Schlechte Jugendschutz-Bilanz bei Testkäufen in ... - Lukas Werk
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<strong>Schlechte</strong> <strong>Jugendschutz</strong>-<strong>Bilanz</strong> <strong>bei</strong><br />
<strong>Testkäufen</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>beck<br />
Landkreis, Polizei und <strong>Lukas</strong>-<strong>Werk</strong>: <strong>Jugendschutz</strong> immer<br />
wieder <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> holen / Sieben von elf Geschäften<br />
verkaufen verbotenerweise<br />
»So habe ich mir E<strong>in</strong>beck heute nicht vorgestellt.« Thomas<br />
Keufner ist enttäuscht, und das lag nicht am wechselhaften<br />
Wetter, sondern an der <strong>Bilanz</strong>, die er und se<strong>in</strong> Testkäufer-Team<br />
ziehen mussten. Erneut hatte der Mitar<strong>bei</strong>ter des Fachbereichs<br />
Sicherheit und Ordnung <strong>bei</strong>m Landkreis Northeim geme<strong>in</strong>sam mit<br />
Thomas S<strong>in</strong>dram, Beauftragter für Präventionsar<strong>bei</strong>t und<br />
Jugendsachen <strong>bei</strong> der Polizei<strong>in</strong>spektion Northeim-Osterode,<br />
Jugendliche zu Alkohol-<strong>Testkäufen</strong> geschickt. Sieben von elf<br />
E<strong>in</strong>becker Verkaufsstellen, <strong>bei</strong> denen die Jugendlichen versuchten,<br />
Alkohol zu erwerben, gaben die Ware anstandslos heraus – viele<br />
nach e<strong>in</strong>em Blick auf den Personalausweis. Das sei, bedauern<br />
Keufner und S<strong>in</strong>dram, die geme<strong>in</strong>sam mit Johanna Pogodda vom<br />
<strong>Lukas</strong>-<strong>Werk</strong> Suchthilfe unterwegs waren, das bisher<br />
zweitschlechtestes Ergebnis aller Testkäufe.<br />
»<strong>Jugendschutz</strong>. E<strong>in</strong>beck macht mit«: Auch mit H<strong>in</strong>weis auf die aktuelle
Präventionskampagne haben Thomas Keufner vom Landkreis Northeim, Thomas<br />
S<strong>in</strong>dram von der Polizei<strong>in</strong>spektion Northeim-Osterode und Johanna Pogodda vom<br />
<strong>Lukas</strong>-<strong>Werk</strong> Suchthilfe -von l<strong>in</strong>ks- im R<br />
E<strong>in</strong>beck (ek). Jugendliche unter 16 Jahren dürfen nach dem<br />
<strong>Jugendschutz</strong>gesetz gar ke<strong>in</strong>en Alkohol kaufen. 16- und 17-Jährige dürfen<br />
Bier, We<strong>in</strong>, Sekt sowie Mixgetränke mit Bier und Sekt erwerben.<br />
Mixgetränke mit Spirituosen und auch Spirituosen s<strong>in</strong>d für sie tabu, sie<br />
s<strong>in</strong>d erst ab 18 erlaubt.<br />
Gleich <strong>bei</strong> der ersten Anlaufstelle hatten die Testkäufer<strong>in</strong>nen, zwei<br />
Schulpraktikant<strong>in</strong>nen der Polizei<strong>in</strong>spektion Northeim-Osterode und 15 und<br />
16 Jahre alt, zweifelhaften Erfolg: Sie erhielten e<strong>in</strong>e Flasche Wodka. Da<strong>bei</strong><br />
mussten sie ihren Ausweis zwar vorzeigen, das Kassenpersonal hatte aber<br />
falsch gerechnet. In der zweiten Verkaufsstelle wurde nicht e<strong>in</strong>mal nach<br />
dem Ausweis gefragt, die gewünschte Ware wurde über den Tresen<br />
gereichet. Ähnlich g<strong>in</strong>g es weiter an verschiedenen anderen Läden. Und<br />
immer wieder hörten die Mitar<strong>bei</strong>ter von Polizei, Landkreis und<br />
Suchtberatung da<strong>bei</strong> <strong>in</strong>teressante Ausreden, wenn es darum g<strong>in</strong>g, auf das<br />
Fehlverhalten h<strong>in</strong>zuweisen: Man habe sich verrechnet, konnte die Daten<br />
auf dem Ausweis nicht deutlich genug erkennen, war im Stress, habe das<br />
Alter e<strong>in</strong>fach nur geschätzt – und überhaupt sei es zum allerersten Mal<br />
passiert, dass Alkohol an Jugendliche verkauft wurde, sonst werde<br />
natürlich immer gewissenhaft der Ausweis kontrolliert.<br />
Elf Versuche und sieben Käufe, das sei e<strong>in</strong>e Quote von 63 Prozent und<br />
e<strong>in</strong>e schlechte <strong>Bilanz</strong> für den <strong>Jugendschutz</strong>, bedauert Thomas Keufner.<br />
»Nachdem wir <strong>in</strong> Uslar vor e<strong>in</strong>iger Zeit mal e<strong>in</strong>e Negativ-Quote von 85<br />
Prozent hatten, ist das der zweitschlechteste Wert überhaupt«, stellt er<br />
fest. Dass <strong>in</strong> sechs der sieben Verkaufsstellen, die Hochprozentiges<br />
verkauften, zuvor der Personalausweis kontrolliert wurde, dass das<br />
Verkaufspersonal aus den Daten aber die falschen Schlüsse gezogen hat,<br />
