Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts - HS-Pians
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Köck Leonhard Seite 1/1 LMS Landeck<br />
<strong>Unterhaltungsmusik</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong><br />
Unbeschwert von den Kämpfen zwischen der fortschrittlichen und der konservativen Richtung entstand im <strong>19.</strong><br />
Jahrhundert <strong>Unterhaltungsmusik</strong> von hohem Niveau. Ihre Zentren waren Paris und Wien.<br />
Paris<br />
In Paris entstand die O p e r e t t e, die leichte Musikkomödie (Musikposse) in Singspielform. Ihr<br />
Begründer war<br />
Jacques Offenbach (1819-1880)<br />
Geb. in Köln als Sohn eines jüdischen Tempelsängers. Als Knabe Übersiedlung nach Paris.<br />
Eröffnung eines eigenen Theaters „Bouffes-Parisiens" (1855), später Leiter <strong>des</strong> „Theater de la<br />
Gaite". Gastspiel in den USA. Gest. in Paris.<br />
1855, das Eröffnungsjahr der „Bouffes-Parisiens", kann als das Geburtsjahr der Operette<br />
angesehen werden. Offenbach schrieb für sein Theater einaktige Operetten, die zuerst<br />
„Musiquettes" hießen („Hochzeit bei Laternenschein" usw.); später weitete er diese<br />
Gattung aus und verfasste mehraktige Werke, von denen die bekanntesten sind:<br />
„Orpheus in der Unterwelt", „Die schöne Helena", „Die Großherzogin von Gerolstein".<br />
Dem Geist der Romantik huldigte Offenbach in seinem letzten, ernsten Bühnenstück<br />
„Hoffmanns Erzählungen"; es wurde erst nach seinem Tode uraufgeführt.<br />
Offenbach spielte eine große Rolle im Pariser Musikleben <strong>des</strong> zweiten Kaiserreiches. In seinen Operetten<br />
schmeichelte er der eleganten Gesellschaft, aber er hielt der innerlich angefaulten Pariser Welt auch einen<br />
satirischen Spiegel vor, parodierte frech und witzig die antike Sagenwelt und übte aktuelle Zeitkritik. In seine<br />
Werke nahm er französisch gefärbte Walzer und die Modetänze der Zeit auf (Galopp, Cancan).<br />
Wien<br />
Die Wiener <strong>Unterhaltungsmusik</strong> ist ohne den W a 1 z e r nicht denkbar. Die ersten Wiener Walzer<br />
waren vom langsameren Ländler noch nicht streng zu trennen, so bei den Wiener Klassikern und bei<br />
S c h u b e r t. Erst bei Joseph L a n n e r (1801-1843) beschleunigte sich das Tempo etwas, aber auch<br />
in seinen Walzern ist noch ein gemütlich biedermeierischer Zug zu spüren. Lanner schrieb seine<br />
Walzer bereits als Zyklen, d. h. er band mehrere Walzer kettenförmig aneinander und versah sie mit<br />
Einleitung und Nachspiel (Introduktion und Coda) In dieser Form setzte die Familie S t r a u ß das<br />
Walzerschaffen fort. Schon bei J o h a n n S t r a u ß, Vater (1804-1849) dürfte sich das Tempo der<br />
Wiener Walzer beschleunigt haben. Den elektrisierenden Zug bekamen die Walzer erst bei<br />
Johann Strauß, Sohn (1825-1899)<br />
Dieses größte Genie der <strong>Unterhaltungsmusik</strong>,<br />
das Europa hervorgebracht hat,<br />
wurde von den damals feindlichen Musikparteien<br />
gemeinsam anerkannt. Sowohl<br />
Brahms als auch Wagner zollten ihm ihre Bewunderung.<br />
Seine Bedeutung beruht auf zwei Tatsachen:<br />
1. Er hat dem Wiener Walzer seinen endgültigen Charakter gegeben und auf diesem Gebiet<br />
Spitzenwerke geschaffen, die niemals mehr erreicht wurden.<br />
2. Er hat die von Offenbach geschaffene Operette wienerisch weiterentwickelt, indem er den<br />
Wiener Walzer zu ihrem Mittelpunkt machte. Seine Operette sind nicht mehr übertroffen<br />
worden.
