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Unser Wasser - Verschönerungsverein Reichenbach

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<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Geschichte und Geschichten<br />

über die <strong>Reichenbach</strong>er Quellen,<br />

Brunnen & <strong>Wasser</strong>werke


<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Geschichte und Geschichten<br />

über die <strong>Reichenbach</strong>er Quellen,<br />

Brunnen und <strong>Wasser</strong>werke


Inhalt<br />

4 Vorwort<br />

4 Bürgermeister Kaltwasser<br />

5 <strong>Wasser</strong> - Urquell des Lebens<br />

6 Die Entwicklungsgeschichte der <strong>Wasser</strong>versorgung<br />

7 Die ersten Brunnen<br />

8 Die Entstehung des Trinkwassernetzes<br />

12 Die Dienstanweisung für den „Rohrmeister“<br />

13 Die Brunnen bleiben weiterhin wichtig<br />

13 Das <strong>Reichenbach</strong>er Schwimmbad<br />

14 Jetzt auch <strong>Wasser</strong>gebühren<br />

14 Die <strong>Wasser</strong>versorgung ist erneut unzureichend<br />

16 Die Errichtung eines Gemeindebades<br />

17 Die Gemeinde errichtet einen Hochbehälter<br />

18 Die <strong>Wasser</strong>versorgung ist schon wieder unzureichend<br />

19 Eine Steuerungsanlage hilft<br />

20 Die Brunnen gewinnen wieder an Bedeutung<br />

20 Der Brunnen in der Bangertgasse<br />

21 Der Brunnen in der Beedenkirchener Straße<br />

22 Der Brunnen in der Friedhofstraße<br />

23 Der Brunnen im Brandauer Klinger<br />

24 Der Brunnen in der Hohensteiner Straße - Vorbachbrunnen<br />

25 Der Brunnen im Rödchen<br />

26 Der Brunnen am Marktplatz<br />

29 Qualitätssicherung ist heute oberstes Gebot<br />

29 Aktuelle Kosten der Trinkwasserversorgung<br />

30 Daseinsfürsorge - früher und heute<br />

31 Quellenangaben/Bildnachweis/Impressum


4<br />

Vorwort<br />

„Alles ist aus dem <strong>Wasser</strong> geworden“,<br />

stellte der griechische<br />

Philosoph Thales vor über 2500<br />

Jahren fest.<br />

„Das <strong>Wasser</strong> kann ohne Fische<br />

auskommen, aber kein einziger<br />

Fisch ohne <strong>Wasser</strong>“, so lautet ein<br />

bekanntes chinesisches Sprichwort,<br />

das die Abhängigkeit des<br />

Lebens vom <strong>Wasser</strong> auf den<br />

Punkt bringt.<br />

Gutes, gesundes <strong>Wasser</strong> gehört<br />

zum größten Vermögen einer<br />

Gesellschaft, ist ein Schatz, den<br />

wir unbedingt erhalten müssen.<br />

Wenn wir an unsere Kinder denken,<br />

wissen wir sofort, dass sich<br />

dieser Aufwand lohnt. Wir müssen<br />

uns stets ins Bewusstsein<br />

rufen, dass <strong>Wasser</strong> der Ursprung<br />

allen Lebens ist. Das <strong>Wasser</strong> ist<br />

alles und ins <strong>Wasser</strong> kehrt alles<br />

zurück.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Was weltweit zum Nachdenken<br />

anregen sollte, könnte in Deutschland<br />

leicht als Randerscheinung<br />

untergehen.<br />

Denn wir leben - zum Glück - in<br />

einer Region, in der <strong>Wasser</strong> im<br />

Überfluss vorhanden ist. Jederzeit<br />

sauberes <strong>Wasser</strong> zur Verfügung<br />

zu haben, ist für uns daher<br />

selbstverständlich.<br />

In vielen Teilen der Erde ist das<br />

<strong>Wasser</strong> jedoch knapp und deshalb<br />

äußerst kostbar. Der Zugang<br />

zum <strong>Wasser</strong> ist zuweilen hart umkämpft,<br />

bis hin zu kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen.<br />

Das „<strong>Reichenbach</strong>er <strong>Wasser</strong>buch“<br />

gibt einen anschaulichen<br />

geschichtlichen Abriss der Entwicklung<br />

der <strong>Wasser</strong>versorgung<br />

unter besonderer Betrachtung<br />

der Brunnen im Ort und vermittelt<br />

dem interessierten Leser eine exakte<br />

Zustandsbeschreibung.<br />

Den Initiatoren, allen voran dem<br />

<strong>Verschönerungsverein</strong> <strong>Reichenbach</strong><br />

als Herausgeber der Schrift<br />

sowie dem Redaktionsteam sei<br />

für diese gelungene Arbeit herzlich<br />

gedankt.<br />

Ihr<br />

Jürgen Kaltwasser,<br />

Bürgermeister


<strong>Wasser</strong> - Urquell des Lebens<br />

Es rieselt vom Himmel, sprudelt<br />

aus Quellen, murmelt in Bächen,<br />

dümpelt in Teichen und fließt aus<br />

der Leitung.<br />

<strong>Wasser</strong> stand am Anfang des<br />

Lebens auf unserer Erde.<br />

<strong>Wasser</strong> gibt es im Überfluss und<br />

ist dennoch so knapp.<br />

<strong>Wasser</strong> ist unser Lebensmittel<br />

Nummer eins und für uns alle<br />

lebensnotwendig.<br />

Sinnbild des <strong>Wasser</strong>s und somit<br />

des Lebens ist der Brunnen.<br />

Franz Schubert (1790 - 1828) hat<br />

ihn an den Anfang seines wohl<br />

bekanntesten Werkes gesetzt.<br />

Mit der „schaurig schönen“ Tonfolge<br />

vom „Am Brunnen vor<br />

dem Tore, da steht ein Lindenbaum;<br />

ich träumt in seinem<br />

Schatten, so manchen süßen<br />

Traum“ preist er in der „Winterreise“<br />

den Brunnen als <strong>Wasser</strong>- und<br />

Lebensspender.<br />

Wir wollen es Schubert nachtun<br />

und mit dieser Schrift die Brunnen<br />

in <strong>Reichenbach</strong> in den Mittelpunkt<br />

des Interesses rücken. Damit<br />

verbinden möchten wir die<br />

Geschichte des <strong>Reichenbach</strong>er<br />

Trink- und Brauchwassers, das<br />

für Menschen, Tiere und Pflanzen<br />

so lebensnotwendig war und ist.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 5


6<br />

Die Entwicklungsgeschichte der <strong>Wasser</strong>versorgung<br />

Als vor knapp eintausend Jahren,<br />

Anno Domini 1012, „Richinbach“<br />

zum ersten Mal urkundlich erwähnt<br />

wurde, war die Gemarkung<br />

„Wildbann“ des Abtes Bobbo<br />

von Lorsch. <strong>Reichenbach</strong> war<br />

als zentrale Stelle Sitz einer Wildhube.<br />

Zu ihr gehörten Wohnhaus,<br />

Scheuer, Stall, Backhaus und die<br />

nötigen Äcker und Wiesen [3].<br />

Weitere Ansiedlungen gab es<br />

nicht oder nur in geringer Zahl,<br />

so dass das Trinkwasser für<br />

Mensch und Tier wohl aus den<br />

zahlreichen Bächen <strong>Reichenbach</strong>s<br />

(Lauter, Graulbach, Vorbach,<br />

<strong>Reichenbach</strong> u.a.) entnommen<br />

wurde.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Eine natürlich gefasste Quelle<br />

gab es am Fuße des Felsenmeers.<br />

Dort ermordete Hagen<br />

von Tronje nach der im 13. Jahrhundert<br />

entstandenen Nibelungensage<br />

hinterhältig Siegfried,<br />

als er sich an der Quelle erfrischen<br />

wollte.<br />

Der Nibelunge Siegfried bestand<br />

in seiner Jugend viele Abenteuer.<br />

So tötete er einen Lindwurm, in<br />

dessen Blut er badete und darauf<br />

scheinbar unverwundbar gegen<br />

Eisen und Stahl wurde. Jedoch<br />

fiel ihm ein Lindenblatt zwischen<br />

die Schulterblätter und an dieser<br />

Stelle war er verwundbar. Brunhild,<br />

die von Siegfrieds Gattin<br />

Kriemhild davon erfuhr,<br />

beauftragte Hagen<br />

von Tronje, Siegfried<br />

bei der Jagd zu<br />

ermorden. Diesen<br />

Auftrag erfüllte er an<br />

der „Siegfriedsquelle“<br />

im Felsenmeer.<br />

Da die Nibelungensage,<br />

ein Lied mit über<br />

2000 Strophen, auf<br />

die Geschehnisse der<br />

Völkerwanderungszeit<br />

zurückgeht und später<br />

vielfach ergänzt und<br />

auch geografisch verändert<br />

wurde, pochen<br />

heute auch andere<br />

Orte auf den „Original-<br />

Siegfriedsbrunnen“.<br />

Doch für die <strong>Reichenbach</strong>er<br />

steht fest,<br />

dass nur am Felsenmeer der Original-Schauplatz<br />

gewesen sein<br />

kann. Auch deshalb wurde im<br />

Jubiläumsjahr der Siegfriedsage<br />

die Inschrift an der Quelle aufgefrischt<br />

und das Areal um die<br />

geschichtsträchtige Quelle immer<br />

wieder gepflegt.<br />

Mit der Zunahme der Bürger im<br />

fünfzehnten und sechzehnten<br />

Jahrhundert reichten die ungefassten<br />

Quellen und Bäche nicht<br />

mehr aus. Wie in vielen anderen<br />

Dörfern des Odenwaldes waren<br />

zur <strong>Wasser</strong>gewinnung schon<br />

Anstauungen der Bäche erforderlich<br />

[1].<br />

Doch diese Art der <strong>Wasser</strong>gewinnung<br />

schloss Verunreinigungen<br />

nicht aus, ja förderte Krankheiten<br />

an Mensch und Tier. Deshalb<br />

wurden im Laufe der Entwicklung<br />

<strong>Reichenbach</strong>s immer mehr Quellen<br />

gefasst, ihr Einzugsgebiet<br />

geschützt und das Trink- oder<br />

Brauchwasser direkt den Menschen<br />

und Tieren zugeleitet.


