Download aus dem Archiv - Mediensprache.net
Download aus dem Archiv - Mediensprache.net
Download aus dem Archiv - Mediensprache.net
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Eindrucksbildung<br />
im Chat<br />
Universität Bern, Institut für Medienpsychologie<br />
Computer-vermittelte Kommunikation<br />
Eingereicht bei: Dr. Ch. Weber<br />
Seminararbeit<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland<br />
April 2002
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Abstract 2<br />
2. Einleitung 3<br />
3. Theoretische Grundlagen 4<br />
3.1 Chat 4<br />
3.2 Emoticons 4<br />
3.3 Theoretischer Hintergrund zur Eindrucksbildung im Netz 5<br />
3.4 Studien zur Verwendung von Emoticons 6<br />
4. Fragestellung und Hypothesen 7<br />
4.1 Von den Forschungsfragen zu den Hypothesen 7<br />
4.2 Konstrukt Sympathie 7<br />
5. Methode 9<br />
5.1 Kurzbeschrieb der Versuchsanordnung 9<br />
5.2 Die Fragebögen 9<br />
5.2.1 Fragen zur Person 9<br />
5.2.2 Offene Fragen 9<br />
5.2.3 Der Fragebogen zur Erhebung von Sympathie (Likert) 9<br />
5.3 Das Gespräch 10<br />
5.4 Design 13<br />
5.5 Durchführung 15<br />
5.6 Versuchspersonen 15<br />
6. Auswertung und Ergebnisse 16<br />
6.1 Die offenen Fragen 16<br />
6.2 Statistische Analyse 16<br />
6.2.1 Itemreduktion durch die Faktorenanalyse 16<br />
6.2.2 Die Untersuchung der Hypothesen 21<br />
6.2.3 Weitere Ergebnisse 23<br />
7. Diskussion, Kritik und Ausblick 25<br />
8. Literaturverzeichnis 27<br />
Anhang 1-6<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 1
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
1. Abstract<br />
Anhand welcher Hinweisreize entsteht ein (erster) Eindruck im Chatraum? Geübte Nutzer dieses<br />
Mediums wissen, wie sie nonverbale Informationen in Text umsetzen und somit sozioemotionale<br />
Inhalte in der computer-vermittelten Kommunikation (cvK) übermitteln können. Die Social<br />
Infomation Processing Perspective (Walther, 1992) beschreibt, wie trotz des Fehlens vieler<br />
nonverbaler Hinweisreize auch in cvK Eindrucksbildung und Aufbau von Freundschaften<br />
stattfindet. Die Chatter behelfen sich mit Emoticons, Aktionswörtern und Akronymen, um die<br />
nonverbalen Signale der face-to-face (ftf) Kommunikation zu kompensieren. Es interessiert nun,<br />
ob Chatter, die positive Emoticons verwenden, anders beurteilt werden als Chatter, die negative<br />
oder gar keine Emoticons verwenden. Es wurde ein Gespräch zwischen zwei Chattern<br />
konstruiert, welches den Versuchspersonen unter vier verschiedenen Bedingungen vorgelegt<br />
wurde. Es wurde zwischen positivem, negativem, positivem und negativem Gebrauch und keiner<br />
Anwendung von Emoticons unterschieden. Untersucht wurde, wie die zwei Chatter in den<br />
unterschiedlichen Bedingungen bezüglich der Sympathie beurteilt wurden. Es wurde von der<br />
Annahme <strong>aus</strong>gegangen, dass Chatter, welche nur positive Emoticons benützen, sympathischer<br />
beurteilt werden als Chatter, welche nur negative oder gar keine Emoticons benützen. Im<br />
weiteren wurde untersucht, ob Chatter, welche einen negativen Gebrauch von Emoticons machen<br />
sympathischer abschneiden als solche, die gar keine Emoticons verwenden. Die Untersuchung<br />
wurde im Inter<strong>net</strong> durchgeführt. Die Resultate fielen insgesamt nicht den Annahmen<br />
entsprechend <strong>aus</strong>. Keiner der erwarteten Unterschiede stellte sich in der Gesamtpopulation als<br />
signifikant her<strong>aus</strong>, jedoch wurden die Hypothesen von den chaterfahrenen Versuchspersonen<br />
tendenziell bestätigt.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 2
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
2. Einleitung<br />
Wenn wir jemanden kennenlernen, gibt es unzählige Wege, sich eine Meinung über die Person zu<br />
bilden. Ein erster Eindruck bildet sich schnell und häufig unbewusst. Wie spricht jemand, und<br />
über was? wie sieht die Person <strong>aus</strong>? Ist sie sympathisch, attraktiv, unsicher? Wie bewegt sich<br />
jemand? Hält die Person den Augenkontakt mit ihren Gesprächspartnern? Lässt sie andere zu<br />
Wort kommen? Dies nur einige Fragen, die <strong>aus</strong>schlaggebend dafür sind, wie jemand auf uns<br />
wirkt und ob die Person uns sympathisch ist oder nicht.<br />
Diese Form von Begegnung zur gleichen Zeit am gleichen Ort (face-to-face Kommunikation)<br />
unterscheidet sich in vielen Hinsichten von Begegnungen im Inter<strong>net</strong>, somit auch im Chat. Wie<br />
machen wir uns ein Bild von unseren KommunikationspartnerInnen beim Chatten? Anhand<br />
welcher Cues entsteht ein (erster) Eindruck im Chatraum? Der Gebrauch von Emoticons ist ein<br />
erwiesenermassen <strong>aus</strong>schlaggebender Cue bei der Eindrucksbildung. Mit einem standardisierten<br />
Chatgespräch haben wir verschiedene Situationen konstruiert, in denen wir einerseits das<br />
Vorhandensein und andererseits den Bedeutungsgehalt von Emoticons variiert haben. Unter<br />
Bedeutungsgehalt ist die "positive" oder "negative" Befindlichkeit der Chatter, die sich in den<br />
Emoticons <strong>aus</strong>drückt, zu verstehen. Wir sind davon <strong>aus</strong>gegangen, dass für diejenigen Chatter,<br />
welche Emoticons benutzen, die grössere Sympathie gemessen werden kann als für diejenigen,<br />
die keine benutzen. Ausgehend von dieser Annahme interessierte uns im Weiteren, ob Chatter,<br />
die nur "positive" Emoticons benutzen sympathischer wirken als Chatter, die nur "negative"<br />
Emoticons benutzen und ob Chatter, die nur "negative" Emoticons benutzen, immer noch<br />
sympathischer wirken als Chatter, die gar keine Emoticons benutzen.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 3
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
3. Theoretische Grundlagen<br />
3.1 Chat<br />
Der Inter<strong>net</strong> Related Chat (IRC) ist ein vielbenutztes Gesprächsforum, in <strong>dem</strong> sich die Benutzer<br />
miteinander unterhalten können, als befänden sie sich im selben Raum. Auch ein privater<br />
Zweierchat ist möglich, in <strong>dem</strong> man mit einer <strong>aus</strong>gewählten Person "flüstert", was soviel heisst,<br />
dass das Gespräch in einem neu eröff<strong>net</strong>en Fenster weitergeführt wird, welches nur die beiden<br />
Beteiligten sehen können. Im IRC legt man sich einen Nickname oder Handle 1 zu und loggt sich<br />
in einen der unzähligen Channels ein, in denen die verschiedensten Themen angepriesen und<br />
erörtert werden. IRC wurde in den 1980ern entwickelt und ist die älteste Form des Chattens. Dem<br />
Chatten zu einem Boom verholfen haben erst die Webchats, die in den 1990ern aufkamen. Dafür<br />
braucht es nur einen Web-Browser und keine Installation eines zusätzlichen Clients wie beim<br />
Inter<strong>net</strong> Related Chat. Im Weiteren gibt es Systeme wie das <strong>dem</strong> interpersonalen Aust<strong>aus</strong>ch<br />
dienende Instant Messaging, bei <strong>dem</strong> man <strong>aus</strong>gewählten anderen Netznutzern bekannt machen<br />
kann, wann man online ist, so dass ein Chat-Dialog oder ein Aust<strong>aus</strong>ch von Dateien möglich<br />
wird. An dieser Stelle sollen noch die mit Chats verwandten MUDs (Multi User Domains)<br />
