JEWING GUN - Daniel Josefsohn
JEWING GUN - Daniel Josefsohn
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mode<br />
Wir kennen sie aus den Abendnachrichten. Zuletzt marschierten sie in Gaza ein. Ihr Image ist das einer<br />
unbarmherzigen Militärmacht. Der jüdisch-deutsche Fotograf <strong>Daniel</strong> <strong>Josefsohn</strong> aber zeigt, dass die<br />
Soldaten der israelischen Streitkräfte auch gern mal Gucci-Brillen und Louis-Vuitton-Kappen tragen.<br />
Eine Fotostrecke zwischen Krieg und Mode.<br />
Foto: <strong>Daniel</strong> <strong>Josefsohn</strong> // Produktion: Rauschi, Mondo, Ajelet, Dor und Adi Bismut<br />
Dank an: The IDF/Nir Golan und Moshav Herhut/Tel Mond und Rehabagency.com<br />
Text: David Baum<br />
<strong>JEWING</strong> <strong>GUN</strong>
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Kappe von Louis Vuitton<br />
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Kappe und Umhang von Bless
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n diesem kleinen Hinterhof in Berlin Mitte wäre<br />
I<br />
man gern ein Israeli. Hier, wo der Fotograf <strong>Daniel</strong><br />
<strong>Josefsohn</strong> lebt, tänzeln an einem von Kletterpflanzen<br />
überwucherten Gartenzaun kleine Fahnen mit<br />
dem Davidstern friedlich im ersten Frühlingslüftchen. Ein<br />
Irish Setter mit dem Namen Jesus döst gemütlich in der Wiese.<br />
An die Mauer hat <strong>Josefsohn</strong> ein selbst fotografiertes Plakat<br />
gehängt, auf dem ein junger Mann zu sehen ist, der einen<br />
Schäferhund mit SS-Mütze an der Leine führt, darunter<br />
steht zu lesen: „Ich bin Jude, ich darf das.“ Auf eine merkwürdige<br />
Weise erinnert das kleine einstöckige Häuschen, das<br />
da zwischen typischen Berliner Häuserfronten wie ein kleines,<br />
fröhliches Schwammerl im deutschen Forst steht, an jene<br />
in den Wohngebieten von Tel Aviv: heimelig und bodenständig<br />
– und doch irgendwie provisorisch. <strong>Daniel</strong> <strong>Josefsohn</strong>s<br />
Jude-Sein, seine informelle israelische Identität, sein Wirken<br />
zwischen den deutschen und den israelischen Lebensrealitäten<br />
verdichtet sich hier zum reinsten Pop.<br />
***<br />
<strong>Josefsohn</strong> ist einer der interessantesten Fotografen<br />
Deutschlands. In den frühen Neunzigern prägte er gemeinsam<br />
mit Wolfgang Tillmans eine neue deutsche Ästhetik. Seine<br />
Motive, die in Plakatgröße an den Wänden lehnen, sind immer<br />
irgendwie provokativ, ohne dabei auf eine platte Aussage oder<br />
Botschaft zu schielen. Das sieht man auch an seiner Adaption<br />
von Helmut Newtons Big Nudes „Juden im Weltall“, die hinter<br />
seinem Schreibtisch hängt: Die schwebenden, großbrüstigen<br />
Nacktheiten tragen bei <strong>Josefsohn</strong> Stormtrooper-Masken<br />
und stammen aus einer Serie, der er den Titel „Helmut <strong>Josefsohn</strong>,<br />
ich wollte auch einmal mit der Eisenbahn spielen“ gegeben<br />
hat. Eine Arbeit aus dieser Serie hing bereits neben einem<br />
Foto von Leni Riefenstahl im deutschen Historischen<br />
Museum. „Für mich als deutscher Jude war das ehrlich gesagt<br />
ziemlich toll. Ein ganz persönlicher Kick, voller Genugtuung.<br />
Das hat mir geholfen, meine Identität zu begradigen.“<br />
Wenn man <strong>Josefsohn</strong> fragt, was er uns damit sagen möchte,<br />
zitiert er die große russische Tänzerin Anna Pawlowna,<br />
die auf die Frage, was sie mit ihrem Tanz ausdrücken wolle,<br />
gesagt haben soll: „Wenn ich das sagen könnte, hätte ich es<br />
nicht nötig, zu tanzen.“ <strong>Josefsohn</strong>s neuestes Werk, eine Serie<br />
junger israelischer Soldaten – aufgenommen im letzten Sommer,<br />
also wenige Monate vor Beginn des letzten Einsatzes<br />
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Brillen von Prada / Gucci / Yves Saint-Laurent<br />
gegen Hamas-Palästina in Gaza – liegt ausgebreitet auf dem<br />
Küchentisch und hat den Titel „Sex Pistols“. Es sind Aufnahmen<br />
einer scheinbar fröhlichen Jugendtruppe in Uniformen<br />