Die ersten Brunnen<br />

Der erste öffentlich nutzbare<br />

Brunnen, gespeist von einer<br />

gefassten Quelle, war nachweislich<br />

der Marktplatzbrunnen. Der<br />

protestantische Pfarrer Martin<br />

Walther (1569 - 1635), der mit<br />

seinen Aufzeichnungen in den<br />

Kirchenbüchern ein weithin einmaliges<br />

Dokument der Dorfgeschichte<br />

geliefert hat, schreibt<br />

hierzu: „Den 14. Nov. 1603 ist<br />

von Sebastian Platzern, Kunststeiger<br />

des Bergwerks, der Bronn<br />

beym Rathaus anderst und von<br />

neuem gelegt worden“[5].<br />

Daraus lässt sich ableiten, dass<br />

dieser Brunnen wohl schon längere<br />

Zeit bestand. Er dürfte um das<br />

Jahr 1600 etwa 200 Einwohnern<br />

[2] als <strong>Wasser</strong>spender gedient<br />

haben. Die Erneuerungsarbeiten<br />

am Marktplatzbrunnen weckten<br />

bei den „Unterdörfern“ den<br />

Wunsch nach einem eigenen<br />

Brunnen. Dieser wurde 1614 erfüllt,<br />

wie Pfarrer Walther schreibt:<br />

Der Marktplatzbrunnen vor dem<br />

Kriegerdenkmal von 1870/71 [3]<br />

„Hat der Herr Ambtmann gutgeheißen,<br />

daß auch ein Bronn<br />

bey des Schultheißen Hauß<br />

(Scharschmidt, Friedhofstraße)<br />

auff der Gassen springen soll<br />

und dem Bronnen den Namen<br />

geben Haderbronn“.<br />

Gespeist wurden beide Brunnen<br />

von einer gefassten Quelle in der<br />

Brunnenstube, deren Ergiebigkeit<br />

wohl hoch war und zumindest<br />

beim Brunnen in der Friedhofstraße<br />

auch heute noch ist. Über<br />

Bauweise und -material ist nichts<br />

bekannt. Zumindest der Marktplatzbrunnen<br />

änderte seine Form<br />

und sein Aussehen über die Jahrhunderte<br />

vielfach.<br />

Nach Richard Matthes, dem ersten<br />

Verfasser des <strong>Reichenbach</strong>er<br />

Heimatbuches im Jahre<br />

1936, „floß das <strong>Wasser</strong> unterirdisch<br />

durch Röhren aus Kiefernholz<br />

(Deicheln), die gewöhnlich<br />

auf dem Marktplatz unter Aufsicht<br />

eines Bensheimer Bohrmeisters<br />

von den <strong>Reichenbach</strong>er Zimmerleuten<br />

gebohrt wurden. Damit<br />

diese Deicheln widerstandsfähig<br />

wurden, legte man sie noch eini-<br />

Beim Bohren der Deicheln<br />

(hölzerne <strong>Wasser</strong>leitungsrohre) [3]<br />

ge Zeit in einen Teich im<br />

Rödchen. Die dortige Wiese heißt<br />

heute noch die Teichwiese“.<br />

Nach dem dramatischen Rückgang<br />

der Bevölkerung im Glaubenskrieg<br />

von 1618 - 1648 stieg<br />

die Zahl der Einwohner bis zum<br />

Jahre 1800 auf über 500 an [2].<br />

Diese benötigten mehr und auch<br />

besseres <strong>Wasser</strong>, als es die<br />

Bäche und die beiden Brunnen<br />

liefern konnten. Deshalb fassten<br />

sich immer mehr Bürger ihre<br />

eigenen Quellen, oder förderten<br />

ihr Trinkwasser aus gemeinsam<br />

errichteten Brunnen.<br />

Dies lässt sich aus der Geschichtsschreibung<br />

und auch<br />

aus dem Archiv der Gemeinde<br />

nicht nachweisen. Es ist jedoch<br />

davon auszugehen, dass in <strong>Reichenbach</strong><br />

die Entwicklung analog<br />

der in den umliegenden Ortschaften,<br />

z.B. wie in Schannenbach<br />

verlief, wo Vereinbarungen<br />

über diese vertraglich gesicherten<br />

<strong>Wasser</strong>rechte anschaulich<br />

von Hermann Bauer [1] geschildert<br />

werden.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 7


8<br />

In <strong>Reichenbach</strong> gingen die Verantwortlichen<br />

der Gemeinde früh<br />

den Weg einer gemeinsamen<br />

<strong>Wasser</strong>versorgung. So fasste der<br />

Gemeinderat 1892 den Beschluss<br />

über die „Anlegung eines<br />

neuen Brunnens im Oberdorf“.<br />

Dazu war eine Regelung mit dem<br />

Grundstückseigentümer „Gastwirt<br />

Andreas Lampert von <strong>Reichenbach</strong>“<br />

erforderlich, die am<br />

17. Dezember zustande kam. In<br />

ihr wurde der Kauf der Quelle im<br />

Vorbach vereinbart, um deren<br />

<strong>Wasser</strong> langfristig nutzen zu können.<br />

Als Preis wurden 50 Reichsmark<br />

„gegen bare Zahlung“ festgehalten.<br />

In dem Vertrag behielt sich die<br />

Gemeinde den ungehinderten<br />

Zugang des Rohrmeisters zur<br />

Brunnenstube vor. Diese sollte<br />

„ummauert werden und ein lichtes<br />

Maß von ein und einem halben<br />

Meter Breite und zwei Meter<br />

Die Entstehung des Trinkwassernetzes<br />

1898 gründete sich die „<strong>Wasser</strong>genossenschaft<br />

<strong>Reichenbach</strong>“,<br />

die im selben Jahr den Bau von<br />

Quellenkammer, Sammelkammer<br />

und eines Hochbehälters<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Länge haben“. „Sobald<br />

die Brunnenstube ausgemauert<br />

und ein verschließbares<br />

Thor angebracht<br />

ist, erhält<br />

Andreas Lampert einen<br />

Schlüssel von der<br />

Gemeinde unentgeltlich“.<br />

Unterschrieben<br />

ist die Regelung vom<br />

großherzoglichen Bürgermeister<br />

Johannes<br />

Eßinger, der von 1875<br />

bis 1910 dem Gemeinderat<br />

vorstand.<br />

Aus dem „Gemeinderath“unterschrieben<br />

Deichert, Lampert,<br />

Seeger, Müller,<br />

Joh. Scharschmidt<br />

II. und Bickelhaupt.


an der heutigen Beedenkirchener<br />

Straße realisierte. Über das „<strong>Wasser</strong>werk“<br />

existiert im Gemeindearchiv<br />

noch eine Abzeichnung der<br />

Planunterlagen aus dem Jahre<br />

1910, die wegen ihrer Detailgenauigkeit<br />

und Einmaligkeit nachstehend<br />

teilweise wiedergegeben<br />

wird.<br />

Lageplan Unterdorf zwischen<br />

Falltorbrücke und Einfahrt zur<br />

„Buddemarie“<br />

Aus diesem <strong>Wasser</strong>werk versorgte<br />

die Genossenschaft die einzelnen<br />

Haushalte mit Trinkwasser.<br />

Dazu war jedoch die Verlegung<br />

einer „<strong>Wasser</strong>leitung mit Seitenabstichen“<br />

notwendig.<br />

Diese wurde von der „Genossenschaft<br />

mit unbeschränkter Haftpflicht“<br />

bei der Kreisstraßenverwaltung<br />

„ersucht“. Dem Antrag<br />

beigefügt war ein Lageplan über<br />

die Kreisstraße Bensheim -<br />

Gadernheim, in dem die Straßenführung,<br />

der geplante Verlauf der<br />

<strong>Wasser</strong>leitungen und deren „Seitenabstiche“<br />

festgehalten waren.<br />

Die Verlegung der <strong>Wasser</strong>leitung<br />

wurde dem „Gesuchsteller“ unter<br />

einer Reihe von Bedingungen genehmigt.<br />

So durften beispielsweise<br />

keinerlei Veränderungen vorgenommen<br />

werden, wenn sich in<br />

dem Straßenzug ein „Staatska-<br />

bel“ befand. Sowohl bei der Neuanlage,<br />

als auch bei jeder späteren<br />

Reparatur musste der „Postverwaltung<br />

<strong>Reichenbach</strong>“ zuvor<br />

Anzeige erstattet werden, „damit<br />

letztere Behörde jedesmal die<br />

entsprechenden Vorkehrungen<br />

wegen der Schonung des Staatskabels<br />

anordnet“.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 9


10<br />

1907 kam es zum Verkauf des<br />

„<strong>Wasser</strong>werks mit sämtlichem<br />

Mobiliar und Immobilien“ an die<br />

Gemeinde. Zuvor jedoch wurden<br />

umfangreiche Untersuchungen<br />

über die Entwicklung der Schüttungsmengen<br />

der Quellen angestellt<br />

und nach neuen gesucht.<br />

So berichtete am 14. September<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

1905 die Großherzogliche<br />

Kulturinspektion<br />

in Darmstadt an das<br />

Großherzogliche Kreisamt<br />

in Bensheim, dass<br />

sie die „derzeit gefaßten<br />

Quellen“ beobachtet<br />

hätte. Die Schwankungen<br />

der <strong>Wasser</strong>mengen<br />

wären „unwesentlich“.<br />

Zudem hätten sie die für<br />

eine Zuführung in Betracht<br />

kommenden<br />

Quellen im „Brandauer<br />

Klinger“ gemessen. Die<br />

Quellen der Schlosserei<br />

Reimund hätten 52 Tages-cbm<br />

und die des ... Hechler 20 mal 7<br />

Tages-cbm ergeben. Die weiteren<br />

in diesem Tal liegenden Quellen<br />

mit 20 Tages-cbm kämen vorläufig<br />

wegen der geringen <strong>Wasser</strong>menge<br />

nicht in Betracht. Das<br />

Amt schlug vor, die Messungen<br />

bis auf weiteres fortzusetzen.<br />

Damit erklärte sich Bürgermeister<br />

Eßinger jedoch<br />

nicht einverstanden. Da die<br />

Gemeinde für die Messungen<br />

eine Rechnung über<br />

7,70 Reichsmark erhalten<br />

habe, bitte sie „unterthänigst“<br />

darum, diese selbst<br />

vornehmen zu dürfen, um<br />

der Gemeinde Kosten zu<br />

sparen. Diesem Gesuch<br />

wurde vom Kreisamt und<br />

der Kulturinspektion stattgegeben.<br />

In den Folgemonaten<br />

meldete Bürgermeister<br />

Eßinger seine Ergebnisse<br />

nach Darmstadt und<br />

Bensheim. Diese waren<br />

der Kulturinspektion jedoch<br />

nicht ausreichend<br />

genug. Mit Schreiben<br />

vom 27. Dezember<br />

1906 teilten sie dem<br />

Kreisamt und der Bür-<br />

germeisterei in <strong>Reichenbach</strong> mit,<br />

dass sie sich aufgrund der ihnen<br />

vorgegebenen Daten „nicht endgültig“<br />

über den Zustand des<br />

<strong>Wasser</strong>werkes und möglicher<br />

Neufassung von Quellen äußern<br />

könnten.<br />

Ohne das angeforderte Gutachten<br />

ging dann wohl dennoch<br />

der Kauf des <strong>Wasser</strong>werkes <strong>Reichenbach</strong><br />

über die Bühne. Am<br />

17. April 1907 wurde der Kaufvertrag<br />

zwischen der <strong>Wasser</strong>genossenschaft<br />

und der Gemeinde abgeschlossen.<br />

Der Käufer hatte<br />

den Betrag von „46.000 Reichsmark,<br />

zahlbar den 1. Januar<br />

1908, verzinslich zu 4 % vom<br />

1. Januar 1907 ab“, zu entrichten.<br />

Die Übergabe erfolgte mit dem<br />

1. Januar 1907. Der Vertrag war<br />

unterzeichnet vom Großherzoglichen<br />

Bürgermeister Eßinger,<br />

Großherzoglichen Beigeordneten<br />

Dude sowie von den Gemeinderäten<br />

Lampert, Scharschmidt II.,<br />

Bitsch, Kindinger, Trautmann,<br />

Hochgenug und Dörner II.. Für<br />

die <strong>Wasser</strong>genossenschaft unterschrieben<br />

Jakob Lampert IV.,<br />

Philipp Kindinger V., Philipp Dörner<br />

II., Georg Beutel II., Georg<br />

Lampert V., Johann Philipp<br />

Schneider, Peter Weimar und<br />

Peter Kindinger V..[6]