erwähnt werden. Diese Online-Rollenspiele haben sich <strong>aus</strong> Abenteuer-Rollenspielen entwickelt.<br />
Wie auch im Chat findet hier ein zeitgleicher computer-vermittelter Aust<strong>aus</strong>ch statt, mit <strong>dem</strong><br />
Unterschied, dass das Kommunikationsgeschehen in eine Spielhandlung eingebettet ist<br />
(Beisswenger, 2001).<br />
3.2 Emoticons<br />
Das Wort Emoticon ist zusammengesetzt <strong>aus</strong> den Wörtern "Emotion" und "Icon", meint also ein<br />
Sinnbild für ein Gefühl. Emoticons sind kleine Piktogramme, die in E-mails oder im Chat benutzt<br />
werden, um nonverbale Inhalte <strong>aus</strong>zudrücken oder sich Schreibarbeit zu ersparen. Da stimmliche<br />
Signale, Gesichts<strong>aus</strong>drücke und Körpergesten in geschriebener Kommunikation nicht vermittelt<br />
werden können, werden Emoticons verwendet, um Stimmungen <strong>aus</strong>zudrücken,<br />
Missverständnisse zu vermeiden oder Ironie zu signalisieren. Emoticons können in zahlreichen<br />
Variationen verwendet werden, die meisten Symbole ähneln einem Gesicht (Augen, Nase und<br />
Mund), welches um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht wird. Obwohl es reihenweise<br />
phantasievolle Kreationen gibt, begnügt man sich in der Praxis meist mit wenigen<br />
Standar<strong>dem</strong>oticons.<br />
Beispiele für Emoticons:<br />
:-) Basis-Smiley; drückt Fröhlichkeit, Glück, Ironie oder einen Witz <strong>aus</strong><br />
:-( drückt Trauer, Unzufriedenheit, Bedauern oder Unbehagen <strong>aus</strong><br />
:I oder :-I drückt Gleichgültigkeit oder Desinteresse <strong>aus</strong><br />
:-/ oder :-\ drückt Ungläubigkeit oder Unentschlossenheit <strong>aus</strong><br />
:@ oder :-@ drückt einen Schockzustand oder Schreien <strong>aus</strong><br />
:O oder :-O drückt Erstaunen oder plötzliche Erkenntnis <strong>aus</strong><br />
1 Der selbstgewählte Namen, unter <strong>dem</strong> man mit anderen chattet (z.B. pussycat, stahlbohne...)<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 4
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Akronyme<br />
Akronyme sind Kurzwörter, die <strong>aus</strong> zusammengerückten Anfangsbuchstaben gebildet werden.<br />
Diese Abkürzungen bieten sich ebenfalls als schnelle Ausdrucksmöglichkeit an und beziehen sich<br />
meist auf englische Ausdrücke.<br />
Beispiele für Akronyme:<br />
LOL<br />
BTW<br />
TNX<br />
ACK<br />
IMO<br />
loughing out loud<br />
by the way<br />
thank you<br />
acknoledgment (Zustimmung)<br />
in my opinion<br />
g, gg, ggg verschiedene Stufen von grinsen<br />
bg<br />
big grin<br />
Aktionswörter und Schreien<br />
Aktionswörter wie würg, kicher, erschreck, gähn verbalisieren in Anlehnung an die<br />
Comicsprache ebenfalls affektive Aktionen und Reaktionen. DAS TIPPEN IN<br />
GROSSBUCHSTABEN WIRD ALS SCHREIEN WAHRGENOMMEN.<br />
Der Einfachheit halber werden wir uns im Folgenden auf den Begriff "Emoticons" beschränken,<br />
da dieser die bevorzugte Strategie zum Ausdruck nonverbaler Inhalte bezeich<strong>net</strong>; wir beziehen<br />
dabei aber, sofern nicht anders vermerkt, auch Akronyme und Aktionswörter mit ein.<br />
3.3 Theoretischer Hintergrund zur Eindrucksbildung im Netz<br />
Wenn wir eine Person kennenlernen, sind wir mit vielen verschiedenen Eindrücken konfrontiert.<br />
Diese Datenmenge muss erst einmal so weit reduziert werden, dass wir uns in kurzer Zeit ein<br />
Bild über die Person machen können, das wir bewerten und einordnen können. Diese Form von<br />
Stereotypisierung erfolgt zum grössten Teil unbewusst und ist das Resultat unserer impliziten<br />
Persönlichkeitstheorien. Wir bewerten Andere und umgekehrt stellen wir uns bewusst und auch<br />
unbewusst in bestimmter Art und Weise dar. Solche Selbstdarstellungs-Prozesse haben "taktische<br />
und strategische Bedeutung im Zuge der Aufgabenbearbeitung (z.B. kompetent erscheinen bzw.<br />
anderen Kompetenz zuschreiben). Sie sind zu<strong>dem</strong> konstitutiv für die Etablierung sozialer<br />
Beziehungen (z.B sympathisch erscheinen bzw. andere sympathisch finden). Nicht zuletzt haben<br />
sie auch einen wichtigen Stellenwert für die Identität” (Döring, 2001, S. 164). Im virtuellen<br />
Raum fallen natürlich sehr viele Cues weg, die man in einer face-to-face-Situation zur<br />
Beurteilung heranziehen würde. Dem Chat freundlich gesinnte Meinungen betonen, dass im Chat<br />
neue Möglichkeiten der Selbstdarstellung entwickelt werden können, die der Selbsterkenntnis<br />
und –entwicklung förderlich sind. So geht die Theorie der sozialen Informationsverarbeitung<br />
(Walther, 1992) davon <strong>aus</strong>, dass sich nonverbale Botschaften, die in jeder Form von<br />
zwischenmenschlicher Kommunikation sehr wichtig sind, sehr wohl verbalisieren bzw.<br />
symbolisieren lassen und dass die Nutzer hierzu auch motiviert sind. Ein bewährtes Mittel dazu<br />
sind die Emoticons.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 5
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Kritiker betonen einerseits das Problem der Beliebigkeit, wie mit der wahren Identität<br />
umgegangen wird, nämlich im Sinne eines "Identitäts-Hoppings", andererseits betrachtet<br />
beispielsweise das Kanalreduktions-Modell (Kubicek & Rolf, 1986) den Ausschluss der meisten<br />
Sinnesmodalitäten und die Reduktion der Kommunikation auf den Textkanal als defizitär und<br />
beengend. Eine etwas neutralere Position nimmt das Modell des Her<strong>aus</strong>filterns sozialer<br />
Hinweisreize (Culnan & Markus, 1987) ein. Es postuliert Befreiung und Enthemmung, da man<br />
wenig bis nichts über den psychosozialen Hintergrund einer Person erfährt. Dies kann sowohl<br />
Offenheit und Vorurteilslosigkeit wie auch normverletzendes und antisoziales Verhalten<br />
begünstigen. 2<br />
Im Chat können viele Formen von Selbstdarstellung realisiert werden. Jeder User hat einen<br />
individuellen Kommunikationsstil, der ihn im virtuellen Licht auf eine ganz bestimmte Art und<br />
Weise erscheinen lässt. Das Bild, das jemand von sich vermittelt, wird mithin bestimmt von der<br />
Wahl des Nicknames, der von grosser Bedeutung ist, vom Schreibstil, Schreibtempo, von der<br />
Wortwahl, der Themenwahl und eben auch vom Einsatz von Emoticons. Und wie in jeder faceto-face<br />
Situation werden Rezipienten diese Informationen aufnehmen, kategorisieren und<br />
bewerten.<br />
3.4 Studien zur Verwendung von Emoticons<br />
Laut der Theorie der sozialen Informationsverarbeitung (social information processing<br />
perspective, Walther, 1992) sind Personen in cvK motiviert, Bilder von ihren Eindruckspartnern<br />
zu gewinnen und sie bemühen sich, Wege zu finden, nonverbale Inhalte <strong>aus</strong>zudrücken. 3 Laut<br />
Walther stimmen Menschen ihr Nutzungsverhalten in der Weise auf die technischen<br />
Systemeigenschaften ab, dass mediale Einschränkungen kompensiert werden. Demgemäss ist<br />
beim Fehlen nonverbaler Information nicht etwa die Beziehungsebene <strong>aus</strong>geblendet,<br />
Emotionalität reduziert oder der soziale Hintergrund "her<strong>aus</strong>gefiltert", sondern werden genau<br />
diese Informationen auf andere Weise, nämlich durch Textzeichen, <strong>aus</strong>gedrückt (Döring, 2001).<br />
In einer Studie mit MUD-Usern greift Utz (2001) die Annahmen von Walther‘s SIP-Modell auf<br />
