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Der Mensch im Irrgarten seiner Hoffnungen<br />
Ein Plädoyer für konservatives Denken<br />
von Gerhard Höhne<br />
1<br />
Vorwort<br />
In Diskussionen um politische Themen, über Religionen und I<strong>de</strong>ologien, über das,<br />
was im Leben als richtig und falsch zu bewerten sei, fiel mir immer wie<strong>de</strong>r auf, dass<br />
auf <strong>de</strong>r Basis vager Hoffnungen, unrealistischer Wunschvorstellungen und<br />
sogenannter allgemeingültiger Wahrheiten argumentiert wur<strong>de</strong>. Sie bil<strong>de</strong>ten das<br />
Axiomensystem, dass meistens nicht in Frage gestellt wer<strong>de</strong>n durfte, es sei <strong>de</strong>nn, man<br />
nahm Missstimmung in Kauf. Ein Zweifel daran wur<strong>de</strong> häufig wie eine persönliche<br />
Beleidigung hingenommen, vermutlich <strong>de</strong>shalb, weil ein solches Glaubenssystem mit<br />
seinen Hoffnungen und Wunschvorstellungen wie eine Religion als Lebenshilfe<br />
gesehen wird.<br />
Oft en<strong>de</strong>n solche Diskussionen mit aggressivem Tonfall in höchst unhöflicher Weise<br />
mit <strong>de</strong>n Sätzen:<br />
„Ich spreche nicht mehr mit dir !“<br />
o<strong>de</strong>r:<br />
„Ich breche jetzt dieses Gespräch ab !“<br />
Ein Leben ohne Hoffnungen auf eine besseres Dasein und eine insgesamt bessere<br />
Welt erscheint vielen Menschen bedrückend, weshalb es ihnen schwer fällt, lieb<br />
gewonnene Hoffnungen und Wunschvorstellungen aufzugeben.<br />
Wie sehr Menschen auf vage Hoffnungen setzen können, zeigte <strong>de</strong>r Wahlkampf <strong>de</strong>s<br />
amerikanischen Präsi<strong>de</strong>nten Obama. Schil<strong>de</strong>r mit „hope“ and „yes we can“ brachten<br />
<strong>de</strong>n Wahlsieg.<br />
Vage Hoffnungen spielen bei Politikern offensichtlich eine große Rolle. Auch <strong>de</strong>r als<br />
Realpolitiker gelten<strong>de</strong> englische Premierminister Winston Churchill kann als Beispiel<br />
angeführt wer<strong>de</strong>n. Er äußerte sich nach Aussagen <strong>de</strong>s walisischen Labour-Politikers<br />
Emrys Hughes 1943 während <strong>de</strong>s zweiten Weltkriegs wie folgt :<br />
"Ich wage zu prophezeien, daß nach <strong>de</strong>m Krieg England die stärkste Militärmacht<br />
Europas sein wird und ich bin mir sicher, daß sein Einfluß in Europa dann stärker<br />
sein wird als je zuvor seit <strong>de</strong>n Tagen Napoleons."<br />
Emrys Hughes:Churchill - Ein Mann in seinem Wi<strong>de</strong>rspruch (Schlichtenmayer, 1959)<br />
Sind Hoffnungen und Wunschvorstellungen vielleicht in <strong>de</strong>r Gegenwart mehr<br />
als je zuvor entschei<strong>de</strong>nd für die Lebensführung ?<br />
Sollte dies <strong>de</strong>r Fall sein, dann drängen sich hierzu folgen<strong>de</strong> Fragen auf:<br />
Wie wirkt sich diese Abhängigkeit auf das Leben aus ?
2<br />
Kann aus ihr auf manche persönliche und gesellschaftliche Fehlentwicklung<br />
geschlossen wer<strong>de</strong>n ?<br />
Diesen Fragen ist die hier vorliegen<strong>de</strong> Arbeit gewidmet.<br />
Die Abhängigkeit von Hoffnungen, ein zeittypisches Phänomen ?<br />
Es re<strong>de</strong>n und träumen<br />
Von bessern künftigen Tagen,<br />
Nach einem glücklichen gol<strong>de</strong>nen Ziel<br />
Sieht man sie rennen und jagen,<br />
Die Welt wird alt und wird wie<strong>de</strong>r jung,<br />
Doch <strong>de</strong>r Mensch hofft immer Verbesserung !<br />
Friedrich Schiller<br />
Wie in Rom außer <strong>de</strong>n Römern noch ein Volk von Statuen war,<br />
so ist außer dieser realen Welt noch eine Welt <strong>de</strong>s Wahns,<br />
viel mächtiger beinahe,<br />
in <strong>de</strong>r die meisten leben.<br />
Johann-Wolfgang von Goethe<br />
Ist die Annahme berechtigt, dass <strong>de</strong>r Mensch <strong>de</strong>r Gegenwart mehr als seine<br />
Vorfahren von Hoffnungen geleitet wird ?<br />
Für ein „Ja !“ spricht die Tatsache, dass die Menschen unseres Kontinents in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahrhun<strong>de</strong>rten mehr und mehr von tradierten Lebensformen abwichen. Der<br />
normale Mitteleuropäer vor etwa 300 Jahren richtete sich vorwiegend nach<br />
Vorbil<strong>de</strong>rn; er übernahm die Lebensweise seiner Vorfahren. Die Tradition war<br />
maßgebend. Der Vater war Bauer o<strong>de</strong>r Handwerker, <strong>de</strong>r Sohn trat fast immer in die<br />
Fußstapfen <strong>de</strong>s Vaters und setzte die Tätigkeit seines Vaters fort, wobei er sie neuen<br />
Gegebenheiten anpasste und nach neuen Erfahrungen und Einsichten verbesserte,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Mensch neigt dazu, sein Verhalten zu variieren, wobei ihm immer wie<strong>de</strong>r<br />
Verbesserungen in <strong>de</strong>n Sinn kommen, die ihn zur Realisierung drängen. Sehr<br />
wahrscheinlich wur<strong>de</strong> eine Verbesserung meistens als Glücksfall und nicht als<br />
Erfüllung einer Hoffnung erlebt. Es war ein von Erfahrungen geprägtes Leben mit<br />
fortwähren<strong>de</strong>r Rückschau auf das Erlebte und viel Aufmerksamkeit für die<br />
Mitmenschen, <strong>de</strong>nn man war auf gegenseitige Hilfeleistungen angewiesen und darauf<br />
aus, sinnvolles Verhalten an<strong>de</strong>rer nachzuahmen. Schicksalsschläge und<br />
Unpässlichkeiten wur<strong>de</strong>n oft als von Gott gegeben hingenommen. Der in Traditionen<br />
leben<strong>de</strong> Mensch, <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r um das Lebensnotwendige ringen musste, war<br />
konservative eingestellt, er orientierte sich am Bewährten und hatte wenig Sinn für<br />
Zukunftsträume. Als er von tradierter Lebensweise abwich, wur<strong>de</strong> er ein Suchen<strong>de</strong>r,<br />
er suchte Beweggrün<strong>de</strong> für sein Han<strong>de</strong>ln, und schließlich einen Grund für sein<br />
gesamtes Leben, einen sogenannten Lebenszweck und er fragte mehr als seine<br />
Vorfahren nach <strong>de</strong>n für ein zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong>s Leben notwendigen und<br />
hinreichen<strong>de</strong>n Bedingungen; I<strong>de</strong>ologien wur<strong>de</strong>n geschaffen. Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tradition<br />
war die Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Philosophie (Rüdiger Safranski).<br />
Arbeitsteilung und technische Hilfsmittel machten es möglich, dass die Menschen<br />
sich ihren Lebensunterhalt erheblich leichter erwirtschaften konnten als diejenigen,<br />
die vor ihrer Zeit lebten. Sie gönnten sich nun Wunschträume, die nicht mehr zur
3<br />
Realität passten und bangten um <strong>de</strong>ren Verwirklichung - man <strong>de</strong>nke an die<br />
Romantik <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Hoffnungen auf eine beglücken<strong>de</strong> Zukunft wur<strong>de</strong>n<br />
geweckt und Enttäuschungen folgten.<br />
Caspar-David-Friedrich (1774 -1840), Die gescheiterte Hoffnung<br />
Das Glück wird während <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Aufklärung im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt zu einem<br />
zentralen Lebensziel erklärt. So schreibt z.B. <strong>de</strong>r junge Mirabeau, <strong>de</strong>r wahrscheinlich<br />
mit Glück eine Glückseligkeit meinte, 1738 in einem Brief an einen Freund: „Nun,<br />
mein Lieber, Sie <strong>de</strong>nken unaufhörlich nach, Sie studieren, nichts übersteigt ihren<br />
geistigen Horizont, und Sie <strong>de</strong>nken keine Sekun<strong>de</strong> daran, sich einen festen Plan für<br />
das auszuarbeiten, was unser einziges Ziel sein muss: das Glück.<br />
In <strong>de</strong>r im Geist <strong>de</strong>r Aufklärung verfassten Präambel <strong>de</strong>r amerikanische<br />
Unabhängigkeitserklärung wird das „Streben nach Glück (pursuit of happiness)“<br />
(1776) als ein unveräußerliches Recht eines je<strong>de</strong>n Bürgers hervorgehoben.<br />
Ich bin ein unglückselig Rohr:<br />
Gefühle und Gedanken<br />
Seh' rechts und links, zurück und vor,<br />
In je<strong>de</strong>m Wind, ich schwanken.<br />
Da liegt nichts zwischen Sein und Tod,<br />
Was ich nicht schon erflehte:<br />
Heut bitt' ich um <strong>de</strong>s Glaubens Brot,<br />
Daß morgen ich's zertrete;<br />
Bald ist's im Herzen kirchenstill,<br />
Bald schäumt's wie Saft <strong>de</strong>r Reben,<br />
Ich weiß nicht, was ich soll und will; -<br />
Es ist ein kläglich Leben!<br />
Dich ruf' ich, <strong>de</strong>r das Kleinste du<br />
In <strong>de</strong>inen Schutz genommen,<br />
Gönn meinem Herzen Halt und Ruh,<br />
Gott, laß mich nicht verkommen;<br />
Leih mir die Kraft, die mir gebricht,<br />
Nimm weg, was mich verwirret,<br />
Sonst lösch es aus, dies Flackerlicht,<br />
Das über Sümpfe irret!<br />
Theodor Fontane
Hoffnungen als Beweggrün<strong>de</strong><br />
4<br />
Der von tradierter Lebensweise abweichen<strong>de</strong> Mensch sucht Beweggrün<strong>de</strong> für sein<br />
Han<strong>de</strong>ln. Er nennt bestimmte Zwecke z.B. beruflichen Aufstieg, Geld und Geltung;<br />
sie sollen ihm Zufrie<strong>de</strong>nheit und „Glück“ bringen. Der Zweck wird <strong>zum</strong> wichtigsten<br />
Orientierungsmerkmal. Handlungen wer<strong>de</strong>n im Hinblick auf ihren Zweck optimiert,<br />
wobei nur wenig darauf geachtet wird, welche Erinnerung eine Handlung hinterlässt.<br />
Nicht Zweckdienliches wird als störend gesehen. Die Aufmerksamkeit gegenüber<br />
Mitmenschen hängt sehr davon ab, inwieweit dies zweckdienlich erscheint. Es sieht<br />
manchmal so aus, als wer<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>n Anweisungen gehan<strong>de</strong>lt, die Theodor Fontane<br />
mit Ironie in <strong>de</strong>r „Neuesten Väterweisheit“ gegeben hat.<br />
Zieh nun also in die Welt,<br />
Tue beharrlich, was dir gefällt,<br />
Wer<strong>de</strong> keiner Gefühle Beute,<br />
Mei<strong>de</strong> sorglich arme Leute,<br />
Wer<strong>de</strong> kein gelehrter Klauber,<br />
Wissenschaft ist fauler Zauber,<br />
Sei für Rothschild statt für Ranke,<br />
Nimm <strong>de</strong>n Main und laß die Panke,<br />
Nimm <strong>de</strong>n Butt und laß die Flun<strong>de</strong>r,<br />
Geld ist Glück, und Kunst ist Plun<strong>de</strong>r,<br />
Vorwärts auf <strong>de</strong>r schlechtsten Kragge,<br />
Wenn nur unter großer Flagge.<br />
Pred'ge Tugend, pred'ge Sitte,<br />
Millionär ist dann das dritte,<br />
Quäl dich nicht mit »wohlerzogen«.<br />
Vorwärts mit <strong>de</strong>n Ellenbogen,<br />
Und zeig je<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>n Falles:<br />
»Du bist nichts, und ich bin alles.«<br />
Theodor Fontane<br />
Manch einer hat die Angst, in seinem Leben das „eigentlich Wichtige“ zu versäumen;<br />
er hofft auf etwas, das ihm hilft, von <strong>de</strong>m allzu Alltäglichen abzuheben. Er ist sich<br />
seiner Vergänglichkeit bewusst und möchte Spuren hinterlassen. Solche Hoffnungen<br />
lenken <strong>de</strong>n Blick von <strong>de</strong>n wirklichen Gegebenheiten ab, bringen Enttäuschungen mit<br />
<strong>de</strong>r Folge, dass auf eine schöne Zukunft gesetzt wird - man soll nach vorne schauen,<br />
das ist Vertröstung auf ein „Jenseits“ im Diesseits. Bei wenig erfreulichen<br />
Erinnerungen müssen Hoffnungen auf bessere Zeiten <strong>zum</strong> Ausgleich herhalten. Wie<br />
ein süchtiger Glücksspieler tröstet er sich mit erneuten Glückshoffnungen über die<br />
Enttäuschungen hinweg. Er lebt nach <strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s bekannten Erzählers Wilhelm<br />
Raabe (1831-1910) mit „<strong>de</strong>r ewigen Illusion, dass das Leben noch vor ihm liege“.<br />
Wilhelm Raabe merkte an: „ Das Leben liegt immer hinter einem !“<br />
Mit <strong>de</strong>m Blick nach „Vorne“ schenkt er <strong>de</strong>n Dingen seiner Umgebung wenig<br />
Beachtung. Flüchtigkeit und Ungeduld lassen keine Gedanken aufkommen,<br />
welche das Unmittelbare interessant machen können.<br />
Befindlichkeitsstörungen bleiben bei dieser Lebensweise nicht aus; sie ziehen die<br />
Aufmerksamkeit auf das eigene Innenleben. Es wird eine Bereitschaft entwickelt,<br />
eigene Empfindungen und Gefühle wunschgemäß zu beherrschen. In <strong>de</strong>r Hoffnung<br />
auf eine angenehmere Selbstwahrnehmung wer<strong>de</strong>n die Gefühle kontrolliert. Der sich<br />
so kontrollieren<strong>de</strong> Mensch wird unsicher und fühlt sich gehemmt, weil sich Gefühle<br />
unter diesen Bedingungen nicht wunschgemäß einstellen. Fortwährend bremst ihn die<br />
Befürchtung, er tue nicht das „Richtige“, etwas „Besseres“ sei möglich. Die genannte<br />
Selbstkontrolle mit überhöhten Hoffnungen kann dazu führen, dass er fast je<strong>de</strong><br />
Handlung als unbefriedigend, möglicherweise sogar als sinnlos empfin<strong>de</strong>t.<br />
Unangenehme Empfindungen als Folgen irgendwelcher Befürchtungen nimmt er
5<br />
nicht einfach als Warnsignale hin, er knüpft an sie die Hoffnung auf Besserung und<br />
kontrolliert sich diesbezüglich. Versucht er sie zu unterdrücken, dann muss er<br />
feststellen, dass sie stärker wer<strong>de</strong>n und immer wie<strong>de</strong>r an die zugehören<strong>de</strong>n<br />
Befürchtungen erinnern. Er hofft, es möge ihm besser gehen und ist unglücklich<br />
darüber, dass er das gewünschte „Glück“ nicht fin<strong>de</strong>t. Glück ( nicht das Glück eines<br />
Spielers) ist ein seltenes unerwartetes Signal <strong>de</strong>r Natur, mit <strong>de</strong>m zur Verbesserung <strong>de</strong>s<br />