Die angestrebte höhere Liefermenge<br />

für nun 1.843 Einwohner<br />

[2] konnte 1910 realisiert werden.<br />

Die Gemeinde kaufte von Johann<br />

Philipp Schneider II. und seiner<br />

Ehefrau Barbara, geborene Lang,<br />

„sämtliche entspringenden Quellen“<br />

auf ihren Grundstücken im<br />

„Hainzenwald“ zum Preis von<br />

500 Reichsmark. Der Vertrag wurde<br />

unterzeichnet vom neuen Bürgermeister<br />

Philipp Mink XIII., sowie<br />

den Gemeinderäten Bitsch,<br />

Krichbaum, Lampert, Bernhardt,<br />

Trautmann und Heil.<br />

Im Gemeindearchiv findet man<br />

auch ein „Versteigerungsprotokoll<br />

über die Unterhaltung der Brunnen<br />

für die Zeit vom 01. Juni<br />

1920 bis dahin 1925“.<br />

Es lautet:<br />

Nach vorausgegangener öffentlicher<br />

Bekanntmachung wird die<br />

Unterhaltung der Brunnen für die<br />

Zeit vom 1. Juni 1920 bis dahin<br />

1925, unter folgenden Bedingungen<br />

versteigert.<br />

1. Die Brunnen müssen jederzeit<br />

in ordentlichem Zustande gehalten,<br />

vor allem dass jeder Zeit das<br />

<strong>Wasser</strong> läuft, und keine Unterbrechungen<br />

eintreten.<br />

2. Die Quellkammern sind ebenfalls<br />

in ordnungsmäßigen Zustande<br />

zu halten.<br />

3. Genehmigung bleibt 8 Tage<br />

lang vorbehalten.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 11


12<br />

Die Dienstanweisung für den „Rohrmeister“<br />

Von der Kulturinspektion in Darmstadt<br />

genehmigt werden musste<br />

die 24 Paragraphen umfassende<br />

Dienstanweisung für den Rohrmeister<br />

der <strong>Wasser</strong>versorgung.<br />

Diese für den reibungslosen Betrieb<br />

der <strong>Wasser</strong>werke und für die<br />

ausreichende und qualitätsgerechte<br />

Versorgung der Bevölkerung<br />

so wichtigen Position, wurde<br />

viele Jahrzehnte an örtliche<br />

Handwerker vergeben. Auf die<br />

Anweisung aus dem Jahre 1909,<br />

sicher exemplarisch auch für<br />

spätere Jahrzehnte, soll deshalb<br />

hier kurz eingegangen werden.<br />

Dem Rohrmeister oblag die Instandhaltung<br />

und Überwachung<br />

des gesamten <strong>Wasser</strong>werkes<br />

<strong>Reichenbach</strong>. Er hatte namentlich<br />

die Spülung des Rohrnetzes<br />

und die Kontrolle über die beweglichen<br />

Teile wie Schieber und<br />

Hydranten vorzunehmen.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Er haftete für etwa vorkommende<br />

Schäden, sofern dieselben nicht<br />

durch Naturereignisse oder<br />

durch Verschulden dritter Personen<br />

hervorgerufen wurden, „mit<br />

seinem Gehalte“.<br />

Der Rohrmeister hatte ein Tagebuch<br />

zu führen und es am Monatsletzten<br />

dem Bürgermeister<br />

vorzulegen. Darin musste er alle<br />

ausgeführten Arbeiten mit Angabe<br />

des Zeitaufwandes und der<br />

Hilfskräfte eintragen. Er hatte<br />

darüber zu wachen, dass die<br />

ortspolizeilichen Vorschriften für<br />

den Schutz und die Erhaltung der<br />

<strong>Wasser</strong>leitung beachtet werden.<br />

Ohne Urlaub durfte er die Gemarkung<br />

<strong>Reichenbach</strong> nicht verlassen.<br />

Zu seiner Vertretung im Urlaubs-<br />

oder Krankheitsfall hatte er<br />

einen geeigneten und vom Gemeinderat<br />

genehmigten Stellvertreter<br />

zu stellen. Diesen musste<br />

er in den Betrieb der Gesamt-<br />

anlage einführen und in eingehendster<br />

Weise mit allen Handlungen,<br />

Vorschriften usw. vertraut<br />

machen.<br />

Der Rohrmeister musste den<br />

Hochbehälter wöchentlich einmal<br />

besichtigen und den <strong>Wasser</strong>stand<br />

kontrollieren. Das Rohrnetz<br />

war mindestens alle 14 Tage in<br />

seiner ganzen Ausdehnung zu<br />

begehen. Er hatte sich von der<br />

Beweglichkeit der Schieber, Hydranten<br />

und Hähne durch „jedesmaliges<br />

versuchsweises Öffnen<br />

und Schließen gründlich zu überzeugen“.<br />

Im Winter waren sämtliche<br />

Straßenkappen von Schnee<br />

und Eis frei zu halten und je nach<br />

Bedarf mit Viehsalz zu bestreuen.<br />

Die Überwachung der Haus- und<br />

Anschlussleitungen war ebenfalls<br />

Sache des Rohrmeisters. Auch<br />

musste er die <strong>Wasser</strong>messungen<br />

vierteljährlich vornehmen und diese<br />

sorgfällig in das Messbuch<br />

eintragen. Sobald Feueralarm ertönte,<br />

musste er sofort die<br />

Schieber der Brandreserve<br />

im Hochbehälter öffnen<br />

und sich dem Feuerwehrkommandanten<br />

zur Verfügung<br />

stellen. Der Rohrmeister<br />

war dem Bürgermeister<br />

direkt unterstellt. Für seine<br />

Leistungen erhielt er ein<br />

jährliches Gehalt von 120<br />

Reichsmark [6].


Die Brunnen bleiben weiterhin wichtig<br />

Mit dem Bau des <strong>Wasser</strong>werkes,<br />

der <strong>Wasser</strong>leitungen und der<br />

Erhöhung der Liefermengen verloren<br />

die Brunnen am Marktplatz<br />

und in der Friedhofstraße an<br />

Bedeutung. Trotzdem kamen, wie<br />

Richard Matthes im <strong>Reichenbach</strong>er<br />

Heimatbuch schreibt, „zu<br />

späterer Zeit noch weitere Brunnen<br />

hinzu und zwar am Gasthaus<br />

„Zum Schwanen“ ... und an der<br />

Das <strong>Reichenbach</strong>er Schwimmbad<br />

An heißen Sommertagen konnten<br />

die Einwohner <strong>Reichenbach</strong>s ab<br />

dem 29. Mai 1927 nicht nur die<br />

örtlichen Bäche und Brunnen zur<br />

Abkühlung nutzen. Jetzt stand<br />

allen ein Schwimmbad im Höllacker<br />

zur Verfügung. Die Anlage<br />

wurde von der Familie Reiche<br />

privat gebaut und betrieben. Trotz<br />

ihres nach heutigen Maßstäben<br />

bescheidenen Komforts und<br />

hygienischen Mängeln bleibt sie<br />

vielen Bürgern in angenehmer, ja<br />

freudiger Erinnerung.<br />

Bis in die 60-iger Jahre hinein<br />

lernten die meisten Kinder und<br />

Jugendliche in dem kleinen<br />

Becken schwimmen. Da störte es<br />

auch nicht, dass das von der<br />

<strong>Reichenbach</strong> gespeiste Bad oftmals<br />

eiskalt war. Auch die "Anlandungen"<br />

im tieferen Teil dienten<br />

eher der Erheiterung. Und höchste<br />

Glücksgefühle erreichten die<br />

jugendlichen Halbstarken, wenn<br />

sie die gestrenge Frau Reiche<br />

ärgern konnten.<br />

„Kultstatus“ hatten die Umkleidekabinen.<br />

Als Sammelkabinen wa-<br />

Abzweigung der Wingertsbergstraße<br />

von der Hauptstraße (vor<br />

dem Kolonialwarengeschäft Klinger)“.<br />

Wann diese Brunnen errichtet<br />

wurden und wie sie aussahen,<br />

lässt sich weder aus dem<br />

Gemeindearchiv noch aus dem<br />

Heimatbuch rekonstruieren.<br />

Alle genannten Brunnen dienten<br />

und dienen auch jetzt den Bürgern<br />

zur Versorgung mit Brauch-<br />

ren sie natürlich nach Geschlecht<br />

getrennt. Doch die zweite Frauen-/Mädchenkabine<br />

und die erste<br />

Männer/Jungenkabine lagen<br />

direkt nebeneinander. Getrennt<br />

von einer einfachen Bretterwand,<br />

an der der natürliche Wuchs der<br />

Bretter nicht begradigt, Astlöcher<br />

nicht verschlossen waren. Da<br />

verwunderte es nicht, dass die<br />

einheimischen Frauen und<br />

Mädchen die zweite Kabine nicht<br />

aufsuchten. Aber nach Reichen-<br />

wasser. Doch bei Lieferknappheit,<br />

insbesondere in heißen<br />

Sommern, waren sie vielfach<br />

wichtiger Ersatz für das ausbleibende<br />

Trinkwasser.<br />

bach kamen damals ja viele<br />

Urlauber, Sommerfrischler, denen<br />

die Besonderheit der Trennwand<br />

zumindest bei ihrem ersten Besuch<br />

noch nicht auffiel. Aufmerksam<br />

wurde so manche Besucherin<br />

erst, wenn sie den Auflauf in<br />

der ersten Jungenkabine bemerkte.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 13


14<br />

Jetzt auch <strong>Wasser</strong>gebühren<br />

Für die Lieferung des Trinkwassers<br />

durch die <strong>Wasser</strong>genossenschaft<br />

und später durch die<br />

Gemeinde wurden Gebühren erhoben.<br />

Dies geschah, um die<br />

Entstehungs- und laufenden Kosten<br />

zu decken und um Mittel für<br />

künftige Investitionen zu erhalten.<br />

Als Beispiel für die Haushaltsrechnung<br />

der Gemeinde soll hier<br />

eine Einnahme- und Ausgaberechnung<br />

aus dem Jahre 1943<br />

vorgestellt werden.<br />

Danach gingen damals 5.739,40<br />

Reichsmark an <strong>Wasser</strong>geld laut<br />

Hebeliste ein. Berechnungsgrundlage<br />

waren Pauschalen für<br />

jeden Haushalt, die sich an der<br />

Familienzahl, eventuell auch an<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Besonderheiten im gewerblichen<br />

