Untitled - Topoi
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Silvia Nolte<br />
Steinbruch - Werkstatt - Skulptur<br />
Untersuchungen zu Aufbau und Organisation<br />
Griechischer Bildhauerwerkstätten<br />
(Beihefte zum Göttinger Forum für Altertumswissenschaft ; 18)<br />
Göttingen<br />
Edition Ruprecht, 2007
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
I. Einleitung<br />
XI<br />
XII<br />
1<br />
I. 1 Die Fertigung von Steinskulpturen<br />
Kurzer Überblick über die Forschungsgeschichte<br />
1. 2 Erläuterung des Forschungsgegenstandes<br />
Merhode und Ziele<br />
2<br />
4<br />
II.<br />
Katalog der unvollendeten Plastik<br />
9<br />
Vorbemerkungen<br />
9<br />
H. 1 Archaische Zeit<br />
Kouroi Nr. 1-16<br />
Bekleidete Stamen im Kourosrypus N r. 17-18<br />
Koren Nr. 19-24<br />
Siezfiguren Nr. 25-27<br />
Tiere und Mischwesen Nr. 28-31<br />
Reliefs Nr. 32-35<br />
Sonstiges Nr. 36-37<br />
Bildhauerlehrstücke (?) N r. 38-39<br />
Bauplastik<br />
Heraion am Sele, älterer Tempel: MetopenreliefNr. 40<br />
H. 2 Klassische Zeit<br />
Stamen Nr. 41-48<br />
Statuetten Nr. 49-54<br />
Fundstücke aus dem Atelier des Mikion und Menon Nr. 55-56<br />
Reliefs<br />
Weihreliefs Nr. 57-61<br />
Grabreliefs (einschl, Lekythen) N r, 62-64<br />
Bauplastik<br />
Olympia, Zeusrcrnpel: Giebelfiguren und Metopen Nr. 65<br />
Athen, Parrhenon: Relief aus dem Nordfries Nr. 66-67<br />
Xanthos, Nereidenmonument: Relief aus dem Fries Nr. 68<br />
10<br />
10<br />
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26<br />
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42<br />
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59<br />
65<br />
68<br />
68<br />
70<br />
72
VIII<br />
II. 3<br />
II. 3. 1<br />
11. 3. 2<br />
11. 3. 3<br />
IH.<br />
Hellenistische Zeit<br />
Plastik von Rheneia Nr. 69-72<br />
Plastik von Delos<br />
Läden an der Südseite der Agora der Italiker N r. 73-77<br />
Haus des Kerdon Nr. 78-83<br />
Haus des Diadumenos Nr. 84-86<br />
Insula des Komödiantenhauses und nördlich angrenzende Konstruktionen N r, 87-88<br />
Haus des Hermes Nr. 89-90<br />
Haus in der Fourni - Region Nr. 91<br />
Die sog. Gebäudegruppe 0 Nr. 92<br />
Haus B, Insula IV, Theaterviertel Nr. 93<br />
Funde aus den Häusern südlich der Agora der Delier und<br />
Funde nahe der Stoa Philipps V. N r. 94-101<br />
Areal südlich des Gymnasiums Nr. 102<br />
Nördliche Region des Heiligtums Nr.l 03<br />
Delos, Herkunft unbekannt Nr. 104-110<br />
Diverse Fundorte<br />
Statuen Nr. 111- 113<br />
Statuetten N r. 114-119<br />
Reliefs Nr. 120<br />
Grabreliefs N r. 121-122<br />
Sonstiges N r. 123<br />
Bauplastik<br />
Tarent, Grabmonument: Relief E Nr. 124<br />
Pergamonaltar: Tclephosfries Nr. 125<br />
Technische und handwerkliche<br />
Aspekte des Fertigungsprozesses<br />
73<br />
73<br />
79<br />
79<br />
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120<br />
121<br />
121<br />
122<br />
137<br />
IV. 1. 2 Die Arbeit in den Steinbrüchen<br />
IV. 1. 2. 1 Wahl des Arbeitsplatzes, Suche nach dem geeigneten Marmorblock<br />
und Herrichten des Werkplatzes<br />
IV. 1. 2. 2 Extraktion des Blockes<br />
IV. 1. 2. 3 Der Steinbruch als Fertigungsplatz von Skulpturen<br />
Iv: 2<br />
IV. 2. 1<br />
IV. 2. 2<br />
IV. 2. 3<br />
IV. 2. 4<br />
Der Transport und die Aufstellung der Skulpturen<br />
Transportmittel<br />
Das Verladen der Skulpturen<br />
Der Transport aus den Steinbrüchen<br />
Das Aufrichten der Skulpturen in der Werkstatt und am Aufstellungsort<br />
Iv: 3 Werkstattbauten und das Atelier des Bildhauers<br />
IV. 3. 1 Zur Identifizierung eines Werksrattbaues<br />
IV. 3. 2 Werkstätten archaischer Zeit<br />
IV. 3. 3 \X!erkstattbauten klassischer Zeit<br />
IV. 3. 3. I Die Werkstatt am Aufstellungsort<br />
IV. 3. 3. 2 Marmorbearbeitungsstätten des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. in Athen<br />
Hauskomplex C und D<br />
HausG<br />
Werkraum H<br />
Gebäude K<br />
Die Marmorbearbeirungsstätte in dem sog. Porosgebäude<br />
Das Atelier des Mikion und Menon<br />
IV. 3. 4 Werkstätten hellenistischer Zeit<br />
IV. 3. 4. I Die Marmorbearbeitungsstätten auf Delos<br />
Die Läden 103 und 106 an der Südseite<br />
der Agora der Italiker<br />
Das Haus des Kerdon<br />
Das Haus des Diadumenos<br />
Laden BG nördlich der Insula des Komödiantenhauses<br />
IX<br />
206<br />
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277<br />
281<br />
284<br />
288<br />
m. I<br />
m.2<br />
III.3<br />
Die Vorgehensweise des Bildhauers im Fertigungsprozeß<br />
Die Anwendung der Werkzeuge<br />
Modelle und deren Übertragung in Stein<br />
Die Arbeitsplätze<br />
IV. I Der Rohstoffiieferant und Arbeitsplatz Steinbruch<br />
IV. 1. 1 Die Bruchgebiete<br />
IV. 1. 1. 1 Steinbrüche auf Naxos<br />
Apollonas<br />
Melanes<br />
IV. 1. 1. 2 Steinbrüche des Pcnteli<br />
IV. 1. 1. 3 Steinbrüche aufThasos<br />
138<br />
153<br />
167<br />
185<br />
185<br />
189<br />
189<br />
191<br />
196<br />
200<br />
203<br />
VI.<br />
Schlußbetrachtungen<br />
Ausblick<br />
Verzeichnis der Tafeln mit Abbildungsnachweisen<br />
Tafelteil<br />
291<br />
302<br />
305<br />
321
Vorwort<br />
Vorliegende Arbeit ist meine Dissertation, die im Sommer 1996 dem Fachbereich Altertumswissenschaften<br />
der Freien Universität Berlin vorgelegt wurde. Die bis zu diesem Zeitpunkt erschienene Literatur fand<br />
Berücksichtigung.<br />
Bereits 1996 als Microfiche Edition veröffentlicht, wurde die eingeschränkte Rezipierbarkeit meiner Dissertation<br />
"Steinbruch - Werkstatt - Skulptur. Untersuchungen zu Aufbau und Organisation griechischer<br />
Bildhauerwerkstätten" von verschiedenen Seiten beklagt. Meine Arbeit dem interessierten Leserkreis in<br />
dieser Form vorstellen zu können, verdanke ich dem Engagement von Dr, D. Graepler.<br />
Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr, W. - D. Heilmeyer, der die Arbeit mit großem<br />
Interesse und steter Diskussionsbereitschaft begleitete, sowie Prof. Dr. W Hoepfner, der das Zweitgutachten<br />
übernahm.<br />
Die Gerda Henkel Stiftung in Düsseldorf ermöglichte mit einem Promotionsstipendium die Durchführung<br />
des Forschungsvorhabens.<br />
Allen Forschern, die mir in äußerst liberaler Weise das Studium der Skulpturen vor Ort gestatteten, wertvolle<br />
Hinweise lieferten und es mir ermöglichten, die Dissertation in dieser Form dem Fachbereich vorzulegen,<br />
möchte ich meine Dankbarkeit aussprechen: Dr. J. Camp, American School ofClassical Studies,<br />
Athen Agora Excavations; Prof. Dr. B. Holrzrnann, T. Kozelj, Dr. Ph. Jockey, Ecole Francaise d' Athenes;<br />
P. G. Kalligas, A' Ephorie Akropoleos; A. Trianti, Athen, Akropolismuseum; A. Demakopoulou, Athen,<br />
Nationalmuseum; G. Steinhauer, B' Ephorie Attika; Ph. Zapheiropoulou, KA' Ephorie Kykladen; Ch.<br />
Koukouli Chrysanthaki, Ephorie Kavala; Dr. H. R. Goette, Deutsches Archäologisches Institut Athen.<br />
Mit ihrer Diskussions- und Hilfsbereitschaft leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zu dieser Arbeit.<br />
Nicht zuletzt danke ich herzlich meinen Berliner Kommilitonen und Freunden, Dr. A. Herda, Dr, A.<br />
Kose, Dr. C. Liedrkc, Dr, S. Moraw, Dr, A. Sakowski, Dr. C. Witschel, Sirko van de Loecht, die mich mit<br />
aufbauenden Gesprächen sowie unermüdlichem Korrekturlesen unterstützten.<br />
Die Widmung schließlich möge für sich stehen.<br />
Berlin, im Januar 2005
Abkürzungsverzeichnis<br />
Neben den in der archäologischen Literatur üblichen Abkürzungen (vg!. AA 1992, 743ff) werden in<br />
dieser Arbeit die folgenden verwendet:<br />
Adam 1966<br />
S. Adam, The Technique of Greek Sculpture in the Arehaie and Classical Periods, BSA Suppl. 3 (1966)<br />
Archeologia delle Attivitä estrarrive e metallurgiche<br />
R. Franeovieh (I-1rsg.), Archeologia delle Attivitä estrarrive e metallurgiche. Consiglio nazionale delle<br />
Ricerche universira degli Scudi di Siena. 9.- 21. sertembre 1991 (1993)<br />
Asmosia 1Il<br />
Y. Maniates - N. Herz - Y. Basiakos, The Study of Marble and Other Stones Used in Antiquity. Asmosia<br />
111 Arhens: Transactions of rhe 3rd International Symposium of the Association for the Study of Marble<br />
and Orher Stones Used in Amiquity (1995)<br />
Bessac 1986<br />
J.c. Bessac, L outillage traditionnel du tailleur de pierre de I' anriquire anos jours. RANarb<br />
Suppl. 14 (1986) Nachdruck 1993<br />
Bessac 1988<br />
J. C. Bcssac, Problems ofldentification and Interpretation ofTool Marks on Anciem Marble<br />
arid Decorative Stones, in: Classical Marble 41ff.<br />
Bessac 1993<br />
J. C. Bcssac,Traces d' outils sur la pierre, in: Atcheologia delle Artivitä estrattive e<br />
metallurgiche 143ff.<br />
Blümel1927<br />
C. Blümcl, Griechische Bildhauerarbeit, 11 Ergh. Jdl (1927)<br />
Blümel1943<br />
C. Blümel, Griechische Bildhauer an der Arbeit' (1943)<br />
Casson 1933<br />
St, Casson, The Technique ofEarly Greek Sculpture (1933)<br />
Classical Marble<br />
N. Herz - M. Waelkens (I-1rsg.), Classical Marble: Geochemistry, Technology, Trade. Proceedings of rhe<br />
Nato Advanced Research Workshop on Marble in Anciem Greece and Rorne: Geology, Quarries, Commerce,<br />
Anifacts JlCiocco, Lucca Italy May 9-13, 1988 (1988)<br />
Deonna 1909<br />
W Deonna, LesApolIons archaiques (1909)<br />
Dworakowska 1975<br />
A. Dworakowska, Quarries in Ancient Greece (1975)
L<br />
XIV<br />
Floren 1987<br />
W. Fuchs -J.Floren, Die griechische Plasrik 1.Die geometrische und archaische Zeit. HdArch (1987)<br />
Karakatsan is 1986<br />
P.Karakatsanis, Studien zu archaischen Kolossalwerken (1986)<br />
Kokkorou-Alewras 1992<br />
G. Kokkorou-Alewras, Ta aPXaiaAUIOflEia ~LUP/lapOU Tll~ NaSO\), AEphem 131, 1992, 101fT.<br />
Kokkorou-A1ewras 1996<br />
G. Kokkorou-A1ewras, Die archaische naxische Bildhauerei, AntPI 24 (1996)<br />
Korres 1994<br />
M. Korres, Ano rnv nEVTtloll crov napOEVwvu' (1994)<br />
Kozelj 1987<br />
T. Kozelj, Les carrieres de rnarbre dans I' antiquitc. Techniques Cl organisation, in: Marbrcs<br />
Helleniques 20ff.<br />
Kozelj 1988 .' . . . '. C<br />
T. Kozelj, Les carrieres des epoques grecque, roruarne et byzannne. Technlques ct organISation, in: ]. .<br />
Fant (Hrsg.), Ancient Marble Quarrying and Tradc, BAR Intern. Ser. 453 (1988) 3ff.<br />
Kozelj 1988b<br />
T. Kozelj, Extraction ofBlocks in Anriquity, in: Classical Marble 31fr.<br />
Martin 1965<br />
R. Martin, Manuel d' architecture grecque I. Mareriaux er techniques (1965)<br />
Orlandos 1968<br />
A. Orlandos, Les matcriaux de construcrion et Ja rechnique architeerurale des ancicns grecs 11. (1968)<br />
Papageorgakes<br />
1.E. Papageorgakes, Armales gcologiques des pays hclleniques 18,1967, 193ff.<br />
Palagia 1987<br />
O. Palagia, Les techniques de la sculpture grecque sur marbre, in: Marbres Helleniques 76ft.<br />
pfanner 1988<br />
D. Boschung - M. Pfanner, Antike Bildhauertechnik, MüJb 39, 1988, 7ff.<br />
pfanner 1989<br />
M. Pf.~nner, Über das Herstellen von Porträts, JdI 104, 1989, 157ff.<br />
Richrer, Kouroi<br />
G. M. A. Richter, Kouroi" (1970)<br />
Ridgway 1969<br />
B. S. Ridgway in: C. Roebuck (Hrsg.), The Muses at Work (1%9) 96ff.<br />
Rockwell 1993<br />
P. Rockwell, Tools in Ancient Marble Sculpture in' Archeologia delle Atrivir. t tri 11' h<br />
177ff. ' . a es ra nve e meta urglc e<br />
xv<br />
Kozelj 1993 .<br />
T. Kozelj _M. Wurch-Kozelj, Les Transports dans I' Antiquire. in: Archeologia delle Anivirä cstram"e c<br />
metallurgiche 97ff.<br />
Kreeb 1988<br />
M. Kreeb, Untersuchungen zur figürlichen Ausstattung delischer Privathäuser (1988)<br />
Lauter 1974<br />
H. Lauter, Zur gesellschaftlichen Stellung des bildenden Künstlers in der Griechischen Klassik (1974)<br />
Marble<br />
Marble. Art Historical and Scientific Pcrspectives on Ancient Sculpturc. Papers Dclivered ar a Symposium<br />
Organized by the Departments of Antiquirles and Antiquities Conservation and Held at thc ]. Paul Cctry<br />
Museum, April 28 - 30,1988 (1990)<br />
Marbres Helleniques<br />
Marbres Helleniques. De la carriere au chef- d' oeuvre. Ausstcllungskatalog Brüsscl (1987).<br />
Coor. scientifique D. Vanhove<br />
Mareade 1969<br />
]. Marcade, Au Musce de Delos. Etude sur la sculpturc Hellenistiquc en ronde bossc decouverte dans I'<br />
ile (1969)<br />
La Sculpture<br />
Ministere de la Culture er de JaCommunication (Hrsg.), La Sculpture, rnerhcde et vocabulaire. (1978)<br />
Stones<br />
M. Waelkens - N. Herz - 1. Moens (Hrsg.), Ancient Stones. Quarrying, Trade arid Provenance. Acta<br />
Archaeologica Lovaniensa 4 (1992)<br />
Thiersch 1938/39<br />
H. Thiersch, Ergasreria und Werkstätten griechischer Tempelbildhauer, Nachrichten Akad. Wiss. Göttingen,<br />
N. F.3,1938/39, Iff.<br />
Waelkens 1988<br />
M. Waelkens- P. de Paepe - 1. Moens, Quarries and the Marble Trade in Antiquity, in: Classical Marble I1ff.<br />
Waclkens 1988b<br />
~. Waelkens -:- de Paepc -~. Moens, Patterns ofExtraction and Production in the White Marble Quarnes<br />
ofthc Mediterrancan: Hisrory, Present Problems and Prospects in'] C F<br />
J •• • ant (H rsg., ) A ncterrt . M arble<br />
Quarrying and Trade, BAR Intern. Ser. 453 (1988) 8Iff.<br />
Young 1951<br />
R. S. Young, An Industrial District of Ancicnr Athens, Hesperia 20, 1951, 135ff.
[<br />
I. Einleitung<br />
Bei der Erforschung der antiken Kunstproduktion läßt sich vor allem in den beiden letzten Jahrzehnten<br />
ein Wandel des Erkenntnisinteresses beobachten.' Nicht allein vollendete Werke, sondern vielmehr die<br />
Rohsroffquellen, historisch-sozioökonomische Aspekte des Kunstschaffens, die gesellschaftliche und wirtschaftliche<br />
Situation der Handwerker selbst sowie deren Arbeitsraum stehen nun zur Diskussion.' Da der<br />
Zeugniswert literarischer und epigraphischer Quellen sowie der Darstellungen in Malerei und Relief' für<br />
derartige Werkstattforschungen begrenzt ist, trat zunehmend der archäologische Befund in den Vordergrund.<br />
Ein bis heute stetig anwachsendes Interesse unter den Gelehrten ist vor allem auf dem Gebiet der Steinbruchforschung<br />
zu konstatieren, wie es die nahezu unübersehbare Publikationsflut zu diesem Thema<br />
dokumentiert.' Aber nicht nur die Rohstoffquellen, sondern auch die verschiedenen Etappen der Herstellungsprozesse<br />
wurden unter technischen und logistischen Gesichtspunkten studiert. Auf wichtigen<br />
Gebieten der antiken Kunstproduktion wie der Herstellung von Sarkophagen, Bronzestatuen und Architekturteilen<br />
sind in den letzten Jahren wegweisende Arbeiten erschienen. So trugen die Forschungen<br />
von J. B. Ward-Perkins über das Herstellungsverfahren römischer Sarkophage wesentlich dazu bei, die<br />
Steinbruchtätigkeit in den Fertigungsprozeß von Plastik miteinzubeziehen." N. Asgari und M. Waelkens<br />
führten diese Arbeit mit interessanten Ergebnissen vor allem für die auf Prokonnesos zu beobachtenden<br />
Herstellungsverfahren von Sarkophagen und Kapitellen forr. 6 G. Zimmer, dem wir die Erforschung<br />
Griechischer Bronzegußwerkstätten" verdanken, legte aufbauend aufder Rekonstruktion der Arbeitsvor-<br />
~änge allgemeinere Überlegungen zu den Werkstätten in Hinblick auf deren Größe und Wirtschaftlichkeit<br />
sowie Struktur und Organisation vor," M. Korres wiederum beschrieb den Werdegang eines Kapitells<br />
! W. - D. Heilmeyer, AA 1981, 440fI; ders., JbPreussKul 23, 1986, 95fI; G. Zimmer, Griechische Bronzegußwerkstätten<br />
(1990) If.<br />
, s. Anm. 37. Ebenda Lireraturzitare zu den Untersuchungen über die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation der Handwerker<br />
von H. Lauter, H. Philipp, N. Himmelmann und L. Neesen,<br />
3 Diese Gattungenwarengrößtenteilsbereitsam Ende des letzten]ahrhundens zusammengetragen worden. An ersterStelle ist<br />
hier zu nennen: H. Blürnner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern I' (1912), 11<br />
(1879), III (1884), IV (1887).<br />
-1 s. beispielsweisedie vorallemseit den 80er Jahren erschienenen diversen Sammelbändezu Steinbruch, Steinverarbeitung und<br />
Steinanalysen wie ..Classical Marble", .Marbres Helleniques", "Stones'\..Archeologia delle Attivita estrattive e metallurgiche"•<br />
.,Asmosia lII" im Abkürzungsverzeichnis. Für einen Überblicküberdie allein bis 1988 erschienenezahlreiche Literatur zu<br />
Sreinbruchfragcn, deren Umfanggleichzeitig alsIndikator für das stetigwachsendeInteresse derArchäologen zu verstehen ist.<br />
s. beispielsweise Waelkens 1988b, 81ff.; s. auchdie diversen Forschungsbeiträge in obengenanntenSammelbänden, denensich<br />
jeweils umfangreiche Bibliographien anschließen.<br />
J. B. Ward-Perkins erforschte bereits in den 50er und 60er Jahren unseres Jahrhunderts die Produktion von Girlandensarkophagen:<br />
J. B. Ward-Perkins, ProcBritAcad 37,1951, 277ff.; ders.,JRS41, 1951, 89ff., ders.,JRS 46,1956, IOff.; ders.,Annual<br />
Reporr of rhe Board of Regents of Smirhsonian Institution, Publication 4314 (1957), 455ff.; ders., Archaeology I\, 1958,<br />
98ff.; ders. in: Arti del [ Congresso internationale di arcbeologia dell' !talia settrentionale 1961 (1963) 119ff.; s, H. Dodge<br />
(Hrsg.), Marble in Anriquiry. Collecred Papers of J. B. Ward-Perkins (1992).<br />
6 N. Asgari, AA 1977, 329fT.;dies. in: Classical Marble 115ff.; dies. in: Srones 73ff.; M. Waelkens, AJA 89,1985. G4lfI; ders.<br />
in: Classical Marble 139ff.; T Kozelj und M. Wurch-Kozelj studierten die Sarkophagproduktion in den rhasischen Brüchen<br />
und gelangren ebenfalls zu bedeutsamen Erkenntnissen. s. T. Kozelj- M. Wurch-Kozelj, Roman Quarries of Apse Sarcophagi<br />
