauste nur in einem heruntergekommenen Bau, fast<br />
eine Hütte. Wi<strong>de</strong>rwillig machte er <strong>de</strong>n Abenteurern Platz, bewirten konnte er sie<br />
jedoch mangels Vorräten nicht, <strong>de</strong>shalb lu<strong>de</strong>n ihn die sechs zum gemeinsamen<br />
Nachtmahl ein, da sie ja noch genügend Rehbraten hatten.<br />
Die sechs wur<strong>de</strong>n in ein Zimmer einquartiert, in <strong>de</strong>nen früher wohl das Gesin<strong>de</strong><br />
gehaust hatte, jetzt fand sich nur einfaches Stroh auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n als Ruhestätte.<br />
<strong>Band</strong> IV.6
„Besser als Reiten“ knurrte Ozirk, <strong>de</strong>ssen Laune im Laufe dieses Rittes immer<br />
weiter gesunken war. Sein Gott war ihm erschienen um ihm eine Aufgabe zu<br />
geben, und während er sich <strong>de</strong>n Hintern wund rieb konnte dieser Zauberer<br />
wahrscheinlich bereits <strong>de</strong>n Krähenpaß überwin<strong>de</strong>n. Ein Versagen für <strong>de</strong>n Zwerg,<br />
<strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>shalb unwürdig und nutzlos vorkam.<br />
Auch Akara war von ähnlichen Gefühlen geplagt und schlief ebenso wie Igor einen<br />
unruhigen Schlaf. Mitten in <strong>de</strong>r Nacht wur<strong>de</strong> Igor von einem leisen klirren<strong>de</strong>n<br />
Geräusch wach.<br />
„Was kann dies sein? fragte es sich schlaftrunken. „Scheppern die Wachen etwa<br />
mit ihren Waffen.<br />
Ach nein, wir haben ja keine Wachen aufgestellt, weil wir ja in einem Haus in einem<br />
friedlichen Gebiet nächtigen. – Keine Wachen? Was klirrt <strong>de</strong>nn dann?“ Plötzlich war<br />
es hellwach und schreckte auf. Ein Schmerz fuhr durch sein rechtes Ohr, als ob<br />
jemand an einem seiner gol<strong>de</strong>nen Ringe gezerrt hätte. Im Dunkeln erkannte er eine<br />
elfische Gestalt, die sich über ihn beugte und die Hand an das Ohr <strong>de</strong>s Bastards<br />
gelegt hatte. Mit einem Fluch fuhr es auf, mit einem Schrei schreckte <strong>de</strong>r Elf zurück,<br />
ein Messer zuckte in seiner Hand, aber er stach nicht zu son<strong>de</strong>rn flüchtete schnell<br />
aus <strong>de</strong>m Raum, so schnell, daß <strong>de</strong>r Bastard kaum Zeit hatte Alarm zu rufen o<strong>de</strong>r<br />
nach ihm zu greifen.<br />
Vom Lärm wachten die an<strong>de</strong>ren sofort auf, auch wenn sie keine Wachen aufgestellt<br />
hatten, so lagen ihre Waffen doch griffbereit. Summs und Leros waren diejenigen,<br />
die am schnellsten aufgesprungen waren, sie eilten <strong>de</strong>m flüchten<strong>de</strong>n Elfen hinterher<br />
und riefen und schrien Feuer und Mordio. Ozirk war trotz seines Panzers, in <strong>de</strong>m er<br />
wie in je<strong>de</strong>r Nacht, so auch in dieser Nacht schlief ebenfalls bereits auf <strong>de</strong>m Weg in<br />
das Dunkle <strong>de</strong>r Nacht, er drehte sich jedoch um beugte sich zu Kelen. Jene lag<br />
trotz <strong>de</strong>s Lärms weiter schlafend am Bo<strong>de</strong>n, als ob nichts geschehen wür<strong>de</strong>.<br />
„Akara!“ rief <strong>de</strong>r Schmied, „schnell komm zu Kelen, sieh doch, sie wur<strong>de</strong><br />
erstochen!“<br />
Akara war zwar bereits auf <strong>de</strong>m Sprung nach draußen, drehte jedoch sofort um.<br />
“Was ist mit Kelen? Das darf doch nicht sein!“ Tränen füllten ihre Augen. Als sie<br />
sich zur Zauberin hinunter beugte. „Nein sieh doch, Kelen lebt, sie atmet. Aber<br />
diese Wun<strong>de</strong>... Das war Gift!“<br />
„Was war Gift?“ Summs war wie<strong>de</strong>r zurückgekehrt „Ist <strong>de</strong>r Bastard verletzt?“<br />
„Nein, Kelen“ antwortete die Priesterin. „Igor sitzt nur vor Schreck gelähmt in <strong>de</strong>r<br />
Ecke, Kelen jedoch wur<strong>de</strong> nie<strong>de</strong>rgestochen und ist bewußtlos o<strong>de</strong>r in einem tiefen<br />
Schlaf.“ Leise fügte sie hinzu: „Ich hoffe, es ist nichts Schlimmeres, <strong>de</strong>nn dies geht<br />
über meine beschei<strong>de</strong>nen Fähigkeiten. Was habt ihr bei<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Nacht erkennen<br />
können?“ Ihr Blick ruhte fragend auf <strong>de</strong>m Gnom.<br />
„Also, es waren zwei Gegner, einer hatte sich hereingeschlichen, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re war<br />
draußen auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s Dorfes bei <strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n geblieben.<br />
Ich war kaum vor <strong>de</strong>r Tür hier, da flog mir auch schon ein Armbrustbolzen von <strong>de</strong>m<br />
Haus schräg gegenüber knapp über <strong>de</strong>n Kopf, zum Glück habe ich nur Gnomgröße.<br />
Ein ungeschickter und langer Mensch wäre vermutlich mit...“<br />
Akara verdrehte für alle sichtbar die Augen.<br />
„Nun wir also hinterher, war doch <strong>de</strong>r Elf dort zwischen <strong>de</strong>n Häusern verschwun<strong>de</strong>n<br />
wo <strong>de</strong>r Bolzen herkam. Ich muß zugeben Leros ist trotz seiner unpraktisch langen<br />
Beine ein viel besserer Läufer als ich. Vermutlich liegt das an <strong>de</strong>r bergigen Heimat.<br />
Er sprang hinter <strong>de</strong>m Haus über einen Hühnerzaun. Diesen Schreck konnte ich <strong>de</strong>n<br />
armen Tieren nicht antun, machte also die Türe auf und eilte ihm nach. Da warf er<br />
sich hinter <strong>de</strong>r Hühnerstall zu Bo<strong>de</strong>n und ich hörte einen weiteren Armbrustbolzen<br />
vorbeizischen. Da hörte ich zwei Pfer<strong>de</strong> anreiten und sah die heimtückischen<br />
<strong>Band</strong> IV.7
Attentäter davonreiten. Wir konnten ihnen nicht nachkommen, das heißt Leros rennt<br />
ihnen zumin<strong>de</strong>st ein Stück weit hinterher. Er rief mir noch zu, wir sollten von <strong>de</strong>n<br />
Spuren wegbleiben, er wür<strong>de</strong> sie sich gerne bei Licht ansehen, die armen<br />
Menschen sehen doch nichts im Dunkeln, aber wem sage ich das. Nun Leros hat<br />
ein Messer geworfen, aber wohl nieman<strong>de</strong>n getroffen und ist gegen meinen Rat<br />
hinterhergerannt. Aber ich glaube, er wird da nicht lange mithalten können. Ich<br />
schätze bevor wir wie<strong>de</strong>r eingeschlafen sind ist er wie<strong>de</strong>r da.“<br />
"Wie kannst du nur ans Schlafen <strong>de</strong>nken?" fauchte ihn <strong>de</strong>r Bastard an, sie haben<br />
mir nicht nur das Ohr fast herausgerissen und einen gol<strong>de</strong>nen Ring im Wert von<br />
400 Goldmünzen gestohlen, nein sie haben Kelen nie<strong>de</strong>rgestochen und wer weiß,<br />
was sie sonst noch machen wollten...“<br />
„Komisch ist das schon daß sie nur bei dir etwas stehlen wollten.“ Ozirk wun<strong>de</strong>rte<br />
sich laut. „Kelen lag ja direkt am Eingang, wahrscheinlich sind sie ihr einfach zu<br />
nahe gekommen, aber du lagst weit weg im Eck, da hätten sie doch an<strong>de</strong>rswo<br />
leichtere Beute fin<strong>de</strong>n können, <strong>de</strong>nn unsere Waffen haben ja auch ihren Wert und<br />
Summs hat ja auch Gold zuhauf. Und unsere Bün<strong>de</strong>ln und Säcke, die zum Teil hier<br />
vor <strong>de</strong>r Türe liegen sind noch nicht einmal durchwühlt. Es erscheint mir fast, als ob<br />
sie speziell nach dir gesucht hätten.“<br />
Summs grinste trotz <strong>de</strong>s Ernstes <strong>de</strong>r Lage: „Es stellt sich heraus, das ausgerechnet<br />
unser kleiner Bastard, <strong>de</strong>n keiner mag , die am meisten gesuchte Person auf dieser<br />
Halbinsel ist. In Tika hatten sich auch einige Menschen nach dir erkundigt, wir<br />
haben natürlich keine Auskünfte gegeben, aber wir hätten uns schon etwas mehr<br />
wun<strong>de</strong>rn sollen.“<br />
Akara hatte sich während<strong>de</strong>ssen um Kelen gekümmert und hatte schließlich aus<br />
verschie<strong>de</strong>nen Kräutern einen Priem gefaltet, <strong>de</strong>n sie <strong>de</strong>r Zauberin in <strong>de</strong>n Mund<br />
schob. „So, durch ihren Speichel wer<strong>de</strong>n sich die Wirkstoffen langsam aus <strong>de</strong>n<br />
Kräutern lösen, dann wird sie wohl wach wer<strong>de</strong>n, wenn alles so ist, wie ich es mir<br />
<strong>de</strong>nke. Von Gift habe ich ja sehr wenig Ahnung, meine Göttin, gepriesen sei sie,<br />
haßt Gifte je<strong>de</strong>r Art.“<br />
Irgendwann kam Leros zurück, gemeinsam mit Akara und <strong>de</strong>m Vogt, <strong>de</strong>r<br />
inzwischen ebenfalls herbeigeeilt war gingen sie erneut in <strong>de</strong>n Hof um die Spuren<br />
zu untersuchen.<br />
„Zwei Pfer<strong>de</strong>, eines davon ist am linken Hinterhuf schlecht beschlagen, wie man<br />
hier sieht.“ Leros <strong>de</strong>utete in <strong>de</strong>n Dreck. „Die bei<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong> und ihre Reiter sahen<br />
auffällig unauffällig aus, aber ich habe sie nur einen kurzen Moment im Mondlicht<br />
gesehen, und da habe ich natürlich wenig erkannt. Aber diese Hufspur, die könnte<br />
uns schon weiter helfen, wenn nicht zu viele an<strong>de</strong>re Spuren darüber gehen. Wir<br />
sollten uns sputen.“<br />
Was glaubst du, was wir gemacht haben, wir haben schon fertig gepackt und die<br />
Tiere gesattelt, aber noch ist Kelen nicht ganz wach, so schnell können wir nicht<br />
los.“ Akara wandte sich an <strong>de</strong>n Vogt. „Gibt es hier im Dorf nicht einen Heiler? Ja?<br />
Dann führt mich zu ihm, ich könnte seine Hilfe gebrauchen.“ Sie wur<strong>de</strong> dorthin<br />
geführt, <strong>de</strong>r Heiler konnte ihr zumin<strong>de</strong>st mit einigen Kräutern helfen und gemeinsam<br />
konnten sie Kelen schließlich aus ihrem Schlaf wecken.<br />
Bald darauf, noch vor <strong>de</strong>m Morgengrauen machten sie sich wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg.<br />
Sie konnten zwar im Morast <strong>de</strong>r Straße immer wie<strong>de</strong>r die Spuren <strong>de</strong>r Diebe<br />
ent<strong>de</strong>cken, doch wur<strong>de</strong> die Spur eher älter, die Diebe gewannen also Abstand, was<br />
auf Pfer<strong>de</strong>n natürlich nicht verwun<strong>de</strong>rlich war. Als die Hel<strong>de</strong>n schließlich in Nasont<br />
angekommen waren hatten die Diebe bereits fast einen Tag Vorsprung. Und<br />
<strong>Band</strong> IV.8
Katarrh, wie sie dort erfuhren, <strong>de</strong>nn er war am Stadttor gesehen wor<strong>de</strong>n, hatte<br />
sogar drei Tage Vorsprung.<br />
Daraufhin jammerte Igor wie<strong>de</strong>r mächtig, Akara und Ozirk wur<strong>de</strong>n noch<br />
verkniffener, aber was gab es dagegen zu tun?<br />
„Wir können nur hoffen, daß es uns gelingt einen schnellere Überfahrt nach Nor<strong>de</strong>n<br />
zu bekommen als <strong>de</strong>r blö<strong>de</strong> Katarrh. Immerhin sind wir Protegés <strong>de</strong>r Herzogin.“<br />
Noch war Kelen frohen Mutes. „Und was die Elfen angeht... Ich glaube in einer<br />
großen Stadt wie Katin wer<strong>de</strong>n wir da schon mehr Möglichkeiten haben. Ich bin mir<br />
sicher, wir sehen diesen Elfen bald wie<strong>de</strong>r, und dann wehe ihm.“ Und sie sollte<br />
zumin<strong>de</strong>st teilweise recht behalten.<br />
Vergeblich hofften sie auch auf die Mitfahrt auf einem nach Katin gehen<strong>de</strong>n Schiff<br />
Sir Egghart, ihr Gastgeber und <strong>de</strong>r Vogt von Nasont, mußte sie da bitter<br />
enttäuschen. Frühestens in drei Tagen erwartete er eines in Richtung Innenmeer.<br />
Lei<strong>de</strong>r mußten sie die eindrucksvolle Gastfreundschaft in <strong>de</strong>r hoch über <strong>de</strong>r Stadt<br />
sitzen<strong>de</strong>n Zita<strong>de</strong>lle schnell wie<strong>de</strong>r entsagen.<br />
Aber die Kamera<strong>de</strong>n wollten die frische Fährte ihrer Fein<strong>de</strong> weiterverfolgen, <strong>de</strong>nn<br />
wer weiß, vielleicht haben die an<strong>de</strong>ren ja auch einmal Pech.<br />
So brachen sie <strong>de</strong>nn am nächsten Morgen wie<strong>de</strong>r früh auf, das Wetter war zwar<br />
gut, aber sie wollten die Paßhöhe auf je<strong>de</strong>n Fall an diesem Tag erreichen, hatten<br />
sie doch alle keine große Lust eine Nacht im Freien im Gebirge zu verbringen. “Und<br />
ich freue mich schon auf die Herberge auf <strong>de</strong>m Paß.“ Summs hatte nur Gutes<br />
gehört. „Ich weiß aus gut informierten Kreisen, daß es dort die leckerste Küche hat.<br />
Die sollen beson<strong>de</strong>rs gute lokale Rezepte für Bergzicklein haben, aufgrund <strong>de</strong>r<br />
Kräuter im Gebirge sollen die einen hervorragen<strong>de</strong>n Geschmack haben!“<br />
Doch zuerst mußte <strong>de</strong>r Aufstieg geschafft wer<strong>de</strong>n, und hatten sie auch Glück mit<br />
<strong>de</strong>m Wetter, so schwitzen sie doch stark. Bald war je<strong>de</strong>r weitere Schritt nach vorne<br />
ein Fuß nach oben, <strong>de</strong>r Pfad wand sich an <strong>de</strong>n Hängen entlang und wur<strong>de</strong> mit<br />
je<strong>de</strong>m Schritt steiler. Immer wie<strong>de</strong>r sahen sie an <strong>de</strong>n Hängen die Reste von<br />
Geröllawinen. Besorgt fragten sie sich, was wohl passieren wür<strong>de</strong>, wenn eine<br />
solche sie treffen wür<strong>de</strong>. O<strong>de</strong>r wenn ein Gewitter heranziehen wür<strong>de</strong>? Im Gebirge<br />
soll das ja schnell gehen. Doch sie hatten Glück, da Wetter hielt und Lawinen<br />
kamen auch nicht herunter. Nur Ozirk maulte, daß man doch unter diesem Gebirge<br />
auch ganz gut einen Tunnel bauen könnte, mit entsprechen<strong>de</strong>r Ausrüstung und<br />
einer guten Handvoll Zwerge sollte sich dies in ein bis zweihun<strong>de</strong>rt Jahren<br />
bewerkstelligen lassen. Doch die an<strong>de</strong>ren erfreuten sich an <strong>de</strong>r immer schöner<br />
wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Aussicht.<br />
Schließlich, als die Sonne schon ganz tief stand und sich die umliegen<strong>de</strong>n Wipfel<br />
rot färbten konnten sie eine dünne Rauchfahne auf <strong>de</strong>m Kamm vor sich sehen. Sie<br />
hatten fast die Paßhöhe erreicht. Ihre Schritte wur<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r behen<strong>de</strong>, ihr Mut stieg<br />
wie<strong>de</strong>r und forsch nahmen sie die letzten Meter bis zu Paßhöhe. Ein letzter Blick in<br />
<strong>de</strong>n Westen: Die Sonne war fast am Untergehen, das sanfte und warme Licht färbte<br />
Wissen und Hänge rotgol<strong>de</strong>n, die Wolken türmten sich in ganzer Pracht über <strong>de</strong>n<br />
Abendhimmel und die ersten Sterne waren im Osten schon zu sehen. Ein Windung<br />
<strong>de</strong>s Weges noch, dann war die Höhe erklommen.<br />
<strong>Band</strong> IV.9
Am Krähenpaß<br />
Als die sechs Kamera<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Krähenpass erreicht hatten, lag ihnen die ganze<br />
Landschaft <strong>de</strong>s Herzogtums zu Füßen. Hinter ihnen glühte <strong>de</strong>r ganze Anstieg im<br />
gol<strong>de</strong>nen Lichte <strong>de</strong>r Abendsonne, die als Kugel aus flüssigem Metall tief am blauen<br />
Himmel stand. Hell schien <strong>de</strong>r gewun<strong>de</strong>ne steile und steinige Pfad aus <strong>de</strong>m<br />
frühlingssatten Grün <strong>de</strong>s Bergwal<strong>de</strong>s. Ein gleißend schimmern<strong>de</strong>r Bergbach suchte<br />
sich neben <strong>de</strong>m Pfad <strong>de</strong>n Weg ins erdumspannen<strong>de</strong> Meer, das am Horizont im<br />
Gegenlicht gleich <strong>de</strong>m entfernten Glitzern von Diamanten zu erahnen war.<br />
Mit einem tiefen Seufzer wen<strong>de</strong>te sich die Gruppe <strong>de</strong>m morgenlichen Abstieg zu.<br />
Auch hier bot sich ein unwahrscheinlicher Ausblick über <strong>de</strong>n steilen Bergrücken, die<br />
bereits im Abendschatten liegen<strong>de</strong>n Täler hinunter.<br />
Einzelne aus <strong>de</strong>m Schatten ragen<strong>de</strong> Hügel erstrahlten noch im Licht <strong>de</strong>r sich<br />
neigen<strong>de</strong>n Sonne. Ein Adlerpaar zog hoch an <strong>de</strong>r Bergkante seine Kreise. Ja man<br />
meinte fast, man könne in <strong>de</strong>r Ferne bereits das silbrig glänzen<strong>de</strong> <strong>Band</strong> <strong>de</strong>s Golfes<br />
von Lhorin sehen. Doch die Hel<strong>de</strong>n zog es im Moment nicht weiter, hatte doch<br />
dieser verlassene Pass eine Herberge, die ihnen schon in Nasont wegen <strong>de</strong>r guten<br />
Küche angekündigt wor<strong>de</strong>n hatte. Ja <strong>de</strong>r Ausblick, die herrliche Luft und dann noch<br />
die Aussicht auf etwas Kräuterwein, das ergab für alle ein frohes Herz.<br />
Die Herberge war unübersehbar in die Mitte auf <strong>de</strong>n Felssattel gestellt. Der<br />
Gebäu<strong>de</strong>komplex entsprach grob einem U mit einem Hauptgebäu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Front,<br />
einem vor längerer Zeit nie<strong>de</strong>rgebrannten Anbau links davon, Stallungen im rechten<br />
Winkel zum Hauptgebäu<strong>de</strong> sowie Schuppen in einem spitzeren Winkel zum<br />
Nebengebäu<strong>de</strong>. Hinter <strong>de</strong>m Hauptgebäu<strong>de</strong> fiel das Gelän<strong>de</strong> bereits steil in eine<br />
Gebirgsklamm. Eine Mauer mit großem Tor verband <strong>de</strong>n Schuppen mit <strong>de</strong>n<br />
Stallungen und bil<strong>de</strong>te einen großen umschlossenen Hof. Neben <strong>de</strong>m Schuppen<br />
konnte man einen Zwinger sehen, in <strong>de</strong>n mehrer laut bellen<strong>de</strong> Hun<strong>de</strong> gesperrt<br />
waren, Hun<strong>de</strong> so groß wie Summs!<br />
Das Tor stand offen, ein kräftiger Mann mit wenig intelligentem Gesichtsausdruck<br />
stand darin und winkte die Reiter herein: „Hallo, ich bin Mandras <strong>de</strong>r Pfer<strong>de</strong>knecht,<br />
lasst mich euch eure Reittiere abnehmen.“ Die mü<strong>de</strong>n Abenteurer stiegen mit<br />
letztem Schwung ab und er führte die Maultiere zu <strong>de</strong>n Stallungen.<br />
„Ich kümmere mich um die Tiere, reibe sie ab, wollt ihr euere Gepäckrollen selbst<br />
abnehmen, o<strong>de</strong>r soll ich sie Euch hineintragen?" Natürlich nahm je<strong>de</strong>r seine eigene<br />
Gepäckrolle, waren doch darin die wenigen Habseligkeiten, die die Abenteurer<br />
hatten. „Ihr habt Glück, dass ihr noch vor <strong>de</strong>r Dämmerung hier ankommt, danach<br />
lassen wir das Tor nicht mehr auf, im Hof laufen dann die Hun<strong>de</strong>, und an <strong>de</strong>nen<br />
traue ich mich kaum vorbei.“<br />
„In die Gaststube geht es durch die große Türe, ihr könnt die Stube nicht verfehlen,<br />
es gibt nur die eine...“ mit diesen Worten verschwand er mit <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n<br />
Maultieren in <strong>de</strong>m Stall. Dort war das Schnauben von weiteren Tieren zu hören,<br />
Leros meinte min<strong>de</strong>stens ein richtiges Pferd zu hören.<br />
Sie klopften sich vor <strong>de</strong>n zwei ausgetretenen Steinstufen die zu <strong>de</strong>r alten<br />
verwitterten Eichentüre führten <strong>de</strong>n Staub ihres Rittes aus <strong>de</strong>n Klei<strong>de</strong>rn.<br />
Nach einem kurzen prüfen<strong>de</strong>n Blick auf die sorgfältige Schmie<strong>de</strong>arbeit <strong>de</strong>r<br />
Türbeschläge trat Ozirk an die Türe schob sie auf. Er ließ seine Blick durch <strong>de</strong>n<br />
Gastraum schweifen, <strong>de</strong>r sich ihm hinter <strong>de</strong>r Tür zeigte: Der Raum war hoch, er<br />
ging über zwei Etagen. Rechts die glattpoliert schimmern<strong>de</strong> Theke, gera<strong>de</strong>aus an<br />
<strong>de</strong>r Längswand ein grosser offener Kamin, in<strong>de</strong>m auch bereits ein kräftiges Feuer<br />
knisterte, links an <strong>de</strong>r Stirnwand eine Treppe. Sie führte auf eine Galerie die sich<br />
<strong>Band</strong> IV.10
über die ganze Längsseite bis um die ecke über die Theke zog. Kräftige<br />
Holzpfosten stützen sie in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Raumes und führten weiter bis zum im<br />
Dunkel fast verschwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Firstbalken. Im Halbdunkel waren auf <strong>de</strong>r Galerie<br />
hinter <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong>r mehrere Türen zu sehen. Recht und links neben <strong>de</strong>r Theke<br />
führten mehrere Türen in verschie<strong>de</strong>n Räumlichkeiten, einer dieser Räume war die<br />
Küche, von dort war <strong>de</strong>r verlocken<strong>de</strong> Geruch von frischen Speisen zu<br />
erschnuppern. Im Laufe <strong>de</strong>s Abends stellte sich heraus, dass die an<strong>de</strong>ren Türen in<br />
Vorrats- und an<strong>de</strong>re Nebenräume führten.<br />
In einer Ecke saßen zwei sehnige Gestalten in <strong>de</strong>n Farben <strong>de</strong>r Herzogin, an einem<br />
weiteren Tisch nahm ein einzelner Mann, offensichtlich ein Händler eine Mahlzeit zu<br />
sich. Vor ihm stand ein großer Krug mit Wein.<br />
Der Wirt stand kahlköpfig und grimmig hinter <strong>de</strong>r Theke, er wienerte ein Glas und<br />
begrüßte die neuen Gäste lauthals mit einem großen „Hallo! Willkommen in meiner<br />
beschei<strong>de</strong>n Hütte. Was darf es sein? Unterkunft? Etwas zum Essen? Wein?“ Die<br />
Hel<strong>de</strong>n bejahten je<strong>de</strong> dieser Fragen, während er sie zu einer langen Bank führte,<br />
die neben <strong>de</strong>r großen Feuerstelle im behaglichen Flackern gut poliert schimmerte.<br />
Die Männer, Frauen, Gnome, Zwerge und Bastar<strong>de</strong> ließen sich nie<strong>de</strong>r, steckten die<br />
Beine beziehungsweise die Hufe und Klauen von sich und seufzten behaglich,<br />
Diese Behaglichkeit wur<strong>de</strong> noch weiter vermehrt, als die Wirtin, eine Frau mittleren<br />
Alters mit strengem, etwas hagerem Gesicht einen Krug Wein in die Mitte stellte<br />
und sagte: „Der Willkommenstrunk geht auf das Haus! Zum Wohl die Herren, äh..<br />
Zum Wohl alle miteinan<strong>de</strong>r.“ Die Wesen nahmen ihre Becher aus <strong>de</strong>n Beuteln und<br />
gossen sich das köstlich glitzern<strong>de</strong> Naß aus <strong>de</strong>m Krug in die Becher und dann in<br />
die Kehlen. Es war zwar kein großartiger Wein, aber zusammen mit <strong>de</strong>r<br />
einzigartigen Stimmung <strong>de</strong>r Berghütte großartig genug.<br />
Anschließend fragte die Wirtin, ob es speziell Wünsche bezüglich <strong>de</strong>s Essens gebe.<br />
Ihre Köchin wäre aus West-Lhorin und hätte heute Hühnchen „Massala-Art“<br />
vorbereitet, ob das <strong>de</strong>nn recht sei.<br />
Nur Igor nuschelte, es sei doch scha<strong>de</strong> um das schöne Hühnchen, ob man es nicht<br />
auch roh bekommen könne. Die Wirtin schaute zweifelnd in sein Gesicht. Aufgrund<br />
<strong>de</strong>r tief heruntergezogenen Kapuze konnte sie natürlich nicht viel von seiner Fratze<br />
sehen, doch dass dies eher eine Schnauze <strong>de</strong>nn ein normales Gesicht war, sah sie<br />
trotz <strong>de</strong>r dämmrigen Beleuchtung und <strong>de</strong>r Schatten, in die sich Igor verkrochen<br />
hatte. Sie schrak etwas zusammen, ließ sich aber wenig Anmerken. Zumin<strong>de</strong>st<br />
<strong>de</strong>utlich weniger als alle an<strong>de</strong>ren Menschen, <strong>de</strong>nen Igor in <strong>de</strong>n letzten Tagen<br />
begegnet war.<br />
Natürlich war „Chicken-Massala“, wie die Elfen diese Spezialität nannten dann doch<br />
allen recht, und noch besser war, dass <strong>de</strong>r Wirt mit einem weitern Krug Wein<br />
ankam.<br />
„Zum Geschäft,“ meinte er. „ Die Zimmer kosten für Eure Gesellschaft viereinhalb<br />
Goldmünzen. Das Essen und das Futter für die Tiere ist dabei enthalten, Wein<br />
kostet extra und zwar 3 Silbermünzen <strong>de</strong>r Krug.“<br />
Nach etwas Murren und <strong>de</strong>m Versuch zu Han<strong>de</strong>ln einigte man sich auf eine Preis<br />
ganz in <strong>de</strong>r Nähe seiner For<strong>de</strong>rung, ließ doch <strong>de</strong>r Wille zum Han<strong>de</strong>ln mit <strong>de</strong>m<br />
zunehmen<strong>de</strong>n Duft aus <strong>de</strong>r Küche <strong>de</strong>utlich nach.<br />
Das Essen mun<strong>de</strong>te allen hervorragend, auch wenn Igor nörgelte sein Fleisch wäre<br />
verbrannt (es war noch fast blutig). Nach <strong>de</strong>m Mahl gesellten sich die übrigen Gäste<br />
an <strong>de</strong>n großen Tisch um Neuigkeiten auszutauschen. Der Händler stellte sich als<br />
„Putzun“ vor, er war in Kurzwaren unterwegs, hatte viele sei<strong>de</strong>ne Bän<strong>de</strong>r, Na<strong>de</strong>ln,<br />
<strong>Band</strong> IV.11
verschie<strong>de</strong>ne Sorten feiner Fä<strong>de</strong>n und ähnliches auf seinen zwei Maultiere gepackt.<br />
Er berichtete, er käme aus <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>r Hauptstadt Katin. Auch auf<br />
Nachfrage von Ozirk konnte er sich nicht erinnern, dass ihm am heutigen Tage<br />
Reiter entgegen gekommen wären. Die zwei Männer <strong>de</strong>r Herzogin waren<br />
Jagdaufseher. Sie berichteten, dass es in <strong>de</strong>r letzten Zeit bedingt durch die<br />
Kriegswirren viel mehr Räuber als früher in <strong>de</strong>n Bergen gebe. Ja die Suche nach<br />
Räubern sei ihre eigentliche Hauptaufgabe in diesen unruhigen Zeiten. Doch eine<br />
so große Gruppe von Reitern mit guten Waffen sei ja vor Angriffen sicher. Auch sie<br />
hatten keine Reiter gesehen, waren allerdings ja auch nicht auf <strong>de</strong>n Straßen<br />
unterwegs gewesen. Sie versprachen <strong>de</strong>m Zwerg, dass sie sich nach verdächtigen<br />
Personen umhören wür<strong>de</strong>n, hierzu beschrieb <strong>de</strong>r Zwerg zuerst die bei<strong>de</strong>n Diebe auf<br />
<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n, die sie die letzten drei Tage verfolgt hatten, so sei das eine Pferd<br />
schlecht beschlagen, <strong>de</strong>r eine Reiter Elf und so weiter. Anschließend beschrieb<br />
Kelen <strong>de</strong>n Zauberer Katarrh, da sie ihn am besten kannte.<br />
Doch auch die Nachfragen ergaben keine neuen Hinweise, auch das Befragen <strong>de</strong>r<br />
Wirtsleute ergab keine Neuigkeiten, unwirsch bemerkte <strong>de</strong>r Wirt, dass er keine Zeit<br />
habe auf <strong>de</strong>r Straße nach Dieben und Räubern Ausschau zu halten, und in seinem<br />
Haus wür<strong>de</strong>n nur gute Bürger, äh, nächtigen.<br />
Nach einem letzten Fluchtachtele machten sich die bei<strong>de</strong>n herzoglichen Männer<br />
unter <strong>de</strong>n Segenswünschen <strong>de</strong>r Zurückbleiben<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg, wollten sie<br />
doch bis Sonnenuntergang noch eine Schutzhöhle am Kamm eine Stun<strong>de</strong> nördlich<br />
von hier erreichen.<br />
Vor <strong>de</strong>r Türe dämmerte es langsam, als <strong>de</strong>r plötzlich die Hun<strong>de</strong> anschlugen. Der<br />
Wirt und seine Frau wur<strong>de</strong>n nervös, entspannten sich aber, als Mandras mit einem<br />
weiteren Gast eintrat. Dieser war in teure und gut aussehen<strong>de</strong> Reitgewän<strong>de</strong>r<br />
geklei<strong>de</strong>t und trat sofort auf die Abenteurer zu. Er stellte sich als Michel von Lind<br />
vor: „Ich bin <strong>de</strong>r Hofkämmerer <strong>de</strong>r Herzogin und auf <strong>de</strong>r Suche nach Euch.“ Er<br />
setzte sich zu ihnen, <strong>de</strong>r Wirt sprang fort und brachte schnell einen weiteren Becher<br />
Wein.<br />
„Ich habe Euch eine Nachricht: Ihr sollt in Katin direkt zum Hintereingang <strong>de</strong>s<br />
Palastes kommen, dort wer<strong>de</strong>t ihr erwartet. Die Herzogin will nicht, dass Ihr Euch<br />
vorher irgendwo ein Zimmer nehmt und etwa auffallt.“<br />
Dies ergab natürlich Proteste: „Wir, Auffallen?“ krächzte <strong>de</strong>r Bastard – „Wie, ohne<br />
Zeit für etwas Toilette o<strong>de</strong>r Einkaufsbummel?“ meinte die Klerikerin.<br />
„Nun ja, es ist ein Empfang geplant, und Ihr dient sozusagen als<br />
Überraschungsgäste. Dafür habt Ihr sicher Verständnis.“ Er erzählte anschließend<br />
noch einiges mehr über <strong>de</strong>n Palast und die geplanten Feierlichkeiten.<br />
Sowohl Igor als auch Ozirk wur<strong>de</strong> es langsam mulmig. Ein Palast mit<br />
Feierlichkeiten. Überraschungsgäste. Präsentation als Hel<strong>de</strong>n – Was hatten sie sich<br />
nur eingebrockt.<br />
Und gleichzeitig gallopierte <strong>de</strong>r Ring <strong>de</strong>r Macht immer weiter aus ihrer Reichweite,<br />
die Geschwindigkeit Katarrhs auf <strong>de</strong>m Pferd war auch ohne Feierlichkeiten zu groß<br />
um ihn einzuholen, Ozirks und Akaras Hoffnung war, dass er vielleicht am Hafen<br />
einzuholen gewesen wäre. Nun ja, vielleicht war es in Katin mit <strong>de</strong>r schützen<strong>de</strong>n<br />
Hand <strong>de</strong>r Herzogin einfacher eine Schiffspassage auf die Andalanen zu bekommen,<br />
und sie konnten so <strong>de</strong>n Rückstand wett machen.<br />
Nach<strong>de</strong>m sie mit <strong>de</strong>n übrigen Gästen noch etwas zusammen gesessen hatten,<br />
wur<strong>de</strong>n sie von <strong>de</strong>r Wirtin gefragt, ob sie ihnen die Zimmer zeigen solle. Dem<br />