Bereich orientierten. 18 Mark wurden<br />

für Wiesenpacht am <strong>Wasser</strong>reservoir<br />

und 341,05 Mark für Zinsen<br />

eingenommen. Diese betrugen<br />

etwa zwei Prozent des<br />

<strong>Wasser</strong>leitungsfonds, der bei der<br />

Sparkasse Zwingenberg angelegt<br />

war.<br />

Den Einnahmen in Höhe von<br />

6.098,45 Reichsmark standen folgende<br />

Ausgaben gegenüber:<br />

1.026,59 Mark Rechnungsrest<br />

aus dem Vorjahr und 1.280,17<br />

Mark an Betriebsaufwand. Darunter<br />

erhielten Jakob Mink und andere<br />

für Erdarbeiten an der <strong>Wasser</strong>leitung<br />

213,50 Mark, Georg<br />

Kindinger für Maurerarbeiten und<br />

Materiallieferungen 40,10 Mark<br />

und Peter Weimar für verschiedene<br />

Hausanschlüsse, Reparaturarbeiten<br />

und Materiallieferungen<br />

889,92 Mark. Als Rohrmeister erhielt<br />

Weimar zudem 100 Mark an<br />

Jahresvergütung, Heinrich Eckel III.<br />

wurden für Gummistiefel bei<br />

<strong>Wasser</strong>leitungsarbeiten 15 Mark<br />

und Jakob Mink II. für desgleichen<br />

16 Mark erstattet. Schließ-<br />

Die <strong>Wasser</strong>versorgung ist erneut unzureichend<br />

Nicht mehr ausreichend war die<br />

<strong>Reichenbach</strong>er <strong>Wasser</strong>versorgung<br />

nach dem zweiten Weltkrieg.<br />

Durch den Zuzug der<br />

Ausgebombten, Flüchtlinge und<br />

Heimatvertriebenen stieg die<br />

Bevölkerungszahl in <strong>Reichenbach</strong><br />

auf knapp 2.500 an. Ausgerichtet<br />

war die Anlage jedoch<br />

ursprünglich auf nur 1.800 bis<br />

1.900 „Köpfe“, wie Bergingenieur<br />

Carl Emil Spatz aus Wiesbaden<br />

am 10. September 1946 in seinem<br />

lich wurden an das <strong>Wasser</strong>wirtschaftsamt<br />

in Darmstadt noch<br />

5,75 Mark für kulturtechnische<br />

Kosten entrichtet.<br />

Der Geschäftsaufwand betrug<br />

810 Reichsmark, wovon die<br />

Gemeinde 760 Mark für die<br />

Vergütung von Verwaltung, Kassen-<br />

und Rechnungsführung, Beleuchtung,<br />

Heizung, Reinigung<br />

der Büroräume und für Bürobedürfnisse<br />

erhielt. 1.048 Mark<br />

musste die Gemeinde an die<br />

Finanzkasse in Bensheim für Körperschaftssteuer<br />

bezahlen, zu<br />

denen noch 809,40 Mark Gewerbesteuer<br />

kamen.<br />

Bei Gesamtausgaben von<br />

5.315,21 Mark wurde ein Überschuss<br />

von 783,24 Mark erzielt,<br />

der (wohl pflichtgemäß) den<br />

Rücklagen/dem <strong>Wasser</strong>leitungsfonds<br />

zugeführt wurde.<br />

Unterschrieben und festgestellt<br />

wurde die 43er Rechnung im<br />

Jahre 1945 durch den damaligen<br />

Bürgermeister Wilhelm Gehbauer<br />

und Rechner Christian Kaltwasser.


„Untersuchungsbericht über die<br />

Gemeindewasserleitung in <strong>Reichenbach</strong><br />

im Odenwald“ feststellte.[6]<br />

Spatz befürchtete ein noch stärkeres<br />

Wachstum der Bevölkerung.<br />

Auch die starke „Zunahme<br />

der Einrichtung von Bädern und<br />

Spülklosetts“ trage zu einem<br />

größeren <strong>Wasser</strong>verbrauch bei.<br />

Die gewerblichen Betriebe, die<br />

Wäscherei und drei Schlächter<br />

fielen mit ihren <strong>Wasser</strong>entnahmen<br />

nicht so sehr ins Gewicht.<br />

Schuld an einer Zeit weisen <strong>Wasser</strong>knappheit<br />

trügen die Evakuierten<br />

und Flüchtlinge, die wegen<br />

Kleidermangel nahezu täglich<br />

waschen müssten, und das „nervöse<br />

Verhalten der Bevölkerung“.<br />

Er habe festgestellt, dass in fast<br />

allen Familien aus Furcht vor<br />

ausbleibendem <strong>Wasser</strong>, in den<br />

„frühesten Morgenstunden, ja in<br />

der Nacht, jedes verfügbare Gefäss<br />

mit <strong>Wasser</strong> gefüllt“ werde.<br />

Dies führe zu einem außerordentlich<br />

großen, durch „sinnlose Panik<br />

verursachten <strong>Wasser</strong>verbrauch“,<br />

der weit über den wirklichen<br />

Bedarf hinausgehe.<br />

Trotz dieses Problems entspreche<br />

die Anlage nicht mehr den<br />

„gesteigerten Anforderungen“.<br />

Zur Abhilfe macht der Bergingenieur<br />

einige Vorschläge. So solle<br />

im „Rödchen, möglichst hoch am<br />

Berge zusätzlich ein <strong>Wasser</strong>vorkommen<br />

gefaßt und gemeinsam<br />

mit dem aus der jetzigen Quellkammer<br />

kommenden <strong>Wasser</strong> in<br />

einem neu zu bauenden Hochbehälter<br />

gesammelt“ werden.<br />

Dieser Hochbehälter solle aus<br />

vielerlei Gründen kein kleineres<br />

Fassungsvermögen als 300 cbm<br />

haben. Baumaterial, Werksteine<br />

und Sand seien an Ort und Stelle<br />

verfügbar, Zement werde be-<br />

stimmt zur Verfügung stehen.<br />

Eiserne Rohrleitungen würden<br />

nur wenige Meter gebraucht und<br />

vor dem Hochbehälter könnten<br />

Tonrohre oder Steinzeugrohre<br />

verwendet werden.<br />

Nach seinen Beobachtungen<br />

werde die neue Quellfassung<br />

mehr <strong>Wasser</strong> bringen, als die gesamte<br />

bisher erfasste <strong>Wasser</strong>menge.<br />

Ein gleiches Vorgehen<br />

empfiehlt er für den Hohenstein.<br />

Auch hier sollten mindestens 300<br />

cbm Behälterraum angestrebt<br />

werden. Beide Behälter müssten<br />

in ihrer Lage zueinander und der<br />

Lage zum bereits vorhandenen<br />

dritten Behälter so aufeinander<br />

abgestimmt sein, dass ihre Ausläufer<br />

auf derselben Höhe über<br />

Normalnull zu liegen kommen.<br />

Carl Emil Spatz war der Auffassung,<br />

dass zur Behebung der aktuellen<br />

<strong>Wasser</strong>knappheit der Bau<br />

des Hochbehälters im „Rödchen“<br />

vorerst ausreichen würde. Auf<br />

den Hohenstein legte er zunächst<br />

nicht so großen Wert. Er sei „auf<br />

einiges gestoßen, was sich mit<br />

den von amtswegen verfochtenen<br />

hygienischen Grundsätzen<br />

nicht vereinbaren“ ließe.<br />

Ganz dicht oberhalb der Quellkammer<br />

wäre „eine mit Hornvieh<br />

besetzte Viehweide“. In geradezu<br />

gefährdender Nähe der Quellkammer<br />

stehe ein genutzter Viehschuppen.<br />

Die Quellkammer sei<br />

nur unzureichend gegen Mensch<br />

und Tier geschützt. Der Mindestabstand<br />

der Umzäunung,<br />

einschließlich Quellhaupt, Sickerleitungen,<br />

Zuleitungen zur Quellkammer<br />

und dieser selbst, solle<br />

mindestens 30 Meter betragen.<br />

Dies wäre hier nicht der Fall.<br />

Mit seinen Untersuchungen zur<br />

<strong>Wasser</strong>versorgung lag der Bergingenieur<br />

aus heutiger Sicht weit-<br />

gehend richtig. Allerdings irrte er<br />

hinsichtlich der „starken Zunahme<br />

der Einrichtung von Bädern<br />

und Spülklosetts“. Trotz zahlreicher<br />

Neu- und Erweiterungsbauten<br />

in den fünfziger Jahren hatten<br />

mit Beginn des „Wirtschaftswunders“<br />

die meisten Haushalte<br />

noch keine Bäder. Bei einem<br />

Wohnraumbestand von nur sieben<br />

Quadratmeter je Einwohner<br />

im Jahre 1949 war dies auch<br />

bautechnisch kaum möglich [6].<br />

Die meisten Familien wuschen<br />

sich in ihrer kleinen Küche. Oftmals<br />

unter fließendem <strong>Wasser</strong>,<br />

sofern es denn lief. Oder in einer<br />

Waschschüssel aus Blech, in die<br />

das auf dem Kohleherd erwärmte<br />

<strong>Wasser</strong> eingefüllt wurde.<br />

Wochentags genügte vielfach die<br />

Reinigung des Oberkörpers.<br />

Samstags jedoch wurde gebadet,<br />

in vielen Familien in den<br />

Sommermonaten in der Waschküche,<br />

im Winter, der Temperaturen<br />

wegen, in der Küche. Da<br />

das <strong>Wasser</strong> knapp und das<br />

Erwärmen teuer war, genügte<br />

eine Wannenfüllung für die ganze<br />

Familie. Zuerst waren die Kinder<br />

dran, dann stieg die Mutter ins<br />

<strong>Wasser</strong>. Und zum guten Schluss,<br />

als die Eintrübungen und die<br />

Ablagerungen in der Wanne<br />

schon deutlich zu sehen waren,<br />

durfte auch das Oberhaupt der<br />

Familie ran.<br />

An diesem Tag war die Küche der<br />

Mittelpunkt der Familie, alle waren<br />

zusammen. Und während die<br />

Kinder in der Wanne saßen, Vater<br />

am Küchentisch seine Brieftauben<br />

für die sonntägliche Ausstellung<br />

herausputzte, backte Mutter<br />

noch schnell einen Kuchen. Da<br />

konnte es schon mal vorkommen,<br />

dass der Kuchen den direkten<br />

Weg vom Backofen in die<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 15


16<br />

Wanne fand und ob der Aufregung<br />

die Tauben durch die<br />

Küche flatterten.<br />

Probleme bei der Körperreinigung<br />

nach ihren Spielen hatten<br />

auch die Fußballer des TSV und<br />

SSV. Da es Umkleideräume und<br />

Duschkabinen bis in die 60-iger<br />

Jahre hinein nicht gab, wurde eine<br />

„Grobreinigung“ an der Lauter<br />

oder der Graulbach vorgenom-<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

men. Neben den Vereinslokalen<br />

„Zur Traube“ und „Zum Felsberg“<br />

wurde für die Gastmannschaften<br />

eine Wanne aufgestellt. Nach<br />

ihnen durfte sich die Heimelf,<br />

sofern sich das <strong>Wasser</strong> noch<br />

nicht ganz in Schlamm verwandelt<br />

hatte, auch von den gröbsten<br />

Verschmutzungen befreien.<br />

Sehr weit entgegen kam der damalige<br />

Vorsitzender des SSV,<br />

Die Errichtung eines Gemeindebades<br />

Eine große Entlastung für viele<br />

Familien ohne Bäder und teilweise<br />

auch für die Fußballvereine<br />

brachte der Neubau der Schule<br />

in der Knodener Straße. Dort wur-<br />

de 1956 im südlichen Teil des<br />

Kellergeschosses ein Gemeindebad<br />

eingerichtet. Es wurde damals<br />

insbesondere zum samstäglichen<br />

Bad rege genutzt.<br />

Treffpunkt nicht nur<br />

der Jugendlichen<br />

und Kinder war in<br />

den Sommermonaten<br />

der fünfziger<br />

Jahre der Marktplatzbrunnen.<br />

Eine<br />

große Schar wartete<br />

täglich auf<br />

den „Eis-Venedig“.<br />

Dieser hatte in<br />

Bensheim ein kleines<br />

Eis-Cafe eröffnet<br />

und bediente<br />

seine Lautertaler<br />

Kundschaft aus<br />

dem an einen<br />

Motorroller angebrachtenAnhänger<br />

mit Kühlung<br />

heraus. Das Bällchen<br />

Eis kostete<br />

damals zehn Pfennige,<br />

die jedoch<br />

nicht alle Kinder<br />

täglich aufbringen<br />

konnten.<br />

Metzgermeister Hermann Jährling,<br />

seinen Fußballern. Sie konnten<br />

sich nach den Spielen in seiner<br />

Küche im ersten Stock waschen.<br />

Als aber nach einer<br />

„Schlammschlacht“ das <strong>Wasser</strong><br />

durch die Decke tröpfelte und<br />

auch noch der „Quätschekuche“<br />

„weggeputzt“ war, hatten die<br />

Freundlichkeiten ihr Ende.<br />

Seine Wartezeiten auf finanzkräftigere<br />

Kunden verkürzte der Italiener<br />

(in dieser Zeit eine Sensation<br />

für <strong>Reichenbach</strong>) mit kleinen<br />

Spielchen. So erhielt derjenige<br />

ein Eis gratis, der sich mit Kleidung<br />

in das Becken des Marktplatzbrunnens<br />

legte. Doch in kürzester<br />

Zeit zogen die Preise an.<br />

Als der „Eis-Venedig“ merkte,<br />

dass ihn die <strong>Reichenbach</strong>er Buben<br />

über den Tisch ziehen wollten,<br />

waren die Spielchen schnell<br />

vorbei.