in Thasos of the Second and Third Centuries, in: Asmosia III 39ff.<br />
7 G. Zimmer, Griechische Bronzegußwerkstätren (1990).
2<br />
zwischen Steinbruch und Versatz am Tempel - "Vom Penteli zum Parthenon" - unter Berücksichtigung<br />
der zahlreichen Werkschritte und des jeweils erforderlichen Arbeitsaufwandes." .<br />
Die vorliegende Arbeit möchte diese in jüngster Zeit gewonnenen eindrucksvollen Erkenntnisse und die<br />
dabei angewandten Methoden auf einen weiteren Bereich der antiken Kunstproduktion ausdehnen und<br />
anhand der Fertigungsprozesse von Steinplastik den Aufbau und die Organisation griechischer .Bildhaucrwerkstatren<br />
beleuchten. Denn grundlegende Aspekte entziehen sich gerade in diesem Bereich n.och<br />
unserer Kenntnis. Gleichwohl scheinen die Aussagemöglichkeiten des bekannten Materials in kel~er<br />
Weise erschöpft zu sein, während eine breite Materialbasis von Werkstattbefunden neue Erkenntnisse<br />
verspricht.<br />
1. 1 Die Fertigung von Steinskulpturen<br />
Kurzer Überblick über die Forschungsgeschichte<br />
Der Produktion von griechischen Steinskulpturen widmet sich die archäologische Forschung seit langer<br />
Zeit, doch wurde das bisherige Interesse von fertigungstechnischen Aspekten dominiert. ..<br />
e. BlümeI, St. Casson und S. Adam, deren Arbeiten entscheidend zur Klärung der technischen Vorgange<br />
beitrugen, gingen in ihren Untersuchungen der Frage nach, welche Werkzeuge der Bildhauer benurzte<br />
und wie er sie einsetzte. .<br />
e. Blümel machte in seinem 1927 erschienenen Werk über die "Griechische Bildhauerarbeit" eln ẹ<br />
d k I . hi h d rö<br />
Materialsammlung von insgesamr 47 unvollen eten S u pturen aus gnec<br />
her Zelt<br />
ISC er Ull romls~<br />
zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung.' Seine Ausführungen konzentrierten sich auf technische und<br />
handwerkliche Aspekte von der archaischen Epoche bis in die römische Kaiserzeit hinein. Anhand von<br />
Lohnabrechnungen klassischer Zeit warf er einen Blick auf die Arbeitsdauer griechischer Bildhauerpro-<br />
. .. . S . doch<br />
dukrion. Auch äußerte er sich zur Erstellung von Modellvorlagen und deren Übertragung m tem,.<br />
vermögen diese<br />
.<br />
Uber<br />
.. I<br />
egungen nie<br />
. h<br />
t zu uüberzeugen. S'<br />
eine häaufi g zitierte .. Abh<br />
an<br />
dl<br />
ung üb Griechische<br />
U er"<br />
Bildhauer an der Arbeit" aus dem Jahre 1943 stellt lediglich eine Wiederholung der Thesen des ersten<br />
Buches dar," . h<br />
In den 30er Jahren unseres Jahrhunderts studierte dann Sr. Casson die Hersrellungstechnik griechlsc er<br />
Plastik. Besonders hervorzuheben isr die 1933 erschienene Monographie "The Technique ofEarly Greek<br />
Sculprure".!' Mittelpunkt dieser Forschungsarbeit bildere die Anwendung der Werkzeuge: .<br />
Das 1966 publizierte Buch von S. Adam "The Technique ofGreek Sculpture in the Arehaie and Class,~<br />
Periods" ersetzte durch subtile Detailbeobachtungen im großen und ganzen alle vorhergehenden Werke.<br />
Adam stützte sich in ihrer Untersuchung hauptsächlich auf bereits ausgearbeitete und vollendete Werke<br />
der archaischen und klassischen Zeit, um anhand der noch sichtbaren Werkzeugs puren die em~elnen<br />
Arbeitsvorgänge zu rekonstruieren. Ihre an den Thesen von Blümel und Casson geübte Kritik ist Jcdoch<br />
keineswegs in allen Punkten zwingend. Die naxischen, noch heure nahe der Steinbrüche liegcnden Kou-<br />
uüber dire Ab' r ert .<br />
roi nahm sie zum Anlaß, einige Mutmaßungen In<br />
den B" ruchen anzuste11e n" , welche<br />
8 M. Korres, Vom Penreli zumParthenon. Ausstellungskatalog München (1992); Korres 1994.<br />
9 Blümel 1927.<br />
(0 Blümel 1943.<br />
11 Casson 1933; s.zu dieser Arbeit G. M. A. Richter, AJA 38,1933, 637f.: Sr.Cessen. JHS 50, 1930,326:ders., AJA 38,193 4,<br />
280ff.;ders.,AJA41, 1937,I07f.<br />
12 Adam1966; s. hierzu H. G. Niemeyer, Gymnasium 77, 1970,135ff.; E. B. Harrison, AttB554, 1972,536f.<br />
13Adam 1966,421f.<br />
nach heurigen Erkenntnissen allerdings überholt sind. Bezeichnend für das damalige Forschungsinteresse<br />
ist die Gliederung ihrer Monographie nach den verschiedenen Werkzeugen, deren Handhabung sie im<br />
ersten Teil der Arbeit darlegt,<br />
Die neueren Arbeiten von O. Palagia und D. Boschung / M. pfanner führen unter dem oben genannten<br />
Erkenntnisinteresse nicht wesentlich über diesen Forschungsstand hinaus. O. Palagia schrieb 1987 in<br />
dem Band .Marbres Helleniques" einen Artikel über die Technik griechischer Skulpturen." Klingt in<br />
diesem schon die Frage nach den Fertigungsplärzen an, so sind ihre Ausführungen insgesamt doch noch<br />
ganz der Frage nach den Werkzcugen verpflichtet. 1988 legten D. Boschung und M. pfanner in ihrem<br />
Artikel über .Anrike Bildhauertechnik'' vier Untersuchungen vor, in welchen sie sich auf in der Münchner<br />
Glypthothek aufbewahrte, zumeist unfertige Plastiken unterschiedlicher Zeiren und Gattungen<br />
beziehen." Neben der Darstellung kaiserzeitlicher Produktionsverfahren behandeln sie in Bezug aufden<br />
hier zu untersuchenden Zeitraum lediglich die archaische Zeit unter besonderer Berücksichtigung eines<br />
Korenkopfes (hier Kat. Nr. 23). Die Autoren hinterfragen die technische Vorgehensweise des Bildhauers<br />
im Steinbruch und in der Werkstatt. Die gewandelte Fragestellung in der Forschung ist diesem Artikel<br />
deutlich abzulesen, doch sind die aus ihren Beobachtungen abgeleiteten Konsequenzen für die Arbeit der<br />
Bildhauer in den Brüchen aufgrund neuer Forschungsergebnisse zu relativieren.<br />
M. pfanner lieferte mit seinem Artikel "Über das Hersrellen von Porträts" einen wichtigen .Beirrag zu Rationalisierungsmaßnahmen<br />
und Produktionsmechanismen von Massenware im späten Hellenismus und<br />
in der römischen Kaiserzeir"." Er geht unter anderem auf arbeitsteilige Verfahren bei der Statuen- und<br />
Porträrherstellung ein und beschreibt die Vorgehensweise des antiken Kopisten, welche in der Forschung<br />
zuvor nur geringe Aufmerksamkeit erfuhr." Seine Schlußfolgerungen hinsichtlich der Entwicklung der<br />
Kopiermerhoden werden allerdings zu diskutieren sein.<br />
Zusammenfassend Auskunft über die Herstellungsprozesse sowohl von Plastik als auch von Architektur<br />
in der Antike und Neuzeit gibt P. Rockwells "Reference Guide" über die Kunst der Sreinbearbeicung.!"<br />
Die technischen Aspekre der Fertigung sind durch diese Arbeiten weitgehend geklärt. 19 Es ist jcdoch an<br />
der Zeit, aufgrund des beträchtlich angewachsenen Fundmaterials unvollendeter Skulpturen und der<br />
unterschiedlichen Forschungsschwerpunkte der oben genannten Autoren eine Synthese der archaischen,<br />
klassischen und hellenistischen Fertigungstechniken zu erstellen und deren Entwicklung aufzuzeigen.<br />
11Palagia 1987.<br />
IS pfanner 1988; sie behandeln den archaischen Kopf(hierKat.Nt. 23), den Oresr- und Jagdsarkophag (Inv. Nr. 363 und E<br />
538),dasvon einem Grabmonument stammende Gladiatorenrelief (lnv, Nr. 364) aus dem I. Jh. v. ehr. sowie severische<br />
Pontätbüsten {lnv, Nr. 382 und 383).<br />
16 pfanner 1989.<br />
17s. vorallem G.M.A.Richter, Ancient Italy(1955) 105ff.; dies., RM 69,1962, 52ff.: dies., The Portraits of theGreeks I (1965)<br />
241f. ~uch Blümel (s,BI~mel 1927? hatte si~h mirdem Kopieren vonSkulpturen befaßt, dochsindseine Ausführungen hierüberuberholt.<br />
Vgl.M. Bieber, Ancienr Copies (1977).<br />
I8 P. Rockwell, The Art of Stoneworking. A Reference Guide(1993).<br />
19s. auchR. Carpcnrer, Greek Sculpture (1960) 5ff.(s,hierzu M. Bieber, ASA 66, 1962,237ff.): G. M. A. Richter, TheSculprurearid<br />
the Sculptors of the Greeks'(1970) bes. 135ff.; B. S. Ridgway, Archaeology 19,1966, 311f.: C. Blümel, RA1968,<br />
IIIf.: ders., FuB10, 1968,95ff.; Ridgway 1969,69ff.: Bessac 1986: Bessac 1988,41ff.: Bessac 1993,143ff.; Rockwelll993,<br />
177ff.<br />
3
N@<br />
--------.----<br />
4<br />
Unbeantwortet blieben in der bisherigen Forschung weithin die Fragen nach den Werkplätzen der Bildhauer,<br />
den für die Skulprurenproduktion genutzten Rohstoffquellen, dem jeweiligen Arbeitsanteil im<br />
Steinbruch, beim Transport, im Atelier und am Aufstellungsort, den Produktionsbedingungen, dem<br />
tatsächlichen Arbeitsaufwand und hieraufaufbauend die Frage nach dem Aufbau und der Organisation<br />
der Werkstätten.<br />
I. 2. Erläuterung des Forschungsgegenstandes<br />
Methode undZiele<br />
Der Blick auf die Forschungsgeschichte hat gezeigt, daß die Umstände der Produktion von Skulpturen<br />
und somit die Organisation griechischer Bildhauerwerkstätten noch weitgehend unbekannt sind. Zu<br />
deren Erforschung werden die oben skizzierten, bislang unbeantworteten Fragen aufgegriffen und eingehend<br />
behandelt. Der zu untersuchende Zeitraum umfaßt die archaische'", klassische und hellenistische<br />
Epoche; bisweilen ermöglicht auch ein Ausblick auf römische Werkverfahren eine Vervollständigung des<br />
Bildes.<br />
Aufschlüsse über die in diesem Forschungsvorhaben enthaltenen Problemstellungen lassen sich durch die<br />
folgenden methodischen Ansätze gewinnen: Auszuwerten sind zunächst die literarischen und epigraphisehen<br />
Zeugnisse sowie Darstellungen in Malerei und Relief, die nicht allzu zahlreich auf uns gekommen<br />
sind. Die schriftlichen Zeugnisse sowie Werkstattbilder in Malerei und Relief stellte bereits im vorigen<br />
Jahrhundert H. Blümner zusammen." Weiterführende Studien über die Handwerksdarstellungen in der<br />
griechischen und römischen Kunst betrieben G. Zimmer und J. Ziomecki.P Anzuführen ist ferner die<br />
Untersuchung von V. Goodlett, die die Zusammenarbeit von Künstlerpersönlichkeiten anhand der literarischen<br />
und epigraphischen Evidenz beleuchtere.P<br />
Wie an entsprechender Stelle zu erläutern sein wird, erweisen sich diese Quellengattungen in ihrem Aussagewert<br />
allerdings als ebenso begrenzt wie die gleichfalls unter obiger Fragestellung zu behandelnden<br />
Bauinschriften. So lassen sich allein aufdem Wege, die materiellen Hinterlassenschaften der Skulpturenproduktion<br />
in den Vordergrund der Untersuchung zu rücken, neue Erkenntnisse erzielen.<br />
20 Die archaische Zeit wurde bereits - allerdings im Rahmen eines Literaturberichtes - in meiner Magisterarbdt "Archaische<br />
Arbeitsplärze inStein" besprochen. Im Rahmen einerfürdieDissertation betriebenen Forschungsreise in Griechenland (März<br />
- Mai 1995) vermochren dann Untersuchungen der Skulpturen vor Ort neue Derallbeobachtungen über die technischen<br />
Aspekte bei derHerstellung einzelner Skulpturen zu liefern. Desweiteren ermöglichten mir Geländebegehungen zahlreicher<br />
Steinbrüche nichtnurein besseres Verständnis derTopographie. sondernverrnirrelren mirauchein detaillierteres Wissen üb~r<br />
Abbautechniken undTransportwege.Diese Beobachtungen werfen auchaufden Fertigungsprozeß archaischer Skulpturen ein<br />
neuesLicht.<br />
21 H. Blümner, Technologie undTerminologie derGewerbe und Künste beiGriechen und Römern III (1884).<br />
22 G. Zimmer,RömischeBerufsdarstellungen (1982) 74fF.i J. Ziomecki, Les representations d' artisans sur les vases acdques<br />
(1975).<br />
23 V. Goodlett, Cellaboration in CreekSculpture. The Literary and Epigraphicai Evidence (1989); Goodlett schließt sichder<br />
langen Tradition prosopographischer Untersuchungen zueinzelnen Künstlerpersönlichkeiten an.s, Overbeck, Schriftquellen;<br />
E.Loewy (Hrsg.), Inschriften griechischer Bildhauer (1885); J.Marcade, Recueildes signatures de sculpteurs grecs I (1953),<br />
II (1957); D. Viviers, Recherehes sur lesateliers de sculpteurs et laCite d' Athenes al' epoque archaique, Endoios, Philergos<br />
AristokIes (1992); s, hierzu S. Nolte,KLIO 78, 1996, 240ff.<br />
Vor diesem Hintergrund galt es, sämtliche archäologischen Befunde zusammenzutragen, die Aufschlüsse<br />
über den Produktionscharakter zu geben vermögen. Ausgangspunkt der Untersuchung bildet eine Materialsammlung<br />
von Werkstattbefunden, welche aus unvollendeten Skulpturen, Werkzeugen, Arbeitsspuren<br />
in den Steinbrüchen, Spuren der Transportvorgänge sowie Werkstattbauten und dem Abraum der Werkplätze<br />
besteht.<br />
Die unfertigen Skulpturen selbst, deren Aussagewert in der bisherigen Forschung unterschätzt wurde, sind<br />
eingehend in Hinblick aufihre Fertigungstechnik und den Orr ihrer Herstellung (Steinbruch, Transporr,<br />
Atelier, Aufsrellungsort) zu untersuchen, um die einzelnen erforderlichen Arbeitsgänge zu differenzieren<br />
und den jeweiligen Arbeitsaufwand zu rekonstruieren. Die Frage nach einer potentiellen Arbeitsteilung<br />
während des eigentlichen Fertigungsprozesses ist dabei von großer Bedeutung. Hieraufaufbauend lassen<br />
sich Größe und Organisation der Werkstätten an den verschiedenen Arbeitsplätzen einschätzen.<br />
Die unvollendeten Plastiken, von denen insgesamt 143 Exemplare von Statuen, Statuetten, Reliefs, Möbelteilen<br />
und Bauplastik in unterschiedlichen Erhaltungszuständen ausgewählt wurden, sind in einem<br />
Katalog erfaßt, der keinen Anspruch aufVollständigkeit erhebt." Bei dem Material handelt es sieh vor<br />
allem um Marmor, doch wurden auch einige Stücke aus anderen Materialien wie Poros, Kalk- oder Sandstein<br />
aufgenommen. Die für die unterschiedlichen Gesteine jeweils erforderliche Fertigungstechnik wird<br />
angemerkt, aber nicht eigens behandelt. Grundsätzlich aber konnte es nicht Ziel der Materialsammlung<br />
sein, eine jede Skulptur, die Spuren des Unfertigen oder Vernachlässigten aufweist, aufzunehmen. Denn<br />
beinahe jede Plastik läßt bei eingehender Betrachtung noch Arbeitsspuren erkennen. Dies muß aber<br />
keineswegs bedeuten, daß die Skulptur unvollendet blieb. Hier ist eine von Th. E. Kalpaxis aufgestellte<br />
Definition zu zitieren, die auch mir als Richtlinie bei der Erstellung des Kataloges gedient ha!'s: a) das<br />
Unfertige muß ohne größeren Aufwand des Betrachters optisch wahrnehmbar sein und b) das Unfertige<br />
muß beim Betrachter die Empfindung erwecken, ein materieller Entstehungsprozeß sei frühzeitig abgebrochen<br />
worden.<br />
Um die einzelnen Kapitel nicht mit zu vielen DeraiIinformationen zu belasten, wird die Rekonstruktion<br />
des Fertigungsprozesses einer jeden Skulptur anband der detaillierten Beschreibung der Werkzeugspuren<br />
sowie gegebenenfalls die kritische Auseinandersetzung mit den von früheren Autoren zu den einzelnen<br />
Stücken geäußerten technischen Gesichtspunkten im Katalog vorgenommen. Die Ausführungen zu den<br />
technischen und handwerklichen Aspekten des Fertigungsprozesses stellen die Synthese der aus Einzeibeobachtungen<br />
gewonnenen Ergebnisse dar, welche der in den verschiedenen Epochen angewandten<br />
Fertigungstechnik sowie der Darstellung der potentiellen Arbeitsteilungen Rechnung trägt. Überlegungen<br />
ZU den Modellvorl~en s~llen nicht nur unser bis dahin gewonnenes Bild über den Fertigungsprozeß<br />
ergänzen, sondern erweisen SIchauch unter demAspekr der Arbeitsreilung als sehr informativ hinsichtlich<br />
des Betriebes in der Werkstatt und verdienen somit eine ausführlichere Betrachtung.<br />
Die Untersuchung derjenigen Steinbrüche, die der griechischen Skulpturenproduktion als Rohstoffquellen<br />
dienten, muß sich auf die Frage nach der gemeinsamen Ausbeutung für Architekrurteile und<br />
Skulpturen, der Dauer von Einzelarbeiten sowie nach temporär und permanent ausgebeuteten Bruchgebieten<br />
konzenrrieren. Dadurch gelangt man zu fundierten Aussagen über die Organisation und die<br />
Infrastruktur der Brüche und somit über die Organisation des Herstellungsprozesses der Skulpturen im<br />
Bruch. Aufdem rechr jungen Feld der Steinbruchforschung erzielten die Gelehrten zwar durch intensive<br />
24 Zahlreiche unvollendete Plastiken sind unpubliziert in die Magazine der Museen gelangt. In den Depots des Museumsauf<br />
Thasos oderdes Nationalmuseums in Athenbeispielsweise sah ichetlicheSkulpturen, die noch nicht Gegenstand einerUntersuchung<br />
waren.<br />
25Th. E. Kalpaxis, Hemiteles (1986) 8.<br />
5
--_........<br />
6<br />
und systematisch vorangetriebene Untersuchungen auf archäologischem und naturwissenschaftlichem<br />
Wege bereits bedeutende Erken ntnisse über den Betrieb innerhalb der Brüche und die dort angewandten<br />
Abbautechniken. dennoch harren zahlreiche Fragen gerade im Bereich der griechischen Brüche noch<br />
einer Klärung." Unerforscht blieben beispielsweise die Ausbeutungsgeschichte einzelner Steinbrüche, die<br />
Verwendung der verschiedenen Marmore im lokalen und auswärtigen Markt sowie allgemein der Marmorhandel<br />
in vorrömischer Zeit. Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Untersuchung ist auf die Marmorbrüche<br />
zu richten, denn unser derzeitiges Wissen über Kalksreinbrüche erweist sich für eine Studie<br />
unrer oben genannren Aspekten als unzureichend."<br />
Trotzdem besteht bei dem gegenwärtigen Forschungssrand die Möglichkeit, einen kleinen Einblick in<br />
die ehemals als Rohstoffquellen genutzten Brüche zu vermitteln. Der 1993 erschienene Aufsatz von G.<br />
Kokkorou-Alewras über die naxischen Steinbrüche, welche für diese Arbeit wegen noch heute in situ<br />
befindlicher Skulpturen besonders bedeutsam sind, bietet zwar eine Fülle neuer Anhalrungspunkre zur<br />
Ausbeutungsgeschichte der Brüche, läßt jedoch zahlreiche für mich interessante Fragen außer acht." Eine<br />
umfangreiche Monographie über die penrelischen Brüche lieferte M. Korres.i? Diese kann als Grundlage<br />
der entsprechenden Ausführungen dienen.<br />
Die Überlegungen zu dem Transport und der Aufstellung der Skulpturen sollen aufdie seit frühester Zeit<br />
erforderlichen technischen Leistungen bei der Beförderung großformatiger Skulpturen hinweisen und<br />
den zugrundeliegenden Arbeitsaufwand aufdecken. Hierbei vermag die Rekonstruktion von Hebe- und<br />
Aufrichtmaschinen, basierend aufder Forschung von J. P. Adam, die Vorgänge beim Transport der Skulp-<br />
26 A. Dworakowska widmete sich in den 60er und 70er Jahren in etlichen Publikationen den Steinbrüchen und Fragen zur<br />
Abbautechnik. Ihre Arbeitenstellen wertvolleLiteraturberichte dar, die allerdings nur wenig überdie heutige Situation der<br />
Steinbrüche aussagen können, Dies betrifft die im folgenden zu zitierenden Artikel: A. Dworakowska,Archeologia Warszawa<br />
13, 1962,8ff.;dies" Archeologia Wamawa 17, 1966, 234ff; dies.,Archeologia Warszawa 19, 1968.851T.; dies.,Archeologia<br />
Warszawa 20, 1969,lff.; dies.,Archeologia Warszawa 22, 1971,77fF.; dies.,Archeologia Warszawa 23, 1972,7ff.;dies"ArcheologiaWarszawa<br />
26,1975, 70ff; dies.. ArcheologiaWarszawa28, 1977, IJ-T.; weitaus besser informiert sindwirgenerell überdie<br />
Ausbeutung der römischenBrüchealsüberdie Ausbeutung dergriechischen. Vgl. Anm. 4 zurErforschung derSteinbrüche.<br />
27 Da sich die neueren Forschungenzunächsthauptsächlich auf die Marmorbrüche: konzentrierten, sind unsere: Kennmisseüber<br />
Kalksteinbrüche sehrgering. Eine Ausnahmestellen die Selinunter Kalksteinbrüche dar, s. A. Peschlow-Bindokat,Die Steinbrüchevon<br />
Selinunr. Die Cavcdi Cusa und die Cavedi Barone(1990). DasSteinbruchgebier der Cavedi Cusa,dasdasMaterial<br />
fürden ältestenTempel Selinunrs,denTempelC lieferte, 'War bereitsim 2. Vierteldes 6. ]hs. v.ehr. in Betrieb. Allerdings<br />
finden nunauch dieseBrüchezunehmend das Interesse derForscher, s. beispielsweise den Beitrag von E. Chiotis undG. Papadimitriou<br />
in:A.smosialII7ff.; s, zu Kalksteinbrüchen Dworakowska 1975 s, v, Limesrone: dies., Quarries in RomanProvinces<br />
(1985)s. v. Limestone. s. fernerzu Kalkstein- und Porosbrüchen in Plräus: H. W Catling,ARepLon 25, 1979.6; ebenda 10<br />
auchzu Steinbrüchen in Korinth: G.Touchais. BCH 103, 1979,541; H. W Carling, ARepLon 26,1980, 13;ebenda43 auch<br />
zu römischenMarmorbrüchen in Makedonien bei Agion Rheumamit Lic.:G, Touchais. BCH 109, 1985,767 Abb. 15; H.<br />
W.Catllng.ARepLon 30, 1984, 11; ebenda 28 auch zu Kalksteinbrüchen in Sparta;H. W. Cading,ARepLon 31, 1985. 10;<br />
ebenda 16 zu einemPorösbruch bei Politikaauf Euböa,der wohl das Material für diverse Projekte in Chalkislieferte; H. W.<br />
Carling. ARepLon32, 1986, 14; ebenda40 'Zu Kalksteinbrüchen bei Tanagra; ebenda 19 zu einem Steinbruchbei Livadhi auf<br />
Aegina, in dem wohldas Materialfür die FundamentedesApollontempels auf dem Kolonnehügel gewonnen wurde.Vgl.W.<br />
Wurster, M 1969, 16ff.;ders., Der Apollonrempel, Alr-Ägina I, 1 (1974) 18f.Abb.2; H. W.Catling,ARepLon 34,1988,9;<br />
H. W. Catling,ARepLon 35, 1989, 16; E. B. French,ARepLon 36, 1990,7; ebenda11 zu einemSteinbruchbeiAg.Photios<br />
auf Aegina; s. zu einem Porossreinbruch bei Chelonirsa auf EuböaH. W. Carling, ARepLon24, 1977, 16; zu ausgedehnten<br />
Abbaustellen von Kalkstein in Srraros s. den Jahresbericht M 1992, 670; zu ausgedehnten Kalksteinbrüchen bei Klenics (Pelcponnes)s.<br />
E. B. Prench,ARepLon 37,1991,17 Abb.7.<br />
" Kokkorou-Alewras 1992. Der Artikelerschien 1993.<br />
29 Korres 1994.<br />
turen idealtypisch zu veranschaulichen.'? Die Einbeziehung der inschriftlich überlieferten Transporttechniken<br />
von Architekrurgliedern ist dabei ebenfalls sehr hilfreich.<br />
Bildhauerateliers und Marmorbearbeitungsstätten, die archäologisch und epigraphisch faßbar sind, werden<br />
vor allem auf die Art ihrer Nurzung und die Nutzungskontinuität hin zu untersuchen sein. Besondere<br />
Aufmerksamkeit verdienen ferner der Abraum der Werkplätze sowie generell die Bauplastik, deren<br />
Ort der Herstellung zwar keinen festen Regeln unterlag, welche aber dennoch sehr aufschlußreich für<br />
diesbezügliche Untersuchungen ist, Neben vereinzelten Bemerkungen in der Forschung ist hier vor allem<br />
die Arbeit von H. Thiersch aus dem Jahre 1938/39 zu nennen, der sich mit den .Ergasteria griechischer<br />
Tempelbildhauer" befaßre", aufgrund neuer Forschungsergebnisse sind seine Ausführungen heute jedoch<br />
größtenteils überholt. Detailliert beschrieben A. Mallwitz und W Schiering die Werkstatt des Pheidias<br />
in Olympia." G. Zimmer beschäftigte sich ausführlich mit Bronzegußwerkstätten sowie in sehr knapper<br />
Form mit den Werkstattbauren des 5. Jhs. v. ehr. auf der Akropolis von Athen." R. Young behandelte<br />
diverse Marmorwerkstätten im Gewerbeviertel südwestlich der Agora in Athen in kurzen Zusammenfassungen,<br />
da sein Hauptaugenmerk auf das gesamre Areal inklusive Straßen, Bädern, griechischen und<br />
römischen Häusern gerichtet war."<br />
Was den Arbeits- und Zeitaufwand betrifft, so erweisen sich Berechnungen mit Vergleichsdaren, beispielsweise<br />
zum Zeitaufwand des Transportierens von Steinrnaterialicn, zur Extraktion der Blöcke, aber auch<br />
allein die Berechnung der bei der Herstellung einet Skulptur anfallenden Steinmassen, als sehr fruchtbar.<br />
Derartige Berechnungen sollen für die Fertigungsetappen Steinbruch, Transport und Aufstellung durchgeführt<br />
werden, Von den zahlreichen Arbeiten aufdem Gebiete der experimentellen Archäologie seien an<br />
dieser Stelle diejenigen von J. Müller, T. Kozelj, J. P. Mohain, T. Heyerdahl und M, Korres genannr. 35<br />
Ein Vergleich mit Arbeitsabläufen bzw, Werkstattstrukturen aus besser belegten Epochen, beispielsweise<br />
aus dem Spätmittelalter, der Renaissance und der Neuzeit, sowie mit anderen Produktionszweigen, wie<br />
dem Herstellen von Bronzewerken oder von Architekrurgliedern, welche von G. Zimmer und M. Korres<br />
aufgearbeitet worden sind, kann die Fertigungsumstände einer Steinskulptur zusätzlich erhellen. 36 Abschließend<br />
soll dann ein kurzer Blick sowohl aufdie wirtschaftliche Situation der Handwerker selbst, die<br />
uns durch die Studien von H. Lauter, H. Philipp, N. Himmelmann und L. Neesen nun besser bekannt<br />
ist", als auch auf den wirtschafts- und kulturhistorischen Kontext geworfen werden.<br />
30 J. P.Adam,Syria54, 1977, 36ff.<br />
31 Thiersch 1938/39.<br />
32 A. Mallwitz - W Schiering, DieWerksrartdesPheidiasin Olympial. OF V (1964);W. Schiering, DieWerkstart desPheidias<br />
Il. DieWerkstartfunde. OF XVIII (1991).<br />
33 G. Zimmer,GriechischeBronzegußwerkstärten (1990); ders., Werkstartbauten des fünften Jahrhunderrs, in: W Hoepfner<br />
G. Zimmer (Hrsg.),Die griechische Polis.Archltekrurund Politik(1993) 94ff; ders., Griechische Handwerker- Technischer<br />
Fortsehrirrund demokratische Kunsr,in: A. H. Borbein(Hrsg.),Das antike Griechenland(1995) 406.<br />
" Young 1951.<br />
35 Korres 1994;J. Müller, Die Arbeitsleistung für das Großsteingrab Kleinenkneren 1, Experimentelle Archäologie in Deutschland<br />
4. Beih. (1990) 210ff; Kozel] 1988b, 36ff.; J. P. Mohain, DossAParis 46, 1980, 58fF.; T. Heyerdahl, Alm-Alm. Das<br />
Geheimnisder Osterinseln (1957) 149ff<br />
36 s. beispielsweise A. von Ulmann, Bildhauertechnik des Sparmittelalters und der Frührenaissance (1984); G. Binding u. a.,<br />
Baubertiebim Mirtelalter(1993).<br />
37 H. Philipp,'Iekronon Daidala (1%8) 70ff.; dies. in: Polyklet. Der Bildhauerder griechischen Klassik. Ausstellungskatalog<br />
Frankfurt(1990) 79fF.; Lauter1974; N. Himmelmann,JdI 94, 1979, 127ff; L. Ncesen,Demiurgoiund Arrifices. Studienzur<br />
Stellungfreier Handwerker in antiken Städten (1989); s. auch A. Burford, Künstler und Handwerker in Griechenlandund<br />
Rom (1985).<br />
7
11. Katalog der unvollendeten Plastik<br />
Vorbemerkungen<br />
Der Katalog stellt eine repräsentative Auswahl unvollendeter Plastiken dar, Er umfaßt insgesamt 143<br />
Statuen, Statuetten, Reliefs, Möbelteile in unterschiedlichsten Erhaltungszuständen und Bauplastik, die<br />
zunächst in archaische, klassische und hellenistische Zeit geordnet sind. Sofern die exakte Einordnung<br />
einiger Stücke in die hellenistische oder römische Zeit mangels eindeutiger Datierungskriterien nicht<br />
möglich war, fanden diese als "hellenistisch - römische" Exemplare Aufnahme in den Katalog. Generell<br />
wurden die Datierungen, soweit sie in der archäologischen Forschung unumstritten sind, von den vorhergehenden<br />
Bearbeitern übernommen, jedoch bei extremen Abweichungen kurz diskutiert. Innerhalb der<br />
chronologischen Ordnung sind die Stücke nach Gattungen zusammengestellt. Lag eine Konzentration<br />
unvollendeter Exemplare an einem Fundort vor, so erfolgte deren Einordnung in die chronologische<br />
Gliederung nach dem Fundort, wobei für die Außistung dieser Stücke dann wiederum deren Gattung<br />
maßgebend war. Dies gilt vor allem für die Befunde aus der hellenistischen Zeit, die unter den Fundkomplexen<br />
von Delos und Rheneia sowie der Rubrik "Diverse Fundorte" aufgeführt sind. Der Katalog enthält<br />
bei der Erfassung der Einzelskulptur neben den üblichen Angaben zu Erhaltungszustand, Fundort (FO),<br />
Material (Mat.), Maße, Datierung (Dat.) und Literatur (Lit.) zwei weitere Rubriken, namentlich die "Beschreibung<br />
des Arbeitsstadiums" und "Werkzeugspuren". In den Anmerkungen des Kataloges enthaltene<br />
Literaturangaben sind dem jeweiligen Literaturverzeichnis zu den einzelnen Skulpturen entnommen.<br />
Mit einem Sternchen * versehene Stücke habe ich vor Ort untersuchen können. Die Ausführungen zur<br />
Bauplastik, respektive zu den Olympiaskulpturen Kat. N r. 65 und den Friesplatten des Telephosfrieses<br />
Kat. Nr. 125, umfassen darüber hinaus allgemeinere Diskussionen, die wegen der Geschlossenheit der<br />
Argumentation im Katalog behandelt werden.<br />
--_......
•<br />
10<br />
11. 1 Archaische Zeit<br />
Kouroi<br />
1. Kouros* (Taf. 1 a, b. c)<br />
Athen, Nat. Mus. Inv, Nr.14<br />
Erhaltungszustand:<br />
Unterhalb der Knie abgebrochen; sonst vollständig erhalten bis auf ein Stückehen von der Rückseite der<br />
oberen Partie des Kopfes.<br />
FO:<br />
Naxos, Steinbruch bei Apollonas, unterhalb der unvollendeten Dionysosstarue (hier Kat. N r. 18) im Jahre<br />
1835 gefunden. 1836 von Ross nach Athen ins Museum gebracht."<br />
Mat.:<br />
grobkörniger naxischer Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 1,02 m<br />
Dat.:<br />
um 540 v, Chr. nach Kokkorou-Alewras''?<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die Bearbeitung des Kauros ist sehr weit fortgeschritten; Vorder- und Rückseite sowie die Flanken befinden<br />
sich in dem gleichen Stadium der Fertigung. Allein mit Spitzmeißeln unterschiedlicher Größe<br />
meißelte der Bildhauer die Skulptur zunächst in ihrer äußeren Kontur aus dem Stein heraus und formte<br />
hernach die Glieder des Körpers, welche er aber in Bosse stehenließ. Die Arme löste er noch nicht von<br />
dem Körper, doch gab er Oberarm, Armbeuge, Unterarm und Händen bereits Gestalt. Die Beine, welche<br />
er zuvor sanft rundete, trennte er in einem nächsten Schritt bis etwa oberhalb der Knie voneinander; die<br />
Knie selbst arbeitete er plastisch heraus. Das lange Haar, noch als ungegliederte Masse aufdie geschwungenen<br />
Schultern fallend, setzte der Bildhauer lediglich von dem Gesichr ab und legte die Gesichtszüge bis<br />
auf den Mund schon in den Einzelheiten - Augen, Brauenbogen und Nase - an. In diesem Stadium der<br />
Fertigung liegt die Ausmeißelung für das I. Auge allerdings noch tiefer als die für das r. Das Geschlechtsteil<br />
beließ er zunächst als Bosse, um es zu einem späteren Zeitpunkt detailliert auszuformen. Hingegen wölbt<br />
sich die Brustpartie deutlich hervor. Auch zeichnete er Brustmuskularur, Leistenlinie und Becken ein. Die<br />
Ausführung der Rückseite trieb er ebenso weit voran wie die der Vorderseite. So leitet der Rücken bereits<br />
schwungvoll in die gerundeten Glutäen über.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die ganze Oberfläche weist Spitzmeißelspuren auf, die sowohl als kleine runde Vertiefungen als auch als<br />
Furchen zu erkennen sind. Letztere fallen besonders an Vorder- und Rückseite der Arme, an den Oberschenkeln,<br />
unterhalb des Kinns, um das Gesicht herum, am Übergang des Gesichtes zu Hals und Wan-<br />
gen, an und unrer den Händen auf. Hier setzte der Steinrnetz das Werkzeug schräg zur Oberfläche des<br />
Steins an. Wenig zutreffend ist also die Aussage Blümels"; daß nur sehr selten Meißelfurchen auftreten,<br />
die durch ein schräges Ansetzen des Spitzmeißels entstehen, denn im Gegenteil überwiegen hier eindeutig<br />
die Wetkzeugspuren, die durch in einem spitzen Winkel angesetzte Meißel hervorgerufen wurden, wobei<br />
die unterschiedliche Breite der Furchen mindestens zwei verschieden große Meißel voraussetzt. Die<br />
zahlreichen kleinen runden Eintiefungen in der Brust- und Bauchpartie sprechen hingegen dafür, daß der<br />
Steinmetz hier das Werkzeug in einem rechten Winkel auf den Marmor schlug. Palagia hat somit sicher<br />
unrecht mit ihrer Behauptung, daß an keiner Partie des Kouros das Werkzeug aufdiese Weise Anwendung<br />
fand."<br />
Lit.:<br />
p. Kawwadias, n.U1tw. rou EeVtKOU Mouociou (1890 - 1892) N r. 14 mit ält. Lit.; L. Ross, Inselreisen I<br />
(1912) 34; Dconna 1909,219 Nr. 116 mit ält, Lit.; Blümell927, 49 Kat. Nr. 2 Taf. 5. 6; Blümell943,<br />
19ff. Abb. 12. 13; Adam 1966,5; H. J. Etienne, The ChiseI in Greek Sculpture (1968) 17; Ridgway<br />
1969,98 Abb. 2. 3; Richter, Kouroi 87; Dworakowska 1975, 36 Anm. 131; Kokkorou-Alewras 1975, 33<br />
Kat Nr. 28;]. G. Pedley, The Island Workshops (1976) 30 Nr. IOTaf. 10 a, d; I. B. Rornano, Early Creek<br />
Cult Images (1982) 302 Anm. 15; Palagia 1987, 83 Abb.l; Kokkorou-Alewras 1996, Kat. Nr. 37.<br />
2. Kouros (Taf. 2 a)<br />
Athen, Nat. Mus. ohne Inv, Nr.<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die ganze Sratue mit Plinthe; das Gesicht, die r. Schulter mit dem Arm und das Geschlechtsteil sind<br />
weggesplittert.<br />
FO:<br />
Am Nordabhang des Pentelikon bei Dionysos in der Nähe eines antiken Steinbruches"<br />
Mat.:<br />
pentelischer Marmor (s. FO)<br />
Maße:<br />
erh. H 2,10 m; H des Kopfes 0,33 m; I. Hand von der Plinthe 0,62 m entfernt (nach Nicole)<br />
Dat.:<br />
6. Jh. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
In den Anfangsstadien der Fertigung gab der Steinmetz die Ausführung des Kouros auf. Lediglich den<br />
Körperumriß und die Konturen des I. Armes, der Beine und des Kopfes arbeitete er mit Spitzhammer<br />
und Spitzmeißeln aus dem Marmor heraus. Die Arme scheinen mit dem Körper verwachsen zu sein; das<br />
I. Bein ist vorgestellt, aber noch ganz mit dem r, verbunden. Die Plinthe ist nur grob bossiert. Nach Blümel<br />
hatte der Bildhauer gerade begonnen, sich der Bearbeitung der Flanken zuzuwenden. Somit ist das<br />
Fertigungsstadium noch vor Kouros Nr. 8 zu stellen, da bei jenem alle Seiten gleichermaßen ausgeführt<br />
wurden.<br />
11<br />
38 Ross 34 Anm. 11.<br />
39 Dagegen Etienne ohne Begründung: unzweifelhaft aus dem 7. oder Anfang des 6. Jhs. v. ehr. Diese Datierung ist nicht haltbar,<br />
denn Kokkorou-Alewras vergleicht den Komas zu Recht mit dem Kouros in Berlin. Amikensammlung Inv. Nr. ] 555 und<br />
dem Kouros in Naxos, Mus. Inv. Nr, 5520: s. Kokkorou-A1ewras 1975, Kat. Nr. 25.26.27 mir Lir. s. auch Kokkorou-Alewras<br />
1996.<br />
40 glürnel 1943.22.<br />
41 Palagia 83.<br />
42 Vgl. die Angaben zum FO bei der Statuette Kat. Nr. 8. Nach Nicole 402 wurde der Kaures etwa,5 min Fußweg" von dem<br />
5reinbruch entfernt entdeckt, in dem er gemeißelt wurde.