<strong>Band</strong> IV.12
stimmten die sechs Reisen<strong>de</strong>n zu und wur<strong>de</strong>n schließlich auf die Galerie geführt. In<br />
<strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Galerie waren zwei beson<strong>de</strong>rs schöne und große Zimmer mit jeweils<br />
einem Kamin, diese bot sie ihnen an.<br />
Zuerst wollten die Abenteurer dieses Angebot natürlich annehmen, dann fragte<br />
jedoch Kelen nach <strong>de</strong>r Wachreihenfolge. Da fiel allen wie<strong>de</strong>r ein, dass sie erst vor<br />
kurzen in einem scheinbar behüteten Haus bestohlen wor<strong>de</strong>n waren.<br />
Also lehnten sie das Angebot ab und baten um ein gemeinsames Zimmer. Die<br />
Wirtin zeigte sich hierüber zwar erstaunt wies dann jedoch <strong>de</strong>n Knecht an, die<br />
Strohsäcke aus <strong>de</strong>m linken in das rechte Zimmer zu schleppen.<br />
„Die Bettgestelle wer<strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>r nicht mehr ins Zimmer passen, aber wenn Ihr<br />
unbedingt wollt, dann soll es halt dieses Zimmer sein.“ Sie ermahnte Mandras noch<br />
zwei Körbe Holz hochzutragen während sie an <strong>de</strong>r gerichteten Feuerstelle das<br />
Feuer anfachte.<br />
Die Reisen<strong>de</strong>n setzten sich noch kurz in <strong>de</strong>n Gastraum und tranken einen kleinen<br />
Ablieger während ihr Zimmer gerichtet wur<strong>de</strong>.<br />
Die Abenteurer been<strong>de</strong>ten ihre Tafel, einer nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren erhob sich, schlug<br />
nochmals Wasser ab und zog sich zurück. Igor und Akara übernahmen die erste<br />
Wache.<br />
Das Zimmer in <strong>de</strong>m sie sich befan<strong>de</strong>n war zwar an sich groß, jedoch mit drei Betten<br />
und drei Strohsäcken auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n etwas überfüllt., an <strong>de</strong>r Frontseite die<br />
Eingangstür und gegenüber <strong>de</strong>r Tür ein kleines Fenster, das mit einem kräftigen<br />
und stabilen Fensterla<strong>de</strong>n verschlossen war, In <strong>de</strong>r linken Ecke war die Feuerstelle,<br />
rechts ein großer Wandschrank, in <strong>de</strong>m die Abenteurer ihre Bün<strong>de</strong>l stapelten. Leros<br />
überprüfte pflichtbewußt noch <strong>de</strong>n Fensterla<strong>de</strong>n mit seinem Riegel.<br />
Die Hel<strong>de</strong>n entledigten sich ihre Rüstungen, Ozirk natürlich nicht, legten ihre<br />
Waffen wie immer griffbereit neben ihre jeweilige Bettstatt und begaben sich einer<br />
nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren zur Ruhe. Die Schil<strong>de</strong> hatten sie zu einem großen Stapel an die<br />
Wand aufgetürmt, die Ahlspieße, so sie <strong>de</strong>nn noch welche hatten, waren unten vor<br />
<strong>de</strong>r Wirtsstube unter <strong>de</strong>m Vordach an die Wand gelehnt.<br />
Nach kurzer Zeit erfüllte das ruhige und gleichmäßige Atmen <strong>de</strong>r Schläfer <strong>de</strong>n<br />
Raum. Die Abenteurer hatten während <strong>de</strong>s Feldzuges von Fulrad viel gelernt, nicht<br />
nur immer und je<strong>de</strong>rzeit so viel wie möglich zu Essen und zu Trinken, son<strong>de</strong>rn auch<br />
je<strong>de</strong> Möglichkeit zum Schlafen zu nützen. Und er hatte ihnen wenig Möglichkeit<br />
hierzu gegeben. Doch jetzt erfüllte ihr Atmen <strong>de</strong>n Raum, einer nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren<br />
waren sie eingeschlafen, noch schnarchte keiner. Denn Schnarchen wur<strong>de</strong> unter<br />
Soldaten, die sonst im Freien auf <strong>de</strong>r Hut vor feindlichen Spähern biwakierten mit<br />
harten Tritten geahn<strong>de</strong>t.<br />
Doch da war irgen<strong>de</strong>in Rascheln zu hören, da leise, quietschen<strong>de</strong> Geräusch einer<br />
Holztür. Igor, das an <strong>de</strong>r Tür saß, dachte sich zuerst nichts dabei, wahrscheinlich<br />
war irgen<strong>de</strong>iner <strong>de</strong>r Hausbewohner zum Örtchen gegangen. Doch was war das,<br />
dieses Geräusch <strong>de</strong>s Schlafens direkt neben ihm. Akara wird doch nicht<br />
eingeschlafen sein? Es schaute zu ihr. In diesem Moment hörte er erneut das<br />
Quietschen von Holz. Doch es kam nicht von außerhalb, es kam aus <strong>de</strong>m Zimmer!<br />
Der Zauberer ließ seine Blick durch <strong>de</strong>n Raum schweifen: Die Schranktür war offen.<br />
Im dämmrigen Licht <strong>de</strong>r glimmen<strong>de</strong>n Holzkohle konnte Igor einen Schatten im<br />
Schrank sehen. Von dort war auch ein feiner, fahler Lichtschein zu sehen, <strong>de</strong>r aus<br />
<strong>de</strong>m Inneren <strong>de</strong>s Schrankes kam.<br />
„Alarm“ Igors Schrei zerschnitt die Stille, „Alarm, Mör<strong>de</strong>r im Wandschrank.“ Akara<br />
<strong>Band</strong> IV.13
schüttelte sich nur mü<strong>de</strong>, auch die an<strong>de</strong>ren sprangen nicht so schnell auf wie man<br />
das sonst von ihnen gewohnt war.<br />
Während <strong>de</strong>r Bastard mit einem Murmeln zwei magisches Geschosse neben sich<br />
erschuf, die sich auch sofort in <strong>de</strong>n Angreifer versenkten, dachte es bei sich, dass<br />
wohl ein gegnerischer Magier einen Schlafspruch gezaubert haben mußte. Doch es<br />
hatte nicht lange Zeit um nachzu<strong>de</strong>nken, neue Fein<strong>de</strong> drängten aus <strong>de</strong>m<br />
Wandschrank. Ozirk war inzwischen aufgesprungen und fuchtelte wie wild mit<br />
Hammer und Kurzschwert um sich, Summs war bereits im Nahkampf mit einem <strong>de</strong>r<br />
Meuchelmör<strong>de</strong>r, er war offensichtlich gera<strong>de</strong> noch schnell genug wach gewor<strong>de</strong>n.<br />
Doch ein Feind beugte sich mit einer glitzern<strong>de</strong>n Klinge über Leros, <strong>de</strong>r noch<br />
schlafend dalag. Hel<strong>de</strong>nhaft stürzte sich <strong>de</strong>r Bastard auf diesen feigen Feind, er<br />
versuchte zu Beißen, zu Krallen, konnte aber nur mit <strong>de</strong>r einen Klaue etwas<br />
Scha<strong>de</strong>n anrichten, kaum genug, dass <strong>de</strong>r Angreifer von ihm Notiz nahm.<br />
Doch Ozirk hatte inzwischen seinen Platz gefun<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r rechten Hand schwang<br />
er seinen Schmie<strong>de</strong>hammer und zermalmte <strong>de</strong>m Gegner Igors die Schulter,<br />
woraufhin dieser schreiend vor Schmerz umfiel. Mit <strong>de</strong>r linken Hand, in <strong>de</strong>r sich auf<br />
wun<strong>de</strong>rsame Weise nicht etwa <strong>de</strong>r übliche Dolch befand son<strong>de</strong>rn das Kurzschwert,<br />
<strong>de</strong>ssen schmale zweischneidige Klinge wie in Freu<strong>de</strong> auf das erste Blutlecken<br />
leuchtete, mit <strong>de</strong>r linken Hand also führte er einen Rückhandhieb nach Summs<br />
Gegner, welcher diesen weit zurückweichen ließ.<br />
Kelen war inzwischen aus ihrem Bett gekletterte, hüpfte auf das Bett von Leros um<br />
diesen zu wecken, <strong>de</strong>n trotz Kampflärm war jener nicht wachgewor<strong>de</strong>n. Sie rüttelte<br />
und schüttelte ihn, während er nur mü<strong>de</strong> und fast wollüstig gähnte.<br />
Im Kampf ging es inzwischen weiter. Da <strong>de</strong>r Gegner von Igor zu Bo<strong>de</strong>n gesunken<br />
war konnte sich <strong>de</strong>r Bastard zurückziehen. Ozirk und Summs kämpften weiter<br />
gegen die zwei Menschen, die noch im Raum waren. Im Schrank war die Gestalt<br />
eines weiteren Wesens zu sehen. Die Waffen klirrten, Ozirk wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
sichtlich benei<strong>de</strong>t, weil er im Plattenpanzer schlafen konnte und die an<strong>de</strong>ren nicht.<br />
Na ja, dafür stank er auch entsprechend. Aber in einer solchen Situation war dieser<br />
Panzer ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Vorteil, mit <strong>de</strong>m die Fein<strong>de</strong> scheinbar nicht gerechnet<br />
hatten.<br />
Der Kampf in <strong>de</strong>m kleinen Raum wogte kurz hin und her als es plötzlich dunkel<br />
wur<strong>de</strong>. Auch die Wesen, die sonst im Dunkel sehen konnten waren wie blind. Von<br />
Kelen war ein unterdrücktes Fluchen zu hören, „Verdammt, ich spreche ein Licht.“ –<br />
„Nein“ fauchte Igor, „es ist meine Dunkelheit, ich kann sie doch bei Bedarf<br />
aufheben“ im Dunkel waren alle Kämpfer gleichermaßen benachteiligt, das schnelle<br />
aufeinan<strong>de</strong>rschlagen von metallischen Waffen hörte abrupt auf. Plötzlich war noch<br />
ein Röcheln zu hören. Ozirk hatte irgendjeman<strong>de</strong>n getroffen.<br />
Ein unterdrücktes „Finger weg“ war von Kelen zu hören, ein lautes Klatschen sowie<br />
ein unterdrückter Fluch<br />
„Es wer<strong>de</strong> Licht“ rief da <strong>de</strong>r Bastard, die Dunkelheit wich <strong>de</strong>m Dämmerlicht <strong>de</strong>r<br />
natürlichen Nacht. Es stand nur noch ein Gegner im Raum, jener konnte sich jetzt<br />
nur noch mühsam <strong>de</strong>r schnellen Schwertschläge Summs erwehren. Schließlich<br />
sank er danie<strong>de</strong>r. Während<strong>de</strong>ssen hatte sich <strong>de</strong>r inzwischen blutüberströmte<br />
Schmied auf <strong>de</strong>n Weg zum Wandschrank gemacht: „Der Bo<strong>de</strong>n ist zur Hälfte weg<br />
und darunter ist eine Leiter. Hinterher!“ Und bevor irgen<strong>de</strong>iner <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren etwas<br />
sagen konnte kletterte <strong>de</strong>r Zwerg die Leiter hinunter. Unten war Rufen zu hören,<br />
schnell kletterte auch Summs und Kelen hinterher. Igor kam auch, war aber<br />
aufgrund seiner Behin<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>utlich langsamer beim Klettern, so dass sich<br />
<strong>Band</strong> IV.14
Leros und Akara, die inzwischen auch wach genug war, bei ihm beschwerten. Der<br />
Bastard bemerkte, daß Leros einen feuerroten Handabdruck an <strong>de</strong>r linken Backe<br />
hatte. Offenstichtlich war er auch in einen Nahkampf verwickelt gewesen.<br />
Als Igor schließlich mühsam zwei Etagen in einem engen Schacht an rutschigen<br />
Holzsprossen hinuntergeklettert war, konnte er dort zwei weitere Leichen sehen, die<br />
<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n offensichtlich kampfwütigen Halbmenschen Summs und Ozirk<br />
anzurechnen waren. Der Bastard befand sich jetzt in einem Kellerraum mit<br />
Vorräten. Eine Laterne stand auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n inmitten <strong>de</strong>s Raumes, und warf<br />
unruhige Schatten an rauhe Felswän<strong>de</strong> und das gemauerte Gewölbe. Neben <strong>de</strong>m<br />
Schacht, <strong>de</strong>n sie heruntergeklettert waren befand sich ein Brunnenschacht, <strong>de</strong>r<br />
weiter in die Tiefe führte. Eine massive, verschlossene Tür führte aus <strong>de</strong>m<br />
Kellerraum, doch an <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Wand befand sich ein Durchgang, <strong>de</strong>r<br />
offensichtlich auch einmal von einer Tür verschlossen gewesen war. Aus <strong>de</strong>m<br />
dahinterliegen<strong>de</strong>n Dunkel war Lärm, Tritte und Schrie zu hören, die drei<br />
vorrauseilen<strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n waren nicht mehr zu sehen.<br />
Igor, Akara und Leros liefen, so schnell sie konnten, hinterher. Nach kurzer Zeit<br />
en<strong>de</strong>te dieser Raum an einer aufwärtsführen<strong>de</strong>n Leiter. Oben befand sich eine<br />
Falltüre, die aufgeklappt war. Durch diese Öffnung konnte man das klare Mondlicht<br />
<strong>de</strong>r friedlichen Nacht sehen. Von oben war Kampflärm zu hören, aber hier unten<br />
war vor <strong>de</strong>r Leiter ein kleines, verängstigtes Mädchen zu sehen, das sich hinter die<br />
Leiter kauerte. Es wimmerte: „Die an<strong>de</strong>ren sind oben, sie verfolgen die böse Elfin.“<br />
Sie sah <strong>de</strong>n Bastard an und schluckte kräftig. „Bitte tu mir nicht weh.“ Die Kleine,<br />
die es jetzt erstmals genauer betrachtete war starr vor Angst und blickte ihm aber<br />
trotzig in die Augen.<br />
„Welche böse Elfin?“ wollte Igor fragen, da war Leros bereits an ihm vorbeigeeilt<br />
und nach oben geklettert. Akara nahm das Mädchen in seine Arme und sprach ihm<br />
Mut zu.<br />
`Wahrscheinlich ein humanoi<strong>de</strong>r Urinstinkt`, dachte Igor. `Die Weibchen wer<strong>de</strong>n von<br />
<strong>de</strong>n kleinen ihrer Art wie bezaubert. Lei<strong>de</strong>r bin ich das einzige meiner Art.`<br />
Also kletterte <strong>de</strong>r Bastard hoch. Oben konnte er <strong>de</strong>n Hof überblicken. Keine Hun<strong>de</strong><br />
die umherrannten, aber welche, die im Zwinger eingesperrt waren. Oben war <strong>de</strong>r<br />
Bastard wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r langsamste. Sogar Summs mit seinen kurzen Stummelbeinen<br />
war wie<strong>de</strong>r schneller.<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hofes, direkt an <strong>de</strong>m Tor lag die sechste <strong>Band</strong>itenleiche. Daneben<br />
stand Ozirk, <strong>de</strong>r tief ein- und ausatmete, als ob er nach einem langen Lauf erst<br />
einmal Atem holen musste. Er blickt aus <strong>de</strong>m Tor auf <strong>de</strong>n gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />
Hang. Dort war in einiger Entfernung ein Kampf im Gange. Leros, <strong>de</strong>r mit seinen<br />
langen Beinen aufgeholt hatte, kämpfte gera<strong>de</strong> im Licht <strong>de</strong>s Halbmon<strong>de</strong>s gegen<br />
eine Elfin. Igor konnte gera<strong>de</strong> noch sehen, wie sie bevor Summs die Kämpfen<strong>de</strong>n<br />
erreichte unter <strong>de</strong>n Schlägen nie<strong>de</strong>rsank. Kelen war auf <strong>de</strong>m Weg zum Hang und<br />
hielt nun inne. Sie warteten unten während die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren die Leiche<br />
untersuchten und dann <strong>de</strong>n Hang herunterzogen.<br />
Gemeinsam trugen sie die Leiche zum Tor, wo sich jetzt alle sechs Abenteurer<br />
sammelten. Ozirk war zwar blutüberströmt, aber das Blut war nicht seines. Kelen<br />
und Igor waren erschöpft vom Zaubern aber ebenso wie Akara unverwun<strong>de</strong>t. Nur<br />
Summss und Leros hatten sich mehr als die üblichen Kratzer zugezogen und<br />
wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Priesterin sofort behan<strong>de</strong>lt.<br />
„Wie kamen die wohl in unseren Schrank. Und was ist das für ein Mädchen?“ Akara<br />
<strong>Band</strong> IV.15
hatte das noch immer zittern<strong>de</strong> Mädchen im Arm.<br />
„Lasst uns in die Schankstube gehen, hierfür wird mir jemand Rechenschaft<br />
ablegen“ polterte <strong>de</strong>r Zwerg. „Von wegen Hun<strong>de</strong> und Sicherheit. Eine Falle das<br />
Ganze. Wenn wir nicht in einem Raum geschlafen hätten. O<strong>de</strong>r keine Wache<br />
gehabt hätten.... . Ich wage es kaum, mir dies auszumalen.“<br />
Die Übrigen stimmten zu, während Leros die Tür zum Schankraum öffnete. Dort<br />
saßen <strong>de</strong>r Wirt, die Wirtin, die Köchin und <strong>de</strong>r Knecht auf Stühle gefesselt und<br />
geknebelt. Als das Mädchen dies sah riss sie sich weinend los, rief „Mammi“ und<br />
klammerte sich an die Wirtin.<br />
Akara schmunzelte. „Nun wird zumin<strong>de</strong>st einiges klar. Bin<strong>de</strong>t die Armen los.“<br />
Die Wirtin erklärte schließlich <strong>de</strong>n Abenteurern was passiert war: „Die <strong>Band</strong>iten<br />
hatten die Kleine in ihre Gewalt gebracht und sich im Keller mit ihr versteckt.. Dann<br />
wur<strong>de</strong>n sie gezwungen <strong>de</strong>n <strong>Band</strong>iten die Räumlichkeiten zu zeigen, auch die<br />
geheimen Gänge, die noch aus früheren Zeiten überdauert hatten. Und schließlich<br />
planten die <strong>Band</strong>iten diese Falle. Die Elfin warnte <strong>de</strong>n Anführer <strong>de</strong>r <strong>Band</strong>iten , Kufur<br />
war sein Name, einer von <strong>de</strong>m wir schon Schreckliche gehört haben, noch einmal<br />
vor <strong>de</strong>m als Pilger verklei<strong>de</strong>ten Monster, welcher ein mächtiger Magier sein sollte,<br />
was dieser kaum glaubte. Die Elfin hatte einen komischen Akzent, die war nicht aus<br />
<strong>de</strong>r Gegend, aber die an<strong>de</strong>ren <strong>Band</strong>iten waren sicher von hier, <strong>de</strong>n Anführer habe<br />
ich erkannt, auf <strong>de</strong>n ist in Katin eine Belohnung ausgesetzt. Ich bin ja so froh, daß<br />
<strong>de</strong>r Kleinen nichts passiert ist und dass ihr euch alle retten konntet“<br />
„Die übrigen Gäste haben von <strong>de</strong>r Falle nichts mitbekommen, weil sie erst später<br />
angekommen waren, und wir konnten doch nieman<strong>de</strong>n warnen.“<br />
In <strong>de</strong>r Tat, auch jetzt waren die übrigen Gäste nichts zu sehen, offensichtlich hatten<br />
sich sowohl <strong>de</strong>r Händler als auch Michel von Lind in ihren Zimmer eingeschlossen<br />
und beschlossen nichts vom Kampflärm zu hören.<br />
Nach<strong>de</strong>m die Leichen im Hof zusammengetragen waren und das Blut im<br />
Schlafraum notdürftig aufgewischt war, legten sich alle noch etwas hin um einen<br />
Rest Schlaf zu erhaschen. Akara kümmerte sich kurz um die Kratzer und Wun<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Verletzten, Ozirk und Leros übernahmen die nächste Wache, <strong>de</strong>nn ohne Wache<br />
wollte keiner mehr bleiben.<br />
Am Morgen sahen sie sieben frische Gräber am gegenüberliegen<strong>de</strong>n Hang.<br />
Mandros <strong>de</strong>r Knecht hatte die Leichen vergraben. Nur <strong>de</strong>n Kopf <strong>de</strong>s Anführers und<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Elfin hatte er sorgfältigst abgeschnitten und in reichlich Salz in einen<br />
Wei<strong>de</strong>nkorb gelegt. „Falls es Kopfgeld gibt.“ Ihre gesamte beschei<strong>de</strong>ne Habe lag<br />
auf einem Haufen. Wenige Wertsachen, etwas Kleingeld, aber je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>Band</strong>iten<br />
hatte zehn gol<strong>de</strong>ne Auri aus Saas-Kwaaq im Beutel, ja <strong>de</strong>r Anführer sogar <strong>de</strong>ren<br />
fünfzig, und die Elfin weitere fünfundsiebzig.<br />
„Vielleicht waren letztere ja als zweite Rate nach erfülltem Auftrag gedacht“,<br />
mutmaßte Kelen.<br />
„Wir sind ganz schön was Wert gewor<strong>de</strong>n seit unserer Ankunft als armselige<br />
Ru<strong>de</strong>rsklaven hier in Lhorin“, bemerkte <strong>de</strong>r Zwerg, grinste in die Run<strong>de</strong> und warf<br />
spielerisch ein Goldstück in die Höhe.<br />
Igor schaute sich das eingeprägte Portrait genauer an. Seid <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s<br />
Bürgerkrieg waren die Goldmünzen <strong>de</strong>s Makor von Saas-Kwaaq so etwas wie die<br />
Leitwährung in Rauricaria und darüber hinaus. Igor hatte wie die an<strong>de</strong>ren auch,<br />
einen Teil seines Sol<strong>de</strong>s bereits in solchen Auri erhalten, die hier sahen aber<br />
irgendwie frischer aus, fast wie direkt aus <strong>de</strong>r Münze.<br />
<strong>Band</strong> IV.16
Die Waffen die <strong>de</strong>r <strong>Band</strong>itenführer und die Elfin hatten waren guter Qualität. Und<br />
Kelen konnte das Zauberbuch <strong>de</strong>r Elfin an sich nehmen. „Darüber wer<strong>de</strong>n wir uns<br />
heute Abend gemeinsam her machen“ strahlte sie <strong>de</strong>n Bastard an.<br />
So hatte dieser Teil <strong>de</strong>s Abenteuers einen guten Ausgang.<br />
Am Tag nach <strong>de</strong>m Anschlag mußten sich die Abenteurer erst einmal ausruhen.<br />
Morgens in aller Frühe waren sie zwar noch unternehmungslustig gewesen, hatten<br />
ihre Beutel geschnürt und ihre Ausrüstung gerichtet, doch dabei mußten sie<br />
feststellen, daß sie lange nicht so ausgeruht waren wie sie dachten. Die Zauberer<br />
und Kleriker waren durch das Anwen<strong>de</strong>n ihrer Macht erschöpft, die Kämpfer mü<strong>de</strong><br />
vom Kämpfen und <strong>de</strong>n geschlagenen Wun<strong>de</strong>n. Also entschied man sich gegen <strong>de</strong>n<br />
Wi<strong>de</strong>rstand Igors einen Tag Pause einzulegen. Jenes zog es weiter, <strong>de</strong>nn das<br />
Gefühl <strong>de</strong>r Macht, das es kurze Zeit ausgefüllt hatte war einem Gefühl <strong>de</strong>r Leere<br />
gewichen. Nicht ganz leer, <strong>de</strong>nn es zog <strong>de</strong>n Bastard in seinem Innersten immer<br />
weiter, dorthin, wo es Katarrh und <strong>de</strong>n Ring vermutete.<br />
Kelen und Igor begannen am Abend trotz ihrer Erschöpfung das Studium <strong>de</strong>r<br />
Zaubersprüche aus <strong>de</strong>m eroberten Buch <strong>de</strong>r Elfin, doch sie mußten feststellen, daß<br />
sie für diese Sprüche einige Wochen brauchen wür<strong>de</strong>n. Obwohl ihnen manche<br />
Schriftzüge bekannt vorkamen, so erschienen doch an<strong>de</strong>re Teile <strong>de</strong>s Buches<br />
äußerst fremd und unverständlich. Sie schafften es jedoch an diesem Abend noch<br />
die Sprüche zu enträtseln, so daß sie das Buch zumin<strong>de</strong>st als Spruchrollen<br />
verwen<strong>de</strong>n konnten. Die Schrift <strong>de</strong>r Elfin war verspielt, sie benutzte einige für<br />
Menschen unübliche Ausdrücke, die auch für Igor, <strong>de</strong>r seine Grundlagen in <strong>de</strong>r<br />
Magie schließlich bei Menschen abgeschaut hatte sehr schwierig waren. Der<br />
einzige elfische Magier <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Bastard kannte war <strong>de</strong>r Chimärenburger Elf<br />
Lag’avulin, mit <strong>de</strong>m er jedoch ansonsten noch nichts zu tun hatte. Er hatte ihn nur<br />
einmal vorbeistolzieren sehen, als jener irgendwelchen Käse begutachtete.<br />
„Schlaf“; „magisches Geschoss“; Magie Ent<strong>de</strong>cken“; Sprüche, die ihnen bekannt waren,<br />
und die sie auch schon benutzt hatten. „ Spiegelbild“ , „ Schild“ Sprüche, von <strong>de</strong>nen<br />
sie bisher nur gewußt hatten, daß sie existierten. Die bei<strong>de</strong>n waren ungeduldig und<br />
wißbegierig. Igor fühlte sogar einen Hauch von Rivalität mit <strong>de</strong>m<br />
Menschenweibchen aus Kilan aufglimmen, aber nach<strong>de</strong>m es intensiv mit ihr<br />
gearbeitet hatte, und sie zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Bastard etwas hinter <strong>de</strong>m Ohr gekrault hatte<br />
verging dieses Gefühl wie<strong>de</strong>r. Doch dieses Gefühl lauerte im Hintergrund ebenso<br />
wie das Flüstern <strong>de</strong>s Ringes <strong>de</strong>r Macht, <strong>de</strong>ssen Gedanken noch in seinem Kopf<br />
nachhallten.<br />
<strong>Band</strong> IV.17
Abstieg nach Katin<br />
Nach einem Tag Ruhe, <strong>de</strong>r ihnen allen an Leib und Seele gut tat, ließen sie sich<br />
doch von <strong>de</strong>n schuldbewußten Wirtsleuten aufs Feinste verwöhnen, brachen sie mit<br />
<strong>de</strong>m Sonnenaufgang gen Katin auf. Bevor sie <strong>de</strong>n Hof verließen steckte die Wirtin<br />
Akara noch einen Korb mit Wegzehrung zu. „Für Eure Hilfe“ sagte sie mit Tränen in<br />
<strong>de</strong>n Augen. Auch Kelen trug einen Korb, in ihm waren die abgeschnittenen Köpfe<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Anführer <strong>de</strong>r <strong>Band</strong>iten. Sie rochen jetzt schon etwas, weshalb sie in<br />
festes, gewachstes Tuch gepackt wur<strong>de</strong>n. Igor schockte die Zauberin in<strong>de</strong>m es<br />
fragte, ob sie für das Kopfgeld <strong>de</strong>n kompletten Kopf, „also mit Gehirn?“ brauchen<br />
wür<strong>de</strong>n. Der Menschenfrau wur<strong>de</strong> blaß um die Nase, malte sie sich doch sofort aus,<br />
wie es wäre wenn <strong>de</strong>r Bastard mir seiner langen Zunge versuchen wür<strong>de</strong> das<br />
Gehirn <strong>de</strong>r Elfin herauszulutschen. Sie konnte auch nach dieser langen Zeit immer<br />
noch nicht genau einschätzen wann Igor einen verunglückten Spaß machte und<br />
wann es solche Abscheulichkeiten ernst meinte.<br />
Der noch in <strong>de</strong>n Täler hängen<strong>de</strong> Morgennebel wur<strong>de</strong> schnell von <strong>de</strong>r aufsteigen<strong>de</strong>n<br />
Frühlingssonne vertrieben, während ihre Maultiere sich vorsichtig <strong>de</strong>n Abstieg<br />
ertasteten. Die stetig steigen<strong>de</strong> Sonne flutete die Berghänge mit gol<strong>de</strong>nem Licht.<br />
Das frische Grün <strong>de</strong>s Frühlings leuchtet kräftig. Am Tag <strong>de</strong>r Ankunft auf <strong>de</strong>m Paß<br />
hatten sie die Lanschaft nur im sanften Licht <strong>de</strong>r Abendsonne gesehen, in <strong>de</strong>ren<br />
Schatten sich die Hügel zu Füßen <strong>de</strong>s Passes im Dunkel versteckt hatten, jetzt<br />
stellten sich diese Hänge und Kanten in ihrer ganzen Pracht in <strong>de</strong>n hellen Schein.<br />
Das schmale <strong>Band</strong> <strong>de</strong>r unbefestigten Straße glänzte ebenfalls, wie eine silbrige<br />
Kette zog es die Berge hinunter. Waren es die Steine mit ihrem Quarz die so<br />
glänzten o<strong>de</strong>r war es das fröhlich plätschern<strong>de</strong> Bächlein, das am Weg entlang nach<br />
unten spru<strong>de</strong>lte? Igor konnte es nicht sagen, aber <strong>de</strong>r Bastard war von <strong>de</strong>r Aussicht<br />
überwältigt und schwelgte in <strong>de</strong>n Frühlingsfarben. Alle verharrten kurz in <strong>de</strong>m<br />
Anblick, <strong>de</strong>r sich ihnen bot, dann drängte Leros die an<strong>de</strong>ren zum Aufbruch: „Wir<br />
müssen voran, sonst schaffen wir es nicht bis zum Anbruch <strong>de</strong>r Nacht in die<br />
Hauptstadt.“ Er hatte natürlich recht, doch wan<strong>de</strong>n sich die Abenteurer nur<br />
schweren Herzens ihrem Tagwerk zu.<br />
Nach<strong>de</strong>m sie ein kurzes Stück <strong>de</strong>s Weges entlanggeritten waren kamen sie zu<br />
einem Abzweig, <strong>de</strong>r nach Nor<strong>de</strong>n führte. Leros untersuchte ihn kurz nach Spuren,<br />
er konnte jedoch im Schotter keine verräterischen Zeichen ent<strong>de</strong>cken. Also ritten<br />
sie vorsichtig weiter.<br />
Auf <strong>de</strong>m Saumpfad wechselten glatte Passagen aus nacktem Fels mit<br />
Schotterstrecken. Einzelne Randbefestigungen zeigten an, daß diese Verbindung<br />
über <strong>de</strong>n Gebirgskamm <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Regierung nicht gleichgültig war, ja sie<br />
einzelne Maßnahmen zur Instandhaltung <strong>de</strong>sselben finanzierte. Am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Weges plätscherte <strong>de</strong>r kleine Bach, aus ihm hatten sich die Wegbauer offensichtlich<br />
mit Schotter bedient. Wie sonst hätten sie <strong>de</strong>n Kies und die Steine hierherschaffen<br />
können. An einigen Stellen war <strong>de</strong>r Bach befestigt, scheinbar war hier das Ufer<br />
schon häufiger abgerutscht. Ozirk schnaubte über die scheinbar schlechte<br />
Steinarbeit, obwohl <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren nichts Negatives aufgefallen war. Summs<br />
tuschelte mit Leros, daß Zwerge, auch wenn sie Schmied seien, wohl immer über<br />
nicht zwergische Steinarbeiten lästern wür<strong>de</strong>n, das käme daher, daß in <strong>de</strong>n Köpfen<br />
<strong>de</strong>r Zwerge ebenfalls nur Steine und Kies wären, und sie <strong>de</strong>shalb nur wenig an<strong>de</strong>re<br />
Interessen hätten. Ozirk hatte diese lästerliche Re<strong>de</strong> nicht mitbekommen, sonst<br />
hätte es sicher wie<strong>de</strong>r Streit unter <strong>de</strong>n Humanoi<strong>de</strong>n gegeben.<br />
Am späten Morgen machten sie eine erste Rast um sich einem zweiten Frühstück<br />
<strong>Band</strong> IV.18
hinzugeben. Es gab marinierte Ziege, Lammkoteletts und viele an<strong>de</strong>re leckere<br />
Sachen, die die Wirtin und ihre Köchin für die Hel<strong>de</strong>n vorbereitet hatten. Dazu hatte<br />
<strong>de</strong>r Wirt einen Beutel kräftigen Rotweins gelegt, <strong>de</strong>n die Abenteurer jetzt mit<br />
frischem, klaren Gebirgswasser vermischten. Doch anstatt eine richtige Ruhepause<br />
einzulegen schreckte Leros alle auf: „Kelen, nicht bewegen!“ Die Zauberin, die sich<br />
gera<strong>de</strong> lang machen wollte erstarrte zu Stein, die übrigen griffen nach ihren Waffen.<br />
„He, halt, keine Panik!“ Der Waldläufer selbst wirkte wenig beunruhigt. „Ich meine<br />
doch nur, du sitzt neben einer Spur von Lebewesen, einer Spur, die ich gerne<br />
untersuchen wür<strong>de</strong>.“ Alle schauten nun genauer auf die Zauberin, als sie erkannten,<br />
was Leros meinte mußten fast alle grinsen, nur Kelen selbst errötete etwas<br />
verschämt. Sie hatte sich neben einen Haufen Schafsköttel gesetzt und hätte sich<br />
um ein Haar hineingelegt. Leros suchte nun <strong>de</strong>n ganzen bemoosten Hügel ab, zu<br />
<strong>de</strong>ssen Füßen sie sich nie<strong>de</strong>rgelassen hatten. Anschließend meinte er: „Etwa<br />
zwanzig Schafe, ein Hund und ein Schäfer, am ehesten ein Mensch. Sie waren vor<br />
ungefähr einem Tag hier.“<br />
Nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Rast verbargen sie ihre Spuren so gut es ging und machten<br />