Die Gemeinde errichtet einen Hochbehälter<br />

Den großen Wurf nach den Vorschlägen<br />

des Bergingenieurs<br />

Spatz wagten die Gemeinderäte<br />

in den 50-iger Jahren nicht. Statt<br />

einem 300 cbm fassenden Hochbehälter<br />

im Rödchen, errichtete<br />

die Gemeinde im Jahre 1956 einen<br />

150 cbm fassenden Hochbehälter<br />

am Hohenstein. Gespeist<br />

wurde er von den beiden<br />

Quellen am Karolinenberg, die<br />

der Bergingenieur nach seinen<br />

Untersuchungen noch für ungeeignet<br />

hielt.<br />

Nach Aussagen einiger damals<br />

Beteiligter gaben finanzielle Erwägungen<br />

und Probleme bei den<br />

Grundstücksverhandlungen den<br />

Ausschlag für eine aus heutiger<br />

Sicht nicht nachvollziehbaren<br />

Entscheidung. Beim Hochbehälter<br />

am Hohenstein liegt der <strong>Wasser</strong>spiegel<br />

289,50 Meter über<br />

Normalnull (NN). Das Behältervolumen<br />

von 150 cbm war nur<br />

zur Hälfte nutzbar, weil immer<br />

75 cbm als Brandreserve vorgehalten<br />

werden mussten.<br />

Eine Verbesserung, aber nicht<br />

den entscheidenden Fortschritt<br />

brachte auch der Bau eines Tiefbrunnens<br />

am TSV-Sportplatz. Dort<br />

wurde 1963 eine Pumpe eingebaut,<br />

die das <strong>Wasser</strong> in das Leitungsnetz<br />

der Tiefzone drückte.<br />

Eine gewisse Entlastung für das<br />

weiterhin oft ausbleibende Trinkwasser<br />

ergab eine Sanierung der<br />

Brunnen am Marktplatz, im Brandauer<br />

Klinger und in der Hohensteiner<br />

Straße in den 60er Jahren.<br />

Alle drei Brunnen wurden mit<br />

Odenwälder Granit und zugehauenen<br />

Steinen aus der örtlichen<br />

Steinproduktion errichtet.<br />

Der Brunnen in der Hohensteiner Straße<br />

Besonders an Samstagen in<br />

heißen Sommermonaten standen<br />

die Einwohner vor den nun fünf<br />

Dorfbrunnen Schlange. Die Bewohner<br />

des Neubauviertels an<br />

der Hohensteiner Straße wurden<br />

zudem noch verspottet: „Ihr habt<br />

doch eine schöne Aussicht, da<br />

könnt Ihr nicht auch noch <strong>Wasser</strong><br />

verlangen“.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 17


18<br />

Die <strong>Wasser</strong>versorgung ist schon wieder unzureichend<br />

Durch den Einbau von Toilettenanlagen<br />

und Bädern sowie den<br />

Gebrauch von Wasch- und Spülmaschinen<br />

wurde die <strong>Wasser</strong>versorgung<br />

in <strong>Reichenbach</strong> jedoch<br />

immer problematischer. Mitte und<br />

Ende der 60er Jahre halfen auch<br />

die Dorfbrunnen nicht mehr. Die<br />

Einwohnerschaft verlangte nach<br />

Lösungen, die es ihnen ermöglichte,<br />

auch an einem Samstag<br />

im Sommer in höhergelegenen<br />

Gebäuden duschen zu können.<br />

Den Forderungen der Öffentlichkeit<br />

trug der <strong>Reichenbach</strong>er Gemeinderat<br />

1968/1970 Rechnung.<br />

Der alte, 150 cbm fassende<br />

Hochbehälter an der Beedenkirchener<br />

Straße wurde um eine<br />

300 cbm aufnehmende Kammer<br />

erweitert. Das der Tiefzone zugeordnete<br />

<strong>Wasser</strong>werk liegt 238,40<br />

Meter über NN. Die Brandreserve<br />

des jetzt 450 cbm fassenden<br />

Besichtigung des Hochbehälters im Rödchen durch die <strong>Reichenbach</strong>er „Aktiven Senioren“ - Foto BA/kps)<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Behälters beträgt 100<br />

cbm, so dass nun netto<br />

350 cbm Trinkwasser<br />

zur Verfügung standen.<br />

Doch trotz dieser Maßnahme<br />

war die Trinkwasserversorgung<br />

mit<br />

steigendem Verbrauch<br />

auch in den Folgejahren<br />

nicht ausreichend.<br />

Die Schwäche des<br />

Systems wurde in Spitzenverbrauchszeitenoffensichtlich.<br />

Deshalb erhöhte<br />

man das Behältervolumen weiter<br />

und versuchte, mit einer Verbundleitung<br />

innerhalb der Gemeinde<br />

Lautertal Überschüsse<br />

und Unterdeckungen auszugleichen.<br />

1989 erfolgte endlich der 1946<br />

von dem Bergingenieur Carl Emil<br />

Spatz vorgeschlagene Bau des<br />

Hochbehälters im Rödchen. In<br />

den Kammern liegt der <strong>Wasser</strong>spiegel<br />

wie am Hohenstein<br />

289,50 Meter über NN, womit der<br />

Anschluss und die Verbindung<br />

zur Hochzone möglich war.<br />

Ebenfalls der Hochzone zugeordnet<br />

ist das 1989 errichtete Pumpwerk<br />

Rödchen, das 269,20 Meter<br />

über NN liegt und ein kleines<br />

Behältervolumen von 15 cbm hat.


Eine Steuerungsanlage hilft<br />

Anfang der 90er Jahre war „unser<br />

<strong>Wasser</strong>“ erneut Thema in<br />

allen gemeindlichen Gremien<br />

und in der Öffentlichkeit. Wegen<br />

einer angeblichen Unterdeckung<br />

des <strong>Wasser</strong>dargebots versagte<br />

das Regierungspräsidium der<br />

Gemeinde die Genehmigung<br />

weiterer Baugebiete, obwohl<br />

diese im Flächennutzungsplan<br />

ausgewiesen waren. In der Diskussion<br />

mit dem RP wurde eine<br />

<strong>Wasser</strong>bilanz erstellt. Danach<br />

schafften die Quellen in der<br />

Hochzone in <strong>Reichenbach</strong> ein<br />

Dargebot von 106 cbm täglich,<br />

dem jedoch ein Bedarf von<br />

337 cbm gegenüber stand. In<br />

der Tiefzone (der Tiefbrunnen<br />

am Sportplatz war jetzt mit dem<br />

Hochbehälter am Hohberg verbunden)<br />

stand dem Dargebot<br />

von 410 cbm ein Bedarf von<br />

608 cbm gegenüber. Damit entstand<br />

in <strong>Reichenbach</strong> eine Unterdeckung<br />

von 429 cbm täglich,<br />

die nur durch die Zuführung aus<br />

anderen Ortsteilen ausgeglichen<br />

werden konnte.<br />

Doch auch dort war die Lage<br />

nicht rosig. Insgesamt ermittelte<br />

Die <strong>Wasser</strong>bilanz in <strong>Reichenbach</strong><br />

(Angaben in cbm/Tag)<br />

die Verwaltung für alle Ortsteile<br />

der Gemeinde Lautertal eine tägliche<br />

Unterdeckung von 14 cbm.<br />

Der Forderung des Regierungspräsidenten,<br />

die laufende<br />

sowie die Spitzenzeiten-Unterdeckung<br />

durch<br />

einen Anschluss an die<br />

<strong>Wasser</strong>werke der Riedgruppe<br />

Ost auszugleichen,<br />

versagte sich die<br />

Gemeinde. Statt dessen<br />

wurde durch interne<br />

Maßnahmen den Auflagen<br />

der Behörden Rechnung<br />

getragen. So wurde<br />

das an Altersschwäche leidende<br />

Rohrnetz teilsaniert, die<br />

Verbundleitung vervollständigt<br />

und mit einer Steuerungsanlage<br />

die Verteilung optimiert.<br />

Wesentlich beeinflusst hat die<br />

Entwicklung eine Entscheidung<br />

der Gemeindevertretung aus<br />

dem Jahre 1993. Die drastische<br />

Erhöhung der <strong>Wasser</strong>gebühren<br />

auf 4,35 DM zuzüglich 7 Prozent<br />

Mehrwertsteuer und die der Abwassergebühren<br />

auf 8 DM pro<br />

cbm setzte bei den Verbrauchern<br />

deutliche Einsparungsbemühungen<br />

frei.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 19


20<br />

Die Brunnen gewinnen wieder an Bedeutung<br />

Und plötzlich waren, da kostenfrei<br />

- nicht nur in <strong>Reichenbach</strong> -<br />

wieder die Laufbrunnen interessant<br />

und wurden von vielen genutzt.<br />

Für den Verschönerungs-<br />

Der Brunnen in der Bangertgasse<br />

Bis um das Jahr 1900 befand<br />

sich im Hof des Anwesens Bangertgasse<br />

10 - 12 eine Ziegelhütte.<br />

Gegründet wurde diese wohl<br />

von dem im Jahr 1777 aus Pirmasens<br />

zugewanderten Michael<br />

Schneider. Die Ziegelei wurde<br />

drei Generationen von der Familie<br />

betrieben. Der Ton wurde etwa<br />

300 m oberhalb des Anwesens<br />

am Hang des Borsteins abgebaut.<br />

Dort befand sich auch eine<br />

Feldbrandhütte.<br />

Das Vorhandensein von <strong>Wasser</strong><br />

zum Reinigen der Arbeitsgeräte<br />

aber auch gegebenenfalls zum<br />

Befeuchten des Tonmaterials war<br />

sicherlich ausschlaggebend für<br />

die Standortwahl in der Bangertgasse.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

vereins war dies Anlass, entweder<br />

zusammen mit anderen Vereinen<br />

oder mit der Gemeinde die<br />

örtlichen Brunnen zu sanieren<br />

und einen neuen zu bauen.<br />

Seit etwa 90 Jahren wird das<br />

<strong>Wasser</strong> in einer unterirdischen<br />

Rinne, gebildet aus Steinabfällen<br />

der Steinindustrie zum Brunnentrog<br />

geleitet.<br />

Nachstehende Aufnahme dürfte<br />

um das Jahr 1920 entstanden<br />

sein, zeigt diese doch die im Januar<br />

1915 geborene Katharina<br />

Elise Schönig (gest. 1928 in<br />

Darmstadt), die mit Eimerchen<br />

und Gießkanne <strong>Wasser</strong> holt. Der<br />

Brunnen befindet sich heute wie<br />

damals an der Haustreppe. Lief<br />

das <strong>Wasser</strong>, wie auf dem Bild zu<br />

sehen, früher über einen hölzernen<br />

Brunnenstock in einen Holzbottich,<br />

so läuft das <strong>Wasser</strong> heute<br />

ohne Brunnenstock in einen<br />

Waschbetontrog.<br />

Zu diesem privaten <strong>Wasser</strong>spender<br />

kommen viele Nachbarn, um<br />

sich ihr Gießwasser zu holen,<br />

aber auch <strong>Wasser</strong> zum Tränken<br />

ihrer Tiere.<br />

Der Brunnen schüttet je nach<br />

Jahreszeit zwischen knapp 1,5<br />

bis 4 Liter pro Minute.


