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Universität: Johannes Gutenberg-Universität (Mainz)<br />

Fachbereich: Sozialwissenschaften, Institut für Politikwissenschaft<br />

Seminar im Grundstudium: „Vergleichen<strong>de</strong> Regierungslehre“ (Aurel Croissant)<br />

Semester: Wintersemester ‘96/’97<br />

<strong>Hausarbeit</strong>: Das Parteisystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

Verfasser: Ingo Ostwald<br />

Adresse (Heim - und Semesteranschrift): Talstraße 68, 55218 Ingelheim<br />

Telefon: (06132) 88206<br />

Studienfächer: Mathematik und Sozialkun<strong>de</strong> (Lehramt)<br />

(jeweils 3. Semester)


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

Seite<br />

0. EINLEITUNG 1<br />

1. ENTWICKLUNG DES PARTEISYSTEMS 1<br />

1.1 Die Notwendigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung von Parteien 1<br />

1.2 Die Herausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratischen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Republikanischen Partei 1<br />

1.3 Politische Neu- und Umordnungsprozesse - Realignment und Dealignment<br />

2. PROGRAMMATIK UND SOZIALE BASIS DER PARTEIEN<br />

2.1 Programmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien<br />

a) Demokraten und Republikaner<br />

b) Dritte Parteien<br />

2.2 Sozialstrukturelle Aspekte <strong>de</strong>s Parteiwesens<br />

2.3 Bündnispolitik<br />

a) Bündnispolitik zwischen Parlament und Regierung<br />

b) Bündnispolitik innerhalb <strong>de</strong>s Parlaments<br />

3. ORGANISATIONSSTRUKTUR DER PARTEIEN<br />

3.1 Mitgliedschaft<br />

3.2 Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistische Struktur<br />

3.3 Parteien und Wahlen<br />

a) Kandidatennominierung<br />

b) Wahlkampffinanzierung<br />

4. FUNKTIONEN UND ROLLE DER PARTEIEN<br />

5. UNTERSUCHUNG NACH DEN KRITERIEN VON SATORI<br />

A. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS<br />

Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung


0. EINLEITUNG<br />

Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

In dieser <strong>Hausarbeit</strong> soll das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA, als ein Teilbereich <strong>de</strong>s politischen Sys-<br />

tems <strong><strong>de</strong>r</strong> USA, untersucht wer<strong>de</strong>n. Auf an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Teilbereiche, wie z.B. das Wahlsystem, wird<br />

nicht weiter eingegangen. 1 Kapitel 1 soll <strong>de</strong>n historischen Aspekt <strong><strong>de</strong>r</strong> Analyse <strong>de</strong>s Parteien-<br />

systems beleuchten, in <strong>de</strong>m die Entstehung und Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n wichtigsten und die<br />

Politik dominieren<strong>de</strong>n Parteien, sowie einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen im Parteigefüge darge-<br />

stellt wer<strong>de</strong>n. In Kapitel 2 wer<strong>de</strong>n die Programmatik und die soziale Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien unter-<br />

sucht. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Parteienvielfalt wer<strong>de</strong>n auch hierbei zunächst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die bei<strong>de</strong>n<br />

großen Parteien betrachtet, wobei insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong>en geringe i<strong>de</strong>ologische Trennschärfe zu<br />

Rolle und Programmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> im Anschluß untersuchten dritten Parteien überleiten und wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zu <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Parteienvielfalt zurückführen soll. Thema <strong>de</strong>s dritten Kapitels ist dann die<br />

Organisationsstruktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien. Hier wird auf Parteimitgliedschaft und die fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistische<br />

Struktur, sowie auf die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien bei Wahlen, insb. auf die Finanzierung <strong>de</strong>s Wahl-<br />

kampfs eingegangen. In Kapitel 4 wer<strong>de</strong>n die amerikanischen Parteien bzgl. <strong><strong>de</strong>r</strong> wesentlichen<br />

Funktionen, die Parteien in westlichen Demokratien erfüllen, untersucht. Abschließend wird<br />

in Kapitel 5 geprüft, inwiefern das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA als Zweiparteiensystem zu be-<br />

zeichnen ist.<br />

1. ENTWICKLUNG DES PARTEIENSYSTEMS<br />

Das amerikanische Parteiensystem ist gekennzeichnet durch eine sehr geringe Parteienviel-<br />

falt, die Demokratische und die Republikanische Partei 2 dominieren seit ihrer Gründung die<br />

Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigten Staaten. Dritte, meist sehr kleiner Parteien, sind - wenn überhaupt -<br />

nur regional von Be<strong>de</strong>utung.<br />

1 Zum Wahlsystem vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S. 460ff.<br />

2 Im folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die Parteien kurz als „Demokraten“ und „Republikaner“ bezeichnet.<br />

- 1 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

1.1 Die Notwendigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung von Parteien<br />

Die ersten Parteien entstan<strong>de</strong>n im Zuge von Revolutionen im 18. Jh., wo sich Großflächen-<br />

staaten <strong>de</strong>mokratisierten o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu <strong>de</strong>mokratisieren versuchten und die Selbstregierung <strong>de</strong>s Vol-<br />

kes nur mit Hilfe von Parteien zu verwirklichen war. Vorreiter hierbei waren die USA und<br />

Frankreich. Die ersten Parteien in <strong>de</strong>n USA dienten nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Artikulation und <strong>de</strong>s Aus-<br />

gleichs von Interessen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren auch funktional für die Zusammenführung dreizehn<br />

heterogener Staaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Union, dienten „als Bollwerke [...] gegen [...] Provinzialismus und<br />

Separatismus“ 3 . Im Zuge von Jacksons Demokratisierungs- und Antibürokratisierungskam-<br />

pagnen in <strong>de</strong>n 1830ern, die das Ziel hatten, Amtspositionen durch Wahl zu legitimieren, bil-<br />

<strong>de</strong>ten sich selbstzweckhafte Patronageparteien heraus, die primär ihre Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und An-<br />

hänger mit öffentlichen Ämtern und Aufträgen versorgten, die also in erster Linie als „Macht-<br />

erwerbsvehikel“ 4 dienten. Zu einem Parteiwan<strong>de</strong>l zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung<br />

gesamtgesellschaftlicher Zielperspektiven und zugunsten vermehrter Programmarbeit kam es<br />

durch grundlegen<strong>de</strong> Bürokratiereformen und Demokratisierungsten<strong>de</strong>nzen 5 , aber auch auf-<br />

grund <strong><strong>de</strong>r</strong> Zentralisierung wichtiger gesellschaftspolitischer Entscheidungen und durch wachsen<strong>de</strong><br />

Wohlfahrtsaufgaben <strong>de</strong>s Staates. 6<br />

1.2 Die Herausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratischen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Republikanischen Partei<br />

Kurz nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Verabschiedung <strong><strong>de</strong>r</strong> Unionsverfassung (1787) versuchte T.Jefferson alle Geg-<br />

ner <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen bun<strong>de</strong>sstaatlichen Ordnung zu bün<strong>de</strong>ln und zu organisieren. Die entstan<strong>de</strong>ne<br />

Volksbewegung, die unter <strong>de</strong>m Namen Republikaner auftrat und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anhänger auch als<br />

Anti-Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alisten bezeichnet wer<strong>de</strong>n, sprach sich in erster Linie für eine Stärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzel-<br />

staaten aus. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl Jeffersons zum Präsi<strong>de</strong>nten begann eine fast 60 Jahre anhalten<strong>de</strong><br />

Epoche, in <strong><strong>de</strong>r</strong> die Anti-Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alisten die Politik in <strong>de</strong>n USA bestimmten. In <strong>de</strong>n frühen<br />

1820er Jahren kam es zu einer Spaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei in die das rechte Parteienspektrum verkör-<br />

pern<strong>de</strong> National Republicans, auch Whigs genannt, und Demokratic Republicans, die an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

3 Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.438<br />

4 Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.439<br />

5 Hierzu zählen die Einführung von Vorwahlen (4.1) und gesetzliche Regelungen zur Parteifinanzierung (4.2).<br />

6 Zum vorangegangenen Absatz vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.440.<br />

- 2 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

anti-fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistischen Tradition festhielten, sich schließlich unter Jackson durchsetzten und<br />

seit<strong>de</strong>m unter <strong>de</strong>m Namen Demokratische Partei auftreten. Die heutige Republikanische Par-<br />

tei bil<strong>de</strong>te sich 1854 als nordstaatliche Sammlungsbewegung aus Resten <strong><strong>de</strong>r</strong> Whigs, <strong><strong>de</strong>r</strong> Free<br />