sich wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg, Leros vorneweg, falls sie auf weitere Spuren stoßen<br />
sollten. Ozirk machte die Nachhut und sicherte nach hinten. Kurze Zeit später<br />
erreichten sie die Baumzone, zuerst waren nur verkrüppelte Kiefern und Eichen zu<br />
sehen, später wur<strong>de</strong> es ein lichter Wald, durch <strong>de</strong>n sie ritten. Bei einer Lichtung<br />
stießen sie auf eine Schafher<strong>de</strong> von ungefähr zwanzig Schafen, sie wur<strong>de</strong>n von<br />
einem Hund angeknurrt und konnten mit <strong>de</strong>m menschlichen Schäfer ein Paar Worte<br />
wechseln. Auf die üblichen Fragen, wie es ihm gehe, was das Wetter mache und ob<br />
er Reiter gesehen hätte berichtete er über zwei Reiter, die er am Vortage gesehen<br />
habe. Einer davon ein Elf. Ob das Pferd schlecht beschlagen sei könne er nicht<br />
einschätzen, aber was er wisse ist, das die bei<strong>de</strong>n sehr unhöflich waren und ihn fast<br />
vom Weg geschubst hätten.<br />
Die Abenteurer bedankten sich für die Auskunft, wünschten ihm noch alles Gute<br />
und machten sich mit erhöhter Vorsicht auf <strong>de</strong>n weiteren Weg.<br />
Bei <strong>de</strong>r Mittagsrast lag die Gebirgsregion schon hinter ihnen und <strong>de</strong>r Blick in die<br />
Ferne wur<strong>de</strong> bereits von <strong>de</strong>m weiten Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Golfes von Lhorin bestimmt.<br />
Die Landschaft än<strong>de</strong>rte sich erneut. Der Wald verschwand an <strong>de</strong>n Berghängen, die<br />
Straße führte immer tiefer zwischen <strong>de</strong>n Hügeln und links und rechts <strong>de</strong>s Weges<br />
gab es vereinzelte Hütten und Gehöfte. Einen Bauer trafen sie noch, <strong>de</strong>r einen Korb<br />
mit einem groben Sack trug. Summs streifte ihn mitsamt seinem Korb scheinbar<br />
aus Unachtsamkeit. Als er dabei vom Esel fiel konnte er einen Blick hinein<br />
erhaschen. In <strong>de</strong>m Sack befand sich ein kräftiger Knüppel. Er entschuldigte sich<br />
wortreich für <strong>de</strong>n Zwischenfall, Igor verdrehte über soviel Ungeschicklichkeit die<br />
Augen.<br />
Doch Kelen verwickelte <strong>de</strong>n Bauern schnell in eine Gespräch. Er hatte keine Reiter<br />
gesehen, aber er war auch erst seit zwei Stun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Straße. Die Stadt Katin<br />
sei mit so guten Reittieren wie sie die Abenteurer hätten nur noch eine starke<br />
Stun<strong>de</strong> weg, sie wür<strong>de</strong>n sie sicher vor Beginn <strong>de</strong>r Dämmerung erreichen, und das<br />
sei auch gut so, da sie sonst Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>n Torwachen an <strong>de</strong>r<br />
Stadtmauer hätten.<br />
Um Katin also noch vor <strong>de</strong>r Abenddämmerung zu erreichen, beschleunigten sie <strong>de</strong>n<br />
Tritt ihrer Reittiere. Frisch wie<strong>de</strong>raufgebaute Bauernkaten und in Reih und Glied<br />
stehen<strong>de</strong> Baumstümpfe zeigten, daß auch hier die Woge <strong>de</strong>s Krieges ihr<br />
Zerstörungswerk verrichtete.<br />
<strong>Band</strong> IV.19
Junge, frisch gepflanzte Schößlinge zeigten aber an, daß die Menschen die<br />
Hoffnung auf Frie<strong>de</strong>n nicht aufgaben, auch wenn es noch Jahrzehnte dauern wür<strong>de</strong><br />
bis erneut die von Olivenbäumen be<strong>de</strong>ckten Hänge in <strong>de</strong>r sanften Meeresbrise ihr<br />
silbernes Flirren zeigen wür<strong>de</strong>n, für das Katin bisher so berühmt gewesen war.<br />
Die Querung eines Hügels vor <strong>de</strong>r endgültigen Annäherung an die Stadt erlaubte<br />
einen hervorragen<strong>de</strong>n Überblick.<br />
Der Weg führte am Reltiran entlang bis zu einem Stadttor das auf einem Erdwall<br />
ganz in Holz erbaut war. Dieser Wall zog sich mit seinem Graben nach links eine<br />
Meile bis auf eine Anhöhe auf <strong>de</strong>r eine steinerner Wachturm mit Nebengebäu<strong>de</strong>n<br />
zu sehen war. Von dort eilte er direkt <strong>de</strong>n Hang hinab zum Golf. Hinter <strong>de</strong>m Wall<br />
war eine steinerne Mauer im Entstehen. Zwei vorgelagerte Inseln schufen einen<br />
natürlichen Hafen an <strong>de</strong>ssen Ufer zahlreiche Schiffe lagen. Auf <strong>de</strong>r einen Insel war<br />
<strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Strand gezogenen Galeeren nach zu schließen eine<br />
Marinebasis. Rechts <strong>de</strong>s Reltiran, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Stadt von einer Brücke gequert wur<strong>de</strong><br />
führte eine hohe steinerne Mauer etwa fünfhun<strong>de</strong>rt Schritt nach Sü<strong>de</strong>n bis zum<br />
herzoglichen Palastes und von dort nach Osten bis an die Küste, Ein starker<br />
Torturm markierte hier die aus Sü<strong>de</strong>n von Murgos ankommen<strong>de</strong> Straße.<br />
Vorgelagert war auf einer Höhe über <strong>de</strong>r Straße ein weiterer Wachturm. Die<br />
Wohnbebauung war in einzelnen engbebauten Quartieren organisiert, die<br />
untereinan<strong>de</strong>r einen weiten Abstand hielten. Nur in <strong>de</strong>r nördlichen Stadt und am<br />
Hafen gab es Wohnbebauung wie sie <strong>de</strong>n sechs Kamera<strong>de</strong>n aus an<strong>de</strong>ren Städten<br />
vertraut war.<br />
<strong>Band</strong> IV.20
Katin<br />
So kamen sie kurz nach <strong>de</strong>m abendlichen Schließen <strong>de</strong>r Tore am Flußtor an. Ein<br />
noch vor <strong>de</strong>m Tor stehen<strong>de</strong>r unfreundlicher Wächter fragte sie nach ihrem Namen<br />
und Begehr. Sodann verglich er die genannten Namen mit einer ihm vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Liste, als er endlich bei <strong>de</strong>m „geheimnisvollen mächtigen Magier auf Pilgerreise“<br />
angekommen war, Igor überlegte schon ob Magie dies beschleunigen konnte, da<br />
klopfte er an das Tor hinter ihm und rief laut, „Öffnet das Tor die geheimen<br />
Überraschungsgäste für das Fest <strong>de</strong>r Herzogin sind angekommen.“<br />
Verwun<strong>de</strong>rt rieten sie durch <strong>de</strong>n hölzernen Torbau und ließen sich von einem <strong>de</strong>r<br />
Wächter <strong>de</strong>n Weg zum herzoglichen Palast erklären.<br />
Das Leben in <strong>de</strong>r Stadt zog sich wohl schon in die eigenen Wän<strong>de</strong> zurück, war<br />
doch wenig los auf <strong>de</strong>n breiten Straßen, die die einzelnen Quartiere trennten.<br />
Der Palast erschien von <strong>de</strong>r Stadtseite als massiver Qua<strong>de</strong>r bald sechs Mann hoch<br />
und mehr als fünfzig Doppelschritte lang. Ein zwölf Schritt breiter Graben trennte<br />
ihn von <strong>de</strong>r steinernen Stadtmauer und von <strong>de</strong>r Stadt. Beim Näherkommen stellten<br />
sie die Anzeichen einer langen Baugeschichte an <strong>de</strong>r ihnen zugewandten Wand<br />
fest. Die rechte Hälfte bestand aus zwei hohen Geschossen die linke aus <strong>de</strong>ren<br />
drei, aber niedrigere, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Zinnenkranz an <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong>oberkante lief durch,<br />
zwischen <strong>de</strong>n Zinnen glitzerte es hier und da metallisch. Lediglich links ragten<br />
kräftige Türme noch wohl zwei Geschosse höher. Der linke Eckturm schien <strong>de</strong>r<br />
älteste Teil <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s zu sein, <strong>de</strong>ssen Fassa<strong>de</strong>n von hoch angesetzten<br />
auskragen<strong>de</strong>n und neu aussehen<strong>de</strong>n Rundtürmen an <strong>de</strong>n Ecken bestrichen wer<strong>de</strong>n<br />
konnte. Der Eingang war durch die über <strong>de</strong>n wassergefüllten Graben führen<strong>de</strong><br />
Brücke <strong>de</strong>utlich gekennzeichnet.<br />
Ein wehrhafter Erker über <strong>de</strong>m stabilen Holztor ließ sie an kochen<strong>de</strong>s Wasser<br />
<strong>de</strong>nken, als ein davor stehen<strong>de</strong>r Wächter sie wie<strong>de</strong>rum nach Namen und Begehr<br />
fragte.<br />
Auch er war mit einer Liste ausgestattet und schickte dann, nach<strong>de</strong>m auch er<br />
endlich bei <strong>de</strong>m geheimnisvollen mächtigen Magier auf Pilgerreise angekommen<br />
war, nach Michel von Lind, <strong>de</strong>r die inzwischen abgestiegenen Reisen<strong>de</strong>n ins Innere<br />
<strong>de</strong>r Feste geleitete.<br />
Durch einen wohl dreizehn Schritt langen Durchgang, <strong>de</strong>r geheimnisvolle mächtige<br />
Magier auf Pilgerreise brauchte etwas mehr Humpler, vorn und hinten gesichert mit<br />
stabilem zweiflügligen Tor flankiert von Schießscharten und mit drohen<strong>de</strong>n<br />
Deckenöffnungen über ihnen, gelangten sie in <strong>de</strong>n Reiterhof.<br />
„...ist benannt nach <strong>de</strong>n links von ihnen befindlichen alten Stallungen, die neuen<br />
habt ihr ja vielleicht schon vor <strong>de</strong>m Palast auf <strong>de</strong>r rechten Seite bemerkt, und <strong>de</strong>r<br />
bronzenen Reiterstatue Remak <strong>de</strong>s Jüngeren zu Pferd. Dem Bauherrn <strong>de</strong>s<br />
Herzoghof genannten zweiten Hofes. Hier rechts durch diesen Durchgang,“<br />
erläuterte Michel von Lind.<br />
Zwei Pfer<strong>de</strong>knechte eilten herbei und nahmen <strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n die Zügel ab. Schnell<br />
griffen sie noch nach ihren Bün<strong>de</strong>ln, da ging es schon weiter.<br />
„Hier im ersten Hof ist die herzogliche Wache untergebracht, vor uns seht ihr <strong>de</strong>n<br />
Wachsaal dort könnt ihr noch ein Abendbrot bekommen. Es gibt da immer warme<br />
Küche, da ja auch Wächter rund um die Uhr im Dienst sind. Rechts und links <strong>de</strong>r<br />
Durchgänge sind die Wachstuben für die, die in Bereitschaft sind. Die<br />
Wohnquartiere sind in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Obergeschossen. Ach, wir gehen jetzt hier<br />
rechts, diese Spin<strong>de</strong>ltreppe hoch, Moment, hier im Erdgeschoss rechts durch diese<br />
Tür ist das heymliche Gemach, so es euch zwackt.<br />
Ja, die Treppe ist etwas eng, ist sie doch min<strong>de</strong>stens aus <strong>de</strong>r Zeit Remak <strong>de</strong>s<br />
<strong>Band</strong> IV.21
Älteren, aber ihr hättet euren Spieß auch durchaus unten vor <strong>de</strong>r Tür lassen<br />
können. So hier durch diese Tür kommen wir jetzt in <strong>de</strong>n ersten Anbau, dies ist <strong>de</strong>r<br />
Südliche Gästeflügel und gehört schon zum Herzoghof. Vorsicht Stufe.<br />
Dies hier ist Ferera, sie wird sich um euer Wohl kümmern und zeigt euch jetzt die<br />
Zimmer. Bis später, wir sehen uns im Wachsaal.“<br />
Die Dienerin zeigte ihnen die ersten bei<strong>de</strong>n Zimmer links vom Flur, die über eine<br />
Verbindungstür zu einan<strong>de</strong>r verfügten. Die Betten waren frisch bereitet, Handtücher<br />
Wasserkrug, Seife und Waschschüssel stan<strong>de</strong>n in je<strong>de</strong>m Raum bereit Aus <strong>de</strong>n<br />
Fenstern hatte man einen schönen Blick auf <strong>de</strong>n zweiten Hof an <strong>de</strong>ssen rechter<br />
Stirnseite mehrere Stufen zu <strong>de</strong>n verglasten Türen in <strong>de</strong>n Thronsaal führten. Der<br />
wie Ferera stolz erklärte <strong>de</strong>r größte künstlich in Stein gewölbte Raum <strong>de</strong>s<br />
westlichen Innenmeeres war.<br />
Kelen und Akara beschlossen einstimmig, daß es die Etikette erfor<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n<br />
zweiten Raum für die Frauen <strong>de</strong>r Gruppe zu reservieren.<br />
Es kamen wenig Einwän<strong>de</strong>, da alle in Gedanken beim Aben<strong>de</strong>ssen waren, nur Igor<br />
dachte bei sich, ob nicht Bastar<strong>de</strong> auch ein Anrecht auf einen Raum frei von<br />
Zwergenschnarchen haben sollten. Aber er wußte ja, die Welt, sie ist nicht gerecht,<br />
aber Hauptsache sie ist.<br />
Im Wachsaal trafen sie Helferich von Katin, <strong>de</strong>n Hauptmann <strong>de</strong>r Wache und<br />
erstatteten ihm Bericht über die Fährnisse die sie zu erdul<strong>de</strong>n gehabt hatten und<br />
<strong>de</strong>n Personen nach <strong>de</strong>nen sie auf <strong>de</strong>r Suche waren.<br />
Wegen <strong>de</strong>r Belohnung für die bei<strong>de</strong>n Köpfe die sie vom Krähenpaß her mit sich<br />
führten verwies er sie an die Stadtwache.<br />
Igor versuchte, zu seiner Überraschung vergeblich, <strong>de</strong>n Hauptmann als Freund zu<br />
gewinnen. Dieser suchte im Gegenteil mißtrauisch das Dunkel unter <strong>de</strong>s Bastards<br />
Kapuze mit seinem scharfen Blick zu durchdringen, so daß <strong>de</strong>r Bastard sich hinter<br />
Leros zurückzog.<br />
Beim Aben<strong>de</strong>ssen, ein schmackhafter und gehaltvoller Eintopf mit<br />
frischgebackenen duften<strong>de</strong>m dunklem Brot, erklärt ihnen Michel von Lind, daß sie<br />
<strong>de</strong>n morgigen Vormittag zur freien Verfügung haben wür<strong>de</strong>n, aber bitte nach <strong>de</strong>m<br />
Mittagessen sich im Nebensaal <strong>de</strong>s Tronsaals einfin<strong>de</strong>n sollten, um eine Einführung<br />
ins Zeremoniell und in die Tänze <strong>de</strong>s Hofes zu erhalten. Am Abend wäre dann die<br />
angekündigte Audienz.<br />
Diese Ankündigung löste unterschiedliche Reaktionen aus. Igor verkroch sich tief in<br />
die Kapuze, ein Tanz, er. Ein Gedanke <strong>de</strong>r auch beim Zwerg verächtliches<br />
Schnauben ob dieses elfischen Sittenverfalls auslöste. Leros war eher peinlich<br />
berührt, <strong>de</strong>nn Tanzen war nicht seine Stärke, aber er wür<strong>de</strong> schon gern mit Akara<br />
im Arm über die Tanzfläche schweben.<br />
Kelen war verlegen, hatte sie doch seit Beginn ihrer Lehrzeit bei Saramaucar<br />
keinen Tanz mehr besucht und diese Magierrobe war doch wohl etwas unpraktisch,<br />
aber sie hatte ja sonst nichts anzuziehen. Akara hatte hingegen Be<strong>de</strong>nken, ob das<br />
Kleid aus elfischem Linnen nicht im Schnitt doch etwas zu einfach war, und Schuhe,<br />
hoffentlich reicht es Morgen noch passen<strong>de</strong> Schuhe besorgen, sie seufzte tief.<br />
Summs hingegen strahlte über alle Backen. Tanzen. Ja. Das war seine Welt, war er<br />
doch zweimal hintereinan<strong>de</strong>r Tanzchampion gewor<strong>de</strong>n und beim dritten Mal da war<br />
er nur durch Betrug zu stoppen gewesen. Der Cousin Heglas war dummerweise im<br />
Preisgericht und es war ja klar wie <strong>de</strong>r stimmen wür<strong>de</strong>, hatte er doch schon mal mit<br />
seiner Schwester... aber das war eine an<strong>de</strong>re Geschichte. Schuhe, ja Schuhe, in<br />
diesen Stiefeln kann doch niemand tanzen. Die Herzogin, ja er wür<strong>de</strong> die Herzogin<br />
auffor<strong>de</strong>rn, als Ehrengast konnte sie ihm das ja schlecht abschlagen und dann war<br />
er gut im Rennen bei allen Mä<strong>de</strong>ls im Saal, ha, gut.<br />
<strong>Band</strong> IV.22
Da verdunkelte eine Gestalt die offene Tür.<br />
Ein Mann kam herein, groß, nein mehr als das, mehr wie wenn man Ozirk auf<br />
Menschengröße aufblasen wür<strong>de</strong>. Massig, aber mit fließen<strong>de</strong>n schnellen<br />
Bewegungen, die <strong>de</strong>n geübten Kämpfer verrieten unter <strong>de</strong>r nackten Haut seines<br />
bloßen Oberkörpers waren die Muskel zwar nicht zu sehen aber förmlich zu spüren.<br />
Ein breiter Gürtel, beschlagen mit run<strong>de</strong>n getrieben Metallplatten, hielt nicht nur die<br />
weiten Pumphosen oben zusammen son<strong>de</strong>rn auch einen großen Krummsäbel an<br />
seiner Hüfte. Einen Säbel <strong>de</strong>r länger war als Ozirk hoch. Sein aufmerksamer Blick<br />
schweifte durch <strong>de</strong>n Saal blieb kurz an <strong>de</strong>m im Hintergrund an seinem Tisch<br />
sitzen<strong>de</strong>n Hauptmann <strong>de</strong>r Wache hängen und untersuchte dann im Vorbeigehen<br />
die Gruppe <strong>de</strong>r Gefährten. Beim Gehen spannte sich <strong>de</strong>r Sei<strong>de</strong>nstoff seiner Hosen<br />
abwechselnd rechts und links über seinem Knackarsch.<br />
Igor sah die Weibchen sich ansehen und Kichern, Kelen errötete. Akara leckte sich<br />
die Lippen und ging ebenfalls zur Küchentheke, Nachschlag holen wie sie meinte.<br />
„Wer ist das“, fragte Igor <strong>de</strong>n Kämmerer.<br />
„Fasom, <strong>de</strong>r Eunuch, Leibwächter <strong>de</strong>r Herzogin.“<br />
Summs grinste.<br />
An <strong>de</strong>r Theke hörte man Akara lachen, dann kamen bei<strong>de</strong> her und Akara stellte vor,<br />
„Das ist <strong>de</strong>r Leibwächter <strong>de</strong>r Herzogin, Fasom..“, „<strong>de</strong>r Eununch“, platzte Summs<br />
heraus, und blickte dann verlegen zu Bo<strong>de</strong>n. Ein betretenes Schweigen stand<br />
plötzlich zwischen allen. Dann lachte Fasom, brach das Eis und begann auf<br />
Nachfragen von Summs und Akara von seiner Heimat weit im Osten, seiner<br />
Jugend, seiner Ausbildung zu erzählen.<br />
Er zeigte <strong>de</strong>m interessierten Zwerg <strong>de</strong>n einhändigen Rundhieb aufwärts mit seiner<br />
Waffe und <strong>de</strong>r Kämmerer <strong>de</strong>utete an, daß <strong>de</strong>r Eunuch ferner ungeschlagener<br />
Meister im Faustkampf sei, eine Tatsache die Igor bei diesen Tof<strong>de</strong>ckel von<br />
Han<strong>de</strong>n auch durchaus logisch vorkam.<br />
Irgendwie gerieten sie dann wie zufällig auf das vielfältige Gebiet körperlicher<br />
Beziehungen, ein Gebiet <strong>de</strong>m Igor auch reichliches aka<strong>de</strong>mische Interesse<br />
entgegenbrachte, bestimmte dies doch weitgehend das gesellschafliche Verhalten<br />
in humanoi<strong>de</strong>n Gruppen. Fasziniert erfuhr <strong>de</strong>r Bastard, daß auch Fasom hier we<strong>de</strong>r<br />
Erfahrung noch Begehren kannte, selbstverständlich waren ihm auch die<br />
physischen und psychischen Randbedingungen bekannt aber das wars dann auch.<br />
Kelen traute sich nicht am Gespräch teilzunehmen hatte sie doch das gefühl ihre<br />
Wangen wür<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>smal entflammen wenn <strong>de</strong>r Blick aus Fasom weichen und<br />
tiefen braunen Augen <strong>de</strong>n ihren traf. Akara hingegen begann ob <strong>de</strong>r Prahlerei <strong>de</strong>s<br />
Gnoms und Leros auf <strong>de</strong>r einen und <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mischen Überheblichkeit von Igor<br />
und Fason auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite die Ruhe zu verlieren.<br />
Schließlich stand sie auf, stand hinter <strong>de</strong>n Eunuch, nahm seinen bis auf einen<br />
langen Zopf glattrasierten Kopf in die Hän<strong>de</strong> und rief <strong>de</strong>n Segen ihrer Göttin herab.<br />
Überrascht schien sich <strong>de</strong>r Blick <strong>de</strong>s Eunuchen nach innen zu kehren. Leros<br />
flüsterte Summs etwas offensichtliches Anzügliches zu, <strong>de</strong>nn dieser lachte und<br />
Kelen senkte verschämt <strong>de</strong>n Kopf. Akara schüttelte ihr wie elektrisiert sprühen<strong>de</strong>s<br />
Haar und meinte zu Michel von Lind, <strong>de</strong>r Tag sei nun doch lang gewesen, und sie<br />
ziehe sich nun zurück. Worauf Fasom <strong>de</strong>r eben wie<strong>de</strong>r aufschauen<strong>de</strong>n Kelen fest in<br />
die Augen blickt und sie fragte ob sie schon nach ihren Maultieren geschaut hätte.<br />
Ihr Verneinen und sein sie an <strong>de</strong>r Hand nehmen und sein Geleit anbieten war fast<br />
wie eins. Beim Aufstehen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n bemerkten die Sitzengebliebenen, das da in<br />
diesen Pumphosen nun etwas mitschwang. Mit offenem Mund sahen die<br />
Zurückbleiben<strong>de</strong>n wie die aussen warten<strong>de</strong> Akara sich auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />
Fasoms einhakte und die Gruppe in Richtung Spin<strong>de</strong>ltreppe quer über <strong>de</strong>n Hof<br />
<strong>Band</strong> IV.23
steuert.<br />
Leros wollte aufstehen, doch <strong>de</strong>r Zwerg legte ihm die Hand schwer auf die Schulter,<br />
„Besser nicht.“<br />
Igor sah von seinem Platz aus noch, wie Akara, Kelen und Fasom <strong>de</strong>n Vortritt<br />
lassend, an letzterem mit kräftigem Griff die Spannkraft seiner Hinterbacken testete.<br />
Er gab diese Beobachtung nun <strong>de</strong>nn aber doch nicht an die an<strong>de</strong>ren weiter.<br />
So saßen <strong>de</strong>nn die an<strong>de</strong>ren noch einige Zeit am Tisch, tranken ihr Bier bis <strong>de</strong>r<br />
Zwerg sich hochstemmte, und angab er müsse noch seine Rüstung für <strong>de</strong>n<br />
morgigen Tag richten. Der Kämmerer verabschie<strong>de</strong>te sich ebenfalls, während<br />
Summs sich auf <strong>de</strong>r Suche nach einem Nachtisch und vielleicht einem<br />
Schlummertrunk auf <strong>de</strong>n Weg in die Küche machte.<br />
Igor und Leros traten gemeinsam durch die breite Tür <strong>de</strong>s Wachlokals in <strong>de</strong>n Hof<br />
über <strong>de</strong>m sich inzwischen <strong>de</strong>r klare Nachthimmel spannte. Laternen rechts und<br />
links <strong>de</strong>r Durchgänge und <strong>de</strong>r Tür durch die sie eben geschritten waren,<br />
verbreiteten einen warmen Schein über die hellgrauen Natursteinwän<strong>de</strong>.<br />
Mit <strong>de</strong>n Worten, „Komm wir sehn uns noch ein bißchen um“, stieß Igor <strong>de</strong>m<br />
Waldläufer in die Rippen und die bei<strong>de</strong>n steuerten auf <strong>de</strong>n Durchgang in <strong>de</strong>n<br />
Herzoghof zu.<br />
In <strong>de</strong>m nur an <strong>de</strong>n En<strong>de</strong>n von einfallen<strong>de</strong>m Laternenlich erhellten Durchgang<br />
hallten Igors Humpel-Schlurfer unangenehm wie<strong>de</strong>r, während <strong>de</strong>s Leros Schritte<br />
kaum zu hören waren.<br />
Der Herzoghof war ebenfalls von Laternen erleuchtet, die durch ihr Schattenspiel<br />
die von Säulenvorlagen geglie<strong>de</strong>rte Fassa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Thronsaals effektvoll belebten.<br />
Auf <strong>de</strong>ren vorgelagerten breite Stufen schlen<strong>de</strong>rten die bei<strong>de</strong>n nun zu. Von rechts<br />
oben erklang von einem Fensterla<strong>de</strong>n gedämpft das rythmische Stöhnen einer<br />
Frau, untermalt von <strong>de</strong>m hellen Quietschen eines hölzernen Bettgestells und <strong>de</strong>m<br />
dunklen Lachen einer zweiten Frauenstimme.<br />
Leros senkte <strong>de</strong>primiert <strong>de</strong>n Kopf, während sie auf <strong>de</strong>n breiten Stufen aus<br />
gol<strong>de</strong>nem Sandstein aus Rakhan Platz nahmen.<br />
So saßen sie eine ganze Zeitlang schweigend nebeneinan<strong>de</strong>r, konnte doch Igor<br />
kaum aus einem auch nur irgendwie gearteten Erfahrungsschatz in Herzensdingen<br />
schöpfen.<br />
So versuchte er durch <strong>de</strong>n Lichtschein <strong>de</strong>r Wandlaternen die Sternbil<strong>de</strong>r am<br />
Nachthimmel zu erkennen.<br />
Da bewegte sich hinter ihnen leise <strong>de</strong>r Türriegel und die Türe vor <strong>de</strong>r sie saßen<br />
öffnete sich, bei<strong>de</strong> drehten ihre Köpfe und sahen eine schlanke Frau mittleren<br />
Alters in schlichtem Gewand, das lange dunkle schon mit einzelnen grauen<br />
Strähnen durchsetzte Haar hinten mit einem bunten <strong>Band</strong> zusammengefaßt. Sie<br />
schloß die Tür sorgfältig hinter sich und begrüßte die neugierigen Gefährten in<strong>de</strong>m<br />
sie sich als Rhaia vorstellte. Schnell waren sie auseinan<strong>de</strong>rgerutscht und sie setzte<br />
sich wie selbstverständlich zwischen die bei<strong>de</strong>n, die sich nun ebenfalls vorstellten<br />
und über ihre gezielten Nachfragen etwas erstaunt waren, es konnte wohl hier im<br />
Palast o<strong>de</strong>r gar in <strong>de</strong>r ganzen Stadt kaum etwas vertraulich bleiben. Aber dies<br />
hatten sie als geheime Überraschungsgäste ja schon am Stadttor erlebt, eine<br />
Geschichte über die sie alle herzlich lachten als Leros sie zum Besten gab. Er<br />
zeigte sich fasziniert von ihren mit braunen Sprenkeln durchsetzten blauen Augen<br />
und <strong>de</strong>n Lachfältchen um die Augen die nur von <strong>de</strong>m beim Lachen und Schmunzeln<br />
auftreten<strong>de</strong>n Grübchen am Kinn noch übertroffen wur<strong>de</strong>. Als er ihr sagte wie sehr er<br />
die Herzogin ob ihrer attraktiven Dienerin bewun<strong>de</strong>rte, löste dies ein weitere<br />
Lächeln und ein beschei<strong>de</strong>nes Abwehren aus.<br />
Igor beobachtete die bei<strong>de</strong>n interessiert von <strong>de</strong>r Seite, wie schnell doch die<br />
<strong>Band</strong> IV.24
menschlichen Männchen sich von einem auf das an<strong>de</strong>re Weibchen einstellen<br />
konnten. Dies hier war eher schlank und sportlich schmal gebaut, die Zitzen waren<br />
dazu passend kleiner als die Akaras, ihre Spitzen zeichneten sich aber unter<br />
seinem seitlichen Blick vorteilhaft unter <strong>de</strong>m dünnen Kleid ab. Etwa auch elfisches<br />
Linnen? So sicher war er sich nicht. Ihre Beine und Arme waren von häufigem<br />
Aufenthalt im Freien gleichmäßig gebräunt, und von reichlicher Bewegung auch gut<br />
trainiert. Ihre Hän<strong>de</strong> und Finger sahen allerdings sehr gepflegt aus, we<strong>de</strong>r Risse<br />
noch Schrun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r eingerissene Fingernägel, einige ältere schon verheilte<br />
Narben be<strong>de</strong>ckten die Unterarme.<br />
Nun hatte er in Gedanken einen Teil <strong>de</strong>r Unterhaltung verpaßt, was ihm peinlich<br />
war, da alle ihn ansahen und eine Antwort auf eine Frage erwarteten die er nicht<br />
gehört hatte. Leros fragte, wohl nochmals, ob er <strong>de</strong>n nun mitkomme, erleichtert<br />
nickte er. Und schloß sich <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n humpelnd an.<br />
Die bei<strong>de</strong>n eilten fast voraus, so kam es <strong>de</strong>m Bastard zumin<strong>de</strong>st vor. Mühelos hielt<br />
sie mit <strong>de</strong>m Waldläufer Schritt. Was bei ihm kraftvolles Auftreten war, war bei ihr<br />
eher als leichtfüßiges Ausschreiten zu beschreiben. Igor konnte, als er das<br />
Bewegungsspiel ihres Rückens so beobachtete, schon nachvollziehen, daß die<br />
anmutige Bewegung bei <strong>de</strong>r Menschenweibchen für ihre Männchen ein wichtiger<br />
Bewertungsfaktor darstellt.<br />
Sie führte die Gruppe durch einen schmaleren Durchgang auf <strong>de</strong>r rechten Seite und<br />
öffnete an seinem En<strong>de</strong> vorsichtig eine hohe Tür, warf einen Blick hindurch und<br />
winkte dann <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n ihr zu folgen.<br />
Sie stan<strong>de</strong>n in einem weiteren Hof, <strong>de</strong>m Gartenhof wie sie erklärte. Rechts war <strong>de</strong>r<br />
Gartensaal und darüber dort wo noch Licht brannte waren die Privatgemächer <strong>de</strong>r<br />
Herzogin. Ja, sie arbeitet oft bis in die Nacht.<br />
Das jenseitige En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hofes war durch eine zinnengekrönte Umfassungsmauer<br />
in Höhe <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong> begrenzt. Am Fuß waren Türen eingelassen, Abstellräume<br />
wie sie erklärte.<br />
Zur Mitte <strong>de</strong>r linken Seite führte eine breite Freitreppe zu einem kleineren Gebäu<strong>de</strong><br />
aus Holz und weißem Putz das mittig auf einer die ganze Seite entlang laufen<strong>de</strong>n<br />
Mauer saß. Hinter <strong>de</strong>r Mauer waren Bäume zu sehen. Büsche und blühen<strong>de</strong><br />
Rankgewächse hingen von ihr herunter in <strong>de</strong>n Hof. Auf <strong>de</strong>m Weg zur Treppe, <strong>de</strong>n<br />
sie ganz an <strong>de</strong>r Wand entlang nahmen, kamen sie an mehreren Statuen von<br />
Vorgängern <strong>de</strong>r jetzigen Herzogin vorbei, zu <strong>de</strong>nen sie jeweils fachkundigen und<br />
scharfen Kommentar abgab.<br />
Sie stiegen die Treppe hinauf und Rhaia schob vorsichtig eine <strong>de</strong>r Türen auf. Sie<br />
folgten ihr und waren in einem Raum <strong>de</strong>r sechs Schritt breit war und mit seinen acht<br />
Schritt über die ganze Gebäu<strong>de</strong>tiefe ging. Gegenüber konnten sie bereits durch<br />
eine offene Schiebetüre in einen von verstecktem Licht beleuchteten Garten<br />
schauen. Sie querten <strong>de</strong>n Raum über <strong>de</strong>n hellen fast weißen Holzfußbo<strong>de</strong>n und<br />
setzten sich vor die Schiebetüre auf eine breite überdachte Holzveranda. Vor ihnen<br />
zeigte sich ein überraschen<strong>de</strong>s Landschaftspanorama. Zwei weiße kiesbe<strong>de</strong>ckte<br />
Wege führten durch einen Garten <strong>de</strong>r so groß war wie <strong>de</strong>r erste Hof mit seinen<br />
umgeben<strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>n. Die begrenzen<strong>de</strong> Mauer war nur zu erahnen, war sie doch<br />
geschickt durch das im hinteren Bereich ansteigend Gelän<strong>de</strong> und die sich<br />