Der Brunnen in der Beedenkirchener Straße<br />

Richard Matthes formuliert in seinem<br />

Heimatbuch [2] ...in späterer<br />

Zeit kamen noch zwei Brunnen<br />

hinzu und zwar „Am Gasthaus<br />

Zum Schwanen“ ...<br />

Hiermit ist der Brunnen neben<br />

dem früheren Eiscafe „Adria“<br />

(ehemals Gasthaus „zum Schwanen“)<br />

gemeint. Dieser stand quer<br />

zur Landstraße zwischen dem<br />

Gasthaus und der ehemaligen<br />

Milchsammelstelle, die von der<br />

Gemeinde erworben wurde.<br />

Nach dem Abriss der ehemaligen<br />

Milchsammelstelle wurde 1999 in<br />

Zusammenarbeit von Gemeinde,<br />

Männergesangverein „Eintracht“<br />

und <strong>Verschönerungsverein</strong> der<br />

„Milchbrunnen“ im Eck versetzt<br />

und die kleine Anlage gestaltet.<br />

Die „Eintracht“ hatte 1998 ein<br />

„Chor- und Musikfest“ in der Lautertalhalle<br />

durchgeführt und dabei<br />

einen beachtlichen Erlös von<br />

fast 5000 DM erwirtschaftet. Den<br />

Betrag stellte sie der Gemeinde<br />

zweckgebunden für die Sanierung<br />

des Brunnens und der Anlage<br />

zur Verfügung. Der <strong>Verschönerungsverein</strong><br />

fertigte eine Planskizze<br />

und wollte zwei Bänke und<br />

die Pflanzen spendieren.<br />

Wie in <strong>Reichenbach</strong> ansonsten<br />

nicht unüblich, kam es im Vorfeld<br />

der Umsetzung (1998) bis heute<br />

zu Differenzen mit Anliegern. So<br />

wollte der eine noch „die durch<br />

die Versetzung des Brunnens<br />

zum Vorschein gekommene<br />

Mauer sanieren“,<br />

der andere „in zwei Jahren<br />

sein Haus neu streichen“.<br />

Auch wegen dieser<br />

Probleme konnten<br />

die ursprünglichen Vorstellungen<br />

nicht umgesetzt<br />

werden und wurden<br />

„abgespeckt“. Statt<br />

Kletterhortensien (Hydrangea<br />

aspera sargentiana),<br />

Wilder Wein (Parthenocissus<br />

tricuspidata<br />

„Veitchii“) und Kletterrosen<br />

(„Pauls Scarlet“,<br />

dunkelrot), wurden Roseneibisch<br />

(Hibiscus syriacus)<br />

und Strauchrosen gepflanzt.<br />

Vorher versetzte der Gemeindebauhof<br />

den Brunnen und errichtete<br />

ihn Stein für Stein neu. Auch<br />

verputzte er die angrenzenden<br />

Mauern. Am 08. Oktober 1999<br />

wurde die kleine Anlage unter<br />

Beteiligung der unterstützenden<br />

Vereine und einiger Mandatsträger<br />

eingeweiht.<br />

Helmut Kaffenberger von der<br />

„Eintracht“ strich dann 2002 die<br />

Mauern um den Brunnen mit<br />

weißer Farbe. Dabei „erwischte“<br />

er allerdings eine Mauerfläche,<br />

die nicht in Eigentum der Gemeinde<br />

war. Ergebnis: Die „Eintracht“<br />

erhielt einen auf wenig<br />

„Eintracht“ zielenden Brief mit der<br />

ultimativen Aufforderung, die Farbe<br />

von der besagten Mauer wieder<br />

zu entfernen ...<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 21


22<br />

Der Brunnen in der Friedhofstraße<br />

Ein Jahr später wurde der Bereich<br />

um den Brunnen in der<br />

Friedhofstraße aufgepeppt. Dieser<br />

historische Brunnen aus dem<br />

Jahre 1614 steht vor historischem<br />

Gebäude. Die teilweise sanierte<br />

Hofreite Scharschmidt/Schneider/Menzel<br />

ist das wohl älteste<br />

Haus im Dorf. Mit der Teilsanierung<br />

wurde auch der Brunnen<br />

ansprechend eingegrünt.<br />

Über mehrere Jahre versuchte<br />

dann der <strong>Verschönerungsverein</strong><br />

die Harmonie zwischen der Brunnenanlage<br />

und dem Pflanzbeet<br />

an der Nibelungenstraße herzustellen.<br />

Dabei entwickelten sich<br />

aber die beiden Rosskastanien<br />

(Aesculus carnea „Briotii“) zum<br />

Problem. Die beiden eindrucksvollen<br />

Solitärbäume verfügen<br />

über ein flach- und tiefgründiges<br />

Wurzelwerk, das nur wenig neben<br />

sich duldet. Da auch innerhalb<br />

des Vereins unterschiedliche<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Auffassungen über<br />

die Art der Bepflanzungen<br />

aufkamen,<br />

gab es viele Fehlversuche.<br />

Erst Auffüllungen,<br />

der fachmännische<br />

Rat von<br />

Gärtnermeister Willi<br />

Muysers und die<br />

kenntnisreiche und<br />

liebevolle Pflege<br />

durch das Ehepaar<br />

Elisabeth und Hans<br />

Lampert führten<br />

zum Erfolg.<br />

Heute zeigt sich das Ensemble in<br />

ansprechendem, vorzeigenswertem<br />

Zustand. Die Brunnenanlage<br />

an der Friedhofstraße und das<br />

Pflanzbeet an der Nibelungenstraße<br />

sind die „grünste Ecke<br />

<strong>Reichenbach</strong>s entlang der B 47“.


Der Brunnen im Brandauer Klinger<br />

In seinem Heimatbuch beschreibt<br />

Richard Matthes[2]<br />

diesen Brunnen als denjenigen<br />

„an der Abzweigung der Wingertsberstraße<br />

von der Hauptstraße<br />

(vor dem Kolonialwarengeschäft<br />

Klinger). Er wird aus einer<br />

schlecht gefassten Quelle etwa<br />

50 Meter hinter dem Anwesen<br />

Hannewald gespeist“.<br />

1964 erfolgte eine Überholung<br />

des Brunnens ähnlich wie die des<br />

Maktplatzbrunnens.<br />

Im Jahr 2001 wurde der Brunnen<br />

im Brandauer Klinger saniert. Der<br />

<strong>Wasser</strong>spender brachte jedoch<br />

nur noch wenig <strong>Wasser</strong>. Die<br />

Quellen hinter den letzten Häusern<br />

waren schlecht gefasst und<br />

die Zuleitung über die Jahrzehnte<br />

wohl immer enger geworden.<br />

Deshalb nahm <strong>Wasser</strong>meister<br />

Helmut Fassinger Verbesserungen<br />

an der Sammelkammer vor<br />

und reinigte die Zuleitung per<br />

Lufdruck.<br />

Als fest stand, dass der Brunnen<br />

wieder genügend <strong>Wasser</strong> liefern<br />

kann, wurde die Sanierung angegangen.<br />

Wesentlich daran mitgewirkt<br />

hat der Bauhof der Gemeinde<br />

mit seinen schweren Geräten,<br />

ohne die die Aktion<br />

nicht machbar<br />

gewesen<br />

wäre. So wurde<br />

der alte Brunnen<br />

sowie die Reste<br />

der Bachmauer<br />

zur Lauter hin<br />

abgetragen. Aus<br />

Quarzfindlingen<br />

errichtete Peter<br />

Beutel mit seinem<br />

Bagger eine<br />

neue Mauer.<br />

Die Steine hierfür aus einem<br />

höhergelegenen Lautertaler Ortsteil<br />

zu erhalten schlugen allerdings<br />

fehl. „De Reischebesche gäwwe<br />

meer nix“, wurde dem <strong>Verschönerungsverein</strong><br />

beschieden.<br />

Ohne Fremdgaben, ausschließlich<br />

aus Material der Deutschen<br />

Steinindustrie AG in <strong>Reichenbach</strong>,<br />

wurde dann der Brunnen<br />

auf den zuvor vom Bauhof errichteten<br />

Fundamenten gebaut. Das<br />

„Brunnenbauteam“ um Philipp<br />

Degenhardt, Ludwig Baumunk<br />

und Horst Wolf schufen nach alten<br />

Vorgaben ein Werk das sich<br />

sehen lassen kann. Mit Unterstützung<br />

des Bauhofes wurde Mut-<br />

<strong>Reichenbach</strong>er feiern die Sanierung des Brunnens<br />

terboden aufgefüllt und eine<br />

Findlingsgruppe platziert.<br />

Neue Wege ging der Verein mit<br />

der Verlegung von aufgerauten<br />

Steinplatten und einer „weichen“<br />

Wegeführung. Die ansprechende<br />

Bepflanzung vorwiegend mit heimischen<br />

Stauden nahm Gärtnermeister<br />

Willi Muysers vor. Heinz<br />

Neff, Anlieger „Auf der Insel“, stiftete<br />

noch eine Holzbank.<br />

Die Einweihung eine Woche vor<br />

der <strong>Reichenbach</strong>er Kerb weckte<br />

dann „Erinnerungen an die legendäre<br />

Inselkerb“, wie der<br />

Bergsträßer Anzeiger titelte. Vereinsmitglied<br />

Gerhard Geil hatte<br />

Tische, Bänke und Schirme aufgebaut<br />

und bewirtete die Besucher<br />

aus dem Bierwagen heraus.<br />

Der Spielmannszug des TSV <strong>Reichenbach</strong><br />

unter Leitung des Vereinsmitglieds<br />

Peter Kaffenberger<br />

spielte schmissige Weisen. Bürgermeister<br />

und Vereinsmitglied<br />

Jürgen Kaltwasser bedankte sich<br />

bei den Helfern mit Verzehrgutscheinen<br />

und Lothar Hebel spendierte<br />

noch eine Blumenschale.<br />

Die Dank der Unterstützung vieler<br />

zustande gekommene Brunnenanlage<br />

wird heute von den Familien<br />

Hans Krichbaum und Heinz<br />

Neff vorbildlich gepflegt.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 23