und mit Waffen, süße Jungs und Mädchen, die rauchend an<br />
Bushaltestellen lümmeln, am Stützpunkt Yoav ihre Barette in<br />
die Luft wirbeln, auf Bäume kraxeln und sich küssen. Dabei<br />
wirken sie sehr sexy, stylisch und unbekümmert. <strong>Josefsohn</strong><br />
zeigt auf eine junge Soldatin, die auf einer Gehsteigkante<br />
hockt und mit einem Mann knutscht. „Das ist Adi“, sagt er,<br />
„eine meiner beiden Schwestern.“<br />
Adi Bismut ist nicht wirklich <strong>Josefsohn</strong>s leibliche Schwester.<br />
Und doch so etwas Ähnliches. Ihr Großvater Ehud und<br />
<strong>Josefsohn</strong>s Vater Serge stammen aus dem gleichen rumänischen<br />
Dorf und flüchteten von dort als 12-Jährige gemeinsam<br />
vor dem heranwalzenden Holocaust nach Haifa, wo sie mit<br />
einem Hagana-Schiff ankamen und trotz der britischen<br />
Blockade mit einem todesmutigen Sprung das Land erreichten.<br />
Während Serge <strong>Josefsohn</strong> sich später als Schiffsingenieur<br />
eine Existenz aufbaute und mit Agneta, die mit ihrer Mutter<br />
als letzte Überlebende der Familie aus Ungarn geflohen war,<br />
in Deutschland seinen Sohn bekam und folglich blieb, haben<br />
die Bismuts im kleinen Dörfchen Moshav Herut/Tel Mond,<br />
zwischen Tel Aviv und Natanja, eine Heimat gefunden. Auch<br />
für <strong>Daniel</strong>, der dort als Kind seine Sommer verbrachte – Sommer,<br />
die in seiner Erinnerung nach Orangen duften, von Sonne<br />
durchflutet waren und in ihm das Gefühl von Familie und<br />
Zusammengehörigkeit auslösen. 2004 Jahr war er wieder dort<br />
gewesen und hat auch seinen Vater in diese gefühlte Heimat<br />
gebracht. Dort wo sein bester Freund lebt. Die helle, freundliche<br />
Grabplatte mit dem leider falsch geschriebenen Namen<br />
Sergo Josefzon ist auf einem der Fotos zu sehen.<br />
Die 24-jährige Adi lebt immer noch in dem Ort. Sie studiert<br />
und jobbt in einem Café in einem träumerischen<br />
Orangenhain. Fünf Jahre lang hat sie insgesamt in der israelischen<br />
Armee gedient – und gekämpft. Ihre 18-jährige<br />
Schwester Rona leistet gerade im Gaza-Streifen ihren Dienst.<br />
„Die Armee und der Krieg sind Teil unseres Lebens“, sagt sie.<br />
„Wir haben hier in Israel eine völlig andere Wirklichkeit als<br />
Gleichaltrige in Europa. Jeder hier weiß, dass er seinen Beitrag<br />
bringen muss, dass unser Land und unser Leben nur so weiterexistieren<br />
können. Das ist aus der Sicht von anderen ein permanenter<br />
Ausnahmezustand – für uns ist es die Normalität.“
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Brille von Ray-Ban<br />
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Brille von Ray-Ban
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Zuletzt war Adi Commander und zuständig für die Ausbildung<br />
junger Soldaten – jener jungen Männer und Frauen,<br />
die auf <strong>Josefsohn</strong>s Bilder zu sehen sind. Die Szenerien<br />
muten fast merkwürdig an, weil sie sich so massiv von dem<br />
unterscheiden, was man auf den martialischen Pressefotografien<br />
sonst zu sehen bekommt. Die dunkle, anonyme Masse<br />
eines Kriegsapparats, der da im Nahen Osten gegen die<br />
Palästinenser vorgeht, wird plötzlich menschlich. <strong>Josefsohn</strong><br />
zeigt uniformierte Jugendliche in einem Land, das selbst<br />
noch in vielerlei Hinsicht in der Pubertät steckt. Junge Menschen,<br />
deren Einsatz für den eigenen Staat und die eigene<br />
Identität nicht abstrakt ist wie in den anderen westlichen<br />
Demokratien. Und er zeigt auch ein Aufbegehren der Einzelnen<br />
gegen die Uniformität. „Es ist typisch für die Soldaten,<br />
dass sie in dem kleinen Rahmen, der ihnen erlaubt ist,<br />
ein bisschen Eigenständigkeit ausdrücken möchten“, sagt<br />
Adi. „Sie tragen deshalb Gucci-Brillen, Louis-Vuitton-Uhren<br />
oder irgendwelche anderen Accessoires, die ihnen in den vielen<br />
Monaten in der Armee, in denen andere schon studieren<br />
oder einfach das Leben genießen, wenigstens die Ahnung<br />
von Jugend erlauben.“ Kein Wunder, dass das Treiben in den<br />