verdichten<strong>de</strong> Bepflanzung ver<strong>de</strong>ckt, vielleicht war ja auch mit Rankpflanzen noch<br />
nachgeholfen wor<strong>de</strong>n.<br />
Ein vielfältig geglie<strong>de</strong>rter Teich spiegelte die vom Licht <strong>de</strong>r drei wohlversteckten<br />
Laternen herausgehobenen Bäume. Zwei Holzbrücken führten die Wege über<br />
schmale Stellen <strong>de</strong>s Teiches. Linker Hand plätscherte ein kleiner Bach aus <strong>de</strong>r<br />
höheren Ecke <strong>de</strong>s Gartens in Richtung Teich und hohe Gräser wiegten sich sanft<br />
<strong>Band</strong> IV.25
aschelnd im von <strong>de</strong>n Bergen auf die See hinaus streben<strong>de</strong>n Wind.<br />
Sprachlos saßen die zwei Besucher auf <strong>de</strong>m Holzbo<strong>de</strong>n, und spürten die Ruhe und<br />
Sammlung die von diesem Ort ausging.<br />
Dies sei <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>r Herzogin zu diesem Palast erklärte Rhaia. Und freute sich<br />
als bei<strong>de</strong> ihrer Bewun<strong>de</strong>rung Ausdruck verliehen. Sie erzählte, daß Wagenladungen<br />
mit Pflanzen von <strong>de</strong>n hier tätigen elfischen Künstlern aus Lindor herangekarrt<br />
wur<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Bach über ein von <strong>de</strong>r Windmühle auf <strong>de</strong>m Turm gefülltes Bassin<br />
auf <strong>de</strong>m Dach gespeist wird.<br />
Dann erzählte Leros noch einige ihrer Abenteuer, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Beginn mit <strong>de</strong>m<br />
weißen Volk unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> fand sie faszinierend und zitierte Teile aus <strong>de</strong>n<br />
“Dreizehn Schiffen von Regios“, die so merkwürdig wie<strong>de</strong>r Realität wur<strong>de</strong>n.<br />
Zürnend Gott erschüttert Felsen Feste<br />
Glut gleißt rot in Spalten tief<br />
Frevel, Kertos Werk es rief<br />
Speiend Asche färbt Weg und Bau in grau.<br />
Flüchtend Mensch in Grotten groß<br />
Furcht füllt eisig Herzen ganz<br />
Lo<strong>de</strong>rnd Lohe lädt zum Tanz<br />
Zitternd Aug erkennt <strong>de</strong>r Felsen Fall<br />
Igor bemerkte während sein Blick sich im Garten verloren hatte eine Kraft in ihrer<br />
Stimme die auf Ausbildung hin<strong>de</strong>utete und stellte fest das auch ihre in<br />
schmalriemigen Sandalen gefaßten Füße sehr gepflegt waren.<br />
So verpaßte er <strong>de</strong>n Beginn von Leros Erläuterung zu <strong>de</strong>m Ring <strong>de</strong>r Macht und ihre<br />
Erlebnisse damit. Als nun bei<strong>de</strong> ihn anblickten versuchte er vergeblich Ausflüchte<br />
zu erfin<strong>de</strong>n und erzählte schließlich vom Ring aus seiner Sicht. Und wie er ihn<br />
verloren hatte. Seine Geschichte ließ einiges aus und er hoffte nur, daß Leros nicht<br />
allzuviel meinte ergänzen zu müssen.<br />
Aber das Gespräch wandte sich <strong>de</strong>m Thema zu, wer wohl alles ein Interesse am<br />
Ring haben könnte. Das tiefe Wissen, das aus <strong>de</strong>n Äußerungen Rhaias aufblitzte<br />
verfestigte <strong>de</strong>n Verdacht <strong>de</strong>s Bastards, <strong>de</strong>n dieser schon länger hegte. Rhaia war<br />
niemand an<strong>de</strong>rs als die Herzogin Rhianon selbst.<br />
Als er dies versteckt an<strong>de</strong>utete lächelte sie ihm verschwörerisch zu.<br />
Und zitierte <strong>de</strong>n hochelfischen Dichter G´Ershik:<br />
We are actors, as I foretold you,<br />
Were all spirits, and are melted into air.<br />
Into thin air.<br />
We are such stuff, as dreams are ma<strong>de</strong> of,<br />
And our little life is roun<strong>de</strong>d,<br />
With a sleep.<br />
Und Schlaf war es, zu <strong>de</strong>m sie nun die bei<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Gartenhof geleitete.<br />
Auf Leros Frage, <strong>de</strong>r Igors versteckte An<strong>de</strong>utung nicht bemerkt o<strong>de</strong>r nicht<br />
verstan<strong>de</strong>n hatte, ob sie <strong>de</strong>n morgen Abend auch bei <strong>de</strong>m Empfang anwesend sei,<br />
antwortete sie mit einem verschmitzten Lächeln um die Augen, das schon, aber gut<br />
versteckt, er müßte sich schon anstrengen sie zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Wie <strong>de</strong>r Bastard ihm nun seine Ent<strong>de</strong>ckung mitteilte, konnte er dies nicht glauben<br />
<strong>Band</strong> IV.26
und es entspann sich ein längeres Streitgespräch ob dieser Vermutung.<br />
Nach<strong>de</strong>m sich bei<strong>de</strong> im heymlichen Gemach am Fuß <strong>de</strong>r Spin<strong>de</strong>ltreppe noch<br />
erleichtert hatten, gingen sie hoch, Igor in <strong>de</strong>r Hoffnung, daß Fasom nicht jetzt<br />
Leros begegnete.<br />
Aber sie erreichten ihr Zimmer ohne Zwischenfall, und fan<strong>de</strong>n darin <strong>de</strong>n Zwerg<br />
nach Schmie<strong>de</strong>nrauch riechend und leise vor sich hin schnarchend.<br />
Auf <strong>de</strong>m Bett neben <strong>de</strong>m Fenster saß Summs und nähte im Schein einer Laterne<br />
die Knöpfe seiner Weste neu an, neben ihm auf <strong>de</strong>m Bett eine fast ganz leer<br />
gegessene Küchenplatte auf <strong>de</strong>r noch einige wenige verstreute Käsestücke und<br />
Stücke kalten Bratens lagen. Ein Krug Wein stand auf <strong>de</strong>m Schemel unter <strong>de</strong>m<br />
Fenster und als er die bei<strong>de</strong>n eintreten sah, hob er grüßend seinen Becher und<br />
schlürfte ihn genußvoll leer.<br />
„Ich glaube Ferera mag mich“, hob er an zu erzählen und klopfte stolz auf seinen<br />
Bauch. Die bei<strong>de</strong>n setzten sich auf das Bett gegenüber, und gaben ihr Erlebniss<br />
zum Besten und danach gab ihnen <strong>de</strong>r Gnom ausführlich Auskunft bezüglich Akara,<br />
Kelen und Fasom, ob sie es nun wissen wollten o<strong>de</strong>r nicht.<br />
„Also lei<strong>de</strong>r war ich ja zunächst in <strong>de</strong>r Küche und kam sicher erst eine gute Stun<strong>de</strong><br />
später hier hoch, mit <strong>de</strong>r Küche muß man sich ja gut stellen, da darf man nichts<br />
übereilen und ich kann euch sagen morgen gibt es ein Buffet, wow, also zum<br />
Beispiel dieser marinierte Schwertfisch o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bergkäse aus Rak-han, und dann<br />
<strong>de</strong>r Wein.“ Er schnalzte genießerisch mit <strong>de</strong>r Zunge und goß sich noch einen<br />
Schluck Wein ein.<br />
„Was ist nun mit Akara“, wollte <strong>de</strong>r Waldläufer wissen.<br />
„Nun, als ich hier eintraf waren sie nebenan noch voll zu Gange, ich nahm alle drei<br />
Stimmen wahr, aber es war schon Akara die <strong>de</strong>n Ton angab, sie gab <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren oft Anweisungen, die die dann wie am Gestöhne zu erkennen war, äußerst<br />
bereitwillig und freudig ausführten.<br />
Also dieser Fasom ist beinahe so ausdauernd wie mancher Gnom <strong>de</strong>n ich kenne.<br />
Und die haben Sachen ausprobiert bei <strong>de</strong>nen sogar ich rot wür<strong>de</strong>.“<br />
Leros gab sich entsetzt ob <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>utung, das <strong>de</strong>r Gnom etwa heimlich zugeschaut<br />
haben könnte, hätte aber doch gerne noch mehr über diese entsetzlichen Sachen<br />
erfahren, aber Summs war recht zugeknöpft, zierte sich und murmelte etwas von<br />
„Privatsphäre“ und „Vertraulichkeit“.<br />
Er ließ nur soviel raus, daß Kelen sich irgendwann erschöpft zurückzog, während<br />
die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren noch bis kurz vor <strong>de</strong>r Ankunft <strong>de</strong>s Zwerges sich lustig weiter<br />
vergnügten.<br />
Fasom war übrigends recht wacklig auf <strong>de</strong>n Beinen als er das Nachbarzimmer<br />
verließ, ja je<strong>de</strong>s Gnomkind hätte ihn umwerfen können, merkte er süffisant an.<br />
Während seiner Erzählung hatte Igor die Platte leergeputzt während Leros <strong>de</strong>n<br />
Krug Wein austrank.<br />
Gestärkt und beinahe voll informiert begaben sich nun auch diese drei zur Ruhe.<br />
<strong>Band</strong> IV.27
Der Tag <strong>de</strong>s Festes<br />
Der Morgen begann mit Ferera die frisches Wasser und Handtücher brachte.<br />
Gespannt erwarteten sie die Türöffnung zum Nachbarzimmer. Schließlich öffnete<br />
eine noch reichlich verwuschelte Akara, sie wußte ja was die vier zu sehen<br />
erwarteten, im knappen Hemd die Verbindungstüre, räkelte sich <strong>de</strong>monstrativ und<br />
entblößte so die heftigen Knutschflecken am oberen En<strong>de</strong> ihrer wohlgeformten<br />
Beine.<br />
„Habt ihr noch frische Handtücher“, fragte sie mit unschuldiger Stimme.<br />
„Na klar“, entgegnete <strong>de</strong>r Gnom großzügig und als Mann von Welt und sprang mit<br />
<strong>de</strong>m frischen Stapel zu ihr. „Ah, ihr riecht heute aufregend gut nach freier Wildbahn,<br />
Gnädigste.“<br />
Akara lachte und meinte, daß ihr Vormittag wohl in einem Bad in <strong>de</strong>r Stadt<br />
stattfin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, und Kelen wür<strong>de</strong> wohl auch mit kommen. Diese hielt sich aber<br />
verschämt außer Sicht.<br />
Beim kräftigen Frühstück tauschten sie ihre jeweiligen Morgenprogramme aus.<br />
Ozirk plante im verrufensten Viertel <strong>de</strong>r Stadt die einzige Zwergenkneipe<br />
aufzusuchen neugierig gewor<strong>de</strong>n schlossen sich Igor und Leros an, wohingegen die<br />
Mä<strong>de</strong>ls vor <strong>de</strong>m Einkaufen gerne das beste Bad aufsuchen wür<strong>de</strong>n. Alle hatten vor<br />
sich unauffällig nach <strong>de</strong>n von ihnen Gesuchten zu erkundigen.<br />
Niemand fragte Summs, was <strong>de</strong>nn seine Wünsche seien so beschloß er <strong>de</strong>n Korb<br />
mit <strong>de</strong>n Köpfen bei <strong>de</strong>r Stadtwache vorbeizubringen und die auf Kufur ausgesetzte<br />
Belohnung zu kassieren.<br />
So ließen es sich die einen <strong>de</strong>nn im warmen Wasser wohl sein und die an<strong>de</strong>ren<br />
machten sich auf in Richtung Hafen, <strong>de</strong>r Gnom hingegen fand sich auf <strong>de</strong>r Wache<br />
wie<strong>de</strong>r.<br />
Dort traf er <strong>de</strong>n diensthaben<strong>de</strong>n Sergeant <strong>de</strong>r Wache an, <strong>de</strong>r sich sofort bereit<br />
erklärte ihm zuzuhören und unter eifrigem Fe<strong>de</strong>rkiel anspitzen und Tintespritzen<br />
begann ein Protokoll aufzunehmen. Summs erläuterte erst unter vielen<br />
Zwischenfragen die Erlebnisse im Gasthof am Krähenpaß und nannte verschie<strong>de</strong>ne<br />
Zeugen wie Michel von Lind. Dann versuchte er ihm <strong>de</strong>utlich zu machen, daß er<br />
ihm nun erstens nicht <strong>de</strong>n Korb son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>sselben verkaufen wolle, nein,<br />
auch nicht direkt verkaufen, mehr eintauschen. Weil dieser von ihm also <strong>de</strong>m<br />
Sergeant, nein eher von <strong>de</strong>r Stadt, respective <strong>de</strong>r Herzogin gesucht wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />
Als kurz gesagt, <strong>de</strong>r Hauptmann Helferich hätte ihn hergeschickt die ausgesetzte<br />
Belohnung abzuholen.<br />
Der Sergeant i<strong>de</strong>ntifizierte <strong>de</strong>n Kopf anhand einer kleinen Zeichnung und holte aus<br />
einer schweren Truhe ein Säckchen mit Münzen und zählte zehn grosse Zehnerauri<br />
auf <strong>de</strong>n Tresen. Für die Elfin könne er lei<strong>de</strong>r nichts geben, da sie nicht gesucht<br />
wür<strong>de</strong>, aber ihr Kopf wür<strong>de</strong> ebenfalls aufgesteckt und vielleicht wür<strong>de</strong> sich ja<br />
jemand mel<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r sie kennt. Und jetzt hätte er noch eine Frage warum wur<strong>de</strong><br />
bei<strong>de</strong>n Köpfen das Gehirn ausgesaugt, und von wem. Summs schüttelte sich und<br />
täuschte Unwissenheit vor, nahm sich aber vor mit Igor ein ernstes Wort zu<br />
wechseln.<br />
Zufrie<strong>de</strong>n ging er weiter um <strong>de</strong>m abendlichen Fest gemäße Schuhe einzukaufen,<br />
solche mit hohen Sohlen und passend zu <strong>de</strong>n silbernen Schnallen die er bereits in<br />
Tika erstan<strong>de</strong>n hatte.<br />
Igor hingegen humpelte mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zu Hafen, <strong>de</strong>m größten und<br />
umtriebigsten <strong>de</strong>n er bisher zu Gesicht bekommen hatte.<br />
<strong>Band</strong> IV.28
Der allmorgendliche Fischmarkt ging gera<strong>de</strong> schon <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> entgegen. Daneben<br />
wur<strong>de</strong> an einem <strong>de</strong>r ins Hafenbecken reichen<strong>de</strong>n Stege ein großer dreimastiger<br />
Han<strong>de</strong>lsfahrer aus Thyr entla<strong>de</strong>n.<br />
Eine Kogge verließ soeben schwer bela<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Hafen. Was sie gela<strong>de</strong>n haben<br />
könnte zeigte <strong>de</strong>r Karren, <strong>de</strong>r von zwei Lehrlingen unter Aufsicht ihres Meisters zum<br />
Anlegesteg gezogen wur<strong>de</strong>. Kisten mit Töpferwaren in <strong>de</strong>r bekannten schwarzroten<br />
Glasur und mit <strong>de</strong>m traditionellen Streifenmuster Rauricarias wie sie im<br />
ganzen Innenmeer anzutreffen waren.<br />
Weiter nördlich im Hafenrund stan<strong>de</strong>n die langen Reihen <strong>de</strong>r Fischernetze vor <strong>de</strong>n<br />
Booten am hellen flachen Strand und ihre Besitzer waren eifrig mit Ausbessern<br />
beschäftigt.<br />
Die Häuser waren schon reichlich schäbig gewor<strong>de</strong>n, da sahen sie an einem eine<br />
Krücke hängen, dies war also „<strong>de</strong>r einbeinige Zwerg".<br />
Innen waren die in Kneipen mit solcher Lage üblichen verdächtigen, zwielichtigen<br />
und heruntergekommenen Gestalten zu sehen. Unüblich nur <strong>de</strong>r äußerst hohe<br />
Zwergenanteil die einen Großteil <strong>de</strong>s Lokals in Beschlag nahmen und ihre lustigen<br />
Lie<strong>de</strong>r grölten.<br />
Die Neuankömmlinge überbrückten die peinliche Stille die bei ihrem Eintreten<br />
entstan<strong>de</strong>n war durch forsches an die Theke treten und lautes Zwergenschnaps<br />
bestellen, doppelten natürlich.<br />
Auf ein kurzes „Hau weg <strong>de</strong>n Dreck“ kippten sie ihn hinunter, räusperten sich und<br />
verlangten äußerst professionell eine neue Run<strong>de</strong>, da mußte Igor hörbar<br />
Schlicksen. Peinlich.<br />
Hinten kicherte ein Zwerg. An<strong>de</strong>re murmelten empört.<br />
Ozirk straffte sich und begann schon nach seinem Streihammer zu tasten, da<br />
suchte Leros mit seiner ganzen weltmännischen Erfahrung die Aufmerksamkeit an<br />
sich zu reißen, beugte sich zum Wirt und fragte: „Sagt an, habt ihr zur eurem<br />
hervorragen<strong>de</strong>n Getränk auch lecker gegrillten Fisch zu Essen.“ Man hätte eine<br />
Steckna<strong>de</strong>l fallen hören können. Und Igor erinnerte sich nun wie<strong>de</strong>r an die<br />
Erzählung Michel von Linds, daß <strong>de</strong>r Wirt sein Bein an einen Hai verloren haben<br />
soll, was die Erwähnung von Fisch ungefähr so erfolgreich machte wie Witze über<br />
Bärtige.<br />
Selbiger begann bereits rot anzulaufen und hinter ihnen klirrten bedrohlich die<br />
Kettenhem<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r sie beobachten<strong>de</strong>n Zwerge.<br />
Leros versuchte es mit einem, „na das ist doch hier ne Hafenkneipe, o<strong>de</strong>r,“ zu<br />
überspielen was ihm aber nicht gelang, ja die Luft eher noch verdickte.<br />
„Anstatt dich hier aufzupumpen solltest du aus unseren Bechern lieber die Luft<br />
rauslassen, und zwar hurtig, sonst gibt es hier ein paar Krüppel mehr“, fuhr <strong>de</strong>r<br />
ungeduldige Ozirk <strong>de</strong>n Wirt an. Krüppel, ja, das war das an<strong>de</strong>re Wort, das wie Igor<br />
noch wußte, besser nicht in dieser Kneipe fallen sollte.<br />
Ein Blick zur Seite zeigte ihm, daß etliche <strong>de</strong>r zwergischen Gäste sich bereits von<br />
ihren Bänken erhoben hatten, mancher bereits mit einer gefährlich glitzern<strong>de</strong>n Axt<br />
in <strong>de</strong>r Hand.<br />
Laut in die gefährliche Stille hinein seufzend zog <strong>de</strong>r Bastard nun die<br />
Aufmersamkeit auf sich und begann mit wohlmodulierten Worten auf <strong>de</strong>n Wirt<br />
einzuwirken. Die an<strong>de</strong>ren bei<strong>de</strong>n waren schnell vergessen als er von <strong>de</strong>n Gefahren<br />
weiter Wan<strong>de</strong>rungen sprach, von wil<strong>de</strong>n Gebirgen, reißen<strong>de</strong>n Strömen, lauern<strong>de</strong>n<br />
Orks, frem<strong>de</strong>n Städten und Einsamkeit. Aber als er dann von Stellen sprach an<br />
<strong>de</strong>nen auch <strong>de</strong>r Reisen<strong>de</strong> unter Gleichgesinnten mutige und aufrechte Kamera<strong>de</strong>n<br />
ja Freun<strong>de</strong> treffen kann und wohl behütet rasten kann, da spürten alle ein Gefühl<br />
<strong>de</strong>r Verbun<strong>de</strong>nheit, ja <strong>de</strong>r Rührung ob so viel Einfühlsvermögen und <strong>de</strong>r Wirt meinte<br />
<strong>Band</strong> IV.29
unter Tränen, „ja ihr seid schon recht, nur <strong>de</strong>r Mensch, aber gut ,er gehört zu euch,<br />
kommt setzt euch“.<br />
Er führte sie an <strong>de</strong>n ersten Tisch <strong>de</strong>ssen Zwerge etwas zusammen rutschten um<br />
<strong>de</strong>n Ankömmlingen Platz zumachen, einer in glänzen<strong>de</strong>m Kettenpanzer <strong>de</strong>r eben<br />
seine Streitaxt wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Tisch legte, begann sofort Ozirk nach Herkunft und<br />
Beruf auszufragen.<br />
Nach<strong>de</strong>m seine Neugier<strong>de</strong> befriedigt war. Wollte auch Ozirk wissen mit wem er es<br />
zu tun hatte. Nun sein Name sei Tarik Eisenfresser Großcousin Zorcs <strong>de</strong>s Wirtes<br />
hier antwortete er ausschweifend. Auf die Frage nach <strong>de</strong>m Beruf war zunächst nur<br />
ein Exkurs über wirtschaftliche Nischen zu erhalten, dann auf stärkeres Nachfragen<br />
erfuhren sie das sein Beruf etwas mit <strong>de</strong>r Bekleidungsindustrie zu tun hatte. Erst auf<br />
Ozirks <strong>de</strong>utliches Insistieren kam die leise Auskunft er sei Spitzenklöppler. Aber<br />
einer <strong>de</strong>r Besten.<br />
Leros sah auf die martialische Ausstaffierung <strong>de</strong>s Tarik Eisenfresser und dann auf<br />
Ozirks Gesichtsausdruck und mußte sich schon kräftig auf die Lippe beißen um<br />
nicht loszuprusten.<br />
Nach einer kleinen Schamfrist machten sich <strong>de</strong>nn auch Leros und Igor auf <strong>de</strong>n Weg<br />
um noch auf <strong>de</strong>m Markt Informationen zu beschaffen. Igor spürte auch, daß drei,<br />
o<strong>de</strong>r vier, doppelte Zwergenschnäpse mehr als genug waren.<br />
Ozirk verhockte etwas, wie dies in Zwergenkreise genannt wird, und hätte beinahe<br />
die Zeit zum Aufbruch versäumt. Eilig unter vielem Schulterklopfen machte er sich<br />
schließlich auf <strong>de</strong>n Weg zurück zur Tanzstun<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Palast.<br />
Sein Kopf schummerte schon etwas als die frische Seeluft ihn traf, aber Zwerge<br />
haben ja einen niedrigeren Schwerpunkt als Menschen und fallen bekanntlich<br />
<strong>de</strong>shalb nicht so leicht um.<br />
Nach <strong>de</strong>r Brücke sah er in einer Seitengasse vier großgewachsene stabil gebaute<br />
Männer zwei kleinere am Bo<strong>de</strong>n liegend verprügeln und auf sie eintreten. Sein<br />
angeborener Gerechtigkeitsinn und <strong>de</strong>r Zwergen ureigene Fairneßgedanke ging mit<br />
<strong>de</strong>m im Gehirn kreisen<strong>de</strong>n Zwergenschnaps eine innige Verbindung ein und mit<br />
<strong>de</strong>m lauten Ruf „Feiglinge“ stürzte er sich auf die vier Prügler. Zwei <strong>de</strong>r vier<br />
wen<strong>de</strong>ten sich sofort ihm zu und er sah sich in ein Gefecht mit erfahrenen<br />
durchtrainierten Kämpfern verwickelt, was sein Hirn schnell ernüchterte. Den ersten<br />
erwischte er schnell zweimal mit seinem Streithammer, was diesen mit trotz leichter<br />
Panzerung zerschmettertem Brustkorb zu Bo<strong>de</strong>n stürzen ließ. Der zweite fügte<br />
hingegen ihm eine Schnittverletzung über <strong>de</strong>n Augen zu, so daß das herabrinnen<strong>de</strong><br />
Blut ihn behin<strong>de</strong>rte und er im folgen<strong>de</strong>n Schlagabtausch keine so gute Figur<br />
machte. Doch schwer verwun<strong>de</strong>t wich <strong>de</strong>r Gegner zurück und floh mit seinen<br />
bei<strong>de</strong>n Kumpanen die schmale Gasse hinunter.<br />
Schwer atmend stütze er sich auf seinen Streitkolben, die ganze linke Schulter<br />
brannte wie Feuer und sein Kopf dröhnte noch immer wie ein Amboß. Er wollte <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Verprügelten aufhelfen, da sah er wie die nicht auf ihn warteten, son<strong>de</strong>rn<br />
sich schnell davon machten. Ein Elf und ein Mensch, bei<strong>de</strong> unauffällig zwielichtig.<br />
Er stöhnte vor geistigem Schmerz auf und sah sich <strong>de</strong>n am Bo<strong>de</strong>n Liegen<strong>de</strong>n an.<br />
Er lag in einer großen Lache Blut, die Nase im Staub <strong>de</strong>r Gasse. In seinem Genick<br />
war <strong>de</strong>utlich das eintätowierte Siegel <strong>de</strong>s Makors zu erkennen.<br />
„Verfluchte Elfenscheiße, da bin ich in was reingetreten,“ murmelte er und wollte<br />
eben wie<strong>de</strong>r auf die Straße zurück, da sah er zwei Seeleute herankommen die <strong>de</strong>n<br />
Kämpfern von eben verdammt ähnlich sahen, er zuckte zurück und warf einen Blick<br />
in die an<strong>de</strong>re Richtung, Auch von dort nahten zwei Seeleute ganz offensichtich<br />
unter <strong>de</strong>m Kommando eines dritten besser geklei<strong>de</strong>ten stehend.<br />
<strong>Band</strong> IV.30
Er hastete zurück und drückte sich in einen <strong>de</strong>r vielen tiefen Hauseingänge von<br />
<strong>de</strong>nen immer mehrere Türen abgingen. Von dort konnte er sehen wie die<br />
Ankömmlinge unter <strong>de</strong>m fachkundigen Kommando <strong>de</strong>s besser geklei<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n<br />
Toten in eine großes Stück Segeltuch einschlugen die Kampf- und Blutspuren<br />
verwischten und ruhig davongingen.<br />
Er wartete nur noch kurz und eilte dann zum Palast.<br />
Dort platzte er in eine Tanzstun<strong>de</strong>, wie sie Michel von Lind wohl noch nicht erlebt<br />
hatte. Summs war mit Begeisterung dabei und hatte wirklich keine Schwierigkeiten<br />
die am Hofe üblichen Tänze zu meistern. Leros gab sich wohl Mühe, hatte aber<br />
<strong>de</strong>utlich Mühe unter ihm und seiner Partnerin noch Platz für <strong>de</strong>ren Füße zu lassen.<br />
Kelen trat immer wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Saum ihrer Robe, o<strong>de</strong>r mit ihren Stiefeln auf die<br />
Füße ihres Partners. Akara machte ihre Sache ganz gut nur wenn es darum ging<br />
sich vom Partner führen zu lassen gab es regelmäßig Probleme. Am Schlimmsten<br />
aber war es mit Igor, sein Humpel-Schlurf, Humpel-Schlurf ließ sich einfach in kein<br />
musikalisches Schema pressen.<br />
Und nun kam zu allem Überfluß noch ein blutüberströmter Zwerg hereingestolpert.<br />
Schnell waren die vormals Tanzen<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n Zwerg versammelt. Akara versorgte<br />
seine Wun<strong>de</strong>n während er seine Erlebnisse zu Besten gab.<br />
Es dauerte <strong>de</strong>n halben Nachmittag bis <strong>de</strong>r Unterricht weitergehen konnte. Neben<br />
Tanzen wur<strong>de</strong>n sie nun auch noch über die korrekte Anre<strong>de</strong> vieler <strong>de</strong>r Ehrengäste<br />
aufgeklärt.<br />
Vor <strong>de</strong>m Palast wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Zwischenzeit Zelte und Bu<strong>de</strong>n aufgestellt, gab es<br />
doch für alle Stadtbewohner einen Anteil am Feiern.<br />
Fässer wur<strong>de</strong> hergerollt und Grillfeuer geschürt, Feuerschlucker und Jongleure<br />
fan<strong>de</strong>n sich ein.<br />
Bei einbrechen<strong>de</strong>r Dunkelheit erleuchteten Fackeln auf <strong>de</strong>n Zinnen die ganze<br />
Umgebung <strong>de</strong>s Palastes.<br />
Von ihrem Übungsraum aus hatten sie einen hervorragen<strong>de</strong>n Blick auf die nach und<br />
nach im Herzoghof eintreffen<strong>de</strong>n Gäste. Der Kämmerer hatte sie verlassen, aber<br />
Ferera zu ihnen geschickt, die ihnen erläuterte wer alles eingetroffen war.<br />
Da war die Ortsprominenz wie Marcos von Jarid mit seiner Gattin Helga <strong>de</strong>nen wohl<br />
je<strong>de</strong>s fünfte Haus in <strong>de</strong>r Stadt gehörte, er trug Marineuniform, da er auch Kapitän<br />
einer <strong>de</strong>r Kriegsgaleeren Katins war, ebenso wie Timo von Hefta <strong>de</strong>ssen Gattin<br />
Mirinda einen <strong>de</strong>r größten Landbesitze mit in die Ehe brachte, Sandor von Garan<br />
war wohl <strong>de</strong>r älteste <strong>de</strong>r Anwesen<strong>de</strong>n und wur<strong>de</strong> von seinem Sohn Rufus gestützt,<br />
auch <strong>de</strong>r, übrigens unverheiratet, in <strong>de</strong>r schicken Kapitänsuniform.<br />
Tionte war <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r mächtigen Handwerkergil<strong>de</strong>, seine Gattin Übiane<br />
übertraf alle im Thema Frisurgestaltung, aber alles falsch wie man so munkelt.<br />
Die Schil<strong>de</strong>rung plätschrte so weiter, Leros fiel noch Fina die Tochter Gilinas <strong>de</strong>r<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Webergil<strong>de</strong> ins Auge. Die an<strong>de</strong>ren merkten erst wie<strong>de</strong>r auf als<br />
Admiral Haman von Tika <strong>de</strong>r Befehlshaber <strong>de</strong>r Rauricarischen Marine mit Gattin<br />
Rachel von Lhor gemeinsam mit Admiral Eigand von Regios <strong>de</strong>m Bru<strong>de</strong>r König<br />
Berengars eintraf. Hatte letzterer doch seine Geliebte Kalfrina dabei, eine Elfin die<br />
sich mit selbstbewußter Noblesse bewegte.<br />
Aus Thyr war <strong>de</strong>r untersetzte Kolphos aus <strong>de</strong>m Hause Rolf anwesend mit Gattin<br />
Gunara und einem finster blicken<strong>de</strong>m Leibwächter namens Karas.<br />
Als Konkurrentin war seit zwei Wochen die leicht aber teuer geklei<strong>de</strong>te Carina von<br />
Limur in Katin eingetroffen, das Haus Limur versuchte bisher vergeblich die<br />
<strong>Band</strong> IV.31
lukrativen Kriegsgeschäfte an sich zu ziehen.<br />
Man sagt sie auf Bewährung hierher geschickt wor<strong>de</strong>n nach<strong>de</strong>m sie sich in Thyr<br />
stark daneben benommen hatte. Ihr Begleiter Rorik trug nicht nur die Gewandung<br />
eines Gladiators er soll auch ihr Geliebter sein, ein Skandal.<br />
Nun ertönte im Reiterhof eine Fanfare und eine Reihe von zehn fackeltragen<strong>de</strong>n<br />
Soldaten in <strong>de</strong>korativen Spangenpanzern betrat <strong>de</strong>n Hof und stellte sich in einer<br />
Reihe auf. Dann erschien seine Eminenz Nafis von Tarsinsir <strong>de</strong>r Botschafter von<br />
Saas-Kwaaq, ein wohlbeleibter und leutselig in die Run<strong>de</strong> nickend und lächeln<strong>de</strong>r<br />
Mann in weitem Schwarz, hinter <strong>de</strong>m mit aufmerksamen Blicken Comandante<br />
Fedor, <strong>de</strong>r Chef seiner Leibwache schritt.<br />
„Heilige Elfenscheiße“ stieß Ozirk aus, „<strong>de</strong>r war nach <strong>de</strong>m Überfall <strong>de</strong>r Anführer <strong>de</strong>s<br />
Reinigungskommandos.“ Betroffen sahen sich die Gefährten an, da erklang von<br />
innen ein Gong.<br />
Die im Hof Versammelten strömten die Stufen hinauf in <strong>de</strong>n Saal. Igor sah oben auf<br />
<strong>de</strong>m Dach Wachen die Position wechseln.<br />
Durch die Verbindungstür zum Thronsaal waren laute Stimmen zu hören, Re<strong>de</strong>n<br />
wur<strong>de</strong>n gehalten, es wur<strong>de</strong> applaudiert. Schließlich öffnete sich die Tür und die<br />
nervösen Kamera<strong>de</strong>n betraten <strong>de</strong>n wohlgefüllten Saal. Er war wohl zwanzig Schritt<br />
breit und fünfzig lang, die Höhe war schwierig zu schätzen, verlor sich das Licht<br />
trotz <strong>de</strong>r Reihen Leuchter an <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Höhe, aber er nahm sicher alle<br />
drei Geschosse ein. An seiner rechten Stirnseite war ein Mosaik eingelassen,<br />
welches das ganze Innenmeer mit seinen Län<strong>de</strong>rn, Städten und Gebirgen zeigte.<br />
Die Längsseite <strong>de</strong>n Eingängen gegenüber war durch Pfeilervorlagen geglie<strong>de</strong>rt wie<br />
die <strong>de</strong>r Türen gegenüber nur waren hier im unteren Bereich Wandteppiche mit<br />
Szenen <strong>de</strong>r rauricarischen Geschichte aufgehängt. Darüber war eine Reihe run<strong>de</strong>r<br />
Fenster. Igor erkannte auch Dachoberlichter über <strong>de</strong>s Raumes Mitte, ganz<br />
offensichtlich waren dort auch Wächter stationiert. Die linke Stirnseite war durch<br />
<strong>de</strong>n Thron <strong>de</strong>r Herzogin bestimmt auf <strong>de</strong>n sie sich nun zu bewegten, neugierig<br />
