„Die KZs waren reine Erziehungs- und Straflager, in denen keine ...
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Lüge Nr. 29<br />
Auszug aus<br />
Markus Tiedemann:<br />
„In Auschwitz wurde niemand vergast.“<br />
60 rechtsradikale Lügen <strong>und</strong> wie man sie widerlegt<br />
© Verlag an der Ruhr 1996 (Druckfassung: S.87ff.)<br />
<strong>„Die</strong> <strong>KZs</strong> <strong>waren</strong> <strong>re<strong>in</strong>e</strong> <strong>Erziehungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Straflager</strong>, <strong>in</strong> <strong>denen</strong><br />
ke<strong>in</strong>e Gaskammern existierten.“<br />
Diese Behauptung taucht nicht nur besonders häufig <strong>in</strong> Diskussionen auf, sondern wird<br />
durch e<strong>in</strong>e geschickte Auswahl von Materialien untermauert. Oftmals verweisen auch Jugendliche<br />
darauf, dass sie selbst KZ-Gedenkstätten besucht hätten, aber dort ke<strong>in</strong>e Gaskammern<br />
vorfanden. Teils böswillig, teils selbst getäuscht, verweisen sie auf Insassenberichte<br />
von Menschen, die vor 1941 <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Lager e<strong>in</strong>geliefert wurden, oder legen Pläne des<br />
Stammlagers Auschwitz vor, auf <strong>denen</strong> sich ke<strong>in</strong>e Gaskammern bef<strong>in</strong>den.<br />
Zu den KZ-Besichtigungen muss man darauf h<strong>in</strong>weisen, dass bei weitem nicht alle <strong>KZs</strong><br />
auch Gaskammern besaßen. Da die meisten Vernichtungslager von den Nazis außerhalb<br />
des eigentlichen Reichsgebietes (mit Ausnahme von Auschwitz <strong>und</strong> Chelmno [Kulmhof],<br />
die sich <strong>in</strong>nerhalb der Grenzen des neuen Kernreiches befanden) angelegt worden s<strong>in</strong>d,<br />
haben wohl die meisten deutschen Jugendlichen auch niemals e<strong>in</strong> Vernichtungslager besucht.<br />
Verdrängt <strong>und</strong> vergessen ist, dass es e<strong>in</strong> ganzes System von <strong>KZs</strong> gab, zu <strong>denen</strong> Arbeitslager,<br />
Durchgangslager, Kriegsgefangenenlager <strong>und</strong> Vernichtungslager gehörten, die zusammen<br />
mit Außenlagern <strong>in</strong> ganz Deutschland verteilt <strong>waren</strong>. Zwangsarbeit war immer e<strong>in</strong><br />
Kennzeichen der <strong>KZs</strong>: Anfänglich wurden die Gefangenen <strong>in</strong> der Bau<strong>in</strong>dustrie, später <strong>in</strong><br />
der Rüstungs<strong>in</strong>dustrie e<strong>in</strong>gesetzt. Die Vernichtungslager hatten e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> den<br />
Zweck, alle dort Ankommenden so schnell <strong>und</strong> reibungslos wie möglich zu ermorden. Selektionen,<br />
wie <strong>in</strong> Auschwitz, <strong>waren</strong> eher die Ausnahme <strong>und</strong> richteten sich nach dem aktuellen<br />
Arbeitskräftebedarf.<br />
Zu diesen Vernichtungslagern zählten:<br />
Auschwitz-Birkenau (m<strong>in</strong>destens 1.000.000 Tote), Trebl<strong>in</strong>ka (m<strong>in</strong>destens 974.000 Tote),<br />
Sobibor (m<strong>in</strong>destens 250.000 Tote), Belzec (m<strong>in</strong>destens 600.000 Tote), Chelmno<br />
(Kulmhof) (m<strong>in</strong>destens 225.000 Tote), Majdanek (Lubl<strong>in</strong>) (m<strong>in</strong>destens 250.000 Tote).<br />
In den anderen <strong>KZs</strong> wurde vor allem die Vernichtung durch Arbeit <strong>und</strong> Unterernährung<br />
betrieben. H<strong>in</strong>richtungen gehörten zwar zur Tagesordnung, entsprachen jedoch nicht der<br />
fabrikmäßigen Tötungsmasch<strong>in</strong>erie der Vernichtungslager.<br />
www.fes-onl<strong>in</strong>e-akademie.de Seite 1 von 2
Auszug aus<br />
Markus Tiedemann:<br />
„In Auschwitz wurde niemand vergast.“<br />
60 rechtsradikale Lügen <strong>und</strong> wie man sie widerlegt<br />
© Verlag an der Ruhr 1996 (Druckfassung: S.87ff.)<br />