•<br />
I<br />
~I<br />
12<br />
Werkzeugspuren:<br />
Nach Blümel (1927) fanden sehr grobe Werkzeuge, Spitzhammer und Spitzmeißel, Verwendung. Spuren<br />
eines leichteren Spitzmeißels sah er an der inneren Partie des I. Beines, an der vorderen des r. Beines, an<br />
der I. Seite des Kopfes und am Oberkörper,<br />
Lit.:<br />
P.Wolters, AM 23,1898,495; G. Nicole in: Melange Nicole (1905) 401fT.Taf 1; H. N. Fowler, AJA 10,<br />
1906,346; G. Nicole, RA 11, 1908, 1, 41f. Abb. 1; Deonna 1909, 141 Nr. 17; Blümel 1927, 50f. Kat<br />
Nr. 5 Abb. 15; Blümell943, 17f. Abb. 10; Adam 1966,7; Floren 1987,251 Anm. I.<br />
3. Kopf eines Kouros" (Taf. 3 a)<br />
Athen, Agora Mus. Inv, N r, S 30<br />
Erhaltungszustand:<br />
1m Hals gebrochen. Der vordere Teil des Gesichtes ist weggesplittert. Die Oberfläche ist sehr verwittert.<br />
FO:<br />
Athen, Agora, 1931 laut Harrison "in a late level on the wesr side of the Agora (I-J/9-10)"<br />
Mat.:<br />
pariseher Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,14 m; H von Kopfoberseite bis zum Kinn 0,12 m; erh. B 0,095 m; T 0,11 m<br />
Dat.:<br />
letztes Viertel des 6. ]hs. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die Fertigung des Kopfes, dessen Gesicht, Hals und Haar der Steinmetz deutlich mit Spitzmeißel und<br />
Flachmeißel aus dem Stein herausarbeitete, verblieb in einem wenig fortgeschrittenen Stadium. Das Haar<br />
umgibt den Kopfals ungegliederte Masse. Das Gesicht grenzte der Bildhauer scharfsowohl von dem Hals<br />
als auch vom Haar durch Einkerbungen ab. Inwieweit der Steinmetz bereits die Ausführung der Gesichtszüge<br />
in Angriffgenommen hatte, ist wegen des Erhalrungszustandes des Kopfes nicht zu beurteilen. Das<br />
rechte Ohr zumindest deutete er lediglich durch eine gepickte Oberfläche an. Hingegen scheint er die<br />
Wangen und eine kleine Partie unter dem Kinn bereits mit Schleifmittel geglättet zu haben.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die Spuren eines Spitzmeißels sind deurlich aufdem Hinterkopf und an der r. Seite des Haares zu erkennen.<br />
Der Übergang vom Hals zum Kinn und vom Gesicht zum Haar zeigt die Einschnitte eines Flachmeißels.<br />
Schleifmittel wurden an den Wangen und unter dem Kinn eingesetzt.<br />
Ut.:<br />
E. B. Harrison, Archaie and Archaistic Sculpture, Agora XI (1965) Kat. Nr. 70 Taf 4.<br />
4. Kopf einer Kourosstatuette* (Taf. 3 b. c]<br />
Athen, Agora Mus. Inv, Nr, S 1185<br />
Erhaltungszustand:<br />
1m Hals gebrochen. Das Gesicht ist bestoßen, die Oberfläche verrieben.<br />
FO:<br />
Athen, 1939 im Gewerbeviertel südwestlich der Agora, im westlichen Zweig der sog. Straße der Marmorarbeiter<br />
in einer frühklassischen, allerdings in römischer Zeit gestörten Auffüllung gefunden.<br />
Mat.:<br />
pariseher Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,057 m; B 0,04 m; T 0,046 m<br />
Dar.i<br />
spätarchaisch<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Der Kopfläßt Gesicht, Hals und Haar differenziert erkennen, doch arbeitete der Steinmetz diese Partien<br />
noch nicht detailliert aus dem Stein heraus. Die Gesichtszüge deutete er nur eben an. Das Haar umgibt<br />
als ungegliederte, 1 cm starke Masse den Kopf.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Aufgrund des Erhaltungszustandes sind keine Werkzeugspuren auszumachen.<br />
Lit.:<br />
E. B. Harrison, Arehaie and Archaistic Sculpture, Agora XI (1965) Kat. Nr. 71 Taf. 4.<br />
5. Kouros* (Taf. 4 a. b. c. d)<br />
Delos, Mus. Inv. Nr. A 4083<br />
Erhaltungszustand:<br />
Der Torso vom Ansatz des Halses bis unterhalb der Knie. Die Oberfläche ist verwittert und<br />
stellenweise bestoßen.<br />
FO:<br />
Delos, im Jahre 1904 als wiederverwendetes Baumaterial in der Ternenosterrasse gefunden.<br />
Mar-i<br />
grobkörniger Inselmarmor (nach Dconna vielleicht naxisch)<br />
Maße:<br />
erh. H 1,20 m<br />
Dat.s<br />
um 550 1540 v. Chr. nach Richter<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Der Torso steht kurz vor seiner Vollendung. Während der Steinmetz die Bearbeitung der Hände, des<br />
Haares und Genitals nicht zu Ende führte, widmete er den anatomischen Einzelheiten des Körpers, der<br />
Arme und Beine bereits größere Sorgfalt. Nachdem er die Skulptur mit einem Spitzmeißel, dessen Spuren<br />
an verschiedenen Stellen des Kauros noch sichtbar sind, in ihren Grundformen vorbossiert hatte, löste er<br />
zunächst die Einzelformen aus dem Stein heraus. Die Hände bildete er in ihren Umrissen aus dem Stein<br />
heraus, ließ das Haar als kompakte, undifferenzierte Masse aufden Rücken fallen, grenzte es durch eine<br />
sanfte Eintiefung von dem Rücken ab und gestaltete grob das Geschlechtsteil. Die Ausführung der r.<br />
Hand ist weiter fortgeschritten als die der I. Hand, denn während diese in der Phase der Spitzmeißelarbeit<br />
verblieb und sich hier lediglich der Daumen als Bosse absetzt, dokumentiert die r. Hand schon den nächsten<br />
Schrirt, in welchem der Bildhauer zu einem Flachmeißel griff und die Oberfläche weiterbearbeitete.<br />
Die Beine hingegen sind bereits wohl geformt und zeigen eine ausgeprägte Muskulatur der Oberschenkel<br />
und der Knie, wobei selbst die Kniescheiben ausgebildet sind. Die Arme trennte er erst im Bereich<br />
des Ellbogens, über dem die Hautfalten plastisch hervortreten, vom Körper und stellte diese bis auf die<br />
Hände fertig. Fein modellierte er die Bauch- und Brustmuskulaturen und stellte die Schlüsselbeine sich<br />
hervorwölbend dar. Durch eine breite Eintiefung bildete er den Bauchnabel. Aufder Rückseite gestaltete<br />
er die Schulterblätter als flache Erhebungen und das Rückgrat als lange Furche.<br />
Werkzeug_puren:<br />
Adam, die den Kauros auf Werkzeugspuren untersuchte, beschreibt die Spuren eines Spitzmeißels, den<br />
der Bildhauer sowohl senkrecht als auch schräg zur Oberfläche des Steins ansetzte, an den Flanken und<br />
13
•<br />
14<br />
an den Händen, sowie die Spuren eines Flachmeißels, die als Streifen an der Hüfte und den Beinen zu<br />
erkennen sind. Diese Aussagen lassen sich folgendermaßen ergänzen: Der Umriß der I. Hand ist durch<br />
senkrecht geführte Hiebe mit einem feinen Spirzmeißel bestimmt worden, da hier kleine punktförmige<br />
Vertiefungen dicht nebeneinander liegen. Spuren des Spitzmeißels sind an der Außenseite der I. Hand in<br />
Form von langen Furchen und ebenso an der Innenseite des r. Oberschenkels zu beobachten. Unter den<br />
Glutäen zwischen den Oberschenkeln befinden sich Spuren des Spitzmeißels in Form von übereinander<br />
liegenden kleinen runden Eintiefungen, welche aber keine durchgehende gepunktete Linie bilden. Am<br />
r. Oberschenkel liegen Spuren des Flachmeißels in Form von langen Streifen über denen eines Spirzmeißels;<br />
der Steinmetz trieb an diesen Stellen das \V'erkzeug von r. nach I. über den Stein. An der I. Flanke<br />
unterhalb der Brust und an der Außenseite der r.Hand sind die Spuren des Flachmeißels als lange Streifen<br />
festzustellen.<br />
Lit.s<br />
Deonna 1909, Nr. 8 Abb. 106 - 108 mit älr. Lit., P.Bruneau - J.Ducar, Guide de Delos (J 965) 41; Richter,<br />
Kouroi Nr. 111 Abb. 342. 345; Adam 1%6, 12.30 Taf. 2 a; Kokkorou-Alewras 1975,44.<br />
6. Kopf eines Kouros (Taf. 2 b)<br />
Eretria, Mus. lnv. Ne, 596<br />
Erhaltungszustand:<br />
Kopf und Teil der r. Schulter mit dem Ansatz der Brust; das Gesicht bis auf die Partie des r. Auges und der<br />
Stirn ist ebenso wie das Haar über der I. Gesichtshälfte stark beschädigt.<br />
FO:<br />
Eretria, in der Nähe des heurigen Friedhofes"<br />
Mat.:<br />
lokaler Marmor (Touloupa 1983)<br />
Maße:<br />
erh. H 0,34 m (Touloupa 1983)<br />
Dat.:<br />
vielleicht spätarchaisch (Touloupa 1983)<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die Bearbeitung des Kopfes ist sehr weit fortgeschritten, was gleichermaßen auf dessen Vorder- und<br />
Rückseite zutrifft. Haar und Gesicht sind deutlich voneinander abgesetzt. Während die Einzelformen des<br />
Gesichtes ursprünglich detailliert in ihren Konturen bestimmt waren, wie es die Angabe des r. Auges zeigt,<br />
erscheinen die Ohren noch ohne jedes Detail nur grob skizziert. Das über dem Kopf sehr voluminöse<br />
Haar fällt hinten als undifferenzierte Masse auf die Schulter. Das Haar wurde in einem ersten Arbeitsgang<br />
durch Schläge eines feinen spitzen Meißels vom Gesicht abgegrenzt, was besonders an der r. Seite des<br />
Haaransatzes deutlich wird. In einem zweiten Arbeitsgang benutzte der Bildhauer einen Flachmeißel,<br />
um den Haaransatz noch schärfer zu akzentuieren. Den Hals, der in die gerundeten Schultern überleitet,<br />
formte er mit einem feinen Spitzmeißel.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Auf dem Hals und auf dem beiderseits des Halses hinten auf die Schultern fallenden Haar sind die Spuren<br />
eines feinen, senkrecht zur Oberfläche des Steins angesetzten Spitzmeißels in Form von kleinen runden<br />
Vertiefungen erkennbar; die Spur des Flachmeißels beschreibt als Einschnirt die Kontur des Haares über<br />
der Stirn.<br />
Lit.:<br />
B. Petrakos, ADelt 17, 1961/62, Chron 155 Taf. 166 d; E Touloupa, Ta EVUEWI TOll voou A1toUwv
16<br />
8. Statuette eines Kouros (Tat: 5 b)<br />
London, Brit. Mus. Inv, B 472<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die ganze Statuette; der Marmor ist mit einer braunen Patina bedeckt.<br />
FO:<br />
Am Nordabhang des Pentelikon, aus einem Sreinbruch bei Dionysos"<br />
Mat.:<br />
weißer Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,48 m; B 0,12 m<br />
Dat,e<br />
6. Jh. v. Chr.<br />
Beschreibnng des Arbeitsstadiums:<br />
Die Statuette wurde in der Anfangsphase der Fertigung aufgegeben. Vorder- und Rückseite sowie die<br />
Flanken befinden sich in dem gleichen Arbeirssradium, in welchem der Steinmetz mit einem Spitzmeißel<br />
lediglich die Kontur des Körpers durch die äußeren Umrisse des Kopfes, der Arme und Beine bestimmte.<br />
Die Formen sind blockhaft und undifferenziert. Das 1. Bein ist nach vorn gesetzt, die Glutäen wölben<br />
sich, wie in der Seirenansicht zu sehen, hervor. Die 1. Schulter liegt höher alsdie r,<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spitzmeißelspuren sind vor allem an der Rückseite des 1. und an der Innenfläche des r, Beines zu erkennen.<br />
Lit.:<br />
RA 1907,1,334; G. Nicole, RA 11,1908,1, 40ff. Abb. 1; J. M. Paton - N. Bates, AJA 12,1908,363;<br />
Deonna 1909,142 Nr. 18; E N. Pryce, Catalogue ofSculpture in the Department ofGreek and Roman<br />
Antiquities ofthe British Museum (1928) B 472 Abb. 244; Blümell943, 18f. Abb. 11; Floren 1987, 251<br />
Anm.1.<br />
9. Kouros' (Taf. 6 a. b. c, d)<br />
Naxos, Mus. luv. Nr. 4130<br />
Erhaltungszustand:<br />
Von der Schulterpartie bis zu den Knien. Die Oberlläche ist sehr verwittert und versintert. Zwei Risse<br />
durchziehen aufder Vorderseite die 1. Körperhälfte der Skulptur.<br />
FO:<br />
Naxos, 1961 in der Umgebung von Melanes<br />
Mat.:<br />
sehr grobkörniger naxischer Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,515 m; B 0,25 m; T 0,12 m<br />
Dan<br />
um die Mitte des 6. jhs. v, Chr. 45<br />
Beschreibnng des Arbeitsstadiums:<br />
Der Steinmetz bossierte die Skulptur gleiehmäßigvon allen Seiten mit einem SpitzrneißeI in ihrer Grundform<br />
aus dem Marmor heraus, gab sie aber in dem Anfangsstadium der Arbeit auf. Arme, Beine und<br />
Körper sind in ihren Konturen herausgearbeitet, aber in sich noch vollkommen undifferenziert.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die gesamte Oberfläche ist mit den Spuren eines groben Spitzmeißels in Form von tiefen Kerben bedeckt.<br />
Lit.:<br />
Ph, Zapheiropoulou, ADelt 21, 3, 1966, Chron 386; Kokkorou-Alewras 1992, 114 Anm. 45; Kokkorou-<br />
Alewras 1996, Kat. Nr, 24 Taf. 26.<br />
10. Kouros' (Taf.7 c; 8 a, b. c)<br />
Nou
E&2<br />
18<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren eines Spitzhammers oder eines groben Spitzmeißels bedecken die gesamte Skulptur sowohl in<br />
Form von langen Furchen, die besonders an den Außenseiten der Beine zu erkennen sind, als auch in<br />
Form von großen runden Eintiefurigen. Spuren eines feineren Spitzmeißels beschreiben die Umrisse des<br />
Gesichtes und der Zöpfe.<br />
Lit.:<br />
N. Zapheiropoulos, ADelt 17, 1961/62, Chron 271; Kokkorou-Alewras 1975, Kat Nr. 15; Kokkorou<br />
Alewras 1996, Kat. Nr. 17 Abb. 31 - 34.<br />
11. Überlebensgroßer Kouros* (Taf. 9 a. b. c)<br />
Naxos, Phlerio unterhalb eines antiken Steinbruches (in situ) im<br />
Steinbruchgebiet von Melanes<br />
Erhaltungszustand:<br />
Fast die ganze Statue; der I. oberhalb des Knöchels abgebrochene Fuß fehlt; das r. Bein mit einem Teil<br />
der Plinthe ist in Kniehöhe gebrochen, aber vorhanden; ein langer Riß durchzieht das Gesicht. Die<br />
Oberfläche ist sehr verwittert. Die linke Hand fehlt entgegen der Aussage von Kokkorou-Alewras 1996<br />
keineswegs.<br />
FO:<br />
Naxos, Phlerio unterhalb eines antiken Steinbruches, zum ersten Mal von R. Lepsius 1890 erwähnt.<br />
Mac.:<br />
grobkörniger lokaler Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 5.55 m; B 1,45 m; L des Gesichtes 0,72 m; B des Gesichtes 0,36 m; T 0,70 m<br />
Dar.:<br />
1. H. des 6. [hs. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums.<br />
Die Ausführung des Kouros, den der Steinmetz bis zu diesem Stadium allein mit Spitzmeißeln fertigte,<br />
ist sehr weit fortgeschritten. Der Körper ist in seiner äußeren Kontur aus dem Marmorblock herausgelöst,<br />
ein jeder Teil desselben bestimmt und grob ausgeführt. Die in sich ungegliederten, kantigen Arme sind<br />
zwar schon deutlich vom Körper durch eine Eintiefurig abgegrenzt, abcr entgegen der Beschreibung von<br />
Kokkorou-Alewras eindeutig noch nicht von diesem getrennt.'6 Die Hände werden durch kleine Quader<br />
gebildet, denen jegliche Ausarbeitung fchlt. Fortgeschrittener als die Bildung der Arme erweist sich die<br />
Bildung der Beine, die bereits gerundet und in Oberschenkel, Knie, Schien- und Wadenbein sowie Knöchelpartie<br />
aufgegliedert sind. Der r. Fuß mit dem erhalrenen Teil der Plinthe ist noch ein undifferenzierter<br />
Marmorblock. Die Beine sind bis Zur Mitte der Oberschenkel voneinander getrennt. Der Kopf ist deutlich<br />
in das Gesicht, wobei die Gesichtszüge noch gänzlich vernachlässigt wurden, und in das unbearbeitete,<br />
nach hinten fallende Haar untergliedert. Die Schultern sind gerundet. Die Brust wölbt sich hervor,<br />
ebenso scheint der Nabel durch eine kleine Eintiefung angegeben zu sein. Eine recht flache Bosse bildet<br />
das Geschlechtsteil. Die Rückseite des Kouros, soweit an den Glutien und den Beinen abzulesen, ist in<br />
den Arbeirsprozeß einbezogen worden.<br />
46 Kokkorou-Alewras 1975.<br />
Werkzeugspuren:<br />
BlümeIs kaum diffetenzierte Aussage, die Statue sei gleichmäßig mit dem Spitzmeißel geatbeitet, läßt sich<br />
wie folgt präzisieren: Die ganze Statue ist mit Spitzmeißelspuren bedeckt, wobei der Meißel sowohl im<br />
rechten Winkel als auch schräg zur Oberfläche des Steins angesetzt wurde. In der Eintiefung zwischen<br />
Körper und den Armen und auf dem zwischen den Oberschenkeln noch verbliebenen dünnen Marmorsteg<br />
reihen sich punktförmige, leicht ausgewitterte Vertiefungen - Ergebnis senkrecht geführter Meißelschläge<br />
- dicht aneinander. Bei diesen Spuren handelt es sich aufkeinen Fall um die Spuren eines Bohrers,<br />
wie es Kokkorou-Alewras 1996 annimmt. Lange Furchen des Spitzmeißels befinden sich v. a. auf den<br />
Seiten der Atme, unterhalb der Hände und aufden Außenseiten der Beine.<br />
Lic.:<br />
R. Lepsius, Griechische Marmorstudien (1890) 132; B. Sauer, AM 17, 1892, 44f. Nr. 45; Deonna 1909,<br />
Nr. 120; Blümell927, 50 Kat. Nr. 4 Abb. 14; N. Kontoleon,AEphem 1939/41, 23f.; Blümell943, 10f.<br />
Abb. 5; Kokkorou-Alewras 1975, 93 Kat. Nr. 18; J. Boardman, Griechische Plastik (1981) 25 Abb. 55;<br />
Karakatsanis 1986, 166 Kat. Nr. 5; Kozelj 1988, Taf. 2; Kokkorou-A1ewras 1996, Kat. Nr. 23.<br />
12. Überlebensgroßer Kouros" (Taf. 10 a. b. c)<br />
Naxos, im antiken Steinbruchgebiet von Melanes<br />
Erhaltungszustand:<br />
Vom Kopf bis etwa zur Mitte der Oberschenkel, diese sind stark beschädigt; die vordere Partie des Kopfes<br />
ist abgesplittert, dic Oberfläche des Marmors mit weißen Tupfen bedeckt und stark verwittert.<br />
FO:<br />
Naxos. im antiken Steinbruchgebietvon Melanes, zum ersten Mal von B. Sauer 1892 erwähnt.<br />
Mal.:<br />
grobkörniger naxischer Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 3,05 m; H des Kopfes 0,71 m; B des Kopfes 0,40 m; B der Schultern 1,44 m; B der Taille 0,66 m;<br />
Entfernung vom Nabel bis zur oberen Thoraxgrenze 0,50 m<br />
Dal.:<br />
1. H. des 6. [hs. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitssradiums:<br />
Die Bearbeitung der Skulptur ist weit fortgeschritten. Nachdem der Bildhauer jedes Glied des Körpers<br />
mit einem Spitzmeißel geformt hatte, ging er dazu über, die Oberflächen auszuarbeiten. Auch hierzu<br />
verwandte er zunächst den Spitzmeißel. Er reduzierte weitgehend das Marmorvolumen der Arme, bildete<br />
aber deren einzelne Partien nicht detailliert aus. Die Arme löste er noch nicht von dem Körper, arbeitete<br />
.edoch den Raum zwischen Körper und Armen sehr weit aus dem Stein heraus. Die Hände gestaltete er<br />
Laum. Der Steinmetz hatte bereits begonnen, die Beine voneinander zu trennen, wobei er allerdings den<br />
zwischen den Oberschenkeln liegenden Marmor mit dem Spitzmeißellediglich bis auf eine seht dünne<br />
Schicht reduzierte. Das Haar, dessen feine Differenzierung noch vernachlässigt ist, gestaltete er als zwei<br />
breite, über die Schultern aufdie Brust fallende Bahnen und schied es deutlich vom Kopfe. Die Wölbung<br />
der Brust, den unteren Thoraxbogen, den Nabel und die Leistenlinien deutete der Steinmetz bereits an.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Aström beschrieb lediglich die Spuren eines derben Spitzmeißels aufHals, Zöpfen, Schultern und aufder<br />
Brust. Ferner sind die Spuren dieses Werkzeuges besonders deutlich im Zwischenraum der Oberschenkel<br />
sowie auf den zwischen den Flanken und Vorderseite abgearbeiteten Partien zu beobachten. Zwischen<br />
den Oberschenkeln si~d die charakt~ristischen Sfuren des Spitzmeißels als große runde Eintiefungen zu<br />
erkennen, mit den gleichen Spuren ist der Umnß des r. Armes von dem Körper abgesetzt. Kokkorou-<br />
19
--_......<br />
•<br />
20<br />
Alewras 1996 sieht zu Unrecht zwischen den Armen und den Körperseiten sowie zwischen dem Gesicht<br />
und der Haarrnasse die Spuren eines Bohrers.<br />
Lit.:<br />
B. Sauer, AM 17, 1892,44 Anrn. 2; Deonna 1909, Nr. 121; Richter, Kouroi Nr, 63 aAbb. 529 (Richter<br />
bildet diesen Kouros ab, verwechselt ihn aber mit Kouros Nr. 11); Kokkorou-Alewras 1975, 5. 92ff. Kat.<br />
Nr. 17; P.Aström - B. Nordberg - L. Renfors, OpAth 12, 1978, 11Iff. Abb. 1 - 10; Karakatsanis 1986,<br />
Kat. N r. 4: B. Lambrinoudakis, Ergon 1991, 94 Abb. 143. 144; Kokkorou-Alewras 1996, Kat. N r. 20.<br />
13. Unterlebensgroßer Kouros'"" (Taf. 11 a. b. c)<br />
Polygiros, Mus. ohne Inv. Nr.<br />
Erhalrungszustand:<br />
Vom Kopfbis unterhalb der Knie; die Oberfläche des Kouros ist vom Meerwasser zerstört.<br />
FO:<br />
] 968 vor der Küste der Chalkidiki in der Nähe von Olympiada (antikes Stageira) aus dem Meer geborgen<br />
Mat.e<br />
Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,87 m; B der Schultern 0,28 m; max. B 0,305 m; L der Arme 0,50 m; erh. L der Beine 0,305 m<br />
Dat.i<br />
archaisch<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die Ausführung des Kouros verblieb in einer ersten Bossierung, in der Vorderseite, Flanken und Rückseite<br />
den gleichen Grad der Abarbeitung aufweisen. Die Konturen des Körpers, der Arme und Beine sind<br />
deutlich gestaltet, besitzen allerdings rechteckige Form. Das I. Bein ist vorgestellt, doch wurden weder die<br />
Beine noch die Arme vom Körper gelöst. Die Hände sind noch nicht ausgearbeitet, aber der Block beider<br />
Arme ist an dieser Stelle im Vergleich zu der Schulter breiter. Die Brust wölbt sich hervor. Auf der sehr<br />
flachen Rückseite ist der Ansatz der Glutäen zu erkennen. Der Kopf, sichtlich vom Körper abgesetzt, läßt<br />
Haar und Gesicht voneinander differenziert erscheinen. Für die Bearbeitung des noch gänzlich ungegliedenen<br />
Gesichtes ließ der Bildhauer ausreichend Stein stehen, der sich kugelig nach vorn wölbt. Das Haar<br />
fällt als undifferenzierte Masse auf den Rücken und seitlich auf die Schultern. Das Geschlechtsteil wölbt<br />
sich als Bosse hervor.<br />
Werkzeugspureu:<br />
Da die Oberfläche der Skulptur vom Meerwasser zerstört ist, lassen sich keine Werkzeugspuren mehr<br />
feststellen.<br />
Lit.:<br />
Ph. Petsas, Makedonika ]5, 1975,251 Taf. 175; Floren 1987, 10Anm. 19; 406 Anm. 2.<br />
14. Kouros"<br />
SantOS, Vathy Mus. ehern. Tigani Mus. Inv. Nr. 72<br />
Erhalrungszustand:<br />
Der Unterkörper etwa von der Höhe des Bauchnabels bis zum Ansatz der Oberschenkel; tiefe Risse<br />
durchziehen di.e 1. Körperseite. Vom r. ~lutäus ist ein größeres. Stück. abgesplittert. Den Angaben Freyer<br />
Schauenburgs Ist zu entnehmen, daß die Unterseire glatt zugerichtet ist, was aufeine Wiederverwendung<br />
des Kouros schließen läßt.<br />
FO:<br />
Samos, aufdem Grundstück des G. Moschana, am Wege nach Chora gelegen.<br />
Mat.:<br />
grauweißer grobkörniger Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,43 m; B etwa 0,35 m<br />
Dat.:<br />
um 550 / 540 v. ehr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die Bearbeitung des Kouros ist beinalle abgeschlossen. Für dessen Fertigung benutzte der Bildhauer<br />
Spitzmeißel, Flachmeißel und das. Zahneisen, wie es die noch erhaltenen Werkzeugspuren belegen. Der<br />
Unterkörper Ist durchgestalret, Lelste~gegend und Glutä~n besitzen bereits ihre endgültige Form. Nach<br />
der Angabe Freye~-Schauenburgs1st. nicht mehr erkenntlich, ob das Glied bereits von den Hoden abgesetzr<br />
herausgearbeitet war oder ob die Geschlechtsteile noch in Bosse standen.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Auf der Rückseite sind nach Freyer-Schauenburg zahlreiche sich überlagernde Spuren des Zahneisens,<br />
in der Vertiefung zwischen den Glutäen und den Oberschenkeln Spitzmeißelspuren und am 1. oberen<br />
Bruchrand Schlag- und Spitzeisenspuren zu beobachten.<br />
Lit.s<br />
E. Buschor, Altsamische Standbilder I (1935) 19 Abb. 70; Lippold, Plastik 58 Anm. 7; B. Freyer-Schauenburg,<br />
Samos Xl 87f. N r, 46 Ta[ 31.<br />
15. Kopf eines Kouros<br />
Siraeusa, Mus. Archeologico Regionale Inv. Ne, 50716<br />
Erhaltungszustand:<br />
Der Kopf mit Ansatz des Halses; vom r. Teil der Haarkappe. der unteren Partie der r. Wange und vom<br />
Kinn sind größere Stück~ herausgebroc~en;über dem r. Auge ist ein Stückchen abgesplittert; die Mundpartie<br />
und die 1. Wange sind bestoßen; die Oberfläche ist vor allem an den Seiten des Kopfes und am Haar<br />
sehr verwittert.<br />
21<br />
47 Prof. Dr. Ph. Petsas sei an dieser Stelle für seine Erlaubnis gedank(, den Komas vermessen 'Zudürfen.<br />
48 Ka(alogangabc:~ nach Fn:!er-Schauc:nburg. Nach Freycr-S,chauenburg befindet sich am l. oberen Bruchrand die Ansatzspur<br />
des r. ursprünglich angewinkelten ~nrerarmes. 'WeS'Negen Sie den Kouros als Opfercräger interpretiert und ihn mit dem 0 [errräger<br />
Nr. 45 ihres Kataloges vergleicht.<br />
P
22<br />
FO:<br />
Megara Hyblaea, der genaue Fundort wird nicht genannt.f?<br />
Mal.:<br />
Kalkstein (nach Bernabo Brea)<br />
Maße:<br />
keine Angabe<br />
Dat.s<br />
Anfang des 6. Jhs. v. Chr. (nach Rizza de Miro)<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Das gerundete Gesicht ist in seinen Einzelformen bestimmt: Während die Augen als kleine flache Wölbungen<br />
zu erkennen sind und die Nase leicht aus dem Gesicht hervortritt, wurde die Ausführung der<br />
Mundpartie vernachlässigt. Die Ohren waren ursprünglich plastisch aus dem Kalkstein herausgemeißelt,<br />
doch ist diese Partie sehr verwittert. Das Haar ist vom Gesicht abgesetzt und in Haarkappe und nach hinten<br />
fallende gekerbte breite Strähnen gegliedert, wobei über dem Stirnhaar eine Eintiefung um den Kopf<br />
herum führt. An der I. Seite des Kopfes blieb eine größere Fläche zwischen dem Ohr und dem Ansatz des<br />
Haares unbearbeitet, Das Gesicht, wie in der Seitenansicht zu sehen, ist in seltsamer Form nach vorne<br />
gezogen.<br />
Werneugspuren:<br />
Aufgrund des Erhaltungszustandes sind Werkzeugspuren nicht zu beobachten.<br />
Lit.:<br />
1. Bernabo Brea, ASAtene 24/26, 1946/48,65 Abb. 4; G. Rizza - E. de Miro in: Sikanie, Storia e civilta<br />
della Sicilia greca (1985) 155 Abb. 158. 170.<br />
16. Kolossalstatue eines Widderträgers*50 (Taf. 12 a, b. c)<br />
Thasos, Mus. Inw Nr, 1<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die ganze Statue mit Plinthe; die Statue ist jeweils unterhalb der Brusr, in den Knien und über den Knöcheln<br />
gebrochen; die Brüche scheinen mit Gips ausgestrichen worden zu sein; der r, Arm fehlt von der<br />
Mitte des Oberarmes an; tiefe Risse durchziehen die I. Seite des Kopfes und die 1. Brustpartie.<br />
FO,<br />
Thasos, im mittelalterlichen Teil der Umfassungsmauer der Akropolis (nach Picard)<br />
Mal.:<br />
Marmor; über dessen Herkunft keine Einigkeit herrscht. 51T. Kozelj, Kenner der thasischen Brüche und<br />
Marerialien, beschreibt den Marmor als rhasischen Marmor, der in der Nähe der Akropolis gebrochen<br />
wurde.V<br />
Maße:<br />
H der Starue ohne Plinthe 3,50 m; H der Plinthe 0,10 m; L der Plinthe 0,98 m<br />
Dat.:<br />
Anfang des 6. [hs, v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die Statue, für deren Fertigung der Steinmetz zu Spitzrneißel und Flachmeißel griff, befindet sich in einem<br />
weit fortgeschrittenen Arbeitsstadium, was gleichermaßen aufVorder- und Rückseite sowie auf die<br />
Flanken zutrifft. Der Körper ist durchgegliedert und bis eine letzte noch abzunehmende Marmorschicht<br />
ausgeführt. Der 1. Arm hält einen bereits ausgearbeiteten, aber dennoch unfertig gebliebenen Widder<br />
vor der Brust. Die Arme einschließlich der Hände und die Beine haben bereits Form angenommen.<br />
Die Beine sind voneinander getrennt und die Füße grob geformt. Von den Knöcheln allerdings nahm<br />
der Bildhauer verständlicherweise noch keinen Stein ab. Das Geschlechtsteil wölbt sich als kleine Bosse<br />
hervor. Die Linie des Rückens bildet mit der Vertiefung der Glutäen eine durchgehende lange Linie. Das<br />
Haar, das durch ein Band gehalten wird, fällt jeweils in acht Strähnen vorn aufdie Brust und aufden Rücken.<br />
Dessen Bearbeitung, die der Bildhauer mit dem Flachmeißel ausführte, ist bereits bis aufdie letzte<br />
Glättung beendet. Das Gesicht hingegen ist ebenso wie die sehr großen Ohren, die ohne jede Angabe im<br />
Detail am Kopfanliegen, noch gänzlich unausgeführt.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Blümels Aussage, daß die Statue mit dem Spitzmeißel gearbeitet wurde, läßt sich wie folgt präzisieren:<br />
Spitzmeißelspuren von rechten Winkelschlägen sind vor allem an den Beinen und an den Füßen, Spuren<br />
eines schräg gesetzten Spitzmeißels auf dem 1. Fuß, an der Innenseite des 1. Unterschenkels und an der<br />
Außenseite des r, Unterschenkels in Form von langen Furchen zu erkennen. Weiterhin zeigen, wie schon<br />
Casson beobachtete, das Gesicht des Kouros und der Widder runde Eintiefungen eines spitzen Meißels,<br />
wobei Casson hier auch die Verwendung eines Spitzhammers in Betracht zog. Der Hals und die Brust des<br />
Widderrrägers weisen lange, tiefe Furchen desselben Werkzeuges auf.<br />
Lil.:<br />
Ch. Picard, BCH 45, 1921, 113ff. Abb. 10 - 13; Blümel1927, 52 Kat. Nr, 7 Abb. 16; St, Casson, JHS<br />
49, 1929,282; Blümell943, 1Hf. Abb. 6 - 8; C. H. E. Haspels in: Melange Ch. Picard, RA 29 - 32,<br />
1949, 423ff. Abb. 1 - 3; E. Buschor, Frühgriechische Jünglinge (1950) 31f.; G. Daux (Hrsg.), Grude de<br />
Thasos (1967) 115 Nr. 1 Abb. 51- 53;H.J. Etienne, The ChiseI in GreekSculpture (1968) 20 - 23 (ausgezeichnete<br />
Abbildungen der Beine); Richter, Kouroi Nr, 14 Abb. 84 - 85 mit Lir.; B. S. Ridgway, The<br />
Archaic Style in Greek Sculprure (1977) 65. 73f. 82; J. Boardman, Griechische Plastik (1981) 34 Abb.<br />
69; D. Boschung, AntK28, 1985, 154 Nr. 5; Karakatsanis 1986, 66.162.168 Kat. Nr. 9; Floren 1987,<br />
323; Kozelj 1987,21 Anm. 4.<br />
23<br />
49 Nach BernaboBrea:wahrscheinlich aus MegaraHyblaea: Rizza- de Miro:MegaraHyblaea.<br />
'0 Zur Deutung .I, Herme, oderApoUon Karneios: Picard118ff.;Buschor31f.;Floren323: Karskarsanis 168 interpretierrden<br />
Widderrräger.I, Weihe'tatue, die den opferbringendenStifterpersonifirien.<br />
51 Dazu Picard: "kein thesiseher Marmor, vielleichtparischer"; Blümel: ..parischer Marmorr", Casson 1929: .Blümels Vermutungistsicherlich<br />
falsch. sicherthasischer .Marmor"; Casson1933undEtienne: ,..thasischer Marmor"; Richter beziehtsichauf<br />
Picard:Karakarsanis: "parischer? Marmor".<br />
52 leh dankeT. Kozelj für die mündliche Information.