gemustert von <strong>de</strong>n wohl sicher zweihun<strong>de</strong>rt Gästen. Leros blickte sich aufmerksam<br />
um ob er Rhaia irgendwo ent<strong>de</strong>cken konnte.<br />
Beim Näherkommen sahen sie in <strong>de</strong>r nahe <strong>de</strong>m Thron stehen<strong>de</strong>n Gruppe aus<br />
Saas-Kwaaq Fedor etwas <strong>de</strong>m Botschafter ins Ohr flüstern und bei<strong>de</strong>r Blicke ruhten<br />
auf <strong>de</strong>m Zwerg, <strong>de</strong>ssen rechte Hand <strong>de</strong>n Knauf seines Streithammers umkrampfte.<br />
Rechts vom Thron stand Helfrich als Hauptmann <strong>de</strong>r Wache, links etwas<br />
zurückgesetzt <strong>de</strong>r Hofmagier Gresler Daregbos. Sie selbst stan<strong>de</strong>n in leichtem<br />
Bogen vor <strong>de</strong>m zweistufigen Po<strong>de</strong>st, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Thron stand. Und nach kurzen<br />
einleiten<strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s Hofkämmerers über Krieg, Kameradschaft, Einsatz <strong>de</strong>s<br />
Lebens und Belohnung ergriff die Herzogin selbst das Wort, bedankte sich bei all<br />
<strong>de</strong>nen die für ihre gerechte Sache Partei ergriffen haben und stellvertretend für alle<br />
die ihr Leben dafür einsetze wolle sie nun diese hier auszeichnen. So trat <strong>de</strong>nn ein<br />
Diener vor und hielt ihr ein Kästchen hin, aus <strong>de</strong>m sie für Kelen einen schön<br />
gearbeiteten silbernen Dolch entnahm, <strong>de</strong>r wie eingefangenes Mondlicht zu<br />
leuchten schien.<br />
Leros erhielt vier meisterlich gearbeitete und mit Magie belegte Pfeile, und als er sie<br />
entgegen nahm war auch ihm klar, daß die feierlich geklei<strong>de</strong>te und geschmückte<br />
Herzogin Rhianon und Rhaia ein und die gleich Person waren.<br />
Auch Akara erhielt einen Dolch <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>re Kräfte gegen Untote zugeschrieben<br />
wur<strong>de</strong>n. Ozirk erfreute sich eine wahrhaft ehrwürdige Streitaxt in Hän<strong>de</strong>n halten zu<br />
dürfen und Igor sah glücklich auf eine Spruchrolle, 25 Blatt feinstes Thyrsche<br />
Pergament und elfische Tusche aus Lindor.<br />
Sums schließlich trug stolz die prächtige silberne Kette mit <strong>de</strong>m großen Aquamarin<br />
<strong>Band</strong> IV.32
die hervorragend zu seinen Westenknöpfen und Schuhschnallen paßte.<br />
Ein großer Beifall erhob sich. Als dieser verklungen war, trugen Diener <strong>de</strong>s Kolphos<br />
von Thyr einen menschengroßen verhüllten Gegenstand herein. Kolphos selbst<br />
ergriff das Wort und erklärte dies als Geschenk für die Herzogin zum An<strong>de</strong>nken an<br />
<strong>de</strong>n Sieg über Marin. Er zog das Tuch herunter, und darunter kam eine<br />
hervorragend erhaltene Rüstung eines Kriegerpriesters <strong>de</strong>s Ares emaros zum<br />
Vorschein. Rot lackiert <strong>de</strong>r Lamellenpanzer zusammengehalten von weißen<br />
Bän<strong>de</strong>rn, rot <strong>de</strong>r Helm mit seinen Stierhörnern und rot <strong>de</strong>r Umhang mit <strong>de</strong>m<br />
Stierkopf auf <strong>de</strong>m Rücken.<br />
Ein anerkennen<strong>de</strong>s Murmeln erfüllte <strong>de</strong>n Raum nur Carina von Limur stieß<br />
zischend die Luft aus. Da hatte also die Konkurrenz wie<strong>de</strong>r gezeigt, wer hier wie<br />
punktet.<br />
Die Gefährten sahen sich an, war das nicht die Rüstung die sie Ra<strong>de</strong>gar von Thy<br />
verkauft hatten, wohl etwas zu preiswert wie sich jetzt herausstellte.<br />
Nach gesetzten Dankesworten begab sich die ganze Festgesellschaft in <strong>de</strong>n<br />
Gartenhof an <strong>de</strong>ssen Schmalseite das schon von vielen ersehnte buffet aufgebaut<br />
war. Im angrenzen<strong>de</strong>n Gartensaal begannen sechs Musiker Tanzweisen<br />
anzustimmen und tatsächlich schaffte Summs es sich seinen Herzenswunsch zu<br />
erfüllen. Er legte <strong>de</strong>n ersten Tanz mit <strong>de</strong>r Herzogin aufs Parkett. Wenn er aus<br />
Etikette auch kurz war, so nutzte er <strong>de</strong>n Prominenzvorteil doch in <strong>de</strong>r Folge noch<br />
weidlich aus.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re sein fünf Lie<strong>de</strong>r langes Tanzen mit Carina, bei <strong>de</strong>m er alle Register<br />
seines Könnens mit dieser gleichwertigen Partenerin zog, ließ ob <strong>de</strong>m engen<br />
Umschlingen bei einem <strong>de</strong>r zur Zeit so beliebten elfischen Liebestänze einige Gäste<br />
mißbilligend <strong>de</strong>n Kopf schütteln.<br />
Leros sah sich plötzlich von hinten angezischt, es war dieser Rorik <strong>de</strong>r Leibwächter<br />
Carinas, <strong>de</strong>r mit eifersüchtiger Miene ihm <strong>de</strong>utlich machte, sein kleiner Freund solle<br />
vorsichtig sein was die Lage seiner Hän<strong>de</strong> und seiner Nase anging.<br />
Stolz stand <strong>de</strong>r Zwerg die Hän<strong>de</strong> auf die Streitaxt gestützt am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Tanzfläche und beobachtete Akara, die wirklich keine schlechte Figur machte, und<br />
reichlich Auffor<strong>de</strong>rungen zum Tanzen erhielt.<br />
Auch Kelen wur<strong>de</strong> mehrmals über das Parkett geschoben und schaffte es ihr<br />
Stolpern in Grenzen zu halten. Leros hingegen war die Lust nach aufs Tanzen nach<br />
<strong>de</strong>m Gespräch mit Rorik vergangen, er wandte sich erfolgreich <strong>de</strong>m Buffet zu und<br />
fand die Schil<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Gnoms nicht übertrieben.<br />
Igor hatte sich ebenfalls einige Häppchen genommen, lei<strong>de</strong>r fast alles vom<br />
Herdfeuer <strong>de</strong>r Küche verdorbenes Fleisch, und stand nun in einer Ecke <strong>de</strong>s Hofes<br />
die große Schar <strong>de</strong>r essen<strong>de</strong>n, trinken<strong>de</strong>n und scherzen<strong>de</strong>n Gäste überblickend.<br />
Da ertönte von hinten ein leises Räuspern, und eine leise Stimme sprach ihn mit<br />
leicht spöttischem Unterton an. „So, ihr seid also <strong>de</strong>r geheimnisvolle, mächtige<br />
Zauberer auf Pilgerreise.“ Igor drehte sich um und sah <strong>de</strong>n weißhaarigen<br />
Hofzauberer Gresler Daregbos in die Augen. „Ihr solltet <strong>de</strong>m Ring auf <strong>de</strong>n Fersen<br />
bleiben, <strong>de</strong>nn solch mächt´ge Magie sollte nicht in die Hän<strong>de</strong> ehrgeiziger Fürsten<br />
fallen. Nur wir Eingeweihte wissen, vielleicht, damit umzugehen, und ihr wart<br />
dasjenige, welches ihn am längsten getragen habt.“<br />
Er klopfte Igor mit seiner runzligen Hand kräftig auf die Schulter und verabschie<strong>de</strong>te<br />
sich mit <strong>de</strong>n Worten, „Ihr macht das schon, bald kommt mein Auftritt, ich geh schon<br />
mal aufs Dach. Wir sehn uns morgen.“<br />
In einer Tanzpause trat an <strong>de</strong>n inzwischen reichlich rotbäckigen Gnom, <strong>de</strong>r sich mit<br />
einem Glas kühlen Weißwein erfrischte, Kolphos, <strong>de</strong>r Vertreter <strong>de</strong>r Familie Rolf.<br />
„Nun, habt ihr euch <strong>de</strong>n Preis nochmals durch <strong>de</strong>n Kopf gehen lassen?“ Es dauerte<br />
<strong>Band</strong> IV.33
einige Zeit bis Summs seine Gedanken vom Tanzen auf die Familie Rolf umgelenkt<br />
hatte. Aber natürlich, das Gespräch mit Ra<strong>de</strong>gar in Tika.<br />
Mit tiefbetrübter Miene zog er <strong>de</strong>n Kolphos etwas weiter ins Dunkel, weg von <strong>de</strong>n<br />
möglichen Lauschern, und flüsterte ihm zu: „Ich hatte die restliche Gruppe bereits<br />
von <strong>de</strong>m Verkauf <strong>de</strong>s besprochenen Gegenstan<strong>de</strong>s überzeugt, da wur<strong>de</strong> er uns auf<br />
<strong>de</strong>m Weg hierher entwen<strong>de</strong>t. Aber wir sind <strong>de</strong>m Dieb hart auf <strong>de</strong>n Fersen vielleicht<br />
ist er o<strong>de</strong>r sein Auftraggeber sogar hier und wenn unsere Absprache noch gilt so<br />
komme ich bald wie<strong>de</strong>r auf euch zu.“<br />
Er schaute sich verstohlen um, „wir sollten uns jetzt trennen bevor wir zu sehr<br />
auffallen, <strong>de</strong>r Botschafter hat soeben zu uns herüber geschaut. Wartet kurz, damit<br />
wir nicht zusammen wie<strong>de</strong>r im Hellen auftauchen.“<br />
Interessiert beobachtete Ozirk das Wie<strong>de</strong>rauftauchen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n, da wur<strong>de</strong> seine<br />
Aufmerksamkeit von <strong>de</strong>m an ihn herantreten<strong>de</strong>n Fedor abgelenkt.<br />
„Ihr seid ein wackerer Kämfper und eurer Rasse wahrhaft würdig. Aber erkennt<br />
wann <strong>de</strong>r Einsatz zu hoch wird, sonst könntet ihr alles verlieren, insbeson<strong>de</strong>rs eure<br />
Freun<strong>de</strong>.“ Und Ozirk folgte seinem Blick über die Tanzfläche zu Akara die sich<br />
angeregt mit einem jungen Marineoffizier unterhielt.<br />
Igor war an die Mitte <strong>de</strong>r großen Freitreppe getreten und beobachtete interessiert<br />
die im Dunkeln kaum zu erahnen<strong>de</strong>n Bewegungen auf <strong>de</strong>m Dach. Da marschierten<br />
die Musiker aus <strong>de</strong>m Saal in <strong>de</strong>n Hof und zogen die Gäste hinter sich her.<br />
Im Hof angekommen spielten sie einen Tusch und auf einen Schlag löschten die<br />
Diener die Laternen und Fackeln im Hof. Nach einem kurzen Murmeln trat<br />
erwartungsvolle Stille ein. Da war hinter <strong>de</strong>n nun schwarzen Zinnen auf <strong>de</strong>m Dach<br />
<strong>de</strong>r Privatgemächer ein rotes Glühen zusehen, das sich immer mehr verstärkte, es<br />
hob sich oben auf die Zinnen und lief dann von Zinne zu Zinne springend rechts<br />
und links um <strong>de</strong>n Innenhof bis es die zwei <strong>de</strong>n Betrachtern zugewandten Türme <strong>de</strong>s<br />
Reiterhofs erreichte. Es rannte die Kante <strong>de</strong>r Türme hoch, än<strong>de</strong>rte dabei seine<br />
Farbe über orange in gelb und dann in grün. Von <strong>de</strong>n Turmen<strong>de</strong>n stiegen sodann<br />
Fontänen von Lichtschauern in <strong>de</strong>n schwarzen Nachthimmel. Und dies war nur <strong>de</strong>r<br />
Anfang. Zu <strong>de</strong>n Klängen <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r einsetzen<strong>de</strong>n Musik erhellten immer neue<br />
Lichtkompositionen die Gesichter <strong>de</strong>r faszinierten Zuschauer.<br />
Igor versuchte sich vorzustellen, wie dies alles wohl von Gresler Daregbos<br />
erschaffen wur<strong>de</strong>, aber es ging weit über seinen Erfahrungshorizont. So beschloß<br />
es ihn am Morgen unbedingt aufzusuchen.<br />
Mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Feuerwerks war auch das Festen<strong>de</strong> gekommen, im Lichte <strong>de</strong>r<br />
wie<strong>de</strong>r entzün<strong>de</strong>ten Laternen begannen sich die Gäste von <strong>de</strong>r Herzogin zu<br />
verabschie<strong>de</strong>n um sich außen vor <strong>de</strong>m Palast unter die gewöhnlichen Bürger zu<br />
mischen. Denn dort war das Volksfest noch voll in Gange. Auch die sechs<br />
Gefährten beschlossen noch einmal durch die quirlige Menge zu schlen<strong>de</strong>rn.<br />
Am Zwergenschnapsstand trafen sie, wie könnte es auch an<strong>de</strong>rs sein, Tarik<br />
Eisenfresser und <strong>de</strong>r einbeinige Zorc hatte seinen Platz an <strong>de</strong>r Kneipentheke mit<br />
diesem Stand vertauscht. „In <strong>de</strong>r Kneipe wär eh nix los“, meinte er achselzuckend<br />
und lud die Gruppe auf eine Run<strong>de</strong> ein. „Na dann gieß mal sechs Becher voll“<br />
entgegnete <strong>de</strong>r Zwerg, Akara schaute sich um, wo waren <strong>de</strong>nn Igor und Leros, ach<br />
am Gürtelstand, aber mit wem re<strong>de</strong>ten sie da. Eine schlanke Frau mit langen,<br />
hinten gefaßten Haaren stand da mit <strong>de</strong>m Rücken zu ihr. Ach, und über <strong>de</strong>n Stand<br />
erhaschte sie einen Blick auf Fasom <strong>de</strong>r offensichtlich auch die Gruppe an diesem<br />
Stand beobachtet. Leros und Igor waren wie fixiert auf diese Frau, etwas ärgerlich<br />
<strong>Band</strong> IV.34
trat Akara auf die drei zu und wollte eben mit einer spitzen Bemerkung in dieses<br />
Gespräch platzen, da trat Igor aufmerksam einen Schritt zurück und meinte mit <strong>de</strong>r<br />
Hand zu <strong>de</strong>r verblüfften Jüngerin Aphrodites zeigend, „Rhianon, darf ich euch Akara<br />
vorstellen.“ Akara sah sich Aug und Aug mit <strong>de</strong>r Herzogin und murmelte etwas von,<br />
„Zwergenschnaps, Zorc gibt ne Rund Zwergenschnaps aus.“<br />
Als sie ihre Fassung wie<strong>de</strong>rgewonnen hatte, war sie von <strong>de</strong>r Herzogin schon zu<br />
Zorcs Stand geführt wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r sich beeilte, auch seiner Herzogin einen Becher<br />
einzuschenken.<br />
Es war ja kein Geheimnis, daß sie es liebte, sich ab und an unters Volk zu mischen<br />
und dabei keine große Aufmerksamkeit verlangte, nur eben die, die die Höflichkeit<br />
einer Frau gebietet. Dies wur<strong>de</strong> ihr im Allgemeinen auch von Ortsfrem<strong>de</strong>n gewährt,<br />
dafür trugen schon anwesen<strong>de</strong> Bürger aus Katin o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r im Hintergrund wachen<strong>de</strong><br />
Fasom Sorge.<br />
So schlen<strong>de</strong>rte die Gruppe noch etwas über <strong>de</strong>n Markt, versuchte sich <strong>de</strong>n eh<br />
schon vollen Magen noch etwas mit klebrigem Süßkram zu ver<strong>de</strong>rben.<br />
Als sie wie<strong>de</strong>r am zwergenumlagerten Schnapsstand ankamen verabschie<strong>de</strong>te sich<br />
die Herzogin und auch unsre Abenteurer wankten nach einem letzten Ablieger<br />
erschöpft in Richtung Bett.<br />
<strong>Band</strong> IV.35
Ermittlungen<br />
Der Morgen sah die Gefährten in zwei Gruppen auf Erkundigungen ausziehen.<br />
Igor und Kelen beschlossen <strong>de</strong>m Hofmagier Daregbos Gresler einen Besuch<br />
abzustatten, <strong>de</strong>n wenn jemand etwas über die elfische Magierin vom Krähenpaß<br />
wissen konnte dann doch wohl er.<br />
Die an<strong>de</strong>rn machten sich auf <strong>de</strong>n Weg Informationen über diesen undankbaren<br />
Menschen und <strong>de</strong>n Elfen zu sammeln, die Ozirk unter Einsatz seines Lebens vor<br />
Fedors Männern gerettet hatte. Aber niemand konnte o<strong>de</strong>r wollte etwas wissen. So<br />
verwies sie die Stadtwache an <strong>de</strong>n elfischen Kunsthandwerker Firanze Loran<strong>de</strong>lon<br />
<strong>de</strong>ssen e<strong>de</strong>l ausgestatteter La<strong>de</strong>n allerdings kein Hinweis auf zwielichtige<br />
Geschäfte zuließ, aber immerhin erhielten sie <strong>de</strong>n Tip, so sie etwas zweifelhafter<br />
Herkunft suchen wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n wollten doch bei Lafin <strong>de</strong>m Unschuldigen im<br />
Brückenviertel vorbeizuschauen.<br />
Eine an <strong>de</strong>r Hauswand angebrachte alte Galionsfigur führte sie leicht zu diesem<br />
La<strong>de</strong>n. Der wohlbeleibte Lafin kam auch, kaum das er die Türglocke vernahm, aus<br />
<strong>de</strong>m Nachbarraum zu ihnen geeilt.<br />
Keiner <strong>de</strong>r Ringe, die er zum Verkauf bereithielt entsprach <strong>de</strong>n gestohlenen<br />
gol<strong>de</strong>nen Igors o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>m Ring <strong>de</strong>r Macht. Und auf Akaras Fragen meinte er,<br />
<strong>de</strong>r Mensch sei ihm unbekannt, <strong>de</strong>n Elfen, ja an <strong>de</strong>n könne er sich erinnern.<br />
Nein er wisse nicht wo dieser wohne, aber - vielen Dank, wäre aber nicht nötig<br />
gewesen - sie könnten es ja im „Roten Drachen“ im Rilaras-Viertel versuchen, aber<br />
bitte nicht auf ihn berufen, er will nichts gesagt haben.<br />
Ach ja, <strong>de</strong>r Kopf dieser Elfin, <strong>de</strong>r ist ja schon Stadtgespräch, Nein er wisse nicht wie<br />
sie heißt, aber er meine sie schon hier als Kun<strong>de</strong> gehabt zu haben, im Auftrag <strong>de</strong>s<br />
Hofmagiers.<br />
Die vier schauten sich, an <strong>de</strong>r Zwerg schnaubte verächtlich das Wort „Magier“ aus,<br />
und sie machten sich auf ihre Freun<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>n Klauen <strong>de</strong>s Magiers zu retten.<br />
Der Bastard war schnurstracks zum Wohnturm Daregbos Greslers gegangen, nun,<br />
Kelen war gegangen, er war gehumpel-schlurft.<br />
Den Turm und das große Nebengebäu<strong>de</strong> war ihnen schon bei <strong>de</strong>r Annäherung an<br />
Katin aufgefallen, stand er doch prominent auf <strong>de</strong>m Hügel nördlich <strong>de</strong>r bebauten<br />
Fläche und <strong>de</strong>r Wall machte hier einen Knick hin zum Meer.<br />
Zur Stadt hin umschloss ein hohe Mauer einen Innenhof. An das Tor darin klopften<br />
sie nun tapfer an. Nach kurzer Zeit öffnete ein behelmter Wächter im Kettenhemd<br />
die kleine Klappe in Kopfhöhe und musterte die Warten<strong>de</strong>n kritisch, auf Kelens Bitte<br />
sie doch zu Daregbos Gresler vorzulassen, bat er sie doch zu warten, schloß die<br />
Klappe und die zwei aufmersamen Lauscher hörten ihn einige Schritte zur Seite<br />
machen. Dann war wie<strong>de</strong>r Stille.<br />
Nach einiger Zeit öffnete er das Tor und bat die bei<strong>de</strong>n doch einzutreten, <strong>de</strong>r<br />
Meister wür<strong>de</strong> sie empfangen.<br />
Sie sahen im Innenhof auf <strong>de</strong>r rechten Seite einen Pfer<strong>de</strong>stall <strong>de</strong>r nicht über die<br />
Umfassungsmauer hinausragte, links ging eine hölzerne Treppe ein Geschoß hoch<br />
zum Eingang in das Nebengebäu<strong>de</strong>. Der Turm nahm die ganze hintere Stirnseite<br />
ein, ein Eingang konnte Igor nicht ent<strong>de</strong>cken, allerdings waren Nebengebäu<strong>de</strong> und<br />
Turm aneinan<strong>de</strong>rgebaut und so konnte <strong>de</strong>r Zugang ja über dieses erfolgen.<br />
Sie folgtem <strong>de</strong>m Wächter die Treppe empor und in einen großen Aufenthalts und<br />
Speisesaal, in <strong>de</strong>m drei an<strong>de</strong>re Bewaffnete ein spätes Frühstück einnahmen. Die<br />
drei dort aufgestellte Tische mögen Platz für wohl zwölf bis achtzehn Personen<br />
bieten, <strong>de</strong>r Saal hätte sicher auch <strong>de</strong>r doppelten Menge Raum geboten.<br />
<strong>Band</strong> IV.36
Auf <strong>de</strong>s Wächters Geheiß setzten sie sich an einen <strong>de</strong>r leeren Tische und eine<br />
Dienerin brachte frisches Weißbrot mit gealzener Butter und fragte ob sie gerne<br />
etwas zu trinken hätten. Igor gab sich mit Wasser zufrie<strong>de</strong>n, und versuchte aus <strong>de</strong>n<br />
Anwesen<strong>de</strong>n etwas über <strong>de</strong>n Hofmagier zu erfragen, aber alle gaben sich wortkarg<br />
und die Dienerin meinte nur, er wer<strong>de</strong> schon kommen und alle Fragen beantworten.<br />
So wandte sich auch Igor <strong>de</strong>m Weißbrot zu und drehte ein Stück nach<strong>de</strong>nklich in<br />
seinen Hän<strong>de</strong>n. Kelen schmeckte es mit <strong>de</strong>r Butter offensichtlich vorzüglich, Igor<br />
hingegen konnte die Umwege <strong>de</strong>r Menschen nicht so recht verstehen. Da wur<strong>de</strong>n<br />
Tiere gehalten, gefüttert, gemolken, die Milch im Butterfass zu Butter verdickt, diese<br />
dann gesalzen und auf Brot gestrichen, das wie<strong>de</strong>rum im Jahr zuvor auf von Tieren<br />
gepflügtem Feld als Saatgut ausgestreut wor<strong>de</strong>n war, ein halbes Jahr wur<strong>de</strong> um die<br />
Ernte gezittert, dann geerntet, gemahlen, zum Teig vermengt und schließlich<br />
gebacken. Wäre es da nicht viel einfacher direkt aus diesen Tieren schmackhafte<br />
Stücke herauszubeißen?<br />
So hing er <strong>de</strong>nn seinen Gedanken nach, als plötzlich eine wohltönen<strong>de</strong> Stimme<br />
hinter ihm einen Guten Appetit wünschte, und <strong>de</strong>r ihm ja wohlbekannte Hofmagier<br />
sich zu ihnen setzte.<br />
Noch während dieser sich zurechtsetzte warf <strong>de</strong>r Bastard seine Bezauberung über<br />
ihn.<br />
Der Magier räusperte sich blickte interessiert zu Igor hinüber und bat die bei<strong>de</strong>n,<br />
nun doch zu fragen, was sie auch immer auf <strong>de</strong>m Herzen hätten.<br />
Sie unterhielten sich über die Andalanen und die Magier dort, die er natürlich alle<br />
zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>m Namen nach kannte, auch Saramaucar war ihm kein Unbekannter<br />
und Kelens Einschätzung von Ehrgeiz und <strong>de</strong>m Wunsch nach Macht zerfressen sei<br />
konnte er nur seufzend beipflichten.<br />
Der Ring war natürlich das Hauptthema und <strong>de</strong>r Magier bat bei<strong>de</strong> noch einmal ihn<br />
nicht in die Händ ehrgeiziger A<strong>de</strong>liger fallen zu lassen. Denn so wünschenswert<br />
Hilfe für die Sache <strong>de</strong>r Herzogin auch sei, er glaube nicht, daß sie <strong>de</strong>r Versuchung<br />
<strong>de</strong>s Ringes wie<strong>de</strong>rstehen könne und dann sei es um die Herzogin geschehen, die<br />
wir alle kennen und schätzen. Er selbst könnte ihn zwar in Verwahrung nehmen,<br />
aber ob er <strong>de</strong>r Versuchung sicher sei, wer könne dies schon von sich behaupten.<br />
Die bei<strong>de</strong>n waren beeindruckt ob <strong>de</strong>r weisen Fürsorge und <strong>de</strong>r tiefen Einsicht die er<br />
so beschei<strong>de</strong>n verkörperte. Igor dachte bei sich, ja wenn doch alle Magier so sein<br />
könnten, es dachte mit Grausen an seine Kindheit zurück.<br />
Er benei<strong>de</strong>te sie nicht um ihre Aufgabe <strong>de</strong>m Ring nachzujagen, aber offensichtlich<br />
hatte das Schicksal ihnen diese Aufgabe zugedacht. Sie senkten betreten ihre<br />
Köpfe. Er hoffe das die Spruchrolle, die er Igor durch die Herzogin hat zukommen<br />
lassen bei <strong>de</strong>r weiteren Suche von Nutzen ist.<br />
Igor frug nach dieser Elfenmagierin die <strong>de</strong>n Überfall am Krähenpaß angeführt hatte.<br />
Des Magiers Miene fiel in sich zusammen, er sah sehr unglücklich aus, ja, er kenne<br />
sie wohl, war seine Antwort. Sie habe einige Zeit bei ihm studiert und er hatte große<br />
Hoffnungen in sie gesetzt, machte sie doch schnelle Fortschritte und war für eine<br />
Elfin sehr ernsthaft bei <strong>de</strong>r Sache. Im Nachhinein meinte er, daß sie nicht nur bei<br />
<strong>de</strong>r Altersangabe im Aufnahmegespräch etwas geschummelt habe. Nun je<strong>de</strong>nfalls,<br />
als die Nachricht von <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rgefun<strong>de</strong>nen Ring <strong>de</strong>r Macht die Run<strong>de</strong> machte,<br />
sei sie eines Nachts verschwun<strong>de</strong>n, und eine Geldbörse noch dazu.<br />
So fühle er sich ihnen gegenüber schuldig und habe sich gefreut daß <strong>de</strong>r Anschlag<br />
nicht Erfolg hatte.<br />
Sollten sie in Gefahr kommen, so böte er ihnen hiermit seine Hilfe an, und er reichte<br />
Igor einen kleinen geschnitzten und bunt bemalten Holzstab. Mit <strong>de</strong>m Zerbrechen<br />
<strong>Band</strong> IV.37
<strong>de</strong>s Stabes wür<strong>de</strong> er ihnen zu Hilfe kommen, <strong>de</strong>nn er stün<strong>de</strong> ja tief in ihrer Schuld.<br />
Sodann verabschie<strong>de</strong>t er die bei<strong>de</strong>n herzlich unter <strong>de</strong>r Saaltüre, klopfte Igor<br />
fürsorglich leicht auf die Schulter, murmelte, wie schwer es <strong>de</strong>nn gera<strong>de</strong> ein<br />
Bastard in dieser menschlichen Gesellschaft habe, und wünschte ihnen alles Gute<br />
auf ihrem weiteren Weg. So machten sie sich auf <strong>de</strong>n Rückweg in die Stadt.<br />
Aus dieser sahen sie vier Gestalten auf sie zu eilen.<br />
Ihre vier Freun<strong>de</strong> gaben sich sehr besorgt ob ihres Besuches bei Daregbos Gresler.<br />
Ein Sorge, die sie bereitwillig zu zerstreuen versuchten, was ihnen bei allen außer<br />
<strong>de</strong>m Zwerg auch sehr gut gelang. Diesem klangen die Lobeshymnen auf <strong>de</strong>n<br />
väterlichen Freund in Magierrobe doch etwas zu hoch gestapelt, aber auch er<br />
mußte ,wenn auch wie<strong>de</strong>rwillig, zugestehen, daß schließlich die Herzogin ihn zum<br />
Hofmagier bestellt hatte. Also konnte er ja kein schlechter Mensch sein.<br />
<strong>Band</strong> IV.38
Zum roten Drachen<br />
Die sechs gingen sodann gemeinsam zum roten Drachen. Diesmal wollten sie<br />
sichere Informationen bekommen o<strong>de</strong>r vielleicht sogar die bei<strong>de</strong>n Diebe fassen. Sie<br />
folgten <strong>de</strong>r Wegbeschreibung, die sie vom Hehler erhalten hatten und kamen<br />
schließlich in <strong>de</strong>m beschriebenen Viertel an. Sie betraten das Viertel unter einem<br />
Durchgang hindurch. Die eng aneinan<strong>de</strong>r gebauten Gebäu<strong>de</strong> waren zum Teil mit<br />
Balkonen verziert, Wäscheleinen hingen über die Gasse, im zweiten und dritten<br />
Geschoß waren sogar zum Teil kleine Brücken zwischen <strong>de</strong>r einen und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Seite <strong>de</strong>r Straße. Nach wenigen Gebäu<strong>de</strong>n kamen sie an einen düsteren Platz, von<br />
<strong>de</strong>m aus einige, teils engere, teils weitere dunkle Gassen abgingen. Kleine<br />
schmutzige Kin<strong>de</strong>r kamen angelaufen und bettelten um Kupfermünzen. Leros<br />
schnauzte ein Kind an, das ihn zu sehr bedrängte, Igor gab ihm jedoch gutwillig<br />
eine halbe Kupfermünze, die es noch in <strong>de</strong>r Tasche fand, und bekam so <strong>de</strong>n<br />
weiteren Weg gezeigt.<br />
Waffenklirrend in ihren Rüstungen, aber ohne Schil<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Fernwaffen, auch ohne<br />
ihre ach so heißgeliebten Ahlspieße überquerte die Gruppe <strong>de</strong>n Platz wie<br />
empfohlen, ging durch eine weitere Gasse, von dort bogen sie rechts ab und<br />
stan<strong>de</strong>n in einer engen Sackgasse. Hier konnten sie das Wirtshausschild <strong>de</strong>s roten<br />
Drachens bereits sehen: Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gasse hing eine rot bemalter Drachenkopf,<br />
zumin<strong>de</strong>st sollte dieser Kopf einen Drachenkopf darstellen. Igor meinte verächtlich,<br />
daß dieser Kopf mehr einer Ziege o<strong>de</strong>r einer Ei<strong>de</strong>chse ähneln wür<strong>de</strong>, als einem<br />
wahren Drachen, war Igor doch das einzige ihrer Gruppe, das jemals einen<br />
lebendigen Drachen gesehen hatte. Summs hatte zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>r “toten Chimäre”<br />
in Chimärenburg schon einmal einen ausgestopften Drachenkopf gesehen.<br />
Durch die enge Gasse schritten sie zur Gaststätte, Ozirk trat als erster in <strong>de</strong>n<br />
dunklen und ungemütlichen Schankraum. Als seine Augen sich an das trübe Licht<br />
gewöhnt hatten, und das geht schnell bei Zwergen, konnte er im Eck eine Gruppe<br />
von Menschen sehen, die bei einem Kartenspiel und etlichen Humpen Bier<br />
beieinan<strong>de</strong>r saßen. Der Wirt stand hinter einer langen Theke und wienerte ein Glas,<br />
scheinbar das einzige, <strong>de</strong>nn die übrigen Becher, die herumstan<strong>de</strong>n waren aus Ton.<br />
Von <strong>de</strong>m Schankraum aus führten links und rechts je eine Türe hinaus, zwei<br />
Fenster an <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Wand ließen etwas trübes Licht ein.<br />
“Einen Krug Bier für sechs” rief <strong>de</strong>r Zwerg, als er fragend angeschaut wur<strong>de</strong>. Der<br />
Wirt eilte herbei, feu<strong>de</strong>lte mit einem feuchten dreckigen Tuch über einen Tisch.<br />
Danach schaute sowohl die Oberfläche <strong>de</strong>s Tisches als auch das Tuch nicht<br />
vertrauenerwecken<strong>de</strong>r aus.<br />
Der Wirt fragte: “Einen Krug für sechs?”<br />
Igor antwortete: “Stimmt, bring zwei Krüge, wenn das Bier gut ist.”<br />
Es war zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Wirtes gut genug, <strong>de</strong>nn er brachte sechs<br />
Becher, goß aus <strong>de</strong>m Krug allen sechsen ein, ging anschließend <strong>de</strong>n Krug erneut<br />
füllen und brachte ihn zum Tisch.<br />
“Sagt an, Herr Wirt,” sprach da Ozirk, “wir suchen eine Freund, <strong>de</strong>n wir aus einem<br />
gemeinsamen Kampf gegen Verbrecher kennen. Er soll bei euch bekannt sein.” Der<br />
Zwerg beschrieb <strong>de</strong>n Elfen. “Es soll euer Scha<strong>de</strong>n nicht sein, wenn ihr ihn kennt.”<br />
“Es könnte schon sein, daß dieser Elf einmal hier war,” gab <strong>de</strong>r Wirt vorsichtig an.<br />
Igor gab ihm schnell und ungesehen zehn Goldmünzen in die unauffällige geöffnete<br />
Hand, woraufhin <strong>de</strong>r Wirt eine Run<strong>de</strong> Schnapsstumpen brachte. Sieben Stumpen<br />
um genau zu sein. Er setzte sich zu <strong>de</strong>n Abenteurern, goß die sieben kleine Becher<br />
<strong>Band</strong> IV.39
voll und stieß mit <strong>de</strong>n Gästen an. “Zum Wohl” alle kippten <strong>de</strong>n Schnaps hinunter.<br />