und überprüft, inwieweit sie sich in diesen stärker sozial orientierten, synchron<br />
kommunizierenden virtuellen Gemeinschaften bestätigen lassen. Aus den Resultaten geht hervor,<br />
dass Emoticons von den Usern bewusst eingesetzt werden, um den Mangel an nonverbalen<br />
Hinweisreizen zu kompensieren. Weiter werden die Emoticons als hilfreich erlebt im Ausdrücken<br />
von subtilen Nuancen und Gefühlen.<br />
2 vergl. Döring (2001). Kapitel 13. Döring stellt neun theoretische Modelle vor, die sich mit medienbedingten<br />
Besonderheiten in Verhalten und Erleben beschäftigen.<br />
3 Walther hat vor allem den Faktor Zeit bei asynchronen Kommunikationsszenarien untersucht: e-mails, die mehr<br />
sozioemotionale Inhalte haben, werden schneller beantwortet als e-mails, die mehr aufgabenorientierte Ihnalte haben.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 6
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
4. Fragestellung und Hypothesen<br />
4.1 Von den Forschungsfragen zu den Hypothesen<br />
“Viele nonverbale Informationen, die in ftf-Kommunikation leicht ersichtlich sind, müssen in<br />
cvK explizit verbalisiert werden, bevor sie über das Medium Computer übertragen werden<br />
können. Nonverbale Informationen sind jedoch für den Aufbau von Freundschaften sehr wichtig,<br />
da sie vor allem sozioemotionale Inhalte transportieren” (Utz 2001, S.1).<br />
Es wurde bereits beschrieben, wie Chatter nonverbale Informationen <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chen. In dieser<br />
Untersuchung soll nun her<strong>aus</strong>gefunden werden, ob die Verwendung von Emoticons einen<br />
Einfluss auf die Sympathiebildung hat. Ist der Gebrauch von Emoticons tatsächlich entscheidend<br />
für die Sympathiebildung? Oder sind gleiche Interessen und Einstellungen wichtiger? Oder wird<br />
der Eindruck mehr über das Gesprächsverhalten des Gegenübers gebildet? Wenn das Thema<br />
nicht allzu polarisierend wirkt, wird die Einstellungsähnlichkeit einen Teil ihrer Wirkung auf die<br />
Sympathiebildung verlieren. Was geschieht, wenn der Gebrauch von Emoticons variiert wird?<br />
Oder wenn ein Chatgespräch mit Emoticons mit einem Gespräch ohne Emoticons verglichen<br />
wird? Diesen Forschungsfragen folgend, sind drei Hypothesen entstanden:<br />
• H1: Eine Person, die im Chat Emoticons verwendet, wird sympathischer eingeschätzt als eine<br />
Person, die keine Emoticons verwendet.<br />
• H2: Eine Person, die im Chat positive Emoticons verwendet, wird sympathischer eingeschätzt<br />
als eine Person, die negative Emoticons verwendet.<br />
• H3: Eine Person, die im Chat negative Emoticons verwendet, wird sympathischer<br />
eingeschätzt als eine Person, die keine Emoticons verwendet.<br />
4.2 Konstrukt Sympathie<br />
Der Theorie entsprechend ist der Einsatz von Emoticons entscheidend für die Bildung von<br />
Sympathie. Wir haben einen Fragebogen entwickelt, um zu erheben, wie sich die<br />
Sympathievergabe der Versuchspersonen in den verschiedenen Bedingungen darstellt.<br />
Bei der Operationalisierung des Konstruktes Sympathie haben wir uns einerseits auf bekannte,<br />
zum Teil wissenschaftlich belegte Annahmen, andererseits auf Aussagen von Personen, die wir<br />
zu ihren Kriterien, was Sympathie <strong>aus</strong>macht, befragt haben, bezogen. Dar<strong>aus</strong> haben sich einige<br />
Schwerpunkte ergeben, die wir als Ausgangspunkt zur Bildung von Items verwendet haben. 4<br />
Die Vermittlung sozioemotionaler Inhalte spielt gemäss unseren Erwartungen und der bereits<br />
skizzierten Theorie eine grosse Rolle.<br />
Die Themenwahl spielt bei der Sympathiebildung ebenfalls eine entscheidende Rolle. Es gibt eine<br />
Tendenz, Leute mit gleicher Meinung sympathischer zu finden. Dies lässt sich beispielsweise <strong>aus</strong><br />
dissonanztheoretischer Perspektive folgendermassen formulieren: "Personen sind im<br />
Allgemeinen motiviert, (einstellungs)kongruente oder konsonante Informationen aktiv<br />
aufzusuchen und (einstellungs)konträre oder dissonante Informationen aktiv zu vermeiden, um<br />
eine getroffene Entscheidung zu stabilisieren und auf diese Weise kognitive Konsonanz zu<br />
4 Fragebogen siehe Anhang<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 7
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
bewahren bzw. kognitive Dissonanz zu vermeiden" (Stroebe, Jonas & Hewstone 1997, S.233).<br />
Aus dieser Sicht ist es naheliegend, dass eine Person, die die eigene Meinung teilt, sympathischer<br />
wirkt als eine Person, die das Gegenteil vertritt.<br />
Weiter sind wir davon <strong>aus</strong>gegangen, dass sowohl humorvolles Verhalten wie auch das Interesse,<br />
das eine Person für eine andere Person signalisiert, eine entscheidende Rolle bei der<br />
Eindrucksbildung spielen.<br />
Wir haben folgende Items gebildet, <strong>aus</strong> denen mittels faktoranalytischem Verfahren mit den<br />
Resultaten Kategorien gebildet werden sollen:<br />
1. X hat Gefühle gezeigt<br />
2. X war gut aufgelegt.<br />
3. X war schlecht gelaunt.<br />
4. X hat eine ironische Art.<br />
5. X hat mehr Gefühle <strong>aus</strong>gedrückt als Y.<br />
6. X hat die positivere Grundstimmung als Y.<br />
7. X war motiviert.?<br />
8. X war destruktiv.<br />
9. X ist eine humorvolle Person.<br />
10. X versteht keinen Spass.<br />
11. X ist witziger als Y.<br />
12. X geht auf Y ein.<br />
13. X hat sich für Y interessiert.<br />
14. X hat war bemüht, das Gespräch aufrechtzuerhalten.<br />
15. X hat Y ernstgenommen.<br />
16. X hat nachgefragt.<br />
17. X drückte sich angemessen <strong>aus</strong>. ?<br />
18. X ist tolerant<br />
19. Ich habe die gleiche Meinung wie X.<br />
20. Ich habe die gleiche Meinung wie Y.<br />
21. X hat eine voreingenommene Meinung.<br />
22. X tritt überzeugend auf.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 8
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
5. Methode<br />
5.1 Kurzbeschrieb des Ablaufs<br />
Das Experiment wurde im Inter<strong>net</strong> durchgeführt, via einer Homepage. Die Versuchspersonen<br />
wurden darüber informiert, dass es sich um ein Experiment zum Thema Kommunikation<br />
handelte, es wurden jedoch keine Detailangaben zur Untersuchung gemacht. Zu Beginn des<br />
Versuchs mussten einige Fragen zur Person beantwortet werden. Es handelte sich dabei<br />
vornehmlich um Personalien und Fragen zu Chatgewohnheiten. Danach folgte ein Chatgespräch<br />
zwischen zwei Personen (M und G), wovon die jeweilige Versuchsperson eine zu beobachten<br />
hatte und über diese sie abschliessend drei offene Fragen sowie Fragen zur Erhebung von<br />
Sympathie zu beantworten hatte. Zwecks Einfachheit wird im weiteren von Chatter X, der zu<br />
Beobachtende, gesprochen. Chatter Y ist sein Gegenüber und kann gen<strong>aus</strong>o M bzw. G sein. Im<br />
folgenden werden die einzelnen Teile des Versuchsablaufs genauer beschrieben.<br />
5.2 Die verschiedenen Fragebögen<br />
Die verschiedenen Fragebögen sind zur genaueren Ansicht im Anhang aufgeführt.<br />
5.2.1 Fragen zur Person (Anhang A2)<br />
Der erste Fragebogen hatte den Zweck, die Personalien der Versuchspersonen aufzunehmen, um<br />
die Stichprobe beschreiben zu können. Von Interesse waren somit Geschlecht, Alter, Ausbildung,<br />