Soil Party und aus enttäuschten Demokraten in Opposition gegen die sklavereifreundliche<br />

Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokraten. In Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Spaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratischen Partei gewannen die Re-<br />

publikaner mit einem gemäßigt reformerischen Programm 1860 unter Lincoln die Präsi<strong>de</strong>nt-<br />

schafts- und Kongreßwahlen, woraufhin sich die Südstaaten von <strong><strong>de</strong>r</strong> Union ablöste, womit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

von 1861 bis 1865 andauern<strong>de</strong> Sezessionskrieg begann. 7 Noch lange Zeit nach diesem Bür-<br />

gerkrieg, <strong>de</strong>n die Nordstaaten gewannen, galten die Demokraten im Nor<strong>de</strong>n als Sezes-<br />

sionspartei, ihre Erfolge beschränkten sich auf Hochburgen in <strong>de</strong>n Südstaaten. Erst 1874 er-<br />

rangen sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Mehrheit im Kongreß, 1884 stellten sie mit Cleveland auch wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

einen Präsi<strong>de</strong>nten. 8<br />

1.3 Politische Neu- und Umordnungsprozesse: Realignment und Dealignment<br />

Häufig erfahren die Parteien in bestimmten Stammregionen einige Jahrzehnte lang eine kon-<br />

tinuierliche Unterstützung und entwickeln dabei unterschiedliche, i<strong>de</strong>ologisch nicht weit von-<br />

einan<strong><strong>de</strong>r</strong> entfernte Programmpositionen. In gewissen Zeitabstän<strong>de</strong>n kommt es jedoch zu sog.<br />

realignments, Machtverschiebungen im etablierten Parteigefüge, politische Neuordnungen,<br />

die die traditionellen Parteigrenzen und -programme sprengen. Solche realignments entstehen<br />

im wesentlichen durch sozialstrukturelle Verschiebungen, sowie durch Bewußtseinsverän<strong>de</strong>-<br />

rung und Wertewan<strong>de</strong>l, häufig hervorgerufen durch spezifische Reaktionen auf politische<br />

Ereignisse. Beispiele hierfür sind <strong><strong>de</strong>r</strong> Vietnam-Krieg, die Watergate-Affäre und die von vie-<br />

len Amerikanern als krisenhaft empfun<strong>de</strong>ne Wucherung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialstaats. Hat sich schließlich<br />

„die Neuausrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> parteipolitischen Machtverhältnisse im Herrschaftssystem verfestigt,<br />

ist damit auch die traditionelle Stabilität im Zweiparteiensystem wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingekehrt.“ 9<br />

Ein Beispiel für ein realignment ist die Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Roosevelt-Koalition 1933. Sie entstand<br />

nach<strong>de</strong>m zwischen 1928 und 1932 die Republikanische Administration unter Hoover nicht in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lage war, die Wirtschaftskrise in <strong>de</strong>n Griff zu bekommen, die innerhalb kurzer Zeit Mas-<br />

7 Zum Bürgerkrieg vgl. Dippel, S.40ff.<br />

8 vgl. Brockhaus, Band 4, S.406, Band 15, S.689 und Band 17, S.353; vgl. auch Helms, S.79f.<br />

- 3 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

senarbeitslosigkeit und -elend verursachte, und setzte sich zusammen aus <strong>de</strong>njenigen, die un-<br />

ter <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftskrise am meisten litten. Hierzu gehörten neben Kleinbauern und Pächtern<br />

vor allem Großstadtbewohner, (Industrie-)Arbeiter und Angestellte, so daß sich die Demokra-<br />

ten mit <strong>de</strong>m New Deal zunehmend von <strong><strong>de</strong>r</strong> ländlichen Bevölkerung ab- und <strong><strong>de</strong>r</strong> urbanen Be-<br />

völkerung <strong><strong>de</strong>r</strong> stärker industrialisierten Nordstaaten zuwandten. Der New Deal sicherte bis<br />

1952 die Wahlerfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokraten und blieb noch bis 1964 ein taugliches Zielgruppen-<br />

konzept für die Partei. Als weiteres realignment könnte man das Abbröckeln <strong><strong>de</strong>r</strong> Roosevelt-<br />

Koalition und die damit verbun<strong>de</strong>ne Abkehr von <strong>de</strong>n Demokraten bezeichnen. 10<br />

Insgesamt profitiert das System von realignments, <strong>de</strong>nn zum einen gewährleisten sie durch<br />

<strong>de</strong>n Austausch politischer Eliten Machtbalance und Herrschaftskontrolle, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en kana-<br />

lisieren sie gesellschaftliche Spannungen, ohne daß dies zu institutionengefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Auswir-<br />

kungen führt. Dagegen ist ein <strong>de</strong>alignment, eine Wegorientierung vom bestehen<strong>de</strong>n politi-<br />

schen System o<strong><strong>de</strong>r</strong> von Teilen <strong>de</strong>ssen, als systemgefähr<strong>de</strong>nd einzustufen. Zeichen für ein<br />

mögliches <strong>de</strong>alignment lassen sich <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit beobachten, die starke Stimmenfluktuation zwi-<br />

schen <strong>de</strong>n Parteien und das vermehrte Stimmensplitting (d.h. <strong><strong>de</strong>r</strong> Wähler entschei<strong>de</strong>t sich bei<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi<strong>de</strong>nten- und bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kongreßwahl für unterschiedliche Parteien) bei gleichzeitig sin-<br />

ken<strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlbeteiligung lassen auf eine allgemeine Ungebun<strong>de</strong>nheit an die traditionellen Par-<br />

teien und Strukturen schließen.<br />

2. PROGRAMMATIK UND SOAZIALE BASIS DER PARTEIEN<br />

2.1 Programmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien<br />

a) Demokraten und Republikaner<br />

Die bei<strong>de</strong>n großen Parteien, die Demokratische und die Republikanische Partei, haben keine<br />

verbindlichen Parteiprogramme. Da es, gera<strong>de</strong> aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Größe <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s und <strong><strong>de</strong>r</strong> Par-<br />

teien, unmöglich ist, „ein Programm aufzustellen, das <strong>de</strong>n Interessen und wünschen aller<br />

Regionen und Gruppen entspricht, versuchen die Parteien stets, ihre Programme so allgemein<br />

9 Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.440. Zum Begriff Zweiparteiensystem vgl. Kapitel 5 dieser Arbeit.<br />

10 Zu <strong>de</strong>n einzelnen realignment-Phasen vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.441<br />

- 4 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

wie möglich zu halten.“ 11 Zwar wer<strong>de</strong>n Parteitagen sog. platforms verabschie<strong>de</strong>t, diesen<br />

kommt jedoch keinerlei Verbindlichkeit zu, da sie nur <strong>de</strong>n kleinsten gemeinsamen Nenner <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

unterschiedlichen Interessen darstellen. Traditionen und allgemeine Zielvorstellungen sind<br />

daher die einzigen, aber vagen Anhaltspunkte für ihre Programmatik. Wesentliche Differen-<br />

zen fin<strong>de</strong>n sich lediglich „in konträren Einschätzungen einer liberalen o<strong><strong>de</strong>r</strong> restriktiven Han-<br />

<strong>de</strong>lspolitik und in Fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbsüberwachung [..., also] um interessenspolitische<br />

Positionen bestimmter Produzentengruppen“ 12 , nicht um gesellschaftliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologische<br />

Grundsatzfragen. So stellt z.B. keine <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n großen Parteien das bürgerlich-kapitalistische<br />

System <strong><strong>de</strong>r</strong> USA in Frage. Hierfür lassen sich verschie<strong>de</strong>ne Grün<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n: Zum einen machte<br />

die verfassungsmäßige Trennung von Kirche und Staat die Bildung religiöser Weltanschau-<br />

ungsparteien überflüssig, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en hatte die Gesellschaft „im Revolutionsgeschehen<br />

‘ständische’ Strukturen überwun<strong>de</strong>n und sich <strong>de</strong>m Egalitätsprinzip verpflichtet“ 13 . Darüber<br />

hinaus konnten Klassenkonflikte durch die lange Zeit nach Westen hin offene Grenze ge-<br />

dämpft wer<strong>de</strong>n. Insgesamt ist also eine Charakterisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien nur mit geringer<br />