“Feuerbrand,” merkte <strong>de</strong>r Wirt auf das heiser Keuchen Kelens an und goß eine<br />
zweite Run<strong>de</strong> ein. “Also, dieser Freund von Euch, <strong>de</strong>r wohnt hier. Sein Zimmer ist<br />
im Zweiten Stock, das erste auf <strong>de</strong>r rechten Seite. Ihr kommt durch das<br />
Hinterzimmer zur Treppe,” Er <strong>de</strong>utete zu einer Tür.<br />
“Es wäre schon schön, wenn wir unseren Freund überraschen könnten” Igor grinste<br />
schauerlich.<br />
“Ja,” Summs schloß sich an, “laßt ihn uns doch gleich besuchen, das wird ihn sicher<br />
freuen”<br />
Sie stan<strong>de</strong>n alle auf und gingen durch <strong>de</strong>n Raum auf die Tür zu. Befrem<strong>de</strong>t<br />
schauten die Kartenspieler auf. Von ihrem Tisch konnte man durch eines <strong>de</strong>r<br />
Fenster in <strong>de</strong>n Hinterhof blicken. Die Aussicht war nicht erquickend.<br />
Der Wirt rief hinterher: “Falls das Bettzeug nicht ausreichen sollte, mel<strong>de</strong>t Euch<br />
einfach bei mir.” Die Kartenspieler wandten sich wie<strong>de</strong>r ihrem Spiel zu, während die<br />
Gruppe ins Hinterzimmer verschwand. Hier stan<strong>de</strong>n einige Tische und Bänke<br />
herum, einige Stühle aufeinan<strong>de</strong>r gestapelt, offensichtlich nicht allzu häufig benutzt.<br />
Eine enge Treppe führte im hinteren Winkel steil nach oben, machte dabei eine<br />
Biegung um 90°. Vorsichtig folgten die Hel<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m vorausgehen<strong>de</strong>n Summs. Igor,<br />
<strong>de</strong>r auf Treppen und Stiegen immer etwas langsamer und ungeschickter war ging<br />
als letztes, nicht daß es wie<strong>de</strong>r hinfiel und die “Überraschung” zunichte machte.<br />
Im ersten Geschoß zeigte sich ein schmaler Flur, von <strong>de</strong>m aus mehrere Türen in<br />
Gästezimmer führten. Eine Treppe führte weiter nach oben, sie war noch enger und<br />
steiler als die erste Treppe. Vorsichtig und lautlos schlich Summs die Treppe hinauf,<br />
Leros folgte ihm. Hierbei quietschten drei Stufen, als das Holz ächzend unter<br />
seinem Gewicht etwas nachgab. Kelen merkte sich die Stellen und konnte lautlos<br />
hinaufsteigen. Auch <strong>de</strong>r Zwerg folgte, er bewegte sich recht leise, für seine<br />
Verhältnisse versteht sich. Als er oben war schaute er kurz Summs und Kelen an<br />
Summs nickte ihm zu, <strong>de</strong>r Gnom hatte die Türe untersucht und konnte sie nicht von<br />
außen öffnen. Ozirk gab <strong>de</strong>r Tür eine kräftigen Tritt, sie flog auf, <strong>de</strong>r Türriegel flog<br />
zusammen mit seiner Halterung weit in das Zimmer hinein.<br />
Der Raum war leer. Ein zerwühltes Bett stand an einem En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zimmers, ein<br />
Schrank im Eck. Ein Fensterla<strong>de</strong>n stand offen. Ozirk eilte hin und schaute hinaus<br />
während er Kommandos gab: “Summs, schau unter <strong>de</strong>m Bett, Leros einen Blick in<br />
<strong>de</strong>n Schrank!” Der Zwerg stellte sich auf die Zehenspitzen und schaute zum<br />
Fenster hinunter. Das Seil das rechts <strong>de</strong>s Fensters vom Dach herabhing war lang<br />
genug um auf da unter ihnen liegend Nachbargebä<strong>de</strong> zu reichen “Mist, ein Seil führt<br />
hinunter. Der ist weg!” Ein Meer von Flachdächern mit Dachgärten, Stegen,<br />
Winkeln, kleine Brücken war von hier oben zu sehen, aber kein flüchten<strong>de</strong>r Elf.<br />
“Schaut her, was ich gefun<strong>de</strong>n habe,” Leros zeigte eine Mantel mit vielen Taschen.<br />
“Und hier, ein komisches Rohr mit Glaslinsen vorne und hinten, keine Ahnung, was<br />
das ist.” Er zeigte eine dicken, schwarzen Stab mit Verzierungen.<br />
Igor zog heftig die Luft ein: “Das ist ein Fernrohr, so etwas ist extrem teuer, kostet<br />
min<strong>de</strong>stens tausend Goldmünzen! Ozirk schau einmal durch das Rohr.”<br />
Der Zwerg tat dies grummelnd “So ein Unsinn, durch ein Rohr gucken, ich sehe<br />
kaum etwas, alles ist verschwommen, da wird einem ja schwin<strong>de</strong>lig. Oh, ich sehe<br />
das Dach gegenüber es erscheint viel näher als sonst, das ist ja verrückt, ist das<br />
Magie?”<br />
“Nein” erklärte <strong>de</strong>r Bastard, sich an eine Lehrbuch seiner Jugend erinnernd, “das<br />
hat etwas mit diesen buckligen Glaslinsen zu tun, sie holen alles was man dadurch<br />
sieht näher heran, alles scheint größer zu sein als es in Wirklichkeit ist. Je<strong>de</strong>r sollte<br />
einmal durchschauen.”<br />
<strong>Band</strong> IV.40
Während dies alle taten, und kräftig damit herumalberten, grübelte <strong>de</strong>r Bastard vor<br />
sich hin. “Ob man damit auch kleine, sonst kaum sichtbare Dinge besser sehen<br />
kann, es also wie eine starke Lupe wirkt. Ich wer<strong>de</strong> das ausprobieren, wenn es<br />
klappt wer<strong>de</strong> ich die Vorrichtung `Makroskop` nennen.”<br />
Nach<strong>de</strong>m die Neugier befriedigte war und alles an<strong>de</strong>re im Raum untersucht war<br />
schauten sich die sechs an. “Was tun?”<br />
Igor setzte sich auf das Bett, gähnte und sagte “Warten, <strong>de</strong>r kommt wie<strong>de</strong>r, er will<br />
doch sein teueres Gerät wie<strong>de</strong>rhaben. Und seine Ausrüstung.” Denn sie hatten<br />
auch gutes Diebeswerkzeug gefun<strong>de</strong>n. Summs überlegte sich kurz, ob ihm die<br />
Dietriche, die Drähte und Zangen etwas brachten, entschied dann aber, daß er mit<br />
seinem eigene Werkzeug besser zurecht kommen wür<strong>de</strong>, es war für die kleineren<br />
Gnomenhän<strong>de</strong> besser geeignet.<br />
Also warteten die sechs erstmal. Sie machten es sich soweit gemütlich wie sie<br />
konnten, doch es kam kein Besuch für <strong>de</strong>n Elfen o<strong>de</strong>r etwa <strong>de</strong>r Elf selbst. Nach<br />
einigen Stun<strong>de</strong>n kamen schwere Tritte die Treppe hinauf, die Tür öffnete sich, doch<br />
die Abenteurer ließen ihre Waffen wie<strong>de</strong>r sinken als <strong>de</strong>r Wirt eintrat.<br />
“Habt Ihr gefun<strong>de</strong>n , was Ihr sucht?” fragte er scheinheilig.<br />
Igor antwortete: “Nein, unsere Freund ist scheinbar unterwegs, wir warten noch<br />
etwas auf ihn.”<br />
Der Wirt musterte die bis an die Zähne bewaffneten Humanoi<strong>de</strong>n: “Nun gut, ihr<br />
scheint ihn zu kennen. Wie ist <strong>de</strong>nn dieser Riegel kaputt gegangen?”<br />
Der Zwerg räusperte sich: “Nun ja, im Überschwang <strong>de</strong>r Gefühle...”<br />
Doch auch nach weiterem Warten kam <strong>de</strong>r Elf nicht zurück. Schließlich entschie<strong>de</strong>n<br />
sich die sechs sich aufzuteilen, da sie noch zusammen mit Helferich, <strong>de</strong>m Anführer<br />
<strong>de</strong>r Wache <strong>de</strong>n Turm <strong>de</strong>s Hato, <strong>de</strong>s Grün<strong>de</strong>rs von Katin anschauen wollten. In <strong>de</strong>r<br />
Hoffnung, daß sie dort noch einen Hinweis auf einen <strong>de</strong>r verlorenen Ringe fin<strong>de</strong>n<br />
konnten.<br />
Während also Kelen, Leros und Ozirk zurückblieben und warteten, machten Igor,<br />
Summs und Akara sich auf <strong>de</strong>n Weg zurück zum Schloß. Zuerst die knarren<strong>de</strong>n<br />
Stiegen hinunter, dann durch die Sackgasse zurück auf die normale Gasse, von<br />
dort auf <strong>de</strong>n kleinen Platz. Mitten auf <strong>de</strong>m Platz fiel ihnen auf, daß jetzt keine Kin<strong>de</strong>r<br />
mehr hier spielten, genauer gesagt, daß bis auf 4 vierschrötige Gestalten überhaupt<br />
niemand mehr auf <strong>de</strong>m Platz war.<br />
Einer <strong>de</strong>r Vier <strong>de</strong>utete auf Igor und rief: “Sie sind es, schnappt sie Euch!” und die<br />
Schläger rannten auf Igor und seine Freun<strong>de</strong> zu.<br />
Akara murmelte einen Spruch, eine gleißen<strong>de</strong>s Licht blen<strong>de</strong>te einen <strong>de</strong>r Vieren,<br />
auch Igor, <strong>de</strong>m ganz mulmig wur<strong>de</strong>, blen<strong>de</strong>te einen Angreifer mit einem magischen<br />
Lichtspruch.<br />
Dann waren die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren jedoch da, Akara und Summs waren sofort im<br />
Nahkampf und es zeigte sich schnell, daß diese Schläger Profis waren. Sie hatten<br />
jeweils einen eisenbeschlagenen kräftigen Stock in <strong>de</strong>r einen und einen Dolch in<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Hand und wirbelten ihre Waffen in tödlicher Lässigkeit. Während die<br />
drei um Hilfe riefen zog sich Igor sich etwas zurück, schließlich wollte es noch<br />
weiter zaubern. Da fuhr ihm ein stechen<strong>de</strong>r Schmerz in <strong>de</strong>n Rücken. Stöhnend griff<br />
es nach hinten: Blut sickerte aus einer Wun<strong>de</strong> und es spürte im Fallen <strong>de</strong>n kurzen<br />
Stummel und die Fie<strong>de</strong>rung eines Armbrustbolzen.<br />
Sich im Schatten tot stellen war etwas , was <strong>de</strong>r Bastard gut konnte, so wogte <strong>de</strong>r<br />
Kampf an ihm vorbei. Es konnte von seiner Stelle aus sehen, daß in einer engen<br />
<strong>Band</strong> IV.41
Seitengasse <strong>de</strong>r Elf sich ans Nachla<strong>de</strong>n machte, während Akara schließlich unter<br />
<strong>de</strong>n Hieben nie<strong>de</strong>rging. Sie blutete aus mehreren Wun<strong>de</strong>n und ihr Kopf war<br />
zerschlagen und aufgequollen. Summs kämpfte weiter tapfer gegen seinen Feind<br />
während <strong>de</strong>r zweite Schurke auf ihn zukam. Nun hatte sich Igor von <strong>de</strong>m Schock<br />
<strong>de</strong>s Geschosses erholt, es konnte sich wie<strong>de</strong>r konzentrieren und erschuf zwei<br />
magische Geschosse, die von ihm aus in Summs Gegner zischten. Den ersten<br />
magischen Pfeil steckte <strong>de</strong>r Verbrecher noch weg, <strong>de</strong>r zweite fällte ihn jedoch. Er<br />
fiel zu Bo<strong>de</strong>n.<br />
Die zwei geblen<strong>de</strong>ten Schläger mischten sich nicht in <strong>de</strong>n Kampf ein, schien es<br />
doch für sie zu gefährlich sie hatten nach hinten fühlend sich an die Hauswand<br />
zurückgezogen, <strong>de</strong>r Vierte, <strong>de</strong>r Akara nie<strong>de</strong>rgeschlagen hatte, wandte sich jetzt<br />
<strong>de</strong>m Gnom zu, scheinbar hatte er Igors Zauberei nicht bemerkt. Während also <strong>de</strong>r<br />
kleine Summs gegen <strong>de</strong>n großen Messerstecher kämpfte schlich sich Igor von<br />
hinten an, sprang und riß <strong>de</strong>n Feind um. Die bei<strong>de</strong>n am Bo<strong>de</strong>n liegen<strong>de</strong>n<br />
versuchten sich gegenseitig <strong>de</strong>n Hals zuzudrücken, Igors Feind war zwar kräftiger,<br />
doch die Klauen und Krallen <strong>de</strong>s Bastards waren schärfer als die Fingernägel <strong>de</strong>s<br />
Menschen. Wie verfluchte <strong>de</strong>r Bastard seinen Schöpfer, daß es seinen Kiefer nicht<br />
weiter öffnen konnte um gefährlicher Wun<strong>de</strong>n als nur kleine Kratzer zuzufügen.<br />
Summs wankte benommen, auch ohne Gegner. Während er in seiner Erschöpfung<br />
kurz überlegte, was er tun sollte, traf ihn ein tödlicher Armbrustbolzen. Blutend sank<br />
er darnie<strong>de</strong>r. Igor erkannte, dies war keine Täuschung, nein, <strong>de</strong>r Gnom lag wirklich<br />
im Sterben. Winselnd bat es daraufhin um Gna<strong>de</strong>, es bettelte <strong>de</strong>n Kämpfer mit <strong>de</strong>m<br />
es umschlungen am Bo<strong>de</strong>n lag an, daß er ihn doch verschone. Der<br />
Armbrustschütze trat näher, tatsächlich, es war <strong>de</strong>r vermißte Elf. Um Gna<strong>de</strong><br />
heischend kroch <strong>de</strong>r Bastard zu seine Füßen herum, er möge doch Gna<strong>de</strong> haben,<br />
damit <strong>de</strong>r Zauberer seine sterben<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n beistehen konnte. “Ich wer<strong>de</strong> auch<br />
die Blendung <strong>de</strong>ines Kamera<strong>de</strong>n aufheben, als Zeichen meines guten Willens”<br />
Und er tat dies unter <strong>de</strong>m mißtrauischen Blick <strong>de</strong>s Kämpfers.<br />
“Nun gut,” sagte <strong>de</strong>r Elf anschließend, “Gib mir alles was du an wertvollen<br />
Gegenstän<strong>de</strong>n hast, dann will ich vielleicht gnädig sein.”<br />
Und <strong>de</strong>r Elf nahm sich alles Wertvolle, die bei<strong>de</strong>n Spruchrollen, natürlich sein<br />
eigenes Fernrohr, die Phiole mit Spinnengift, die Igor noch aus <strong>de</strong>m Labyrinth<br />
unterhalb <strong>de</strong>s Magierturms im Nor<strong>de</strong>n hatte, und lei<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>n konzentrierten<br />
Heiltrank, in <strong>de</strong>m noch zwei Portionen waren. Und <strong>de</strong>r Bastard hatte so gehofft, daß<br />
er mit diesen Heiltränken seine Freun<strong>de</strong>n hätte helfen können. Doch auf sein<br />
Winseln lachte <strong>de</strong>r Elf nur hämisch und winkte seinen Häschern zu. Jene nahmen<br />
ihren Kumpan auf, ob verwun<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r tot konnte <strong>de</strong>r Bastard nicht erkennen und<br />
verschwan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Seitengasse.<br />
Nun eilte <strong>de</strong>r Bastard zu <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n liegen<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n. Zuerst verband es ihre<br />
blutigen Wun<strong>de</strong>n, so daß sie nicht noch mehr Blut verlieren wür<strong>de</strong>n, dann rannte es<br />
so schnell es konnte zum Roten Drachen zurück. Dort alarmierte es die drei<br />
übrigen, die auf sein Rufen schneller die Treppen herunter gerannt kamen, als es<br />
<strong>de</strong>r hinken<strong>de</strong> Bastard je geschafft hätte hoch zu stolpern.<br />
Kelen rief: “Ich habe noch einen Heiltrank, vielleicht gelingt es mir Akara zu retten,<br />
dann kann sie vielleicht <strong>de</strong>n Gnom retten.“<br />
Die drei rannten auf <strong>de</strong>n kleinen Platz, während <strong>de</strong>r weinen<strong>de</strong>, fluchen<strong>de</strong> Igor<br />
hinterher humpelte.<br />
Wenn es nur <strong>de</strong>n Ring gehabt hätte. Mit dieser Macht wären die Angreifer nicht<br />
fertig gewor<strong>de</strong>n, auch nicht <strong>de</strong>r arrogante Elf. Mit diesen Gedanken wankte <strong>de</strong>r<br />
<strong>Band</strong> IV.42
Zauberer benommen und kurzatmig auf <strong>de</strong>n Platz. Dort hatte Kelen bereits<br />
begonnen <strong>de</strong>r Priesterin <strong>de</strong>n retten<strong>de</strong>n Trank einzuflößen. Akara erwachte aus ihrer<br />
Bewußtlosigkeit. Sie erklärte, es ginge ihr wie<strong>de</strong>r ganz gut, aber die Wun<strong>de</strong>n und<br />
das vorherige Beschwören hätten sie zu sehr geschwächt. Nun kroch sie zu<br />
Summs. “Oh je, ob meine Kräfte ausreichen?” Während alle zur Göttin beteten, rief<br />
Akara <strong>de</strong>ren Segen und Kraft auf <strong>de</strong>n Gnom herab. Schließlich wich die gräßliche<br />
Blässe aus <strong>de</strong>m Gesicht ihres Freun<strong>de</strong>s, er war gerettet.<br />
Anschließend schleiften die drei Unverletzten die drei Verletzten zum Tempel <strong>de</strong>s<br />
Paian <strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>r Heilkunst, <strong>de</strong>r ja an<strong>de</strong>rswo von <strong>de</strong>r zugegebenermaßen<br />
attraktiveren Aphrodite verdrängt wor<strong>de</strong>n war, aber als Stadtgott hier in Katin noch<br />
erhalten geblieben war. Aphrodite hatte in seinem Tempel nur einen Schrein, doch<br />
die Abenteurer waren in keiner Situation, die ein Herumstreiten und Herumrechten<br />
möglich gemacht hätte. Doch genau so sahen es auch die Priester <strong>de</strong>s Paian, die<br />
die verletzten Hel<strong>de</strong>n fast aus <strong>de</strong>m Tempel jagten: „Da könnte ja je<strong>de</strong>r nach einer<br />
Prügelei kommen!“ „Wir hätten viel zu tun, wenn wir alle Verbrecher heilen<br />
wür<strong>de</strong>n...“ Igor tat es sehr leid um seine Goldmünze, die er am Vortag gespen<strong>de</strong>t<br />
hatte, hätte es doch für diesen Beistand auch eine halbe Kupfermünze getan, <strong>de</strong>nn<br />
die Gassenjungen im Viertel ihrer Schan<strong>de</strong> waren eine ebenso große Hilfe<br />
gewesen.<br />
Nach einem kurzen Gebet vor <strong>de</strong>m Schrein <strong>de</strong>r Aphrodite, <strong>de</strong>nn das war ihnen<br />
erlaubt wor<strong>de</strong>n zogen sich die sechs also zurück. Igor schwor für sich, daß er<br />
diesem Gott keine weitere Ehrerbietung erbringen wür<strong>de</strong>, Ozirk schäumte vor Wut<br />
ob <strong>de</strong>r Beleidigungen, Akara war am Weinen, weil ihrer Göttin Unrecht getan wur<strong>de</strong>,<br />
Als <strong>de</strong>r Bastard und seine Freun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Tempel wie<strong>de</strong>r humpelnd verließ (diesmal<br />
humpelte Igor nicht alleine) schaute es noch einmal kurz zurück: „Tempel <strong>de</strong>r Liebe!<br />
Hm, Kerno<strong>de</strong>s Ring <strong>de</strong>r Liebe, von Hato zuletzt getragen, Hato, <strong>de</strong>r diese Stadt<br />
o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st doch diesen Palast hier grün<strong>de</strong>te, von <strong>de</strong>m viele Familien <strong>de</strong>s<br />
Innenmeeres abstammen... . Irgend etwas hängt hier zusammen, irgend etwas<br />
stinkt zum Himmel, ich weiß nur nicht genau was.“<br />
Die sechs gingen weiter, schlichen und humpelten zum Palast zurück. Dort wur<strong>de</strong>n<br />
sie von einem Boten <strong>de</strong>s Hauptmannes Helferich empfangen, <strong>de</strong>r sie zu sich bitten<br />
ließ.<br />
Der Hauptmann stauchte sie erstmal kräftig zusammen, und hielt ihnen eine<br />
Standpauke, die überall im Wachsaal zu hören war. Da ging es um Rabauken,<br />
Unruhestifter, wildgewor<strong>de</strong>ne Barbaren, ja sogar von Berserker war die Re<strong>de</strong>. Igor<br />
hatte Mühe sich an die alle zu erinnern, vor allem da es ja zum En<strong>de</strong> hin eher am<br />
Bo<strong>de</strong>n lag, getreten und ausgeplün<strong>de</strong>rt. Endlich ging ihm auf, daß hier nicht ihre<br />
Gegner gemeint waren, son<strong>de</strong>rn sie selbst. Verwun<strong>de</strong>rt schaute er die an<strong>de</strong>ren an<br />
<strong>de</strong>ren Mienen Empörung und im Falle <strong>de</strong>s Zwerges auch Streitlust zeigten, da<br />
spürte es <strong>de</strong>n erwartungsvollen Blick Helferichs auf sich und erinnerte sich an seine<br />
Jugend. Es wußte was nun erwartet wur<strong>de</strong>, und so antwortete es, „Ja, Herr“.<br />
Manch einer <strong>de</strong>r Wachen konnte sich ein scha<strong>de</strong>nfrohes Grinsen nicht verkneifen,<br />
wenn sie auch versuchten dies ihren Hauptmann nicht sehen zu lassen.<br />
Danach trat er mit ihnen vor die Tür und erklärte ihnen in leiserem Ton, daß sie es<br />
doch besser unterließen auf eigene Faust in heiklen sicherheitsrelevanten<br />
Angelegenheiten herumzupfuschen. Der Elf wäre jetzt sicher abgetaucht und er<br />
müsse nun sehen wie und ob er ihn wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>.<br />
<strong>Band</strong> IV.43
Dann wur<strong>de</strong> er versöhnlicher und ließ sie mit einem <strong>de</strong>r wachfreien Soldaten als<br />
Führer durch die alten Keller streifen.<br />
Aber was immer sie hier für Vorstellungen hatten, sie wur<strong>de</strong>n entäuscht. Keine<br />
geheimen Gänge o<strong>de</strong>r versteckte Türen. Enttäuscht kamen sie wie<strong>de</strong>r ans<br />
Tageslicht.<br />
Im Hof wur<strong>de</strong>n sie bereits von Helferich erwartet, <strong>de</strong>r ihnen Grüße von <strong>de</strong>r Herzogin<br />
mitteilen ließ und die Abfahrt eines Han<strong>de</strong>lsschiffes in Richtung <strong>de</strong>r Andalanen für<br />
<strong>de</strong>n morgigen Vormittag ankündigte. Sechs Plätze für die Überfahrt nach Regios<br />
seien bereits reserviert und bezahlt. Verwun<strong>de</strong>rt sahen sich die Gefährten an und<br />
als er Igor im Namen <strong>de</strong>r Herzogin eine Schriftrolle zum Abschied schenkte,<br />
bedankte dieser sich artig und alle verließen schnell <strong>de</strong>n Reiterhof in Richtung ihrer<br />
Stammkneipe.<br />
Unterwegs schauten sie bei <strong>de</strong>r nach Helferichs Auskunft zuständigen Stadtwache<br />
vorbei. Beim anwesen<strong>de</strong>n Sergeant <strong>de</strong>r Wache gaben <strong>de</strong>n Vorfall zu Protokoll. Drei<br />
Becher Tee und vier weggespitzte Fe<strong>de</strong>rn später ließen sie <strong>de</strong>n Elf vom äußerst<br />
schreibgewandten Sergeaten, <strong>de</strong>r natürlich nichts für die merkwürdig ausländischen<br />
Namen <strong>de</strong>r hier anwesen<strong>de</strong>n Zeugen konnte, zur Fandung ausschreiben.<br />
Dort untersuchte Igor, während die an<strong>de</strong>ren noch über die morgendliche Abfahrt<br />
<strong>de</strong>battierten, die Rolle. Ein ihm unbekannter Zauber, <strong>de</strong>r das Fin<strong>de</strong>n von<br />
Gegenstän<strong>de</strong>r ermöglichte, ein wirklich schönes Abschiedsgeschenk das <strong>de</strong>n Tag<br />
doch versöhnlicher ausklingen ließ, als es selbst noch vor wenigen Stun<strong>de</strong>n<br />
gefürchtet hatte.<br />
Natürlich war dies nicht <strong>de</strong>r Ausklang, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>n veranstalteten die Zwerge in ihrer<br />
Stammkneipe zu Ehren <strong>de</strong>r neugewonnenen und nun schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>.<br />
<strong>Band</strong> IV.44
Katarrh<br />
Ein günstiger Wind ließ <strong>de</strong>n Thyrschen Han<strong>de</strong>lsfahrer <strong>de</strong>s Hauses Limur unter<br />
seinem erfahrenen Kapitäm Milaros die Strecke nach Port Bluhna an <strong>de</strong>r Nordspitze<br />
Rauricarias an einem Tag zurücklegen.<br />
Igor hatte trotz<strong>de</strong>m ausreichend Zeit seinen Magen kräftig umzustülpen, obschon<br />
es auf einer an<strong>de</strong>ren Ebene natürlich faszinierend war, wieviel ein humanoi<strong>de</strong>s<br />
Wesen ohne Frühstück von sich zu geben vermag.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r dreimastige Holk im Hafen unterhalb Kap Nor festgemacht hatte,<br />
gingen die sechs Passagiere an Land und suchten <strong>de</strong>n Vogt auf, um auch ihm die<br />
Frage nach <strong>de</strong>m immer noch flüchtigen Katarh zu stelln. Viel Hoffnung hatten sie<br />
nicht, waren doch seit <strong>de</strong>r letzten positiven Auskunft schon etliche Tage vergangen,<br />
so daß hier allenfalls eine kalte Spur zu erwarten war. Doch ein ob ihres Fragens<br />
erstaunter Sir Terenit von Nasont teilte <strong>de</strong>n überraschten Besuchern mit, <strong>de</strong>r<br />
Gesuchte läge schon seit Tagen todkrank in seinem Gästezimmer. Geschickt bot<br />
sich Akara als helfen<strong>de</strong> Heilerin an.<br />
Beim Besuch am Krankenbett stellten sie schnell fest, daß <strong>de</strong>r hinterhältige Magier<br />
Opfer eines offensichtlich ebenfalls hinterhältigen Angriffes gewor<strong>de</strong>n war und<br />
natürlich war vom Ring keine Spur mehr zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Das Gestammel <strong>de</strong>s Darnie<strong>de</strong>rliegen<strong>de</strong>n war wirr, aber er sprach von zwei<br />
Angreifern und einer Lähmung und Schmerzen.<br />
Ja, einer <strong>de</strong>r Angreifer war ein Elf.<br />
„Wir müßen zurück nach Katin“, stellte <strong>de</strong>r Bastard emotionslos fest und ohne<br />
Diskussion war dies beschlossene Sache.<br />
Bereits in zwei Tagen wur<strong>de</strong> ein Schiff aus Tika erwartet, daß nach Katin<br />
weiterfahren wür<strong>de</strong>, so gaben sie ihrem Kapitän Bescheid, und holten ihr Gepäck<br />
an Land.<br />
Akara nahm sich unter <strong>de</strong>m Protest Igors und <strong>de</strong>m Kopfschütteln <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>s<br />
Kranken an und unter ihren fähigen Hän<strong>de</strong>nerholte er sich sichtbar, wenn auch an<br />
eine Reisefähigkeit noch nicht zu <strong>de</strong>nken war.<br />
Der Vogt versprach <strong>de</strong>n verräterischen Magier, sobald er transportfähig sei, unter<br />
scharfer Bewachung gen Katin zu schicken.<br />
So verbrachten sie zwei Tage hier im Nor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Halbinsel in <strong>de</strong>nen Igor und Kelen<br />
sich in ihre Spruchbücher vergruben.<br />
Die Rückfahrt nach Katin nahm einen Tag mehr in Anspruch musste das Schiff<br />
doch einen großen Bogen hinaus in <strong>de</strong>n Golf schlagen um trotz <strong>de</strong>s ungünstigen<br />
Win<strong>de</strong>s Katin ansteuern zu können.<br />
Die Zeit an Bord nutzten die Freun<strong>de</strong> um nochmals alle am Ring interessierten<br />
Gruppen durchzugehen und so kristallisierten sich schließlich einige<br />
Hauptverdächtige heraus.<br />
Da war ihr alter Bekannter <strong>de</strong>r Elf und sein unauffälliger Freund, die ja wohl <strong>de</strong>n<br />
Ring von Katarh gewonnen haben. Nur wenn sie ihn haben, warum treiben sie sich<br />
noch in Katin herum?<br />
O<strong>de</strong>r war er doch im Besitz <strong>de</strong>s Gesandschaft von Saas-Kwaaq? Ozirk hat<br />
schließlich <strong>de</strong>n Überfall <strong>de</strong>ren Soldaten auf die zwei Diebe miterlebt.<br />
Vielleicht, dachte Igor bei sich, war er auch schon lange im Besitz <strong>de</strong>r Herzogin,<br />
und all dies ist ein von Helferich gekonnt inzeniertes Manöver um die an<strong>de</strong>ren<br />
Parteien darüber im Unklaren zu lassen.<br />
<strong>Band</strong> IV.45
„Smoke on the water“<br />
Wie<strong>de</strong>r in Katin führte <strong>de</strong>r erste Weg die sechs erneut zum Hauptmann. Seine<br />
Pokermiene schien bei ihrem Anblick noch undurchdringlicher zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Er hörte sich die Geschichte vom Auffin<strong>de</strong>n Katarhs und <strong>de</strong>ssen wie<strong>de</strong>rgegebenen<br />
Bericht vom Überfall an. Finster blickte er von seinem dicken und eng<br />
beschriebenen Buch auf und legte seine Fe<strong>de</strong>r gefährlich langsam beiseite als<br />
Ozirk laut wur<strong>de</strong> und endlich Auskunft über <strong>de</strong>n Verbleib <strong>de</strong>s Elfen verlangte.<br />
Mit leiser Stimme, die allerdings schnell <strong>de</strong>n poltern<strong>de</strong>n Zwerg zur Raison brachte<br />
ermahnte er sie, nun doch zivilisiertes Verhalten an <strong>de</strong>n Tag zu legen und diese<br />
Selbst- und Lynchjustiz sein zu lassen. Außer<strong>de</strong>m, während sie sechs noch <strong>de</strong>m<br />
Ring nachjagten seien an<strong>de</strong>re möglicherweise schon ans Ziel gekommen.<br />
Elektrisiert blickten alle auf.<br />
Der Botschafter von Saas-Kwaaq bereite schließlich schon etwas sehr<br />
selbstzufrie<strong>de</strong>n seine Rückreise nach Saas-Kwaaq vor, und seine Männer hatten<br />
mehr als das eine auch von Ozirk so unauffällig beobachtete Treffen mit <strong>de</strong>m<br />
fraglichen Elf und seinem Freund.<br />
Etwas verwirrt entließ er sie.<br />
Lange zerbrachen sie sich noch beim guten Wein <strong>de</strong>s Vorjahres und reichlich<br />
Zwergenschnaps ihre Köpfe über das weitere Vorgehen. Wie sie von ihrer<br />
zwergischen Nachbarschaft erfuhren wird dieses Jahr lei<strong>de</strong>r die Weinernte südlich<br />
Katins wegen <strong>de</strong>n Kriegsverwüstungen wohl völlig ausfallen. So war schon in <strong>de</strong>n<br />
Wochen ihrer Anwesenheit ein leichter Preisanstieg feststellbar.<br />
Sollten sie wirklich versuchen in das im Hafen liegen<strong>de</strong> Staatschiff <strong>de</strong>s Botschafters<br />
von Saas-Kwaaq einzudringen und wenn, dann wie. Und was beabsichtigte<br />
Helferich mit seinen Hinweisen auf <strong>de</strong>n Botschafter. War ihm zu trauen? Wohl<br />
kaum.<br />
Am nächsten Morgen beobachteten sie abwechselnd das eindrucksvolle<br />
Staatsschiff. Es lag etwas abseits nördlich <strong>de</strong>s Fischerstran<strong>de</strong>s im Hafenbecken vor<br />
Anker. Ein seitlich angelaschtes Beiboot diente zum Verkehr von und zu <strong>de</strong>r Stadt.<br />
Bis zum Mittag hatten sie eine Systematik im Wachwechsel festgestellt. Auf Vor-<br />
und Achter<strong>de</strong>ck waren immer jeweils eine Doppelwache auf Posten, Insgesamt war<br />
sicher mit zwanzig Soldaten und min<strong>de</strong>stens nochmal soviel Matrosen zu rechnen.<br />
Ein harter Brocken. Hier war wohl nur mit zeitgleicher Ablenkungsaktion ein<br />
erfolgreiches Anbordschleichen möglich.<br />
Aus Beobachtungen und unauffälliger Befragung von Lieferanten hatten sie<br />
erfahren, daß die Kabine <strong>de</strong>s Botschafters sich ganz hinten im Achterkastell befand.<br />
Dort waren auch <strong>de</strong>r Kapitän, seine Deckoffiziere und Fedor untergebracht.<br />
Im Vorschiff schliefen die Soldaten und die Matrosen. Ru<strong>de</strong>rsklaven waren keine an<br />
Bord, sie waren an Land in <strong>de</strong>r Marinebasis von Katin.<br />
Das Schiff wur<strong>de</strong> von Bug und Heckanker in Position gehalten. An <strong>de</strong>ren Tauen war<br />
ein an Bord klettern möglich, sofern die Wachen ausreichend abgelenkt, o<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>rweitig ausgeschaltet wur<strong>de</strong>n.<br />