Rauchergewohnheiten und Chatgewohnheiten (Häufigkeit, Tageszeit, Motiv).<br />
5.2.2 Offene Fragen (Anhang A5)<br />
Nach<strong>dem</strong> Beobachten des Chats wurden den Versuchspersonen zuerst einige offene Fragen<br />
gestellt zu der Person, welche sie zu beobachten hatten. Diese drei Fragen sollten spontan und<br />
ohne irgendwelche Vorgaben beantwortet werden, um erste Tendenzen bezüglich der<br />
Sympathiebildung beobachten zu können. Die Fragen lauteten wie folgt:<br />
• Bitte beschreiben Sie genau wie Chatter X auf Sie gewirkt hat?<br />
• Was hat Sie an Chatter X gestört?<br />
• Was hat Ihnen an Chatter X gefallen?<br />
5.2.3 Der Fragebogen zur Erhebung von Sympathie (Likert) (Anhang A6)<br />
Das Ziel dieses Fragebogens war es, die Sympathieverteilung zu messen. Gemäss <strong>dem</strong><br />
Sympathie-Konstrukt hatten die Versuchspersonen 22 Fragen bezüglich den verschiedenen<br />
Aspekten auf einer Skala von trifft gar nicht zu bis trifft sehr zu zu beantworten (siehe 4.2<br />
Konstrukt Sympathie). Zusätzlich wurden zwei allgemeine Fragen zum gesamten Chatgespräch<br />
gestellt. Die Fragen zu Chatter X wurden in zufälliger Reihenfolge gestellt.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 9
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
5.3 Das Gespräch<br />
Es war erforderlich, ein Chatgespräch zu konstruieren, um eine standardisierte Ausgangslage zu<br />
erhalten. Ein Chatgespräch zwischen mehr als zwei Personen kam nicht in Frage, da es einerseits<br />
für die Versuchsperson bloss schwieriger würde, <strong>dem</strong> Gespräch zu folgen und andererseits eine<br />
Konstruktion immer komplexer würde. Es entstand ein Chatgespräch zwischen zwei Personen,<br />
welches von den Versuchspersonen beobachtet werden konnte, ohne dass diese die Möglichkeit<br />
hatten, mitzureden bzw. -schreiben. Es wurden bewusst keine Nicknames gewählt, sondern nur<br />
zwei Initialen, nämlich M und G, weil bereits der Nickname Einfluss auf die Eindrucksbildung<br />
haben kann.<br />
Thema<br />
Es wurde ein Thema gewählt, das nicht allzu polarisierend wirkt und nicht allzu "emotional<br />
geladen" ist, damit nicht die Einstellungsähnlichkeit vordergründig eindrucksbildend ist. Zu<strong>dem</strong><br />
sollte es ein Thema sein, zu welchem alle Personen unabhängig von Alter, Bildung etc. eine<br />
Meinung haben und mitdiskutieren können, wie beispielsweise das Thema Rauchen.<br />
Variation der Emoticons<br />
Wie die Hypothesen besagen, geht es zunächst um den Vergleich zwischen einem Gespräch mit<br />
Emoticons und einem Gespräch ohne Emoticons. Die zweite Hypothese unterscheidet zusätzlich<br />
zwischen positiven und negativem Gebrauch von Emoticons. Demzufolge wurde das<br />
Ausgangsgespräch zwischen X und Y so variiert, dass sowohl X als auch Y einmal nur positive,<br />
einmal bloss negative, und einmal gar keine Emoticons benutzten. Um die “Mit”-Bedingungen<br />
<strong>aus</strong>zugleichen, wurde zusätzlich die Bedingung mit sowohl positivem als auch negativem<br />
Gebrauch von Emoticons geschaffen. Die Variation erfolgte nach unserem Gutdünken und<br />
unseren Chaterfahrungen, die Anzahl der benutzten Emoticons beschränkte sich pro Person und<br />
Variation auf 12 Emoticons.<br />
Es gab zwei Kategorien von Emoticons: solche, die einen positiven nonverbalen Inhalt<br />
<strong>aus</strong>drücken (humorvolles Zwinkern, klassisches Smile) und solche, die einen negativen<br />
nonverbalen Inhalt <strong>aus</strong>drücken (enttäuschtes "Smile"). Dieselbe Unterteilung wurde ebenfalls bei<br />
den Aktionswörtern vorgenommen: es gab negative Befindlichkeit <strong>aus</strong>drückende Aktionswörter<br />
(langweil, würg) und positive Befindlichkeit <strong>aus</strong>drückende Aktionswörter (freu, grins). Im<br />
Weiteren gab es noch wenige Akronyme (bg=big grin, lol=loughing out loud), die alle positive<br />
Befindlichkeit <strong>aus</strong>drücken.<br />
Einige Beispiele:<br />
M ist Chatter M und G sein Gesprächspartner, mit den vier möglichen Bedingungen:<br />
+ = positiver Gebrauch von Emoticons<br />
- = negativer Gebrauch von Emoticons<br />
+- = gemischter Gebrauch von Emoticons<br />
ohne = kein Gebrauch von Emoticons, neutrale Bedingung<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 10
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
G-: die Vorstellung von pasta al marlboro find ich SCHLIMMER<br />
M+: lol<br />
M-: gäähn<br />
M+: das sind dann die Feinheiten gell die raucher und ihre marke<br />
gell schmunzel<br />
M-: das sind dann die Feinheiten gell die raucher und ihre marke<br />
gell :-(<br />
G-: das ist nicht Besserwisserei das ist FAKT<br />
G+: das ist nicht Besserwisserei das ist Fakt<br />
M-: M ist faul<br />
M-: Sucht, hättest du gerne gell<br />
G-: du bist da der psychologe :-(<br />
M-: und du der suchti<br />
M-: M ist nixtunsüchtig<br />
M+: M ist faul :-)<br />
M+: Sucht, hättest du gerne gell<br />
G+: du bist da der psychologe<br />
M+: und du der suchti haha<br />
M+: M ist nixtunsüchtig hihihi<br />
M: ich bin faul<br />
M: Sucht, hättest du gerne gell<br />
G: du bist da der psychologe<br />
M: und du der suchti<br />
M: ich bin nixtunsüchtig<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 11
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Vom Grundgerüst des Gesprächs <strong>aus</strong>gehend variierten wir jeweils den Gebrauch der Emoticons<br />
(positiv, negativ, gemischt, neutral) für Chatter G und M. Folgerichtig ergeben sich für jede<br />
Person vier verschiedene Möglichkeiten, was ein Total von 16 verschiedenen<br />
Gesprächskombinationen zwischen M und G ergibt.<br />
Bedingung von M Bedingung von G Gespräch<br />
M+ G+ 1<br />
G- 2<br />
Gohne 3<br />
G+- 4<br />
M- G+ 5<br />
G- 6<br />
Gohne 7<br />
G+- 8<br />
Mohne G+ 9<br />
G- 10<br />
Gohne 11<br />
G+- 12<br />
M+- G+ 13<br />
G- 14<br />
Gohne 15<br />
G+- 16<br />
Tab. 1 Die 16 Bedingungen. M und G Namen der Chatter unter den verschiedenen Bedingungen: +<br />
positiver, - negativer, ohne und +- positiver und negativer Gebrauch von Emoticons<br />
Durch diese Kombination ist es möglich, Interaktionseffekte zwischen der Wirkung der beiden<br />
Chatter auf die Versuchspersonen zu kontrollieren, denn nun wird beispielsweise von den<br />
Versuchspersonen Chatter M in der Bedingung “positive Emoticons” mit allen vier möglichen<br />
Gesprächspartnerbedingungen beobachtet und beurteilt, somit wird der Einfluss von G<br />
kontrolliert und umgekehrt.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 12
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
5.4 Design<br />
Den Versuchspersonen wurde zufällig eines dieser 16 Gespräche zugeord<strong>net</strong> mit <strong>dem</strong> ebenso<br />
zufälligen Auftrag, entweder Chatter M oder G zu beobachten.<br />
Entsprechend Tabelle 1 kann nun die erste Hypothese wie folgt dargestellt werden: die blauen<br />
Felder entsprechen den Bedingungen mit Gebrauch von Emoticons, die gelben Felder<br />
entsprechen der Bedingung ohne jeglichen Gebrauch von Emoticons.<br />
M G Gespräch<br />
M+ G+ 1<br />
G- 2<br />
Gohne 3<br />
G+- 4<br />
M- G+ 5<br />
G- 6<br />
Gohne 7<br />
G+- 8<br />
Mohne G+ 9<br />
G- 10<br />
Gohne 11<br />
G+- 12<br />
M+- G+ 13<br />
G- 14<br />
Gohne 15<br />
G+- 16<br />
Tab. 2 Hypothese 1. M und G Namen der Chatter unter den verschiedenen Bedingungen: +<br />
