Vollständiger Text als pdf-Download - schraege-musik.de: Der ...
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einerseits und (zumin<strong>de</strong>st für heutige Sehgewohnheiten) unvollkommener, mitunter<br />
unscharfer und flackern<strong>de</strong>r Schwarzweißfilme an<strong>de</strong>rerseits. 10<br />
Für das Publikum entspricht diese Antiquiertheit sicherlich einem "nostalgischen"<br />
Bedürfnis, das sich - wie es bei restaurativen Sehnsüchten ja oft <strong>de</strong>r Fall ist - nicht<br />
zuletzt aus einer mehr o<strong>de</strong>r weniger klar eingestan<strong>de</strong>nen Ablehnung von bestimmten<br />
Aspekten <strong>de</strong>r Gegenwart speisen könnte.<br />
Wenn Heister bereits über das Konzert <strong>als</strong> Veranstaltungsform schreibt:<br />
"In Strukturierung und Gruppierung <strong>de</strong>s Publikums, in <strong>de</strong>r Art seiner<br />
zwischenmenschlichen Beziehungen bzw. in <strong>de</strong>ren Reduktion kehren<br />
jene Isoliertheit und Kälte <strong>de</strong>r Welt draußen wie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nen man in <strong>de</strong>r<br />
reineren, harmonischen Welt <strong>de</strong>s Konzertes <strong>als</strong> Vereinigung zu<br />
entgehen hofft. Die im Konzert eine Gemeinschaft bil<strong>de</strong>n, bleiben<br />
einan<strong>de</strong>r <strong>als</strong> Subjekte, Individualitäten, Persönlichkeiten fremd und fern.<br />
<strong>Der</strong> konzertspezifische zwischenmenschliche Bezug befriedigt kaum<br />
das Bedürfnis nach Harmonie, Geborgenheit und Wärme, die <strong>als</strong><br />
Kompensation von Realerfahrung gesucht wer<strong>de</strong>n."(S.388f)<br />
so gilt diese Beobachtung sicher in verstärktem Maße für das Kino, das <strong>de</strong>n<br />
einzelnen Zuschauer durch <strong>de</strong>n verdunkelten Raum, die technische Künstlichkeit <strong>de</strong>s<br />
Gegenübers und das Fehlen <strong>de</strong>s gemeinsamen Applauses <strong>als</strong> verbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>m Ritual<br />
in noch stärkerem Maße isoliert.<br />
Mit <strong>de</strong>r sich anbahnen<strong>de</strong>n digitalen Revolutionierung <strong>de</strong>r Filmproduktion dürfte sich<br />
dieser Aspekt <strong>de</strong>r "Kälte" noch zugespitzt haben, die museale Sehnsucht die sich im<br />
<strong>de</strong>rzeitigen "Stummfilm-Boom" ausdrückt, könnte eine Art "romantische" Gegenreaktion<br />
auf computeranimierte Schauspieler und virtuelle Landschaften sein.<br />
Auch für die Komponisten scheint die doppelte Antiquiertheit alter Stummfilme mit<br />
Live-Musik beson<strong>de</strong>re Attraktivität zu besitzen, was in erster Linie <strong>als</strong> ein Interesse<br />
daran ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n kann, eine konzertähnliche Situation zu schaffen und dies<br />
auch ästhetisch zu legitimieren.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r Patina <strong>de</strong>s Vergangenen, die <strong>de</strong>r körperlichen Anwesenheit eines<br />
Musikers im Kino stets anhaftet, ist je<strong>de</strong>r Versuch, eine solche Konzertsituation im<br />
Zusammenhang mit einem zeitgenössischen narrativen Film herzustellen, von<br />
vorneherein ein Anachronismus; und selbst wenn ein neuproduzierter abendfüllen<strong>de</strong>r<br />
Spielfilm mit Live-Musik in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Kinolandschaft theoretisch vielleicht<br />
durchaus auf Publikumsinteresse stoßen könnte, stün<strong>de</strong>n seiner Verbreitung<br />
unüberwindliche vertriebs- und aufführungstechnische Barrieren im Wege. 11<br />
10 Vgl. hierzu Bernhard K. Hilburg, <strong>de</strong>r unter an<strong>de</strong>rem belegt, daß die<br />
Anwesenheit lebendiger Musiker im Kino von einzelnen Kritikern wie z.B.<br />
Paul Hin<strong>de</strong>mith bereits gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stummfilmära <strong>als</strong> ärgerlicher<br />
Anachronismus empfun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.(S.49)<br />
11 Meines Wissens gibt es bislang keinen neueren Versuch, einen größeren,<br />
mit Live<strong>musik</strong> aufzuführen<strong>de</strong>n Stummfilm zu produzieren. Die vereinzelten<br />
Neuproduktionen von Kurzfilmen mit Live-Musik, die mir bekannt sind, haben<br />
entwe<strong>de</strong>r explizit "experimentellen" Charakter (das Projekt "Bodo - ein<br />
Filmkonzert" von Wal<strong>de</strong>mar Grams und Jörg Hintzer wur<strong>de</strong> bezeichnen<strong>de</strong>rweise<br />
<strong>als</strong> "künstlerisches Entwicklungsvorhaben" mit Mitteln <strong>de</strong>s nordrheinwestfäliscchen<br />
Ministeriums für Wissenschaft und Forschung finanziert, vgl<br />
Grams, o.S.) o<strong>de</strong>r sie thematisieren gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n anachronistischen bzw.<br />
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