f<strong>in</strong>det er besonders alarmierend. »Wenn nichts passiert, können wir so<br />
viele Plakate drucken wie wir wollen: Das bleibt alles ohne Wirkung«,<br />
wünscht sich Johanna Pogodda gewissenhafteren Umgang mit dem<br />
<strong>Jugendschutz</strong>.<br />
Verbunden mit den Verstößen gegen das <strong>Jugendschutz</strong>gesetz ist e<strong>in</strong><br />
Bußgeld, das der Landkreis verhängt. Die Höhe hängt vom E<strong>in</strong>zelfall ab,<br />
die Anordnung von Zahlungen <strong>in</strong> vierstelliger Höhe ist aber möglich. Bei<br />
mehrfachen Verstößen wird es nicht nur für den direkten Verkäufer,<br />
sondern für das Geschäft <strong>in</strong>sgesamt spürbar, darauf weisen die Mitar<strong>bei</strong>ter<br />
ebenso h<strong>in</strong> wie auf weiterreichende Folgen: »Wenn Sie hier <strong>bei</strong>spielsweise<br />
e<strong>in</strong>e Flasche Wodka an M<strong>in</strong>derjährige verkaufen, die dann mit e<strong>in</strong>er<br />
Alkoholvergiftung <strong>in</strong>s Krankenhaus kommen, könnten Sie sich der<br />
fahrlässigen Körperverletzung schuldig machen«, warnt Thomas S<strong>in</strong>dram<br />
davor, dass es mit dem Kassiervorgang nicht getan ist. Aufklärungsar<strong>bei</strong>t<br />
ist deshalb im Rahmen der Testkäufe wichtig, ebenso wie der Blick <strong>in</strong> den<br />
Verkaufsraum, <strong>in</strong> dem die <strong>Jugendschutz</strong>bestimmungen gut sichtbar
aushängen müssen. Hilfestellung gibt es auch für »Problemfälle«: Wenn<br />
etwa Jugendliche das Diskutieren anfangen, hilft nur e<strong>in</strong> klares Ne<strong>in</strong> mit<br />
Verweis auf den <strong>Jugendschutz</strong>, und wenn e<strong>in</strong> Erwachsener vorgeschickt<br />
wird, um Alkohol für Jugendliche zu kaufen, sollte das Personal für alle<br />
Fälle nach Namen und Adresse fragen. »Sie haben das Hausrecht, sie<br />
entscheiden über den Verkauf«, macht S<strong>in</strong>dram deutlich. »Den Ausweis zu<br />
verlangen, muss ebenso selbstverständlich se<strong>in</strong>, wie nach der<br />
Kundenkarte zu fragen.«<br />
Viele Kassensysteme s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen mit e<strong>in</strong>er <strong>Jugendschutz</strong>prüfung<br />
ausgestattet, die automatisch das »richtige« Geburtsdatum angibt, das<br />
den Alkoholkauf erlaubt. »Das Alter stimmte nicht«, so die richtige<br />
Begründung e<strong>in</strong>er Supermarkt-Kassierer<strong>in</strong>, warum sie den Verkauf<br />
verweigert hat. Das war für die Testkauf-Aktion erfreulich, was sie auch<br />
deutlich gemacht haben, genau wie der fehlgeschlagene Versuch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Supermarkt, der <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em früheren Testkauf durchgefallen war: Man<br />
habe das Thema damals lange besprochen, erfuhren Keufner und<br />
S<strong>in</strong>dram, und die entsprechenden Schlüsse daraus gezogen. Neben<br />
Informationsmaterial zum <strong>Jugendschutz</strong> haben sie auch Rechenscheiben<br />
dort gelassen, wo Bedarf dafür vorhanden war. Außerdem haben sie die<br />
Vorgesetzten darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass regelmäßige Schulungen zum<br />
Thema <strong>Jugendschutz</strong> stattf<strong>in</strong>den müssen.<br />
Angefangen haben die Testkäufe 2008 <strong>in</strong> Hannover, sie wurden auch vom<br />
Innenm<strong>in</strong>isterium empfohlen. Der Landkreis Northeim hat damit 2009<br />
begonnen. Dies war seither der zehnte Test. 99 Verkaufsstellen wurden<br />
<strong>in</strong>zwischen aufgesucht: 47 Verkäufe haben stattgefunden, <strong>in</strong> 52 Fällen<br />
hatten die jungen Testkäufer ke<strong>in</strong>en Erfolg.<br />
»Das ist e<strong>in</strong> Anteil von fast fifty-fifty, und das ist nicht gut, zeigt es doch,<br />
dass wir weiterh<strong>in</strong> über <strong>Jugendschutz</strong>themen aufklären und auch <strong>bei</strong> der<br />
Abgabe von Alkohol an Jugendliche am Ball bleiben müssen«, stellt<br />
Thomas Keufner fest. »Es gibt noch viel zu tun«, kündigt er an. Bei<br />
früheren Aktionen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>beck waren die Ergebnisse deutlich positiver:<br />
2009 wurde nur an drei von elf Verkaufsstellen Alkohol herausgegeben,<br />
2010 waren es drei von neun Geschäften. Weitere Testkäufe s<strong>in</strong>d, gerade<br />
nach dem jüngsten Ergebnis, für E<strong>in</strong>beck geplant.