24<br />

Der Brunnen in der Hohensteiner Straße - Vorbachbrunnen<br />

Von vielen Nachbarn unterhalten<br />

und gepflegt wird auch der 1968<br />

sanierte Brunnen in der Hohensteiner<br />

Straße. Viele Jahre achteten<br />

Karl Kindinger und Walter<br />

Gehbauer darauf, dass die<br />

Zu- und Abflüsse nicht verstopft<br />

waren, die Wanne das <strong>Wasser</strong><br />

halten konnte und die von der<br />

Gemeinde aufgestellten Blumen<br />

gewässert und gepflegt wurden.<br />

In 2002 machten sie dann Jüngeren<br />

Platz. Diese strahlten das<br />

Granitmauerwerk ab, reinigten das<br />

Becken und strichen es wieder<br />

neu. Auch die Zu- und Abläufe<br />

wurden durchgängiger gemacht.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Heute bietet der Brunnen ein ansehnliches<br />

Bild, liefert reichlich<br />

Brauchwasser, leidet aber unter<br />

seinem Standort. Ausschließlich<br />

eine Holzbank der Gemeinde<br />

Brunnen und Bank in der Hohensteiner Straße mit dahinter liegendem<br />

Lagerplatz der Fa. DESTAG und das für seinen derzeitigen Zustand<br />

und Erhalt verantwortliche Team:<br />

Dietmar Ende (links) sowie Gabi und Peter Heil (rechts), Lisa und Nils<br />

Morbitzer sowie Isabelle, Jan, Daniel und Jasmin Heil.<br />

lockern das Mauerwerk auf, Bepflanzungen<br />

fehlen gänzlich. Für<br />

die Verantwortlichen ist dies sicher<br />

ein Anlass, über Verbesserungsmöglichkeiten<br />

nachzudenken.


Der Brunnen im Rödchen<br />

Einen „Brunnen für Kinder“ errichteten<br />

in diesem Jahr Mitglieder<br />

und Freunde des <strong>Verschönerungsverein</strong>s<br />

auf dem Spielplatz<br />

im „Rödchen“. Nach den Plänen<br />

von Philipp Degenhardt war das<br />

„Brunnenbauteam“ erneut aktiv.<br />

Es erfüllte sich einen Kindheitstraum<br />

und baute einen <strong>Wasser</strong>spender<br />

aus Odenwälder Granit.<br />

Hier können die Kleinen Schiffe<br />

schwimmen lassen, Staudämme<br />

bauen, planschen oder einfach<br />

nur dem fließenden <strong>Wasser</strong> zusehen.<br />

<strong>Wasser</strong>meister Helmut Fassinger<br />

und der Bauhof der Gemeinde<br />

unterstützten die Aktion und wa-<br />

ren dann auch bei der Einweihung<br />

am 17.08.2002 mit dabei.<br />

Diese wurde mit der viele Jahre<br />

nicht mehr gefeierten „Rödcheskerb“<br />

verbunden. Hierfür spendete<br />

die Versicherungsagentur Ker-<br />

stin Hölle die Getränke und Rudi<br />

Jährling steuerte eine deftige<br />

Vesper bei. Den zahlreichen Helfern<br />

dankte Bürgermeister Jürgen<br />

Kaltwasser und Prediger Müller<br />

erteilte den kirchlichen Segen.<br />

Zur musikalischen Umrahmung<br />

spielte der Posaunenchor der<br />

Evangelischen Kirchengemeinde<br />

unter der Leitung von Siegfried<br />

Reimund.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 25


26<br />

Der Brunnen am Marktplatz<br />

Durch die Chronik von Pfarrer<br />

Martin Walther ist nachgewiesen,<br />

dass der Marktplatzbrunnen<br />

schon vor 1600 bestand. Bürgermeister<br />

Peter Beßinger datierte<br />

die Entstehung des Sandsteinaufsatzes<br />

auf das Jahr<br />

1619, was sich jedoch bisher<br />

nicht belegen ließ. In der Chronik<br />

ist für das fragliche Jahr nur<br />

folgendes festgehalten: „Den<br />

15. Novembris den Reichebacher<br />

Bronn mit neuen Deicheln<br />

gelegt um 7 Gulden“.<br />

Den ältesten fotografischen<br />

Nachweis über den Marktplatzbrunnen<br />

liefert das <strong>Reichenbach</strong>er<br />

Heimatbuch im Zusammenhang<br />

mit der Errichtung des<br />

Kriegerdenkmals von 1870/71.<br />

Hierüber schreibt Richard Matthes,<br />

daß es „im Jahre 1878 auf<br />

dem Marktplatz errichtet und am<br />

14. Juni feierlich eingeweiht wurde.<br />

Der Festplatz war um das<br />

Denkmal herum hergerichtet und<br />

die Lauter zu diesem Zwecke mit<br />

Brettern überbrückt. Pfarrer Zentgraf<br />

hielt die Festrede“.<br />

Obwohl das Foto von Kriegerdenkmal<br />

und Marktplatzbrunnen<br />

für das Heimatbuch später auf-<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

genommen worden ist, kann davon<br />

ausgegangen werden, daß<br />

der Brunnen in dieser Form<br />

(Sandsteintrog und -aufsatz entlang<br />

der Lauter) schon mindestens<br />

seit 1878 bestand.<br />

Standort und Aussehen blieben<br />

in den nächsten Jahrzehnten<br />

gleich, wie ein Foto aus der Zeit<br />

kurz vor dem ersten Weltkrieg<br />

zeigt. Darauf steht der Brunnen<br />

noch entlang der Lauter, der<br />

Standort des Kriegerdenkmals ist<br />

unverändert und der Aufgang zur<br />

Kirche noch in der alten Form mit<br />

der hohen Mauer als Abgrenzung<br />

zum Pfarrhof hin.<br />

Dies änderte sich erst mit der<br />

Errichtung des Kriegerdenkmals<br />

„für die im Ersten Weltkrieg gefallenen<br />

62 Söhne unserer Gemeinde“,<br />

wie Richard Matthes<br />

schreibt. „Im Jahre 1925 wurde<br />

ein schönes und würdiges Denkmal<br />

errichtet, das am 13. September<br />

1925 unter Beteiligung<br />

der ganzen Gemeinde feierlich<br />

eingeweiht wurde. Der Platz mit<br />

seinem stimmungsvollen Hintergrund<br />

könnte nicht glücklicher<br />

gewählt sein. ... Über einem basteiartigen<br />

Mauervorsprung des<br />

Kirchenaufgangs erhebt sich das<br />

3,20 Meter hohe Denkmal. Auf<br />

einem Granitsockel steht ein<br />

mächtiger Pfeiler aus poliertem<br />

Felsberggranit, darüber ein sich<br />

nach unten verjüngendes Kapitäl,<br />

das von einem kunstgeschmiedeten,<br />

feuervergoldeten Kreuz<br />

aus der Werkstätte des Schlossermeisters<br />

Weyhrauch bekrönt<br />

wird. Die Vorderseite des Pfeilers<br />

trägt in vergoldeten Buchstaben<br />

die Widmung: „Ihren im Weltkrieg<br />

gefallenen Söhnen die Gemeinde


<strong>Reichenbach</strong>“. Auf der Rückseite<br />

steht der Spruch: „Niemand hat<br />

größere Liebe denn die, daß er<br />

sein Leben lässet für seine Freunde.<br />

Joh. 15.13.“ Unterhalb des<br />

Denkmals sind in die Mauer fünf<br />

Schrifttafeln mit den dazugehörigen<br />

Kranzhaltern, beides aus<br />

Zehnessyenit hergestellt, eingelassen“.<br />

Die Fotografie, wohl aus der Zeit<br />

um 1930 zeigt vor diesem Denkmal<br />

und der veränderten Kirchentreppe<br />

auch den Marktplatzbrunnen<br />

und das Kriegerdenkmal<br />

1870/71 noch in der alten Form.<br />

Auch die beiden jungen Damen<br />

erfrischten sich in den dreißiger<br />

Jahren noch an dem alten Brunnen.<br />

Mit der Umgestaltung der<br />

Brücke über die Lauter und<br />

der Verkleidung des Mauerwerks<br />

mit Granitsteinen wurde der<br />

Sandsteinaufsatz auf die Bachmauer<br />

versetzt. Hierzu schrieb<br />

Bürgermeister Peter Beßinger am<br />

14. Juli 1939 an das Hochbauamt<br />

in Bensheim, dass „infolge<br />

der notwendig gewordenen Verbreiterung<br />

der Rathausbrücke in<br />

<strong>Reichenbach</strong> auch<br />

der dort befindliche<br />

Brunnen versetzt<br />

werden muss. Da<br />

es sich bei diesem<br />

Brunnen um ein altes<br />

Stück aus dem<br />

Jahr 1619 handelt,<br />

soll derselbe unbedingt<br />

erhalten bleiben.<br />

Es wurde nun<br />

aber festgestellt,<br />

dass der Brunnensockel,<br />

welcher<br />

sehr stark beschädigt<br />

ist, wohl die<br />

Versetzungsarbeiten nicht überdauern<br />

wird und deshalb erneuert<br />

werden muss“. Der Bürgermeister<br />

bittet deshalb<br />

um einen finanziellen<br />

Zuschuss aus dem<br />

Fonds für Denkmalpflege.<br />

Ob die Gemeinde<br />

für die Erneuerung den<br />

beantragten Zuschuss<br />

bekommen hat, geht<br />

aus den vorliegenden<br />

Unterlagen nicht hervor,<br />

jedoch wurde auf Grund<br />

des eingegangenen An-<br />

gebots am 21.07.1939 der<br />

Sockel nebst Lieferung in Auftrag<br />

gegeben und eingebaut.<br />

Ein Foto von Lauterbrücke,<br />

Teilen des Marktplatzes<br />

und dem alten<br />

Rathaus, in dem damals<br />

noch die Post untergebracht<br />

war, macht den<br />

Standort des leicht verändertenMarktplatzbrunnens<br />

deutlich. Dieses Foto<br />

zeigt allerdings auch,<br />

in welch bescheidenem<br />

Zustand damals der<br />

ganze Platz und vor allem<br />

das alte Rathaus<br />

war.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 27


28<br />

1964 wurde dann der Brunnen<br />

neu gestaltet, der Trog quer zur<br />

Lauter hin und mit Granitsteinen<br />

errichtet und ein Aufsatz aus Granitsteinen<br />

angebracht, in den die<br />

Jahreszahl der Veränderung und<br />

das <strong>Reichenbach</strong>er Wappen, die<br />

Wolfsangel, eingelassen wurden.<br />

Ein Bild aus dem Jahre 1967<br />

zeigt Volker Wipplinger auf dem<br />

neuen Brunnen, im Hintergrund<br />

das nur mäßig gefüllte Bett der<br />

Lauter und das „Kultauto“ der<br />

50er und 60er Jahre, einen VW-<br />

Käfer.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

Im Zuge der Erweiterung<br />

der Nibelungenstraße<br />

mit der<br />

Verdolung der Lauter<br />

erfolgte 1971 eine<br />

erneute Versetzung<br />

des Marktplatzbrunnens.<br />

Mit der Umgestaltung<br />

des Marktplatzes<br />

im Jahre<br />

1992 wurde auch<br />

der Marktplatzbrunnen<br />

verändert.<br />

Die bisherige Form aus Granitsteinen<br />

wurde durch einen sogenannten<br />

Pariser Brunnen (flache<br />

<strong>Wasser</strong>platte eingebettet in einen<br />

Steinrahmen) ersetzt. Damit war<br />

die <strong>Wasser</strong>entnahme für die Anlieger<br />

des Marktplatzes vorbei<br />

und es wurde lautstark Kritik an<br />

der Veränderung geübt. Deshalb<br />

errichtete die Gemeinde neben<br />

dem „Pariser Brunnen“ eine<br />

Schwengel-Pumpe, mit der <strong>Wasser</strong><br />

in die bereitgestellten Behältnisse<br />

gepumpt werden konnte.<br />

Wie das nachstehende Foto<br />

dokumentiert, wird davon jedoch<br />

kaum Gebrauch gemacht. Die<br />

betroffenen Anlieger beschaffen<br />

sich ihr Gebrauchswasser wohl<br />

eher an den nahegelegenen<br />

Brunnen an der Friedhofstraße<br />

oder der Beedenkirchener<br />

Straße.<br />

Da die neue Form des Marktplatzbrunnens<br />

auch sonst nicht<br />

überall Zuspruch fand, wurde<br />

1995 ein behauener Aufsatz an-<br />

Ein vergessener Brunnen am<br />

Marktplatz?<br />

gebracht. Dieser hat allerdings<br />

den Nachteil, daß sich durch das<br />

fließende <strong>Wasser</strong> auf rauhem<br />

Stein schnell Algen bilden. Auch<br />

deshalb dürfte die jetzige Fassung<br />

des ältesten <strong>Reichenbach</strong>er<br />

Brunnens sicher nicht die letzte<br />

sein.