Orientierungsvermögens <strong>de</strong>utlich angezeigt wird: „Hier hast du etwas Gutes<br />
erfahren.“ Be<strong>de</strong>nklich ist die Vereinzelung <strong>de</strong>r Menschen, die mit <strong>de</strong>m Wunsch nach<br />
Verbesserung ihrer eigenen Befindlichkeit auf hilfreiche Signale hoffen, die von<br />
„Selbstverwirklichung“ re<strong>de</strong>n und nach vergeblichen Bemühungen um unrealistische<br />
Ziele nicht selten irgendwelchen Scharlatanen folgen. Sie erfahren Einsamkeit sogar<br />
in <strong>de</strong>r Menschenmenge, es fällt ihnen nicht auf, dass es Leute gibt, mit <strong>de</strong>nen man gut<br />
und an<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>nen man weniger gut zusammen leben kann. Unter diesen<br />
Umstän<strong>de</strong>n ist es nicht überraschend, wenn oft zu hören ist: „Alle Menschen sind<br />
gleich.“ Eine passen<strong>de</strong>re Formulierung wäre jedoch: „Alle Menschen sind mir gleich<br />
- gleichgültig.“<br />
Unsere Gefühle sind Orientierungshilfen, durch sie erfahren Dinge unseres<br />
Umfel<strong>de</strong>s und unsere Handlungen eine Bewertung. Sie zeigen Bereitschaft für<br />
bestimmte Verhaltensweisen. Als Warnsignale dienen unangenehme<br />
Empfindungen. So signalisiert z.B. ein beklemmen<strong>de</strong>s Gefühl in <strong>de</strong>r<br />
Magengegend: Pass auf, es könnte etwas sehr Unangenehmes, vielleicht sogar<br />
etwas Gefährliches auf dich zukommen ! Man sollte nicht versuchen, die<br />
Entwicklung von Gefühlen zu kontrollieren. Wer seine Gefühle in <strong>de</strong>r Hoffnung<br />
auf Besserung kontrolliert, benimmt sich genauso unsinnig wie ein frieren<strong>de</strong>r<br />
Mensch, <strong>de</strong>r andauernd auf ein Thermometer starrt in <strong>de</strong>r Hoffnung, dass es<br />
dadurch wärmer wird. Die Kälte wird ihm dabei noch unangenehmer.<br />
Friedrich Nietzsche (1844–1900) : „Hinter <strong>de</strong>n Gefühlen stehen Urteile und<br />
Wertschätzungen, welche in <strong>de</strong>r Form von Gefühlen (Neigungen, Abneigungen)<br />
uns vererbt sind.“<br />
Das Glück, kein Reiter wird's erjagen,<br />
Es ist nicht dort, es ist nicht hier;<br />
Lern' überwin<strong>de</strong>n, lern' entsagen,<br />
Und ungeahnt erblüht es dir.<br />
Theodor Fontane<br />
Unrealistische Hoffnungen basieren oft auf <strong>de</strong>m großen Irrtum, man könne<br />
Herr seiner selbst sein, Gefühle und Empfindungen seien beherrschbar, man<br />
habe einen „Freien Willen“.<br />
Sehr wahrscheinlich ist <strong>de</strong>r französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau<br />
(28.6.1712 – 2 .7.1778) von dieser Meinung ausgegangen, als er die folgen<strong>de</strong><br />
irrsinnige Erklärung abgab: „Alle Empfindungen, die wir beherrschen, sind<br />
rechtmäßig. Alle, die uns beherrschen sind verbrecherisch.“
6<br />
Rousseau sah offensichtlich eine Empfindung nicht als Signal, son<strong>de</strong>rn als eine Kraft,<br />
welche man beherrschen muss, damit man nicht davon beherrscht wird. Der Begriff<br />
„Freier Wille“ mit <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung: „ich bin Herr meiner selbst“ , ist nicht haltbar.<br />
Dieser Begriff könnte jedoch für die Tatsache stehen, dass man in <strong>de</strong>r Lage ist,<br />
Bedingungen zu erkennen, die das Fühlen, Denken und Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>utlich<br />
beeinflussen, und dass man mit Aufmerksamkeit für dieses und jenes sein<br />
Verhalten lenken kann.<br />
Wie wir uns fühlen, hängt sehr davon ab, welchen Dingen wir unsere<br />
Aufmerksamkeit widmen. Dies ist von unserer Stimmung abhängig.<br />
Das Wort „Stimmung“ steht für eine Einstellung, bei <strong>de</strong>r die Aufmerksamkeit<br />
bevorzugt Dingen mit einer bestimmten emotionalen Wirkung gilt. Man kann<br />
eingestimmt sein auf Fröhliches, Trauriges, Ängstliches usw.. Die Einstimmung<br />
erfolgt durch entsprechen<strong>de</strong> Eindrücke. Viele beängstigen<strong>de</strong> Eindrücke stimmen z.B.<br />
ängstlich. Stimmungen kommen in <strong>de</strong>r Mimik, Gestik und Haltung <strong>zum</strong> Ausdruck.<br />
Man sieht, ob jemand fröhlich, traurig o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>pressiv gestimmt ist. Stimmungen sind<br />
<strong>de</strong>mentsprechend übertragbar. Ein beschaulicher Mensch kann auf Beschaulichkeit,<br />
ein nach<strong>de</strong>nklicher Mensch auf Nach<strong>de</strong>nklichkeit und ein ängstlicher Mensch auf<br />
Ängstlichkeit einstimmen.<br />
Je größer die Aufmerksamkeit für ein Vorhaben ist, <strong>de</strong>sto höher ist die Neigung zur<br />
Ausführung. Auch die Neigung zu eigenem Fehlverhalten – hierunter ist auch eine<br />
unerwünschte körperliche Reaktion zu verstehen - nimmt zu, je mehr wir daran<br />
<strong>de</strong>nken. Es hat wohl fast je<strong>de</strong>r schon einmal erfahren, wie schnell und heftig sich eine<br />
Verlegenheit anzeigen<strong>de</strong> Rötung <strong>de</strong>s Gesichts gera<strong>de</strong> dann entwickelt, wenn man sie<br />
vermei<strong>de</strong>n möchte o<strong>de</strong>r wie belastend Ohrengeräusche wer<strong>de</strong>n können, wenn man<br />
fortwährend daran <strong>de</strong>nkt, wie man sie loswer<strong>de</strong>n kann o<strong>de</strong>r wie unangenehm eine<br />
Abneigung gegen eine notwendige Arbeit wer<strong>de</strong>n kann, wenn man hofft, sie<br />
unterdrücken zu können. Spüren wir körperliche Reaktionen, die uns unangenehm<br />
wer<strong>de</strong>n können, hoffen vergebens, etwas dagegen tun zu können, dann för<strong>de</strong>rn wir<br />
<strong>de</strong>ren Entwicklung. Eigenes Fehlverhalten erscheint fast unvermeidbar, wenn man<br />
immer wie<strong>de</strong>r vergeblich auf Mittel zu seiner Vermeidung hofft. Eine zwanghafte<br />
Neigung dazu ist dann schon spürbar, wenn man nur daran <strong>de</strong>nkt. Man fürchtet etwas<br />
zu tun, was man nicht will. Die Befürchtung eines schlimmen Fehlverhaltens kann<br />
unter diesen Umstän<strong>de</strong>n eine Panikreaktion auslösen. Wir neigen zur Panik<br />
angesichts einer großen Gefahr, <strong>de</strong>r wir anscheinend nicht entrinnen können. Es wird<br />
mit äußerster Heftigkeit die Handlung ( meistens ein Fluchtversuch) ausgeführt, an<br />
die wir gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>nken. Die Natur hat uns mit <strong>de</strong>r Neigung zu einem solchen<br />
Verhalten ausgestattet, weil wir uns damit manchmal in aussichtslos erscheinen<strong>de</strong>r<br />
Lage retten können. Verhängnisvoll wird es, wenn ein mögliches Fehlverhalten als<br />
Gefahr gesehen wird, <strong>de</strong>nn dies kann dann zu einer Panikreaktion wer<strong>de</strong>n. Man<br />
<strong>de</strong>nke an einen Bergwan<strong>de</strong>rer an einem Abgrund, <strong>de</strong>n plötzlich die Angst vor einem<br />
lebensgefährlichen Fehltritt packt. Ergriffen von panischer Angst wird ein <strong>de</strong>rartiger
7<br />
Unfall wahrscheinlicher. Vielleicht kann mancher Amoklauf als eine solche<br />
Panikhandlung ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n.<br />
Ein ehemaliger Fahrschüler erzählte mir von einer beson<strong>de</strong>ren Bedrängnis durch<br />
einen törichten, unsinnigen Gedanken während einer Eisenbahnfahrt zur Schule. Es<br />
kam ihm die I<strong>de</strong>e, er könne die über ihm angebrachte Notbremse ziehen. Daraufhin<br />
suchte er nach Grün<strong>de</strong>n, die gegen ein solches Tun sprechen, wobei seine<br />
Aufmerksamkeit für <strong>de</strong>n abwegigen Gedanken so groß wur<strong>de</strong>, dass er angesichts<br />
eines drohen<strong>de</strong>n Fehlverhaltens in ein an<strong>de</strong>res Abteil ging. Ein Verbot o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Vorsatz, etwas zu vermei<strong>de</strong>n, kann sehr unangenehm wer<strong>de</strong>n, wenn man glaubt, auf<br />
seine Einhaltung achten zu müssen. Die Geschichte von Adam und Eva im Paradies<br />
zeigt, dass dies eine sehr frühe menschliche Erfahrung ist.<br />
In <strong>de</strong>r Sprache streng gläubiger Christen sind beängstigen<strong>de</strong> Vorstellung eigenen<br />
Fehlverhaltens Versuchungen <strong>de</strong>s Teufels, von <strong>de</strong>nen sich Mönche früherer Zeiten<br />
durch Geißelung, sie nannten es Teufelsaustreibung, ablenkten.<br />
Goethe bezeichnete sie als Dämonen. Zu seinem Sekretär Eckermann sprach er 1829:<br />
„Je höher <strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>sto mehr steht er unter <strong>de</strong>m Einfluss von Dämonen, und er<br />
muss nur immer aufpassen, dass sein leiten<strong>de</strong>r Wille nicht auf Abwege gerät.“<br />
Wahrscheinlich wollte er hiermit ausdrücken, dass diejenigen am meisten zu<br />
belasten<strong>de</strong>n, törichten Gedanken neigen, die nicht in einem gewissen Trott leben, die<br />
nicht beharrlich an die Fortsetzung ihres Han<strong>de</strong>lns <strong>de</strong>nken, die oft unentschlossen<br />
sind, weil sie immer wie<strong>de</strong>r fragen, ob es richtig sei, was sie da gera<strong>de</strong> tun, ob es<br />
sinnvoll, zweckmäßig o<strong>de</strong>r notwendig sei, ob es nicht etwas Besseres zu tun gebe. Es<br />
sind Leute, die sich nicht so sehr alltäglichen Notwendigkeiten fügen müssen, die<br />
möglicherweise meinen, zu einer Handlung unbedingt „Lust“ haben zu müssen, die<br />
immer wie<strong>de</strong>r auf packen<strong>de</strong> Beweggrün<strong>de</strong> hoffen und dabei aber oft nur Essbares als<br />
Motiv <strong>zum</strong> Han<strong>de</strong>ln erkennen.<br />
Sie <strong>de</strong>nken nicht so sehr an ihre Vergangenheit, dafür aber umso mehr an ihre<br />
Zukunft; sie soll „glücklich“ sein, weshalb sie die Möglichkeit eigenen<br />
Fehlverhaltens o<strong>de</strong>r einer schlimmen Erkrankung ausschließen möchten.<br />
Mit überhöhten Hoffnungen auf hilfreiche Einfälle verharren sie in<br />
unangenehmen Zustän<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>nen sie sich befreien möchten, sie wer<strong>de</strong>n<br />
dabei geistig wie körperlich unbeweglich. Dumme Gedanken setzen sich unter<br />
diesen Bedingungen fest und entwickeln sich zu Dämonen.<br />
Spürt man eine Neigung, einem solchen Dämon zu folgen, dann stellt sich<br />
normalerweise eine lähmen<strong>de</strong> Hemmung ein, welche auch die Ablenkung von einem<br />
leidigen Gedanken erschwert. Wer meint, dafür sorgen zu müssen, dass bestimmte<br />
beängstigen<strong>de</strong> Gedanken nicht mehr auftauchen, bewirkt meistens das Gegenteil<br />
<strong>de</strong>ssen , was er will.<br />
Wenn wir uns von leidigen Gedanken trennen wollen, dann dürfen wir ihnen keine<br />
Aufmerksamkeit schenken. Das ist leichter gesagt als getan, <strong>de</strong>nn solche Gedanken<br />
hinterlassen körperliche Spuren, sie sorgen für bestimmte Stimmungen und
8<br />
Haltungen, die immer wie<strong>de</strong>r zu diesen Gedanken hinführen. Fühlt man sich z.B.<br />
verdrießlich, dann stellt das Gehirn immer wie<strong>de</strong>r Dinge vor, die als Ursache dieser<br />
Missstimmung in Frage kommen. Es wird dann vieles bewusst, was <strong>zum</strong> Ärgern<br />
Anlass gibt und es wird über vieles geschimpft, was mit augenblicklichen<br />
Gegebenheiten nichts zu tun hat. Die Befreiung von leidigen Gedanken gelingt nur<br />
dann, wenn man aus einer durch solche Gedanken geprägten Stimmung<br />
herauskommt. Beschäftigungen sind anzuraten, welche die gesamte Aufmerksamkeit<br />
erfor<strong>de</strong>rn. Es können anstrengen<strong>de</strong> sportliche Tätigkeiten sein, wie z.B. eine<br />
mehrtägige, anstrengen<strong>de</strong> alpine Bergwan<strong>de</strong>rung. Man muss sich als geistig und<br />
körperlich aktives und nicht als Hilfe suchen<strong>de</strong>s Wesen erleben. Alltägliche<br />
Handlungen sind mit Bedacht auszuführen; auf Kontinuität ist zu achten. Gegen<br />
stören<strong>de</strong> Einflüsse kann eine solche Kontinuität nur dann gewahrt wer<strong>de</strong>n, wenn man<br />
sich seines augenblicklichen Verhaltens genau bewusst ist. Ist man darauf aus, sein<br />
Verhalten zu variieren, dann ist dies normalerweise <strong>de</strong>r Fall. Wichtig ist eine<br />
klarer Wille und eine in einzelne Schritte geglie<strong>de</strong>rte Vorstellung <strong>de</strong>s eigenen<br />
Han<strong>de</strong>lns. Schrittweises Vorankommen muss erlebt wer<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>r Hoffnung, etwas<br />
schnell und ohne große Mühe erreichen zu können, wer<strong>de</strong>n meistens nur sehr<br />
flüchtige, unklare Vorstellungen <strong>de</strong>s Vorhabens entwickelt, Unsicherheit ist die Folge<br />
und <strong>de</strong>r Wille zur Ausführung lässt schnell nach. Man darf sich nicht zu viel<br />
vornehmen, vor allem dann, wenn man etwas Neues beginnt, damit muss man sich<br />
zunächst etwas anfreun<strong>de</strong>n, sich darauf einstimmen, und das gelingt nur mit Geduld.<br />
Mit Ungeduld gelingt ein Neuanfang nur selten. Nur wenn man eine Arbeit erlebt,<br />
kann man Interesse an ihr entwickeln; eine „Lust“ als Voraussetzung <strong>zum</strong> Arbeiten<br />
darf nicht erwartet wer<strong>de</strong>n. Vom Hoffen auf das angeblich Bessere muss man<br />
ablassen und sich statt<strong>de</strong>ssen von <strong>de</strong>m Grundsatz leiten lassen:<br />
Erkenne das relativ Gute, beschäftige dich damit, lasse dich von ihm anregen<br />
und versuche es nach Möglichkeit zu för<strong>de</strong>rn. Unterlasse das Grübeln, gute<br />