positiver, - negativer, ohne und +- positiver und negativer Gebrauch von Emoticons. Blau<br />
entspricht allen Bedingungen mit Emoticons und gelb allen Bedingungen ohne Gebrauch.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 13
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Gen<strong>aus</strong>o kann die Hypothese 2 dargestellt werden, die grünen Felder entsprechen der Bedingung<br />
mit positivem Gebrauch von Emoticons, die roten Felder stehen für den negativen Gebrauch.<br />
M G Gespräch<br />
M+ G+ 1<br />
G- 2<br />
Gohne 3<br />
G+- 4<br />
M- G+ 5<br />
G- 6<br />
Gohne 7<br />
G+- 8<br />
Mohne G+ 9<br />
G- 10<br />
Gohne 11<br />
G+- 12<br />
M+- G+ 13<br />
G- 14<br />
Gohne 15<br />
G+- 16<br />
Tab. 3 Hypothese 2. M und G Namen der Chatter unter den verschiedenen Bedingungen: + positiver, -<br />
negativer, ohne und +- positiver und negativer Gebrauch von Emoticons. grün entspricht positivem<br />
Gebrauch und rot negativem Gebrauch von Emoticons.<br />
Darstellung der dritten Hypothese: die roten Felder entsprechen der Bedingung mit negativem<br />
Gebrauch von Emoticons, die gelben Felder stehen für die Bedingung ohne Gebrauch.<br />
M G Gespräch<br />
M+ G+ 1<br />
G- 2<br />
Gohne 3<br />
G+- 4<br />
M- G+ 5<br />
G- 6<br />
Gohne 7<br />
G+- 8<br />
Mohne G+ 9<br />
G- 10<br />
Gohne 11<br />
G+- 12<br />
M+- G+ 13<br />
G- 14<br />
Gohne 15<br />
G+- 16<br />
Tab. 4 Hypothese 3. M und G Namen der Chatter unter den verschiedenen Bedingungen: + positiver, -<br />
negativer, ohne und +- positiver und negativer Gebrauch von Emoticons. Rot entspricht wiederum<br />
negativem und gelb keinen Gebrauch von Emoticons.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 14
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
5.5 Durchführung per Inter<strong>net</strong><br />
Das Experiment wurde über das Inter<strong>net</strong> durchgeführt und konnte auf folgender URL abgerufen<br />
werden: www.noomeric.ch/chat .<br />
Vor- und Nachteile<br />
“Wissenschaftliche Umfragen via Inter<strong>net</strong> erfreuen sich grösserer Akzeptanz als kommerzielle<br />
Befragungen. Entsprechend höher ist die Bereitschaft zu Teilnahme. Zu den Motiven der<br />
Probanden zählen Neugier, Hilfsbereitschaft und Interesse an den Ergebnissen” (Batinic und<br />
Bosnjak, 1997, S.1). Durch den Entscheid, das Experiment im “worlwideweb” durchzuführen,<br />
war es den Versuchspersonen freigestellt, wann und wo sie den Versuch durchführen wollten.<br />
Dies ersparte viel Zeit, dafür war eine Kontrolle der Versuchspersonen eingeschränkt. “Der<br />
einstweilen gravierendste Nachteil liegt in der kaum möglichen Bewertung der Datenqualität”<br />
(Vogt, 1997, S.1).<br />
Ablauf<br />
Der ganze Versuch wurde über das Inter<strong>net</strong> abgewickelt. Nach der Begrüssungsseite wurde den<br />
Versuchspersonen mitgeteilt, dass sie an einem Experiment zur Kommunikation teilnehmen<br />
würden. Danach kam der erste Fragebogen mit der Erhebung von Personalien. Danach erfolgte<br />
der Auftrag, entweder im folgenden Gespräch Person M oder Person G zu beobachten. Im<br />
Hintergrund wurde den einzelnen Versuchspersonen zufällig eines der 16 unterschiedlichen<br />
Gesprächen zugeord<strong>net</strong>. Darauf folgte das Chatgespräch. Es wurde Satz für Satz angezeigt, als<br />
würden G und M die Sätze jeweils eintippen, wie in einem richtigen Chatgespräch. Die<br />
Präsentation der Satzabfolge erfolgte in einer beschleunigten Fassung, damit es für den<br />
Beobachter angenehmer war. Nach<strong>dem</strong> den Versuchspersonen das Gespräch präsentiert wurde,<br />
mussten sie zuerst die offenen Fragen zu der von ihnen beobachteten Person beantworten und<br />
abschliessend den Likert-Fragebogen zu derselben Person <strong>aus</strong>füllen. Mit <strong>dem</strong> Ausfüllen dieses<br />
letzten Fragebogens und einem Dankeswort fürs Mitmachen unsererseits war das Experiment für<br />
die Versuchspersonen abgeschlossen. (detaillierter Ablauf siehe Anhang A1-A6)<br />
5.6 Versuchspersonen<br />
Die Versuchspersonen rekrutierten wir in unserem Freundeskreis und über Mitkommilitonen per<br />
E-mail, in <strong>dem</strong> sie gebeten wurden, bei unserem Experiment über Kommunikation mitzumachen.<br />
Die Versuchspersonen wurden nicht anhand von Kriterien wie spezifisches Alter, Geschlecht<br />
oder Ausbildung gesucht, dies ermöglichte eine unkomplizierte Rekrutierung, entspricht jedoch<br />
nicht einer korrekten Zufallsstichprobe.<br />
An unserem Experiment nahmen 40 Versuchspersonen Teil. 23 (60.5 %) der Versuchspersonen<br />
waren Frauen, 15 (39.6 %) waren Männer. Unter unseren 40 Personen waren 11 Raucher und 28<br />
Nichtraucher.<br />
Chatter M wurde 18 mal beobachtet. In der neutralen Bedingung wurde er 12 mal, in der<br />
positiven 7 mal, in der negativen 11 mal und in der positiv/negativ Bedingung 10 mal beobachtet.<br />
Chatter G wurde 22 mal beobachtet. In der neutralen Bedingung wurde er 12 mal, in der<br />
positiven 9 mal, in der negativen 10 mal und in der positiv/negativen Bedingung 9 mal<br />
beobachtet.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 15
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Wir hatten in unserer Untersuchung 8 Chatter und 22 Nichtchatter. 15 Personen machten keine<br />
Angaben.<br />
6. Auswertung und Ergebnisse<br />
6.1 Die offenen Fragen<br />
Die Versuchspersonen waren mit den drei offenen Fragen gebeten worden möglichst spontan zu<br />
antworten, was sie für einen Eindruck vom Chatter X hatten. Sie sollten mit eigenen Worten<br />
beschreiben, wie Chatter X auf sie gewirkt hat und was für positive bzw. negative Eigenschaften<br />
ihnen aufgefallen sind. Das Ziel dieser Fragen war es, einen ersten Überblick zu bekommen, ob<br />
die beobachteten Chatter tatsächlich auch als positiv bzw. negativ wahrgenommen wurden und<br />
inwieweit sie auch als sympathisch oder nicht eingestuft wurden. Diese Angaben wurden nicht<br />
systematisch mittels einer Inhaltsanalyse <strong>aus</strong>gewertet sondern interessierten in ihrer<br />
beschreibenden Natur.<br />
So wurde beispielsweise Chatter X in der Bedingung mit Gebrauch von positiven und negativen<br />
Emoticons wie folgt beschrieben:<br />
“er braucht viele smiles :-), sucht also Konsens und irgendwie über die reine Textform eine<br />
Beschreibungsform - nonverbales – mitzuteilen”<br />
Oder Chatter X in der Bedingung negativer Gebrauch von Emoticons:<br />
“gelangweilt, genervt, oberflächlich...” oder “... versuchte einfach zu nerven...”<br />
Chatter X wurde von Versuchspersonen in der Bedingung mir positiven Emoticons wie folgt<br />
beschrieben:<br />
“geht nicht auf den aggressiven Ton von Y ein” oder “ hatte <strong>net</strong>ten Tonfall, ist nicht sofort auf<br />
Konfrontation gegangen”<br />
Diese Beispiele zeigen zwar, dass Chatter X unter den verschiedenen Bedingungen auch unseren<br />
Wünschen entsprechend wahrgenommen wurde. Doch ganz so eindeutig wie diese Beispiele sind<br />
nicht alle Antworten. Somit können <strong>aus</strong> diesen Antworten keine Schlüsse gezogen werden. Eine<br />
Inhaltsanalyse der Antworten würde allenfalls mehr Aufschluss geben.<br />
6.2 Statistische Analyse<br />
6.2.1 Itemreduktion durch die Faktorenanalyse<br />