Schnell wur<strong>de</strong> so ein Plan geschmie<strong>de</strong>t und das nötige Boot gegen reichlich Gold<br />
organisiert. Zuviel Gold wie <strong>de</strong>r Zwerg meinte.<br />
Verwun<strong>de</strong>rt sahen daher die Wachen gegen Mitternacht ein Fischerboot mit zwei<br />
Frauen in hochgeschnürten le<strong>de</strong>rnen Leibchen auf ihr Schiff zukommen. Vorn und<br />
hinten war das Boot mit Segeltuch abge<strong>de</strong>ckt. Bald entwickelte sich ein angeregtes<br />
<strong>Band</strong> IV.46
Hin- und Herrufen, das schließlich immer mehr Seeleute an Deck lockte, bis<br />
letztendlich <strong>de</strong>r Kapitän an Deck trat und gebieterisch Ruhe verlangte. Kelen<br />
versuchte neben ihrer etwas unbeholfenen Anmache <strong>de</strong>n Kapitän auch mit ihrer<br />
Magie zu bezaubern. Doch als er sie unter <strong>de</strong>m entäuschten Gejohle <strong>de</strong>r komplett<br />
an Deck versammelten Mannschaft auffor<strong>de</strong>rte, wie<strong>de</strong>r an Land zurück zu ru<strong>de</strong>rn<br />
war ihr klar, das dies ein vergeblicher Versuch gewesen war.<br />
Igor, <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Segeltuch im Heck lag, war das Scheitern ihrer Geheimaktion<br />
schon beim Beginn <strong>de</strong>s Gejohles klargewor<strong>de</strong>n. Trotz<strong>de</strong>m mußte es und Ozirk noch<br />
versteckt bleiben bis sich das Boot mit einem Knirschen wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Strand<br />
schob.<br />
Nach<strong>de</strong>m sie sich erneut beraten hatten, kamen sie überein in drei Stun<strong>de</strong>n einen<br />
neuen Versuch mit geän<strong>de</strong>rter Taktik zu wagen.<br />
Sie näherten sich <strong>de</strong>m Schiff diesmal von vorn und ein Schlafspruch setzte gleich<br />
die Wachen auf <strong>de</strong>m Vor<strong>de</strong>rkastell außer Gefecht und auch für die Achtern war ein<br />
Spruch bereitgehalten wor<strong>de</strong>n. Die Schnelligkeit und Stille dieses Vorgehens<br />
bestärkte Igor in seiner Meinung von <strong>de</strong>r Überlegenheit <strong>de</strong>r Magie.<br />
Geschwind eilten Summs, Kelen und Leros an Bord und verteilten das mitgebrachte<br />
Lampenöl auf Deck. Kelen, die beste Schwimmerin, schickte die an<strong>de</strong>ren ins Boot<br />
und Richtung Land. Sie selbst zün<strong>de</strong>te das Öl an und ließ sich vorsichtig ins<br />
Wasser auf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Land abgewandten Seite.<br />
Während Leros, Ozirk und Akara mit aller Kraft auf <strong>de</strong>n Strand zusteuerten,<br />
beobachtete Igor aufmerksam das Schiff. Zunächst war noch nichts von einem<br />
Brand zu sehen, dann reflektierte das aufgespannte Sonnensegel die hinter <strong>de</strong>r<br />
Reling züngeln<strong>de</strong>n Flammen. Als sie kurz vor <strong>de</strong>m Strand waren, tasteten die<br />
ersten Flämmchen sich am Tauwerk empor. Mit <strong>de</strong>m vom Boot auf <strong>de</strong>n Strand<br />
springen<strong>de</strong>n Leros ging das von tagelangem Sonnenschein ausgedörrte<br />
Sonnensegel über <strong>de</strong>m Ru<strong>de</strong>r<strong>de</strong>ck schließlich mit einem Schlag in Flammen auf.<br />
Nun waren auch die ersten Alarmschrei von Bord zu hören. Das an <strong>de</strong>r Rahe <strong>de</strong>s<br />
Hauptmastes angeschlagenen aufgereffte Segel begann nun auch vom unteren<br />
En<strong>de</strong> her <strong>de</strong>n Flammen zum Opfer zu fallen. Die ersten Stadtbewohner kamen zum<br />
Strand geeilt, Boote wur<strong>de</strong>n ins Wasser geschoben und geschickt verteilten sich die<br />
Freun<strong>de</strong> auf verschie<strong>de</strong>ne Boote, um nicht gar zu sehr aufzufallen. Akara hingegen<br />
eilte am Ufer entlang um <strong>de</strong>r ans dunkle Land schwimmen<strong>de</strong>n Magierin ihren<br />
trockenen Mantel zu bringen.<br />
An Bord war die Brandbekämpfung inzwischen voll im Gange. Als Kriegsschiff hatte<br />
es ja ausreichend spezialbehan<strong>de</strong>lten Sand an Bord um gegnerische<br />
Brandgeschosse löschen zu können und doch waren Soldaten und Matrosen froh<br />
als Hilfe vom Land kam, so war es doch möglich die von <strong>de</strong>r unter lautem Getöse<br />
herabstürzen<strong>de</strong>n Rahe Verwun<strong>de</strong>ten schnell außer Gefahr bringen zu können.<br />
Trotz dieser Verluste waren jetzt immer noch genügend Hän<strong>de</strong> an Bord um <strong>de</strong>n<br />
Brand unter Kontrolle zu bringen. Daher drückten sich Summs, Leros und Ozirk<br />
schnell durch die offenstehen<strong>de</strong> Tür ins Achterkastell.<br />
Von <strong>de</strong>m kurzen Gang gingen vier Türen in kleinere Kabinen ab. Zum Teil stan<strong>de</strong>n<br />
sie offen und machten einen Blick ins Innere möglich. Doch die ungebetenen<br />
Besucher eilten weiter zu <strong>de</strong>r Tür am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gangs. Es war für Summs ein<br />
leichtes das Schloß zu überwin<strong>de</strong>n und so traten die ersten bei<strong>de</strong>n ein, während<br />
Ozirk vor <strong>de</strong>r Türe Wache stand. Die Kabine war durch einen großen Samtvorhang<br />
in <strong>de</strong>r Mitte geteilt. Die erste Hälfte wur<strong>de</strong> von einem großen Tisch beherrscht, über<br />
<strong>de</strong>m eine Sturmlaterne an einem Decksbalken hing. Sechs Stühle stan<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n<br />
Tisch. Hinter <strong>de</strong>m Vorhang stand ein großes Bett mit sei<strong>de</strong>nem Überwurf an <strong>de</strong>n<br />
<strong>Band</strong> IV.47
Bordwän<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n vergitterten Fenstern waren Truhen auf die sich die bei<strong>de</strong>n<br />
stürzten.<br />
„Klamotten, Klamotten, Dolch, Klamotten“, murmelte <strong>de</strong>r Gnom beim Durchstöbern.<br />
„Verdammte Elfenkacke, so ein Ring ist verflixt klein.“ Er hielt inne, ließ Leros<br />
weitersuchen und begann das Bett abzutasten. Auch nichts.<br />
Da öffnete Ozirk die Tür und zischte: „Schnell, kommt schon, die Zeit läuft uns<br />
davon. Verzweifelt eilten die bei<strong>de</strong>n zur Tür zurück, da fiel Summs Blick auf <strong>de</strong>n<br />
Tisch. Eine Schubla<strong>de</strong>. Verschlossen. Aber doch kein Hin<strong>de</strong>rnis für einen<br />
geschickten Gnom! Auf. Ein Dolch, ein Schal, ein Buch, Schreibpapier, Tinte, da,<br />
ein elfenbeinernes Kästchen. Aufgemacht, ah-ja, auf rotem Samt ein eiserner Ring.<br />
Mit triumphieren<strong>de</strong>m Blick steckte er es unter sein Wams und eilte zur Tür hinaus.<br />
Außen an <strong>de</strong>ck hatte die Brandbekämpfung bereits <strong>de</strong>utliche Fortschritte gemacht.<br />
Die gemischte Mannschaft von Land- und Schiffbewohner zerhackte glimmen<strong>de</strong>s<br />
Tau und kokeln<strong>de</strong>s Holz, um es über Bord zu werfen. Bald war alles vorbei und mit<br />
<strong>de</strong>m ersten Streifen <strong>de</strong>s Morgengrauens wur<strong>de</strong>n die Helfer verabschie<strong>de</strong>t und das<br />
angeschlagene Schiff zur Marinestation verholt.<br />
Der Botschafter und sein Gefolge wur<strong>de</strong> von Helferich am Strand erwartet und<br />
Richtung Herzogspalast geleitet.<br />
<strong>Band</strong> IV.48
Ringe<br />
Zum Glück niemand außer Akara erwartete die ans Land geschwommene Kelen.<br />
Bei<strong>de</strong> stahlen sich unauffällig in ihre Mäntel gehüllt zurück in ihre Schlafquartiere.<br />
Einige Zeit später trafen auch die an<strong>de</strong>ren ein.<br />
Gemeinsam berieten sie auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n sitzend über <strong>de</strong>n zwischen ihnen in<br />
seinem offenen Kästchen liegen<strong>de</strong>n Ring.<br />
Gespannt blickten sie <strong>de</strong>n Bastard an, <strong>de</strong>r nach kurzer Untersuchung das<br />
Vorhan<strong>de</strong>nsein einer magischen Aura bestätigte. Auch Akara fand ihre Erwartung<br />
bezüglich böser Strömungen bestätigt.<br />
Dann blickten sie einan<strong>de</strong>r an, bis Igor sagte, ich probiers und ihn an <strong>de</strong>n Finger<br />
steckte.<br />
Doch vergeblich erwartete er das ihm so bekannte und auch irgendwie ersehnte<br />
Gefühl <strong>de</strong>r Macht.<br />
Nichts, Leere. Verwirrt blickte er in die fragen<strong>de</strong>n Gesichter <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>ren.<br />
„Er ist es nicht“, flüsterte <strong>de</strong>r Bastard und Tränen schoßen in seine Augen. Seine<br />
Klaue zuckte zum Finger und er versucht <strong>de</strong>n Ring abzuziehen um ihn voll<br />
Enttäuschung wegzuwerfen, doch <strong>de</strong>r Ring ließ sich nicht mehr abnehmen. Wie<br />
angewachsen klebte er an <strong>de</strong>m Finger. Auch die Versuche mit kaltem Wasser,<br />
Seife, Fä<strong>de</strong>n und Gnomenspucke waren erfolglos, und die Axttechnik <strong>de</strong>s Zwerges<br />
war nun wirklich nicht nach Igors Geschmack<br />
Nach weiterer Beratung über die morgigen Möglichkeiten legten sie sich schlafen, in<br />
einer Nacht, die nun wirklich kurz gewor<strong>de</strong>n war. Igor schlief wenig, und das<br />
Wenige wur<strong>de</strong> von unangenehmen Träumen gestört, die mit diesem ungewollten<br />
Ring zusammenhingen.<br />
Kurz vor Mittag nahm die ganze Gruppe ein ausgiebiges verspätetes Frühstück ein<br />
und trennte sich dann. Igor beschloß nochmal alle seine Kenntnisse bezüglich<br />
Magie auf <strong>de</strong>n Ring anzuwen<strong>de</strong>n. Doch vergeblich, neue Erkenntnisse konnte es<br />
ihm nicht entlocken. Der falsche Ring schien <strong>de</strong>n verzweifelten Bastard verhöhnen<br />
zu wollen.<br />
Leros ging mit Kelen in Richtung Liegeplatz Marinehafen, während die an<strong>de</strong>ren im<br />
Hafen und Stadt auf die Jagd nach Information waren.<br />
Doch die die Marinestation war bereits weit außerhalb auf <strong>de</strong>r Halbinsel durch<br />
Posten abgesperrt. Leros fragte, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Doppelposten <strong>de</strong>n Durchgang<br />
verwehrte, diesen nach Neuigkeiten und vor allem was wohl <strong>de</strong>r Grund für <strong>de</strong>n<br />
Brand war.<br />
„Nun“, antwortete dieser. „Das ist doch sonnenklar. Das waren Agenten <strong>de</strong>s<br />
Geheimdienstes von <strong>de</strong>m Ursupator Henog. Die haben das Schiff unseres<br />
Verbün<strong>de</strong>ten angesteckt um die zum Abzug zu bewegen und uns so die Mittel für<br />
die weitere Kriegsführung zu entziehen.“<br />
„Quatsch“, mischte sich da sein Kamerad ein. „Die haben das selbst angesteckt.<br />
Kuck nicht so ungläubig. Die ganze Zeit hat die Herzogin versucht sich die<br />
Mischpoke von Saas-Kwaaq vom Leib zu halten und nun? Wo wohnen sie jetzt? Im<br />
Herzogspalast. Ihr wer<strong>de</strong>t schon sehen, das wird gar nicht lang dauern, dann ist sie<br />
völlig ihrem ver<strong>de</strong>rbten Einfluß ausgeliefert. Ach was soll dann nur aus Rauricaria<br />
wer<strong>de</strong>n?“<br />
„Was ist <strong>de</strong>nn hier los?“, ertönte da eine dunkle, befehlsgewohnte Stimme hinter<br />
ihnen. Der wachhaben<strong>de</strong> Sergeant kam auf seinem Rundgang eben vorbei und<br />
hatte die letzten Sätze mitbekommen. „Da macht euch mal keine Sorgen. Die<br />
Herzogin fällt schon nicht auf die gefönten Froschfresser rein. Außer<strong>de</strong>m verzählt<br />
<strong>Band</strong> IV.49
ihr wie<strong>de</strong>r nur Quatsch und das auch noch Zivilisten. Die glauben doch alles und<br />
erzählen das auch noch weiter. So entstehen Gerüchte. Laßt euch nur von einem<br />
alten Soldaten gesagt sein, das riecht nach einem elfischen Anschlag. Heimlich und<br />
gemein eben. Grins nicht. Laß dir mal erklären. Wer beteiligt sich nicht am Krieg?<br />
Bei wem gibt es we<strong>de</strong>r Tote noch zerstörte Häuser und Fel<strong>de</strong>r? Wer lauert in <strong>de</strong>n<br />
tiefen undurchdringlichen Wäl<strong>de</strong>rn? Wer beliefert alle Beteiligten mit Waren? Wer<br />
kämpft am liebsten aus <strong>de</strong>m Hintzerhalt und ganz gern mit Magie?<br />
Die Antwort ist immer und überall: Elfen!<br />
Sie stiften Unfrie<strong>de</strong>n, sähen Krieg und sind hinterher Gewinner, da es wegen ihres<br />
Einmischens nur Verlierer gibt“.<br />
„Und nun geht weiter, hier gibt es nichts zu sehen“<br />
So war es auch. Um je<strong>de</strong> Menge verwirren<strong>de</strong> Informationen reicher machten sich<br />
die bei<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Rückweg.<br />
In <strong>de</strong>r Zwischenzeit hatte Akara <strong>de</strong>n Hafenmeister abgepaßt und ihm die Frage<br />
nach <strong>de</strong>m Brand gestellt. Da er sie vom Fest bei <strong>de</strong>r Herzogin noch kannte, wur<strong>de</strong><br />
er schnell vertraulich, flüsterte er ihr ins Ohr: „Meiner Meinung nach ließ Helferich<br />
<strong>de</strong>n Brand legen. Ja, schaut nicht so verstört. Überlegt doch mal, wenn ihr ein Schiff<br />
verbrennen wolltet wür<strong>de</strong>t ihr einfach so ein bischen Öl auf Deck schütten? Nein,<br />
natürlich nicht. Schiffe brennt man unter <strong>de</strong>ck an. Da dauert es länger bis es<br />
bemerkt wird und die Schä<strong>de</strong>n sind dann auch viel schwerwiegen<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r Brand<br />
ist viel schwieriger zu bekämpfen. Aber Ihr habt <strong>de</strong>n Hauptmann doch auch schon<br />
erlebt. Niemand weiß, was er wirklich <strong>de</strong>nkt und wen er alles in <strong>de</strong>r Hand hat. Nicht,<br />
daß ich ihn kritisieren wollte, er wird schon seine sicher guten Grün<strong>de</strong> haben.<br />
Sicher hat er die ganze Zeit versucht Informationen über die Saas-Kwaaqer zu<br />
erhalten. Aber wohl ohne Erfolg solange die an Bord ihres Schiffes waren. Und habt<br />
ihr bemerkt wie er schon auf die vom brennen<strong>de</strong>n Schiff Flüchten<strong>de</strong>n am Strand<br />
wartete um sie in <strong>de</strong>n Palast zu lotsen. Die konnten das ja auch schlecht ablehnen<br />
und so ganz nebenbei hat er sie auch noch von ihrer Mannschaft getrennt, die jetzt<br />
auf <strong>de</strong>r Marinebasis wohnen.“<br />
„Und außer<strong>de</strong>m – hey ihr da, entschuldigt mich jetzt bitte, ihr da öffnet doch mal<br />
doch mal die Kiste.“ Der Hafenmeister ließ sich <strong>de</strong>n Inhalt einer Kiste ausbreiten<br />
bevor sie an Bord <strong>de</strong>r thyrschen Kogge gebracht wer<strong>de</strong>n konnte. Es han<strong>de</strong>lte sich<br />
aber nur um die im weiten Rund <strong>de</strong>s Innenmeeres so beliebten katinschen<br />
handbemalten Gartenelfen aus Ton in reichlich Stroh eingepackt.<br />
Akara trollte sich davon. Auf <strong>de</strong>m Rückweg zur Zwergenkneipe traf sie Summs. Er<br />
erzählte ihr stolz, was er auf <strong>de</strong>m Markt von mehreren Händlern gehört hatte.<br />
„Stell Dir vor Akara“, sagte er lachend, „<strong>de</strong>r Brand <strong>de</strong>r Staatsschiffes von Saas-<br />
Kwaaq ist ein thyrsches Komplott. Ja kuck nicht so verwun<strong>de</strong>rt, ist doch ganz klar.<br />
Schau, <strong>de</strong>r Makor von Saas-Kwaaq hat in seiner neuen Werft so an die zehn große<br />
Schiffe bauen lassen, von <strong>de</strong>nen dies hier eines war. Diese Schiffe sind natürlich<br />
eine Gefahr für die Seeherrschaft von Thyr. Und ist es nicht verdächtig, daß gera<strong>de</strong><br />
jetzt zwei Vertreter <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n Familien aus Thyr hier anwesend sind.“<br />
Jetzt mußte auch Akara grinsen, „Na die eine Vertreterin hast du ja durchaus schon<br />
kenengelernt.“<br />
„Eben“, entgegnete <strong>de</strong>r Gnom und rieb sich genießerisch die Nase. Verträumt<br />
blickte er nach unten auf die große gelbe Rose im Knopfloch seiner<br />
geschmackvollen samtenen Jacke.<br />
Bei ihrer Ankunft in <strong>de</strong>r Kneipe wur<strong>de</strong>n sie bereits gespannt von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
erwartet, die ihnen mitteilten, daß ihre Zimmer in <strong>de</strong>r Abwesenheit durchwühlt<br />
<strong>Band</strong> IV.50
wur<strong>de</strong>n und die Beschreibung <strong>de</strong>s Mannes <strong>de</strong>r sich vorher im Gastraum vergeblich<br />
nach ihnen erkundigt hatte, paßte genau auf <strong>de</strong>n Kumpel dieses verflixten Elfen.<br />
„Verdammte Elfenscheisse“, begann Ozirk wie<strong>de</strong>r zu fluchen und wandte sich an<br />
<strong>de</strong>n Wirt.<br />
„Laßt alle wissen, ich zahle diese fünf Auri hier <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r uns Nachricht bringt wo<br />
<strong>de</strong>r Elf o<strong>de</strong>r sein Kumpel ihr Quartier haben.“ Der Wirt nickte be<strong>de</strong>utsam und wog<br />
die Münzen nach<strong>de</strong>nklich in <strong>de</strong>r Hand. Er schlug Ozirk auf die Schulter und<br />
humpelte zur Küchentür, aus <strong>de</strong>r interessierte Gesichter auf die Hand mit <strong>de</strong>n<br />
Münzen und <strong>de</strong>n merkwürdigen Inselzwerg schauten, <strong>de</strong>r freiwillig sich von gutem<br />
Gold trennte.<br />
„Was steht ihr hier herum, lauft los und erzählt es euren Freun<strong>de</strong>n, aber in einer<br />
Stun<strong>de</strong> seid ihr wie<strong>de</strong>r da“, hörte man ihn aus <strong>de</strong>r Küche rufen.<br />
Mit einer Platte gegrillter Häppchen und einem Krug Zwergenschnaps kam er unter<br />
<strong>de</strong>n beifälligen Rufen <strong>de</strong>r ganzen Gruppe zurück in die Schankstube.<br />
Nach diesem zweiten Frühstück o<strong>de</strong>r sollte man besser verspätetes Mittagsmahl<br />
sagen, ging es auf die Einladung eines Boten erneut zu Helferich. Diesmal mit mehr<br />
als gemischten Gefühlen.<br />
Fast wie schuldbewusste Schüler traten sie vor <strong>de</strong>n Tisch <strong>de</strong>s Hauptmanns.<br />
Er blickt auf und musterte Kelen lang und intensiv, bis sie verlegen zu Bo<strong>de</strong>n<br />
schauen musste. Dann wan<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Blick über die Gruppe bis zu Igor. Dieser hatte<br />
das Gefühl, daß dieser Mensch sein Gesicht durch das Dunkel <strong>de</strong>r Kapuze sehen<br />
konnte, ja, daß sein Blick sich tief durch die Augen brannte, bis in die geheimsten<br />
Gedanken. Der Bastard schüttelte sich und Helferich blickt auf und sprach: „Ihr seid<br />
morgen Abend Gäste bei <strong>de</strong>r Herzogin. Es gibt ein mehrgängiges Essen zu Ehren<br />
<strong>de</strong>s Botschafters von Saas-Kwaaq und seiner glücklichen Errettung. Beginn zur<br />
zehnten Stun<strong>de</strong>.“<br />
Er senkte <strong>de</strong>n Blick wie<strong>de</strong>r auf sein Buch in <strong>de</strong>m er sich Notizen machte. Die<br />
Gefährten blickten sich an. Und warteten.<br />
Da flüsterte <strong>de</strong>r Hauptmann ohne aufzuschauen: „Danke ihr könnt gehen. Ich <strong>de</strong>nke<br />
Daregbos Gresler erwartet euch schon.“<br />
Die sechs drehten sich um und gingen verstört Richtung Tür. Da hörten sie <strong>de</strong>n<br />
Hauptmann noch anmerken: „Ach, Kelen.“ Sie drehte sich um und wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r<br />
vom Blick <strong>de</strong>s Sitzen<strong>de</strong>n festgehalten. „Kelen, kommt bitte mit trockenem<br />
Untergewand, die Herzogin haßt Wasserflecken auf ihren Holzbö<strong>de</strong>n.“<br />
Im Hof angekommen prustete Summs los. „Das war ein Scherz. Der erste <strong>de</strong>n er<br />
gemacht hat.“<br />
„Ja, auf meine Kosten“, meinte die Zauberin.<br />
Igor wun<strong>de</strong>rte sich, wie dieser Mensch doch offenbar alle Fä<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Hand hielt,<br />
<strong>de</strong>nn natürlich nun mussten sie zu Daregbos Gresler, wer konnt ihm mit diesem<br />
Ring <strong>de</strong>nn sonst schon weiterhelfen.<br />
Daregbos Gresler schien sie schon zu erwarten, <strong>de</strong>nn die Torwache seines<br />
Anwesens hieß sie ihm zu folgen. Sie warteten nur kurze Zeit, dann teleportierte<br />
sich <strong>de</strong>r Hofmagier ebenfalls in <strong>de</strong>n Saal, <strong>de</strong>n zumin<strong>de</strong>st Igor und Kelen noch vom<br />
letzten Mal her kannten. Herzlich begrüßte er die sechs Freun<strong>de</strong> und nahm sich<br />
dann <strong>de</strong>s ihm geschil<strong>de</strong>rten Problems an.<br />
Nach <strong>de</strong>m Wirken einiger Zauber aus <strong>de</strong>m Erkenntniskreis, bat er sie doch<br />
mitzukommen und teleportierte die ganze Gruppe in einen Raum im Turm <strong>de</strong>r<br />
offensichtlich für Versuche benutzt wur<strong>de</strong>. Sie stan<strong>de</strong>n um eien großen Tisch<br />
<strong>de</strong>ssen Platte aus einem einzigen Stück harten schwarzen vulkanischem Gestein<br />
<strong>Band</strong> IV.51
zu sein schien. Von seinem ob <strong>de</strong>r vielen Besucher etwas verschüchtert wirken<strong>de</strong>m<br />
Gehilfen ließ er sich nacheinan<strong>de</strong>r zwei Bücher reichen, murmelte kopfschüttelnd in<br />
seinen Bart. Dann ließ er sich eine Spruchrolle und ein kleines Kästchen bringen,<br />
memorierte geübt <strong>de</strong>n dort nie<strong>de</strong>rgeschriebenen Spruch und klopft dabei mit einem<br />
aus <strong>de</strong>m Kästchen genommenen kleinen Silberhammer gegen <strong>de</strong>n Ring.<br />
Auf sein Nicken konnte Igor ihn abziehen. Nun lag er klein und harmlos auf <strong>de</strong>m<br />
Tisch vor ihnen.<br />
Wie <strong>de</strong>r Magier ihnen erklärte, waren zwei Zauber auf <strong>de</strong>n Ring gelegt wor<strong>de</strong>n, als<br />
erstes <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r das Abziehen verhin<strong>de</strong>rte und als zweites ein Alarmzauber, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
Erschaffer auf Kommando <strong>de</strong>n Ort <strong>de</strong>s Ringes verrät.<br />
Nach kurzer Beratung gaben sie <strong>de</strong>m Wunsch Daregbos Greslers nach, und<br />
überließen ihm <strong>de</strong>n Ring für weitere Versuche. Wollte er doch herausfin<strong>de</strong>n, ob er<br />
eine Spur zurück zu <strong>de</strong>m Erschaffer <strong>de</strong>s Ringes aufspüren könne.<br />
Ferner schlug er vor eine Kopie dieses Rings anzufertigen, also genauer gesagt<br />
eine Kopie <strong>de</strong>r Kopie <strong>de</strong>s machtvollen Ringes <strong>de</strong>n Igor so vermißte.<br />
Die neue Kopie sollte <strong>de</strong>n Träger warnen, wenn <strong>de</strong>r Erschaffer <strong>de</strong>r alten Kopie<br />
versuchen sollte <strong>de</strong>n Alarmzauber auszulösen.<br />
Der Hofmagier ließ sich hierzu von seinen Gehilfen erst einen Ring bringen <strong>de</strong>n er<br />
mit einem ausgefeilten Verwandlungszauber in eine äußerliche Kopie <strong>de</strong>s<br />
Ausgangsringes verwan<strong>de</strong>lte, dann belegte er ihn mit einem auf <strong>de</strong>n dort<br />
verwen<strong>de</strong>ten Alarmzauber abgestimmten eigenen Alarmzauber.<br />
Dieser wird nach seiner Aussage ein leichtes Kribbeln im Finger verursachen.<br />
Überschwenglich bedankte sich die Gruppe bei diesem so hilfsbereiten und<br />
mächtigen Magier. Beschei<strong>de</strong>n wehrte dieser ab und bemerkte wie<br />
selbstverständlich für ihn diese Hilfe doch war. Er teleportierte sich mit ihnen noch<br />
in <strong>de</strong>n Hof, ja begleitete sie noch bis zur Tür und wünschte ihnen einen schönen<br />
Nachmittag und einen anregen<strong>de</strong>n Abend morgen in <strong>de</strong>r Gesellschaft <strong>de</strong>r Herzogin.<br />
Tief beeindruckt von <strong>de</strong>r Person und <strong>de</strong>m Wissen <strong>de</strong>s Magiers traten sie <strong>de</strong>n<br />
Rückweg an. Hier hatten sie nun aber wirklich einen uneigennützigen und ehrlichen<br />
Freund gefun<strong>de</strong>n. Nur Igor bewahrte sich eine kräftige Spur Mißtrauen, nicht nur<br />
das dies bastar<strong>de</strong>igen wäre, auch seine prägen<strong>de</strong>n Jugen<strong>de</strong>rfahrungen bezüglich<br />
mächtiger Magier ließen ihn keinesfalls in die Vertrauenseligkeit <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
einstimmen, aber auch er mußte <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zustimmen, daß sie von diesem doch<br />
so mächtigen Manne bisher nur Gutes erfahren hatten.<br />
Der Abend sah Leros, Akara und Summs auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m ihnen<br />
empfohlenen Restaurant durch die Stadt in Richtung Herzogspalast schlen<strong>de</strong>rn. Die<br />
Magier bevorzugten <strong>de</strong>n Abend zum Studium zu nutzen, wohingegen Ozirk sich in<br />
<strong>de</strong>r Zwergengesellschaft ausreichend wohl fühlte. Den drei Nachtschwärmern stand<br />
heute <strong>de</strong>r Sinn nach höheren Genüssen, sollte doch das Gol<strong>de</strong>ne Lamm die beste<br />
Küche <strong>de</strong>r Stadt haben. So erzählte <strong>de</strong>r Gnom bereits auf <strong>de</strong>m Weg von<br />
kulinarischen Gaumenkitzlern die er in an<strong>de</strong>ren Städten kennengelernt hatte. Leros<br />
war wie<strong>de</strong>r einmal beeindruckt, ob <strong>de</strong>r weltmännischen Art <strong>de</strong>s vielgereisten<br />
Gnoms. Akara konnte hingegen ein Grinsen nur mühsam unterdrücken.<br />
Das vergol<strong>de</strong>te im Abendwind leicht schaukeln<strong>de</strong> Lamm an <strong>de</strong>r Hauswand zeigte<br />
ihnen von weitem ihr Ziel an.<br />
Die Eintreten<strong>de</strong>n waren überwältigt ob <strong>de</strong>r gewählten Ausstattung <strong>de</strong>s Lokals.<br />
Rechts eine lange Theke aus dunklen poliertem Holz hinter <strong>de</strong>r ein Angestellter in<br />
weissem Hemd und roter Weste eifrig ein Glas polierte, davor mehrere hohe<br />
<strong>Band</strong> IV.52
hölzerne Schemel mit rotem Le<strong>de</strong>rbezug von <strong>de</strong>nen zwei besetzt waren.<br />
Gera<strong>de</strong>aus die Hauptfläche in <strong>de</strong>nen Tische unterschiedlicher Größe stan<strong>de</strong>n, zum<br />
Teil besetzt, zumTeil auf Besucher wartend. Der Gnom grüßte die Gäste die ihren<br />
Blick im zuwandten, einige kamen ihm auch bekannt vor, vielleicht vom Empfang<br />
bei <strong>de</strong>r Herzogin. Ja und da erblickten seine Augen auch Carina von Limur und<br />
ihren Exgladiator Rorik, sie hatte ihn ebenfalls erkannt und winkte herüber, worauf<br />
sich eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit ihrem Begleiter anschloß.<br />
Von <strong>de</strong>m Geschehen abgelenkt hatte nicht mitbekommen, daß Akara sich bei <strong>de</strong>m<br />
an sie herantreten<strong>de</strong>n Ober für eine <strong>de</strong>r linker Hand liegen<strong>de</strong>n Wandnischen<br />
entschie<strong>de</strong>n hatte. Eilig schritt er seinen Freun<strong>de</strong>n hinterher. Die Nische war ein<br />
vorne abgeschnittenes Oval mit umlaufen<strong>de</strong>r Sitzbank und hätte wohl auch sechs<br />
Personen Platz geboten. Die Sitzkissen waren natürlich farblich passend zu <strong>de</strong>m<br />
auf <strong>de</strong>m Tisch liegen<strong>de</strong>n Tuch und <strong>de</strong>m niedrigen Blumengesteck. Ein vierarmiger<br />
kerzenbestückter Leuchter spen<strong>de</strong>te reichliches aber angenehmes Licht.<br />
Ein schwerer roter Vorhang machte es möglich die Nische auch von <strong>de</strong>m Gastraum<br />
abzutrennen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Weine und Speisen war <strong>de</strong>r Gnom wie<strong>de</strong>r ganz in seinem<br />
Element. Das wichtigste war natürlich sich nicht beeindrucken zu lassen und über<br />
die Abwesenheit von Preisangaben nicht zu stolpern. Natürlich war <strong>de</strong>r ihm<br />
empfohlene Wein nicht gut genug, aber bald war diese Hür<strong>de</strong> doch genommen und<br />
auch in <strong>de</strong>r Speisenfolge schaffte er es dann schließlich sich mit <strong>de</strong>m Ober zu<br />
verständigen. Dieser kam bald wie<strong>de</strong>r mit einem silbernen Weinkrug, einem Satz<br />
Gläser und frischgebackenem Brot zurück. Angeregt unterhielten sich die drei über<br />
ihre jüngsten Erlebnisse. Der erste Gang mit kräftiger Fischsuppe lenkte das<br />
Gespräch wie selbstverständlich auf ihre Reisen zur See. Der kleine Zwischengang<br />
mit kandierten Pinienkernen auf sahnigem Feigenmuss wies bereits auf <strong>de</strong>n<br />
kommen<strong>de</strong>n Wildgang. Die Stücke von einjahrigen Wildschweinen waren so wie<br />
angekündigt, innen ganz zart unter knuspriger Honigkruste. Ein kräftiger Rotwein<br />
run<strong>de</strong>te gekonnt das Geschmackserlebnis ab. Ein kleiner fast gefrorener<br />
Limonentrink mit reichlich Alkohol darin bereitete dann auf das leicht in<br />
Orangensosse gegarte Geflügel vor. Wohlig seufzte <strong>de</strong>r Gnom und ließ <strong>de</strong>n danach<br />
gereichten klaren Tresterbrand die Kehle hinabrollen. Dann zog er sein Wams<br />
zurecht und machte sich auf <strong>de</strong>n Weg zum heymlichen Gemach. Unterwegs hatte<br />
er wie<strong>de</strong>r tiefen Blickkontakt zu Carina, sie lächelte ihm zu und fuhr genießerisch<br />
mit <strong>de</strong>r Zunge über ihre vollen Lippen, bevor sie genußvoll einen Löffel Sahnecreme<br />
ausschleckte. Freundlich lächelnd aber innerlich <strong>de</strong>n Kopf schüttelnd stieg er die<br />