Einfälle stellen sich als Überraschungen ein.<br />
Rückbesinnung ist angebracht. Wer nicht zurück schaut, kann auch nicht voraus<br />
schauen, <strong>de</strong>nn eine realistische Vorausschau besteht fast immer in einer Extrapolation<br />
<strong>de</strong>ssen, was geschehen ist. Die meisten Dinge wer<strong>de</strong>n erst in <strong>de</strong>r Rückschau richtig<br />
bewertet. Als Empfehlung darf nicht gelten: „Schau nach vorne !“, son<strong>de</strong>rn: „Schau<br />
nach hinten, damit du siehst was dir gefällt, was gut ist, woran du im weiteren Leben<br />
anknüpfen kannst !“ Wer sich nicht erinnern will, lebt in anhalten<strong>de</strong>r Unsicherheit<br />
und lei<strong>de</strong>t unter beängstigen<strong>de</strong>n Gedanken. Wichtig ist, dass einem immer wie<strong>de</strong>r<br />
Dinge einfallen, an die man sich gerne erinnert, sie sind Orientierungspunkten<br />
vergleichbar. Die Teilnahme am Leben an<strong>de</strong>rer Menschen ist angesagt, <strong>de</strong>nn ein<br />
Leben ohne Bezug zu an<strong>de</strong>ren wird nicht nur als unsicher, son<strong>de</strong>rn auch als sinnlos<br />
empfun<strong>de</strong>n. Dies ist aus <strong>de</strong>r Evolution heraus zu verstehen, <strong>de</strong>nn unsere Gefühle sind<br />
zur Erhaltung unserer Art als Kollektiv und nicht zur Erhaltung eines<br />
Einzelindividuums angelegt. Vertraute Personen sollten uns in Gedanken<br />
begleiten. Wir müssen sie uns immer wie<strong>de</strong>r ins Gedächtnis rufen. So kann man
9<br />
verhin<strong>de</strong>rn, dass man sich seinen Dämonen ausliefert und <strong>zum</strong> Problemfall wird. Der<br />
Mensch ist nun einmal kein eigenständiges Wesen, son<strong>de</strong>rn Teil eines größeren<br />
Ganzen. Jemand, <strong>de</strong>r sich von seinen Mitmenschen abschottet, vorwiegend auf<br />
Besserung seiner Befindlichkeit hofft, möglicherweise auf Lustmaximierung aus ist,<br />
kann eine Depression entwickeln, eine Neigung zur Selbstvernichtung. Will die Natur<br />
ihn vielleicht aus einer Gesellschaft herausnehmen, an <strong>de</strong>ren Leben er nicht mehr<br />
teilnimmt ?<br />
Im Laufe seiner Evolution hat sich im Menschen ein Programm entwickelt, welches<br />
ihm unter bestimmten Bedingungen ein Gefühl <strong>de</strong>r Unsicherheit vermittelt und ihn zu<br />
einer Habt-Acht-Haltung veranlasst. Viele dieser Bedingungen sind infolge<br />
zivilisatorischer Maßnahmen unerheblich gewor<strong>de</strong>n. Trotz<strong>de</strong>m bewirken sie<br />
Unbehagen, weil das erwähnte Programm wie eh und je arbeitet. Dies gilt z.B. für die<br />
Lebensumstän<strong>de</strong> in einer von Hochhäusern (Symbole einer kalten Macht)<br />
dominierten mo<strong>de</strong>rnen Großstadt mit einan<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n, oft entwurzelten Menschen<br />
aus allen möglichen Regionen unserer Er<strong>de</strong>. Zur Erklärung sei gesagt: Der Mensch<br />
lebte in seiner Frühzeit von <strong>de</strong>n Naturprodukten seiner Umgebung. Zu viele<br />
Menschen auf engem Raum gefähr<strong>de</strong>ten das Überleben, waren somit beängstigend<br />
und bewirkten gegenseitige Aggressionen, Mitmenschen wur<strong>de</strong>n als Konkurrenten<br />
gesehen, <strong>de</strong>nen man überlegen sein musste. Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n hilft die<br />
Konzentration auf Vertrautes. Der in seinen Anlagen durch die Evolution geprägte<br />
Großstadtmensch versucht solche Aggressionsneigungen zu vermei<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m er<br />
beispielsweise nur wenige Blickkontakte mit an<strong>de</strong>ren aufnimmt o<strong>de</strong>r für das eigene<br />
Wohlbefin<strong>de</strong>n Wunschvorstellungen von ihm frem<strong>de</strong>n Menschen entwickelt.<br />
Wunschvorstellungen wer<strong>de</strong>n verinnerlicht, wenn mit ihnen das Leben<br />
angenehmer erscheint. Sie sind nicht unbe<strong>de</strong>nklich, <strong>de</strong>nn sie können lang<br />
anhalten<strong>de</strong>, gesellschaftliche Fehlentwicklungen begünstigen, wenn sich <strong>de</strong>ren<br />
nachteiligen Folgen nur allmählich einstellen und nicht diejenigen treffen,<br />
welche diese Vorstellungen zu eigenem Wohlbefin<strong>de</strong>n hoch halten.<br />
Mit einer ungewissen Zukunft können sich viele Menschen nur schwer abfin<strong>de</strong>n.<br />
Doch sollten sie sich <strong>de</strong>r Tatsache bewusst wer<strong>de</strong>n, dass eine gute Zukunft nur<br />
<strong>de</strong>rjenige erwarten kann, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Gegenwart lebt, sich seiner Vergangenheit<br />
bewusst ist und sich an eine unsichere Zukunft gewöhnt hat. Aus <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
und Gegenwart erwächst die Zukunft. Entscheidungen wer<strong>de</strong>n umso schwerer,<br />
je mehr man auf die Zukunft fixiert ist, die möglicherweise noch durch<br />
unrealistische Hoffnungen verklärt wird. Vorausschau ist notwendig, aber die<br />
Aufmerksamkeit sollte vorwiegend <strong>de</strong>r Gegenwart und nicht <strong>de</strong>r Zukunft<br />
gewidmet sein. Fehler macht je<strong>de</strong>r, beson<strong>de</strong>rs schlimm und häufig sind sie<br />
jedoch dann, wenn man im Hinblick auf eine ungewisse Zukunft Erwartungen<br />
nährt, Erinnerungen mei<strong>de</strong>t und das Gegenwärtige vernachlässigt. Eine solche<br />
Lebensweise ist mit sehr vielen Unwägbarkeiten und somit auch mit vielen<br />
Befürchtungen belastet.
10<br />
„Unsere Hauptaufgabe ist nicht, zu sehen, was in vager Ferne liegt, son<strong>de</strong>rn nur das<br />
zu tun, was das Nächstliegen<strong>de</strong> ist (Thomas Carlyle).<br />
Such nicht immer, was dir fehle,<br />
Demut fülle <strong>de</strong>ine Seele,<br />
Dank erfülle <strong>de</strong>in Gemüt.<br />
Alle Blumen, alle Blümchen,<br />
Und darunter selbst ein Rühmchen,<br />
Haben auch für dich geblüht !<br />
Klugheit:<br />
Zwei <strong>de</strong>r größten Menschenfein<strong>de</strong>,<br />
Furcht und Hoffnung, angekettet,<br />
Halt ich ab von <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>;<br />
Platz gemacht ! ihr seid gerettet.<br />
Theodor Fontane Goethe (Faust II)<br />
Hoffnung ist die zweite Seele <strong>de</strong>r Unglücklichen. (Johann Wolfgang von Goethe)<br />
Hoffnung ist ein Seil, auf <strong>de</strong>m viele Narren tanzen. (Russisches Sprichwort)<br />
Je dürrer die Zeit, <strong>de</strong>sto grüner die Hoffnung. (Deutsches Sprichwort)<br />
Wer von <strong>de</strong>r Hoffnung lebt, stirbt an Verzweiflung. (Spanisches Sprichwort)<br />
I<strong>de</strong>ologien als Notlösungen<br />
Der fast nur im Zweck<strong>de</strong>nken leben<strong>de</strong> Mensch gerät in innere Not, wenn seine<br />
Hoffnungen unerfüllt bleiben und er nichts mehr vor sich sieht, was ihm<br />
erstrebenswert o<strong>de</strong>r erreichbar erscheint, wenn er sein persönliches „Glück“ nicht<br />
fin<strong>de</strong>t. Er kann verzweifeln, wenn er ein Lebensziel sucht, auf das er berufliches wie<br />
alltägliches Han<strong>de</strong>ln ausrichten kann, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>r Vorausschau gibt es ein solches<br />
Ziel nicht. Er fühlt sich haltlos und neigt <strong>zum</strong> Nihilismus o<strong>de</strong>r zur unkritischen<br />
Annahme von I<strong>de</strong>ologien, wenn diese versprechen, seinem Leben wie<strong>de</strong>r eine<br />
Richtung zu geben. Vergebliches Hoffen macht empfänglich für alles, was wie<strong>de</strong>r<br />
einen Funken Hoffnung bringt. Sogar eine archaische Offenbarungsreligion, die von<br />
irgen<strong>de</strong>inem „Propheten“ <strong>zum</strong> Machtgewinn entwickelt wur<strong>de</strong>, kann zur Richtschnur<br />
wer<strong>de</strong>n. In allen I<strong>de</strong>ologien wird eine „bessere Welt“ beschrieben, die es mit Macht<br />
zu verwirklichen gilt, wobei <strong>de</strong>r Zweck die Mittel heiligt.<br />
Es ist sehr schwierig, mit rationalen Argumenten das Weltbild eines Menschen zu<br />
än<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>r in einer I<strong>de</strong>ologie seinen Halt gefun<strong>de</strong>n zu haben glaubt. Eine <strong>de</strong>rartige<br />
I<strong>de</strong>ologie ist mit einer Droge vergleichbar. Der von ihr abhängige Mensch ist krank,<br />
er wehrt sich aggressiv gegen je<strong>de</strong> Entziehungskur, <strong>de</strong>nn er fin<strong>de</strong>t sich in einer<br />
vielschichtigen Welt nicht zurecht.<br />
Das mit <strong>de</strong>r Französischen Revolution begonnene Zeitalter <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ologien will lei<strong>de</strong>r<br />
kein En<strong>de</strong> nehmen. Heutzutage huldigt man in Europa einer I<strong>de</strong>ologie, nach <strong>de</strong>r die<br />
gesamte „Menschheit“ ihr Glück in einer Welt ohne Grenzen fin<strong>de</strong>t, in <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>rmann<br />
sich dort nie<strong>de</strong>rlassen kann, wo er dies will, in <strong>de</strong>r sich die verschie<strong>de</strong>nsten Ethnien<br />
miteinan<strong>de</strong>r vermischen und glücklich ohne kriegerische Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
miteinan<strong>de</strong>r leben, in <strong>de</strong>r es keine soziale Ungleichheit gibt. „bunt statt braun“<br />
heißt die Parole.<br />
Für eine solche Welt hat auch einst Stalin gekämpft. Terror, Krieg und Massenmord
waren hierbei erlaubte Mittel.<br />
11<br />
Nach Meinung <strong>de</strong>r für diese Utopie kämpfen<strong>de</strong>n Menschen sind diejenigen „böse“,<br />
welche die gera<strong>de</strong> beschriebene Einheitswelt für eine verhängnisvolle Utopie halten,<br />
die meinen, dass Menschen wegen unterschiedlicher Veranlagungen am besten in<br />
weitgehend homogenen Gruppen leben, dass Grenzen sinnvolle Strukturelemente<br />
sind und soziale Unterschie<strong>de</strong> auch natürlichen Gegebenheiten entsprechen.<br />
Weltverbesserer malen Schreckensbil<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Fall, dass sie ihre Pläne nicht<br />
verwirklichen können, <strong>de</strong>uten <strong>de</strong>mentsprechend die Ablehnung ihrer I<strong>de</strong>ologie als<br />
Ausdruck von Bosheit o<strong>de</strong>r Verstocktheit und neigen dazu, Menschen je nach<br />
Zustimmung zu ihrer I<strong>de</strong>ologie in „Gute“ und „Schlechte“ einzuteilen. Man <strong>de</strong>nke an<br />
Robbespierre, Marx, Lenin, Stalin, Hitler, Pol Pot...<br />
Sie alle haben so geurteilt und die Ausrottung <strong>de</strong>r „Schlechten“ im Sinne einer<br />
„Weltverbesserung“ für moralisch gerechtfertigt gehalten. Für sie galt die aus <strong>de</strong>r<br />
Französischen Revolution stammen<strong>de</strong> Losung: „Und willst du nicht mein Bru<strong>de</strong>r<br />
sein, so schlag' ich dir <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l ein!“. Eine zeitgemäße Formulierung könnte so<br />
heißen: „Und willst du nicht mein Bru<strong>de</strong>r sein, so bist du ein böser Nazi und gehörst<br />
in die Tonne getreten !“<br />
Konservative Menschen wer<strong>de</strong>n von I<strong>de</strong>ologen meistens zu <strong>de</strong>n „Schlechten“<br />
gezählt, <strong>de</strong>nn diese verstehen eine gesellschaftliche und persönliche Entwicklung<br />
als Wachstumsprozess in kleinen Schritten, <strong>de</strong>n man hier und da regulieren,<br />
aber erst im Nachhinein richtig bewerten kann. Sie orientieren sich an<br />
Erfahrungen und nicht an Utopien, die mit irgendwelchen Ismen (Sozialismus,<br />
Liberalismus, Kapitalismus, Nationalismus...) verkün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n und halten eine<br />
Lebensplanung, die nicht an <strong>de</strong>n Gegebenheiten anknüpft, für unsinnig. Ein<br />
völlig zweckbestimmtes Leben lehnen sie ab und achten darauf , dass sie<br />
rückschauend mit ihrem Leben zufrie<strong>de</strong>n sind und sagen können: „So kann es<br />
weitergehen“. Ein solches Leben streben sie als Lebensziel an. Der Sinn ihres<br />
Lebens wird durch <strong>de</strong>n Grundsatz bestimmt: Erkenne das relativ Gute,<br />
beschäftige dich damit, lasse dich von ihm anregen und versuche es nach<br />
Möglichkeit zu för<strong>de</strong>rn. Für sie ist je<strong>de</strong>r Mensch Teil eines sehr komplexen<br />
Systems, das sich fortwährend verän<strong>de</strong>rt, für <strong>de</strong>ssen Entwicklung <strong>de</strong>shalb nur<br />
kurzzeitige, keineswegs sichere Voraussagen gemacht wer<strong>de</strong>n können. Der<br />
Konservative sucht nicht die „richtige Lebensweise“, son<strong>de</strong>rn er übernimmt eine<br />
Lebensweise, die er im Vergleich mit an<strong>de</strong>ren Lebensformen als besser erkennt.<br />
Das „absolut Richtige, bzw. absolut Gute“ kennt er nicht. Er zeichnet sich oft<br />
durch eine gewisse Schicksalsergebenheit (Gottvertrauen) aus. Bei <strong>de</strong>r<br />
Bewertung geschichtlicher Ereignisse maßt er sich nicht an, heute übliche<br />
Wertmaßstäbe anzulegen. Er fragt immer nach <strong>de</strong>m damals Üblichen. Nicht<br />
Feindbil<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn eine Übereinstimmung in <strong>de</strong>r Wertschätzung eines<br />
bestimmten Menschenbil<strong>de</strong>s und kultureller Leistungen verbin<strong>de</strong>t konservativ<br />
eingestellte Menschen. Für einen konservativen Menschen gilt nicht „bunt statt<br />
braun“, son<strong>de</strong>rn we<strong>de</strong>r „bunt noch braun“.
