Mitgliedermagazin 2-11 - Freunde des Kunstmuseums Basel und ...
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Martin Kippenberger (1953–1997)<br />
Ertragsgebirge mit Wirtschaftswerten von Joseph<br />
Beuys II, 1985<br />
Öl, Silikon, Multiples von Joseph Beuys<br />
auf Leinwand, 150 × 180 cm<br />
Ankauf mit einem Beitrag der Max Geldner-Stiftung<br />
Martin Kippenberger (1953–1997) begriff Person<br />
<strong>und</strong> Werk von Joseph Beuys als Herausforderung<br />
<strong>und</strong> liess diese Einstellung auf seine Arbeitsweise<br />
rückwirken. Ertragsgebirge mit Wirtschaftswerten<br />
von Joseph Beuys II, ein Gemälde, das bei Kippenbergers<br />
erster Museumsausstellung 1986 im<br />
Hessischen Lan<strong>des</strong>museum Darmstadt in unmittelbarer<br />
Nähe zum Werkblock von Beuys gezeigt<br />
wurde, verdeutlicht, wie er dabei vorging. Er erwarb<br />
bei der Edition Staeck mehrere von Beuys<br />
signierte Objekte aus der Serie der «Wirtschaftswerte».<br />
Dabei handelt es sich um originalverpackte<br />
Lebensmittel <strong>und</strong> Gebrauchsgegenstände aus der<br />
damaligen DDR, die Beuys durch seine Signatur<br />
<strong>und</strong> Stempel zu «Wirtschaftswerten» umwidmete<br />
<strong>und</strong> in den Kunstkreislauf einführte. Assemblageartig<br />
brachte Kippenberger sie mit seiner Malerei<br />
in Verbindung. Ertragsgebirge mit Wirtschaftswerten<br />
von Joseph Beuys II erinnert durch den<br />
umlaufenden Rahmen <strong>und</strong> das schwebende<br />
Hauptbild an einen gewölbten Fernsehbildschirm<br />
auf Sendung. Das Hauptbild aus ansteigenden<br />
Dreiecken greift – sozusagen aus der Perspektive<br />
eines Fernsehkonsumenten aus der DDR gesehen,<br />
die Struktur eines Wirtschaftsdiagramms auf, das<br />
Rosemarie Trockel «Ohne Titel»<br />
Ertragsgebirge mit Wirtschaftswerten von Joseph Beuys II, 1985<br />
dazu dient, stetiges Wachstum zu visualisieren.<br />
Kippenberger führt es in einer Manier von «bad<br />
painting» als ineinander vermalte Farbflächen <strong>und</strong><br />
aufgespritzte Silikonwülste vor. Ähnlich persiflierend<br />
geht er mit den Multiples von Beuys um,<br />
<strong>des</strong>sen Glaube an die gesellschaftsverändernde<br />
<strong>und</strong> kapitalismuskritische Kraft der Kunst er mit<br />
Skepsis durchsetzt.<br />
Rosemarie Trockel (*1952)<br />
Ohne Titel, 1987<br />
Siebdruck auf Baumwolltuch;<br />
Ed. 2/2, <strong>11</strong>0 × 285 cm<br />
Ankauf mit Mitteln der Petzold-Müller-Stiftung<br />
Schenkungen <strong>und</strong> Legate<br />
Caspar Wolf (1735–1783)<br />
Bär, von einer H<strong>und</strong>emeute angefallen, 1772<br />
Öl auf Leinwand, 102 × 82 cm<br />
Schenkung der Familie Wortmann<br />
Caspar Wolf (1735–1783)<br />
Hirsch, von einer H<strong>und</strong>emeute angefallen, 1772<br />
Öl auf Leinwand, 102 × 82 cm<br />
Schenkung der Familie Wortmann<br />
Nach Füssli ist Caspar Wolf der wichtigste Schweizer<br />
Künstler zwischen Aufklärung <strong>und</strong> Romantik, bekannt<br />
vor allem als Pionier der Hochgebirgsmalerei<br />
<strong>und</strong> für seine Veduten. Mit Bildern aus diesen Gattungen<br />
ist Wolf im Kunstmuseum <strong>Basel</strong> bereits gut<br />
vertreten; dennoch bilden die beiden Neuerwerbungen<br />
eine höchst willkommene Ergänzung. Denn<br />
sie zeigen eine andere Facette <strong>des</strong> talentierten Malers<br />
aus Muri: Für den Luzerner Politiker <strong>und</strong> Historiographen<br />
Joseph Anton Felix Balthasar schuf Wolf<br />
eine Serie von vier Jagddarstellungen, wahrscheinlich<br />
für eine entsprechende Raumdekoration in <strong>des</strong>sen<br />
Landgut Hitzlisberg. Diese paraphrasieren themengleiche<br />
Stiche von Johann Elias Ridinger aus<br />
<strong>des</strong>sen elf Jahre zuvor erschienener Serie der<br />
«Jagtbaren Thiere». Vergleicht man die Stiche genauer,<br />
so tritt jedoch der veränderte Modus der<br />
Wolfschen Bearbeitung klar zu Tage: Mit scharfen<br />
Hell-Dunkel-Kontrasten <strong>und</strong> übersteigerten Bewegungsverläufen<br />
potenziert der Maler die Monumentalität<br />
<strong>und</strong> Dramatik der Darstellungen. Wie der mit<br />
einem Satz aus der H<strong>und</strong>emeute herausschiessende<br />
Hirsch mit seinem Rückenkontur eine Hyperbelform<br />
beschreibt, wie der Braunbär durch die<br />
Parallele zu dem die Szene hinterfangenden Stamm<br />
einer jahrh<strong>und</strong>ertealten Eiche <strong>und</strong> durch den pie<strong>des</strong>talhaften<br />
Felssockel in seiner Statuarik betont<br />
wird, das verrät die Linienführung der grossen<br />
Historie. Typisch ist dabei auch der flehentliche, äusserste<br />
Anstrengung signalisierende Blick, den der<br />
H<strong>und</strong> im Rücken <strong>des</strong> Bären aus dem Bild heraus<br />
dem Betrachter zuwirft. Die Jagdszenen dienen hier<br />
nicht zum Anlass, Zeitgenössisches im Genre zu<br />
überliefern, sondern zum Vorwand, den Kampf der<br />
Caspar Wolf «Hirsch, von einer H<strong>und</strong>emeute angefallen»<br />
vermenschlichten Kreatur auf Leben <strong>und</strong> Tod in<br />
seiner existenziellen Wucht zu erfassen. An ein<br />
berühmtes Rubensbild erinnernd, könnte man sagen,<br />
Wolf gibt den Raub der Sabinerinnen gleichsam<br />
als Tierstück (Katharina Georgi). Dass die Aussage<br />
weit über genrehafte Alltagsschilderung<br />
hinausgeht, belegt auch die Auswahl der Sujets:<br />
Komplettiert wurde der Zyklus nämlich durch Darstellungen<br />
der Jagd auf Eber <strong>und</strong> Auerochs. Letzterer<br />
aber war damals bereits seit Jahrh<strong>und</strong>erten ausgestorben!<br />
Dennoch durfte er als Verkörperung<br />
elementarer Gewalt in diesem eigentlichen Ideenstück<br />
nicht fehlen.<br />
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