Diskotheken und Clubs von Tel Aviv ausgelassener und<br />
lebenshungriger ist als anderswo. „Wir tanzen, feiern und<br />
leben – und während der Woche fahren wir wieder in den<br />
Krieg“, sagt Adi. „Manche brauchen danach psychologische<br />
Betreuung, fahren für ein halbes Jahr nach Südamerika oder<br />
Indien, um den Kopf frei zu bekommen. Danach kommen<br />
sie zurück und es geht weiter. So ist das eben.“ Manchmal ist<br />
es noch viel schlimmer. Monate nach dem Entstehen dieser<br />
Fotos, bei der Operation „Gegossenes Blei“ in Gaza, setzten<br />
die israelischen Streitkräfte nach Erkenntnissen von Menschenrechtsgruppen<br />
wie „Humans Rights Watch“ Phosphormunition<br />
gegen die Zivilbevölkerung ein. Vorwürfe<br />
wegen angeblicher Kriegsverbrechen werden laut, gestützt<br />
durch Aussagen von israelischen Soldaten. Und vermutlich<br />
liegt genau darin das Dilemma, denn die meisten kennen diese<br />
Fakten, aber das Kämpfen selbst kann nur jemand in Frage<br />
stellen, der nicht in Israel lebt.<br />
<strong>Daniel</strong> <strong>Josefsohn</strong> sitzt auf einem Rad und pfeift schrill<br />
durch die Finger. „Jesus!“, ruft er seinen Hund, „Jeeee-sus!“<br />
Ein paar Touristen bleiben stehen und schütteln schmunzelnd<br />
den Kopf. „Jude-Sein ist irgendwie wie eine geile<br />
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Schwuchtel sein“, sagt er. „Man gehört zu einer Randgruppe,<br />
man wird natürlich akzeptiert und manchmal sogar mit<br />
Zuneigung und Interesse überschüttet – aber auch darin<br />
wird einem ja ständig gezeigt, dass man anders ist“, sagt er.<br />
„Für mich hat das jahrelang nicht viel bedeutet. Erst als mein<br />
Vater gestorben ist, habe ich so eine sentimentale Beziehung<br />
zu Israel aufgebaut.“ Damals hat <strong>Daniel</strong> <strong>Josefsohn</strong> sogar bei<br />
der jüdischen Gemeinde angerufen und um den Rückruf<br />
eines Rabbis gebeten. Aber man hat den Zettel mit der Rükkrufnummer<br />
wohl verloren. „Naja, die haben eben auch<br />
andere Probleme.“ Tatsächlich hat die schwierige Situation<br />
und permanente Bedrohung in Israel einen starken Einfluss<br />
auf Deutschland und vor allem auf seine jüdischen Gemeinden.<br />
Aufgrund einer Sonderregelung können Juden aus dem<br />
Osten einfacher deutsche Staatsbürger werden als andere<br />
Einwanderer. Seitdem hat Deutschland mehr Immigranten<br />
als Israel selbst – obwohl man dort mit dem Nachweis einer<br />
jüdischen Abstammung am Flughafen sofort eine Staatsbürgerschaft<br />
in die Hand gedrückt bekommt. „Es gibt wieder<br />
ein ziemlich aktives und vielfältiges jüdisches Leben in<br />
Berlin“, sagt er. „Normal ist es aber nicht. Auch wenn man<br />
hier lebt und sich als Deutscher fühlt, ist man irgendwie<br />
immer auch Israeli. Man weiß, es existiert und steht für einen<br />
offen, komme was wolle.“<br />
***<br />
Vergangenen Sommer stand <strong>Daniel</strong> <strong>Josefsohn</strong> in der<br />
S-Bahn von Tel Aviv, als sich der Waggon mit jungen Soldaten<br />
füllte. „Ich spürte plötzlich einen Gewehrkolben im Rücken,<br />
es war einfach so eng“, sagt er. „Ich sah hoch und blickte<br />
in Modelgesichter – wie Kate Moss und Brad Pitt in Uniformen<br />
und Design-Label-Accessoires. Da war mit klar, dass<br />
man diese Leute mal von einem Style-Blickpunkt zeigen<br />
muss. Das, was unsere jungen Leute hier mit denen aus den<br />
Schützengräben in Gaza verbindet.“<br />
Am Abend saßen alle zum Shabbat in Moshav Herut.<br />
Mutter Bismut erzählte von früher, als sie selbst in der<br />
Armee war. <strong>Daniel</strong> erzählte Adi von seiner Idee mit der<br />
Fotostrecke. Mondo Bismut, der Vater, berichtete von<br />
seinen Bienen. Er ist der israelische Chef-Imker und war<br />
sogar als Entwicklungshelfer in Afrika, um den Leuten beizubringen,<br />
wie man die Bienen kultiviert, damit sie Honig<br />
geben, und dass man sie nicht töten muss. Es war ein schöner<br />
Abend. Er fühlte sich an wie ein bisschen Frieden.