12<br />
„Alle Menschen sind gleich und sollen <strong>de</strong>shalb überall gleiche Rechte haben.“ Dies<br />
ist <strong>de</strong>r Grundsatz, auf <strong>de</strong>m die Kämpfer für eine Einheitswelt eine neue Moral<br />
entwickelt haben. Die sogenannten „Gutmenschen“ sind willige Helfer bei <strong>de</strong>ren<br />
Umsetzung. Es sind Leute, die sich nicht beson<strong>de</strong>rs gut fühlen, sich aber „gut“ fühlen<br />
möchten, die im Einsatz für angeblich benachteiligte Menschen ihr persönliches<br />
„Glück“ suchen. Sie sind anfällig für die von <strong>de</strong>n maßgeben<strong>de</strong>n Moralaposteln<br />
aufgestellten Prinzipien eines vermeintlichen Gutseins. Diese verallgemeinerten<br />
Prinzipien verleiten zu völlig unangemessenem Han<strong>de</strong>ln, welches bestenfalls als „gut<br />
gemeint“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n kann. Der Gutmensch fühlt sich verpflichtet, für die<br />
Einhaltung <strong>de</strong>r genannten Menschenrechte zu sorgen und hält dabei Ausschau nach<br />
Menschen, <strong>de</strong>nen möglicherweise ein solches Menschenrecht verweigert wird.<br />
Schwarzafrikaner erklärt er zu Opfern <strong>de</strong>s Kolonialismus und Leute auf <strong>de</strong>n unteren<br />
Stufen <strong>de</strong>r sozialen Rangordnung zu Opfern einer rücksichtslosen, nur auf ihren<br />
Vorteil bedachten Oberschicht. Er macht sich zu <strong>de</strong>ren Anwalt, <strong>de</strong>nn nach seiner<br />
Ansicht sind die Rechte dieser Menschen verletzt wor<strong>de</strong>n. Hilfen, die normalerweise<br />
bedürftige Mitglie<strong>de</strong>r einer gewachsenen Gemeinschaft aus Solidarität erhalten,<br />
wer<strong>de</strong>n zu „Menschenrechten“ erklärt. Was ursprünglich aus sozialem Mitgefühl<br />
geschah, wird zu einer Pflicht gemacht, auf das <strong>de</strong>r Bedürftige ein einklagbares Recht<br />
habe. Der Leistungsträger einer Gesellschaft hat ausschließlich Pflichten, <strong>de</strong>r<br />
Bedürftige hat nur Rechte. Darunter lei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Gemeinschaftssinn, <strong>zum</strong>al von dieser<br />
Rechtsauffassung viele Leute profitieren, die es aus <strong>de</strong>r Sicht einer Gemeinschaft<br />
nicht verdienen.<br />
Der Gutmensch möchte sich als mitfühlen<strong>de</strong>r Mensch wahrnehmen, er wird<br />
nicht von Mitgefühl geleitet, er sehnt sich danach. Mit <strong>de</strong>r Unterstützung von<br />
angeblich Benachteiligten hofft er auf eine Anerkennung, die er sonst vermisst,<br />
vielleicht will er auch eigene, ihn belasten<strong>de</strong> Problemen verdrängen.<br />
Da es <strong>de</strong>m Gutmenschen an starken Gefühlen für seine „edlen Absichten“ meistens<br />
fehlt, zeigt er auffallen<strong>de</strong> Zurückhaltung, wenn er im Sinne seines Gutseins<br />
nennenswerte persönliche Opfer bringen soll. Er möchte sich gut fühlen und damit<br />
auch Anerkennung gewinnen, aber meistens auf Kosten <strong>de</strong>r „weniger Guten“.<br />
In diesem Zusammenhang ist eine kleine Geschichte erwähnenswert, die mir ein<br />
Stadtrat B einer mittelgroßen Stadt L erzählte. Die Stadträte von L planten eine 5.<br />
Ge<strong>de</strong>nkstätte für die Opfer <strong>de</strong>s NS-Regimes. B äußerte seine Zustimmung zu diesem<br />
Plan, meinte allerdings, dass man nach <strong>de</strong>r Schließung eines Schwimmba<strong>de</strong>s aus<br />
Kostengrün<strong>de</strong>n keine Steuern für <strong>de</strong>n Bau dieser Ge<strong>de</strong>nkstätte verwen<strong>de</strong>n dürfe. Er<br />
schlug vor, die Stadträte sollten diesen Bau mit einer großzügigen Spen<strong>de</strong><br />
ermöglichen, nahm seinen Hut, legte einen 1000 DM-Scheck hinein und bat um<br />
weitere Spen<strong>de</strong>n. Nun verzichteten die gutmenschlichen Stadträte auf <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>s<br />
Denkmals und B konnte seinen Scheck wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Hut nehmen.<br />
Gutmenschlichkeit sollte nicht durch Beschimpfung und Inanspruchnahme <strong>de</strong>r<br />
„weniger Guten“ son<strong>de</strong>rn durch persönliches Opfer bewiesen wer<strong>de</strong>n. Die
13<br />
Gutmenschen könnten z.B. Patenschaften für in Not leben<strong>de</strong> Afrikaner<br />
übernehmen, dank <strong>de</strong>rer diese ein menschenwürdiges Leben in ihrem<br />
Heimatland führen können. Sie sollten sich konsequenterweise auch für die<br />
Folgen ihres Han<strong>de</strong>lns verantwortlich erklären. Eine freiwillige Extrasteuer<br />
zur Finanzierung humanitärer Maßnahmen wie z.B. <strong>de</strong>r Versorgung und<br />
Betreuung von Flüchtlingen aus nichteuropäischen Län<strong>de</strong>rn ist im Sinne von<br />
„mehr Demokratie“ wünschenswert, damit Gutmenschen sich in<br />
überzeugen<strong>de</strong>r Weise <strong>zum</strong> Wohle <strong>de</strong>r Menschheit einsetzen können.<br />
Der Gutmensch gibt je<strong>de</strong>m Not lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Menschen auf dieser Welt ein Recht auf<br />
Hilfe. Dies be<strong>de</strong>utet, dass aus allen Erdteilen arme Menschen in die Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Gutmenschen strömen, um ihr sogenanntes Recht einzufor<strong>de</strong>rn. Der Gutmensch<br />
spricht für ein Bleiberecht dieser Flüchtlinge, ist aber nur selten bereit, einem davon<br />
im eigenen Haus o<strong>de</strong>r nahe <strong>de</strong>r eigenen Wohnstätte ein solches Recht zu gewähren,<br />
seine Menschenliebe ist vorgetäuscht.<br />
Der Zustrom <strong>de</strong>r Flüchtlinge wird solange anhalten, bis sich die von Gutmenschen<br />
dominierten Län<strong>de</strong>r nicht mehr wesentlich von <strong>de</strong>nen unterschei<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>nen die<br />
Flüchtlinge kommen. Dann allerdings wer<strong>de</strong>n unsere verarmten, eventuell<br />
vertriebenen Gutmenschen ihre Rechte nirgendwo einklagen können.<br />
Der Gutmensch schafft nach seinen Prinzipien eine Welt, die gut sein soll, aber nicht<br />
gut sein kann. Er zerstört gewachsene Gesellschaften, verursacht und hinterlässt<br />
irreversible Schä<strong>de</strong>n, um eine angeblich menschlichere Gesellschaft zu<br />
verwirklichen. Er schafft aber tatsächlich eine anonyme Gesellschaft aus Tyrannen<br />
und Knechten, in <strong>de</strong>r Rücksichtslosigkeit und das Prinzip „teile und herrsche !“ <strong>zum</strong><br />
Erfolg führen. In einer anonymen Gesellschaft fühlt sich beinahe je<strong>de</strong>r alleine ohne<br />
Beistand und somit gefähr<strong>de</strong>t; es wird unbewusst versucht, Risiken durch<br />
Machtgewinn ( mehr Geld, Karriere, Ansehen...) zu minimieren. Missgunst und Neid<br />
sind dabei Begleiterscheinungen; in <strong>de</strong>r sozialen Rangordnung möchte kaum jemand<br />
unter seinem Nachbarn stehen.<br />
Der Gutmensch verkennt, dass <strong>de</strong>r Gemeinschaftssinn so wie <strong>de</strong>r Familiensinn<br />
emotionaler Natur und nicht das Ergebnis rationaler Prinzipien ist. Das wichtigste<br />
Kennzeichen einer Gemeinschaft ist eine weitgehen<strong>de</strong> Übereinstimmung in <strong>de</strong>r<br />
Wertschätzung eines bestimmten Menschenbil<strong>de</strong>s. Da Liebe und Abneigung<br />
genetische Wurzeln haben, kann man eine Gemeinschaft nicht durch eine angeblich<br />
vernünftige Morallehre schaffen. Gemeinschaften wachsen. Pflichten und Rechte<br />
müssen einem Gemeinschaftsgefühl entsprechen, nur dann wer<strong>de</strong>n sie ernst<br />
genommen. Aus <strong>de</strong>m Gefühl <strong>de</strong>r Zusammengehörigkeit entsteht eine Verfassung.<br />
Dieser Satz ist aber lei<strong>de</strong>r nicht umkehrbar. Einen „Verfassungspatriotismus“ gibt<br />
es nicht.<br />
Gutmenschen <strong>de</strong>nken an<strong>de</strong>rs. Bei ihnen fin<strong>de</strong>t man Meinungen, die sinngemäß <strong>de</strong>m<br />
entsprechen, was <strong>de</strong>r bekannte Nachrichtensprecher Ulrich Wickert ( er beruft sich<br />
häufig auf Rousseau) in seinem 1996 bei Hoffmann und Campe erschienenen Buch<br />
„Der Ehrliche ist <strong>de</strong>r Dumme“ auf Seite 59 formuliert:
14<br />
„Doch genauso wenig wie <strong>de</strong>r Mensch mit einer ausgebil<strong>de</strong>ten Vernunft zur Welt<br />
kommt, steckt in ihm schon bei <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>r Kern einer Moral. Durch die Vernunft<br />
ist er zur Moral fähig, mehr nicht. Die Gesellschaft, in <strong>de</strong>r er aufwächst, wird ihn mit<br />
<strong>de</strong>n Werten und Tugen<strong>de</strong>n vertraut machen, die sein Streben und Han<strong>de</strong>ln so<br />
beeinflussen sollen, damit er ein Mensch wird, wie ihn die Gesellschaft haben will.“<br />
Ulrich Wickert übersieht hierbei, dass die weitgehend genetisch bedingten<br />
Emotionen, die wir in Bezug auf diese und jene Menschen entwickeln, entschei<strong>de</strong>nd<br />
dafür sind, ob wir uns moralisch bzw. unmoralisch fühlen, ob wir unser Han<strong>de</strong>ln als<br />
vernünftig bzw. unvernünftig ansehen. Sympathie und Antipathie sind Grün<strong>de</strong> für<br />
Hilfe bzw. <strong>de</strong>ren Verweigerung. Diese fast alltäglichen Erfahrungen wer<strong>de</strong>n von<br />
vielen Politikern ignoriert o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m blödsinnigen Hinweis abgetan, man müsse<br />
seine Emotionen beherrschen können. Man kann nicht wie <strong>de</strong>r Diktator Stalin von<br />
<strong>de</strong>n Menschen erwarten, dass sie ihre Natur einer I<strong>de</strong>ologie anpassen, eine<br />
Weltanschauung muss auf die Menschen zugeschnitten sein. Nur dann gilt Han<strong>de</strong>ln<br />
nach i<strong>de</strong>ologischen Richtlinien als vernünftig.<br />
Wie wenig <strong>de</strong>n Menschen heute von Gutmenschen zugebilligt wird, einen Raum zu<br />
erhalten, mit <strong>de</strong>m sie sich i<strong>de</strong>ntifizieren können, <strong>de</strong>n sie als Heimat erleben, zeigt die<br />
folgen<strong>de</strong> Ankündigung einer Fernsehsendung <strong>de</strong>s Sen<strong>de</strong>rs Phoenix.<br />
Rechtsextreme in Europa<br />
Film von Laurent Delhomme und Alexandre Spalaikovich<br />
Sen<strong>de</strong>termin So, 02.12.12, 23.15 Uhr<br />
In grossen Teilen Europas haben nationalistische und frem<strong>de</strong>nfeindliche Kräfte<br />
Aufwind. Und sie haben überall dieselben Ziele: Verteidigung <strong>de</strong>r kulturellen<br />
I<strong>de</strong>ntität, Kampf gegen die Zuwan<strong>de</strong>rung und gegen Islamisierung. Sie unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich jedoch in <strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen sie ihre Ziele erreichen wollen. Der Film gibt<br />
einen erschrecken<strong>de</strong>n Einblick in die rechtsextreme Szene in Europa.<br />
Hier wird <strong>de</strong>utlich, was man unter Rechtsextremismus versteht. Als rechtsextrem<br />
wer<strong>de</strong>n die konservativen Bürger bezeichnet, die nicht gewillt sind, einer<br />
naturwidrigen, von Wunsch<strong>de</strong>nken geprägten I<strong>de</strong>ologie zu entsprechen, die sich <strong>de</strong>n<br />
nicht <strong>de</strong>mokratisch legitimierten Zwangsmaßnahmen fanatischer I<strong>de</strong>ologen<br />
wi<strong>de</strong>rsetzen.<br />
Als die französische Nationalversammlung 1791 plante, die Bürger ihres Staates mit<br />
einer nach Grundsätzen <strong>de</strong>r „Vernunft“ entwickelten I<strong>de</strong>ologie zu lenken, schrieb<br />
Wilhelm von Humboldt hierzu an einen Freund die folgen<strong>de</strong>n kritischen Zeilen:<br />