Trennschärfe möglich, häufig wer<strong>de</strong>n jedoch die Demokraten als „liberal“ und die Republikaner<br />

als „konservativ“ bezeichnet. 14<br />

Die Demokratische Partei gilt heute als Partei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Entgegen <strong>de</strong>m Glauben an<br />

die Selbstregulierung durch <strong>de</strong>n Markt befürworten sie eine aktive „Intervention in das gesell-<br />

schaftliche Gefüge, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen“ 15 . Die Regierung tritt <strong>de</strong>mnach als<br />

maßgeblicher wirtschaftlicher Akteur auf, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Absicht, Privatunternehmen wie Regie-<br />

rungsbehör<strong>de</strong>n aller Selbstverwaltungsebenen stärker <strong><strong>de</strong>r</strong> soziale Verantwortung zu unterwer-<br />

fen. Maßgebliche Ziele sind die Verringerung <strong>de</strong>s ökonomischen Risikos für Alte und Kranke<br />

und die soziale Chancengleichheit auch für ethnische und rassische Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten. Gemäß<br />

dieser Zielsetzung brachte die Politik von Roosevelt in <strong>de</strong>n 30er und Johnson in <strong>de</strong>n 60er Jah-<br />

ren sozialstaatliche Strukturen hervor, die jedoch einheitliche Verhältnisse in <strong>de</strong>n Unionsstaa-<br />

ten voraussetzten. Hieraus ergibt sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um die Notwendigkeit einer Beschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Machtbefugnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Unionsstaaten zugunsten einer gewissen Zentralisierung, wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> es<br />

11 Helms, S. 84<br />

12 Hartmann, S.86<br />

13 Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.439<br />

14 vgl. Hartmann, S.86<br />

15 Hartmann, S.86<br />

- 5 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> New-Deal-Politik (Roosevelt) und beim Great-Society-Programm (Johnson)<br />

zu Verfassungskonflikten kam.<br />

Roosevelt und Johnson sind Vertreter <strong>de</strong>s Klassischen Liberalismus, einer <strong><strong>de</strong>r</strong> zwei verschie-<br />

<strong>de</strong>ne liberale Strömungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratischen Partei, die während <strong><strong>de</strong>r</strong>en Präsi<strong>de</strong>nt-<br />

schaft, am stärksten war. Zu <strong>de</strong>n Anhängern zählen vor allem die untere Mittelschicht und<br />

Arbeiter. Liberal sind Klassisch-Liberale in erster Linie bei ökonomischen Fragestellungen,<br />

bei Fragen bzgl. Gesetz und Ordnung (law and or<strong><strong>de</strong>r</strong>), Ökologie o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> USA in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Welt gelten sie dagegen als eher konservativ, vertreten <strong>de</strong>n American way of life. So beto-<br />

nen sie z.B. die führen<strong>de</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> USA unter <strong>de</strong>n nicht-kommunistischen Staaten und be-<br />

fürworten eine expansive Industrieproduktion. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Respekt haben sie vor christlichen<br />

Moralgrundsätzen.<br />

Die zweite Strömung ist <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n 60er Jahren entstan<strong>de</strong>ne Neue Liberalismus, <strong>de</strong>ssen An-<br />

hängerschaft in erster Linie in <strong><strong>de</strong>r</strong> gehobenen Mittelschicht zu fin<strong>de</strong>n ist, insb. bei Intellektu-<br />

ellen und Stu<strong>de</strong>nten, dafür weniger bei gewerblich Tätigen. Er betont das Politische und das<br />

Kulturelle gegenüber <strong>de</strong>m Ökonomischen stärker. Die Diskriminierung rassischer Min<strong><strong>de</strong>r</strong>hei-<br />

ten soll verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t und die verfassungsmäßige und gesetzliche Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlech-<br />

ter in Beruf und Privatleben erreicht wer<strong>de</strong>n. Auch Umwelt- und Naturschutz sind wichtige<br />

Aspekte <strong>de</strong>s Neuen Liberalismus. Bzgl. <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft for<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>ssen Vertreter vor allem<br />

größere Transparenz bei Geschäftspraktiken von Banken und Unternehmen. Darüber hinaus<br />

wird <strong><strong>de</strong>r</strong> politische Rang <strong>de</strong>s Militärs kritisiert und ein Interventionsverzicht <strong><strong>de</strong>r</strong> USA in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Dritten Welt gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 16<br />

Auch bei <strong>de</strong>n Republikanern lassen sich in Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> New-Deal-Politik zwei Lager erkennen:<br />

Fundamentalistische und Gemäßigte Konservative. Die Fundamentalistischen Konservativen,<br />

häufig auch als Ultrakonservative bezeichnet, sind das traditionelle Lager <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei. Die<br />

wichtigsten Vertreter sind Goldwater und Reagan. Vertreten wer<strong>de</strong>n klassisch-liberalistische<br />

Wirtschaftsprinzipien, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Betonung erhält <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Laissez-faire-Liberalismus, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

eine Einmischung in das freie Spiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Marktkräfte für nicht legitim hält, da zum einen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Antrieb für ökonomisch Schwächere, ihre Situation mittels entsprechend harter Arbeit und<br />

Verzicht zu verbessern, außer Kraft gesetzt wird und dies außer<strong>de</strong>m zu einer Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

16 Zur Programmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokraten vgl. Hartmann, S.87f. und S.96<br />

- 6 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

unionsstaatlichen Autonomie führen wür<strong>de</strong>. Deshalb stieß z.B. Roosevelts New Deal auf ge-<br />

nerelle Ablehnung.<br />

Seit <strong>de</strong>n 50er Jahren gibt es auch einen gemäßigt konservativen Flügel, am <strong>de</strong>utlichsten ver-<br />

treten von Eisenhower, Nixon und Ford. Er befürwortet die Fortschreibung bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> (po-<br />

pulärer) sozialstaatlicher Einrichtungen, jedoch verbun<strong>de</strong>n mit Restriktionen; so durften sozi-<br />

alpolitisch bedingte Haushaltsbelastungen nicht steigen; <strong>de</strong>s weiteren sollte die Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bun<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n, bei gleichzeitiger Fortführung von Finanzhilfen für Unionsstaaten, verrin-<br />

gert wer<strong>de</strong>n. „Chancengleichheits- und Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenschutzprogramme sollten die wirtschaft-<br />

liche und kulturelle Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht-diskriminierten Bürger so wenig wie möglich antas-<br />

ten.“ 17 Ein charakteristisches Beispiel hierfür ist die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach einem Verbot <strong>de</strong>s sog.<br />

busings, <strong><strong>de</strong>r</strong> planvollen Integration von farbigen und weißen Schulkin<strong><strong>de</strong>r</strong>n in gemeinsamen<br />

Klassen. 18<br />

b) Dritte Parteien<br />

Da die bei<strong>de</strong>n großen Parteien kaum i<strong>de</strong>ologisch geprägt sind, besteht auch kein großer „Be-<br />

darf“ an i<strong>de</strong>ologischen Alternativen. Aus diesem Grund besitzen die nur sporadisch auftreten-<br />

<strong>de</strong>n dritten Parteien eher Bewegungscharakter; meist han<strong>de</strong>lt es sich um sog. Single-Issue-<br />

Parteien, Parteien also, die sich nur mit einem Thema o<strong><strong>de</strong>r</strong> Themenkomplex befassen und sich<br />

von <strong>de</strong>n großen Parteien gewöhnlich auch nur durch eine extreme Meinung bzgl. ihres The-<br />

mengebiets unterschei<strong>de</strong>n, woraus auch ihre Kurzlebigkeit resultiert. 19 Dieser Fixierung auf<br />

einen Themenkomplex entsprechend verfügen dritte Parteien häufig über eine größere pro-<br />

grammatische und personelle Homogenität als die bei<strong>de</strong>n großen Parteien. Beispiele für Sin-<br />

gle-Issue-Parteien sind die Farmer-Labor-Party (Minessota), die Progressive Party (Wisconsin),<br />

die American Party und die Prohibitionspartei. 20<br />

Häufig sind dritte Parteien Abspaltungen von <strong>de</strong>n großen Parteien (z.B. die States’ Rights<br />

Party o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Dixieland Party), z.T. aber auch Parteien, die eine <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n großen Parteien<br />

ablösen wollen und mitunter auch eine Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Systems anstreben. Solche Parteien<br />

17 Hartmann, S.89<br />

18 zur Programmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> Republikaner vgl. Hartmann, S.88f.<br />

19 vgl. Hartmann, S. 90 und S.109<br />

20 Dies und die folgen<strong>de</strong>n Beispiele sind Hartmann, S.90 und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.441ff. entnommen.<br />

- 7 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

fin<strong>de</strong>n sich sowohl im linken (z.B. die People´s Party 21 , die 1890 gegrün<strong>de</strong>te, einen radikalen<br />