-----~<br />
40<br />
geführt und dessen Oberfläche bereits geglättet. Der Knöchel, der noch nicht detailliert ausgearbeitet ist,<br />
wölbt sich leicht hervor.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die Spuren eines Zahneisens sind unterhalb des Knöchels in parallelen Streifen und unter der Fußsohle<br />
an deren I. unteren Partie, die Spuren eines Spitzmeißels auf der Oberseite des Fußes und unter der Fußsohle<br />
in der unteren r, Partie, die Spuren einer Raspel an der Innenseite des Fußes und in der oberen Partie<br />
der Fußsohle zu beobachten.<br />
Lit.r<br />
H. Schrader, Die archaischen Marmorbildwerke der Akropolis (1939) 360 Abb. 289. 290; Th. E. Kalpaxis,<br />
Herniteles (1986) 14 Anm. 85.<br />
37. Reiterstatuette (Taf. 21 a)<br />
London, Brit. Mus. lnv. B 476<br />
Erhaltungszustand:<br />
Fragment eines Pferdekörpers.<br />
FO:<br />
Sparta, im Heiligtum der Artemis Orthia'"<br />
Mat.:<br />
cremefarbiger Kalkstein"<br />
Maße:<br />
H 0,20 m; B 0,16 m; T 0,06 m (nach Pryce)<br />
Dat.:<br />
6. Jh. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Nachdem der Steinmetz die eine Seite des Fragmentes geglättet hatte, ritzte er auf diese die Umrisse des<br />
Pferdekörpers und des Zaumzeuges ein. An dem Rücken des Pferdes hat sich noch die Knievorzeichnung<br />
des Reiters erhalten. In einem nächsten Schritt meißelte er dann den Stein an der vorderen und unteren<br />
Partie des Pferdekörpers bis hin zu den Vorzeichnungen fort.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Einritzungen des Flachmeißels als Umrißlinien.<br />
Lit.:<br />
R. M. Dawkins, The Sancruary of Arrernis Orthis at Sparta (1929) 190 Nr. 7 Taf. 65; F. N. Pryce, Catalogue<br />
in the Departmenr ofGreek and Roman Antiquities in the British Museum (1928) B 476; Blümel<br />
1943, 16f. Abb. 9; Ridgway 1969, 98 Abb. 4.<br />
Bildbauerlehrstücke (?)<br />
38. Platte mit geritztem Oberkörper einer Frau B3<br />
Paris, Louvre MA 2722<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die nach oben schmaler werdende, etwa rechteckige Platte ist fast vollständig erhalten. Die obere I. Kante<br />
ist weggebrochen. Die Seiten sollen geebnet und die Rückseite bereits geglättet sein.<br />
FO:<br />
Samos, aus dem Heraion 1879 im lnnern des großen Tempels<br />
Mat..<br />
leicht gräulicher Kalkstein<br />
Maße:<br />
H 0,30 m; Bunten 0,21 m; B oben 0,143 m; 0 0,082 m<br />
Dat.:<br />
530 / 520 v. Chr.<br />
Beschreibung:<br />
Erkennbar ist der Oberkörper einer Frau im Profil. Der Kopfist deutlich und tiefumrissen, wobei Auge,<br />
Nase, Ohr und Mund detailliert, der Oberkörper hingegen nur flüchtig gezeichnet sind. Im Haar liegt<br />
eine Binde, die über der Stirn wellenförmig eingeritzt wurde. Freyer-Schauenburg sieht in dieser Einritzung<br />
den ursprünglich geplanten Abschluß des Haares. Da dieser zu hoch angesetzt wurde, gestaltete der<br />
Bildhauer ihn zu einer Tänie um, über der das gekräuselte Stirnhaar nachträglich gezeichnet wurde. Die<br />
folgende Interpretation von Freyer-Schaucnburg ist durchaus plausibel: "Der Kopfwar Studienobjekt, an<br />
dem verschiedene Haarbildungen erprobt und skizziert wurden.""<br />
Lit.:<br />
B. Freyer-Schauenburg, Samos XI 185f. Nr. 104 Taf. 78 mit Lit.<br />
39. Platte mit zwei eingeritzten Schiffen"' (Taf. 21 b)<br />
verschollen, Samos, Vathy Mus. alte Inv. Nr, I 80<br />
Erhaltungszustand:<br />
Langgestreckte, etwa rechteckige Platte. Der r. untere Teil ist weggebrochen, die obere Bruchfläche sehr<br />
unregelmäßig. Nach Freyer-Schauenburg hat sich r. ein Teil des Randes erhalten.<br />
FO:<br />
Samos, aus dem Heraion<br />
Mat.:<br />
gelblicher Poros<br />
Maße:<br />
H 0,25 m; B 0,46 m; 0 0,154 m<br />
Dat.:<br />
3. Drittel des 6. Jhs. v. Chr.<br />
41<br />
81 Zur Fundsituation s, Dawkins 187f.<br />
82 Nach Pryce und Dawkins, nach Blümel Marmor.<br />
83 Die Katalogangaben richten sich nach Prejer-Schauenburg.<br />
84 Freyer-Schauenburg 186.<br />
as Die Angaben richten sich nach den Ausführungen Freyer-Schauenburgs.
----_......<br />
42<br />
Beschreibung:<br />
Aufdie geglättete Vorderseite der Platte sind zwei gleichartige Schiffe übereinander eingeritzt. Dargestellt<br />
ist ein dreigeteilter Bootskörper. Während das obere Schiff den Bootskörper samt Heck und Rammsporn<br />
erkennen läßt, ist das Heck des unteren Schiffes nicht gezeichnet. Die Platte ist durch fünf senkrechte<br />
Ritzungen in sechs unregelmäßige Felder unterteilt. Eingeritzte Buchstaben befinden sich über dem Heck<br />
des oberen Schiffes und unterhalb des Bugs des unteren." Die unterschiedliche Art der Ritzung und der<br />
im ganzen skizzenhafte Charakter - das obere Schiff ist im Gegensatz zu dem unteren tief und sicher<br />
eingeritzt -, veranlassen Freyer-Schauenburg zu der Vermutung, daß ein Bildhauer und sein Lehrling<br />
diese Zeichnungen anfertigten. Letzterer versuchte das obere Schiff mit Hilfe eines "Rastersystcms" zu<br />
kopieren.<br />
Lit.i<br />
B. Freyer-Schauenburg, Samos XI Nr. lOS; 186ff. Taf. 77; O. Höckmann, Antike Seefahrt (1985) 100<br />
Abb.68.<br />
Bauplastik<br />
MetopeNr.5<br />
Erhaltungszustand:<br />
Metope und sich links anschließende Triglyphe: ein vertikaler Riß durchzieht den Körper des Kentauren,<br />
der stellenweise bestoßen ist. Die Oberfläche ist verwittert.<br />
Maße:<br />
H der Metope 78,8 cm; B der Metope oben: 87,7 cm; unten: 85, 3 cm; T der Metope 13.5 cm; T des<br />
Reliefs 8,8 cm<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die Figur des kämpfenden Kentauren ist erst in ihrem Umriß aus dem Stein gelöst, indem der Steinmetz<br />
den Reliefhintergrund um die Darstellung herum vertiefte. Die Binnengliederung vernachlässigte er. Lediglich<br />
die Hufe und die Unterschenkel der Pferdebeine sind detaillierter geformt.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren des Spitzmeißels oben auf dem Pferderücken und auf der Partie links des Kopfes<br />
Lit.r<br />
Zancani-Montuoro 130ff. Nr. 5 Taf. 27; 56; 57.<br />
43<br />
40. Heraion am Sele, älterer Tempel: Metopenreliefs 87 (Taf. 37 a]<br />
Paestum, Nationalmuseum<br />
Im folgenden werden nur die unvollendeten Metopen beschrieben. Dem älteren Herarernpel wurden insgesamt<br />
38 Metopen zugeordnet; von diesen haben sich 35 Stücke erhalten, deren ursprüngliche Gestalt zu<br />
rekonstruieren ist. 28 Metopen sind mit der Triglyphe aus einem Stück gearbeitet, wobei die Triglyphen<br />
gewöhnlich an der I. Seite anschließen. Eine Ausnahme stellen die Metopen Nr. 16 und Nr. 22 dar, bei<br />
denen sich die Triglyphen an der rechten Seite befinden." Das Material ist Sandstein. Der Metopenfries<br />
ist etwa um die Mitte des 6. [hs. v. ehr. zu datieren"<br />
Lit.:<br />
P.Zancani-Montuoro - U. Zanotti Bianco, Heraion alla Foce del Sele 11 (1954) 69ff.; Th. E. Kalpaxis,<br />
Hemiteles (1986) 80; A. Stewart, Greek Sculpture (1990) 116 Taf. 88 - 91; K. Junker, Der ältere Tempel<br />
im Heraion am Sele (1993) bes. 16ff.<br />
Metope Nr. 8<br />
Erhaltungszustand:<br />
Metope und links anschließende Triglyphe; die Oberfläche ist stark zerstört und von tiefen Rissen durchzogen.<br />
Maße:<br />
max. erh. H der Metope 80,3 cm; max. B der Metope 89,9 cm; rnax, T der Metope 24,4 cm; T des Reliefs<br />
8cm<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Die beiden Satyrn sind lediglich in ihren Umrissen aus dem Stein gelöst worden. Soweit es anhand der<br />
erhaltenen Oberfläche zu beurteilen ist, führte der Steinmetz die Binnengestaltung der Figuren noch<br />
nicht durch.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die Oberfläche ist derart zerstört, daß sich Werkzeugspuren nicht erhalten haben.<br />
Ut.:<br />
Zancani-Montuoro 146ff. Nr. 8 Taf. 30; 62.<br />
Metope Nr. 9<br />
ac Zu den Buchstaben und deren Interpretation: Freyer-Schauenburg 188.<br />
87 Die Angaben richten sich nach den Ausführungen von Zancani-Monruoro. Ebenda zu einer subtilen Beschreibung jeder<br />
Metope, zu deren genauen Fundumständen und zu weiteren Maßangaben.<br />
88 Junker, der sich zuletzt mit dem älteren Tempel im Heraion am Sele beschäftigte, beschreibt das Verfahren, skulptiene Metopen<br />
und Triglyphen aus elnem Block herauszuarbeiten, als einziganig für die archaische und klassische Zeh. Stewart zog in<br />
Erwägung, daß die unfertigen Metopenbilder durch Bemalung hätten vollendet werden können. Junker wandre dagegen zu<br />
Recht ein, daß dies nicht zu belegen sei, Junker a. O. 17 gehr ferner davon aus, daß sowohl unfertige ab auch fertige Platten<br />
bereitsversetztwaren.<br />
89 s. zur Datierung Junker.<br />
Erhaltungszustand:<br />
Metope und Triglyphe, die links anschließt; aus zahlreichen Einzelstücken zusammengefügt. Der obere<br />
Abschluß der Metope ist weggebrochen. Die Oberfläche ist verwittert.<br />
Maße:<br />
erh. H der Metope 84,6 cm; B der Metope oben; 86,1 cm, unten: 82,2 cm; T der Metope ca. 14 cm;<br />
T des Reliefs 8,3 cm<br />
Beschreihung des Arheitsstadiums:<br />
Die Metope dokumentiert das Anfangsstadium der Fertigung, in welchem der Sreinmetz lediglich die<br />
Kon ruren zweier laufender Satyrn aus dem Stein herauslöste. Entsprechend seiner Vorzeichnung meißelte<br />
er den Stein der Platte in drei aufeinanderfolgenden Ebenen - vorderer Satyr, hinterer Satyr, Grund des<br />
Reliefs - um die Tiefe der jeweiligen Darstellung herum fort.
44<br />
Werkzeugspuren:<br />
Eine Beurteilung ist nicht möglich.<br />
Lir.:<br />
Zancani-Montuoro 154ff. Nr. 9 Taf. 31; 63.<br />
Metope Nr. 15 (Taf. 37 a]<br />
Erhaltungszustands<br />
Metope; Oberseite und Seiten stark beschädigt. Ein diagonaler Riß durchzieht die r. untere Ecke der Metope,<br />
ein weiterer Riß befinder sich im I. Teil der Metope, dieser führt von der SrandAäche bis durch den<br />
Oberschenkel der I. Figur. Die Oberfläche ist verwittert.<br />
Maße:<br />
max. erh. H 76,7 cm; max. erh. B 89,1 cm; max. T 19,9 cm; max. T des Reliefs 8,6 cm<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiumse<br />
Der Steinmetz meißelte die Figuren in ihren Umrissen aus dem Stein heraus, indem er den Reliefgrund<br />
um die Konturen der einzelnen Körperglieder herum sukzessive abnahm bis sich deren Gesralr deutlich<br />
abzeichnete. Mit der detaillierten Ausgestaltung begann er noch nicht. Allerdings überging er sowohl den<br />
Hintergrund des Reliefs in der 1. oberen Partie als auch den Kopfdes Herakles mit einem Schlageisen. Auf<br />
diese Weise reduzierte er das Material und ebnete dessen Oberfläche.<br />
Werkzeug.puren:<br />
Spuren des Spitzmeißels auf dem Reliefhintergrund; Schlageisenspuren im I. oberen Reliefrand und auf<br />
dem Kopfdes Herakles.<br />
Lit.:<br />
Zancani-Montuoto 204ff. Nr. 15 Taf. 37; 74.<br />
Metope Nr. 22<br />
Erhaltungszustande<br />
Metope und rechts anschließende Triglyphe; die Oberfläche ist verwittert und stellenweise bestoßen.<br />
Maße:<br />
max. erh, H der Metope 82,2 cm; max. B der Metope 85 crn;T der Metope ca. 16 cm; T des Reliefs 8,4 cm<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums.<br />
Die Konturen der klagenden Frauen sind deutlich gestaltet und deren Gewändcr bereits differenziert<br />
angedeutet, indem der Sreinrnctz den Stein Aächig Schicht für Schiehr abnahm. Allerdings drang er stellenweise<br />
noch nicht bis zum Grunde des Reliefs vor, wie es die neben der I. Frau befindliche Partie des<br />
Reliefrandes zeigt.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spitzmeißelspuren am 1. Bildrand.<br />
Lit.:<br />
Zancani-Montuoro 26üf( Nt. 22 Taf. 43; 84; 85.<br />
Metope Nr, 23<br />
ErhaltWlgszustand:<br />
Fragment eines Kopfes. Die OberAäche ist stark verwittert.<br />
Maße:<br />
erh. H 19 cm; max. erh. B 25 cm; T des Reliefs 8 cm<br />
Be.chreibWlg des Arbeitsstadiumsi<br />
Der Kopf, lediglich in seiner äußeren Kontur gestalret, dokumentiert die Anfangsphase der Fertigung.<br />
Werkzeug.puren:<br />
Aufgrund des Verwitterungsgrades der OberAäche nicht zu beurteilen.<br />
Lit.:<br />
Zancani-Montuoto 266ff. N r, 23 Abb. 59 Taf. 51.<br />
Metope Nr. 24<br />
Erhalrungszu.tand:<br />
Metope und links anschließende Trighphe; der r. Metopenrand ist weggebrochen. Die OberAäche ist<br />
verwittert.<br />
Maße:<br />
erh. H der Metope 85,2 cm; max. erh. B der Metope: 76 cm; max, T. der Metope ca. 17,2 cm; max. T<br />
des Reli efs 8 cm<br />
BeschreibWlg des Arbeitsstadiums.<br />
Der Steinmetz löste die Skulpturen lediglich grob in ihren Konturen aus der Platte heraus. Doch führte<br />
er diese Arbeit noch nicht zu Ende, wie es besonders die Gestaltung der Füße zeigt.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spitzmeißelspuren partiell auf dem Reliefhintergrund.<br />
Lit.:<br />
Zancani-Montuoro 269ff.; Nr. 24 Taf. 44; 86.<br />
Metope Nr. 26<br />
ErhalrungszU5tand:<br />
Metope; jede Seite isr stark bestoßen; von zahlreichen Rissen durchzogen, die Oberfläche der Figuren ist<br />
bis aufwenige Partien zerstört.<br />
Maße:<br />
max. erh. H 78,7 cm; max. erh. B 86,8 cm; max. T 19,8 cm; max. T des Reliefs 8 cm<br />
Beschreibung des Arbeits.radiums:<br />
Nachdem der Steinmetz die Umrisse der Figuren gestaltet hatte, gab er die Arbeit an dieser Merope, soweit<br />
es an hand der erhaltenen Oberfläche der Figuren zu beurteilen ist, auf.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren des Spitzmeißels und des Flachmeißels auf dem Reliefhintergrund.<br />
Lit.:<br />
Zancani-Montuoto 289ff. Nr. 26 Taf. 46; 89.<br />
45<br />
•
•<br />
"'"<br />
46<br />
47<br />
Platte Nr. 28<br />
Erhaltungszustands<br />
Metope, deren Seiten stark beschädigt sind. Tiefe Risse durchziehen die 1. Hälfte des Reliefs. Die Oberfläche<br />
ist verwittert.<br />
Maße:<br />
rnax, erh. H 78,8 cm; max. erh. B 86,5 cm; rnax. T 21 cm; max. T des Reliefs 9 cm<br />
Besehreibung des Arbeitsstadiumss<br />
Lediglich die Komuren der einen Bogen haltenden Leroiden meißelte der Steinmetz aus dem Stein<br />
heraus, indem er den Reliefgrund um die Darstellung herum Schicht für SChicht abnahm. An einigen<br />
Stellen, so in den Bögen der Leroiden, meißelte er den Stein allerdings noch nicht bis auf den Grund der<br />
Platte fort.<br />
Werkzeug.puren:<br />
Spitzmeißelspuren aufdem Grund in den Bögen; Spuren des Schlageisens auf dem Reliefhintergrund.<br />
Ut.:<br />
Zancani-Monruoro 316ff. Nr. 28Taf. 48, I; 92.<br />
Platte Nr. 29<br />
Erhaltungszustands<br />
Metope; die Seitenflächen sind beschädigt. Zahlreiche Risse durchziehen das Relief. Die Oberfläche ist<br />
verwittert.<br />
Maße:<br />
max. erh, H 79,7 cm; max. erh. B 87,3 cm; rnax. T 18 cm; max. T des Reliefs: 8,2 cm<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Nachdem der Steinmetz die Figuren des Tiryos und der Leto zunächst in ihren Umrissen aus dem Stein<br />
herausgelöst hatte, ging er gerade dazu über, die BinnenmodelIierung der Figuren in Angriffzu nehmen.<br />
So sind Nase, Mund und Auge des Tiryos bereits angedeutet.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spitzmeißelspuren auf dem Reliefhintergrund. Spuren eines groben Schlageisens auf dem 1. Reliefrand.<br />
Lit.e<br />
Zancani-Montuoro 320ff. Nr. 29 Taf. 48, 2; 93.<br />
11. 2 Klassische Zeit<br />
Statuen 90<br />
41. Tor.o einer männlichen, bewegten Figur"l (Taf. 23 a. b)<br />
Aegina, Mus. Inv. Nr. 710<br />
Erhaltungszu• tand:<br />
Der Torso einer männlichen, bewegten Figur; der Kopf, beide Arme und Beine sind weggebrochen. Die<br />
Oberfläche ist sehr verwittert.<br />
FO:<br />
Aegina, laut Walter-Karydi aus der Kirche der Heiligen [ohanna in Chalasmeni; dort war der Torso eingemauert.<br />
Mat.:<br />
kykladischer Marmor<br />
Maße:<br />
H 0,53 m<br />
Dat.:<br />
1. H. des 5. [hs. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeits.tadiums:<br />
Der Torso weist ein weit fortgeschrittenes Bearbeitungsstadium auf, was gleichermaßen auf die Vorderund<br />
Rückseire sowie auf die Flanken zutrifft. Der Bildhauer gestaltete und gliederte den Körper bis auf<br />
eine letzte noch abzunehmende Marmorschicht allein mit dem Spitzmeißel. Auf der Rückseite zeichnete<br />
er die Wirbelsäule. die Schulterblätter und das lang herabfallende Haar ein, indem er den Spitzmeißel<br />
kräftig in einem schrägen Winkel zur Oberfläche schlug, wie es die tiefen Furchen des Meißels belegen.<br />
Auf gleiche Weise setzte er die Glutäen voneinander ab und formte auf der Vorderseite die Brust- und<br />
Bauchpartie sowie die Leistengegend. Bossen verblieben jeweils am r. Oberarm und an der I. Hüne.<br />
Werkzeug.puren:<br />
Spuren ein,:" groben Spitzmeißels in Form.von ~~ngen a1s.auch kurzen sowie tiefen und seichten Furchen<br />
bedecken die gesamte Oberflache der Plastik. Blumel schrieb zu Recht, daß der Torso nur die Spuren eines<br />
Spirzmeißels aufWeist, denn die Spuren anderer.Werkzeuge sind nicht zu beobachten,<br />
Lit.:<br />
Blümel 1927, 7. 53 Kat. Nr. 9 Taf. 11; Blümel 1943,62 Abb. 46; E. Walter-Karydi, Die aeginetische<br />
Bildhauerschule. Alt -Aegina 11, 2 (1987) 77. 90 Nr. 33 Taf. 27. (s. hierzu auch P. E. Arias, Gnomon 60,<br />
1988, 435ft:)<br />
90 5. auch zu einem unfertigen. ausPhilia (Thessalie~) s[~~enden, männlichen Kopf,dessenH 0,31 m beträgt: D. Theocharls,<br />
ADelr 18, 1963. Chron 138 Taf 173 a - b. Dieser ist In die frühklassische Zeit zu datieren. Das Material wird als weißer<br />
grobkörniger Marmor. b:i demes sicha?cr ni~ht um Inselmarmor handelnsoll, beschrieben. Da derschlechtePublikationsstandwedereine<br />
BcschrcIbung des Arbeltsstad1Ur~s nochcl:rWerkzeugspuren erlaubte, wurdeder Kopfnicht in den Katalog<br />
aufgenommen.EineUnrersuchung vor 0r:.~r nichtmöglich:Gleiches giltfüreinen marmornen FrauenkopfausAthen,der<br />
in Makrijanni aufdem Areal des altenMilitärkrankenhauses in derGrabungskampagne vom 10. 10. 1983 bis 17. 2. 1984<br />
gefunden wurde. Zu diesem: E. Ligouri, ADelt 39, 1989, Chron 8ff.; E. B. French, ARepLon 38, 1992,6.<br />