Was im Menschen ge<strong>de</strong>ihen soll, muss aus seinem Inneren entspringen, nicht ihm von<br />
aussen gegeben wer<strong>de</strong>n, und was ist ein Staat, als eine Summe menschlicher<br />
wirken<strong>de</strong>r und lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Kräfte. Die Vernunft hat wohl Fähigkeit, vorhan<strong>de</strong>nen Stoff<br />
zu bil<strong>de</strong>n, aber nicht die Kraft, neuen zu erzeugen. Diese Kraft ruht allein im Wesen<br />
<strong>de</strong>r Dinge, diese wirken, die wahrhaft weise Vernunft reizt sie nur zur Thätigkeit, und<br />
sucht sie zu lenken. Hierbei bleibt sie beschei<strong>de</strong>n stehen. Staatsverfassungen lassen
15<br />
sich nicht auf Menschen, wie Schösslinge auf Bäume pfropfen. Wo Zeit und Natur<br />
nicht vorgearbeitet haben, da ists, als bin<strong>de</strong>t man Blüthen mit Fä<strong>de</strong>n an. Die erste<br />
Mittagssonne versengt sie.<br />
Viele Zeitgenossen meinen, <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs in heterogenen Gesellschaften auffällige<br />
Aggressionstrieb sei etwas „Böses“, beruhe auf Vorurteilen und könne durch<br />
Erziehung gebannt wer<strong>de</strong>n. Mit Hinweis auf die mit <strong>de</strong>m Nobelpreis gewürdigten<br />
Untersuchungen <strong>de</strong>s Verhaltensforschers Konrad Lorenz kann man wohl feststellen,<br />
dass es sich hierbei um eine <strong>de</strong>r vielen unrealistischen Hoffnungen von Gutmenschen<br />
han<strong>de</strong>lt. Unser genetisch verankerter Aggressionstrieb wur<strong>de</strong> im Laufe <strong>de</strong>r Evolution<br />
ausgebil<strong>de</strong>t, um die Entwicklung von Bedingungen zu behin<strong>de</strong>rn, die sich für <strong>de</strong>n<br />
Fortbestand unserer Art als ungünstig erwiesen haben. Man kann <strong>de</strong>n<br />
Aggressionstrieb kultivieren, aber nicht abschaffen.<br />
Die Gutmenschen Europas pflegen Schuldkomplexe und <strong>de</strong>n Mythos von <strong>de</strong>r<br />
Gleichheit aller Menschen. Sie wollen damit erreichen, dass sich die bestehen<strong>de</strong>n<br />
bürgerlichen Gesellschaften zur Aufnahme von Menschen aus <strong>de</strong>r gesamten<br />
Welt öffnen. Sie sehen sich als Mitglie<strong>de</strong>r sündiger Gesellschaften, die für viele<br />
be<strong>de</strong>nkliche Entwicklungen in <strong>de</strong>r Welt verantwortlich sind und die nun durch<br />
Aufnahme an<strong>de</strong>rer Ethnien toleranter und menschlicher wer<strong>de</strong>n sollen. Mit<br />
Gesetzen (Antidiskriminierungsgesetz) zwingen sie Menschen zusammen, die<br />
nichts miteinan<strong>de</strong>r zu tun haben möchten und sprechen dabei noch<br />
unbekümmert von <strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>s Einzelnen. Sie lassen Grenzen zwischen<br />
unterschiedlichen Gesellschaften nicht als Strukturelemente gelten, die für die<br />
Entwicklung dieser Gesellschaften wichtig sind. Über <strong>de</strong>n Sinn von Grenzen<br />
fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Leser unter www.g-<strong>hoehne</strong>.<strong>de</strong>/wozugr.pdf ein sehr interessantes<br />
Essay mit <strong>de</strong>m Titel „Wozu Grenzen?“ Es ist kaum möglich, einen Gutmenschen<br />
zu einer sachlichen Betrachtung zu veranlassen, weil er um <strong>de</strong>n Halt bangt, <strong>de</strong>n<br />
ihm seine Weltanschauung gibt. Er wehrt sich beson<strong>de</strong>rs aggressiv gegen<br />
Argumente, die er nicht entkräften kann. Er nutzt die Geschichtswissenschaft<br />
für politische Zwecke und schreibt sie, wenn nötig, im Sinne bestimmter<br />
Zielsetzungen um. So entsteht eine neue Mythologie, eine Sammlung von<br />
Geschichten zur Lenkung von Menschen. Auf ihren Wahrheitswert kommt es<br />
nicht an, entschei<strong>de</strong>nd ist <strong>de</strong>r Glaube. Es gibt <strong>de</strong>n „rechten Glauben“ und <strong>de</strong>n<br />
„Unglauben aus Bosheit“. Es geht nicht mehr um wahr o<strong>de</strong>r falsch, son<strong>de</strong>rn um<br />
„politisch korrekt“ o<strong>de</strong>r „politisch inkorrekt“. Es fehlt nur noch, dass, wie in <strong>de</strong>r<br />
katholischen Kirche üblich, <strong>de</strong>r rechte Glaube als „Glaubenswahrheit“<br />
bezeichnet wird und Aussagen mit <strong>de</strong>n Worten eingeleitet wer<strong>de</strong>n: Aus unserem<br />
Glauben wissen wir...... !<br />
Wer erhebliche Zweifel am „rechten Glauben (Glaubenswahrheit)“ anmel<strong>de</strong>t, sollte<br />
an einen Streit um die richtige Religion <strong>de</strong>nken. Er muss damit rechnen als<br />
„Ungläubiger“ von „Rechtgläubigen“ verurteilt zu wer<strong>de</strong>n. Man <strong>de</strong>nke an <strong>de</strong>n<br />
sogenannten Historikerstreit um Thesen <strong>de</strong>s Historikers Ernst Nolte, ehemals
16<br />
Direktor <strong>de</strong>s Münchner Instituts für Zeitgeschichte ( siehe FAZ vom 6. Juni 1986 und<br />
http://www.ernst-nolte.<strong>de</strong> ).<br />
Hin und wie<strong>de</strong>r stößt man auf Informationen, die nicht <strong>zum</strong> Geschichtsbild <strong>de</strong>r<br />
Gutmenschen passen. Am 18.9.1989 wur<strong>de</strong> z.B. in <strong>de</strong>r FAZ aus einer englischen<br />
Zeitung unter <strong>de</strong>m Titel „Die britische Zeitung Sunday Correspon<strong>de</strong>nt verrät die<br />
Wahrheit“ zitiert:<br />
Wir müssen jetzt ehrlich über die <strong>de</strong>utsche Frage sein, so unbequem sie auch für die<br />
Deutschen, für unsere internationalen Partner und uns selbst sein mag.....Die Frage<br />
bleibt in <strong>de</strong>r Essenz die gleiche. Nicht, wie wir es verhin<strong>de</strong>rn, daß <strong>de</strong>utsche Panzer<br />
über die O<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Marne rollen, son<strong>de</strong>rn wie Europa mit einem Volk fertig wird,<br />
<strong>de</strong>ssen Zahl, Talent und Effizienz es zu unserer regionalen Supermacht wer<strong>de</strong>n läßt.<br />
Wir sind 1939 nicht in <strong>de</strong>n Krieg eingetreten, um Deutschland vor Hitler o<strong>de</strong>r die<br />
Ju<strong>de</strong>n vor Auschwitz o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Kontinent vor <strong>de</strong>m Faschismus zu retten. Wie 1914<br />
sind wir für <strong>de</strong>n nicht weniger edlen Grund in <strong>de</strong>n Krieg eingetreten, daß wir eine<br />
<strong>de</strong>utsche Vorherrschaft in Europa nicht akzeptieren konnten.<br />
Dieser Artikel entspricht genau <strong>de</strong>m, was Winston Churchill in seiner Re<strong>de</strong> in Fulton<br />
im März 1946 formulierte:<br />
"Der Krieg ging nicht allein um die Beseitigung <strong>de</strong>s Faschismus in Deutschland,<br />
son<strong>de</strong>rn um die Erringung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Absatzmärkte."<br />
Wer meint, dass das Wort „Befreiung“ zur Nie<strong>de</strong>rlage Deutschlands im 2. Weltkrieg<br />
passt- dieses Wort ist oft aus <strong>de</strong>m Mun<strong>de</strong> von Gutmenschen zu hören, sollte das Buch<br />
„Gruesome Harvest: The Allied Attempt to Exterminate Germany after 1945“ <strong>de</strong>s<br />
Amerikaners Ralph Franklin Keeling lesen. Eine Übersetzung ins Deutsche kann aus<br />
<strong>de</strong>m Internet unter <strong>de</strong>m Titel „Schreckliche Ernte“ heruntergela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r<br />
Lektüre dieses Buches wird er das Wort „Befreiung“ , welches <strong>de</strong>r<br />
Wunschvorstellung vieler Leute entspricht, als Ausdruck eines unfassbaren Zynismus<br />
erkennen.<br />
Man sollte immer daran <strong>de</strong>nken, dass die siegreichen und mächtigen Staaten<br />
Geschichte zur Rechtfertigung ihrer Maßnahmen <strong>zum</strong> Machterhalt und zur<br />
Machterweiterung schreiben bzw. von willigen Helfern unterlegener Nationen<br />
schreiben lassen.<br />
Geschichte ist die Lüge, auf die man sich<br />
geeinigt hat.<br />
Napoleon I<br />
Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein<br />
leichtgläubigeres Volk als das <strong>de</strong>utsche. Keine<br />
Lüge kann grob genug ersonnen wer<strong>de</strong>n, die<br />
Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man<br />
Es gibt zwei Arten von Weltgeschichte: die eine ist<br />
die offizielle, verlogene, für <strong>de</strong>n Schulunterricht<br />
bestimmte; die an<strong>de</strong>re ist die geheime Geschichte,<br />
welche die wahren Ursachen <strong>de</strong>r Ereignisse birgt.<br />
Honoré <strong>de</strong> Balzac<br />
In einer Welt <strong>de</strong>r universellen Täuschung ist das<br />
Aussprechen von Wahrheit ein revolutionärer Akt.<br />
George Orwell,1903-1950
17<br />
ihnen gab, verfolgen sie ihre Landsleute mit<br />
größerer Erbitterung als ihre wirklichen Fein<strong>de</strong><br />
Napoleon I<br />
Immer wie<strong>de</strong>r wird man an die Heilige Inquisition erinnert, sogar bei völlig<br />
unpolitischen Veranstaltungen, wie <strong>de</strong>r Olympia<strong>de</strong> 2012.<br />
Eine Ru<strong>de</strong>rin namens Nadja Drygalla wur<strong>de</strong> von weiterer Teilnahme an <strong>de</strong>r<br />
Olympia<strong>de</strong> ausgeschlossen, weil sie einen in <strong>de</strong>r zugelassenen NPD tätigen Freund<br />
hat. Zuvor wur<strong>de</strong> sie mit gleicher Begründung aus <strong>de</strong>m Polizeidienst entlassen.<br />
Nach Welt-Online vom 7.8.2012 for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r EKD-Ratsvorsitzen<strong>de</strong> Präses Schnei<strong>de</strong>r<br />
als Seelsorger für <strong>de</strong>utsche Athleten Frau Drygalla mit einem Bibelspruch bei<br />
Hesekiel (33,12) zur Reue auf: „Wenn ein Gottloser von seiner Gottlosigkeit umkehrt,<br />
so soll's ihm nicht scha<strong>de</strong>n, dass er gottlos gewesen ist.“<br />
Ist <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Evangelischen Kirche <strong>de</strong>r Ansicht, Frau Drygalla habe wie die<br />
„Hexen“ früherer Zeiten mit <strong>de</strong>m Teufel gebuhlt ?<br />
Erstaunlich ist die Diskussion, die über diesen Fall in Regierungskreisen geführt<br />
wur<strong>de</strong>. Das Schicksal <strong>de</strong>r jungen Sportlerin war <strong>de</strong>n Verantwortlichen völlig<br />
gleichgültig. Es machte ihnen nur Kopfzerbrechen, dass ihr Fall so auffällig wur<strong>de</strong>.<br />
Man fragt sich angesichts dieses Vorfalls: „ Was mag da alles im Hintergrund<br />
vorgehen ?“<br />
Lei<strong>de</strong>r gibt es zu allen Zeiten karrieresüchtige Menschen, die unbedingt nach oben<br />
wollen, die im Eigeninteresse skrupellos je<strong>de</strong>m Machthaber dienen und dabei<br />
unschuldige Menschen zugrun<strong>de</strong> richten. Gibt es vielleicht ein Opportunistengen ?<br />
Stefan Zweig beschreibt in seinem lesenswerten, zeitlosen Buch „Joseph Fouché:<br />
Bildnis eines politischen Menschen" ein Musterbeispiel eines Opportunisten. Fouché<br />
(1759-1820) war vor <strong>de</strong>r Französischen Revolution Physiklehrer in Arras, schloss<br />
sich während <strong>de</strong>r Revolution <strong>de</strong>m führen<strong>de</strong>n Jakobiner Robbespierre an und ließ dann<br />
skrupellos Tausen<strong>de</strong> französischer Bürger hinrichten, nur um die Gunst<br />
Robbespierres zu gewinnen. Unter Napoleon wur<strong>de</strong> Fouché Polizeiminister und<br />
behielt diesen Posten auch nach <strong>de</strong>r Abdankung Napoleons unter <strong>de</strong>m Monarchen<br />
Ludwig <strong>de</strong>m XVIII. Die Fouchés können je<strong>de</strong> Regierung zu einem unerträglichen<br />
Machtapparat machen.<br />
Hinter <strong>de</strong>m „Gutseinwollen“ <strong>de</strong>s Gutmenschen steckt auch <strong>de</strong>r Wunsch nach<br />