Internationalismus vertreten<strong>de</strong> Socialist Labor Party o<strong><strong>de</strong>r</strong> die 1919 gegrün<strong>de</strong>te, stark moskau-<br />

fixierte Communist Party) als auch im rechten Spektrum (z.B. die rechtsextreme Partei Or<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

of the Star Spangled Banner, auch bekannt als Know Nothing Party, <strong><strong>de</strong>r</strong> Ku-Klux-Klan, die<br />

American Nazi Party, die faschistoi<strong>de</strong> John Birch Society o<strong><strong>de</strong>r</strong> die anti-kommunistische und<br />

rassistische Christian Crusa<strong>de</strong> Organisation). Systemfeindliche Parteien bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Richtungen<br />

konnten jedoch nie nennenswerte Erfolge verbuchen. Zwar konnten z.B. die Sozialisten bei<br />

<strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>ntenwahlen 1912 6% <strong><strong>de</strong>r</strong> Wählerstimmen auf ihren Kandidaten Debs vereinigen,<br />

das System wur<strong>de</strong> aber, entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>väter, „daß die pluralisti-<br />

sche Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft und die gewaltenteilige Ordnung in vertikaler und horizontaler<br />

Richtung radikale Mehrheiten mit systemsprengen<strong>de</strong>n Ambitionen verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>n“ 22 , nie<br />

das System gefähr<strong>de</strong>n. 23 Dennoch haben sie genug Anhänger, um die etablierten Parteien, die<br />

ihr Machtmonopol behaupten wollen, zu einer programmatischen Einbeziehung bestimmter<br />

Positionen zu zwingen. So setzte z.B. die 1872 gegrün<strong>de</strong>te Prohibitionspartei die große Par-<br />

teien so unter Druck, daß es 1919 zum 18. Verfassungszusatz kam, <strong><strong>de</strong>r</strong> vorübergehend Her-<br />

stellung, Transport und Verkauf von Alkohol generell verbot. 24 Diese Flexibilität <strong><strong>de</strong>r</strong> großen<br />

Parteien kann als Stärke aufgefaßt wer<strong>de</strong>n, insofern, daß sie sich relativ schnell <strong>de</strong>n Gegeben-<br />

heiten anpassen (müssen), aber auch als Schwäche, „weil es nicht zur Bildung von echten,<br />

einheitlichen nationalen Parteien kommt.“ 25 Einige Parteien verfolgen auch das Ziel, eine<br />

Wahlmännermehrheit im Electoral Collage zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, womit das Repräsentantenhaus das<br />

Präsi<strong>de</strong>ntenwahlorgan wäre, wozu es jedoch noch nie kam. 26<br />

21<br />

Diese vor allem in <strong>de</strong>n 1880ern wichtige Partei, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anhänger oft auch als Populisten bezeichnet wur<strong>de</strong>n,<br />

vertrat eine agrarreformerische, sozialistisch-nativistische und kosmopolitische Einstellung und hatte vor allem<br />

Erfolg bei Farmern im Westen und Sü<strong>de</strong>n, die sich vor <strong><strong>de</strong>r</strong> machtvollen Dynamik <strong><strong>de</strong>r</strong> Industriegesellschaft<br />

fürchteten. Ab <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong> war sie programmatisch kaum noch von Demokraten zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

(vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.443)<br />

22<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.443<br />

23<br />

Trotz ihrer stärkeren programmatischen Schärfe und organisatorischen Konsistenz waren auch die linksgerichteten<br />

Parteien bedingt durch häufige Parteispaltungen, staatliche Restriktionen und anti-kommunistische<br />

Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewerkschaften relativ erfolglos; zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n Klassenkonflikte auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene gemeinsamer<br />

kapitalistischer und liberaler Überzeugung ausgespielt. (vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA S.444f.)<br />

24<br />

vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.441<br />

25<br />

Helms, S.84<br />

26<br />

vgl. Hartmann, S.109<br />

- 8 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

Nicht übertragen lassen sich die obigen Feststellungen auf die Einzelstaatsebene. Hier sind<br />

dritte Parteien wesentlich erfolgreicher; aufgrund dritter Parteien, die sich über mehrere Legislaturperio<strong>de</strong>n<br />

hinweg behaupten konnten, formierten sich mitunter Mehrparteiensysteme. 27<br />

2.2 Sozialstrukturelle Aspekte <strong>de</strong>s Parteiwesens<br />

Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> in 2.1 erläuterten relativen Heterogenität innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien, <strong><strong>de</strong>r</strong> programmati-<br />

schen Profilschwäche und <strong><strong>de</strong>r</strong> generellen Übereinstimmung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> bezüglich <strong>de</strong>s bürgerlich-<br />

kapitalistischen Systems gibt es im Parteifeld <strong><strong>de</strong>r</strong> USA sozialstrukturell-i<strong>de</strong>ologische Diffe-<br />

renzen, aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong>er sich (wenigstens temporär) gesellschaftspolitische Koalitionen her-<br />

ausbil<strong>de</strong>n, welche sich auch in parteipolitischen Fronten und machtpolitischen Konstellatio-<br />

nen nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlagen. Diese Differenzen sind an <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n „Mythen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien ablesbar:<br />

Die Republikaner sehen sich als die Grand Old Party, größtes Vorbild ist Lincoln. Die Partei<br />

vertritt die sog. first principals, die uramerikanischen Werte und Leitbil<strong><strong>de</strong>r</strong> wie Individualis-<br />

mus, Pioniergeist, Anti-Zentralismus, Anti-Bürokratismus, Familiensinn und Nachbarschafts-<br />

geist. Ihre Anhängerschaft konzentriert sich auf sozial Bessergestellte, Oberschichten und<br />

Farmer, wichtigster Kulturkreis sind angelsächsisch-nor<strong>de</strong>uropäisch geprägten Protestanten,<br />

die vor allem die oberen Schichten dominierten. Die größten Erfolge haben sie in Kleinstäd-<br />

ten und ländlichen Regionen, vorwiegend in <strong>de</strong>n Nordstaaten. Die Demokraten gelten aus<br />

ihrer Sicht als Sammelsurium radikaler Linksgruppen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Wirtschafts- und Sozialpolitik<br />

verhängnisvolle Konsequenzen für das soziopolitische System <strong><strong>de</strong>r</strong> USA hat.<br />

Die Demokraten gelten als Partei <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratisierung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit und <strong>de</strong>s Fortschritts.<br />

Vorbil<strong><strong>de</strong>r</strong> sind die „großen Amerikaner“ Jefferson, Jackson, Wilson und Roosevelt. Ihre An-<br />

hängerschaft setzt sich zusammen aus ökonomisch, sozial, kulturell und historisch Benachtei-<br />

ligten, Arbeitern, kleinen und mittleren Angestellten, Kleinbauern, Pächtern, Kleingewerbe-<br />

treiben<strong>de</strong>n, abhängig Beschäftigten, ökonomisch Schwächeren, Schwarzen und Hispano-<br />

Amerikanern, wichtigster Kulturkreis Katholiken, Einwan<strong><strong>de</strong>r</strong>er aus Irland, Italien und Osteu-<br />

ropa, die meist in unteren Schichten arbeiten. Die größten Erfolge haben sie vorwiegend in<br />

Südstaaten aufgrund <strong>de</strong>s hohen Schwarzenanteils und <strong><strong>de</strong>r</strong> verarmten weißen Landbevölke-<br />

rung, die sich durch <strong>de</strong>n Nor<strong>de</strong>n ausgebeutet fühlte, in Nordstaaten beschränken sich größere<br />

27 Zur Einordnung <strong>de</strong>s Parteiensystems <strong><strong>de</strong>r</strong> USA vgl. Kapitel 5 dieser Arbeit.<br />

- 9 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

Erfolge auf die schwarze Stadtbevölkerung in Industriezentren und Großstädten, die zwar<br />

rechtlich nicht diskriminiert wur<strong>de</strong>, aber zu <strong>de</strong>n ökonomisch Schwachen zählten. (im Sü<strong>de</strong>n<br />

gab es viele Vorurteile gegen Katholiken, Großstädte und Gewerkschaften) Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Demokraten gelten die Republikaner als Parte <strong>de</strong>s Egozentrismus, <strong><strong>de</strong>r</strong> Ellenbogengesinnung<br />

und <strong>de</strong>s elitären Gehabes <strong><strong>de</strong>r</strong> oberen Zehntausend.<br />