Die Insassen, die „nur" von „<strong>Erziehungs</strong>maßnahmen", Zwangsarbeit <strong>und</strong> anschließender<br />
Freilassung berichten, lügen sicher nicht. Allerd<strong>in</strong>gs stammen derartige Berichte fast ausschließlich<br />
von deutschen politischen Häftl<strong>in</strong>gen, die zwischen 1933 <strong>und</strong> 1936, höchstens<br />
jedoch bis 1939/1940 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em KZ e<strong>in</strong>saßen. Das Konzept der Konzentrationslager wandelte<br />
sich nämlich von 1933 bis 1941 gr<strong>und</strong>legend vom <strong>Erziehungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Straflager</strong> (für<br />
politische Gegner) h<strong>in</strong> zum Vernichtungslager (für Juden, S<strong>in</strong>ti <strong>und</strong> Roma, Kriegsgefangene,<br />
„Untermenschen"). Hitler gab 1941 den Befehl zur physischen Vernichtung der jüdischen<br />
Rasse (siehe „Lüge Nr. 1"). Die Rassenideologie (mit den Juden als Hauptfe<strong>in</strong>d)<br />
fand zunächst ihre praktische Umsetzung <strong>in</strong> der Politik des Terrorismus gegen die Juden,<br />
um sie zur Emigration zu zw<strong>in</strong>gen. Mit dem Angriff auf die Sowjetunion stellte sich e<strong>in</strong><br />
neues Problem: Woh<strong>in</strong> mit Millionen Juden aus den eroberten Gebieten? Gleichzeitig bot<br />
sich aber auch die „Lösung": Fernab vom Reich, im Schutz der Kriegshandlungen, konnte<br />
man zur systematischen Vernichtung der Juden übergehen. Auf diese Weise radikalisierten<br />
sich die bestehenden Lager zu Vernichtungs<strong>in</strong>stitutionen, <strong>und</strong> es wurden neue <strong>re<strong>in</strong>e</strong><br />
Vernichtungslager gebaut (z.B. Auschwitz II - Birkenau). Andere Berichte tauchen zwar<br />
immer wieder auf, s<strong>in</strong>d jedoch entweder total gefälscht oder <strong>in</strong> ihrer Aussage entstellt.<br />
Selbst wenn es stimmen würde, dass es <strong>in</strong> den Vernichtungslagern überhaupt ke<strong>in</strong>e Gaskammern<br />
gegeben hätte, spricht das die Nazis noch nicht vom Massenmord frei. In<br />
Chelmno (Kulmhof) beispielsweise wurden H<strong>und</strong>erttausende <strong>in</strong> Gaswagen ermordet. Auch<br />
Massenerschießungen <strong>waren</strong> an der Tagesordnung. In Belzec <strong>und</strong> Trebl<strong>in</strong>ka wurden Alte,<br />
Kranke <strong>und</strong> K<strong>in</strong>der gleich von der Rampe weggebracht <strong>und</strong> erschossen.<br />
E<strong>in</strong> beliebter Trick, um die Existenz von Gaskammern <strong>in</strong> Auschwitz zu bestreiten, ist das<br />
Vorlegen e<strong>in</strong>es Gr<strong>und</strong>risses des Stammlagers Auschwitz (Auschwitz I) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ausbauzustand<br />
um 1940 herum. Da viele Jugendliche nicht wissen, dass sich die Vernichtungswelt<br />
von Auschwitz <strong>in</strong> viele Lager unterteilt <strong>und</strong> die eigentliche Zentrale der Vernichtung<br />
das Lager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) war, ist dieser Betrug oft sehr erfolgreich. Es<br />
werden auch nachträglich selbst angefertigte Gr<strong>und</strong>risse verwendet.<br />
Es sei hier noch angemerkt, dass vermutlich am 16.9.1941 im Leichenkeller des Krematoriums<br />
im Stammlager bei e<strong>in</strong>er „Probevergasung" 900 sowjetische Kriegsgefangene ermordet<br />
worden s<strong>in</strong>d. Dem war e<strong>in</strong>e Probevergasung im Kellergeschoss von Block 11, bei<br />
der ca. 600 Kriegsgefangene <strong>und</strong> 250 selektierte Häftl<strong>in</strong>ge ermordet wurden, vorausgegangen<br />
(vermutlich am 3.9.1941). 1<br />
1<br />
Vgl. Czech, Danuta: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945,<br />
Re<strong>in</strong>bek 1989, S.122.<br />
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