Anerkennung durch die politisch herrschen<strong>de</strong> Klasse. Die Natur hat <strong>de</strong>n Menschen<br />
im Laufe <strong>de</strong>r Evolution mit <strong>de</strong>m Wunsch nach Anerkennung ausgestattet, damit<br />
er auch im Sinne einer Gemeinschaft han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r er sich zugehörig fühlt und<br />
ihn so geformt, dass er Außenseiter in <strong>de</strong>r Regel als Störer <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftslebens sieht und <strong>de</strong>mzufolge meistens gefühlsmäßig ablehnt. In<br />
unserer individualisierten Gesellschaft fin<strong>de</strong>n die Menschen im allgemeinen wenig<br />
Anerkennung. Dies kann für manch einen zu einem schweren Problem wer<strong>de</strong>n,<br />
welches seine gesamte Persönlichkeit prägt, vor allem dann, wenn er sich sogar im
18<br />
privaten Umfeld immer wie<strong>de</strong>r vergeblich darum bemüht. Somit ist verständlich, dass<br />
er nach benachteiligten Menschen fragt, weil er im Kampf um mehr Gerechtigkeit<br />
mit <strong>de</strong>ren Anerkennung rechnen kann. Ungleiche Besitzverhältnisse und Begabungen<br />
wer<strong>de</strong>n als Ausdruck von Ungerechtigkeit ge<strong>de</strong>utet. Ein Mensch kann eine<br />
Gesellschaft hassen, wenn er in ihr keine Anerkennung fin<strong>de</strong>t. Möglicherweise ist<br />
dies ein Grund dafür, dass in Deutschland junge Menschen ihr eigenes Land hassen<br />
und dies z.B. in Berlin auf Plakaten mit folgen<strong>de</strong>r Beschriftung <strong>zum</strong> Ausdruck<br />
bringen: „Deutschland stirbt aus, da klatschen wir Applaus !“ Sie bil<strong>de</strong>n<br />
Aktionsbündnisse gegen die bürgerliche Gesellschaft, die sie zu zerstören trachten.<br />
Die gegenseitige Anerkennung im gemeinsamen Kampf gegen das angeblich<br />
„Verachtenswerte“ tut ihnen gut. Es sind Anarchisten, die sich Antifaschisten<br />
nennen, <strong>de</strong>nn mit diesem Namen gelten sie als Kämpfer gegen <strong>de</strong>n bösen<br />
„Faschismus“. Ihnen verzeiht man <strong>de</strong>struktive Maßnahmen, <strong>de</strong>nn gegen <strong>de</strong>n<br />
„Faschismus“ ist je<strong>de</strong>s Mittel recht. Den sogenannten „Antifaschisten“ ist<br />
offensichtlich nicht bewusst, dass eine Anarchie immer in eine Diktatur mün<strong>de</strong>t.<br />
Diejenigen die heute Polizisten als „Bullen“ beschimpfen, dürfen sich nicht empören,<br />
wenn irgendwann eine Art Tscheka ( Stalins Geheimpolizei) o<strong>de</strong>r Gestapo für ihr<br />
„Wohlbefin<strong>de</strong>n“ sorgt.<br />
Da Wi<strong>de</strong>rspruch gegen eine herrschen<strong>de</strong> Meinung Missfallen erzeugt, ist ein nach<br />
Harmonie streben<strong>de</strong>r Mensch schließlich zur Übernahme einer Mehrheitsmeinung<br />
sogar gegen besseres Wissen geneigt. Er möchte anerkannt wer<strong>de</strong>n. Dies ist aber nur<br />
möglich, wenn er sich an die in seinem Umfeld herrschen<strong>de</strong> Meinung hält. Eine<br />
solche Meinung -sie wird meistens von <strong>de</strong>n Medien vorgegeben- kann unfassbar<br />
gläubig machen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r normale Mensch möchte nicht aus <strong>de</strong>m üblichen Rahmen<br />
fallen. Man <strong>de</strong>nke an das Märchen: Des Kaisers neue Klei<strong>de</strong>r.<br />
Politiker wissen, dass man <strong>de</strong>n Menschen immer wie<strong>de</strong>r etwas bieten muss, bei <strong>de</strong>m<br />
diese sich Anerkennung verschaffen können. Feindbil<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n entworfen. Ein<br />
Krieg im üblichen Sinn gilt nicht mehr als geeignete Maßnahme, statt<strong>de</strong>ssen ruft man<br />
<strong>zum</strong> Kampf gegen „Rechts“ o<strong>de</strong>r „Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit“ o<strong>de</strong>r eine angeblich vom<br />
Menschen verursachte Klimaerwärmung usw. auf. Diejenigen, welche einem solchen<br />
Aufruf folgen und mit vielen Gesinnungsgenossen übermächtig gegen eine meistens<br />
kleine, als schädlich eingestufte Min<strong>de</strong>rheit zu Fel<strong>de</strong> ziehen, wer<strong>de</strong>n wegen<br />
angeblicher „Zivilcourage“ gelobt. Sie bil<strong>de</strong>n die Gemeinschaft <strong>de</strong>r „Anständigen“.<br />
Wie schön ist es doch, wenn man sich als „anständiger“ und „wissen<strong>de</strong>r“ Mensch<br />
über an<strong>de</strong>re erhaben fühlen kann.<br />
Wie sehr zur Befriedigung <strong>de</strong>s Wunsches nach Anerkennung sogar in normalerweise<br />
unpolitischen Lebensbereichen in höchst lächerlicher Weise nach Feindbil<strong>de</strong>rn<br />
gesucht wird, zeigt ein Artikel vom August 2012 in <strong>de</strong>r Zeitschrift für Öko-<br />
Lebensmittel „Schrot & Korn“:<br />
RECHTSRADIKALE IM ÖKO-LANDBAU
Branche reagiert<br />
19<br />
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) will alles in seiner Macht<br />
stehen<strong>de</strong> tun, um rechtsradikale Unternehmer konsequent aus seinen Reihen<br />
auszuschließen. So heißt es in einer aktuellen Resolution <strong>de</strong>s BÖLW. Verschie<strong>de</strong>ne<br />
Medien berichteten, dass sich offenbar einige Bauern ökologische Themen zunutze<br />
machten, um ihr braunes Gedankengut zu untermauern. Der BÖLW hat diese<br />
Berichte <strong>zum</strong> Anlass genommen, seine Position in einer Resolution zu ver<strong>de</strong>utlichen.<br />
In <strong>de</strong>m Schreiben heißt es, dass <strong>de</strong>r BÖLW und seine Mitglie<strong>de</strong>r sich ,,in aller<br />
Entschie<strong>de</strong>nheit gegen je<strong>de</strong>n menschenverachten<strong>de</strong>n (...) Radikalismus" wen<strong>de</strong>ten.<br />
Der ökologische Landbau stehe auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratischen Grundordnung.<br />
Verurteilt wird ,,je<strong>de</strong>r Versuch, das Prinzip <strong>de</strong>s Öko-Landbaus (...) fur rechtsradikale<br />
I<strong>de</strong>ologien zu missbrauchen."<br />
Auch Vertreter <strong>de</strong>r katholischen Kirche glauben offensichtlich, an <strong>de</strong>m Kampf gegen<br />
„Rechts“ teilnehmen zu müssen. Beispielhaft ist die folgen<strong>de</strong> Einladung zu einer<br />
Veranstaltung in <strong>de</strong>r Katholische Aka<strong>de</strong>mie Wolfsburg (Bistum Essen) am<br />
27.11.2012:<br />
Bürgerlich braune Brandstifter<br />
Strategien rechtspopulistischer Parteien<br />
Rechtspopulistische Parteien liefern vereinfachte Erklärungen angesichts komplexer<br />
sozialer und ökonomischer Entwicklungen. Beispielsweise schürt Pro-NRW gezielt<br />
Ängste und Vorurteile mit islamfeindlichen Kampagnen. Der „Kampf“ gegen „<strong>de</strong>n<br />
Islam“ und <strong>de</strong>ssen diskreditieren<strong>de</strong> Gleichsetzung mit Kriminalität und Terrorismus<br />
dienen dabei als Türöffner, um die weitergehen<strong>de</strong>n nationalistischen For<strong>de</strong>rungen zu<br />
verbreiten. Mit neuen Kampagnen, etwa für die „Neubelebung <strong>de</strong>r sozialen<br />
Marktwirtschaft“ o<strong>de</strong>r die Initiative „Raus aus <strong>de</strong>m Euro“ wird ebenfalls versucht,<br />
breite Wählerschichten zu gewinnen.<br />
Welche Strategien setzen Rechtspopulisten ein, um schwelen<strong>de</strong>,<br />
gesellschaftspolitische Debatten für eigene Zwecke zu instrumentalisieren? Welche<br />
sozialpsychologischen Motive und Sehnsüchte bedienen sie dabei? Wie reagieren die<br />
etablierten Parteien und die Politik auf diese Herausfor<strong>de</strong>rungen? Wie sehr leistet<br />
dieser Rechtspopulismus <strong>de</strong>m Rechtsextremismus Vorschub und verhilft ihm zu<br />
größerer Geltung? Wir la<strong>de</strong>n Sie herzlich ein.<br />
Dr. Michael Schlagheck, Aka<strong>de</strong>mieleiter<br />
Weihbischof Franz Vorrath, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Arbeitskreises Integration im Bistum<br />
Essen<br />
Reinhold Kube, Vorstand Faselstiftung
20<br />
Die Behandlung <strong>de</strong>r hier angesprochenen Thematik im kirchlichen Rahmen wäre<br />
sinnvoll , wenn es darum ginge , gewisse Ängste von Bürgern zu verstehen. Die<br />
Einladung hat aber schon durch ihre Überschrift die Form einer Kampfansage.<br />
Manchen Bürgern wer<strong>de</strong>n von vornherein auf populistische Art böse politische<br />
Absichten unterstellt, und es ist zu erkennen, dass diese als „teufliche Übeltäter“ an<br />
<strong>de</strong>n Pranger gestellt wer<strong>de</strong>n sollen. Diese unpassen<strong>de</strong> kirchliche Einmischung in<br />
politische Angelegenheiten ist möglicherweise ein Zeichen dafür, dass die Kirche<br />
große Personalprobleme hat. Es ist <strong>de</strong>nkbar, dass <strong>de</strong>r auch in Talk-Shows um<br />
Anerkennung bemühte Bischof sein Amt <strong>de</strong>m Mangel an qualifizierten Theologen<br />
verdankt und man zur Erklärung seines Verhaltens mit <strong>de</strong>n Worten Goethes sagen<br />
kann:<br />
Die Menschen, da sie <strong>zum</strong> Notwendigen nicht hinreichen, bemühen sich ums<br />
Unnütze.<br />
Diejenigen, die meinen, im Kampf gegen „Rechts“ Anerkennung gewinnen zu<br />
können, sollten sich fragen, ob sie nicht dabei sind, eine Staatsform zu schaffen, die<br />
sie verhin<strong>de</strong>rn wollen. Die Auffor<strong>de</strong>rung zur Denunziation an<strong>de</strong>rs Denken<strong>de</strong>r und die<br />
Ausgrenzung einer Sportlerin, weil sie einen Freund in einer zugelassenen, aber<br />
unbeliebten Partei hat, wur<strong>de</strong>n bisher nur als Merkmal totalitärer Systeme gesehen.<br />
Der bekannte Physik-Nobelpreis-Träger Werner Heisenberg schreibt in seinem Buch<br />
„Der Teil und das Ganze“ die folgen<strong>de</strong>n Sätze zur Beurteilung politischen Han<strong>de</strong>lns:<br />
Ich hatte ja längst aus meinen Erfahrungen im Münchner Bürgerkrieg gelernt,<br />
daß man eine politische Richtung nie nach <strong>de</strong>n Zielen beurteilen darf, die sie laut<br />
verkün<strong>de</strong>t und vielleicht auch wirklich anstrebt, son<strong>de</strong>rn nur nach <strong>de</strong>n Mitteln, die<br />
sie zu ihrer Verwirklichung einsetzt. Schlechte Mittel beweisen ja, daß die Urheber<br />
an die Überzeugungskraft ihrer These selbst nicht mehr glauben.<br />
Wozu Relgionen ?<br />
Die Abkehr von tradierter Lebensweise bringt es mit sich, dass das Leben mehr und<br />
mehr in Frage gestellt wird. Wenn erhofftes Glück trotz materiellen Wohlstands<br />
ausbleibt, dann drängt sich sehr bald die Frage auf: „Warum tue ich dieses und<br />
jenes ?“ Zermürben<strong>de</strong> Fragen nach <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>s Lebens können folgen. Denkt man<br />
über die Zukunft nach, dann stellt sich irgendwann die quälen<strong>de</strong> Frage: Was kommt<br />
nach <strong>de</strong>m Tod? Wenn aus irdischen Gegebenheiten keine Antwort hergeleitet wer<strong>de</strong>n<br />
kann, dann wird auf eine Religion gesetzt. Die falschen Propheten fin<strong>de</strong>n ihr<br />
Publikum.<br />
Die christliche Religion, verquickt mit <strong>de</strong>m Alten Testament, ist einem aufgeklärten<br />
Europäer nicht mehr vermittelbar. Das Neue Testament allein ist eine beachtenswerte,<br />
unseren Kulturkreis prägen<strong>de</strong> Lebensphilosophie (Mythologie).<br />
Mit <strong>de</strong>r Aufklärung im 17. und 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt verlor das Christentum an<br />
Überzeugungskraft. Rationalisten wie Spinoza ( jüdischer Philosoph in Amsterdam )
21<br />
setzten an seine Stelle <strong>de</strong>n sogenannten Pantheismus, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Stoizismus <strong>de</strong>r alten<br />