2.3 Bündnispolitik<br />

In <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n großen Parteien existiert keine einheitliche Weltanschauung unter <strong>de</strong>n Reprä-<br />

sentantenhausmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n einer Partei. So sind z.B. Südstaaten-Demokraten oft konservativ<br />

und in ihrer Weltanschauung <strong>de</strong>n Republikanern recht nah. Liberale gibt es in bei<strong>de</strong>n Partei-<br />

en, sie sind jedoch parteiübergreifend in zwei Lager gespalten, wobei die Neuen Liberalen in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit sind. Dementsprechend gibt es keinen Fraktionszwang, zumal dieser auch<br />

nicht damit vereinbar wäre, daß die Senatoren und Abgeordneten sich für ihr Abstimmungs-<br />

verhalten <strong>de</strong>n Wählern in ihrem Wahlkreis gegenüber verantworten müssen. In Minnesota<br />

und Nebraska wer<strong>de</strong>n die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien nicht einmal auf <strong>de</strong>n Wahlzettel genannt, die<br />

Parlamente wer<strong>de</strong>n als „Gesetzesorgane ohne Parteien“ 28 beschrieben. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n<br />

meisten europäischen Demokratien gibt es auch keine Koalitionen zwischen <strong>de</strong>n Parteien,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n parteiübergreifen<strong>de</strong> Absprachen. Dementsprechend kann man auch nicht „von einer<br />

Opposition im europäischen Sinne sprechen [...]; statt von einer Oppositionspartei spricht<br />

man von einer Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitspartei“ 29 , Bündnispolitik geschieht somit auf Repäsentatenebene<br />

und bezüglich einzelner Sachfragen und Themenbereiche. Dies ist für die Handlungsfähigkeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> verfassungsrechtlich festge-<br />

schriebenen Trennung von Exekutive und Legislative lassen sich nämlich zwei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Machtkonstellationen zwischen Regierung und Parlament herauskristallisieren, das party<br />

gouvernment, bei <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Partei angehört wie die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Reprä-<br />

sentantenhausmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>, und das split gouvernment, bei <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nt und die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Repräsentanten unterschiedlichen Parteien angehören. So dominierten die Demokraten bis zur<br />

Ära Clinton fast immer das Repräsentantenhaus, wogegen die Parteizugehörigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi-<br />

28 Rö<strong><strong>de</strong>r</strong>, S.268<br />

29 Helms, S.97<br />

- 10 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

<strong>de</strong>nten häufig alternierte; es kam also schon häufig zum split gouvernment. Dieses kann, muß<br />

aber nicht zwingend zu Handlungsunfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung führen. Vielmehr muß <strong><strong>de</strong>r</strong> Prä-<br />

si<strong>de</strong>nt für seine Vorschläge entsprechen<strong>de</strong> Mehrheiten im Repräsentantenhaus fin<strong>de</strong>n, ist also<br />

auf Bündnispolitik mit <strong>de</strong>n Abgeordneten angewiesen. So lehnten z.B. die Südstaaten-<br />

Demokraten die New-Deal-Politik und <strong>de</strong>n linken Internationalismus ab und stimmten in <strong>de</strong>n<br />

80er Jahren für entsprechen<strong>de</strong> Gesetzesinitiativen <strong>de</strong>s Republikaners Reagan. 30<br />

3. ORGANISATIONSSTRUKTUR DER PARTEIEN<br />

Die Parteien <strong><strong>de</strong>r</strong> USA sind locker organisierte Verflechtungen wirtschaftlicher, sozialer und<br />

ethnischer Interessensgruppen. Es han<strong>de</strong>lt sich um Koalitionen heterogener, einzelstaatlicher,<br />

lokaler Interessen, die sich im wesentlichen nur zu nationalen Wahlzeiten bün<strong>de</strong>ln, also nur<br />

auf relative Dauer angelegte Gruppenkoalitionen<br />

3.1 Mitgliedschaft<br />

Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Parteien in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland kennen die Parteien <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

USA keine organisierte Parteimitgliedschaft. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> müssen we<strong><strong>de</strong>r</strong> regelmäßigen<br />

Beitragspflichten nachkommen, noch gibt es formelle Aufnahme- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausschlußverfahren.<br />

So konnten sich z.B. 1972 58 prominente Demokraten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegung Democrats for Nixon<br />

<strong>de</strong>n republikanischen Kandidaten aussprechen, ohne einen Parteiausschluß wegen Unterstüt-<br />

zung <strong><strong>de</strong>r</strong> gegnerischen Partei befürchten zu müssen. Eine Parteimitgliedschaft be<strong>de</strong>utet eine<br />

gefühlsmäßige Bindung von Individuen und Gruppen an die jeweilige Partei. Diese Bindung<br />

kann als nicht rationalisiert betrachtet wer<strong>de</strong>n, da sie, entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Trennschärfe<br />

zwischen <strong>de</strong>n Parteien, meist nicht i<strong>de</strong>ologisch o<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund <strong>de</strong>s Parteiprogramms fundiert<br />

ist. Parteimitgliedschaft <strong>de</strong>finiert sich also über kalkulierbare Regelmäßigkeit <strong>de</strong>s Abstim-<br />

mungsverhaltens, gelegentliche Spen<strong>de</strong>nbereitschaft und Registrierung für Vorwahlen. Par-<br />

teien bestehen somit aus politischen Amtsträgern und aus politisch aktiven Bürgern, die an<br />

30 vgl. Rö<strong><strong>de</strong>r</strong>, S.267f. und Hartmann, S.109ff.<br />

- 11 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

parteiinternen Wahlen teilnehmen, „sind [also] weitgehend mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sie<br />

operieren, verschmolzen“ 31 .<br />

3.2 Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistische Struktur<br />

Die Parteien <strong><strong>de</strong>r</strong> USA sind weitgehend <strong>de</strong>zentral organisiert. Sie bestehen aus programma-<br />

tisch und personalpolitisch mitunter stark divergieren<strong>de</strong>n lokalen und regionalen Parteiinstan-<br />

zen, in je<strong><strong>de</strong>r</strong> Stufe (Stadt, Bezirk, Staat) in Komitees organisiert, die auf ihre Autonomie po-<br />

chen. Auf Bun<strong>de</strong>sebene sind die Parteien lediglich im Kongreß und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sadministra-<br />

tion ständig vertreten. Aufgrund dieser aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>zentralen Struktur resultieren<strong>de</strong>n schwachen<br />

bun<strong>de</strong>sweiten Verfestigung gibt es keine Willensbildung „von oben“, keine Parteispitze, die<br />

konkrete Leitlinien für die Politik in <strong>de</strong>n unteren Ebenen vorgibt. Auf nationaler Ebene gibt<br />

es lediglich <strong>de</strong>n Nationalausschuß (National Committee), <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sparteitag (National Con-<br />

vention), Wahlkampfkomitees für Kongreß- und Senatorenwahlen (Congressional bzw. Sena-<br />

torial Campaign Committee) und Parteibüros, die die Parteien in Washington unterhalten.<br />

Der Nationalausschuß setzt sich zusammen aus Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Unionsstaaten, wobei<br />

die Stimmenzahl pro Unionsstaat bis in die 70er Jahre von <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerungszahl <strong>de</strong>s Staates<br />

unabhängig war und <strong>de</strong>ssen Tätigkeit im wesentlichen auf organisatorische Hilfe bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Prä-<br />

si<strong>de</strong>ntenwahl beschränkt war.<br />

Ein Bun<strong>de</strong>sparteitag tritt alle vier Jahre zusammen und dient in erster Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> Nominierung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi<strong>de</strong>ntschafts- und Vizepräsi<strong>de</strong>ntschaftskandidaten. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n Funktionäre auf<br />

nationaler Ebene bestellt, die platform verabschie<strong>de</strong>t und Entscheidungen über parteiinterne<br />

Organisationsrichtlinien getroffen.<br />

Wahlkampfkomitees stellen finanzielle Mittel, Werbematerial und Redner für Wahlkämpfe<br />

bereit. Sie bestehen aus Kongreßabgeordneten bzw. Senatoren, die i.d.R. für zwei Jahre ge-<br />

wählt wer<strong>de</strong>n. Auch die Parteibüros in Washington sind politisch weitgehend be<strong>de</strong>utungslos.<br />

Sie dienen lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterstützung von Wahlkämpfen und bereiten Nationalkonvente vor,<br />

befassen sich aber we<strong><strong>de</strong>r</strong> mit politischen Inhalten noch mit Personalfragen.<br />