91 Die Angaben zu FO, Mat., Maße und Dat. erfolgren nach der Beschreibung von Walret-Karydi.
92<br />
93<br />
88. Fragment eines r, Armes"<br />
Delos, Mus. Inv. Nt. A 7072<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die rechte Hand mit dem Ansatz des Daumens und des Unterarmes. Die Finger sind weggebrochen. Ein<br />
Riß durchzieht den Handballen. Die Hand mit dem Ansatz des Unterarmes sollte angestückt werden, wie<br />
es eine 5,5 cm tiefe Einarbeitung in die plane Fläche des Unterarmes zeigt.<br />
FO:<br />
Delos, 1964 in dem Raum BG des nördlich an die Insula des Komödiantenhauses anschließenden Komplexes<br />
Mat.:<br />
weißer feinkörniger Marmor<br />
Maße:<br />
erh. L 0,197 m; erh. B 0,112 m<br />
Dat.:<br />
2. / 1. Jh. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitssradiums:<br />
Die Ausführung des Armfragmentes ist weit fortgeschritten: Nachdem der Bildhauer die Hand mit dem<br />
Spitzmeißel grob geformt hatte, wie es die an ihrer Außenseite noch durchscheinenden Spuren dieses<br />
Werkzeuges belegen, überging er die Oberfläche mit einem Zahneisen. Dieser Arbeitsschritt ist deutlich<br />
an dem Ansatz des Unterarmes sichtbar. Anschließend griff er zur Raspel und ebnete die Zahneisenarbeit<br />
in der Innenfläche der Hand und an der Außenseite des Daumens. Zuvor glättete er die Ansatzfläche<br />
sorgfliltig mit Schmirgel und arbeitete in diese ein 5.5 cm Dübelloch hinein. In diesem Stadium wurde<br />
die Fertigung vielleicht wegen des sich in dem Handballen befindlichen Risses aufgegeben.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die Außenseite der Hand sowie der Ansatz des Unterarmes sind bedeckt mit den Spuren eines Zahneisens;<br />
srellenweisescheinen Spirzmeißelspuren noch durch. In der Handfläche und an der Außenseite des<br />
Daumens sind die Spuren einer Raspel sichtbar. Schmirgelspuren auf der Ansatzflache.<br />
Lit.:<br />
G. Donnay - E. Levy, Delos XXVII Kat. Nr. A 20; 203 Taf. 28.<br />
Haus des Herrnes'?'<br />
89. Statuette des Herakles Famese'">'<br />
Delos, Mus. Inv, Nr. A 5630<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die Beine sind oberhalb der Knie weggebrochen; es fehlen die Vorderseite des r. Armes und die 1. Hand<br />
mit einem Teil der Stürze.<br />
FO:<br />
Ddos, Haus des Herrnes, am 10. September 1949 in dem Raum R des 2. Obergeschosses gefunden 153<br />
Mat.:<br />
weißer feinkörniger Marmor, nach Mareade 1953 weißer Inselmarmor<br />
Maße:<br />
H 0,29 m; rnax. B 0,18 m; T 0,09 m<br />
Dar.:<br />
2. / 1. Jh. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitssradiums:<br />
Die Statuette des Herakles wurde in den Anfangsstadien der Bearbeitung aufgegeben. Der gesamte Körer<br />
sowohl Vorder- als auch Rückseite, und das Gesicht zeigen ein grobes Herausarbeiten der Einzelformen<br />
mit dem Spitzmeißel. Der Mund ist als rechteckige Einriefurig angegeben. Unter beiden Armen sind<br />
die Spuren eines Rundmeißels sichtbar, mit welchem der Steinmetz die Zwischenräume herauslöste.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren des Spitzmeißels auf der gesamten Statuette; Spuren eines Rundmeißels Unter den Armen.<br />
Lit.:<br />
J. Marcade, BCH 77, 1953, 565 Nr. 10 Abb. 54; Mareade 1969,456 Anm. 6; C. C. Vermeule, AJA 79,<br />
1975,325; D. Krull, Der Herakles vom Typ Famese (1985) K~t. Nr. 50; P.Gercke, Kunst in Hessen und<br />
arn Mittelrhein 22, 1982, 29ff.; J. V Harward, Greek Domesrio Sculpture and the Origins ofPrivate Art<br />
Patronage (1982) 189 Kat. Nr. 72; Kreeb 1988, 50. 59 Kat. Nr. S 24.22.<br />
151 Auf Ddos wurden zahlreiche un~ertige Statuet~.en in den Woh~äusern gefunden. Aus einem Wohnhaus stammt beispielsweise<br />
auch der Torso einer unfertigen san~alenlosenden Aphrodirc. Delos, Mus. Inv. N r.A 902. deren H 11,6 cm beträgt. Sie<br />
wurde im Inopos - Haus gefunden. Zu dieser: Kreeb 1988. 58. 73. 98 Kat. Nr. 5 25. 2.<br />
152 s. auch den Torso einer unvollen?elen Statuette des Herakles Farnese in Bann, Akademisches Kunstmuseum Inv. Nr. B 61:<br />
die erh. H beträgt 10,5 cm. Zu diesem: D. KI:ull, Der l1eraldes vom Typ Farnese (1985) Kat Nr. 62. Interessant ist die Technik,<br />
die Krull fo(gendern~aßen .beschrelbt: "Die C?be~ache de~ unvollendete." Exemplares ist mit langgezogenen Streifen von<br />
Flachcisenhieben modelliert, die:an der Vorderseite emen bereits glatteren Emdruck hervorrufen als aufder Rückseite."<br />
153 Kreeb 1988; Mareade 1969, 45. 7[; die Statuette wurde in Raum R gemein:am mit fertigen Skulpturen, wie beispielsweise<br />
dem unbärtigen Hermes, Dolos. Mus. Inv. Nr. A 5637, gefunden, s. Mareade 1969, Taf 15.<br />
d
94<br />
90. Rechte Hand'<br />
Delos, Mus. Inv. Nr, A 5626<br />
Erhaltungszustand:<br />
Ab dem Handgelenk. die Fingerspitzen sind weggebrochen.<br />
FO:<br />
Delos, Haus des Hermes, keine genauere Angabe<br />
Mat.:<br />
weißer Inselmarmor<br />
Maße:<br />
L 0,16 m; max. B 0,07 m; T 0,05 m<br />
Dat.:<br />
2. / I. Jh. v. Chr,<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiurns:<br />
Die Hand ist beinahe vollendet. Lediglich die kleinen Marmorsrege, welche die Finger miteinander verbinden<br />
und gewöhnlich am Ende der Fertigung abgearbeiter wurden, sind noch vorhanden und müssen<br />
entfernt werden. Aber auch die letzte Behandlung der Oberfläche, so das Entfernen der Werkzeugspuren<br />
durch Schleifen und die Politur des Marmors fehlen.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren eines feinen Zahneisens an der Innenseite der Hand.<br />
Lit.:<br />
J. Marcade, Trouvailles de la maison dite de l' Hermes, BCH 77, 1953,567 Abb. 57 b; Marearie 1969,<br />
107 Anm. 6.<br />
Haus in der Fourni - Region<br />
91. Büste eines Mannes' (Taf. 56 a. b. c, d)<br />
Delos, Mus. Inv, Nr. A 4023<br />
Erhaltungszustand:<br />
Fast die gesamte Büste; die ehemals abgebrochene 1. Schulter mit angrenzender Körperpartie ist wieder<br />
angefügt worden. Von der Nase ist ein größeres Stück weggesplittert, das r. Auge ist leicht beschädigt. Die<br />
Arme sollten wohl angestückt werden.<br />
FO:<br />
Delos, Haus in der Region von Fourni'>'<br />
Mat.:<br />
weißer feinkörniger Marmor<br />
Maße:<br />
H 0,65 m; B 0,54 m; T 0,40 m<br />
Dat.:<br />
3. Jh. v, Chr. lss<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiurns:<br />
Weit fortgeschritten in der Bearbeitung erweist sich diese Skulptur. Die erste Phase der Fertigung, in<br />
welcher der Steinmetz die Plastik grob mit dem Spitzmeißel bearbeitete, zeigen die Flanken bzw. das<br />
über die 1. Schulter geschlagene und die r, Brust bedeckende Himation sowie die Rückseite der Büste.<br />
Die Faltenbahnen zeichnete der Bildhauer mit langen Furchen des Spitzmeißels vor und gestaltete ebenso<br />
den Verlauf des unterhalb der Brust verlaufenden Gewandes. Ein großer Teil der Brustpartie ist in der<br />
Spitzmeißelarbeit verblieben. wie es die dort befindlichen Einschläge zeigen; an den nackten Partien ist<br />
die Arbeit mit dem Spitzmeißel allerdings weiter forrgeschritren; die Schulter und die r, Brust wurden<br />
mit einem feinen Werkzeug in den Einzelheiten ausgeführt. Die Warze der r. Brust formte der Steinmetz<br />
als eine kleine Erhebung und überarbeitete bereits die sich rechts an diese Brust anschließende Partie,<br />
auf der längliche kleine Eintiefurigen zu beobachten sind. Ein etwa 1,5 cm breiter, mit dem Flachmeißel<br />
herausgearbeiteter Streifen verläuft in einer Linie mit dem Abschluß des Gewandes über die I. Brust bis<br />
hin zum Ansatz des Haares, daneben führt ein weiterer zum abgebrochenen und wieder angestückten<br />
Fragment der Schulter. A.n diesen Stellen gl~ttete.der S:ein~etz die aufgerauhte Oberfläche und setzte<br />
zugleich die Formen voneinander ab. Sehr wert gedIehen rst die Ausführung des Halses, des Bartes und des<br />
Gesichtes. Denn die durch die Spitzmeißelarbeit unregelmäßige Oberfläche des Halses ebnete und formte<br />
der Bildhauer zunächst mit dem Zahneisen, nahm dann einen Flachmeißel zur Hand und gestal tete mit<br />
diesem die feine Halsmuskulatur, wie es an den seichten Streifen zu erkennen ist. Mit einer Einkerbung,<br />
für die er ebenfalls den Flachmeißel benutzte, markierte er an der r. Seite des Halses den Übergang zur<br />
Schulter. Die Derails des Gesichtes und des Bartes modellierte er mit dem F1ach- und dem Rundmeißel<br />
sowie mit dem Zahneisen. vielleicht griff er sogar schon zu Schmirgel oder Bims. Ein feiner Spitzmeißel<br />
ist entgegen der Aussage Mareades hierfür jedoch nicht. benutzt worden. Die Arbeit mit dem Zahneisen<br />
ist besonders deutlich sichtbar auf den Wangen, der Stirn und dem Bart, dessen einzelne Locken durch<br />
ein senkrecht zum Stein gehalrenes Zahneisen voneinander abgesetzt wurden. An der 1. Seite des Bartes<br />
sind mit dem Rundmeißel herausgearbeitete Bartkompartimente zu beobachten. Der Flachmeißel fand<br />
bei der Gestaltung des Mundes, der Augen und bereits an einigen Stellen im HaarAnwendung, wobei das<br />
Innere der Augen sowie die Augenbrauen bereits, vielleicht mit Schmirgel oder Bims, geglättet worden zu<br />
sein scheinen. Die Frisur führte der Steinmetz auf der 1. Seite des Kopfes nicht so weit aus wie auf der r.<br />
Ko fseite: Während die Gestaltung des Haares aufder 1. Seite vor allem durch lange schmale Furchen des<br />
S i~meißds charakterisiert ist, formte er das Haar auf der r. Seite mit dem Zahneisen. Die Haare über<br />
d~r Stirn gestaltete er mit einem flachen Eisen: Hier umgeben die Flachmeißelspuren in Form von sanften<br />
Furchen als Vertiefungen die positiven Flächen der Haarsträhnen.<br />
Marcade schrieb vollkommen unbegründet über die Vorgehensweise des Bildhauers an dieser Plastik, daß<br />
dieser lediglich immer feinere Spitzmeißel verwendete, um bis zur beinahe vollendeten Form vorzudringen.<br />
D aß der Bildhauer jedoch etliche<br />
..<br />
Werkzeuge benutzte, um die<br />
.<br />
Büste bis zu diesem Arbeitsstadium<br />
ZU fertigen, hat die Rekonstruktion d~ Fe~tlgungsprozessesgezeIgt. ~u~h, daß der Flachmeißel bei der<br />
Bearbeitung keine Anwendung fand, Ist wie klar aus der obigen detaillierten Beschreibung hervorgeht,<br />
keineswegs plausibel.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren verschieden großer Spitzmeißel al.. lange Furchen auf d~r Rückseit:, aufden Flanken, aufder Vorderseite<br />
im unteren Ted und aufder 1.. Seite des Kopf:s; Zahnelsenspuren Im Haar, Gesicht, Bart und auf<br />
dem Hals als parallel verlaufende Streifen un~ als ~eme, punktförmige Eintiefungen, die nebeneinander<br />
liegen; die einzelnen Haarbüs~hd.aufder.r. Seite :elgen..sowo~l nebeneinanderliegende lange Eintiefungen<br />
des Zahneisens, die von dem m einem spItzen Wmkel über die Oberfläche des Steins geführten Werkzeug<br />
herrühren, als auch kleine, sich aneinanderreihende punktförmige Vertiefungen, die von dem senkrecht<br />
95<br />
154 s. zum FO die vorläufigen Berichte in: BCH 59.1935. 299f.; BCH 60. 1936,483; BCH 85. 1961. 911fT.; BCH 86. 1962.<br />
967fT.; Ph. Bruneau , j. Ducar, Guide de Dolos'(1983) Nr. 124.<br />
155s. zur Datierung Mareade.<br />
•
96<br />
zur Oberflache des Marmors gehaltenen Werkzeug stammen. Spuren des Flach- und Rundmeißels in<br />
Form von sanften Eintiefungen im Haar über der Stirn, auf dem Hals und als Kontur des Gewandes.<br />
Lit.:<br />
Mareade 1969, 10GTaf. 4.<br />
Die sog. Gebäudegruppe 0<br />
92. Frauenbüste* (Taf. 57 a, b. c)<br />
Delos, Mus. lnv. Nr. A 4268<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die Büste einer mit Chiton und Himation bekleideten Frau. Die Oberfläche ist verwittert; der Marmor<br />
ist stellenweise, vor allem im Gesicht, bräunlich verfärbt und in größeren Stücken fortgesplittert, so an<br />
beiden Seiten des Halses, auf der r, Schulter, auf der 1. Brustpartie und auf dem Rücken. Die Nase und<br />
der rechts von dem KopfherabhängendeTeil des Gewandes sind bestoßen. Die Unterseite zeigt eine feine<br />
Pickung durch den Spitzmeißel.<br />
FO:<br />
Delos, aus der sog. Gebäudegruppe 0 156<br />
Mat.:<br />
weißer feinkörniger Marmor<br />
Maße:<br />
H 0,48 m; B 0,51 m; T 0,30 m<br />
Dat.:<br />
2. I 1. Jh. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadium.s:<br />
Die Büste zeigt ein fortgeschrittenes Stadium der Fertigung gleichermaßen auf Vorder- und Rückseite<br />
sowie den Flanken. Sie verblieb größtenteils in der Phase der Zahneisenarbeit, wobei die Bearbeitung des<br />
Gesichtes ein wenig fortgeschrittener ist. Lediglich auf der r. Kopfseirezeigt eine in Höhe der Wange liegende<br />
Partie noch die Arbeit mit dem Spitzmeißel, die rundherum bereits mit dem Zahneisen übergangen<br />
wurde. Die diffetenzierte Gestaltung des Gewandes erfolgte mit dem Zahneisen, welches der Bildhauer<br />
unterschiedlich einsetzte: Die Falten gestaltete er vor allem durch lange Furchen eines in einem spitzen<br />
Winkel zur Oberfläche geführten Werkzeuges. Die Faltenränder markierte er durch kleine Eintiefungen,<br />
die von den einzelnen Zähnen des Meißels stammen, indem er das Zahneisen senkrecht auf die SteinoberRäche<br />
schlug. Durch unterschiedliche Strichrichtungen setzte er die einzelnen Faltenzüge voneinander<br />
ab, wie es deutlich auf der Vorderseite zu sehen ist. Breite und gleichsam sehr tiefe Einschnitte trennen<br />
das Gesicht und den Hals vom Gewand, welches den Kopf verhüllt. In dem r. Einschnitt ist die Spur des<br />
laufenden Bohrers zu sehen. Der 1. Einschnitt hingegen läßt nicht mehr erkennen, wie der Bildhauer den<br />
Marmor herausgelöst hatte. Im Gesicht, das er zuvor mit einem groben Zahn eisen geformt hatte, glättete<br />
der Steinmetz hernach die Partien der Augen und eines sich darüber befindlichen schmalen Streifens<br />
sowie das Kinn. Beiderseirs des Gesichtes in Höhe der Ohren, deren Gestaltung noch gänzlich vernachlässigt<br />
wurde, befinden sich circa 1 cm breite Abarbeitungen. Während die r. Vertiefung oben in einer<br />
156s. zum Fundort: E. Ardaillon, BCH 20, 1896, 428ff. Taf. 2. 3 (hier als Gebäudegruppe 0 bezeichnet. Die Gebäudegruppe<br />
umfaßr den Laden A von [arde): P.jeuquer. BCH 23, 1899, 56ff; A. jarde, BCH 29, 1905, 6ff Taf. 5. 8. Von Mareade als<br />
"Quartier marchand" bezeichnet.<br />
Rundung abschließt und daher den Einsatz des Rundmeißels nahelegr, endet die 1. Vertiefung in einer<br />
geraden Kante und istfolglich vermutlich mit einem Flachmeißel herausgearbeitet worden. Der Abscbluß<br />
der Frisur liegr an der 1. Vorderseite des Kopfes schon wesentlich höher als die an der r., an welcher der<br />
Bildhauer den Marmor noch weiter nach oben hätte fortmeißeln müssen.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Trotz Verwitterung des Marmors sind die Spuren eines groben Zahneisens in Form von langen, parallel<br />
verlaufenden Furchen klar im Gesicht und auf dem gesamten Gewand zu erkennen. Punktfärmige Vertiefungen<br />
bezeichnen die Faltenränder. Auf dem Hals befinden sich breite, im oberen Teil waagerecht<br />
und im unteren Teil in einem Halbkreis verlaufende Streifen eines groben Zahneisens. Auf der Rückseite<br />
lassen sich die Spuren eines in kurzen Schlägen über die OberRäche getriebenen Zahneisens beschreiben.<br />
Auf der r. Kopfseite in Höhe der Wange befinden sich noch die Furchen des Spitzmeißels und in<br />
der r. Vertiefung zwischen dem Hals und dem Himation die Spur des laufenden Bohrers. Die Spur des<br />
Rundmeißels beschreibt als Eintiefung die r, Gesichtskontur, die des Flachmeißels als Vertiefung die I.<br />
Gesichrskontur.<br />
Lit.:<br />
A. ]arde, BCH 29,1905, 1GNr. 2 Abb. 2; Blümell927, Kat. Nr. 17 mit ält. Lit.; Mareade 1969, Taf. 9;<br />
]. V. Harward, Greek Domeseie Sculpture and rhe Origins ofPrivate Art Patronage (1982) 169 Kat. Nr.<br />
35; Kreeb 1988, Kat. Nr. S 55. 2.<br />
Haus B, Insula IV, Theaterviertel<br />
93. Zisternenmündung* (Taf. 54 c)<br />
Velos, Haus B, Insula IV, Theaterviertel<br />
Erhaltungszustand:<br />
Die OberRäche ist sehr verwittert und der obere Rand bestoßen; von der Girlande sind Stückehen weggesplittert.<br />
FO: .<br />
Delos, Theaterviertel, Insula IV, Haus B, Im Hofdes Hauses<br />
Mat.:<br />
weißer Marmor<br />
Maße:<br />
H 0,72 rn; Durchmesser O,GO m<br />
Vat.:<br />
2 I 1. Jh. v, Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitss.mdium.s:. . .<br />
Die Zisternenmündung weist v:rschl~dene ~tadlen der Fertlg~ng auf. Z~nächst bossierte der Steinmetz<br />
deren Gesamtform mit dem Spltzmel~el. DIesem At~elrs~chfltt folgte die Bossierung der Girlande, die<br />
it dem Spitzmeißel grob anlegte, indem er das die Girlande umgebende Material fortspitzte. Dann<br />
ere~e er das obere und untere Profil bis hin zur Glättung fertig. Dem schloß sich die Ausarbeitung des<br />
;elieffeldes an. Während. die Girlande mit ~en Rind~rköpfen erst.in gto~en Zügen geformt ist, befinden<br />
. h die vier dazwischen hegenden Rosetten in verschiedenen Arbeitsstadien. Drei der Rosetten sind fertig<br />
:~sgearbeitet, eine.Rosette hingegen blieb als eine. in sich noch vollkommen undifferenzierte Spitzmeißelbosse<br />
stehen. Die vollendeten Rosetten haben einen Durchmesser von 0,11 rn, während die bossierte<br />
Rosene einen Durchmesser von 0,12 m aufweist, Der Steinmetz nahm also von der ersten runden Form<br />
. Zentimeter des Marmors ab. Deutlich steht der Gestaltungsprozeß der Rosetten vor Augen' Die<br />
eInen .' . '. .<br />
rund<br />
g<br />
eformte SpItzmeIßelbossewurde von dem Hintergrund durch eme breite Einkerbung des Rund<br />
97<br />
rt
98<br />
meißels abgesetzt, die noch um die fertigen Rosetten zu beobachten ist. Die sich jeweils in der Mitte der<br />
Rosette befindliche Eintiefung verweist auf den Einsatz des Zirkels, mit dessen Hilfe der Steinmetz die<br />
Blattkonturen beschrieb. Die Blätter wurden dann vermutlich mit einem Rundmeißel ausgehöhlt, mit<br />
einem Flachmeißel derailliert geformt und voneinander mit demselben Werkzeug abgegrenzt. Nachdem<br />
die Ausarbeitung der Details abgeschlossen worden war, wurde der Hintergrund mit verschiedenen<br />
Werkzeugen, deren Spuren an einigen Stellen noch zu beobachten sind, weiter bearbeitet. Oberhalb der<br />
Girlande ebnete der Steinmetz beispielsweise den Hintergrund bis zum Profil mit dem Zahneisen. Über<br />
dem unteren Profil liegt auf einer Seite ein etwa 2 an hoher Streifen. der bereits nach der Zahneisenarbeit<br />
mit Schmirgel oder Bims geglättet wurde. Die Spitzmeißelarbeit der darüber liegenden Partie, deren<br />
Spuren hier noch durchscheinen, wurde vermutlich mit dem Flachmeißel geebnet und der sich wiederum<br />
darüber befindliche Streifen zeigt Einkerbungen des Spitzmeißels, also die erste Bossierung. In diesem<br />
Fertigungsstadium verblieb die Arbeit.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren des Spitzmeißels auf der gesamten Oberfläche; Spuren des Rundmeißels als Einkerbung um die<br />
Rosetten herum; Zahneisenspuren in der unteren Partie der Zisternenmündung.<br />
Lit.:<br />
J. Chamonard, Dolos VIII 50f. Taf. 62 E Abb. 22; W. Deonna, D"los XIII 96 Nr. 268; P.M. Fraser, Rhodian<br />
Funerary Monuments (1977) 29 Anm. 151 Abb. 74 d.<br />
Funde aus den Häusern südlich der Agora der Delier und Funde nahe der Stoa Philipps V. I57<br />
94. Kopfund Oberkörper einer Statuette'<br />
Delos, Mus. Inv. Nr. A 812<br />
Erhaltungszustand:<br />
Kopfund Oberkörper einer Statuette; die Oberfläche ist verwittert.<br />
FO:<br />
Delos, aus den Häusern an der Agora der Delier<br />
Mal.:<br />
weißer Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,08 m; B 0,07 m<br />
Dal.:<br />
2. / I. Jh. v, Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitssradiums:<br />
Die Statuette befindet sich in dem Anfangsstadium der Bearbeitung. Kopf, Oberkörper und Arme des<br />
Rohlings sind in ihren äußeren Konturen grob geformt, voneinander durch sanfte Einkerbungen geschieden,<br />
aber in dieser Phase noch ohne jede Differenzierung wiedergegeben. Im Magazin des delischen Museums<br />
befinden sich zahlreichen Torsen von Statuetten, die in ähnlicher Weise vorbereitet wurden. Die<br />
Torsen - Rohlinge werden ebenso wie die Köpfe (s, Kat. Nr. 95) vorgefertigt worden sein.<br />
157 s. auch zu einem unvollendeten Daumen einer unterlebensgroßen Statue, Delos, Mus. Inv. Nr. A 830, Kreeb 1988, 32GAnm.<br />
614.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Aufgrund der Verwitterung sind keine Werkzeugspuren mehr zu erkennen.<br />
Lil.:<br />
Kreeb 1988, 326 Anrn. 614.<br />
95. Kopf einer weiblichen Statuette*<br />
Delos, Mus. Inv, Nr. A 815<br />
Erhaltungszustand:<br />
Der nach links geneigte Kopf mit Hals.<br />
FO:<br />
Delos, aUS den Häusern an der Agora der Delier<br />
Mat.:<br />
weißer feinkörniger Marmor<br />
Maße:<br />
erh. H 0,07 m; B 0,05 m<br />
Dat.:<br />
2. / 1. ]h. v. Chr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Den Kopf meißelte der Steinmetz zunächst in einer groben Form aus dem Marmor heraus, deurete die<br />
Gesichtszüge sanft an und setzte das Haar vom Gesicht auf der r. Seite des Kopfes durch eine breite Eintiefung<br />
ab, welche er mit dem Flachmeißel ausführte. Im Magazin des delischen Museums befinden sich<br />
zahlreiche Statuettenköpfe aus Marmor, die anscheinend angestückt werden sollten. Sie sind allesamt auf<br />
die gleiche Art und Weise vorbossiert worden und verblieben in diesem Stadium. Deswegen ist es naheliegend<br />
anzunehmen, daß die Statuettenköpfe als Rohlinge vorbereitet zur Verfügung standen.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die Spur des Flachmeißels in Form eines breiten Streifens ist an der r. Kopfseite unter dem Haaransatz<br />
ZUsehen.<br />
Lil.:<br />
Kreeb 1988,326 Anm. 614.<br />
96. Torso einer sandalenlösenden Apluodite*<br />
Delos, Mus. Inv. Nr, A 827<br />
Erhaltungszustand: .<br />
Erhalten sind der Unterkörper und die Oberschenkel.<br />
FO: .<br />
Delos, südlich der Agora der Delier<br />
Mal.:<br />
weißer feinkörniger Marmor<br />
Maße:<br />
H 0,096 m<br />
Dal.:<br />
2. / 1. Jh. v. Chr. . .<br />
Beschreibung des Arbeltss~diums: .. . .<br />
D' Statuette meißelte der Bildhauerlediglich in Ihrer groben Form vor, führte sie aber dann nicht weiter<br />
re Sie wurde in einem früheren Arbeitsstadium aufgegeben als die Statuetten Kat Nr 97 und 98<br />
aus. -. .<br />
99
120<br />
Dat.:<br />
2. Drittel des 2. Jhs. v. Chr,"?<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Während die Stele in ihrer Form samt Giebel fertiggestellt wurde, blieb das Bildfeld unvollendet. Der<br />
Reliefhintergrund ist noch sehr unregelmäßig und die Figuren - ein mit Mantel bekleideter, in der I. Hand<br />
eine Rolle haltender Mann, einer I. von ihm stehenden Frau die r. Hand reichend, I. hiervon eine weitere<br />
Frau - sind in Aachem Relief vorgemeißelt. Über den Personen wurden auf der Simsleiste ein Pferdekopf<br />
eine Schlange, ein Vogel und zwei Kästchen eingeritzt. Pfuhl sieht auf der Simsleiste einen Pferdekopf,<br />
eine Schlange, eine Taube mit halb geöffneten Flügeln vor einem Kasten, eine Truhe. aus der ein Band<br />
herabhängt, sowie "links noch etwas wie eine flache Glocke".<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren des Flachmeißels als Vertiefungen auf den Figuren und um die Figuren herum.<br />
Lit.:<br />