Griechen (Zenon von Kition um 300 v. Chr.) ähnelt. Viele be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />
Persönlichkeiten <strong>de</strong>s 18. und 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, z.B. Goethe -er nannte sich einen<br />
<strong>de</strong>zidierten Nichtchristen-, wur<strong>de</strong>n zu seinen Anhängern. Für <strong>de</strong>n Pantheisten han<strong>de</strong>lt<br />
es sich bei <strong>de</strong>n wahrnehmbaren Dingen um Zeichen von nicht Fassbarem,<br />
vergleichbar mit <strong>de</strong>n Mustern aus Eisenspänen, mit <strong>de</strong>nen nicht fassbare<br />
Magnetfel<strong>de</strong>r in Erscheinung treten. Die Gesetzmäßigkeiten <strong>de</strong>r Natur sprechen für<br />
das Wirken eines großen Geistes, <strong>de</strong>r solche Zeichen gibt, man kann ihn Gott , das<br />
Ding an sich, Weltwille o<strong>de</strong>r Vorsehung nennen. Der Mensch ist eine<br />
Erscheinungsform Gottes, aber auch Ausdruck eines erlebbaren Eigenwillens, <strong>de</strong>r mit<br />
<strong>de</strong>m Tod seine Erscheinungsform än<strong>de</strong>rt. Der Tod ist kein En<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn ein<br />
Wandlungsprozess. Der Pantheist unterschei<strong>de</strong>t nicht zwischen einem Gott und <strong>de</strong>r<br />
von ihm geschaffenen Welt. Das Dasein ist Gott (Goethe).<br />
Der in Bayern und Österreich übliche Gruß „grüß' Gott“ wird als Kürzel von „ich<br />
grüße Gott in Dir“ von einem Pantheisten gerne angenommen.<br />
Der Pantheismus wirkt überzeugend, weil er auch mit <strong>de</strong>n Erkenntnissen <strong>de</strong>r<br />
mo<strong>de</strong>rnen Physik in Einklang ist. Während man noch im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt glaubte, das<br />
Atome und Elektronen Dinge mit bleiben<strong>de</strong>r Gestalt seien, wer<strong>de</strong>n sie heute als<br />
Dinge mit wechseln<strong>de</strong>n Erscheinungsformen (Wechselwirkungsformen) gesehen. Die<br />
Form eines solchen Teilchens wird als Zeichen einer Wirkung ge<strong>de</strong>utet. Ein Elektron<br />
kann z.B. Welle o<strong>de</strong>r Teilchen sein, steht es nicht in Wechselwirkung mit seiner<br />
Umgebung, dann ist es nach Heisenbergs Unschärferelation überall und nirgends, es<br />
ist dann quasi tot. Teilchen und Wellen sind somit unterschiedliche<br />
Erscheinungsformen von nicht direkt fassbaren Dingen.<br />
Warum wur<strong>de</strong> das Christentum im Römischen Weltreich zur beherrschen<strong>de</strong>n<br />
Religion ?<br />
Die Christen verkün<strong>de</strong>ten etwas, was viele Menschen im spätrömischen Reich mit<br />
ihrem Schicksal versöhnte. Das Glück wur<strong>de</strong> ins Jenseits verlegt und die Lebenszeit<br />
zu einer Prüfungszeit erklärt. Glück im Jenseits war <strong>zum</strong> Ausgleich für Leid im<br />
Diesseits vorgesehen. Mit <strong>de</strong>r Aussicht auf jenseitiges Glück wur<strong>de</strong> irdisches Leid<br />
hingenommen. Es unterblieb das enttäuschen<strong>de</strong> Hoffen auf das Glück im Diesseits.<br />
Vor einer andauern<strong>de</strong>n Habt-Acht-Haltung bewahrte die Vorstellung, dass alles in<br />
Gottes Hand liege. Mit „Jesus am Kreuz“ wird Schicksalsergebenheit bewirkt. Die<br />
Konzentration auf sich selbst wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Christen als schädlich gesehen. So heißt<br />
es unter Matthäus 10.39: „Wer sein Leben fin<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r wird's verlieren; und wer sein<br />
Leben verliert um meinetwillen, <strong>de</strong>r wird's fin<strong>de</strong>n.“ Benedikt von Nursia verkün<strong>de</strong>te:<br />
„In<strong>de</strong>m wir uns suchen, zerstören wir uns, <strong>de</strong>nn je mehr wir uns auf die eigene<br />
Person konzentrieren, <strong>de</strong>sto leerer und armseliger gehen wir aus dieser Suche<br />
hervor. Gott soll <strong>de</strong>r Mittelpunkt unseres Lebens sein.“<br />
Die christliche Religion macht das irdische Leben zu einer Epoche im Dasein eines<br />
Menschen und wirkt damit gegen die Angst, man könne in seinem kurzen Leben<br />
etwas versäumen. Eine solche Angst entsteht unter <strong>de</strong>r Vorstellung von <strong>de</strong>r
22<br />
Einmaligkeit und Begrenztheit <strong>de</strong>s eigenen Daseins; sie verführt häufig zu einer<br />
gewissen Lebensgier und Rastlosigkeit. Die christliche For<strong>de</strong>rung „Liebe <strong>de</strong>inen<br />
Nächsten“ führte aus <strong>de</strong>r persönlichen Isolation. Die gefor<strong>de</strong>rte Nächstenliebe ist<br />
gewiss im Sinne von wohlwollen<strong>de</strong>r Aufmerksamkeit zu verstehen, <strong>de</strong>nn Liebe hat<br />
nichts mit Wollen zu tun.<br />
Die christliche Religion kann hinsichtlich ihrer Wirkung mit einem Placebo<br />
verglichen wer<strong>de</strong>n. Wie ein Placebo kann sie aus einer lästigen Habt-Acht-<br />
Haltung befreien und Zuversicht vermitteln. Voraussetzung für die Wirkung ist<br />
<strong>de</strong>r Glaube.<br />
Vermutlich war Jesus (<strong>de</strong>r Name Jesus steht möglicherweise für eine philosophische<br />
Schule) sehr von <strong>de</strong>m pantheistischen Stoizismus geprägt. Nur so kann man<br />
verstehen, dass er sich als Gottes Sohn sah. Die Anbindung <strong>de</strong>s Neuen- an das Alte<br />
Testament haben wir Paulus zu verdanken, <strong>de</strong>r zunächst als Saulus vergeblich gegen<br />
die Verbreitung neutestamentarischen Gedankenguts gekämpft hatte. Dies kann als<br />
eine sehr geschickte, politische Maßnahme gesehen wer<strong>de</strong>n, damit das alte biblische<br />
Gedankengut wirksam bleibt. Lei<strong>de</strong>r muss man immer wie<strong>de</strong>r feststellen, dass die<br />
Vertreter <strong>de</strong>r christlichen Kirchen das Alte Testament als unverzichtbaren Bestandteil<br />
ihres Glaubens sehen, auch wenn es schwierig ist, manche Geschichten daraus <strong>de</strong>m<br />
Zeitgeschmack anzupassen. Es muss z.B. vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Befehl Gottes<br />
an Abraham, <strong>de</strong>n eigenen Sohn zu opfern, nicht als eine von <strong>de</strong>n Religionsstiftern<br />
erhobene Auffor<strong>de</strong>rung zu bedingungslosem Gehorsam erscheint.<br />
Das Alte Testament ist nach <strong>de</strong>m an <strong>de</strong>r hebräischen Universität in Haifa lehren<strong>de</strong>n<br />
Historiker Shlomo Sand (Die Erfindung <strong>de</strong>s jüdischen Volkes, Propyläen-Verlag,<br />
2010 ) eine Mythohistorie, die nach 500 v. Chr. geschaffen wur<strong>de</strong>, um <strong>de</strong>n Menschen<br />
in Judäa ein Gefühl <strong>de</strong>r Zusammengehörigkeit zu geben und ihnen bestimmte, damals<br />
sinnvolle Sitten zu vermitteln und die dann um 700 nach Chr. <strong>de</strong>n Chasaren, einer<br />
Mischung aus Turkvölkern, Slawen und Indogermanen, von ihren Herrschern mit <strong>de</strong>r<br />
gleichen Absicht verordnet wur<strong>de</strong>. Das Reich <strong>de</strong>r Chasaren – ihre Hauptstadt ist<br />
ausgegraben- erstreckte sich vom Kaspischen Meer bis weit in die Ukraine hinein<br />
(siehe: http://<strong>de</strong>.wikipedia.org/wiki/Chasaren ). Nach Shlomo Sand sind die Ju<strong>de</strong>n in<br />
Polen und Russland Nachfahren dieser Chasaren. Nach Wikipedia ist dies nicht mit<br />
<strong>de</strong>n Ergebnissen genetischer Untersuchungen vereinbar. Der Hinweis auf die Genetik<br />
verwun<strong>de</strong>rt, wenn man daran <strong>de</strong>nkt, wie heftig Thilo Sarrazin wegen seiner<br />
Behauptung, es gebe ein „Jüdisches Gen“, angegriffen wur<strong>de</strong>.<br />
Über die Glaubwürdigkeit<br />
Glaubwürdig erscheint eine I<strong>de</strong>ologie o<strong>de</strong>r Religion dann, wenn sie<br />
1. zu Erfolgen führt,<br />
2. viele Menschen zu ihr stehen und<br />
3. wenn sie lange Zeit unwi<strong>de</strong>rsprochen bleibt.
23<br />
Ein aus diesen Argumenten resultieren<strong>de</strong>s Glaubensbekenntnis hat emotionale<br />
Wurzeln. Dies scheint auf <strong>de</strong>n für unsere Evolution maßgeben<strong>de</strong>n Gegebenheiten<br />
früherer Jahrtausen<strong>de</strong> zu beruhen, <strong>de</strong>nn Erfolg auf <strong>de</strong>r Grundlage falscher<br />
Vorstellungen war sehr unwahrscheinlich und viele gleiche Aussagen stan<strong>de</strong>n für<br />
viele Einzelerfahrungen - es gab keine Mittel <strong>de</strong>r Massenbeeinflussung. Blieb eine<br />
Aussage lange Zeit unwi<strong>de</strong>rsprochen, dann hatte sie sich bewährt. Auch heute wird<br />
zur Begründung einer Aussage immer wie<strong>de</strong>r gesagt: „Das sagt doch <strong>de</strong>r und jener<br />
auch“ o<strong>de</strong>r „Es gab noch nie einen Grund daran zu zweifeln“ o<strong>de</strong>r „Der Erfolg gibt<br />
ihm Recht“.<br />
Wenn Journalisten o<strong>de</strong>r Politiker etwas behaupten, was keiner genauen Nachprüfung<br />
standhalten kann, dann darf daraus nicht geschlossen wer<strong>de</strong>n, dass sie lügen. Sie<br />
können von <strong>de</strong>r Falschaussage überzeugt sein, weil sie damit persönlich Erfolg<br />
hatten. Emotionen können berechtigte Zweifel verhin<strong>de</strong>rn. Wenn Leute ihren<br />
Glauben an die christliche o<strong>de</strong>r moslemische Religion begrün<strong>de</strong>n, dann geschieht<br />
dies in <strong>de</strong>r Regel mit <strong>de</strong>r Aussage: „Dieser Glaube hilft mir !“ Auch dies ist ein<br />
Hinweis auf einen Erfolg. Erfolgreichen Leuten wird immer gerne geglaubt.<br />
Im 17. und 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Gegenreformation, hat die katholische<br />
Kirche herrliche barocke Kirchen errichten lassen, <strong>de</strong>nn großartige Werke wer<strong>de</strong>n als<br />
Erfolg und somit als Ausdruck von Glaubwürdigkeit gewertet. Die islamische und<br />
christliche Religion verdanken ihre Ausbreitung hauptsächlich <strong>de</strong>n kriegerischen<br />
Erfolgen, die im Glauben an sie errungen wur<strong>de</strong>n.<br />
Erfährt jemand, dass er seinen religiösen Glauben mit<br />
an<strong>de</strong>ren teilt, dann fühlt er sich wegen 2. in ihm bestärkt.<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> sind in Glaubensgemeinschaften<br />
rituelle Handlungen üblich wie z.B. gemeinsames Beten<br />
o<strong>de</strong>r Singen. Wenn ein religiöser Mensch einen an<strong>de</strong>ren<br />
Menschen für seinen Glauben gewinnt, dann stabilisiert<br />
dies seinen eigenen Glauben. Möglicherweise ist dies <strong>de</strong>r<br />
Hauptgrund für Bekehrungsversuche.<br />
Gemeinsames Gebet<br />
Der nach einer I<strong>de</strong>ologie leben<strong>de</strong> Mensch gewinnt Sicherheit, wenn ihm nicht<br />
wi<strong>de</strong>rsprochen wird, wenn er im Sinne seiner I<strong>de</strong>ologie Erfolg hat und wenn die Zahl<br />
<strong>de</strong>r Mitstreiter zunimmt. Wi<strong>de</strong>rspruch und in ihrem Glauben wankelmütige Genossen<br />
verunsichern ihn und machen ihn <strong>de</strong>mzufolge aggressiv.<br />
Diskussionen über Glaubenssätze sind fast immer emotional aufgela<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn<br />
Gefühle sind es, die einen am Glauben festhalten lassen. Dies gilt nicht für<br />
Vermutungen. Bei einer Vermutung ist man sich immer bewusst, dass sie falsch sein<br />
kann. Man kennt einige Merkmale, welche für sie sprechen, es wird aber für möglich<br />
gehalten, dass sie durch neue Erkenntnisse wi<strong>de</strong>rlegt wird. Mit Vermutungen kommt<br />
man nur dann in Konflikte, wenn diese Zweifel an liebgewonnenen bzw. politisch<br />
gewollten Glaubenssätzen nähren.