Da die <strong>de</strong>zentrale Struktur als ein wesentlicher Grund für <strong>de</strong>n relativ geringen Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Parteien gegenüber einzelner Kandidaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Amtsträger angesehen wer<strong>de</strong>n kann, ist seit<br />

31 Hartmann, S.109, zum vorangegangenen Abschnitt vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.445f.<br />

- 12 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

<strong>de</strong>n 70er Jahren eine Zentralisierungsten<strong>de</strong>nz zu erkennen. Bei <strong>de</strong>n Republikanern gibt es z.B.<br />

seit 1977 das Republican National Committee (RNC), ein nationales Organisationsgremium<br />

mit mehreren hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t professionellen Mitarbeitern und zunehmen<strong>de</strong>n Geldmitteln. Die De-<br />

mokraten hielten von 1974 bis 1985 jährliche kleine Parteitage (Midterm Conventions) ab, die<br />

jedoch die Organisationsstruktur nicht wesentlich verbesserten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr parteiinter-<br />

ne Differenzen an die Öffentlichkeit brachten, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge, daß Parteivorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirk <strong>de</strong>n<br />

kleinen Parteitag 1986 nicht mehr einberief. Auch caucuses, Arbeitsgemeinschaften, in <strong>de</strong>nen<br />

sich gesellschaftlich benachteiligte Gruppen (z.B. Frauen, Schwarze, Homosexuelle) Gehör<br />

verschaffen wollten, aber letztendlich die Demokratische Partei wie eine heterogene Min<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />

heitenpartei aussehen ließen, wur<strong>de</strong>n von Kirk suspendiert und durch die Democratic Policy<br />

Commission, eine Art Programmkommission, die gemeinsame Politikinhalte erarbeitet, er-<br />

setzt. 32<br />

3.3 Parteien und Wahlen<br />

a) Kandidatennominierung<br />

Eine wichtige Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien ist die Nominierung von Kandidaten für Wahl <strong>de</strong>s Präsi-<br />

<strong>de</strong>nten, <strong><strong>de</strong>r</strong> Senatoren und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kongreßabgeordneten.<br />

Der Präsi<strong>de</strong>nt wird auf vier Jahre indirekt von einem vom Volk bestimmten Wahlmännerkol-<br />

legium gewählt. Zur Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Kandidaten für dieses Kollegium unterschei<strong>de</strong>t man zwei<br />

Wahlprinzipien, das Konvents<strong>de</strong>legiertensystem und das Vorwahlsystem. Beim Konvents<strong>de</strong>-<br />

legiertensystem wählt eine von aktiven Parteianhängern in <strong>de</strong>n Ortsbezirken bis hinauf zu <strong>de</strong>n<br />

Kongreßdistrikts<strong>de</strong>legiertenversammlungen reichen<strong>de</strong> Delegationskette Delegierte, die in<br />

eigens hierfür geschaffenen Konventen die Partei<strong>de</strong>legation <strong>de</strong>s jeweiligen Unionsstaates für<br />

<strong>de</strong>n Nationalkonvent bestimmt. Die Wahl erfolgt also parteiintern und unter Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Funktionsträger <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei, womit die Repräsentation <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtigsten konstituieren<strong>de</strong>n Wäh-<br />

lergruppen gewährleistet ist. Begünstigt wer<strong>de</strong>n durch dieses System vor allem Kandidaten<br />

mit guten Beziehungen zu einflußreichen Politikern, wogegen Außenseiter kaum Chancen<br />

haben. Beim Vorwahlsystem wer<strong>de</strong>n die Kandidaten direkt gewählt. An Vorwahlen können<br />

32 Zum vorangegangenen Abschnitt vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.445ff.<br />

- 13 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

sich alle Bürger beteiligen, die erklären, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptwahl <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Kandidaten<br />

zu wählen, die konkreten Vorwahlregelungen sind in je<strong>de</strong>m Unionsstaat verschie<strong>de</strong>n. Somit<br />

können die Anhänger einer Partei, also eine breite Masse <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung, bestimmen, für<br />

welchen Kandidaten die Partei<strong>de</strong>legierten auf <strong>de</strong>m Nationalkonvent votieren sollen.<br />

Bis 1968 wur<strong>de</strong>n rund 2/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalkonvents<strong>de</strong>legierten nach <strong>de</strong>m Konvents<strong>de</strong>legierten-<br />

system und rund 1/3 nach <strong>de</strong>m Vorwahlprinzip gewählt. Nach<strong>de</strong>m 1968 <strong><strong>de</strong>r</strong> bei <strong>de</strong>n Vorwah-<br />

len erfolglose, aber unter einflußreichen Demokraten beliebte, klassisch-liberale H. Humph-<br />

rey, die Kandidatenwahl gewann, wur<strong>de</strong> eine Kommission eingesetzt, die das<br />

Nominierungsverfahren neu ordnen sollte und auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en Empfehlungen hin seit 1972 die<br />

Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Delegierten per Vorwahl gewählt wer<strong>de</strong>n. Eine weitere Neuerung war, daß alle<br />

Kandidaten, die eine bestimmte Sperrklausel überschreiten (1972:, 1976: 15%, 1980: 25%),<br />

von <strong>de</strong>n Delegierten entsprechend ihres Stimmenanteils vertreten wer<strong>de</strong>n. Damit wur<strong>de</strong> das<br />

bis dahin praktizierte, aus angelsächsischer Mehrheitswahltradition stammen<strong>de</strong> Winner-takes-<br />

all-Prinzip vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältniswahl abgelöst. Der Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorwahlen an Präsi<strong>de</strong>ntschafts-<br />

nominierungsprozessen stieg bis 1980 auf ca.75%. Die Folge war ein Rückgang <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufs-<br />

politiker, die einen erheblichen Machtverlust hinnehmen mußten, da für Außenseiter durch<br />

ein gutes Abschnei<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Vorwahlen die Chance, bun<strong>de</strong>sweit bekannt zu wer<strong>de</strong>n und in<br />

Folge <strong>de</strong>ssen auch die Spen<strong>de</strong>nzuwendungen und somit auch die Chancen auf die Präsi<strong>de</strong>nt-<br />

schaft stiegen. Die Kandidaten müssen, gera<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n wachsen<strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Medien,<br />

nicht mehr ihre politischen Fähigkeiten und ihre Kompetenz gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei unter Be-<br />

weis stellen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n benötigen telegene Persönlichkeitsattribute, Publizität, allgemeine Be-<br />

kanntheit (häufig sind Kandidaten Senatoren o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gouverneure größerer Unionsstaaten wie<br />

New York und Kalifornien), Werbespezialisten, Geld und populäre Themen. So hatten z.B.<br />

Carter und Reagan vor ihrer Präsi<strong>de</strong>ntschaft kein politisches Amt. Die offiziellen Parteiappa-<br />

rate verloren erheblich an Be<strong>de</strong>utung, da die Kandidaten für die Vorwahl persönliche Wahl-<br />

kampfapparate rekrutieren, die dann nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorwahl auch <strong>de</strong>n weiteren Wahlkampf organi-<br />

sieren. Die Parteien wirken nur noch als Kulisse zur Wählermobilisierung und als<br />

Filtermechanismus für die Kandidatenaufgebotsreduzierung.<br />

Senatoren wer<strong>de</strong>n auf sechs Jahre von <strong>de</strong>n Legislativen <strong><strong>de</strong>r</strong> Unionsstaaten (also über die Wahl<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Legislativen indirekt vom Volk), Kongreßabgeordnete dagegen direkt und auf zwei Jahre<br />

gewählt. Die Kandidatennominierung erfolgt durch Vorwahlen und ist häufig, insb. in kleine-<br />

- 14 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

ren Unionsstaaten, wenig spannend, da meist die wie<strong><strong>de</strong>r</strong> antreten<strong>de</strong>n Amtsinhaber in ihrem<br />

Amt bestätigt wer<strong>de</strong>n. 33<br />

b) Wahlkampffinanzierung<br />

Wie in allen westlichen Demokratien ist eines <strong><strong>de</strong>r</strong> größten Probleme von Wahlen <strong><strong>de</strong>r</strong>en Fi-<br />

nanzierung. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> organisatorischen Schwäche und <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen nationalen Verfesti-<br />

gung <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlkampf auf allen Ebenen, d.h. von <strong>de</strong>n Bürgermeister- und Gou-<br />

verneurs- über Senatoren- und Kongreßabgeordneten- bis hin zu <strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>ntenwahlen,<br />

weitgehend privatisiert, die jeweiligen Kandidaten unterhalten aus eigenen Mitteln finanzierte<br />