Von den anfänglich 24 Items haben wir 16 Items für die statistische Auswertung verwendet. Zu<br />
Beginn der statistischen Analyse haben wir eine Faktorenanalyse gerech<strong>net</strong>. Es wurde damit <strong>aus</strong><br />
den verbleibenden 13 Fragen diejenigen ermittelt, welche die Zusammenhänge zwischen den<br />
gegebenen Variablen am vollständigsten erklären. Bei der ersten Berechnung fanden wir 5<br />
Faktoren mit einem Eigenwert grösser 1. Wie in Tabelle 5 zu sehen ist, erklären die 5 Faktoren<br />
zusammen 73,95 % der Varianz. Der erste Faktor erklärt 35,5 %, der zweite 12,1 %, der dritte<br />
11,53 % der vierte 7,7 % und der fünfte Faktor nur noch 6,94 % der Varianz.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 16
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
In einem weiteren Schritt haben wir die Daten nach der Varimax Methode zu rotiert.<br />
Total Variance Explained<br />
Initial<br />
Eigenval<br />
ues<br />
Component Total % of Cumulati<br />
Variance ve %<br />
Rotation<br />
Sums of<br />
Squared<br />
Loadings<br />
Total<br />
% of Cumulative<br />
Variance %<br />
1 5,328 35,521 35,521 3,801 25,337 25,337<br />
2 1,823 12,156 47,677 2,415 16,100 41,438<br />
3 1,730 11,533 59,211 2,085 13,899 55,337<br />
4 1,169 7,796 67,007 1,423 9,484 64,821<br />
5 1,042 6,946 73,953 1,370 9,132 73,953<br />
6 ,923 6,151 80,104<br />
7 ,642 4,278 84,382<br />
8 ,520 3,469 87,850<br />
9 ,437 2,912 90,762<br />
10 ,348 2,317 93,080<br />
11 ,305 2,030 95,110<br />
12 ,257 1,713 96,823<br />
13 ,231 1,540 98,363<br />
14 ,168 1,119 99,482<br />
15 7,763E- ,518 100,000<br />
02<br />
Extraction Method: Principal Component Analysis.<br />
Tabelle 5 Eigenvalues und erklärte Varianz vor und nach der Rotation<br />
Durch die Rotation nach der Varimax Methode ergaben sich weit<strong>aus</strong> bessere Faktoren. Die<br />
Unterschiede zwischen den Faktoren wurden grösser. Es ergaben sich für die 5 Faktoren<br />
wesentlich höhere Eigenwerte, was bedeutet, dass die Items höher mit <strong>dem</strong> Faktor korrelieren. In<br />
Tabelle 6 ist ersichtlich, welche Fragen den einzelnen Faktoren zugeord<strong>net</strong> wurden.<br />
Rotated Component Matrix<br />
Component<br />
1 2 3 4 5<br />
Item 14 ,847 5,478E -,207 ,199 -,138<br />
-02<br />
Item 2 ,836 ,231 -5,365E-<br />
02<br />
-,241 -8,773E-<br />
02<br />
Item 3 ,765 ,206 -4,835E- -9,809E- ,130<br />
03 02<br />
Item 16 ,691 4,396E -,191 8,171E- -,292<br />
-02<br />
02<br />
Item 9 ,623 ,169 -,325 ,290 -,101<br />
Item 23 -1,241E-02 ,827 ,118 ,206 -,188<br />
Item 13 ,283 ,758 -,281 -,140 -8,122E-<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 17
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
02<br />
Item 20 ,505 ,669 -,225 ,132 -7,267E-<br />
02<br />
Item 21 -4,162E-02 -,261 ,788 -3,103E- ,166<br />
02<br />
Item 12 -,329 ,256 ,744 -,147 ,121<br />
Item 6 ,299 ,399 -,502 ,164 ,211<br />
Item 18 8,527E-02 - ,269 -,868 ,137<br />
4,552E<br />
-02<br />
Item 10 ,286 ,491 ,228 ,580 ,163<br />
Item 8 -,130 -,135 ,248 -7,360E- ,865<br />
02<br />
Item 11 ,541 ,161 ,374 4,642E- -,550<br />
03<br />
Extraction Method: Principal Component Analysis. Rotation Method: Varimax with<br />
Kaiser Normalization.<br />
a Rotation converged in 9 iterations.-<br />
Tabelle 6: rotierte Faktoren Matrix<br />
Faktor 1 ( Eigenwert 3,81, aufgeklärte Varianz 25,337 % )<br />
- X geht auf Y ein<br />
- X hat sich für Y interessiert<br />
- X hat nachgefragt<br />
- X war bemüht, das Gespräch aufrecht zu erhalten<br />
- X ist tolerant<br />
Wir wollen diesen Faktor „Interesse“ nennen, da die Fragen auf das Interesse der Chatter<br />
untereinander abzielen. Die Fragen beziehen sich allgemein auf das Gesprächsverhalten der<br />
Chatter und das dadurch geäusserte Interesse und Engagement.<br />
Der Faktor 1 enthält auch vier unserer Items, die wir bei der Konstruktion des Fragebogens im<br />
Zusammenhang mit <strong>dem</strong> Arbeitsbegriff „Interesse“ formuliert haben. Das gegenseitig bekundete<br />
Interesse scheint ein wichtiger Faktor bei der Sympathiebildung zu sein.<br />
Faktor 2 (Eigenwert 2,41, aufgeklärte Varianz 16,1 %)<br />
- X tritt überzeugend auf<br />
- X war gut aufgelegt<br />
- X ist eine humorvolle Person<br />
Wir wollen diesen Faktor als die „positive Grundstimmung“ bezeichnen.<br />
Die Fragen betonen die positive Stimmung der beobachteten Chatter.<br />
Ein überzeugendes Auftreten scheint den positiven Eindruck zu verstärken.<br />
Faktor 3 (Eigenwert 2,08, aufgeklärte Varianz.13,89 %)<br />
- X hat eine voreingenommene Meinung<br />
- X hat eine positivere Grundstimmung wie Y (korreliert negativ mit <strong>dem</strong> Faktor )<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 18
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Diesen Faktor wollen wir „mangelnde Kommunikationsbereitschaft“ nennen. Der beobachtete<br />
Chatter scheint nicht wirklich gewillt zu sein, zu kommunizieren. Das zweite Item korreliert<br />
negativ mit diesem Faktor, d.h. wenn die Person tiefe Werte hinsichtlich ihrer positiven<br />
Grundstimmung erhält, wirkt sich das auf den Faktor „ mangelnde Kommunikationsbereitschaft“<br />
<strong>aus</strong>.<br />
Faktor 4 (Eigenwert 1,42 , aufgeklärte Varianz 9,48 %)<br />
- Ich habe die gleiche Meinung wie X<br />
- Ich habe die gleiche Meinung wie Y<br />
Faktor 5 (Eigenwert 1,37 , aufgeklärte Varianz 9,13 %)<br />
- X war destruktiv<br />
- X hat Y ernstgenommen<br />
Wie die Grafik 1 zeigt, ist die optimale Lösung eine mit 2 Faktoren. Faktor F1 hat einen<br />
Eigenwert von 3,8 und erklärt 25,33 % der Varianz. Faktor F2 hat einen Eigenwert von 2,41 und<br />
erklärt 16,1 % der Varianz. Zusammen erklären die Faktoren F1 und F2 41,438 % der Varianz.<br />
Da uns aber Faktor 3 ebenfalls als geeig<strong>net</strong> erschien haben wir ihn dazu genommen. Faktor 3 hat<br />
einen Eigenwert von 2,08 und klärt 13,89 % der Varianz auf. Zusammen klären die 3 Faktoren<br />
also 55,3 der Varianz auf.<br />
Die Varianzaufklärung ist mit 55.3 % nicht besonders hoch. Wir können aber nicht mehr<br />
Faktoren in Erwägung ziehen, da deren Eigenwerte zu tief sind.<br />
Die Reliabilitätsanalyse mit 2 Faktoren ergab ein Cronbach Alpha von 0.86. Durch das<br />
Hinzunehmen des 3. Faktors verschlechterte sich das Cronbach Alpha etwas und beträgt jetzt<br />
0.77.<br />
6<br />
Scree Plot<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
Eigenvalue<br />
1<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
Component Number<br />
Grafik 1:<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 19
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Nach Guadagnoli & Velicier (1988) stellt sich bei der Interpretation der Faktorenanalyse das<br />
Problem, dass bei der Grösse unserer Stichprobe Faktoren nur als bedeutsam erachtet werden<br />
können, wenn mindestens 4 Variablen eine Ladung über 0,60 haben (Guadagnoli & Velicer,<br />
1988, nach Bortz, 1993). Dies trifft in unserem Fall lediglich für den ersten Faktor zu. In Grafik 2<br />
sind noch einmal die drei wichtigen Faktoren in den einzelnen Bedingungen dargestellt. Faktor 1<br />
entspricht mit seinem Verlauf am ehesten den Vorhersagen unserer Hypothesen.<br />
Mittelwerte der rotierten Faktoren 1 und 2<br />
und 3<br />
4<br />
Mittelwerte<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