Qualitätssicherung ist heute oberstes Gebot<br />

Da mit all den oben aufgeführten<br />

Maßnahmen derzeit eine ausreichende<br />

Versorgung der <strong>Reichenbach</strong>er<br />

Bevölkerung (rund 2.650<br />

Einwohner) [6] mit Trinkwasser<br />

wohl gesichert ist, richtete die<br />

Gemeinde ihr Augenmerk in den<br />

letzten Jahren verstärkt auf die<br />

Qualität unseres <strong>Wasser</strong>s. Dies<br />

auch, weil die Gesundheitsbehörden<br />

wegen hygienischer Probleme<br />

„Druck machten“ und mit<br />

Recht auf die Lösungen in den<br />

großen <strong>Wasser</strong>werken verwiesen.<br />

Wie schon in den fünfziger Jahren<br />

bereiten in jüngster Zeit insbesondere<br />

die beiden Quellen<br />

am Hohenstein und in der Beedenkirchener<br />

Straße den <strong>Reichenbach</strong>ern<br />

Sorgen. So wurden<br />

am Hohenstein über Jahre hinweg<br />

hohe Eintragungen von<br />

Nitrat gemessen und in der Quelle<br />

Hohenstein-2 gar Herbizide<br />

nachgewiesen. Vorwiegend Nitrateintragungen<br />

stellte das Medizinal-UntersuchungsamtDarmstadt<br />

an der Quelle in der Beedenkirchener<br />

Straße fest.<br />

Auch wegen diesen Eintragungen<br />

musste und muss Lautertal<br />

und <strong>Reichenbach</strong> große Anstren-<br />

gungenunternehmen, um die gesetzlichenVorgaben<br />

zu erfüllen.<br />

Erschwerend sind<br />

dabei die Vielzahl<br />

der Quellen, Brunnen,<br />

Pumpwerke<br />

und Hochbehälter,<br />

die fortlaufende<br />

Steigerung der<br />

gesetzlichen Vorgaben<br />

und die<br />

zum Teil rasante Entwicklung der<br />

Technik, die immer wieder Erneuerungen<br />

notwendig macht.<br />

Als wichtigste Maßnahmen wurden<br />

in die Hochbehälter Aufbereitungsanlagen<br />

eingebaut. In der<br />

Beedenkirchener Straße und im<br />

Rödchen arbeiten kleinere CO2und<br />

UV-Anlagen. Die Aufstellung<br />

von Geräten größeren Typs ist<br />

geplant. Für den Hochbehälter<br />

am Hohenstein ist eine UV-Anlage<br />

vorgesehen. Fortlaufend ist<br />

die Gemeinde dabei, die <strong>Wasser</strong>schutzzonen<br />

um die Quellen herum<br />

zu erwerben und zu sichern.<br />

Mit der Beteiligung an einem<br />

Landnutzungskonzept ist langfristig<br />

die Chance geboten, dass<br />

Aktuelle Kosten der Trinkwasserversorgung<br />

Alle Aufwendungen zur Bereitstellung<br />

eines qualitativ guten und<br />

quantitativ ausreichenden Trinkwassers<br />

kosten die Gemeinde<br />

Geld. Über die Einnahmen und<br />

Ausgaben in dem „Unterabschnitt<br />

8150 <strong>Wasser</strong>versorgung“<br />

gibt der Haushaltsplan 2002 Auskunft.<br />

Dort waren für die gesamte<br />

Gemeinde Lautertal Benutzungsgebühren<br />

in Höhe von umgerechnet<br />

650.000 EURO eingeplant.<br />

Dies entspricht einem<br />

Verbrauch von etwa 273.000 Kubikmeter.<br />

Die höchsten Kosten auf der<br />

Ausgabenseite machten die<br />

Verzinsung des Anlagekapitals<br />

mit 235.000 €, Abschreibungen<br />

(215.000 €), Personalausgaben<br />

(94.000 €), Unterhaltung Rohrnetz<br />

und Rohrbrüche (35.000 €),<br />

Bewirtschaftung der Grundstücke<br />

und baulichen Anlagen (24.000 €),<br />

Grundwasserabgabe (38.000 €),<br />

Beitrag zum <strong>Wasser</strong>wirtschaftsverband<br />

(20.000 €), <strong>Wasser</strong>untersuchungen<br />

(25.000 €) und Erstattungen<br />

für Leistungen des Bauhofes<br />

in Höhe von 17.000 € aus.<br />

Klaus Weigold<br />

die landwirtschaftlichen Betriebe<br />

weniger Eintragungen in das<br />

Grundwasser vornehmen.<br />

Die Erneuerungen und der laufende<br />

Betrieb der Anlagen werden<br />

vom Rathaus aus vorbereitet,<br />

organisiert und überwacht.<br />

Für den gesamten Arbeitsbereich<br />

„<strong>Wasser</strong>versorgung“ zuständig<br />

ist dort Klaus Weigold. Als <strong>Wasser</strong>meister<br />

fungiert Helmut Fassinger,<br />

der von Herbert Fabian<br />

unterstützt wird. Beide haben unter<br />

Berücksichtigung der technischen<br />

Entwicklung weitgehend<br />

die Aufgaben, wie sie eingangs<br />

dem „Rohrmeister“ zugeschrieben<br />

wurden.<br />

Den Einnahmen von 662.000 €<br />

stehen Ausgaben von 798.000 €<br />

gegenüber. Dies ergab einen Zuschussbedarf<br />

von 136.000 €. Nahezu<br />

identisch wurde dieser<br />

von der Gemeinde aufzubringende<br />

Betrag auch in der Jahresrechnung<br />

2000 ausgewiesen.<br />

Er betrug 134.805,56 € oder<br />

263.656,93 DM. Dies belegt,<br />

dass auch bei hohen <strong>Wasser</strong>gebühren<br />

eine Unterdeckung auftreten<br />

kann, insbesondere, wenn<br />

viele kleine Einzelwerke zu unterhalten<br />

sind.<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 29


30<br />

Daseinsfürsorge - früher und heute<br />

Die Sicherung des Trinkwassers<br />

als unser Lebensmittel Nummer<br />

eins beschäftigte die Menschen<br />

in <strong>Reichenbach</strong> seit Gründung<br />

ihres Dorfes. Diese Sicherung<br />

war schon immer schwierig und<br />

wird immer problematischer.<br />

Schon das Anlegen eines Brunnens<br />

vor 400 Jahren war für<br />

unsere Vorfahren ein großes Vorhaben.<br />

Dieses wurde mit dem<br />

Mut und den Fähigkeiten der<br />

Männer um die vorletzte Jahrhundertwende<br />

noch gesteigert, als<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong><br />

sie ein <strong>Wasser</strong>werk und die <strong>Wasser</strong>leitungen<br />

durch unser Dorf<br />

bauen ließen.<br />

Heute ist die Förderung, Aufbereitung<br />

und Weitergabe des Trinkwassers<br />

sowie die damit verbundene<br />

Verwaltung fast schon eine<br />

„Wissenschaft für sich“, bei der<br />

viele Dinge zu beachten sind und<br />

- die viel Geld kosten. Wir sollten<br />

daran denken, wenn wir den<br />

<strong>Wasser</strong>hahn aufdrehen, und „unser<br />

<strong>Wasser</strong>“ nutzen.


Quellenangaben<br />

[1] Ein Dorf im Odenwald, Hermann Bauer u.a. 1997<br />

[2] <strong>Reichenbach</strong>er Heimatbuch, Richard Matthes, 1936<br />

[3] <strong>Reichenbach</strong>er Heimatbuch, Rudolf Kunz, 1987<br />

[4] „Untersuchungsbericht über die Gemeindewasserleitung in<br />

<strong>Reichenbach</strong> im Odenwald“, Carl Emil Spatz, Wiesbaden,<br />

10. September 1946<br />

[5] Chronik des Pfarrers Walther (1599 - 1620); Eintragungen in die<br />

Kirchenbücher v. 1599 - 1620 (evangelisches Pfarrhaus<br />

<strong>Reichenbach</strong>)<br />

[6] Gemeindearchiv Lautertal-<strong>Reichenbach</strong><br />

Bildnachweis<br />

Die Quellenangaben zu allen Fotos / Reproduktionen sind der<br />

Redaktion bekannt und wurden unentgeltlich zur Verfügung gestellt;<br />

hierfür dankt der Herausgeber herzlich.<br />

Impressum:<br />

Herausgeber: <strong>Verschönerungsverein</strong> <strong>Reichenbach</strong> 1974 e.V.<br />

unter Vorsitz von Heinz Eichhorn,<br />

Nibelungenstraße 376<br />

64686 Lautertal-<strong>Reichenbach</strong><br />

Email: heinz.eichhorn@freenet.de<br />

Redaktion: Dr. Joachim Bartl<br />

Text: Heinz Eichhorn, Dr. Joachim Bartl,<br />

Manfred Schaarschmidt,<br />

Fotos: Dr. Joachim Bartl, Walter Koepff,<br />

Reinhard Saurugg, Thomas Neu, Hans Krichbaum<br />

Reproduktion: Walter Koepff (u.a. aus Familienbesitz)<br />

Dr. Joachim Bartl (aus <strong>Reichenbach</strong>er<br />

Heimatbuch und Gemeindearchiv)<br />

Quellenrecherche: Gerlinde Scharf, Heinz Eichhorn, Dr. Joachim Bartl<br />

Gestaltung/Layout: WR design, Reinhard Saurugg<br />

Alle Rechte: <strong>Verschönerungsverein</strong> <strong>Reichenbach</strong><br />

Auflage 1000 Exemplare<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Wasser</strong> 31


„Das <strong>Wasser</strong> kann<br />

ohne Fische auskommen,<br />

aber kein einziger Fisch<br />

ohne <strong>Wasser</strong>“

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