Wahlkampfbüros. Wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> ungleichen Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen beeinträch-<br />

tigen die ständig wachsen<strong>de</strong>n Wahlkampfkosten die Chancengleichheit. So betrug z.B. 1980<br />

das Gesamtvolumen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlkampfausgaben 1,2 Mrd. $, 1990 mußte ein Bewerber um ein<br />

Mandat im Repräsentantenhaus bis zu 900 000 $, ein Bewerber um einen Senatssitz sogar 3,5<br />

Mio. $ für <strong>de</strong>n Wahlkampf aufbringen. Deshalb zielten zahlreiche Reformvorschläge <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sgesetzgebers nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong>, insb. in <strong>de</strong>n 70er Jahren im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Watergate-Affäre, auf die Festlegung einer Höchstgrenze für Wahlkampfausgaben. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

primary-Phase, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlkampfphase vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Nominierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi<strong>de</strong>ntschaftskandidaten,<br />

dürfen die Ausgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewerber, sofern diese Anspruch auf staatliche Zuwendungen erhe-<br />

ben, insgesamt 10 Mio. $ nicht überschreiten. Die Hauptwahlkampfphase wird im wesentli-<br />

chen mit öffentlichen Mitteln finanziert, wobei <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Bewerbern <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Parteien je<br />

20 Mio. $ und <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ein <strong>de</strong>m prozentualen Stimmenanteil bei <strong><strong>de</strong>r</strong> vorhergehen<strong>de</strong>n<br />

Wahl entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Betrag zustehen. 34 Um die Unabhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kandidaten zu gewähr-<br />

leisten wur<strong>de</strong> darüber hinaus Höchstgrenzen für Spen<strong>de</strong>n festgelegt und Spen<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m<br />

Ausland verboten. Um größere Transparenz zu schaffen, müssen außer<strong>de</strong>m alle Geldquellen<br />

gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>al Election Commission, einer sechsköpfigen prüfungs- und sanktionsbe-<br />

rechtigten Bun<strong>de</strong>swahlkommission, offengelegt wer<strong>de</strong>n, wobei bei höhere Geldspen<strong>de</strong>n Na-<br />

me, Adresse und Beruf <strong>de</strong>s Spen<strong><strong>de</strong>r</strong>s angegeben wer<strong>de</strong>n müssen. Staatliche Mittel erhalten<br />

Kandidaten dort, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhalt privater Zuwendungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Einsatz eigenen Kapitals ein-<br />

33 Zu diesem Abschnitt vgl. Hartmann, S.102 bis 109<br />

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Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

geschränkt o<strong><strong>de</strong>r</strong> verboten wur<strong>de</strong>. Reformbedarf besteht vor allem noch bei privaten Spen<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

und Spen<strong>de</strong>n von Wirtschaftsverbän<strong>de</strong>n, die (angeblich) für allgemeine Partei- und nicht aber<br />

für konkrete Wahlwerbung genutzt wer<strong>de</strong>n. 35<br />

4. FUNKTIONEN UND ROLLE DER PARTEIEN<br />

Zu einer groben Einordnung von Parteien eignet sich T.J. Lowis Unterscheidung zwischen<br />

konstituiven und responsiven Parteien. Konstituive Parteien wirken vorrangig auf Strukturen,<br />

Zusammensetzung und Funktionsweise <strong>de</strong>s politischen Systems. Responsive Parteien fühlen<br />

sich gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Wählerschaft durch ihre Programmatik verpflichtet; Problemlösungsmus-<br />

ter wer<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m System entwickelt und in Gesetze umgesetzt, wofür die Parteien bei <strong>de</strong>n<br />

Wahlen um legislative Mehrheit werben. 36 Im Rahmen dieser Begriffsbildung sind die pro-<br />

grammatisch schwachen Parteien <strong><strong>de</strong>r</strong> USA als konstituive Parteien anzusehen.<br />

In westlichen Demokratien erfüllen Parteien im wesentlichen folgen<strong>de</strong> vier Funktionen 37 :<br />

1. Parteien erfüllen die Zielfindungsfunktion, in <strong>de</strong>m sie auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage ihrer I<strong>de</strong>ologien<br />

und Programme richtungsweisen<strong>de</strong> Strategien bzgl. aktueller Probleme und Themenkom-<br />

plexe entwickeln und die Bürger über Handlungsmöglichkeiten aufklären.<br />

2. Parteien artikulieren und aggregieren gesellschaftliche Interessen, d.h. sie präsentieren<br />

diese Interessen, bün<strong>de</strong>ln sie und nehmen entsprechen<strong>de</strong>n Einfluß auf die Willensbildung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> zentralen Herrschaftsorgane.<br />

3. Parteien mobilisieren und sozialisieren die Bürger, versuchen also politische Aktivität und<br />

Partizipation zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n und entsprechen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>ntifikationsmuster politischer Einstellungen<br />

zu schaffen.<br />

4. Parteien erfüllen die Elitenrekrutierungs- und Regierungsfunktion, in <strong>de</strong>m sie Führungs-,<br />

Regierungs-, und Verwaltungspotential zur Verfügung stellen und so die Personalauslese<br />

für die meisten politischen Ämter monopolisieren.<br />

34<br />

Um eventuellen Mißbrauch zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, müssen die Kandidaten mind. 5% <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimmen erhalten. Kandidaten,<br />

die zum ersten Mal antreten, können <strong>de</strong>n Zuschuß erst nachträglich beantragen.<br />

35<br />

vgl. Wehling, S.88f. und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S. 467f.<br />

36<br />

vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.449<br />

37<br />

vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.449; dort wird verwiesen auf: Klaus von Beyme, Parteien in westlichen Demokratien,<br />

München 1984, S.25<br />

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Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

Wichtigste Funktion US-amerikanischer Parteien ist die <strong><strong>de</strong>r</strong> Elitenrekrutierung und Regie-<br />

rungsbildung, also die „Herrschaftsbestellungsfunktion“ 38 , sie dienen in erster Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> Kan-<br />

didatenauslese für politische Ämter. Die Mobilisierung und Sozialisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger wird<br />

insofern wahrgenommen, als die Parteien integrativ wirken, in<strong>de</strong>m sie die ethnische und sozi-<br />

ale Fragmentierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft überwin<strong>de</strong>n und nationale Loyalitäten ins Blickfeld rü-<br />

cken; so sind z.B. maßgeblich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation und Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi<strong>de</strong>ntschafts-<br />

wahlen beteiligt. In Verbindung damit wer<strong>de</strong>n auch gesellschaftliche Interessen artikuliert<br />

und aggregiert. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s stark festzustellen war dies bei <strong>de</strong>m mit <strong><strong>de</strong>r</strong> New-Deal-Politik ver-<br />

bun<strong>de</strong>nen Kampf um soziale Gerechtigkeit. Die Zielfindungsfunktion wur<strong>de</strong> dagegen auf-<br />

grund <strong><strong>de</strong>r</strong> organisatorischen Schwäche und <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n programmatischen Schärfe meist<br />

vernachlässigt, die Parteien traten nie primär als Programminnovatoren auf. 39<br />

Über diese wesentlichen Funktionen hinaus gewährleisten die Parteien Effizienz <strong>de</strong>s politi-<br />

schen Systems, in<strong>de</strong>m sie die strikte Institutionentrennung (z.B. zwischen Parlament und Präsi<strong>de</strong>nt)<br />

ausgleichen. 40<br />

Als sehr problematisch angesehen wer<strong>de</strong>n kann <strong><strong>de</strong>r</strong> sinken<strong>de</strong> Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien, für <strong>de</strong>n<br />

zahlreiche Anzeichen gibt. So spielen die Parteien in Wahlkämpfen eine immer geringere<br />

Rolle. Zum einen stellt die schwache Programmatik keinerlei Verbindlichkeit für die Kandi-<br />

daten dar, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en können die Parteien durch die Ausweitung <strong>de</strong>s Vorwahlsystems die<br />

Kandidatenauswahl immer weniger beeinflussen. Dementsprechend ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlkampf<br />

stark personenbezogen, die primary-Phase <strong>de</strong>s Wahlkampfs finanzieren die Kandidaten weit-<br />

gehend selbst, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptwahlkampfphase erhalten sie staatliche Mittel, so daß sie nicht von<br />

ihrer Partei abhängig sind. Somit ist die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien im politischen Willensbildungs-<br />

und Entscheidungsprozeß im politischen Institutionenbereich nur noch sehr gering.<br />