24<br />
Die Wirksamkeit <strong>de</strong>r angegebenen 3 Grün<strong>de</strong> für Glaubwürdigkeit kann in <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart schlimme Folgen haben, <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>n Medien (Fernsehen) können<br />
Mehrheitsmeinungen erzeugt wer<strong>de</strong>n. Diejenigen, welche über die Mittel <strong>de</strong>r<br />
Massenbeeinflussung verfügen, sind in <strong>de</strong>r Lage, Menschen in ihrem Sinne zu<br />
lenken. Die Lenkung geschieht in <strong>de</strong>r Regel mit einer geschickt zusammengestellten<br />
Mischung aus Tatsachen und Lügen. Einige als bekannt vorausgesetzte Wahrheiten<br />
sind nötig, sie sollen <strong>de</strong>m Zuhörer <strong>de</strong>n Eindruck einer objektiven Berichterstattung<br />
vermitteln. Wer<strong>de</strong>n viele Details angegeben, dann meint mancher Zuhörer, hier hat<br />
man sich um Klarheit bemüht, das muss stimmen. Je mehr jemand sein Bemühen um<br />
Wahrheit betont, <strong>de</strong>sto mehr Misstrauen ist angebracht.<br />
Hin und wie<strong>de</strong>r lässt man mit Hilfe von Geheimdiensten etwas passieren und erregt<br />
damit eine allgemeine Empörung mit erwünschten Reaktionen. In dieser Hinsicht<br />
waren beson<strong>de</strong>rs die amerikanischen Politiker erfin<strong>de</strong>risch - man <strong>de</strong>nke z.B. an die<br />
Explosion <strong>de</strong>s Panzerkreuzers Maine im Hafen von Havanna zu Beginn <strong>de</strong>s Krieges<br />
um Kuba im Jahr 1898 (siehe Wikipedia). Da die amerikanischen Politiker sich als<br />
gute Demokraten gebär<strong>de</strong>n, sind sie zur Steuerung <strong>de</strong>r Bevölkerung im Sinne von<br />
Machterhalt und Machterweiterung auf ungewöhnliche Mittel angewiesen. In diesem<br />
Zusammenhang sei auf <strong>de</strong>n amüsanten Film „Wag the Dog“ mit <strong>de</strong>n bekannten<br />
Schauspielern Dustin Hoffmann und Robert <strong>de</strong> Niro hingewiesen.<br />
Noch ein weiteres, völlig untaugliches Bewertungskriterium, das <strong>de</strong>r Mensch im<br />
Laufe seiner Entwicklungsgeschichte erworben hat, ist erwähnenswert. Entschie<strong>de</strong>nes<br />
Auftreten wird von <strong>de</strong>n meisten Menschen -beson<strong>de</strong>rs von Frauen- als Zeichen von<br />
großer Sicherheit gewertet. Vielleicht ist dies <strong>de</strong>r Grund für die Anerkennung, die<br />
<strong>de</strong>m ehemaligen <strong>de</strong>utschen Verteidigungsminister von und zu Guttenberg bis zu<br />
seinem Rücktritt zuteil wur<strong>de</strong>. Wird eine Meinung mit Entschie<strong>de</strong>nheit vorgetragen,<br />
dann kann man damit rechnen, dass sie ohne Begründung hingenommen<br />
wird.Verständlich wird dies, wenn man be<strong>de</strong>nkt, dass in weit zurückliegen<strong>de</strong>n<br />
Zeiten die Kombination von Entschie<strong>de</strong>nheit und Dummheit nur geringe<br />
Überlebenschancen hatte. Diese gefühlsmäßige Bewertung führt in <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
dazu, dass Menschen an die Macht kommen, die ihre Entschie<strong>de</strong>nheit einer gewissen<br />
Unerfahrenheit und Oberflächlichkeit verdanken.<br />
Es ist mittlerweile Mo<strong>de</strong>, unerwünschte Informationen über verbrecherische<br />
Aktivitäten von mächtigen Geheimdiensten ohne vernünftige Argumente aber sehr<br />
entschie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m unpassen<strong>de</strong>n Begriff „Verschwörungstheorie“ als „Blödsinn“<br />
abzutun, <strong>de</strong>ssen sich <strong>de</strong>r Informant schämen sollte. Entschie<strong>de</strong>nheit soll wohl eine<br />
Begründung überflüssig machen. Diejenigen Leute, die so leichtfertig und oft<br />
überheblich mit <strong>de</strong>m Begriff „Verschwörungstheorie“ umgehen, sollte man darauf<br />
aufmerksam machen, dass es eine Vielzahl anerkannter historischer Tatsachen gibt,<br />
die ursprünglich mit <strong>de</strong>m Makel „Verschwörungstheorie“ versehen waren.<br />
Beispielhaft hierfür ist eine Geschichte um <strong>de</strong>n Mord <strong>de</strong>s amerikanischen Präsi<strong>de</strong>nten<br />
Kennedy, zu lesen in <strong>de</strong>r Fernsehzeitung tv-Hören und Sehen für die zweite<br />
Oktoberwoche 2012:
25<br />
„Wenn du das tust, bringen sie dich um", soll Joseph Kennedy seinem Sohn John F.<br />
gut fünf Monate vor <strong>de</strong>n tödlichen Schüssen in Dallas prophezeit haben. Doch <strong>de</strong>r<br />
35. US-Präsi<strong>de</strong>nt lässt sich nicht beirren: John F. Kennedy erlässt 1963 weitgehend<br />
unbemerkt ein Gesetz, das es ihm ermöglicht, Geld zu drucken. 4,2 Milliar<strong>de</strong>n US-<br />
Dollar wer<strong>de</strong>n vom Finanzministerium ausgegeben. Um die Tragweite dieser Aktion<br />
zu verstehen, muss man sich das eigenwillige Finanzsystem <strong>de</strong>r USA vor Augen<br />
führen. Die Geldscheine gehören nicht <strong>de</strong>n USA, son<strong>de</strong>rn einer Gruppe von<br />
Privatbanken, die sich 1913 zur Fe<strong>de</strong>ral Reserve Bank, kurz Fed,<br />
zusammengeschlossen haben. Der US-Staat hat nicht das Recht, selbst Geld zu<br />
drucken - das darf nur die Fed. Kennedys Dollars sind nicht wirklich Falschgeld,<br />
doch die Fed stellt es so dar - <strong>de</strong>nn es ist ein Generalangriff auf ihre Macht. Nach<br />
<strong>de</strong>r Ermordung Kennedys am 22. November 1963 besteht die erste Initiative seines<br />
Nachfolgers Lyndon B. Johnson darin, die in Umlauf gelangten Dollars, die er<br />
„Falschgeld" nennt, wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Verkehr zu ziehen.<br />
Erwähnenswert ist auch, dass ein Hinweis auf die mittlerweile allgemein bekannte<br />
Ausspähung Deutschlands durch <strong>de</strong>n amerikanischen Geheimdienste und <strong>de</strong>n<br />
Bun<strong>de</strong>snachrichtendienst (BND) früher meistens mit <strong>de</strong>m Wort<br />
„Verschwörungstheorie“ abgetan wur<strong>de</strong>.<br />
Die Meinungsvielfalt kann so reduziert wer<strong>de</strong>n, dass nur noch gängige und erlaubte<br />
Meinungen ausgetauscht wer<strong>de</strong>n, somit gar kein Zweifel über eine eventuell nicht<br />
vorhan<strong>de</strong>ne Meinungsfreiheit aufkommt.<br />
Hier muss betont wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Freiheitsbegriff subjektiver Natur ist.<br />
Der Mensch fühlt sich frei, wenn er sich an gegebene Grenzen gewöhnt hat und<br />
<strong>de</strong>shalb kein Bedürfnis verspürt, diese zu durchbrechen o<strong>de</strong>r wenn er das<br />
Erlaubte <strong>de</strong>rart verinnerlicht hat, dass er die ihm gesetzten Grenzen nicht<br />
erkennen kann.<br />
Die manchmal sehr kritiklose Übernahme von Meinungen aus <strong>de</strong>n Fernsehsendungen<br />
wird durch die geistige Passivität – die eigene Fantasie spielt nicht mit - begünstigt,<br />
welche sich bei alltäglichem, längeren Verweilen vor <strong>de</strong>m Fernsehapparat einstellt.<br />
Nur so kann man verstehen, dass unglaubwürdige Geschichten, wie die über das<br />
sogenannte „Zwickauer Mör<strong>de</strong>rtrio“, für wahr gehalten wer<strong>de</strong>n. Hierzu schreibt<br />
André F. Lichtschlag ,<strong>de</strong>r Herausgeber <strong>de</strong>r Zeitschrift „eigentümlich frei“ in seiner<br />
Novemberausgabe 2012:<br />
Nicht einmal mehr die Show ist gut!<br />
Kein Tag vergeht, an <strong>de</strong>m die hiesigen Propagandisten nicht über „neue<br />
Ungereimtheiten“ bei <strong>de</strong>r „Aufklärung“ <strong>de</strong>s „rechten Terrors“ berichten, so als ob<br />
dieser spürbar wütet. Tatsächlich gab es keinen rechten Terror zu <strong>de</strong>r Zeit, als die<br />
Taten begangen wur<strong>de</strong>n, die ihm heute zur Last gelegt wer<strong>de</strong>n. Denn „die<br />
Zwickauer“ waren, so wird uns nun erzählt, die ersten Terroristen <strong>de</strong>r<br />
Weltgeschichte, die auf ein politisches Bekenntnis zu Lebzeiten großzügig verzichtet<br />
haben. Das nach ihrem Tod ausgerechnet in linksextremen Kreisen plötzlich
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aufgetauchte „Bekennervi<strong>de</strong>o“ zeigt zwar Paulchen Panther, aber keine Bekenner. Es<br />
hätte je<strong>de</strong>r drehen können. Heute gibt es wie<strong>de</strong>r keinen rechten Terror, dafür aber die<br />
Dauerbotschaft über ihn, zufällig zu einer Zeit, in <strong>de</strong>r die politische Klasse samt<br />
ihrer jahrzehntelangen Schul<strong>de</strong>nwirtschaft vor <strong>de</strong>m Offenbarungseid steht. Hätte es<br />
<strong>de</strong>n verborgenen braunen Spuk nie im Nachhinein gegeben, man hätte ihn glatt<br />
erfin<strong>de</strong>n müssen. Wie praktisch auch, dass zwei <strong>de</strong>r drei Terroristen tot sind, bevor<br />
sie als solche in Erscheinung traten. Die Dritte, die ganz beson<strong>de</strong>rs unter Verdacht<br />
steht, mit <strong>de</strong>m Verfassungsschutz im Bun<strong>de</strong> zu sein, darf beharrlich schweigen wie<br />
Verena Becker. Und so ziemlich alle staatlichen Organisationen, die in <strong>de</strong>n Tatjahren<br />
in Tatnähe operierten, haben wie zufällig ganz versehentlich eine nach <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
ihre Akten vernichtet, von <strong>de</strong>nen es natürlich auch dummerweise heutzutage keine<br />
einzige elektronische Kopie gibt. Kurz: Für wie dumm hält man uns eigentlich?<br />
Schon die Räuberpistole von <strong>de</strong>r angeblichen Liquidierung Osama bin La<strong>de</strong>ns in <strong>de</strong>r<br />
Nacht <strong>zum</strong> 2. Mai 2011 – ohne jeglichen Beweis und mit anschließend recht<br />
nachhaltig betriebener vermeintlicher Versenkung <strong>de</strong>r Leiche an geheimer Stelle im<br />
weiten Ozean – ließ uns bitten, von Mächten und Medien doch wenigstens etwas<br />
anspruchsvoller veräppelt zu wer<strong>de</strong>n. Es gilt hier dasselbe wie über die Qualität <strong>de</strong>r<br />
heutigen Politiker im Vergleich zu <strong>de</strong>n Vorgängergenerationen: Nicht einmal mehr<br />
die Show ist gut! Die Zwickauer Legen<strong>de</strong> ist so gekonnt gedreht wie <strong>de</strong>r berüchtigte<br />
Mohammed-Film.<br />
Dabei ist auch <strong>de</strong>r „rechte Terror“ nur ein Aufguss <strong>de</strong>s „linken Terrors“ 30 bis 40<br />
Jahre zuvor. Auch dieser wäre, das weiß heute schon die offizielle<br />
Geschichtsschreibung, ohne staatliche Schützenhilfe – damals vorwiegend aus <strong>de</strong>m<br />
Osten – so nie möglich gewesen. Am En<strong>de</strong> stan<strong>de</strong>n Rasterfahndung und<br />
Staatsbekenntnis. Ein angeblich bis 2011 noch leben<strong>de</strong>r bin La<strong>de</strong>n musste Kriege<br />
legitimieren wie zuvor Saddams nie gefun<strong>de</strong>ne Massenvernichtungswaffen. Und<br />
abgesehen von <strong>de</strong>r Ablenkung vom Verkauf unseres Lan<strong>de</strong>s an Banken und<br />
Eurokratie dient die NSU-Story dazu, die Gleichschaltung im „Kampf gegen rechts“<br />
weiter voranzutreiben. Der große Fernsehzweiteiler „Der Turm“ machte jüngst noch<br />
mal <strong>de</strong>utlich, dass Denunziation in <strong>de</strong>r DDR als unwürdig angesehen und daher im<br />
Verborgenen und höchst verschämt betrieben wur<strong>de</strong>. Nun aber ist man stolz darauf,<br />
„Rechte“ (die Definition ist je<strong>de</strong>rzeit ausbaufähig bis hin <strong>zum</strong> entschie<strong>de</strong>n Liberalen)<br />
in <strong>Datei</strong>en zu registrieren, die womöglich sogar besser abgespeichert wer<strong>de</strong>n als jene<br />
zur NSU-Geschichte. Die Bevölkerung wird in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg unverhohlen<br />
aufgerufen, Nachbarn mit „rechtem Gedankengut“ zu mel<strong>de</strong>n – die Anonymität <strong>de</strong>s<br />
Denunzianten wird garantiert. Derweil diskutiert Nordrhein-Westfalen <strong>de</strong>n Entzug<br />
<strong>de</strong>s Waffenscheins bei unbotmäßiger Gesinnung. Morgen folgt <strong>de</strong>r Führerschein. Und<br />
übermorgen, wenn das Bargeld abgeschafft ist, die Kreditkarte. Das En<strong>de</strong> vom Lied<br />
heißt Nordkorea – und wir bieten Ihnen auch dazu in diesem Heft einen<br />
schauerlichen Einblick. Hoffentlich, liebe Leser, ist dieses Szenario allzu alarmistisch<br />
und übertrieben. Hoffentlich irre ich mich! Scha<strong>de</strong>n aber kann es sicher nicht,<br />
abschließend lieber einmal mehr als zu wenig <strong>de</strong>n Zeigefinger zu erheben: Kein<br />
Fußbreit <strong>de</strong>n politischen Ausbeutern mit und ohne Schlapphut! Mehr Freiheit!
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Mehrheitsmeinungen sind Mo<strong>de</strong>n vergleichbar. Was eine Mehrheit tut, wird als<br />
bewährt empfun<strong>de</strong>n. Vor einigen Jahren war in einer süd<strong>de</strong>utschen Universitätsstadt<br />
von einem promovierten Politologen in gehobener Position folgen<strong>de</strong>r Satz zu hören:<br />
Es ist nun einmal so in <strong>de</strong>r Demokratie, die Mehrheit hat immer Recht ! Diese<br />
Aussage erinnert an das alte DDR-Lied: „Die Partei, die Partei hat immer Recht.“<br />
Literaturhinweise:<br />
Konrad Lorenz: Das sogenannte Böse, Dr. G. Borotha-Schoeler-Verlag, Wien 1966<br />
Irenäus Eibl-Eibesfeldt: In <strong>de</strong>r Falle <strong>de</strong>s Kurzzeit<strong>de</strong>nkens, Piper-Verlag, München<br />
1998<br />
Rüdiger Safranski: Das Böse, Carl Hanser Verlag, München 1997<br />
Pascal Bruckner: Verdammt <strong>zum</strong> Glück. Der Fluch <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne, Aufbau Verlag,<br />
Berlin 2001<br />
Pascal Bruckner (aus <strong>de</strong>m Französischen von Michael Bayer): Der Schuldkomplex.<br />
Vom Nutzen und Nachteil <strong>de</strong>r Geschichte für Europa, Pantheon<br />
Jan Fleischhauer: Unter Linken. Von einem, <strong>de</strong>r aus Versehen konservativ wur<strong>de</strong>,<br />
Rowohlt-Verlag 2009<br />
Shlomo Sand: Die Erfindung <strong>de</strong>s jüdischen Volkes, Propyläen-Verlag, 2010<br />
Ulrich Wickert: Der Ehrliche ist er Dumme, Hoffmann und Campe Verlag , Hamburg<br />
1996<br />
Karin Pfeiffer: Wozu Grenzen ?, eigentümlich frei Nr. 126<br />
Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze, Piper-Verlag, München 1969