neutral positiv negativ pos/neg<br />
Bedingungen<br />
Fakt1rot<br />
Fakt2rot<br />
Fakt3rot<br />
Grafik 2: Die 3 Faktoren in den einzelnen Bedingungen<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 20
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
6.2.2 Die Untersuchung der Hypothesen<br />
Als statistisches Verfahren zur Überprüfung unserer Hypothesen haben wir den t-Test gewählt,<br />
mit welchem wir die Mittelwerte in den verschiedenen Bedingungen auf signifikante<br />
Unterschiede hin überprüfen. Idealerweise hätten wir eine Varianzanalyse rechnen sollen, was<br />
aber aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von Versuchspersonen in den einzelnen<br />
Bedingungen nicht möglich war. Unsere Stichprobe ist normalverteilt wie der Kolmogorov-<br />
Smirnov Test ( p=0,097, df=40, p
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Hypothese 1<br />
Mittelwerte<br />
3,3<br />
3,2<br />
3,1<br />
3<br />
2,9<br />
3,25<br />
2,95<br />
Sympathie<br />
2,8<br />
ohne Emoticons<br />
mit Emoticons<br />
Bedingungen<br />
Grafik 4: Mittelwerte mit und ohne Emoticons<br />
Unsere zweite Hypothese besagt, dass eine Person, die im Chat positive Emoticons verwendet,<br />
sympathischer eingeschätzt wird als eine Person, die negative Emoticons verwendet. Hierzu<br />
verglichen wir die Mittelwerte der positiven Bedingung mit jener der negativen. Wie in Grafik 5<br />
ersichtlich gibt es einen Unterschied. Die Personen welche positive Emoticons verwenden<br />
werden positiver eingeschätzt. Der Unterschied ist aber nicht statistisch signifikant wie der t-Test<br />
zeigte (t= 0.813, df= 21, p= 0,425).<br />
Hypothese 2<br />
Mittelwerte<br />
3,2<br />
3,1<br />
3<br />
2,9<br />
2,8<br />
3,12<br />
2,84<br />
sympathie<br />
2,7<br />
positiv<br />
negativ<br />
Bedingungen<br />
Grafik 5: Unterschied in den Mittelwerten in der positiven und negativen Bedingung<br />
Unsere dritte und letzte Hypothese besagt, dass eine Person, die im Chat negative Emoticons<br />
verwendet, sympathischer eingeschätzt wird als eine Person, die keine Emoticons verwendet.<br />
Hierzu verglichen wir die neutrale Bedingung mit der negativen. Wie in Grafik 6 zu sehen,<br />
bestätigen die Werte unsere Hypothese nicht. Die Sympathiewerte in der negativen Bedingung<br />
sind tiefer als in der Bedingung ohne Emoticons. Aber auch hier ist der Unterschied nicht<br />
signifikant (t= 1,146, df= 19, p= 2,66 ).<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 22
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Hypothese 3<br />
Mittelwert<br />
3,3<br />
3,2<br />
3,1<br />
3<br />
2,9<br />
2,8<br />
2,7<br />
2,6<br />
3,26<br />
2,84<br />
Sympathie<br />
ohne Emoticons<br />
negative Emoticons<br />
Bedingung<br />
Grafik 6: Vergleich der Bedingungen ohne Emoticons mit der Bedingung negative Emoticons<br />
6.2.3 Weitere Ergebnisse<br />
Was uns im weiteren interessierte war, ob das Thema Rauchen nicht zu stark polarisierend<br />
wirkte. Hierzu verglichen wir die Unterschiede in der Bewertung zwischen Rauchern und<br />
Nichtrauchern. Wie die Grafik 7 zeigt, wurde Chatter G (Raucher) von den Rauchern als<br />
sympathischer eingeschätzt als Chatter M. Bei den Nichtrauchern gab es keinen Unterschied in<br />
der Einschätzung.<br />
Unterschiede in der Bewertung zwischen<br />
Raucher und Nichtraucher<br />
4<br />
Mittelwert<br />
3<br />
2<br />
1<br />
3,36<br />
2,68<br />
2,94 2,95<br />
beobachtet M<br />
beobachtet G<br />
0<br />
Raucher<br />
Nichtraucher<br />
Grafik 7: Unterschiede in der Bewertung zwischen Rauchern und Nichtrauchern<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 23
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Weiterhin interessierte uns der Unterschied zwischen Chattern und Nichtchattern hinsichtlich<br />
unserer Bedingungen. Wie in Grafik 8 zu sehen, liegt der Sympathiewert in der neutralen<br />
Bedingung bei Chattern am tiefsten, bei Nichtverwendung von Emoticons resultiert auf Seiten<br />
der Chatter also eine geringere Sympathie. Die Verwendung positiver Emoticons führt bei<br />
Chattern zu einem höheren Sympathiewert als bei Nichtchattern. Negative Emoticons führen bei<br />
beiden zu geringeren Sympathiewerten wobei sie von den Nichtchattern noch etwas negativer<br />
eingeschätzt werden. Die Chatter haben genau nach unseren Erwartungen geantwortet.<br />
Unterschiede in der Bewertung bei Chattern<br />
und Nichtchattern<br />
Mittelwert<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
neutral pos neg pos/neg<br />
Bedingungen<br />
Chatter<br />
Nichtchatter<br />
Grafik 8: Bewertungsunterschied bei Chattern und Nichtchattern<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 24
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
7. Diskussion, Kritik und Ausblick<br />
Wie <strong>aus</strong> den Resultaten ersichtlich ist, wurde keine unserer Hypothesen bestätigt. Bei der<br />
Untersuchung unserer ersten Hypothese erwiesen sich die Unterschiede zwischen der Bedingung<br />
ohne Emoticons und der Bedingung mit Emoticons als nicht signifikant. Es sind lediglich<br />
Tendenzen ersichtlich. Entgegen unserer Erwartung sind die Mittelwerte in der Bedingung ohne<br />
Emoticons höher als die Mittelwerte in der Bedingung mit Emoticons .Die Ergebnisse der<br />
zweiten Hypothese entsprachen in der Tendenz unseren Erwartungen, die Unterschiede waren<br />
jedoch auch hier nicht signifikant. Der Mittelwert in der positiven Bedingung ist höher als jener<br />
in der negativen Bedingung. Dies entspricht also der Aussage unserer Hypothese, dass Chatter<br />
mit <strong>dem</strong> Gebrauch von positiven Emoticons höhere Sympathiewerte erzielen als Chatter, welche<br />
negative Emoticons verwenden. Unsere dritte Hypothese besagt, dass Chatter durch den<br />
Gebrauch von negativen Emoticons höhere Sympathiewerte erzielen, als diejenigen, welche gar<br />
keine Emoticons verwenden. Die resultierenden Tendenzen widersprechen unseren Erwartungen<br />
gen<strong>aus</strong>o wie im Falle der Hypothese 1.<br />
Warum haben sich unsere Hypothesen nicht bestätigt? Es kann mehrere Gründe hierfür geben.<br />
Unsere Hauptprobleme waren einerseits ungünstige statistische Ausgangsbedingungen und<br />
andererseits die Schwierigkeit der inhaltlichen Definition von "Sympathie". Mit insgesamt 40<br />
Versuchspersonen bei 16 Versuchsbedingungen hatten wir eindeutig zuwenig TeilnehmerInnen.<br />
Gravierend war auch die Tatsache, dass wir nicht in jeder Bedingung die gleiche Anzahl<br />
Versuchspersonen hatten. Dies verunmöglichte das Rechnen einer Varianzanalyse. Wir hatten<br />
zwar 100 Versuchspersonen, doch nur 40 Fragebögen waren sinnvoll <strong>aus</strong>wertbar. Viele<br />
Versuchspersonen haben den Fragebogen nicht oder unvollständig <strong>aus</strong>gefüllt oder wichtige<br />
Angaben nicht gemacht. Hier tritt auch die Frage auf, ob das Inter<strong>net</strong> ein geeig<strong>net</strong>es Medium für<br />
die Durchführung einer solchen Untersuchung ist. Zum einen hat man wenig Kontrolle über<br />
etwaige Störfaktoren, zum anderen können technische Probleme die Untersuchung behindern.<br />
Zusätzlich stellt sich die Frage, wer überhaupt motiviert ist, bei einer Untersuchung im doch<br />
relativ anonymen Medium Inter<strong>net</strong> mitzumachen. Ein zweites Problem bestand darin, eine<br />