Köck Leonhard Seite 2/2 LMS Landeck<br />
Die wichtigsten W a 1 z e r sind: „Morgenblätter", „An der schönen blaue. Donau", „Geschichten<br />
aus dem Wienerwald", „Wein, Weib und Gesang", „Wiener Blut", „Rosen aus dem Süden",<br />
„Frühlingsstimmen", „Kaiser-Walzer“.<br />
Strauß schrieb auch Polkas, Mazurkas, Francaisen, Quadrillen usw. (besonders spritzig die<br />
„Pizzicato-Polka"). Geistvolle Scherze wie das „Perpetuum mobile“ sind heute noch sehr beliebt.<br />
Die Walzer von Johann Strauß dem Jüngeren sind stets zyklisch und haben Introduktion und Coda.<br />
Die Walzer sind mit der Einleitung und dem Schlussteil verbunden:<br />
Die ersten 6 Takte der Einleitung nehmen das<br />
Thema <strong>des</strong> 2. Walzers voraus. Takt 7-9 deutet die<br />
Melodie <strong>des</strong> 4. Walzers an, von Takt 10 an<br />
(Auftakt) wird wie tastend die Weise <strong>des</strong> 1.<br />
Walzers gestreift. Takt 17 ff. bringt Teile aus dem<br />
3. Walzer. Mit dem Tempo- und Taktwechsel<br />
(Allegro agitato) kommt die Entwicklung in Fluss.<br />
Die absteigenden Achtel finden sich in der Mitte<br />
<strong>des</strong> 4. Walzers (Takt 42,43). Hierauf folgt - wie<br />
meist bei Strauß - ein zögern<strong>des</strong>, aus wenigen<br />
Takten bestehen<strong>des</strong> Vorspiel im Dreivierteltakt.<br />
Dann setzt der Walzerjubel ein. Auch die Coda ist<br />
kunstvoll geformt. Nach Einleitungstakten<br />
entwickelt sich eine scheinbar neue Walzermelodie<br />
(Takt 11 ff.); doch ist der Beginn (Takt 11)<br />
rhythmisch gleich dem Anfang <strong>des</strong> 2. Teiles im 3. Walzer. Erinnerungen an den 3. und 1. Walzer steigen auf, bis der 4.<br />
Walzer (mit Vertauschung von Schluss und Anfang!) den brillanten Endeffekt setzt.<br />
Wien wurde mit der Gattung O p e r e t t e bekannt, als O f f e n b a c h<br />
hier ein Gastspiel absolvierte. S t r a u ß, von seiner Frau Jetty<br />
veranlasst, begann mit 46 Jahren, Operetten zu komponieren und<br />
erzielte Welterfolge mit der „Fledermaus" (1874), dem<br />
beschwingtesten und übermütigsten unter seinen Bühnenwerken, und<br />
dem romantischen .,Zigeunerbaron" (1885), während „Eine Nacht in<br />
Venedig" (1883) erst in unserer Zeit stärker in den Vordergrund<br />
getreten ist. Das beliebte „Wiener Blut“ ist eine Zusammenstellung<br />
früherer Strauß - Walzer, die Adolf Müller mit Zustimmung <strong>des</strong><br />
Meisters zu einer Operette ausgestaltete. Ein Versuch mit einer ernsten Oper („Ritter Pazman") misslang.<br />
Strauß verwendete in seiner Instrumentation die hochromantischen Errungenschaften und erzielte Wirkungen<br />
von großer Farbigkeit.<br />
Die O p e r e t t e ist als Gattung besonders von einer bestimmten Gesellschaftsschicht abhängig. Sie<br />
braucht eine unbeschwerte, lebensfreudige Stimmung und ruhige Zeitläufe. Diese Voraussetzungen waren im<br />
Wien <strong>des</strong> ausgehenden <strong>19.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong> gegeben. Neben Strauß junior lebten hier als Operettenkomponisten<br />
unter anderen: Franz von S u p p e (1819-1895, Hauptwerke: „Flotte Bursche", „Die schöne Galathee",<br />
„Boccaccio"), Karl M i 1 1 ö c k e r (1842-1899), Hauptwerke „Der Bettelstudent ", „Gesparten"), Carl Zeller<br />
(1842-1898, Hauptwerk „Der Vogelhändler"). Dem goldenen Zeitalter der Operette folgte noch ein<br />
„silbernes", <strong>des</strong>sen Hauptvertreter Franz L e h a r (1870-1948) war. Als seine Hauptwerke seien genannt: „Die<br />
lustige Witwe", „Der Graf von Luxemburg", von den späteren „Das Land <strong>des</strong> Lächelns". Seine Musik ist nicht<br />
mehr so ausschließlich wienerisch, Pariser mondänes Wesen und exotische Würzen färben seinen Stil. Mit<br />
dem Ersten Weltkrieg brach die großbürgerliche und adelige Gesellschaft zusammen, welche die Operette<br />
sozial getragen hatte. Die nach dem Weltkrieg geschriebenen Operetten mussten Konzessionen an den<br />
Geschmack der Neureichen machen; sie wurden daher zusehends seichter und vulgärer. Selbst die Spätwerke<br />
Lehars erreichten Eicht mehr das Niveau seiner Erstlinge. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine neue<br />
Form der Operette, das amerikanische Musical".