Vollständiger Text als pdf-Download - schraege-musik.de: Der ...
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Begleitet wird diese Rezitation durch eine äußerst plastische, gestenreiche Musik, die<br />
illustrativ sein könnte, wenn sie in irgen<strong>de</strong>inem erkennbaren Zusammenhang zum<br />
Geschehen auf <strong>de</strong>r Leinwand stün<strong>de</strong>. Statt<strong>de</strong>ssen entpuppt sie sich, während im<br />
Film die Verfolgungsjagd ihren Fortgang nimmt, zunehmend <strong>als</strong> Aneinan<strong>de</strong>rreihung<br />
von Phrasen, klingt ein wenig wie ein zufallsgeleiteter Raubzug durch mehrere Jahrzehnte<br />
US-amerikanischer Action- und Krimi<strong>musik</strong>.<br />
Ähnlich enzyklopädisch ist die textliche Ebene angelegt. In rasch wechseln<strong>de</strong>n<br />
Rollen und Sprechhaltungen rezitieren Solosprecher und Sopranistin <strong>Text</strong>fragmente,<br />
<strong>de</strong>ren einziger Zusammenhalt untereinan<strong>de</strong>r und zum Film in bestimmten<br />
"Reizwörtern" zu bestehen scheint: Chaplins Auftauchen aus einer Sanddüne hinter<br />
<strong>de</strong>m Rücken eines Polizisten wird von einer ganzen Sammlung literarischer Zitate<br />
zum Thema "Sand" kommentiert ("to see the world after so many grains of sand"),<br />
die Tatsache, daß dieser Polizist kurz darauf einschläft, ist Anlaß genug, um aus <strong>de</strong>m<br />
Inhaltsverzeichnis eines medizinischen Ratgebers über das Schnarchen ("Snoring.<br />
What Makes you do it. How you can Stop.") zu zitieren: "nasal snoring, obesial<br />
snoring, pseudo snoring, neurotic snoring...".<br />
<strong>Der</strong> Gesamteindruck ist verwirrend: Die Filmhandlung gerät in einen Wirbel aus<br />
abschweifen<strong>de</strong>n <strong>musik</strong>alischen und textlichen Assoziationen, die Musik klingt<br />
gestisch untermalend ohne daß sie tatsächlich erkennbar mit <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn<br />
korrespondieren wür<strong>de</strong>. Erst ein <strong>de</strong>utlicher Tutti-Impuls, <strong>de</strong>r das Umfallen eines von<br />
Chaplin genarrten Polizisten markiert, versöhnt wie<strong>de</strong>r für einen Moment durch seine<br />
Synchronität und ermöglicht <strong>de</strong>m Publikum einen befreien<strong>de</strong>n Lacher.<br />
Was sich in diesen wenigen Anfangstakten abgespielt hat, ist zwar keine<br />
Materialexposition im herkömmlichen Sinne, ist aber gleichwohl in vielerlei Hinsicht<br />
repräsentativ für das Folgen<strong>de</strong>. Keine Sekun<strong>de</strong> vergeht im "Adventurer", in <strong>de</strong>r<br />
Masons Musik nicht strotzen wür<strong>de</strong> von Gags, skurillen Assoziationen und<br />
Einfallsreichtum. Immer wie<strong>de</strong>r gerät das Orchester außer Rand und Band, wird auf<br />
Tierstimmen, Sirenen und Pfeifen durcheinan<strong>de</strong>rgetrötet, wer<strong>de</strong>n die Zwischentitel<br />
<strong>de</strong>s Films von <strong>de</strong>n chorisch sprechen<strong>de</strong>n Musikern nachgeäfft, die im nächsten Moment<br />
wie<strong>de</strong>r virtuose Höchstleistungen auf ihren Instrumenten vollbringen müssen<br />
(selbst die Widmungsträger vom "Ensemble Mo<strong>de</strong>rn" stöhnten unter <strong>de</strong>n technischen<br />
Schwierigkeiten <strong>de</strong>r Partitur). Auf <strong>de</strong>r <strong>Text</strong>ebene wechseln sich ehrwürdige<br />
Zeugnisse literarischer Hochkultur (das Quellenverzeichnis <strong>de</strong>r Partitur nennt<br />
beispielsweise "Ulysses" von James Joyce und "Through the Looking-Glass" von<br />
Lewis Carroll) mit puren Nonsense-<strong>Text</strong>en, kindlichem Gestammel und vokaler<br />
Lautmalerei im Stil von Comic-Strips ab.<br />
Die Fülle <strong>de</strong>s Materi<strong>als</strong> erscheint so inflationär, daß <strong>de</strong>r Versuch einer Analyse<br />
innerhalb <strong>de</strong>s hier gegebenen Rahmens bereits am Versuch einer bloßen<br />
Beschreibung scheitern müßte. Dennoch lassen sich aus <strong>de</strong>r unübersichtlichen und<br />
unüberschaubaren Vielfalt <strong>de</strong>r Partitur einige Grundprinzipien herausfiltern, die sich<br />
gewissermaßen <strong>als</strong> ein verworrenes Knäuel roter Fä<strong>de</strong>n durch das ganze Stück<br />
ziehen.<br />
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