R. Horn, Hellenistische Bildwerke auf Samos, Samos XlI 154f. Kat. Nr. 133 Taf. 74; Pfuhl- Möbius 150<br />
Kat. Nr. 716 Taf. 107.<br />
Sonstiges<br />
123. Marmorkrater* (Taf. 67 a, b. c)<br />
Athen, Nat, Mus. lnv. Nr. 127<br />
Erhaltungszustand:<br />
Der Krater wurde aus mehreren Stücken wieder zusammengesetzt. Die Oberflache ist sehr besroßen; der<br />
Marmor vor allem auf der Vorderseite fortgesplittert; der Kopf der Athena, Teile ihres Oberkörpers und<br />
der Schildrand sowie der Kopf und stellenweise auch die Körperpartien des Marsyas sind zerstört.<br />
FO:<br />
Athen, zuvor Sammlung Finley<br />
Mat.:<br />
weißer Marmor<br />
Maße:<br />
H 0,46 rn; Durchmesser 0,42 m<br />
Dat.:<br />
Mitte des 1. Jhs. v. Chr,<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Der Krater zeigt verschiedene Phasen der Bearbeitung nebeneinander. Der Marmor wurde zunächst mit<br />
dem Spitzmeißel abgenommen, wie es an der I. und r. Gefäßseite über dem Henkelansatz zu sehen ist.<br />
Dann ebnete der Steinmetz die Fläche mit dem Zahneisen. wie es die Rückseite des Gefaßes, die in diesem<br />
Stadium verblieb, belegen kann. Die Bearbeitung der Vorderseite ist weiter fortgeschritten als die der<br />
Rückseite. Nach der Verwendung des Zahneisens setzte der Steinmetz wiederum den Spitzmeißel ein und<br />
begann auf der r. Gefäßseite die Konturen einer nicht zu präzisierenden Darstellung herauszuarbeiten.<br />
Stellenweiseüberging er diese Oberfläche bereits mit einer Raspel und Schleifmirtel. Das erste Herausmodellieren<br />
der Konturen der übrigen Darstellung wird wohl auf die gleiche Art und Weise erfolgt sein. Bei<br />
165 ,.,Das Volumen der beiden weiblichen Figuren und die zentrifugale Bewegtheit der I. Frau" veranlassen Horn zu dieser<br />
Datierung, die von Pfuhl - Möbi us angenommen wird. Die sich unter dem Bildfeld befindliche Inschrift ist sicher später<br />
anzusetzen, obwohl nicht zu entscheiden ist, ob diese noch in die hellenistisch Zeit oder bereits kaiserzeitlich zu datieren ist,<br />
s. hierzu Horn.<br />
dieser schloß sich dann die Feinbearbeitung mit dem Flachmeißel an. dessen Spuren deutlich im Gewand<br />
der Athena zu beobachten sind und der mit kurzen Hieben über den Marmor geführt wurde. Die I. Körperkontur<br />
von Athena und der Um riß des unteren Schildrandes ist durch eine breite Einkerbung, die mit<br />
einem Rundmeißel ausgeführt wurde, von dem unregelmäßigen Reliefhintergrund abgehoben; der obere<br />
Schildrand hingegen ist im Zuge der hier schon erfolgten weiteren Bearbeitung - der Reliefhintergrund ist<br />
bereirs geglättet - mit der Kante der Flachmeißelschneide akzentuiert worden. Der von dem linken, erst<br />
grob mit einem Flachmeißel geformten Arm emporgehobene Schild zeigt deutlich die Vorgehensweisedes<br />
Bildhauers: Während der untere Teil des Schildes, der von dem Arm der Athena durch eine breite Furche<br />
des Flachmeißels abgesetzt ist. grobe Spitzmeißelarbeit zeigt, wurde der Marmor im oberen Teil in einem<br />
nächsten Schritt mit dem Flachmeißel abgearbeitet.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spitzmeißelspuren zeigen stellenweiseder Reliefhintergrund um Marsyas undAthena herum, die Henkelpartien<br />
und der untere Teil des von Athena gehaltenen Schildes; Spuren des Flachmeißels im Gewand der<br />
Arhena als Ergebnis von kurzen Schlägen sowie als Einritzung um den oberen Teil des Schildes und um<br />
die r. Körperkonrur von Athena; Rundmeißelspuren an der I. Körperkontur von Athena und am unteren<br />
Teil des Schildes; Spuren des Zahn eisens auf der Rückseite des Gefaßes. Schleifmittel, Schmirgel oder<br />
Bims. wurde für den sich r. oben neben Athena befindlichen Reliefhintergrund benutzt.<br />
Lit.:<br />
S. Karousou, Archäologisches Nationalmuseum. Antike Skulpturen (1969) 45; O. Grassinger, Römische<br />
Marmorkratere (1991) 17. 48f. 54f. 74. 142f. Kat. Nr. 2.<br />
Bauplastik<br />
124. Grabmonument: ReliefE, männliche Figur der Reliefplatte<br />
Tarent, Mus. Nat. Inv, Nr. 7836<br />
Erhaltungszustand:<br />
Fragmentarisch erhaltene Platte; erhalten sind eine Figur und möglicherweise der Ansatz einer weiteren;<br />
das r. untere Bein ist in Höhe des Knies wieder angesetzt; am Hals und neben dem r. Bein haben sich Teile<br />
des Reliefhintergrundes erhalten.<br />
FO:<br />
Tarent, Via Umbria, März 1959 während der Ausgrabung der Soprintendenza Puglia gefunden, Grabmonument<br />
aus frühhellenistischer Nekropole<br />
Mat.:<br />
lokaler Kalkstein<br />
Maße:<br />
H 0,392 m; B 0,23 m; T 0,12 m; 0 des Hintergrundes: 0,015 m<br />
Dat.:<br />
1. H. des 3. [hs, v. ehr.<br />
Beschreibung des Arbeitsstadiums:<br />
Der auf der Platte zu sehende Krieger ist nicht fertig ausgeführt, was besonders augenfällig an der Gestaltung<br />
des Kopfes ist. Dieser ist lediglich grob mit einem Rundmeißel in seinen Einzelheiten - Frisur,<br />
Gesichtszüge, Bart - aus dem Stein herausgearbeitet worden. Man vermißt die letzte Überarbeitung, in<br />
welcher der Bildhauer die Formen detailliert ausgestaltet, in sich abgerundet und geglättet hätte.<br />
Werkzeugspuren:<br />
Die Figur ist mit den Spuren einer groben Raspel bedeckt. Anzumerken ist hier, daß die OberAäche aller<br />
erhaltener Reliefs, besonders die der Figuren, lallt Carter grobe Raspelarbeit aufweist, was allerdings nicht<br />
121<br />
'*<br />
I
122<br />
unbedingt ein Zeichen der Unfertigkeit darstellt. Spuren des Rundmeißels als lange Vertiefungen auf dem<br />
Kopfund im Haar.<br />
Ut.:<br />
J. C. Carter, ReliefSculpture from the Nekropolis ofTaranto, AJA 74,1970, 125ff. Taf. 28 Abb. 3; Taf.<br />
33 Abb. 28; J. J. Pollitt. Art in the Helleniseie Age (1986) 112 Abb. 114.<br />
125. Pergamonaltar, Telephos&ies*,66<br />
Berlin, Staatl. Museen<br />
(Taf. 69; 70 a, b. Cl 71 a, b. Cl 72 a, b. Cl 73 a, b. Cl 74 a, b. Cl 75 a, b. c, d; 76)<br />
Im folgenden werden die unvollendeten, nicht aber die vollendeten Platten des Telephosfrieses behandelt.<br />
Dieser war ursprünglich an den Innenwänden des Altarhofes des Pergamonaltares angebracht!" und ist in<br />
das 2. Viertel des 2. jhs, v, Chr. zu darieren.v" Winnefeld, der ausführliehst die technischen Aspekte der<br />
Fertigung des Frieses beschrieb, sprach die Platten Nt. 5,6,8, 10, 11,20 sowie das Plattenfragment Nr.<br />
14 a als unfertig an und wies an gleicher Stelle daraufhin, daß in vielen anderen Fällen eine klare Entscheidung<br />
nicht zu treffen sei. l69Nach eingehender Betrachtung des Frieses sind der Auflistung Winnefelds die<br />
Platten Nr. I, Nr. 16 und Nr. 17 anzufügen, deren Bearbeitung ebenfalls sichtlich nicht zu Ende geführt<br />
wurde.'?"<br />
166 An dieser Stelle sei Prof. Dr. W - D. Heilmeyer, Dr. E. Schraudolph und S. Bertolin, der zu dem Zeitpunkt meiner Untersuchung<br />
Restaurierungsarbeiren arn Fries durchführte, herzlich sr für die anregenden Diskussionen und besonders S. Bertoltn<br />
für seine Geduld bei meinen Fragen gedankt. s. zu den diversen Fundorten der Planen sowie 'Zuden technischen Aspehen<br />
des Versatzes, wie Klammerbettungen. Dübellöchern und Wolfslöchern, Winnefeld. Das jeweilige Literaturzitat findet sich<br />
hinter der Besprechung einer jeden Plane.<br />
lQ s. zur Diskussion W Hoepfner, AA J989. 629; M. Kunze in: B. Andreae (Hrsg.). Phyromachos - Probleme. 31. Ergh. RM<br />
(1990) 133; W Hoepfner, M 1996. 12lf.<br />
t68 Heres 1994. s. auch zur Datierung des Pergamonaltares Th. M. Schmidr in: B.Andreae (Hrsg.), Phyromachos - Probleme,<br />
31. Ergh. RM (1990) 141ff.; Kunze a. O. 135ff.<br />
!09 Zur Unfertigkeit des Frieses s. Winnefeld 214. Zu technischen Aspekten Winnefeld 209ff. Ebenda 21 Iff. zu Werkzeugen.<br />
Srückungen, Metallzutaten sowie zur geplanten, aber nicht ausgeführten Bemalung.<br />
L70 An weiteren Stellen des Frieses sind zwar Vernachlässigungen in der Ausführung zu beobachten doch sind die Platten nicht<br />
in dem Sinne unfertig, daß deren Fertigungsprozeß vorzeitig abgebrochen wurde, s. beispielsweise den oberen Teil der<br />
Schwertschneide auf der Plane Nr. 28, der nur angelegt wurde, oder die Gestaltung des Kindes aufder Platte Nr, 12, dessen<br />
Hand nicht detailliert ausgearbeitet wurde. Oder aber auch die gelegentlich vernachlässigte Behandlung des Reliefgrundes<br />
um die Konturen der Figuren herum, s. hierzu beispielsweise die Kontur des r. Oberschenkels von Herekles auf Platte Nr.<br />
12. Diese Platten sind aber keineswegs unfertig. Auch sind die gelegentlich noch zu beobachtenden Wer.kz.eugspuren, so vor<br />
allem die Raspelspuren. welche beispielsweise noch deutlich auf den Platten Nr. 12, Nr. SO und Nr. 51 zu erkennen sind.<br />
keineswegs ein Zeichen von Unfertigkeit. Ferner sind nicht beseitigte Werkzeugspuren gelegentlich auch als Gestaltungsmittel<br />
zu interpretieren. so beispielsweise die Spitzmeißelspuren im Löwenfell auf der Platte Ne. 12 oder aber auch. wie es bereits<br />
Winnefeld beschrieb, die roh stehengelassenen Bohrfurchen um die Kamuren der Figuren. Weniger eindeutig ist allerdings<br />
die Entscheidung, ob die Platte Sehrader Nr. 3 vollendet ist. Denn es scheint, daßdas Relief mit Ausnahme der oberen Partie,<br />
auf der kleine Zweige mit Eichenblättern und eine aus diesen hervortretende undifferenaierte Marmormasse zu erkennen sind,<br />
fertiggestellt worden ist. Vgl. hierzu Winnefeld 161. Nach Winnefeld könnte man diese Bosse als Vogel deuten. Ferner sind<br />
die Blätter im oberen Teil der Platte nur eben skizziert; ob man diese allerdings noch plastisch hat ausarbeiten wollen, muß dahingestellt<br />
bleiben. Die nur grob gehackte, nicht sorgsam modellierte Rückseite der sitzenden Frau zumindest ist kein Zeichen<br />
für die Unfertigkeit der Platte. sondern eher als Unfemgkeit im Sinne einer bewußten Vernachlässigung zu inrerpretieren, da<br />
diese Partie bei der Aufstellung nicht ins Auge fiel. s. zur Platte WinnefeJd 159ff.Taf 31, 2 mit alt. Lir.: Bauchhenß-Thüriedl<br />
45ff.; Heres 1994, 857.<br />
Das vermutlich zu einer Schiffsdatstellung gehörende Fragment Nt. 14 a l7l hingegen ist derart verwittert,<br />
daß eine Aussage über eine potentielle Unfertigkeit nicht möglich ist. Es wurde aus diesem Grunde hier<br />
nicht aufgenommen.<br />
Verteilung der unfertigen Platten am Bau<br />
Die unfertigen Platten verteilen sich auf die Nordwand - so die Platten Nr, 2, 5, 6, 8, 10, 11 - sowie auf<br />
die nördliche Hälfte der Osrwand - so die Platten Nr. 16, 17,20 - des Altarhofes. Die ebenfalls unvollendet<br />
gebliebene Platte Nr. I, welche, bislang aufder nördlichen Zungenmauet angeordnet, sich in unmittelbarer<br />
Nähe zu den anderen unfertigen Reliefs befand, erscheint hingegen nach dem neuen RekonstruktionsvorschlagI72<br />
isoliert von den anderen nahe der Südostecke an der Ostmauer. Die Reliefs der Südseite<br />
sind allesamt fertiggestellt. Da sich laut Bertolin die Stemmlöchet, soweit diese vorhanden waten, an der<br />
linken Seite der Reliefplarren befanden, ist es naheliegend anzunehmen, daß die Platten ausgehend von<br />
der Südwand her aufgestellt wurden, was in Einklang mit deren Fertigungssradium steht.<br />
Material<br />
Das Material, aus welchem der Fries gemeißelt wurde, ist ein weißer Marmor mit bläulichen Adern von<br />
minderer Qualität, dessen genaue Herkunft unbekannt ist. Analysen des Materials vermochten bisher<br />
hierüber keine Aufschlüsse geben. 173 Die Platten weisen unterschiedliche Schichtungen des Marmors<br />
auf.l74<br />
Fertigung direkt am Bau m<br />
Aus der Tatsache, daß einige Platten des Telephosfrieses in unfertigem Zustand belassen wurden, schloß<br />
die Forschung bislang stets, daß der gesamte Fries direkt am Bau gefertigt wurde. So schrieb Winnefeld<br />
l7 ' in Hinblick auf das Vorhandensein und die Position der Wolfslöchet, welche sich in der Mitte<br />
der ursprlinglichen, oberen Lagerfläche befinden, daß die Platten mit Hilfe des Wolfs in unbearbeiretern<br />
t7t Das 0,47 m hohe, 0,44 In breite Fragment ist aus fünf Bruchstücken zusammengefügt, wobei ein kleiner Teil der 1. Stoßfläche<br />
erhalten ist. s. Winnefeld Nr. 14 a 171f. Taf 34. 5 mit alt. Lit.; Bauchhenß-Thüriedl 53f. 59; Heres 1994. 861. Während<br />
Winnefdd 171 einen dünnen, pfeilerartigen Gegenstand in kräftigemRelief mit abgerundeter Vorderseite beschreibt, sieht<br />
Bauchhenß-ThUriedl hier eine Säule. Vgl. zur Deutung des Fragmentes - Amme mit Orest vor einer Säule - Bauchhenß<br />
Thüriedl 53f. 59. Links des Pfeilers ist neben einem Kinderkopfmit gelockter Frisur vielleicht auch der Ansatz einer Schulter<br />
zu erkennen, r. des Pfeilers der Oberkörper eines Mannes mit gelockter und Binde aufweisender Kurzhaarfrisur. Die HaarbdIandlung<br />
und die ungeformte Partie zwischen Pfeiler und dem r. Arm des Mannes deuten nach WinnefeJd 172 auf eine<br />
unfertige Arbeit.<br />
172 s. die Zeichnung in Dreyfus - Schraudolph 16f.<br />
173 E. Schraudolph berichtete mir, daß die Annahme der Verwendung von prokonnesischem Stein sich bisher nicht bestätigen<br />
ließ. Vielmehr deuten die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen auf griechischen Inselmarmor hin. Ob es sich bei dem<br />
Material vielleicht sogar um einen nahe bei Pergamon anstehenden Marmor handelt, wie es nach Schraudolph Kasrner vermutet,<br />
soll untersucht werden.<br />
17tl Dies zeigt nach Berrclin deutlich, daß die Platten mit wenig Sorgfalt ausgewählt wurden. Denn üblicherweise werden Platten<br />
und ebenso Bauquader mit waagerechter Schichtung - d.h. im Falle der Reliefplanen mit einer im rechten Winkel zur Relieffläche<br />
verlaufenden Schieferung aufgrund der Stabilität und Bearbeitbarkeir des Marmors verwendet. Weist der Marmor eine<br />
parallel zur Rdieffläche verlaufende Schichtung auf, so besteht die Gefahr, daß der Marmor einfach fortsplittert. Bcrtolin<br />
nimmt an, daßdie Steinmetze die Planen wahllos aus großen Blöcken herausschnitten.<br />
175 Winnefeld 209. Die ursprlingliche Dicke der Blöcke betrug 0,35 - 0,40 m. Von dieser Stärke verblieb die eine Hälfte als feste<br />
Platte, während die andere Hälfte zum Relief ausgemeißelt wurde.<br />
123<br />
•
136<br />
Werkzeugspuren:<br />
Spuren des Spitzmeißels auf dem r. Fuß von Teurhras in eine Richtung auf den Hintergrund des Reliefs<br />
zulaufend.<br />
Spuren eines Flachmeißels in Form von Streifen als Ergebnis von "short chopping strokes" auf der Wade<br />
des I. Beines, an der Rückseite des I. Oberschenkels, an der Außenseite des I. Unterarmes, auf der Innenseite<br />
des I. Beines und auf dem vorderen, kantig gebildeten Um riß des r, Beines. Auf dem I. Arm von<br />
Teuthras scheinen stellenweise sanfte Streifen, das Ergebnis eines in langen Schlägen über die Oberfläche<br />
geführten Flachmeißels, noch durch. Auf der dem Betrachter zugewandten Seite des Halses Spuren eines<br />
Flachmeißels, der mit der ganzen Schneide über die Oberfläche geführt wurde, in Form von langen<br />
Streifen. Flachmeißelspur als breite seichte Vertiefung direkt unterhalb der sich oberhalb der Brust befindlichen<br />
Falten.<br />
Spuren des Zahneisens an dem Gewand auf der r, Körperflanke und auf dem Oberarm von Teuthras; Spuren<br />
des Zahneisens als parallel verlaufende, sehr feine Furchen auf dessen Stirn und ebenso auf der kleinen<br />
Partie zwischen Nase und Bartlocken und auf dem Kinn. Streifen eines Zahneisens auf der Faltenpartie<br />
des neben dem I. Knie von Teurhras befindlichen Gewandzipfels.<br />
Spuren des laufenden Bohrers in Form von Furchen um die Fußspitze des I. Fußes herum, zwischen dem<br />
I. Arm und der Flanke von Teurhras, in dessen Haar auf der I. Seite des Kopfes; um die Kontur des I.<br />
Armes herum und in den dort befindlichen Gewandfalten, in den Gewandfalten unter der I. Hand von<br />
Teurhras; zwischen dem Oberarm der Frau und dem Oberarm von Teuthras, im Haar der Frau und in<br />
den Gewandfalten auf der Bauchpartie. An diesen Stellen wutden die Bohrkanäle nicht überarbeitet. Es<br />
wurden mindesrens zwei verschiedene Bohrstärken eingesetzr, wie es beispielsweise die Falten, welche<br />
vor dem I. Ellbogen des Teurhras liegen, zeigen. In diesen stehen ein breiter und ein schmaler Bohrkanal<br />
nebeneinander. Ein starker Bohrer wurde vor allem für die Konturen genutzt, so beispielsweise für die<br />
Innenkontur des I. Ellbogens von Teurhras oder aber auch für den Umriß der linken Schulter der Frau.<br />
Ein schwacher Bohrer wurde für die Haargesralrung der Frau genutzt. Unter dem Gewand des Teuthras,<br />
das neben dem I. Oberschenkel liegt, sind zwei nebeneinander liegende, senkrecht in den Stein gebohrte<br />
Bohrlöcher zu beobachten, so daß an dieser Stelle ein kleiner Marmorsteg stehen blieb. Ein Bohrloch befindet<br />
sich zwischen Zeigefinger und Mittelfinger der I. Hand. Spuren einer Raspel in den auf die Füße<br />
der Frau fallenden Gewandfalten.<br />
Ur.:<br />
Winnefeld Nr. 20; 176f. Taf. 31, 7 mit ält. u., Heres 1970, 113f.; Bauchhenß-ThüriedI55f.; LIMC m,<br />
1 s. v. Auge Nr. 28; 49f.; LIMC III, 2 Taf. 50; Heres 1994, 860.<br />
IH. Technische und handwerkliche<br />
Aspekte des Fertigungsprozesses<br />
Jede Untersuchung über das Produktionsverfahren des griechischen Bildhauers muß allein von den werktechnischen<br />
Befunden an den Skulpturen selbst ausgehen, denn die Bildhauerarbeit kann aus Schriftquellen<br />
zur Technik heraus nicht beschrieben werden, da diese schlichtweg fehlen. Darstellungen in Malerei<br />
und Relief sind äußerst selten und helfen nicht weirer. L92 Nur an hand einer minutiösen Betrachtung der<br />
192 Generell sind Werkstarr· und Handwerksdarstellungen in Malerei und Relief eine wichtige Informationsquelle für Aussagen<br />
über das antike Handwerk. s. allgemein H. Blürnner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei den<br />
Griechen und Römern 1II (1884) 217ff.; H. Philipp, Tektonon DaidaJa (1968) 109ff. (s. die Rezension von N. Himmelmann-Wildschütz,<br />
Gnomon 42,1970, 290fT.)jJ. Ziomecki, Les represenrations d' artisans sur Ies vases atciques (1975); G.<br />
Zimmer, Römische Berufsdarstellungen (l982) 74ff.; G. Zimmer. Antike Werkstattbilder, Bilderhefte der Staatl. Museen<br />
Preuß. Kulturbesitz Nr. 42, (1982); J.Ebert u. a., Die Arbeitswelt der Antike (1984) 76ff. Allerdings sind Darstellungen von<br />
Steinmetzen und speziell von Marmorbildnern bei der Arbeit für den hier zu untersuchenden Zeitraum sehr selten. Auch<br />
informieren die auf den Vasen dargestellten Werkstanbilder häufiger über die Tätigkeit von Töpfern und Bronaebildnem, wie<br />
beispielsweise die berühmte Erzgießereischale in Berlin F 2294 (5. zu dieser G. Zimmer, Antike Werkst3ttbilder (1982) 8ff.<br />
Abb. 2 Taf I - 5: H. Büsing, AW24, 1993, 335ff.), als über diejenige von Steinbildhauern. Auf den Darstellungen der Reliefs,<br />
besonders der Crabreliefs, ist der Beruf der Handwerker in den meisten Fällen lediglich durch Angabe ihres Arbeitsgeräts<br />
bezeichnet; ein Einblick in das Treiben eines Ateliers ist hierdurch allerdings nicht zu gewinnen. Auch sind Szenen aus dem<br />
Handwerk aufGrabmonumenten vor dem Beginn der späthellenistischen Zeit nicht zu belegen, s. G. Zimmer, Römische Berufsdarstellungen<br />
(I 982) 79. Als Darstellungen in der Malerei sind die folgenden zu nennen: Aufeinem korinthischen Tontäfdchen<br />
ist ein Bildhauer vor einem Relief dargestellt, s. AD 11891 TaE 8, 20; H. Philipp, Tektoncn Daidala (1968) III Nr.<br />
37; s. allgemein zur Darstellung auf den protokorlnthischen Votivpinakes G. Zimmer, Römische Berufsdarstellungen (1982)<br />
74. Eine frühklassische Schale gewährt einen Blick in die Werkstatt eines Bildhauers, in der auch Athena Ergane zugegen ist.<br />
Der Bildhauer selbst bearbeitet mit Hammer und Meißel ein Pferd aus Marmor, dessen Ausführung fast vollendet ist. Die<br />
am 1.und r. Bildfeld befindlichen Personen, mit reichen Gewändern bekleidet und in ihren Händen Spazierstöcke haltend,<br />
sind als Besucher der Werkstatt zu interpretieren, die mit Interesse das Treiben des Bildhauers verfolgen. s. Ziomecki a. o.<br />
Kat. Nr. 34 Abb. 33; H. Philipp in: Polyklee. Der Bildhauer der griechischen Klassik. Ausstellungskatalog Frankfurt (1990)<br />
517 Kat. Nr. 16 mit weit. Ur. Das InnenbiId einer rotfigurigen Schale aus der Zeit um 520/10 v. Chr. in Kopenhagen zeigt<br />
einen sitzenden Bildhauer, der mit einem Meißel eine kleine Herme bearbeitet. Diese befindet sich in schräger Werkposition<br />
und wird von dem Bildhauer mit seiner linken Hand gestürzt. Ziomecki vermag jedoch nicht zu entscheiden, ob es sich um<br />
eine Herme aus Bronze, Stein oder Holz handelt. Eine eindeutige Interpretation ist z.warnicht möglich, doch könnte es sich<br />
durchaus um eine Herme aus Stein handeln. s. Ziomecki a. O. 110f. Kat. Nr. 20Abb. 32. Vgl. auch das rotfigurige Vasenbild<br />
mit der Darstellung eines Steinmetzen, der eine dorische Säule bearbeitet, s. H. Philipp, Tektonon Daidala (1968) 112 Nr.<br />
40. Vgl. zur enkaustischen Bemalung einer Statue die Darstellung aufeinem apulischen Kolonettenkrarer aus dem 4. Jh. v.<br />
Chr. TrendallRVAp1266 Nr. 47; Palagia 1987, 88. s. allgemein zu Handwerksdarstellungen aufVasenbildern G. Zimmer,<br />
Römische Berufsdarstellungen (1982) 76f. 79. Zu Darstellungen in Relief: s. die Darstellung eines Steinmetzen in der Grotte<br />
von Vari, die in das 4. Jh. v, ehr. zu datieren ist. Hierzu s. G. Zimmer, Römische Berufsdarstellungen (1982) 76; Floren 1987,<br />
177 Anm. 13 mit Lir.; s. die hellenistisch - römische Grabstele aus Philippi, aufder ein Steinmetz. dargestellt ist, der aufeiner<br />
Fußbank steht und wahrscheinlich mit Hammer und Meißel ein Steingefäß bearbeitet. Dieses steht auf einem TIsch. Hierzu<br />
s. D. Lazaridis, ADeit 17, 1961/62,240 Taf. 287 g; G. Zimmer, Römische Berufsdarstellungen (1982) 78. s.auch die Grabstele<br />
des Metistokles, Sohn des Philornousos aus dem 2. 11. ]h. Y. ehr. im Museum von Chalkis. Der Bildhauer sitzt aufeinem<br />
Hocker und bearbeitet mit Hammer und Meißel einen großen steinernen Krater. Zu dieser s. zuletzt G. Zimmer, Römische<br />
Berufsdarstellungen (1982) 78 Anm. 497 und 498 mit Lit. s. auch den vor einem noch zu vollendenden korinthischen Kapitell<br />
sitzenden Steinmetzen auf dem Grabrelief in Istanbul, Arch. Mus. Inv, Nr. 3860 aus dem 2. jh. v. Chr, Zu diesem s.<br />
Pfuhl- Möblus 1.11217. 288 Nr. 832 Taf. 176. s. auch das Totenmaltlreliefin Istanbul, Arch. Mus. Inv. Nr. 222 aus dem I.<br />
Jh. v. Chr., in dessen oberer Bildleiste sich Hammer, Zirkel, Doppelaxt und Kelle befinden. Zu diesem: Pfuhl _ Möbius 1. 1I<br />
288. 372 NT. 1505Taf. 176. s. auch das Weihrelief eines Bildhauers. aufdem lediglich Meißel und Schlegel dargestellt sind.<br />
Zu diesem: Blümell927, Abb. 12 mit alt. Lit.; ~Iümel 1943,24 Abb. 16; Adam 1966, 11; C. Singer u. a., The History of<br />
Technology 11(1978) 36 Abb. 25. s. dasWeihrehefvon DelosMus.lnv. Nr. 3196. Aufdiesem stehen zwei Handwerker um<br />
einen Altar herum, den sie fertigen. Der eine Künstler hält in der 1.Hand einen Meißel und in der r, erhobenen Hand einen<br />
Hammer. Der andere Steinmetz scheint mit einem Zirkel, den er über den Altar hält. Maß zu nehmen: W. Deonna, BCH<br />
56, 1932, 421ff. Taf 27; Delos XVlIl 213 Anm. 1; s. auch die Bildhauerdarstellungen auf antiken Gemmen: A. Fumvängler,<br />
«<br />
..