Treppe ins Untergeschoß hinab. Dort mußte er sich in <strong>de</strong>r unsicheren Beleuchtung<br />
kurz orientieren ging dann <strong>de</strong>n Gang entlang an mehreren Türen vorbei und fand<br />
schließlich die durch ein ausgeschnittenes Männchen gekennzeichnete Türe.<br />
Dahinter war eine Waschschüssel mit einem Krug Wasser und einem kleinen aber<br />
echten Spiegel an <strong>de</strong>r Wand, <strong>de</strong>r gesuchte Lokus war hinter einer Brettertür. Er<br />
nestelte eben bereits an seinem Gürtel und langte an <strong>de</strong>n Griff <strong>de</strong>r Tür, da fiel die<br />
hinter ihm liegen<strong>de</strong> laut ins Schloß und zwei Hän<strong>de</strong> griffen nach ihm.<br />
Er drehte sich um und wur<strong>de</strong> von Carina an ihren von leichter Sei<strong>de</strong> nur<br />
unzureichend be<strong>de</strong>ckten Körper gepreßt. Sie flüsterte mit heiserer Stimme wie sehr<br />
sie auf diesen Moment gewartet hat. Da hatte auch Summs seine Überraschung<br />
überwun<strong>de</strong>n und ließ seine geübten Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>s kunstvoll<br />
überschlagenen Sei<strong>de</strong>ntuches folgen, bis er mit einer Hand mit kleinen Kreisen <strong>de</strong>m<br />
Verlauf ihrer Wirbel folgen konnte. Wohingegen die an<strong>de</strong>re einer kleinen<br />
Flaumfe<strong>de</strong>r gleich die Innenseite ihrer mit feinen hellen Härchen besetzten<br />
Oberschenkel erkun<strong>de</strong>te. Er spürte wie ihre Knie zu Zittern begannen und sie ihn<br />
<strong>Band</strong> IV.53
mit einem Stöhnen an sich preßte. Inzwischen hatte sein Harndrang einem an<strong>de</strong>ren<br />
Drang Raum gegeben, was von <strong>de</strong>n suchen<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n Carinas aufs freudigste<br />
begrüßt wur<strong>de</strong>.<br />
Akara und Leros hatten durch das Auftragen <strong>de</strong>r Gemüseterrine a´la Soled, mit<br />
reichlich Schafskäse und Auberginen nicht mitbekommen, daß Carina ihrem kleinen<br />
Freund gefolgt war. So zeigten sie sich verwun<strong>de</strong>rt, daß er auch beim<br />
Zwischengang aus Olivenbrot mit gesalzener Butter nicht zurückwar. Erst <strong>de</strong>r<br />
gefüllte Octopus sah Summs wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Tisch treten. Irgendwie hatte er in <strong>de</strong>n<br />
Knien einen etwas weichen Gang und hievte sich mit hörbarem Aufseufzen auf das<br />
Polster hoch. Die bei<strong>de</strong>n schauten ihn fragend an doch er zuckte nur mit <strong>de</strong>n<br />
Achseln, grinste verschwörerisch und machte sich über das leckere Meeresgetier<br />
her.<br />
Mit einer Auswahl an Süßem neigte sich die Speisenfolge nun auch <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> zu,<br />
da setzte sich Carina mit einem Krug feinsten thyrschen Weins und freundlichem<br />
Lächeln zu ihnen. Schnell drehte sich das Gespräch um Akara und die Göttin<br />
Aphrodite. Zu <strong>de</strong>r Carina, wie sie bekannte, auch starke Affinität verspürte. Summs<br />
verspürte eher ihre Zehen seinen Unterleib massieren.<br />
Die seinen waren lei<strong>de</strong>r zu kurz um unter <strong>de</strong>m Tisch durchzureichen, so musste er<br />
sich begnügen ihre schlanke Fessel mit seinen Fingerspitzen zu liebkosen.<br />
Der Ober brachte eine Platte mit verschie<strong>de</strong>nen Käsesorten <strong>de</strong>r Region und fragte<br />
ob auch alle zufrie<strong>de</strong>n seien, allgemeines sattes Nicken war die Antwort, nur Carina<br />
ließ sich vernehmen, daß ein bißchen was doch wohl immer noch ginge und<br />
lächelte <strong>de</strong>n Gnom verführerisch an. Worauf Akara nun doch bemerkte, daß hier<br />
etwas im Busch war und fragte wie es <strong>de</strong>nn um die bei<strong>de</strong>n stehe, worauf Summs<br />
leicht errötend etwas von „na so zwei zu sieben“ mumelte und Carina ergänzte, „ich<br />
arbeite noch daran“.<br />
Alle lachten, auch Leros <strong>de</strong>r nicht so genau wußte um was es ging.<br />
Sie wies dann die drei daraufhin, daß hier <strong>de</strong>r Botschafter von Saas-Kwaaq öfters<br />
speiste. Worauf Summs beim anschließen<strong>de</strong>n Begleichen <strong>de</strong>r Rechnung von<br />
horren<strong>de</strong>n zweiundfünfzig Auri, dies verschlug Leros buchstäblich die Sprache, <strong>de</strong>n<br />
Ober bat, ihm doch Bescheid zu geben so <strong>de</strong>r Botschafter hier speisen wür<strong>de</strong>, da er<br />
diesen so gerne kennenlernen wür<strong>de</strong>.<br />
Satt und Matt machte sich die Gruppe mit einem grummeln<strong>de</strong>n und angetrunkenen<br />
Leibwächter im Schlepptau auf <strong>de</strong>n Weg und selbstverständlich brachten sie Carina<br />
noch bis an die Tüpr ihres angemieteten Hauses.<br />
Nach herzlicher Verabschiedung wankten sie dann heimwärts ihren warten<strong>de</strong>n<br />
Strohsäcken entgegen.<br />
Als sie zum Frühstück in <strong>de</strong>r Zwergenkneipe einliefen, wartete <strong>de</strong>r Wirt bereits<br />
höchst aufgeregt auf sie.<br />
„Wir haben ihn“, rief er ihnen entgegenhumpelnd aus. „Er ist im Südtorviertel in <strong>de</strong>r<br />
´Karawane´abgestiegen.“<br />
„Na dann laßt uns mal ausgiebig frühstücken“, gab <strong>de</strong>r Gnom in Erinnerung an die<br />
bei Fulrad gelernte Lektionen zurück. „Und erzählt uns dabei was ihr und eure<br />
Informanten herausgefun<strong>de</strong>n habt.“<br />
Verwun<strong>de</strong>rt über diese zurückhalten<strong>de</strong> Reaktion ließ <strong>de</strong>r Wirt das Frühstück<br />
hereinbringen und setzte sich dann zu ihnen. So erfuhren sie, daß bereits gestern<br />
abend eine erste Spur aufgenommen wor<strong>de</strong>n war und heute morgen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Kumpel <strong>de</strong>s Elfen tatsächlich gesehen, wie er nach einigen Besorgungen auf <strong>de</strong>m<br />
Markt wie<strong>de</strong>r in sein Quartier zurückging.<br />
„Na dann packen wir das doch an“, meinte mit überlegener Miene Summs und<br />
<strong>Band</strong> IV.54
stand seinen Teller zurückschiebend gemächlich auf.<br />
„Gut“, meinte Leros. „fünf Minuten Ausrüstung holen, dann wie<strong>de</strong>r hier zum<br />
Abmarsch.“ Alle brachen auf, alle? Nein, Igor blieb nach<strong>de</strong>nklich sitzen. Hatte es<br />
doch bereits seine Sprüche memoriert. So ganz sicher war sich <strong>de</strong>r Bastard auch<br />
nicht mehr ob diese Aktion wirklich etwas bringen wür<strong>de</strong>, immerhin war doch<br />
offensichtlich bereits <strong>de</strong>r Botschafter von Saas-Kwaaq im Besitz <strong>de</strong>s Rings und<br />
Helferich sah einem Kampf in <strong>de</strong>r Stadt sicher nicht gern.<br />
Seufzend stemmte er sich an <strong>de</strong>r Tischplatte hoch als die an<strong>de</strong>ren lärmend und<br />
Waffenscheppernd von ihrem Quartier zurückkamen.<br />
Gemeinsam machten sie sich auf <strong>de</strong>n Weg zum Südtor, wobei sie natürlich<br />
versuchten unauffällig auszusehen. Immerhin, Schil<strong>de</strong>r und Spieße hatten sie<br />
zuhause gelassen. Die „Karawane“ lag an <strong>de</strong>r Hauptstrasse die vom Südtor in<br />
Richtung Brücke führte. Wie in Katin üblich zeigte sie zur Strasse nur eine<br />
abweisen<strong>de</strong> Fassa<strong>de</strong> mit wenigen Fensteröffnungen in <strong>de</strong>n oberen Geschoßen. Der<br />
Eingang war vom Innenhof aus, im breiten Durchgang in <strong>de</strong>nselben war ein kleiner<br />
Nebeneingang, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Geklepper aus <strong>de</strong>m danebenliegen<strong>de</strong>n vergitterten Fenster<br />
nach zu urteilen wohl in die Küche führte. Im Hintergebäu<strong>de</strong> waren Stallungen, die<br />
aber nur teilweise belegt waren. Igor <strong>de</strong>r Mühe hatte <strong>de</strong>n ihrem Ziel<br />
entgegenstreben<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n zu folgen, wollte eben um eine Taktik nachfragen,<br />
da meinte Leros: „Also auf greifen wir uns das Schwein“, und betrat als erster die<br />
Gaststube, hinter ihm drängten sich schon Summs und Ozirk. Summs rief eben<br />
nach ganz hinten <strong>de</strong>utend, „Da ist er“, da war <strong>de</strong>r Mensch auch schon<br />
aufgesprungen und riß die Tür hinter sich auf. „Halt, stehenbleiben“, rief Leros und<br />
eilte quer durch <strong>de</strong>n Raum in Richtung Tür, gefolgt von <strong>de</strong>r ganzen Mannschaft.<br />
Der Wirt, <strong>de</strong>r zunächst meinte, gegen diese frem<strong>de</strong>n Randalierer einschreiten zu<br />
müssen, gab dieses Vorhaben spätestens bei Igor auf, <strong>de</strong>r wie üblich als letzter<br />
durch die Tür humpelte.<br />
Leros riß die Tür auf, das gezogenen Schwert in <strong>de</strong>r Hand, da sah er einen<br />
Wurfdolch auf sich zu fliegen. Sein Ausweichversuch en<strong>de</strong>te an <strong>de</strong>m hinter ihm<br />
heran drängeln<strong>de</strong>n Ozirk. Erstaunt sah er <strong>de</strong>n Dolch in seinem instinktiv zur Abwehr<br />
erhobenem Unterarm stecken und fühlte eine Taubheit <strong>de</strong>n Arm hoch klettern. Er<br />
taumelte nach vorne, sein Schwert war ihm zu schwer und fiel klirrend zu Bo<strong>de</strong>n, da<br />
gaben auch die schwergewor<strong>de</strong>nen Beine nach, und er sackte wie ein leerer Sack<br />
in sich zusammen. Die Spitze eines zweiten Dolches scharrte mit einem<br />
unangenehmen Geräusch über Ozirks Brustpanzer, da hatte auch Summs mit<br />
einem Wurf geantwortet. Ein Schrei zwischen Schmerz und Wut war die Antwort<br />
und die Gestalt verschwand die Treppe nach oben. Hinterher. Leichtfüßig sprang<br />
<strong>de</strong>r Gnom die steile Holzstiege hinauf gefolgt vom Zwerg und Kelen, Akara kniete<br />
besorgt bei Leros nie<strong>de</strong>r, winkte dann aber <strong>de</strong>n sie fragend anblicken<strong>de</strong>n Bastard<br />
weiter.<br />
Humpel-schlurf, Treppen, Humpel-Schlurf, dachte dieser, Humpel-Schlurf<br />
Verfolgungsjagd auf Treppen, Humpel-Schlurf, meine Spezialität! Humpel-Schlurf!<br />
Oben schaute Summs vorsichtig aus <strong>de</strong>m Treppenloch, doch <strong>de</strong>r Gegner war<br />
schon weitergerannt, ja schon auf <strong>de</strong>m nächsten Lauf ins nächste Geschoß, <strong>de</strong>r<br />
Gnom verfluchte seine kurzen Beine. Im Flur auf <strong>de</strong>m Weg zur Treppe überholte<br />
Kelen <strong>de</strong>n schweratmen<strong>de</strong>n Zwerg und war nun kurz hinter <strong>de</strong>m Gnom. Dieser<br />
machte oben wie<strong>de</strong>r langsamer, sah aber in diesem Flur die Tür an <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong><br />
zuschlagen. Er eilte darauf zu, die Magierin hinter ihm, er stieß die Tür auf, da flog<br />
von einer auf <strong>de</strong>m Tisch montierten Armbrust ein Bolzen auf ihn zu. Der Tisch war<br />
vor das offenstehen<strong>de</strong> Fenster geschoben. Er spürt <strong>de</strong>n Lufthauch als dieser<br />
Bolzen über ihn hinwegzischte und sich Putzspritzer versprühend in die Wand<br />
<strong>Band</strong> IV.55
hinter ihm bohrte. Nicht schon wie<strong>de</strong>r entkommen, dachte er noch als er zum<br />
Fenster eilte an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Vorhang sich in <strong>de</strong>r Morgenbrise leicht bauschte. Er zog<br />
einen Dolch um diesen vielleicht hinter einem Flüchten<strong>de</strong>n herwerfen zu können.<br />
Kelen die eben zu ihrem Glück nicht direkt hinter ihm gestan<strong>de</strong>n hatte, folgte ihm in<br />
<strong>de</strong>n Raum, da hörte sie ein leises Geräusch hinter sich, hinter <strong>de</strong>r offenen Türe.<br />
„Eine Falle durchzuckte es ihr Gehirn und sie versucht sich zur Seite zu werfen, da<br />
sah sie auch schon aus <strong>de</strong>n Augenwinkeln ein blitzen<strong>de</strong>s Schwert auf sich<br />
herunterrasen und ein furchtbarer Schmerz durchzuckte ihre linke Schulter. Mit<br />
einem lauten Schrei fiel sie zu Bo<strong>de</strong>n. Summs wirbelte herum und ließ <strong>de</strong>n<br />
bereitgehaltenen Dolch auf <strong>de</strong>n Angreifer zufliegen. Dessen Ausweichversuch war<br />
bei <strong>de</strong>r kurzen Entfernung und <strong>de</strong>r Enge <strong>de</strong>s Raumes vergeblich. Sein lautes<br />
Fluchen hallte von <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r, dann krachten das Kurzschwert <strong>de</strong>s Gnom<br />
und das Langschwert <strong>de</strong>s Menschen aneinan<strong>de</strong>r. Wohl war dieser geübt mit seinem<br />
Schwert aber wie Summs schnell merkte nicht gegen kleinere Gegner. So schaftte<br />
er es <strong>de</strong>ssen Abwehr zweimal zu unterlaufen und ihm schmerzhafte Wun<strong>de</strong>n<br />
beizufügen. Vielleicht hätte es Ozirks Auftauchen gar nicht bedurft, doch Summs<br />
war schon froh als er ihn hammerschwingend angreifen sah. Schnell war nun <strong>de</strong>r<br />
Kampf zu En<strong>de</strong> und die bei<strong>de</strong>n kümmerten sich besorgt um Kelen. Sie riefen nach<br />
Akara, die eilig die Treppe heraufgerannt kam und sich besorgt um Kelens schwere<br />
Wun<strong>de</strong>n kümmerte.<br />
„Arme Kelen“, murmelte sie. „Immer trifft es dich“. Der hohe Bluverlust machte sie<br />
wirklich besorgt aber mit <strong>de</strong>r Hilfe <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren schaffte sie es <strong>de</strong>n Zustand<br />
zu stabilisieren, so daß Zeit gegeben war die Aphrodite um die Gunst <strong>de</strong>s Heilens<br />
zu bitten.<br />
Bis die vom Wirt alarmierte Stadtwache eintraf hatten Igor und Summs bereits mit<br />
geübter Routine die Leiche und <strong>de</strong>n Raum geplün<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>r Gnom bevorzugte<br />
allerdings <strong>de</strong>n Ausdruck „aktive nachhaltige Beobachtung“. Angeblich eine elfische<br />
Technik wie er <strong>de</strong>r kritischen Akara versuchte zu erklären, diese wür<strong>de</strong>n das ein<br />
„sustainable active scanning“ nennen, so behauptete er zumin<strong>de</strong>st. Auch wenn dies<br />
<strong>de</strong>m um Kelen besorgten Zwerg nur ein verächtliches Schnauben entlockte.<br />
Akara hatte inzwischen erkannt, daß auch Kelen wie Leros zusätzlich zu <strong>de</strong>r<br />
ernsten Wun<strong>de</strong> noch von <strong>de</strong>r Wirkung eines lähmen<strong>de</strong>n Blutgiftes auf <strong>de</strong>r Waffe<br />
betroffen war. Diese Information ließ die bei<strong>de</strong>n Stöbern<strong>de</strong>n sehr viel vorsichtiger<br />
mit <strong>de</strong>n vielen Wurfpfeilen und sonstigen Waffen <strong>de</strong>s Toten umgehen.<br />
Schnell hatte <strong>de</strong>r Bastard festgestellt, daß zwei magische Gegenstän<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n<br />
Besitztümmern waren. Ein kleiner silberner Ring mit <strong>de</strong>r Rune <strong>de</strong>s Schützens und<br />
<strong>de</strong>r Dolch <strong>de</strong>s Mannes <strong>de</strong>n er in einer reichgeschmückten Schei<strong>de</strong> noch am Gürtel<br />
trug. Ein kleiner Salbentiegel und ein Flakon mit klarer aber unangenehm stechend<br />
riechen<strong>de</strong>r Flüssigkeit gaben Rätsel auf. Gegengift? Nun vielleicht, das wür<strong>de</strong>n sie<br />
ein an<strong>de</strong>rmal klären. Schnell fan<strong>de</strong>n auch das schwarze Sei<strong>de</strong>nseil mit Klapphaken,<br />
das elfische Diebeswerkzeug (<strong>de</strong>s wie<strong>de</strong>r verpassten Elfen?) im zweiten Bün<strong>de</strong>l<br />
und die bei<strong>de</strong>n Tarnponchos Abnehmer. Und natürlich wur<strong>de</strong> auch das durch das<br />
Ableben <strong>de</strong>s Besitzers immobilisierte Bargeld schnell in <strong>de</strong>n örtlichen<br />
Wirschaftskreislauf rückgeführt.<br />
Von <strong>de</strong>r reichlich eingetroffenen Stadtwache wur<strong>de</strong>n sie aufs Wachlokal geleitet.<br />
Der diensthaben<strong>de</strong> Sergeant erklärte, daß er <strong>de</strong>n schon wie<strong>de</strong>r randalieren<strong>de</strong>n<br />
E<strong>de</strong>lzuckerpüppchen <strong>de</strong>r Herzogin gegenüber natürlich nie <strong>de</strong>n Ausdruck<br />
„abführen“ gebrauchen wür<strong>de</strong>.<br />
Igor saß still in <strong>de</strong>r Ecke auf <strong>de</strong>r Bank und beteiligte sich nicht am allgemeinen<br />
<strong>Band</strong> IV.56
Palaver und <strong>de</strong>m lautstarken Aussagen aufnehmen. Es fühlte sich so leer und die<br />
gera<strong>de</strong> stattgefun<strong>de</strong>n Aktion verstärkte dieses Gefühl nur noch. Denn die gewählte<br />
Vorgehensweise kam ihm so im Nachhinein nicht gera<strong>de</strong> sehr professionell vor.<br />
Wie<strong>de</strong>r war viel Glück notwendig, daß sie nicht einen <strong>de</strong>r Gefährten begraben<br />
mußten. Es seufzte, hoffentlich ist nicht irgendwann alles Glück aufgebraucht.<br />
Als nun Helferich auftauchte und diese Angelegenheit als eine <strong>de</strong>r nationalen<br />
Sicherheit bezeichnete und sie von <strong>de</strong>r harten Wartebank erlöste, bei <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Verwun<strong>de</strong>ten war die Lähmung nun auch schon abgeklungen, fühlte sich <strong>de</strong>r<br />
Wachhaben<strong>de</strong> in seiner gefassten Meinung natürlich mehr als bestätigt.<br />
Der Hauptmann verzichtete darauf ihnen eine Szene zu machen aber er schickte<br />
sie in ihre Kneipe und wenn sie vor <strong>de</strong>m Abholen am Abend noch einmal die Nase<br />
raustecken sollten gäbe er persönlich ihnen eine drauf.<br />
<strong>Band</strong> IV.57
Das Bankett<br />
Am Abend kamen zwei herzogliche Wachen um die ganz in Festtagsdress<br />
gewan<strong>de</strong>te Gruppe abzuholen.<br />
Gehorsam folgten sie ihnen zum Palast, zu Helferich, und diesem in <strong>de</strong>n Thronsaal,<br />
in <strong>de</strong>m schon eine größere Menschenmenge in lockerem Gespräch beisammen<br />
stan<strong>de</strong>n.<br />
Viele bekannte Gesichter schauten ihnen entgegen, Grüße wur<strong>de</strong>n gewechselt, und<br />
schnell hatten sie ein Glas gekühlten Weißwein in <strong>de</strong>r Hand als gelungener Aperitif<br />
an diesem warmen Frühsommerabend. Schnell stellten sie fest, daß <strong>de</strong>r Brand<br />
noch immer Gesprächsthema war, hart gefolgt von dieser Messerstecherei mit<br />
To<strong>de</strong>sfolge am Südtor und <strong>de</strong>r neuen Frisur <strong>de</strong>r Herzogin. Diese soll angeblich<br />
nach <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Hofmo<strong>de</strong> in Saas-Kwaaq gerichtet sein.<br />
Die Herzogin erschien nach einiger Zeit mit <strong>de</strong>m überaus gutgelaunten Botschafter<br />
am Arm und <strong>de</strong>n sich angeregt unterhalten<strong>de</strong>n Michel von Lind und Fedor im<br />
Schlepptau.<br />
„Na toll“, dachte <strong>de</strong>r Bastard, „dicke Freun<strong>de</strong> sind sie wohl schon. Hoffentlich<br />
wer<strong>de</strong>n die Schiffsbrandstifter nicht auf <strong>de</strong>m Altar dieser Freundschaft geopfert.“<br />
Es bemerkte, daß Daregbos Gresler nicht anwesend war, dies verwun<strong>de</strong>rte ihn<br />
doch sehr, aber als seine dunkelgewohnten Augen in <strong>de</strong>r Schwärze <strong>de</strong>s<br />
Dachoberlichtes eine Bewegung warnahm, war klar wo dieser sein könnte.<br />
Die Gesellschaft nahm ihre mit Platzkärtchen gekennzeichneten Plätze ein. Die <strong>de</strong>r<br />
Gefährten lagen, ihrer Wichtigkeit angemessen, eher an <strong>de</strong>n unteren En<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Uförmigen<br />
Tafel.<br />
Nach<strong>de</strong>m alle saßen und mit Getränken versehen waren gab die Herzogin <strong>de</strong>n<br />
Anlaß <strong>de</strong>s Essens bekannt. Alle tranken auf das Wohl <strong>de</strong>r Gesandschaft. Der<br />
Botschafter bedankte sich für die herzliche Gastfreundschaft und die tatkräftige<br />
Hilfe vieler Bürger beim Löschen. Dies löste Applaus und reichliche Zuprosten aus.<br />
Dann wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r erste Gang aufgetragen. Nach diesem gab es eine Pause in <strong>de</strong>r<br />
alle aufstan<strong>de</strong>n, sich an einem seitlichen Tische ein Getränk nahmen und reichlich<br />
Neuigkeiten austauschten. Während<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n neue Teller aufgetragen und<br />
neuer zum nächsten Gang passen<strong>de</strong>r Wein ausgeschenkt.<br />
Da spürte Igor ein Kribbeln an seinem Ringfinger, jemand versuchte also<br />
herauszubekommen, ob <strong>de</strong>r Dieb <strong>de</strong>s gefälschten Ringes anwesend war.<br />
Unauffällig schlen<strong>de</strong>rte es zu Akara hinüber, die mit Michel von Lind im Gespräch<br />
war. Dabei suchte es mit seinen Augen die Umstehen<strong>de</strong>n nach verdächtigen<br />
Personen ab, aber ohne Erfolg. Nun vielleicht war <strong>de</strong>r Hofmagier mit <strong>de</strong>m Blick von<br />
oben erfolgreicher.<br />
Nach<strong>de</strong>m es Akara aus <strong>de</strong>n Klauen Michels erlöst hatte, berieten sie sich wann<br />
<strong>de</strong>nn wohl ein geeigneter Zeitpunkt für einen Diebstahlversuch sein könnte.<br />
Sie einigten sich auf die vorletzte Unterbrechung <strong>de</strong>r Gangfolge. Vorher war<br />
herauszufin<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Botschafter <strong>de</strong>n fraglichen Ring am Finger hatte.<br />
Sie trennten sich und schlen<strong>de</strong>rten in unterschiedliche Richtungen davon um <strong>de</strong>n<br />
An<strong>de</strong>ren Bescheid zu geben.<br />
So hatten sie, außer vielleicht <strong>de</strong>m Gnom, kaum <strong>de</strong>n Nerv das Essen wirklich zu<br />
genießen. Dieser war inzwischen auch von Carina ent<strong>de</strong>ckt wor<strong>de</strong>n. Sie hatte ihn<br />
auch bereits auf die Stufen vor <strong>de</strong>n Saal gezogen und reagierte auf die Ankunft <strong>de</strong>s<br />
Bastards mehr als ungehalten, zum Glück wur<strong>de</strong> zum nächsten Gang gela<strong>de</strong>n.<br />
Kelen brachte bei <strong>de</strong>r nächsten Pause die Nachricht, daß <strong>de</strong>r Botschafter zwei<br />
Ringe trüge. So bereitete Summs sich dann auf die Aktion vor. Igor kam diesmal<br />
nicht in Frage, da doch <strong>de</strong>r Verdacht sicher gleich auf ihn gefallen wäre.<br />
<strong>Band</strong> IV.58
So ließ Akara sich vom Botschafter scherzend in <strong>de</strong>n Arm nehmen und <strong>de</strong>r Gnom<br />
tauschte <strong>de</strong>n an seiner rechten Hand befindlichen Ring gekonnt gegen einen<br />
mitgebrachten aus, dann schlen<strong>de</strong>rte er zu Ozik und drückte ihn diesem in die<br />
Hand. Unauffällig musterte dieser ihn im Schein einer Wandlampe, ein schmaler<br />
gol<strong>de</strong>ner Ring lag in seiner kräftigen Schmie<strong>de</strong>hand.<br />
Aufmerksam beobachtete er die Gesellschaft, und sah <strong>de</strong>n Botschafter mit Fedor<br />
heftige Worte austauschen. Hat er <strong>de</strong>n Diebstahl schon bemerkt?<br />
Sein schweifen<strong>de</strong>r Blick sah von <strong>de</strong>n Gruppenmitglie<strong>de</strong>rn mehr als nervöse Blicke.<br />
Dies war nicht einfach ein Diebstahl, son<strong>de</strong>rn ein höchst kompromittieren<strong>de</strong>r<br />
politischer Zwischenfall. Sollte <strong>de</strong>r Botschafter jetzt und hier öffentlich Anklage<br />
erheben und er mit <strong>de</strong>m Ring angetroffen wer<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong>n wohl keine vergangenen<br />
Verdienste seinen Hals retten. Prüfend wog er <strong>de</strong>n Ring in <strong>de</strong>r Hand, da dieser wohl<br />
nicht <strong>de</strong>r Gesuchte war, war es das Risiko nicht wert. So ergriff er die Gelegenheit<br />
eines Blickkontakts mit <strong>de</strong>r Herzogin, ging gemessenen Schrittes auf sie zu, und<br />
bedankte sich in steifer Zwergensitte mit holprigem Handkuß bei ihr für diese<br />
Einladung. Dabei ließ er gekonnt <strong>de</strong>n Ring in ihrer Hand zurück. Ein kurzer<br />
Blickkontakt zeigte ihm an, daß sie <strong>de</strong>n Sinn verstan<strong>de</strong>n hatte und laut versicherte<br />
sie ihn ihrer Gunst.<br />
Der Abend ging in <strong>de</strong>utlich gespannterer Athmosphäre zuen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn die Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Gesandschaft waren zunehmend unruhig und kurz angebun<strong>de</strong>n, doch zu einem<br />
förmlichen Eklat kam es nicht.<br />
Zurück in ihrem Quartier war die Gruppe sich schnell einig, daß dies wohl nicht <strong>de</strong>r<br />
gesuchte Ring gewesen sein könnte, obwohl niemand ihn angesteckt hatte. Diese<br />
fehlen<strong>de</strong> letzte Gewißheit machte Igor schon schwer zu schaffen. Doch es mußte<br />
zugeben, daß die Reaktion <strong>de</strong>s Botschafters doch sicher <strong>de</strong>utlicher hätte sein<br />
müßen, wenn dies <strong>de</strong>r Ring <strong>de</strong>r Macht gewesen wäre und dann war <strong>de</strong>r Ring ja<br />
auch gol<strong>de</strong>n und nicht aus schwarzem Eisen.<br />
Am nächsten Tag wur<strong>de</strong>n sie wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Palast bestellt.<br />
Seufzend und unsicher machten sie sich auf <strong>de</strong>n Weg. Helferich, na klar, er wür<strong>de</strong><br />
sie also erneut zusammenstauchen, wahrscheinlich waren auch wie<strong>de</strong>r Plätze auf<br />
einem Schiff nach Nor<strong>de</strong>n gebucht um sie loszuwer<strong>de</strong>n.<br />
Überrascht waren sie <strong>de</strong>shalb als sie im Thronsaal vom versammelten Thronrat und<br />
einer Ehrengar<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Palastwache in Para<strong>de</strong>ausrüstung erwartet wur<strong>de</strong>n.<br />
Igor schoß es noch durch <strong>de</strong>n Kopf, entwe<strong>de</strong>r passe dies zu einer Verurteilung<br />
o<strong>de</strong>r... .<br />
Da hob Michel von Lind an zu sprechen und las eine Verlautbarung <strong>de</strong>r Herzogin<br />
vor, nach <strong>de</strong>r die hier Anwesen<strong>de</strong>n Ozirk Hammerstyrka, Leros und Kelen von<br />
Kilan, Summs und Igor von Chimärenburg sowie Akara die Priesterin <strong>de</strong>r Aphrodite<br />
in <strong>de</strong>n A<strong>de</strong>lsstand erhoben wur<strong>de</strong>n. Verbun<strong>de</strong>n mit einer einmaligen Zuwendung<br />
von einhun<strong>de</strong>rt Auri sowie einer jährlichen Rente von weitern fünfzig Auri,<br />
auszuzahlen zum Frühjahrsbeginn in Katin.<br />
Wie betäubt ließ <strong>de</strong>r Bastard die Zeremonie über sich ergehen. „Der Ring“, schrie<br />
es in ihm, er war es doch gewesen. So nah, und jetzt wie<strong>de</strong>r unerreichbar.<br />
Akara fand als erste die Sprache wie<strong>de</strong>r und versuchte verzweifelt die Herzogin vor<br />
<strong>de</strong>r von ihr selbst erfahrenen Gefahr durch <strong>de</strong>n Ring zu warnen.<br />
Doch diese, die jetzt selbst das Wort ergriff, erläuterte, wie sie <strong>de</strong>n Ring als Mittel<br />
zum Beendigen dieses unseligen Krieges verwen<strong>de</strong>n wolle. Davon ließ sie sich<br />
auch we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n dargelegten Einwän<strong>de</strong>n Akaras noch von <strong>de</strong>m Gepolter Ozirks<br />
abbringen.<br />
<strong>Band</strong> IV.59
Dem Zwerg wur<strong>de</strong> klar, daß hinter <strong>de</strong>r verbindlichen freundlichen Rhianon eine<br />
an<strong>de</strong>re stählern klingen<strong>de</strong> Herzogin stand. Eine Kämpferin für ihr Recht, ihre<br />
Familie und ihr Land. Und diese konnte niemand überzeugen eine, wie sie meinte<br />
kriegsentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Waffe aus <strong>de</strong>r Hand zu geben. Mehr als einmal berief sie sich<br />
darauf, als Herzogin von Rauricaria ihren Stammbaum direkt auf Hato<br />
zurückverfolgen zu können und somit gewissermaßen die rechtmäßige Trägerin zu<br />
sein. Allerdings zeigte sie ein <strong>de</strong>utlich vorsichtiges Handhaben <strong>de</strong>s Ringes, so trug<br />
sie ihn auch jetzt nicht am Finger. Und sie versprach Akara ihn nicht leichtfertig<br />
einzusetzen. Im Laufe <strong>de</strong>r Ausein<strong>de</strong>rsetzung wur<strong>de</strong> sie aber zunehmend verärgert<br />
über die vielen Wenns und Abers <strong>de</strong>r so huldvoll Ausgezeichneten und schließlich<br />
entließ sie sie mit einem Wink. Da trat Ozirk vor sie, beugte sein Knie und rief<br />
Mahal an und schwor im Angesicht all dieser Zeugen, daß er auch weiter <strong>de</strong>n<br />
Auftrag Mahals auszuführen ge<strong>de</strong>nke, aber nichts <strong>de</strong>sto trotz sich dieser<br />
Auszeichnung würdig erweisen wolle und sie, die Herzogin vor allen Gefahren<br />
beschützen wer<strong>de</strong>.<br />
Dann taumelten die gnädig Entlassenen sestürzt, sprach- und auch hilflos aus <strong>de</strong>m<br />
Saal. Den innerlich gebrochenen Bastard mußten sie dabei beinahe schleifen. So<br />
zerstört hatten sie ihn noch nie gesehen.<br />
„Wir müssen sie vor sich und <strong>de</strong>m Ring schützen“, meinte <strong>de</strong>r Zwerg nochmals und<br />
schlug dabei seine geballte Rechte in die Linke.<br />
„Vielleicht sollten wir hier und in ihrer Nähe bleiben“, gab Akara ihm recht.<br />
Von Sir Igor kam nur Gestammel und unterdrücktes Schluchzen.<br />
<strong>Band</strong> IV.60