Über diese auf <strong><strong>de</strong>r</strong> diffusen Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien basieren<strong>de</strong>n Problematik hinaus, trägt auch<br />

das Wählerverhalten zu einer Schwächung <strong>de</strong>s Parteiensystems bei. Die wachsen<strong>de</strong> Zahl von<br />

Wechselwählern und die sehr geringe Wahlbeteiligung 41 signalisiert eine abnehmen<strong>de</strong> Partei-<br />

i<strong>de</strong>ntifikation mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge zunehmen<strong>de</strong>m Unbehagens mit politischen Institutionen. So sa-<br />

38 Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.439<br />

39 vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.449<br />

40 Zu Institutionentrennung und Gewaltenteilung vgl. Kremp, S.71ff.<br />

41 Die Wahlbeteiligung bei Präsi<strong>de</strong>ntschaftswahlen liegt nur noch zwischen 50 und 60%, bei Kongreßwahlen<br />

im gleichen Jahr bei ca. 40%, bei Zwischenwahlen sogar unter 35%.<br />

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Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

5. EIN KLASSISCHES ZWEIPARTEIENSYSTEM?<br />

Satori nennt folgen<strong>de</strong> vier wesentliche Kriterien für ein Zweiparteiensystem: 43<br />

1. Zwei relevante Parteien konkurrieren um die absolute Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Parlamentssitze.<br />

2. Eine Partei erhält die absolute Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sitze.<br />

3. Eine Partei regiert alleine und ist dabei nicht auf Koalitionen angewiesen.<br />

4. Ein Machwechsel ist eine mögliche und wahrscheinliche Aussicht.<br />

Die Existenz dritter Parteien in <strong>de</strong>n USA stehen nicht im Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu diesen Kriterien, da<br />

diese zu schwach sind, um eine absolute Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sitze für eine <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n großen Partei-<br />

en zu machen. Zu be<strong>de</strong>nken ist jedoch, daß, auch wenn dritte Parteien nicht selbst im Parla-<br />

ment vertreten sind, im Wahlkampf mitunter Teile ihrer Programmatik in die <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Par-<br />

teien integriert wer<strong>de</strong>n und sie somit auf die Regierungsarbeit im Vorfeld Einfluß üben.<br />

Darüber hinaus ist fraglich, ob das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Alleinregierung einer Partei noch erfüllt ist,<br />

wenn die Regierung auf ein aufgrund <strong>de</strong>s zunehmen<strong>de</strong>n Trends zum Stimmensplitting opposi-<br />

tionell dominiertes Parlament angewiesen ist (split gouvernment). Auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit<br />

zum Machtwechsel sind einige Abstriche zu machen; die Besetzung <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>ntenamts al-<br />

terniert zwar häufig zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n großen Parteien, nicht aber die Sitzverteilung im<br />

Kongreß, die im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>utlich von <strong>de</strong>n Demokraten dominiert wur<strong>de</strong>. 44 Ins-<br />

gesamt läßt sich also sagen, daß die USA zwar ein Zweiparteiensystem besitzen, dieses je-<br />

doch nicht als i<strong>de</strong>altypisch zu bezeichnen ist. Ein Vergleich mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Parteiensystemen<br />

wird durch die strukturelle und programmatische Schwäche <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien erschwert, die sich in<br />

dieser Form in kaum einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en westlichen Demokratie fin<strong>de</strong>n läßt.<br />

43<br />

vgl. Satori 1976, S.185-195, insb. S.188<br />

44<br />

Ein möglicher Grund hierfür ist, daß die Amtserfahrung eines Abgeordneten <strong>de</strong>n Neueinstieg eines Konkurrenten<br />

in <strong>de</strong>n Kongreß erschwert.<br />

- 19 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

hen sich 1964 noch 79% <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlberechtigten als erklärte Parteianhänger, 1988 waren es nur<br />

noch 64%, während gleichzeitig das Engagement in Single-Issue-Bewegungen zunahm. Dar-<br />

über hinaus ist auch ein Trend zum ticket-splitting (d.h. <strong><strong>de</strong>r</strong> Wähler wählt für Kongreß und<br />

Präsi<strong>de</strong>ntschaft Kandidaten unterschiedlicher Parteien) zu beobachten: Während es im 19. Jh.<br />

noch praktisch unbekannt war, entschie<strong>de</strong>n sich 1948 schon 38%, in <strong>de</strong>n 1980er Jahren sogar<br />

rund 2/3 für das ticket-splitting. Auch dieser Trend läßt auf mangeln<strong>de</strong> I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>n<br />

Traditionsparteien schließen und darüber hinaus Blocka<strong>de</strong>situationen immer wahrscheinlicher<br />

wer<strong>de</strong>n. 42 Reformvorschläge zur Rekonsolidierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien müssen vor allem auf eine<br />

Straffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisationsstruktur und eine stärkere Gewichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Programmatik gegen-<br />

über <strong><strong>de</strong>r</strong> Kandidaten zielen, um <strong>de</strong>m Wähler einen besseren Überblick über grundlegen<strong>de</strong><br />

Ziele zu verschaffen. Dies und eine Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlregelementierung könnten die<br />

Wahlbeteiligung erhöhen. Bzgl. <strong><strong>de</strong>r</strong> Kandidatennominierung wäre es sicherlich sinnvoll, die<br />

Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Kandidaten über Vorwahlen, die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Hälfte von <strong>de</strong>n Parteien zu bestimmen.<br />

Dies wür<strong>de</strong> sowohl die Mitbestimmungsmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wähler, als auch <strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Parteien wahren und gleichzeitig <strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Massenmedien bei Vorwahlen schwächen.<br />

42 vgl. Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, S.469ff.; bzgl. <strong><strong>de</strong>r</strong> im Text genannten Zahlen wird dort verwiesen auf: James<br />

MacGregor Burns u.a., Government by the people, Englewood Cliffs 1987, S. 234 und 235.<br />

- 18 -


Das Parteiensystem <strong><strong>de</strong>r</strong> USA<br />

A. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS<br />

Hartmann, Jürgen: Politik und Gesellschaft in Japan, USA, Westeuropa: ein einführen<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleich.<br />

Frankfurt a.M./ New York, S.86-126<br />

zitiert als: Hartmann<br />

Wasser, Hartmut 1992: Die politischen Parteien.<br />

In: Adams, Paul Willi u.a. (Hrsg.): Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, Band I, S.438-459<br />

Wasser, Hartmut 1992: Wahlen.<br />

In: Adams, Paul Willi u.a. (Hrsg.): Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA, Band I, S.438-459<br />

Literatur- und Quellenverzeichnis<br />

zitiert als: Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA<br />

zitiert als: Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht USA<br />

Dippel, Horst: Die amerikanische Geschichte im Abriß.<br />

In: Wasser, Hartmut (Hrsg.): USA, Politik-Gesellschaft-Wirtschaft, Opla<strong>de</strong>n 1991, S.33-67<br />

zitiert als: Dippel<br />

Kremp, Werner: Politische Institutionen einst und jetzt. Die leben<strong>de</strong> Verfassung.<br />

In: Wasser, Hartmut (Hrsg.): USA, Politik-Gesellschaft-Wirtschaft, Opla<strong>de</strong>n 1991, S.69-89<br />

zitiert als: Kremp<br />

Wehling, Hans-Georg u.a.: USA, Son<strong><strong>de</strong>r</strong>auflage für das Lan<strong>de</strong>szentralen für politische Bildung,<br />

Stuttgart 1980<br />

zitiert als: Wehling<br />

Helms, Erwin: Vereinigte Staaten von Amerika, Heft 1, Hannover 1969<br />

zitiert als: Helms<br />

Rö<strong><strong>de</strong>r</strong>, Karl-Heinz (Hrsg.): Das politische System <strong><strong>de</strong>r</strong> USA, Geschichte und Gegenwart.<br />

3. überarbeitete und ergänzte Auflage, Köln 1987<br />

zitiert als: Rö<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Satori, Giovanni: Competitive Systems, in: Ders.: Parties and Party-Systems. A Framework for<br />

Analysis, Cambridge 1976<br />

zitiert als: Satori<br />

Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bän<strong>de</strong>n, siebzehnte völlig neubearbeitete Auflage <strong>de</strong>s großen<br />

Brockhaus,<br />

Vierter Band, CHOD-DOL, Wiesba<strong>de</strong>n 1968 zitiert als: Brockhaus, Band 4<br />

Fünfzehnter Band, POR-RIS, Wiesba<strong>de</strong>n 1972 zitiert als: Brockhaus, Band 15<br />

Siebzehnter Band, SCHR-STAL, Wiesba<strong>de</strong>n 1973 zitiert als: Brockhaus, Band 17

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