138<br />
an den Skulpturen abzulesenden Befunde können die einzelnen Stadien der Entstehung einer Skulptur<br />
beschrieben und handwerkliche Voraussetzungen der Skulpturenproduktion erläutert werden, wobei<br />
Analogien aus der Steinbildhauerei besser belegter Epochen und aus anderen antiken Produktionszweigen<br />
zu einem besseren Verständnis der aufdiesem Wege gewonnenen Erkenntnisse beitragen.<br />
Die detaillierte Rekonstruktion der Herstellungsvorgänge, die also zunächst von technischen Einzelbeobachtungen<br />
auszugehen hat, bilder die Grundlage fÜr jede weiterführende Aussage Über Arbeitsteilungen<br />
im Fertigungsprozeß und somit Über den Aufbau und die Organisation der Bildhauerateliers. Das Produktionsverfahren<br />
für die archaische, klassische und hellenistische Epoche differenziert zu betrachten,<br />
bedeutet allerdings Grundtendenzen der Fertigung aufzuzeigen, die sicher nichr [iir die jeweilige Epoche<br />
als allgemeingÜlrig angesehen werden dürfen. Die Vorgehensweise des Bildhauers, die Anwendung der<br />
Werkzeuge, die Erstellung von Modellen sowie deren Übertragung in Stein stehen in diesem Kapitel zur<br />
Diskussion.<br />
Ausgehend von den an den unfertigen Skulpturen erfolgten Beobachtungen wird die kritische Betrachtung<br />
der Ergebnisse C. Blümels und S. Adams, deren Hauptaugenmerk bekanntlich auf die technischen<br />
Aspekte des Fertigungsprozesses gerichtet war, ein weiteres Anliegen dieses Kapitels sein. 193<br />
III. 1 Die Vorgehensweise des Bildhauers im Fertigungsprozeß<br />
Eine Untersuchung der unfertigen Skulpturen unter dem Aspekt ihrer Fertigungstechnik und hierbei vor<br />
allem in Hinblick auf die Vorgehensweise des Bildhauers, läßt schnell erkennen, daß man die Vorgehensweise<br />
des Bildhauers nicht beschreiben kann. Es gibt weder für die archaische und klassische noch<br />
fÜr die hellenistische Zeit ein verbindliches Schema, in das sich alle Werke hineinpressen ließen. Der<br />
Individualität eines KÜnstlers oder auch einfachen Handwerkers unterliegt die Vorgehensweise und sogar<br />
die Anwendung der aus praktischen Erfahrungen heraus gewonnenen technischen Errungenschaften der<br />
jeweiligen Epoche. Die für die verschiedenen Epochen charakteristischen Grundtendenzen der Vorgehensweise<br />
herauszukristallisieren und so das jeweilige technische Know-how zu beschreiben, wird das Ziel<br />
der folgenden Ausführungen sein, die sich zunächst auf die Fertigung von Einzelskulpturen konzentrieren.<br />
191<br />
In der archaischen Zeit fand ein Großteil der bildhauerischen Tätigkeit im Steinbruch statt. Zahlreiche<br />
aus den Brüchen oder aus deren unmittelbarer Nähe stammende Skulpturen gestatten eine detaillierte<br />
Rekonstruktion der Arbeitsabläufe in den Anfangsstadien der Bearbeitung. Unabhängig von ihrer Größe<br />
wurden sie dort bis zu einem manchmal erstaunlich weit fortgeschrittenen Stadium gemeißelt, wobei<br />
nicht nur der Grad der Fertigstellung erheblich variieren kann, sondern auch die Vorgehensweise bei<br />
der Bossierung. ' 95 Aus klassischer und hellenistischer Zeit stehen fÜr eine Interpretation der rechnischen<br />
Befunde zwar Skulpturen in analogen Arbeitssradien zur Verfugung, doch besitzen wir bis heute keinen<br />
gesicherten Beleg aus diesen Epochen, der daraufhinweisen würde, daß diese Arbeit in den Steinbrüchen<br />
durchgeführt wurde.l'"<br />
Die Anfangsstadien der Fertigung, ausgehend vom Block bis hin zu der in allen wichtigen Körperteilen<br />
bossierten Statue, lassen sich anhand der archaischen Skulpturen in vier Phasen unterteilen, wobei Überschneidungen<br />
der letzren drei Bearbeitungsstadien durchaus möglich sind: Aus einem sich durch Flächen<br />
und Kamen auszeichnenden Rohling, dem ersten groben Entwurf der gesamten Skulptur, gestaltete der<br />
Bildhauer die äußere Silhouette des menschlichen oder auch tierischen Körpers, wie es die Kouroi Kar.<br />
Nr. 1 (Taf. 1) und Kar. Nr. 8 (Taf. 5 b), die Koren aus Eretria Kat. Nr. 22 (Taf. 14 a) und aus Knidos Kat.<br />
Nr. 21 (Taf. 17 a, b) sowie die Gewandfigur Kat. Nr. 17 (Taf. 7 a. b) illustrieren, bei denen sich die Formen<br />
bereits runden.U" In der nächsten Phase, welche die Kouroi Kat. Nr, 10 (Taf. 7 c; 8 a. b. c), Kar. Nr.<br />
13 (Taf. 11 a. b. c), die Dionysosstatue Kat. Nr. 18 (Taf. 78) und der samische Löwe Kar. Nr. 30 (Taf. 18<br />
a) dokumentieren, wandte er sich der Gestaltung der einzelnen Körperglieder zu, die wiederum als erstes<br />
in ihren Umrissen ausgebildet wurden. Sukzessive nahm der Bildhauer um die ganze Skulptur herum eine<br />
Schiehr nach der anderen ab, bis sich die Gestalt der Plastik deutlich in ihren Einzelformen abzeichnete.'?"<br />
In der sich anschließenden vierten Phase wurden die Körperglieder und Einzelformen weiter ausgeführt,<br />
bei einigen Statuen mußten nur noch wenige Zentimeter des Marmors bis zur endgültigen Oberfläche<br />
entfernt werden, In diesem Stadium der Fertigung befinden sich beispielsweise die Kouroi Kat. Nr. I (Taf.<br />
1), Kar. Nr. 11 (Taf. 9 a. b. c) und Kat. Nr, 12 (Taf. 10 a, b. C).'99 Charakteristisch für diese Vorgehensweise<br />
des Bildhauers ist das von allen vier Seiren erfolgende Herangehen an die Skulptur und das langsame<br />
Herauslösen der Formen aus dem Stein mit dem Spitzmeißel, die den archaischen Skulpturen zumindest<br />
in diesem frühen Arbeitsstadium ein uniformes und organisches Aussehen verleihen. Das gleiche VOtgehen<br />
begegnet uns auch in der klassischen und hellenistischen Zeit, wie es an dem aeginetischen Torso<br />
Kat. Nr, 41 (Taf 23 a. b), der delischen Sphinx Kat. Nr. 73 (Taf. 47 a. b. c, d) oder dem Kopf Kat. Nr.<br />
113 (Taf. 65 a. b. c) zu beobachten ist, die ebenso wie die archaischen Skulpturen von allen Seiten bis zu<br />
einem weit fortgeschrittenen Stadium allein mit dem Spitzmeißel gefertigt wurden.<br />
Die der soeben beschriebenen Bossierung folgende Ausgestaltung der Skulpturen unterliegt dann allerdings<br />
anderen Regeln: Der Bildhauer widmete sich nicht mehr allen vier Seiten gleichzeitig, sondern<br />
arbeitete schrittweise einzelne Partien des Körpers und Detailformen heraus, die er erst am Ende des<br />
Fertigungsprozesses zu einem ausgewogenen Ganzen zusammenschloß. Das Arbeitsprinzip der weiteren<br />
Ausführung beruhte (I) auf dem Glätten der durch die Spitzmeißelarbeit aufgerauhten Oberfläche, (II)<br />
der detaillierten Anlage von Einzelformen, die in archaischer und auch klassischer Zeit vor allem mit dem<br />
Spitzmeißel, in der hellenistischen Epoche dann aber hauptsächlich mit dem Bohrer durchgeführt wurde,<br />
139<br />
Beschreibung dergeschninenen Steine im Antiquarium, Berlin (1896) Nr. 451- 456;4650;7680- 90.Vgl. dieDarstellung<br />
auf klassischen Gemmen, die mir einem Lot messende Bildhauer zeigen, so die Darstellung eines Bildhauers, der mit Lot<br />
und Stäbchen in den HändenvoreinerHermeSteht, s. Blümel 1927.27 Abb. 2; Blümel 1943.47 Abb. 34 und ferner die<br />
Darstellung eines Bildhauers, der mit Loten und einem Modellierstabcheu vor seinem Modell steht. Zu dieser: Blümell 927,<br />
27Abb. 7; Blümel1943. 47 Abb. 35.s. beispielsweise auchdieGemmen, diedie Benutzung desBohrers illustrieren: Blümel<br />
1927, 15 Abb. 2; Casson 1933,203 Abb. 81. s. ferner zu einigen römischen Exemplaren: G. M. A. Richter, Cataloguc of<br />
Engraved Gems.Creek, Etruscan and Roman(1956) 97 Nr.434- 437Taf.54.s.auchdieDarstellung eines Bohrers aufder<br />
PlatteNe.5 des Telephosfrieses unter Kat. Nr. 125 mir Ln.<br />
193 BJümell927; Blümel 1943;Adam1966.s. auchdas Kap. I. I ..DieFertigung vonSteinskulpturen. Kurzer Überblick über<br />
die Porschungsgeschichre", S. zff.<br />
194Zur Fertigung von Duplikaten oder Serien s. das Kap. III. 3 ,.Modelle und deren Übertragung in Stein", S. 173. 182. 184.<br />
t95 s. dasKap. IV: 2. 3 "DerSteinbruch alsFertigungsplatz von Skulpturen".<br />
t96 s. das Kap. IV.2. 3 "Der Steinbruch als Fertigungsplatz von Skulpturen", S. 218f.Es könnte aberdurchaus sein.daß die<br />
Skulpturen im Steinbruch bossiert wurden.<br />
197 Es ist zu vermuren, daß die beiden Kore~ bis zu die~em Stadium der Bearbeitungim Steinbruchgefertigtwurden, obgleich<br />
sie nicht aus den Brüchenstammen;s. die Angaben Im Katalog.<br />
t98 s. auchBlümel 1927.4; Blümel 1943, 16.Beiden Kouroi blieben dasGeschlechtsteil und die Glutaen zunächst als Bosse<br />
stehen und vermittelnso eine ungefahre Vorstellung von der bereitsabgearbeiteten Stärkeder Marmorschicht<br />
199 Nach dieser eigentlich aus mehreren Schritten bestehenden cersten" Bearbeitung wurden die Skulpturen, wie es auf dem<br />
Transport iiegengebliebene Statuen(5.Kat.Nr. 11, Kat. Nr. 12 und Kat. Nr. 13) belegen,zur endgültigenAusführungan uns<br />
für diearchaische Zeit nochunbekannte Fertigungsplätze gebracht. s.die Kap. IV:2 "DerTransport und dieAufstellung der<br />
Skulpturen", S. 222ff. und Kap. IV:3. 2 "Werkstätten archaischer Zeit",S. 242f.<br />
..
140<br />
(III) der Ausarbeitung der Einzelformen mit feinen Meißeln oder auch Bohrern und schließlich (IV) der<br />
Beseitigung der Werkzeugspuren mit Schleifmitteln wie Schmirgel oder Bims. Dieses Arbeitsprinzip behielt<br />
in allen griechischen Epochen, allerdings mit geringfügigen Modifikationen, wie es bereits angedeutet<br />
wurde und im folgenden zu zeigen sein wird, seine Gültigkeit. Doch muß man sich hierbei immer vor<br />
Augen halten, daß die Individualität des Bildhauers den Fortgang der weiteren Ausführung bestimmte.<br />
Da der besondere Fertigungsprozeß einer jeden Skulptur bereits im Katalog beschrieben wurde, soll an<br />
dieser Stelle nur kurz dieses Arbeitsprinzip anhand ausgewählter, zeitlich aufeinanderfolgender Beispiele<br />
erläutert werden.<br />
Der Arbeitsablauf an dem milesisehen Löwen Kat. Nr. 28 (Taf. 18 b) ist von der ersten Gestaltung bis<br />
hin zur Vollendung einzelner Partien zu rekonstruieren: Wie die Löwen Kat. N r. 30 (Taf. 18 a) und Kat.<br />
Nr. 29 (Taf. 17 d) wurde er zunächst mit dem Spitzmeißel in seiner Grundform bossiert. In dem folgenden<br />
Arbeitsgang ebnete und modellierte der Bildhauer die durch die Spitzmeißelarbeit aufgerissene<br />
Oberfläche mir einern Breiteisen, wie es deutlich an der in diesem Stadium der Fertigung verbliebenen<br />
Rückseite der Skulptur abzulesen ist. Daraufhin gestaltete er mit feinen Meißeln detailliert das Gesicht,<br />
die Mähne und die Gliedmaßen, deren Oberflächen er anschließend mit einer Raspel überging. Mähne,<br />
Gesicht und die vordere Körperpartie dürfte er hernach mit Schmirgel oder Bims geschliffen haben. Der<br />
Widdemäger aus Thasos Kat. Nr. 16 (Taf. 12 a. b. c) ist für eine Beschreibung der Vorgehensweise des<br />
archaischen Bildhauers ebenso aufschlußreich. Denn während er den Körper und dessen einzelne Glieder<br />
in der ersten Phase der Gestaltung beließ, für die er zu Spitzhammer und Spitzmeißel griff, führte er<br />
die Frisur bereits detailliert mit feinen Meißeln aus, wobei er aber in diesem Stadium zunächst noch auf<br />
die Glättung des Haares mit Schleifmitteln verzichtete.'" Auch an der Kore Kar. N r. 19 (Taf. 13 a. b. c)<br />
lassen sich die einzelnen Stadien der Fertigung nachvollziehen, da sowohl die Hände als auch die von der<br />
rechten Hand angehobene Partie des Schtägmäntelchens weitet ausgeführt wutden als die übrigen Partien.<br />
Diese verblieben in der ersten ModelIierung. Grob formte der Steinmetz die Figur, wobei besonders<br />
an den Händen der Übergang von der groben Grundform, welche die linke Hand zeigt, zur feineren, so<br />
die rechte Hand, zu beobachten ist. Der Bildhauer ebnete deren aufgerauhte Oberfläche, nahm einen<br />
feinen Meißel zur Hand und arbeitete den Daumen heraus. Einen Eindruck von dem Fottgang der Fertigung<br />
vermittelt die Kore Kat. Nt. 24 (Taf. 16 a. b. c. d), deren Ausführung weiter fortgeschritten ist.<br />
Denn nachdem der Bildhauer die Skulptur vormodelliert und nachfolgend die Oberfläche des Marmors<br />
geebnet harre - die erste Phase dokumentieren beispielsweise die Füße samt Knöchel und die zweite Phase<br />
die Oberarme -, legte er die Gewandfalten mit einem feinen Eisen an und ging gerade dazu über, diese<br />
detailliert auszugestalten.<br />
Besonders interessant für eine Rekonstruktion des Fertigungsprozesses erweist sich die in das 4. Jh. v. ehr.<br />
zu datierende Statuette Kat. Nr. 52 (Taf. 26 a. b. C).'OI Sie illustriert ein Nebeneinander verschiedener<br />
Arbeitsstuten. angefangen von grober Spitzmeißelbosse bis hin zu vollendeten Partien. Während auf der<br />
Vorderseite der Skulptur die Schultern, die Ansätze der Arme sowie der Kopf samt Hals noch die feine<br />
Spitzmeißelbossierung aufweisen und somit die erste Phase der Fertigung dokumentieren, in welcher der<br />
Bildhauer die Skulptur in ihrer Grundform aus dem Stein herausmeiße!te, ließ er aufder Brust der Spitzmeißelarbeit<br />
bereits die Flachmeißelarbeit folgen. Die Bauchpartie. die Flanken in Höhe des Beckens<br />
sowie die Beine überging er im Anschluß mit einer Raspel, wobei der rechte Oberschenkel aufseiner Vorderseite<br />
nachfolgend bereits mit Schmirgel oder Bims geglättet wurde. Aufder Rückseite verblieb die Ausführung<br />
der Beine in der Spitzmeißelbosse, während der Bildhauer die Partie von den Cluräcn bis hinaufzu<br />
den Schultern in einern nächsten Arbeitsgang mit einem Zahneisen überarbeitete, aber in diesem<br />
Stadium der Fertigung beließ. Die an den Außenseiten der Beine stehengebliebenen Marmorgrare verstärken<br />
zusätzlich die schon durch die Bearbeitung abzulesende Differenzierung von Vorder- und Rückseite.<br />
Der an dieser Statuette abzulesende Fertigungsprozeß folgt zwar dem oben dargestellten Arbeitsprinzip,<br />
ist aber, wie es Eckstein'" bereits deutlich formulierte, so gestaltet, daß die Rückseite von Anfang an als<br />
nicht so weit auszuführende Seite behandelt wurde. Hierdurch sind letztendlich die unterschiedlichen<br />
Stadien der Fertigung von Vorder- und Rückseite bedingt. Da die vernachlässigte Gestaltung der Rückseiten<br />
von Skulpturen in diesem Jahrhundert häufig zu beobachten iSt"03, wird das an dieser Statuette<br />
erkennbare Vorgehen, obgleich es sich um eine kleinformatige Plastik handelt, auf die Fertigung dieser<br />
Skulpturen zu übertragen sein.<br />
Die Rekonstruktion der Arbeitsabläufe an der späthellenistischen sitzenden Grabstatue Kat. Nr. 70 (Taf.<br />
41; 42; 43), der Frauenbüste von Rheneia Kat. Nr. 71 (Taf. 39 d; 40 a. b. c), der männlichen Büste Kat.<br />
Nr. 91 (Taf 56) sowie an der Büste von Delos Kat. Nr. 92 (Taf. 57) läßt auch an diesen Statuen das<br />
oben dargestellte Arbeitsprinzip erkennen. Doch ist an diesen eine andere Gestaltungsweise festzustellen,<br />
die das äußere Bild der Statuen verändert und nicht zuletzt auf den gewandelten Einsatz der Werkzeuge<br />
zurückzuführen ist, den es im folgenden Kapitel detaillierter zu beschreiben gilt.'o' Die Sitzfigur Kat. Nr.<br />
70"5 (Taf. 41; 42; 43) fertigte der Bildhauer gleichsam von allen Seiten bis zu einern weit fortgeschrittenen<br />
Stadium. Der Kopf samt Hals wurde in einer sehr frühen Phase der Bearbeitung eingesetzt und<br />
daraufhin gemeinsam mit dem Körper gestaltet. Nachdem der Steinmetz den Kopf in seiner Grundform<br />
mit einern Spitzmeißel bossiert hatte, wie es die noch auf der Oberseite des Kopfes erhaltenen Spuren<br />
dieses Werkzeuges bezeugen, ebnete und modellierte er zugleich die ehemals unregelmäßige Fläche mit<br />
einem groben Zahneisen (Taf. 41 b. c). Zunächst in der gleichen Vorgehensweise gestaltete er den Körper<br />
und das Gewand und vertiefte dann in dem folgenden Schritt einige der Gewandfalten mit Hilfe des laufenden<br />
Bohrers. Dies belegen das über den linken Oberschenkel herabfallende Mäntelchen (Taf. 42 a. d)<br />
sowie die Falten an der linken Hüfte (Taf. 42 a) und zwischen den Beinen (Taf. 42 c), wobei der unterste,<br />
sich an der linken Flanke befindliche Gewandzipfel noch die Arbeit mit dem Spitzmeißel zeigt. Besonders<br />
deutlich ist der Übergang von der Spitzeisenarbeit zur Zahneisenarbeit auf der Innenseite des rechten<br />
Fußes zu sehen (Taf. 43 b). In langen Schlägen trieb der Bildhauer das Zahneisen über den Marmor, um<br />
die Oberfläche des Gewandes und der sichtbaren Körperteile zu glätten. Hernach griff er zum Flachmeißel<br />
und führte detaillierter bereits Augen und Lippen sowie die Gewandfalten zwischen den Beinen aus.<br />
In diesem Stadium der Fertigung, in welchem die letzte Überarbeitung der Details und die endgültige<br />
Glättung der Oberfläche noch fehlen, verblieb die Skulptur. Die beschriebene Vergehensweise und die<br />
Technik, die Werkzeuge in langen Schlägen über die Oberfläche des Steines zu fuhren, ermöglichte ein<br />
sehr schnelles Meißeln. Offensichtlich beabsichtigte der Bildhauer, seine Skulptur zügig fertigzustellen.<br />
141<br />
200 Die Ausarbeitung von Attributen,sofernsie nicht angestücktwurden, warin den Fertigungsprozeß der gesamtenStatue integriert,wie<br />
es in diesem Falldie Gesrnlrungdes'\('idderszeigt.Generell wurdenAttriburejedoch erst nachdem Transport aus<br />
den Steinbrüchen gefertigt,daeine detaillierteAusarbeitung zu viele Gefahrenbei dem bevorstehendenBewegen barg.Vgl.<br />
auchdasAttribut, welchesdie Dionysossratue Kat. Nr. 18 in ihrer r. Hand hallenwird und welchesim Steinbruch ebenso<br />
wie die ganze Skulptur nurgrobbossiert wurde.<br />
201 s. auchdie: ausführliche Darstellung des Fertigungsprozesses von F.Eckstein, Städd]b N.F.3, 1973. 43fT.<br />
202 Eckstein a. O.<br />
203 Vgl.Adam 1966, 15f.:Th.E. Kalpaxis, Hemireles (1986) 16Anm. 111.Zu weiteren Beispielen s.U. Vedder; Untersuchungenzur<br />
plastischen Ausstattung aniseher Grabanlagen des4. [hs. v. ehr. (1985) 276f. Kat.Nr. S I, S 6,S7: 287Kat.Nr.T<br />
19. Zur teilweise odergänzlich vernachlässigten Ausführung der RUckseiten in hellenistischer Zeit s. z. B. R.Kabus-Preißhofen,<br />
Diehellenistische Plastik der Insel Kos. 14.Beih.AM(1989) Kat. Nr. 19.21. 22. 23.25. 28. 34.39.40.47.51. 54.58.<br />
59.66:s.auchR.Horn, Hellenistische Bildwerke aufSamos, Samos XlIKat.Nr. 5. 6. 28.29.<br />
204 Vgl. Blümel 1927, 17f.: Blümel 1943, 62ff.: Adam 1966,22. 36.<br />
205 s.auchdieRekonstruktion vonS.Adam: Adam 1966,I04ff.<br />
•
142<br />
Die Frauenbüste von Rhcneia Kat. Nr. 71 (Taf. 39 d; 40) dokumentiert unterschiedliche, nebeneinander<br />
stehende Arbeitsstadien, welche die Rekonstruktion des Fertigungsprozesses erlauben. Dieser begann mit<br />
der Modellierung der Büsre in ihrer Rohform, die mit dem Spitzmeißel ausgeführt wurde, wie es auf<br />
der Vorderseite der Plastik die teils durch die emporgehobene rechre Hand verdeckte Brustpartie. der<br />
aus dieser Hand herausragende Gewandzipfel sowie die Oberseite des Kopfes, auf der die Spitzmeißelarbeit<br />
noch nicht gänzlich mit dem Zahneisen übergangen wurde, illustrieren. Ebenfalls auf der Hand<br />
scheinen die Spuren dieses Werkzeuges noch durch. Auf der Rückseite ebnete der Steinmetz die gesamte<br />
durch den vorhergehenden Arbeitsschritt aufgerauhte Fläche mit dem Zahneisen. legte grob die Falten<br />
an, ließ die Bearbeitung aber erst einmal ruhen und wandte sich dann der Vorderseite der Skulptur zu.<br />
Nachdem er auch hier zunächst das Himation und das Haar sowohl mit dem Spitzmeißel als auch mit<br />
dem Zahneisen modelliert und die durch die Zahneisenarbeit gerastert wirkende OberAäche bis auf eine<br />
kleine, sich zwischen den von der linken Kopfseite herabfallenden Falten des Schleiers und den über die<br />
linke Schulter verlaufenden Falten befindliche Partie geglättet hatte, gestaltete er die Falten des Gewandes<br />
bis zu der jetzigen Form mit dem Flachmeißel und dem laufenden Bohrer. Er legte Gesicht und Hand, die<br />
durch einen kleinen Marmorsteg miteinander verbunden sind, mit dem Flachmeißel Aächig an, arbeitete<br />
die Gesichtszüge scharf mit demselben Werkzeug heraus und trennte die aufdiese Art kantig gestalteten<br />
Finger mittels des Bohrers voneinander. Um das Gewand deutlich von dem Hals abzusetzen, nahm der<br />
Steinmetz den laufenden Bohrer zur Hand und grub an der linken Seite des Halses eine tiefe Furche ein.<br />
Dann überging er zunächst mit einer Raspel die Oberfläche des Steines, wie es Stirn und Nase illustrieren,<br />
und schliffanschließend die Partien von Gesicht, Hals, den Falten zwischen Brust und Arm sowie der linken<br />
Brust. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um die endgültige Glättung, denn die Werkzeugspuren<br />
scheinen an der OberAäche des Steins noch deutlich hindurch.<br />
Auch die Büste eines Mannes Kat. Nr. 91 (Taf. 56) wurde in einem ersten Schritt mit dem Spitzmeißel<br />
in der Grundform aus dem Stein herausgelöst, wie es noch die Flanken, die Rückseite, eine größere Partie<br />
der Brust und die linke Seite des Kopfes veranschaulichen. Bereits in dieser Phase gestaltete der Steinmetz<br />
die Faltenbahnen, kennzeichnete den Verlauf des unter der Brust befindlichen Gewandes und formte grob<br />
das Haar aufder linken Kopfseite. wie es die in diesem Sradium verbliebenen Partien dokumentieren. Die<br />
durch die Spitzmeißelarbeit unregelmäßige Oberfläche des Gesichtes, des Halses, des Bartes und auch der<br />
rechten Seite des Kopfes wurden zunächst mit einem sehr groben Zahneisen geglättet und geformr, wie es<br />
besonders aufden Wangen, der Stirn und dem Hals deutlich wird, bevor er dann mit feinen Meißeln die<br />
Bearbeitung des Gesichtes, des Bartes, des Halses sowie der rechten Kopfseite weirer fortführte.<br />
Als letztes Beispiel sei die Frauenbüste von Delos Kar. Nr. 92 (Taf 57) angeführt, die besonders eindrucksvoll<br />
zeigt, wie ein grobes Zahneisen rur die schnelle Bearbeitung eingesetzt wurde und die Ausführung<br />
von Detailformen derjenigen von größeren Flächen wich. Denn nach der Bossierung gestaltete der<br />
Bildhauer die Skulptur weitgehend von allen Seiten her allein mit diesem Werkzeug. Hierbei zog er die<br />
zuvor derb modellierten Partien zunächst einmal flächig zusammen und bereitete sie so für die detaillierte<br />
Ausarheitung vor.<br />
Die soeben behandelten hellenistischen, vot allem späthellenistischen, Skulpturen bezeugen einen veränderten<br />
Fertigungsprozeß, in welchem die Produktion verstärkt mit arbeitsvereinfachenden Maßnahmen<br />
erkennbar zügig vorangetrieben wurde, was in der flächigen Arbeit zum Ausdruck kommt. Die in archaischer<br />
und klassischer Zeit mit einem feinen Spitzeisen erfolgte Feinbossierung wich dann in der hellenistischen<br />
Epoche auch häufiger der soeben beschriebenen schnellen Überarbeitung der Flächen mit einem<br />
groben Zahneisen oder Flachmeißel.<br />
Gemeinsame Charakteristika des Produkrionsverfahrens aller bisher behandelten Skulpturen sind die freie<br />
Bearbeitung des Steins und das von allen vier Seiten her erfolgende Herauslösen der Skulptur aus dem<br />
Block. Hierbei handelt es sich aber keineswegs um die von Blümel geschilderte Vorgehensweise, deren<br />
Darstellung in der Forschung gemeinhin akzeptiert wurde.P" Blümel bespricht zuvor die Dionysosstarue<br />
in Apollonas (hier Kat. Nr. 18), die Statue in Melanes (hier Kat. Nr. 11) und den Widderträger von<br />
Thasos (hier Kat. Nr. 16) und schreibt: "Schon von diesen drei Statuen läßt sich ein Gesetz rur die griechische<br />
Bildhauerarbeit ablesen, das mehrere Jahrhunderte gültig bleibt und erst in hellenistischer Zeit<br />
seine Wirksamkeit verliert. Der griechische Bildhauer geht von vier Seiten an seinen Block heran und<br />
zieht mit seinem Meißel eine dünne Steinschicht nach der anderen herunter; und bei jeder Schicht, die<br />
er von seiner Statue ablöst, kommen jedesmal einige neue Formen hinzu. Das Ausschlaggebende dabei ist<br />
aber, daß der griechische Bildhauer jedesmal eine ganze Schicht rings um den Block herunternimmt. Er<br />
arbeitet niemals an einem Bein, einem Arm oder einem Kopffür sich, sondern er hat immer das Ganze im<br />
Auge, und die Figur ist in jedem Stadium der Arbeit ein Ganzes. Da darfsich keine Einzelheit vorwitzig<br />
zu früh hervorwagen."'07 Diese These Blümels von einer sukzessiven Abnahme der Schichten bis zu der<br />
endgültigen Form der Figur stimmt, wie es die hier besprochenen Skulpturen, besonders aber die Kore<br />
Kat. Nr. 19 (Taf 13), der Widderrräger Kat. Nt. 16 (Taf. 12) und die Statuette Kat. Nr. 52 (Taf. 26)<br />
eindeutig vor Augen führen, keineswegs, und zwar weder für die archaische noch für die klassische Zeit. 2GB<br />
Blürnel, der die einzelnen Fertigungsstadien nicht in genügender Konsequenz voneinander getrennt hatte,<br />
charakterisierte mit diesen Worten nicht das Wesen der archaischen und klassischen Bildhauerei, sondern<br />
einfach das Vorgehen bei der Bossierung, das, wie oben geschildert, sowohl in archaischer und klassischer<br />
als auch in hellenistischer Zeit das gleiche ist. Ebenso ist seine Behauptung zu relativieren, daß jede Seite<br />
einer Statue das gleiche Stadium der Fertigung aufweise. Dies trifft zwar in der archaischen Epoche auf<br />
die erste Bearbeitung im Steinbruch zu, jedoch ohne eine zeitliche Fixierung generell aufdie Bossierung<br />
und somit auch aufdie hellenisrische Zeit. Grundsätzlich gilr dies aber in keiner Epoche für die sich diesem<br />
Arbeitsschritt anschließende weitere Ausführung der Skulpturen. Denn sogar aufeiner einzigen Seite<br />
einer Skulprur können unterschiedliche Fertigungsstadien einander gegenüber stehen. Dies belegen die<br />
Kore Kat. Nr. 19 (Taf. 13) für die archaische Zeit und ebenso die Statuette Kat. Nr. 52 (Taf. 26) für die<br />
klassische Epoche. Bei letzterer befinden sich nicht nur Vorderseite, Flanken und Rückseite in vollkommen<br />
unterschiedlichen Stadien der Fertigung, sondern selbst jede einzelne Seite weist verschiedene Grade<br />
der Ausführung auf.<br />
Die oben behandeIren Skulpturen lehren aber auch, daß sich in der gesamten griechischen Epoche die<br />
Kontinuirät dieses Verfahrens, das als Blocktechnik"? bezeichnet werden kann, nachweisen läßt. In einer<br />
vergleichbaren Technik fertigten die Bildhauer des 14. Jahrhunderts Skulpturen.s'?<br />
Betrachten wir die potentielle Arbeitsteilung bei diesem Verfahren, so können Bossierung und Feinbearbeitung<br />
der Figuren grundsätzlich voneinander getrennt ausgeführt werden. In späthellenistischer Zeit<br />
standen offensichtlich bei der Fertigung von Statuetten deren Köpfe und Torsen als Rohlinge vorbereitet<br />
zur Verfügung. (s, Kat. Nr, 94 und 95; vgl. auch Kat. Nr. 96 - 100). Die Ausgestaltung der Skulpturen<br />