geeig<strong>net</strong>e Operationalisierung von „Sympathie“ zu erzielen und dieses Konstrukt sinnvoll mit<br />
einem Fragebogen zu erfassen. Es wäre sinnvoll gewesen, eine entsprechende Voruntersuchung<br />
zu machen. So hätten wir mehrere Items sammeln können und durch gezielte Reduktion einen<br />
geeig<strong>net</strong>eren Fragebogen erarbeiten können. Wir hätten z.B die Einstellung der<br />
Versuchspersonen zu Emoticons in Erfahrung bringen und <strong>dem</strong>entsprechend in einem nächsten<br />
Schritt berücksichtigen können. Ein Nachteil, der durch die Versuchspersonenrekrutierung per E-<br />
mail entstand, ist die Teilnahme am Experiment sowohl von Chattern als auch von Nicht-<br />
Chattern. Dies hatte möglicherweise zur Folge, dass einzelne Chat-spezifische Ausdrücke von<br />
den zwei Teilgruppen anders verstanden oder bewertet wurden und somit die Resultate<br />
beeinträchtigten. Zukünftig müsste die Rekrutierung durch verschiedene Links auf Inter<strong>net</strong>-<br />
Homepages oder gar in Chat-Räumen geschehen, oder die Versuchspersonen müssten von uns<br />
nach genauen Kriterien <strong>aus</strong>gewählt werden. Es wäre interessant, mit den genannten<br />
Verbesserungen und mit den neugruppierten Items weitere Untersuchungen einzuleiten. Dies<br />
würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, signifikante Ergebnisse zu erhalten.<br />
Es ist äusserst interessant, die Werte der Chatter mit denjenigen der Nicht-Chatter zu vergleichen.<br />
Tendenziell bewerten die chattenden Versuchspersonen die Beobachteten entsprechend unseren<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 25
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
Hypothesen. Chatter vergeben in der neutralen Bedingung die geringsten Sympathiewerte, bei<br />
positivem Gebrauch die höchsten und bei negativem Gebrauch tiefere Werte als bei positivem<br />
Gebrauch. Weiter bekunden die Chatter bei negativem Gebrauch von Emoticons grössere<br />
Sympathie als bei Nichtgebrauch, was der Aussage unserer dritten Hypothese entspricht. Diese<br />
Ergebnisse werden aber durch die Tatsache, dass die pos/neg Bedingung am schlechtesten<br />
abschneidet, wieder etwas relativiert. Dies würde dafür sprechen, eine Untersuchung nur mit<br />
Chattern vorzunehmen, da sie anscheinend ein anderes Verständnis der cvK haben.<br />
Bei der Wahl des Themas für das Chatgespräch haben wir das Thema Rauchen gewählt, da wir es<br />
im Vergleich zu anderen Themen wie z.B. stärker politisch oder ethisch motivierte Themen<br />
(Todesstrafe, Abtreibung) als wenig polarisierend erachteten. Wir dachten, dass die Tatsache,<br />
dass jemand Raucher ist oder nicht, wenig zur grundsätzlichen Sympathiebeurteilung beitragen<br />
würde. Wie die Resultate zeigen, wird aber der Chatter G, welcher Raucher ist, von den<br />
rauchenden Versuchspersonen sympathischer bewertet als von den Nichtrauchern. Jedoch muss<br />
man anmerken, dass Chatter M (Nichtraucher) von den nichtrauchenden Versuchspersonen nicht<br />
als sympathischer bewertet wird. Die Nichtraucher schätzen beide Chatter, unabhängig davon, ob<br />
sie rauchen oder nicht, gleich sympathisch ein. Diesen Ergebnissen entsprechend haben also nur<br />
Raucher einen Unterschied gemacht zwischen Ihresgleichen und Nichtrauchern.<br />
Grundsätzlich scheint bei der Eindrucksbildung nicht der Gebrauch von Emoticons im<br />
Vordergrund zu stehen. Chatter reagieren zwar durch<strong>aus</strong> positiv auf denselben, wir können aber<br />
bei unserer Datenqualität nicht dar<strong>aus</strong> folgern, dass die Verwendung von Emoticons<br />
<strong>aus</strong>schlaggebend für die Sympathiebildung ist. In Anbetracht der Tatsache, dass Kommunikation<br />
ein vielfältiges, komplexes Gebilde ist, dessen Eigenschaften und Konsequenzen (wie die<br />
Bildung von Sympathie bzw. Antipathie) sich nicht nur <strong>aus</strong> einem Blickwinkel betrachten lassen,<br />
mutet es, salopp gesagt, "erleichternd" an, dass man sich bei Leuten nicht einfach mit Smilies<br />
"beliebt machen" kann. Gemäss unserem 1. Faktor ist vor allem das Bekunden von Interesse<br />
wichtig, um eine Beziehung herzustellen, die es ermöglicht, jemanden sympathisch zu finden.<br />
Dies deckt sich mit unseren Alltagserfahrungen, dass das Gesprächsverhalten einer Person viel zu<br />
einer ersten Urteilsbildung beiträgt. Wir alle schätzen es, wenn man auf uns eingeht, sich bemüht,<br />
eine Interaktion aufrechtzuerhalten, sei es in einer realen oder in einer virtuellen Situation.<br />
Insofern hat uns die Untersuchung trotz etlicher Mängel einen wichtigen Aspekt bestätigt: Das<br />
Gesprächsverhalten spielt auch in cvK eine wichtige Rolle! Wir meinen, dass sozioemotionale<br />
Inhalte zwar sehr wohl mittels Emoticons transportiert werden können, aber bei weitem nicht<br />
dadurch transportiert werden müssen. Eine in sozialer Hinsicht kompetente Sprachverwendung<br />
mag genau so viele Gefühle erkennen lassen. Oder wie der Kolumnist Paul Andrews bemerkt hat:<br />
"Good writing needs smileys like the Mona Lisa needed lipstick and eye shadow."<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 26
Computer-vermittelte Kommunikation Seminararbeit Eindrucksbildung im Chat<br />
8. Literaturverzeichnis<br />
Andrews, P. (1994). User Friendly. Put on a happy face, but not in my email!. [Online].<br />
http://www.mit.edu:8001/people/cordelia/smileys_edit.html. (15.01.2002).<br />
Batinic, B. (2000). Inter<strong>net</strong> für Psychologen (2. Aufl.).Hogrefe. Verlag für Psychologie.<br />
Batinic, B., & Bosnjak, M. (1997). Determinanten der Teilnahmebereitschaft<br />
an Inter<strong>net</strong>-basierten Fragbogeuntersuchungen. [Online].<br />
http://infosoc.uni-koeln.de/girlws/abstracts/sa_05.html. (28.11.2001).<br />
Beisswenger, M. (2001). Chat-Kommunikation. Sprache, Interaktion, Sozialität &<br />
Identität in synchroner computervermittelter Kommunikation. Stuttgart: ibi<strong>dem</strong>-Verlag.<br />
Bortz, J. (1993). Statistik. Für Sozialwissenschaftler (4. Aufl.). Berlin: Springer.<br />
Döring, N (1999). Sozialpsychologie des Inter<strong>net</strong>. Band 2. Hogrefe. Verlag für Psychologie.<br />
Döring, N (2001). Kapiteltitel: Sozialpsychologische Chat-Forschung: Methoden, Theorien,<br />
Befunde. In M. Beisswenger (Hrsg.) Chat-Kommunikation. Sprache, Interaktion,<br />
Sozialität &Identität in synchroner computervermittelter Kommunikation. S. 141-186.<br />
Stuttgart: ibi<strong>dem</strong>-Verlag.<br />
Stroebe, W., Hewstone, M. & Stephenson, G. M. (Hrsg.).(1997). Sozialpsychologie (3. Aufl.).<br />
Berlin: Springer.<br />
Utz, S. (2001). Verbalisierung sozioemotionaler Inhalte und der Aufbau von<br />
Freundschaften in virtuellen Gemeinschaften. [Online].<br />
http://server3.uni-psych.gwdg.de/gor/contrib/utz-sonja. (9.12.2001).<br />
Turkle, S. (1998). Leben im Netz. Identität in Zeiten des Inter<strong>net</strong>. Hamburg:Rohwolt,<br />
Vogt, K. (1997). Verzerrung im Computer-Interview. [Online].<br />
http://infosoc.uni-koeln.de/girlws/abstracts/sa_03.html. (28.11.2001).<br />
Walther, J. B. (1992). Interpersonal Effects in Computer-Mediated Interaction: A Relational<br />
Perspective. Communication Research, 19, 52-90.<br />
Madeleine Grivel, Jan Biller & Elias Wieland 27