Vinz! Ausgabe 7 - Evangelische Kirchengemeinde Harpen
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26<br />
KULTUR<br />
Wir brauchen keine<br />
Leitkultur, wir haben eine!<br />
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert<br />
löste am 15. Juni 2011 in unserer St<br />
<strong>Vinz</strong>entius-Kirche ein „altes“ Versprechen<br />
ein, das er anlässlich der Diskussion nach<br />
seiner Kanzelrede am 1. Advent 2010 auf die<br />
kritische Frage nach seiner Haltung zu dem<br />
umstrittenen Begriff Leitkultur gegeben hat.<br />
Dabei hat er damals trotz des Eingeständnisses<br />
der Problematik des Begriffs erklärt:<br />
„Ich bin trotzdem für Leitkultur!“<br />
Pfarrer Arno Lohmann, Vorsitzender der<br />
Ev. Stadtakademie Bochum und Moderator<br />
der Veranstaltung, hat bei der Begrüßung<br />
des Referenten darauf hingewiesen, dass<br />
der deutsche Staatsbürger und arabische<br />
Moslem Bassam Tibi in seinem 1998 erschienenen<br />
Buch „Europa ohne Identität“ den<br />
Prof. Dr. Lammert<br />
Begriff Leitkultur geprägt habe. Prof. Lammert<br />
habe die Debatte neu belebt und in<br />
einem Befragungsprojekt fünfzig Personen<br />
aus Kirche, Wissenschaft, Wirtschaft, Sport,<br />
Politik und Kultur zu der Thematik zu Wort<br />
kommen lassen, was zumindest von Interesse<br />
an diesen Fragen zeuge.<br />
Bei seiner, nur von Stichworten gestützten<br />
freien Rede, hat Prof. Lammert mit klaren<br />
Worten eindeutig für eine europäische Leitkultur<br />
Stellung bezogen, aber gleich zu Beginn<br />
darauf hingewiesen, nicht im Besitz der<br />
Wahrheit, sondern den Fragen gegenüber<br />
ein Suchender zu sein. Fertige Antworten<br />
sollte man daher nicht erwarten.<br />
Prof. Lammert weist zunächst auf die<br />
Schwierigkeit des Themas hin und spricht<br />
von Hemmungen und Hürden, mit denen<br />
man beim Begriff Leitkultur in einer<br />
modernen demokratischen und liberalen<br />
Gesellschaft zu rechnen hat. Dabei stellt er<br />
verwundert fest, dass die Empörung über<br />
den Begriff heftiger ausfällt als das ruhige<br />
und nüchterne Nachdenken über den damit<br />
gemeinten Sachverhalt. In dem Zusammenhang<br />
stellt er die kritische Frage, ob es<br />
denn in unserer multikulturellen, liberalen<br />
und demokratischen Gesellschaft so etwas<br />
wie Leitkultur geben kann oder überhaupt<br />
geben darf. In jüngster Zeit habe es nämlich<br />
einen Bewusstseinswandel in der Debatte<br />
über den problematischen Begriff gegeben,<br />
der mit der Änderung der Wahrnehmung<br />
zusammenhängt, dass Multi-Kulti – gewissermaßen<br />
als Toleranznachweis – als gesell-