gliederte sich, wie ein?angs geschildert, auf in (I! das Glätten ~er durch die Spitzmeißelarbeit aufgerauhten<br />
Oberfläche, (lI) die detaillierte Anlage von Emzelformen mit den jeweils für die einzelnen Epochen zu<br />
differenzierenden, beschriebenen Vorgehensweisen, (III) die Ausarbeitung der Einzelformen mit den wiederum<br />
für die einzelnen Epochen zu differenzierenden Eigentümlichkeiten und (IV) die Beseitigung der<br />
206 Blürnel 1927. 16f.; s. beispielsweiseAdam 1966,3.<br />
207 BIUmei 1943, 16; s. auchBlümel 1927,4.11; Blüme! 1943,39.<br />
20BVgl. Eckstein a. O.<br />
209 A. von Ulmann, Bildhauerreehnik des Spatmittelalters und der Frührenaissance (1984) 23ff.<br />
210 glümel 1927, 19f.; Blümel 1943, 81ff.; s. auch La sculprure 147ff.; Ulmann a. O.<br />
143<br />
-
144<br />
Werkzeugspuren. Diese Phasen der Fertigung könnten theoretisch von unterschiedlichen Mitgliedern eines<br />
Ateliers ausgeführt worden sein. Da diese Schritte, vor allem aber die letzten drei Phasen, häufig ineinander<br />
übergehen, wie es hinreichend an den Figuren dokumentiert wurde, handelt es sich aber keineswegs<br />
um strikt voneinander getrennte Arbeirssrufen, die generell verschiedenen Personen zugewiesen werden<br />
müssen. Allerdings zeichnet sich bei der Ausgestaltung der Skulpturen gerade für die hellenistische Zeit<br />
eine deutlichere Trennung der einzelnen Etappen ab, wie es die späthellenistische Büste einer Frau Kat.<br />
Nr. 92 belegt. Die sich nach der Fertigstellung der Plastiken anschließende Bemalung und gegebenenfalls<br />
die Gravur von Inschriften stellen separate Arbeitsgänge dar, die im Atelier selbst durchgeführt wurden,<br />
aber auch gelegentlich außerhalb des Ateliers in Auftrag gegeben werden konnten."!<br />
In der späthellenistischen Zeit tritt ein weiteres Verfahren der Fertigung hinzu, das ich meine, exemplarisch<br />
an den Arternissratucttcn Kat. Nr. 77 (Taf. 49) und Kat. Nr. 78 (Taf. 51 a) illustrieren zu können.<br />
Denn bei diesen Statuen weicht die in den vorangegangenen Ausführungen besprochene Blocktechnik<br />
der Reliettechnik.i'" Bei diesem Verfahren dringt der Bildhauer über das Relief zur Rundskulptur vor,<br />
indem er die Figur zunächst lediglich von ihrer Vorderseite her aus dem Stein herauslöst. Die Skulptur<br />
gewinnt im Laufe der Bearbeitung zusehends an Volumen, bis sie schließlich dreidimensionale Gestalt annimmt.<br />
Diese Vorgehensweise erinnert sehr an das Werkverfahren Michelangelos, der seine Figuren von<br />
einer Seite aus dem Stein heraus entwickelte, indem er mit den hervorspringenden Teilen einer Skulptur<br />
begann und von diesen ausgehend immer weiter in die Tiefe vordrang. 213 Auf diese Weise konnte der<br />
Künstler, wie es auch von Cellini und Vasari beschrieben wird 2l 4, nicht nur etwaige Fehler im Material<br />
überbrücken, da noch ausreichend Stein zur Verfügung stand, sondern seine Skulptur auch aufsicherem<br />
Wege nach seinem Modell aus dem Marmor herauslösen.<br />
Die Statuette der Arternis Kat. Nr. 77 (Taf. 49) ist auf der Vorderseite deutlich gestaltet, während die<br />
Rückseite undifferenziert und nur grob gepickt ist. In diesem Sradium der Arbeit ist der reliefartige<br />
Charakter der Skulptur besonders augenfällig. Die einfache Gestaltung des Gewandes, dessen Falten der<br />
Bildhauer vor allem mit dem laufenden Bohrer eintiefte, entspricht ganz der für diese Zeit so charakte-<br />
211 PliniusNar. Hisr. 35, 133 überliefert beispielsweise, daß derMaler Niklas die Skulpturen von Praxireles bemalte. Ein Relief<br />
ausRhodoswurde von dem Bildhauer Tirnokles ausKnidosgemeißeltund vornMalerProtomachos aus Halikarnaß bemalt,<br />
wie es derenSignaturenbelegen, s. C. BlinkenbergLindos 11.Inscriprions (1941) 360 Nr. 126; s. zur farbliehen Ausgestaltung<br />
von Grabreliefs B. Schrnahz, GriechischeGrabreliefs (1983) 71ff. s. zur Bemalungvon SkulpturenP. Dimitriou, The<br />
Polychromy of GreekSculpture: Ta rhe Beginningof the Hellenlstic Period(1951); P. Reurersward, Studienzur Polychromie<br />
derPlastik (1961); Mareade 1969, 112fT.; H. Kyrieleis, Bildnisse derPtolemäer (1975) 132f.; K. Yfantidis, DiePolychromie<br />
derhellenistischen Plastik (1984); V. Brinkmann. BCH109,1985,77ff.; Palagia 1987,87f.;V.Brinkmann, Beobachtungen<br />
zum formalen Aufbau und zum SinngehaIr der Friesedes Siphnierschatzhauses. Studien zur Antiken Malerei und IarbgebungI<br />
(1994); zurTechnik griechischer Malerei auf Marmor: V. v. Graeve - F. Preußer, JdI 96, 1981, 120fI Zur Gravur<br />
von Inschriftens. A. E. Raubirschek, Dedications from the AthenianAkropolis.A Caralogue of the Inscriptionsof theSixth<br />
aridFifthCenturies B. C. (1949) 436f.; L. H. Jeffery, The Inscribed Gravestones ofArehaie Attica, BSA 57, 1962,1511f.; L.<br />
H. [effery. The Local Scriptsof ArchaicCreece- (1990) 63; D, Viviers, Recherehes sur les ateliers de sculpteurs er la Cire cl'<br />
Athene al' opaque archaique (1992) 35fI (s,hierzu S.Nahe, KLIO 78, 1996,241);S.V.Tracey, AtticLetter-Cutters of 229<br />
[Q 86B.C. (1990) 223fI<br />
212 VgL die AusführungenBlümels zu derJünglingsstatue von Rheneia: Blümel 1927, 18; Blümell943, 51(; s. Ulmann a. O.<br />
23fI 31fI<br />
213 Zur Relieftechnik Michelangeloss. beispielsweisedie Skulpturdes Matthias, die Michelangele 1506 begonnen haue. s. R.<br />
Wittkower, Sculpture. Processes and Principles (1977) 99fI 116Abb. 13;Ulmann a. O. 31fI<br />
214 So schreibtCellini, nachdemder Künstlerdie Hauptansichten der Skulptur nach einem Modell mit Kohle auf den Block<br />
vorgezeichnet haue, überdie weitereVorgehensweise: ..Das geeigncrsrc Vorgehen,das man je gesehenhat, ist jenes,wie es der<br />
großeMichelangeloübte, indem, wenn die Hauptanslehr trassiert ist,man sie von hieraus zu behauenbeginnt,alswärees ein<br />
Bildnis in Halbrelief,und so deckt man ab, langsamvorrückend." Benvenuto Cellini, Abhandlungenüberdie Goldschmiedekunst<br />
unddieBildhauerei, überserzt vonR.undM. Fröhlich (1974) 116.<br />
ristischen Vorgehensweise mit arbeitsvereinfachenden Maßnahmen. Der sich an der linken Flanke der<br />
Skulptur und um das linke Bein herum befindliche überflüssige Marmor konnte am Ende der Fertigung<br />
weggeschlagen werden. Dies vermag vielleicht die Darstellung zweier Steinmetze bei der Arbeit auf dem<br />
nach 1410 entstandenen Relief (Taf. 100b) von Nanni di Banco an Or San MicheIe in Florenz zu illustrieren.<br />
215 Der sich rechts auf dem Reliefbild befindliche Bildhauer entfernt gerade mit einem Hammer<br />
den Hintergrund des Blockes, aus dem er einen Putto gemeißelt harre.<br />
Die Vorgehensweise der aus dem Haus des Kerdon stammenden Arremisstatuette Kat. Nr. 78 (Taf. 51 a)<br />
entspricht der soeben beschriebenen. Denn während die Rückseite der Skulptur in grober Spitzmeißelbosse<br />
verblieb, zeigt die Vorderseite verschiedene Stadien der Arbeit nebeneinander. Die Gestaltung des<br />
oberen Teils ist weiter fortgeschritten als diejenige des unteren Teils, der noch deutlich die Gestalt eines<br />
Reliefs bewahrt hat. Für eine detaillierte Rekonstruktion der an diesen Statuen abzulesenden Arbeitsabläufe<br />
verweise ich auf die entsprechenden Ausführungen im Katalog.<br />
Die bei diesem Verfahren zu beobachtende potentielle Arbeitsteilung ist insofern differenzierter, als das<br />
Erstellen eines Modelles vorauszusetzen ist. Ferner sind Bossierung und Ausgestaltung als getrennte Arbeitsschritte<br />
vorzusrellen. Deren Differenzierung in einzelne Stadien und die wiederum hieraus resultierenden,<br />
möglichen Arbeitsteilungen entsprechen den bereits oben skizzierten.<br />
Ein im Gegensatz zu den bisher behandelten Methoden grundsätzlich verändertes Herstellungsverfahren,<br />
das weit von der freien, direkten Bearbeitung des Steines wegführt und dessen Anwendung besonders in<br />
der späthellenistischen Epoche ausgeprägt ist - jedoch m. E. keineswegs erst zu diesem Zeitpunkt erfunden<br />
wurde"6 - belegen beispielsweise die Jünglingsstatue von Rheneia Kat. Nr, 69 (Taf. 38; 39 a, b. c),<br />
die delische Statue Kat. Nr. 106 (Taf. 61 c), die Grabharpyie Kat. Nr. 72 (Taf. 44; 45; 46), die Statuette<br />
des Herakles Farnese Kat. Nr. 76 (Taf. 50 a) sowie die Statuette der Aphrodite Kat. Nr. 102 (Taf. 59 a. b.<br />
c).217 Die an ihnen zu beobachtenden Werkzeichen in Form von Meßpunkten bezeugen die Anwendung<br />
verschiedener Punktierverfahren. 218 Bei dieser Vorgehensweise werden Modellvorlagen mittels Messungen<br />
auf den Steinblock übertragen und die Skulpturen.nach vorgegebenen Meßpunkren aus dem Stein herausgearbeitet.<br />
Hierbei können die Methoden der Ubertragung, welche in einem eigenen Kapirel detaillierter<br />
zu besprechen sind"", sehr unterschiedlich sein.<br />
Die Statue Kar. Nr, 106 (Taf. 61 c) wurde bereits in den Anfangsstadien der Fertigung aufgegeben. Nachdem<br />
sie zunächst grob in ihrer Grundform bossiert worden war, ging der Bildhauer gerade dazu über,<br />
Meßpunkte in Form von Einkerbungen auf die Skulptur zu übertragen. Diese sind vor allem inmitten<br />
der Brustpartie, auf dem Bauch in Höhe des Nabels, auf dem sich als kleine Bosse hervorwälbenden<br />
Geschlechtsteil und auf dem linken Knie als jeweils etwa 4 cm lange und 2 cm breite Vertiefungen zu<br />
beobachten."o Diese Arbeitsphase ist aber noch nicht abgeschlossen, da das Einarbeiten weiterer Markie-<br />
215 Wittkower a. O. 88 Abb. 5. Der Putto ist hierbeischrägan einen Gegenstandgelehnrund kann so von dem sitzenden Bildhauer<br />
hearbeirer werden.<br />
216 s. S. 173.182.<br />
217 s. auchKat.Nr.80; Kat. Nr, 103;Kat. Nr, 118.<br />
218 s.zumPunktierverfahren G. M.A. Richter, Ancient Italy(1955!105fI;G. M.A. Richter, RM69, 1962,52fT.; Palagia 1987,<br />
79 mit Lir.: Pfanner 1989, 157([ bes. 180fT. Anm. 44 mit wett. Llr.: E. Bartrnan, Anciem Sculptural Copies in Ministure<br />
(1992). Die Erfindungdes Pun~tieryer:ahr.et~s ist in der.antikenLiteratur nicht belegt. Richter (1955) 113 siehteine Anspielung<br />
auf das mechanische ~oplerc:n bei Plinius Nar. HISt. 35, 151 - 15.8. In.der Forschunggeht man allgemein davon aus,<br />
daß dasPunktierverfahren Im2. I I. jh. v. Chr.erfunden wurde. Vgl. hierzu Jedoch S. 179fT.<br />
219 5•<br />
das Kap. III.3 "Modelle undderenÜbertragung inStein", S. 179fI<br />
220 5. auch die Ausführungenim Katalog. Ebendazu angeblich vorhandenen,weiteren Meßpunkten.<br />
145
146<br />
rungen zu erwarten ist. Nach deren Einmeißelung hätte der Bildhauer in einem folgenden Schritt, wie<br />
es die gleich zu besprechendejünglingssratue von Rheneia Kat. Nr, 69 (Taf. 38; 39) zeigt, den Marmor<br />
bis auf die Tiefe der Einkerbungen fortgemeißelt, danach neue Meßpunkte gesetzt und auf diese Weise<br />
die Skulptur aus dem Block herausgelöst. In diesem Zusammenhang ist auch der Kopf Kat. Nr. 113<br />
(Taf. 65 a. b. c) zu erwähnen, der zunächst allein mit dem Spitzmeißel in seinen wesentlichen Zügen<br />
aus dem Stein gemeißelt wurde und in dessen Haar sich zwei Bohrlöcher befinden. Laut Blümel dienten<br />
diese Löcher der Befestigung eines Lores, von dem aus die Meßpunkte auf den Kopf hätten übertragen<br />
werden können.!" Als besonders aufschlußreich für Aussagen über die Vorgehensweise des Punktierens<br />
erweist sich nun aber die Jünglingsstatue Kat. Nr. 69 (Taf. 38; 39 a. b. C).222 Während der Bildhauer deren<br />
Vorderseite bereits weitgehend bearbeitet hatte und diese nebeneinander die unterschiedlichsten Stadien<br />
der Fertigung zeigt, bezog er die Rückseite und die Flanken noch nicht in den Arbeitsprozeß ein. Diese<br />
verblieben ebenso wie der untere vordereTeil der Statue zunächst in der groben Spitzmeißelarbeit, welche<br />
die erste Phase der Fertigung darstellt. Die mittlere Partie der Skulptur, vor allem aber die Oberschenkel<br />
belegen den folgenden Arbeitsschriet. der aus der Feinbossierung bestand, durch welche die Figur bereits<br />
deutlich ihre Gestalt erhielt. Das Einarbeiten von Punktierlöchern bzw, Punktierbohrungen bezeichnet<br />
die sich anschließende Phase, von der 16 Einkerbungen auf dem Bauch (Taf. 39 b) zeugen, die beinahe<br />
aufdie endgültige Oberfläche der Statue treffen. 223 Bei diesen handelt es sich nach meinen Untersuchungen<br />
um rundliche Vertiefungen, deren Durchmesser zwar von 2 bis 3,5 cm variiert, deren Tiefe aber<br />
durchweg circa 2 cm beträgt. Zwei weitere, in etwa rechteckige, 3 bis 4 cm lange Ausmeißelungen befinden<br />
sich an der rechten Flanke der Skulptur und weisen ebenfalls eine Tiefe von 2 cm auf. Der Marmor<br />
sollte also zwischen den Punkrierlöchern, die der heurige Steinmetz auch als Pfannen bezeichner'", um 2<br />
cm reduziert werden. Dieser Arbeitsgang war bereits auf der unterhalb der Brust liegenden Partie erfolgt.<br />
Die bisherigen Fertigungsschritte wurden allesamt mit Spitzmeißeln unterschiedlicher Größe ausgeführt,<br />
wobei die Punktierlöcher selbst mit einem Rundmeißel hergestellt wurden. Diesen Etappen schlossen sich<br />
mehrere Arbeitsgänge bis hin zur letzten Glättung an, die ganz dem für die späthellenistische Zeit charakteristischen<br />
Vorgehen entsprechen. Allerdings fehlen die endgültige Überarbeitung der Details sowie das<br />
Schleifen des Marmors, da die Skulptur inmitten des Fertigungsprozesses aufgegeben wurde. Die obere<br />
Brustpartie, die Schultern, den Kopf der Statue und das Gewand überging der Bildhauer zunächst mir<br />
einem groben Zahneisen, tiefte die Falten des Gewandes mit dem laufenden Bohrer ein und akzentuierte<br />
mit einem Flachmeißel schärfer die Details des Gesichtes wie die Augen und den Mund. Die Nase wölbt<br />
sich allerdings erst als breiter Marmorsteg hervor. Die These Pfanners, daß bei den Statuen von Rheneia<br />
- hierbei bezieht er sich auf die Jünglingsstatue (hier Kat. Nr. 69), die Sitzfigur (hier Kat. Nr. 70) und<br />
die Grabharpyie (hier Kat. N r. 72) - "der Kopf fast immer eine gesonderte Zurichtung und ein anderes<br />
Ausarbeitungsstadium aufweist und deshalb, wie auch später meist, Spezialisten vorbehalten gewesen sein<br />
wird", entbehrt entgegen der sonst überzeugenden Rekonstruktion des Fertigungsprozesses der Jünglingsstatue<br />
jeglicher Crundlage.f" Denn seine Beschreibung trifft aufkeine der aus Rheneia stammenden<br />
Skulpturen zu. Zwar handelt es sich bei dem Kopf der Sitzfigur Kat. Nr. 70 (Taf. 41) um einen Einsatzkopf<br />
doch wurde dieser, wie bereits oben geschildert, in einem sehr frühen Stadium der Fertigung angestückt<br />
und in die Ausführung einbezogen. Zudem zeigt er keineswegs ein anderes Ausarbeitungsstadium.<br />
Ebenso ist die Fertigung des Jünglingskopfes eindeutig in den gesamten Arbeitsprozeß integriert worden,<br />
zumal ohne ihn das noch zu beschreibende und auch von pfanner in Erwägung gezogene Meßverfahren<br />
gar nicht möglich gewesen wäre. 2l O pfanner projiziert zumindest in diesem Fall vollkommen unbegründet<br />
römische Produktionsverfahren auf die Skulpturen, um eine Arbeitsteilung zu beschreiben. Diese liegt<br />
vielmehr darin, daß die Köpfe zunächst, vielleicht von einem anderen Mitglied des Ateliers, gesondert<br />
vorgefertigt wurden. Interessant ist derJüngling aus Rheneia ferner unter dem Aspekt, daß er ebenso wie<br />
die oben behandelten Arremisstatuetten Kat. Nr. 77 und 78 von der Vorderseite her bearbeitet wurde<br />
und die in einem sehr frühen Fertigungsstadium verbliebene Rückseite die Skulptur wie einen Reliefhintergrund<br />
umgibt. Das oben als Relieftechnik beschriebene Vorgehen ist bei dieser Skulptur allerdings<br />
durch das Meßverfahren bestimmt, während die ZUvor behandelten Statuetten keinerlei Anzeichen für<br />
ein mechanisches Übertragen au.fWeisen, zumal auch die beschriebene Vorgehensweise Michelangelos<br />
nichts mit einem mechanischen Übertragen gemeinsam hat. Daß die Rückseite der Figur zunächst von<br />
der Bearbeitung ausgeschlossen wurde, ist allerdings nicht nur aus technischen, sondern auch aus praktischen<br />
Gründen zu erklären. Denn wenn das Material im Inneren Fehler aufwiesoder eine Pfanne zu tief<br />
geschlagen worden .war, war es dem Bildhauer m~glich, da von de~ R~ckseite noch genügend Stein zur<br />
Verfügung stand, die Hauptpunkte so wett nach hinten zu setzen, bis die Fehlstellen überwunden waren.<br />
Anderenfalls hätte er entweder die ganze Figur aufgeben oder Ansrückurigen vornehmen müssen.<br />
Während es sich bei dem an der J ünglingsstatuc aus Rheneia festgestellten Meßverfahren noch um ein<br />
sehr einfaches Stichrnaßpunktieren handelt, bei dem das freie Bildhauern vereinfacht und zum Teil aufgehoben<br />
wurde, belegen die Grabharpyie Kat. Nr. 72 (Taf 44; 45; 46), die ebenfalls aus Rheneia srammt,<br />
und die delischen Statuetten Kat. Nr. 76 (50 a) und 102 (Taf 59) bereits ein komplizierteres, technisch<br />
ausgereifteres Zirkelpunktierverfahren. 227 An der Grabharpyie (Taf. 44; 45; 46) sind zahlreiche Meßbossen<br />
sowohl in Gestalt von kleinen Erhebungen mit Einstichen als auch in Form von bloßen Eintiefungen<br />
über deren Vorderseite und Flanken verteilt. Sie sind an der Außenseite des Grabgefäßes, am rechten Ellbogen,<br />
aufbeiden Seiten des rechten U~terarm~" in Höhe des Handgelenkes und auf dem Handrücken,<br />
aufder Vorderseite und an der Außenseite des linken Oberschenkels sowie zwischen den Oberschenkeln,<br />
auf dem linken Knie, auf dem Halsschmuck direkt über der Mitte der Brüste, im Haar und rechts über<br />
der Stirn fesrzusrellen.?" Die Rückseite hingegen weist keine Puntelli auf. Sie ist somit frei nach der Varla<br />
e gestaltet und in einem frühen Stadium der Fertigung ebenso wie die Flanken in den Arbeitsprozeß<br />
ei~bezogenworden, dann aber zunächst in diesem verblieben. Die Vorderseite der Grabharpyie ist in der<br />
147<br />
221 Blümell927, Kat. Nr. 20.Vgl. dieAusführungen im Katalog.<br />
222 Vgl. die Rekonstruktion derArbeitsabläufe beiPfanner,derfünf.Arbeitsphasen trennt,wobei dieletztenStadienderFertigung<br />
von ihm allerdings nichtbeschrieben werden: Pfanner1989, 188f.Vgl.auch dieAusführungen Blümels: Blümcl1927,17ff.<br />
28; Blümel 1943,48. S2f.Abb. 36.<br />
223 Blümel kritisierte vollkommen zu Recht Gardner, der die Löcherauf dem Bauch als vorsichtigesEntfernendes Marmors<br />
interpretierte und die Fertigungder Skulpturals freies Arbeitenohne Zuhilfenahmevon Meßpunkrenbeschrieb. s. E. A.<br />
Gardner, JHS 11, 1890,137(; s. Blümell927. 28.<br />
224 s. beispielsweise K. Burger.Das Punkderen(1940).<br />
225 Pfanner 1989. 188; s. auchdie Beschreibung dersitzenden Grabstatue Kat.Nr. 70 im Katalog.<br />
226 s. S. 180.<br />
227 Vgl. pfanner 1989, 190: Pfanner hält das an d~m Jüngling ~on Rheneia engewandre Punktierverfahren für "noch nicht so<br />
durchdacht", dakeine rigorose Trennung. der el~zeln~n ~rbeJt~stufen zu erkennensei, während die Grabharpyie bereitsdas<br />
.,schon späterüblicheSystemder Pu~telh aufweist, die uberdie ganze ~tatue verteilt sind." Aber auch bei der Grabharpyie<br />
wurdedas Punktierverfal~ren noch mc.ht so k~nse~uent ~urchgeführt wie in späterer Zeit, dahier noch keine rigorose Ttennung<br />
der einzelnen Arbeitsstufen vorliegt. Dies zeigen die folgenden Ausführungen.Vgl. die Darstellung im Katalogunter<br />
der Nr. 72. Auchweist. dere~ Rückseite. keinePuntelliauf.Vgl.Blümel 19~7, 308'.Kat. Nr. 26. Blümelvertrathingegendie<br />
Meinung, daß der an[l~e Bildhauer k~m Punkteur war. Er.~ch[e, daß die Meßpunkte derGrabharpyie mit Loten gesetzt<br />
wurden. Die Einstiche 10 den Puorelli(Taf 4S b: 46 b), die ich vor Ort beobachtethabe, belegenallerdings eindeuri die<br />
«r rwendungdes Zirkels. Ein Lot hätte aberzusätzlich bei der FertigungdieserSkulpturgenutztwerden können h da<br />
vc Ü' .s.auc s<br />
Kap. 1lI.3 "Modelle und deren bemagungin Stein', S. 177fT. 182f.<br />
228 Entgegender Aussage vonBlümel(Blümel 1927,Kat.Nr. 26) istan der Außenseite desI. Unterschenkels kein Meßpunkt zu<br />
beobachten,wohl aberauf dem I. Oberschenkel.<br />
+
148<br />
Bearbeitung unterschiedlich weit fortgeschrirten und veranschaulicht ein Nebeneinander von sehr grober<br />
Bosse bis hin zu fast vollendeten Details, das durch die an den Meßpunkten erfolgte Orientierung bestimmt<br />
ist. An dieser Stelle sei auf die bereits im Katalog erfolgte detaillierte Rekonstruktion der Arbeitsabläufe<br />
verwiesen. Die Statuette der Aphrodite Kat. Nr. 102 (Tat: 59) belegt das gleiche Verfahren. Die<br />
Puntelli befinden sich auf der Stirn, der linken Schulter, zwischen den Brüsten, aufdem rechten Ellbogen,<br />
dem rechten Handgelenk, an der Außenseite des rechten Beines in Höhe des Knies, auf dem Rücken,<br />
der rechten Glutäe, an der rechten Seite des Kopfes und auf der Rückseite des linken Oberarmes, Die<br />
Statuette zeigt jedoch nicht nur ein exakteres Kopieren der Vorlage, da die Meßpunkte über die gesamte<br />
Skulptur verstreut sind, sondern trotz ihres kleinen Formates auch eine konsequentere Trennung der<br />
einzelnen Arbeitsstufen. Denn der Bildhauer zog zunächst die einzelnen Punkte in ihrer Gesamtheit mit<br />
dem Zahneisen flächig zusammen, um erst dann mit der detaillierten AusfUhrung fortzufahren. Bei der<br />
Jünglingsstatue beispielsweise erfolgte das Verbinden der Punkte noch mit einem feinen Spitzmeißel. An<br />
den besprochenen Skulpturen wird deutlich, daß verschiedene Punktierverfahren nebeneinander verwendet<br />
wurden, wobei das Punktierverfahren mit drei Zirkeln das in römischer Zeit übliche Verfahren bei der<br />
Fertigung von Skulpturen darstellt und diese dann geradezu mit Puntelli bedeckt sind, da aufdiese Weise<br />
eine exakte Übereinstimmung mit dem Modell aufsicherem Wege erreicht werden konnte.'"<br />
Die Anwendung des Punktierverfahrens führte zu festgelegten Abfolgen der Arbeitsschritte. Die einzelnen<br />
Etappen der Fertigung bestanden aus (I) dem Erstellen eines Modells, (I1) a) der groben Bossierung der<br />
Skulptur sowie dem Einrichten des Modells und der Skulptur oder b) Einrichten des Modells und des<br />
Rohblockes. (1II) dem Punktieren: dem Einarbeiten der PFannen und Punktbohrungen, (IV) dem Verbinden<br />
der Punkte, das gewöhnlich mit dem Zahneisen oder dem Flachmeißel erfolgte, (V) der detaillierten<br />
Ausgestaltung, die ihrerseits in der bereits bei den anderen Verfahren besprochenen Differenzierung (s. die<br />
entsprechenden Phasen) zu betrachten ist, (VI) dem Beseitigen der Werkzeugspuren und gegebenenfalls<br />
(VII) dem Polieren der Statuen.<br />
Diese Stufen der Fertigung konnten von verschiedenen in einem Atelier tätigen Personen ausgeführt werden,<br />
wobei die Organisation des gesamten Prozesses in verschiedener Weise vorstellbat ist. Während dem<br />
"Meisterbildhauer" das Erstellen des Modells und die detaillierte Ausgestaltung der Skulptur vorbehalten<br />
gewesen sein dürfte, wird die Aufgabe der Bossierung, des Punktierens und Polierens wohl seinen Mitarbeitern,<br />
Hilfskräften und Schülern zugeteilt worden sein.P"<br />
Abschließend sei ein Blick aufdie Fertigung von Reliefs geworfen, wobei grundsätzlich zwischen Flachund<br />
Hochreliefzu unterscheiden ist, die verschiedene Vorgehensweisen erforderten.P! Die Metopen des<br />
älteren Heratempels am Sele Kat. Nr. 40 232 (Tat: 37 a), die Friesplane von dem Nereidenmonument Kat.<br />
N r, 68 (Taf. 37 b) und die Marmortrommel im Hause des Diadumenos Kat. Nr. 84 (Taf. 54 a. b) belegen<br />
eine Fertigung, die in zwei Ebenen erfolgte: Der Reliefhintergrund wurde zunächst um die Konturen der<br />
Figuren herum vertieft und darauffolgend die Binnenglied~rung der Figuren gestaltet. Daß es sich hierbei<br />
nicht um ein zeitlich begrenztes Phänomen handelt, wird anhand der Beispiele, die aus archaischer,<br />
k1assischet und hellenistischer Zeit stammen, deutlich. Komplizierter ist das technische Vorgehen bei<br />
dem Dioskurenreliefin Berlin Kat. Nr. 58 (Taf. 35 a) und den Platten Nr. 5 (Taf. 71 c; 75 a) und Nr. 6<br />
(Tat: 70; 71 a. b) des Telephosfrieses Kat. Nr. 125, auf denen die verschiedenen Ebenen der Darstellung<br />
_ vordere Ebene, mittlere Ebenen, Hintergrund - sich in unterschiedlichen Stadien der Fertigung befinden.<br />
Während die beiden Dioskuren (Taf. 35 a) noch in der Spitzmeißelbosse zu sehen sind, wurden die<br />
Pferde, die in einer tieferen Ebene liegen, nachdem sie bossiert worden waren, bereits detaillierter in ihren<br />
Einzelheiten gesta!rer. Der Bildhauer nahm den Marmor in den einzelnen Ebenen mit Hilfe verschiedener<br />
Werkzeuge ab. ging schichtenweise in die Tiefe, wie es bereits Blümel'" formulierte, und gab so den<br />
Figuren ihre Gestalt. Die gleiche Vorgehensweise ist beispielsweise aufder Platte Nr. 6 des Telephosfrieses<br />
zu belegen.'"<br />
Ein anderes Vorgehen. das ich beobachten konnte, zeigen das delische Relief Kat. Nr. 60 (Taf. 34 a; 32;<br />
33), das Relief aus Samos Kat. Nr. 62 (Taf. 35 b) sowie die Platten Nr. 10, 11, 17 und 20 des Telephosfrieses<br />
Kar. Nr. 125 (Taf. 69), bei denen die Fertigung unabhängig von den Reliefebenen in einzelnen<br />
Abschnitten, Figurengruppen und Einzelfiguren erfolgte"', was besonders im Falle des Telephosfrieses<br />
äußerst aufschlußreich für potentielle Arbeitsteilungen ist. Während die Figur des Hermes auf dem delischen<br />
Relief (Taf. 33 c) erst in ihrer Grundform bossiert ist und in diesem Fertigungsstadium verblieb,<br />
modellierte der Bildhauer die übrigen Gestalten bereits detaillierter mit Zalhneisen und Flachmeißel aus,<br />
obgleich auch deren ~earbeilUng noch nichr abgeschl~ssen .ist. Auf der:' s~mischen ~licf (Tat: 35 b) i.'t<br />
die auf dem linken BIldfeld zu sehende Gruppe von vier Kindern erst III Ihren Umrissen aus dem Stein<br />
elöst, wohingegen die übrige Ausführung bereirs vollendet wurde. Die Platte Nt. 11 des Telephosfrieses<br />
rTaf. 73 c) beispiels,:"eise zeigt auf ~er rech~en Seit~, von der Stoßfuge durchs~hnitten, eine erst in der<br />
Rohform bossierte Figur, wahrend die sonstige AusfUhrung des Rehefs bis auf eine ca. 56 x 43 cm große,<br />
sich oberhalb der Frauen befindliche Bosse beinahe vollendet ist."G Die unfertig gebliebenen Reliefplatten<br />
des Telephosfrieses, die ausführlich im Karalog beschrieben sind, dokumentieren nicht nur, daß<br />
einzelne Figuren auf einer Platte unfertig geblieben sind, während andere bereits ausgearbeitet wurden,<br />
sondern belegen auch eine weitere Arbeitsreilung innerhalb des GestailUngsprozesses der Einzelfiguren.<br />
Diese bestehr a) in einer weit fortgeschrittenen Bossierung und b) in der feinen Ausgestaltung entweder<br />
der gesam ten Figur oder lediglich der Köpfe ~nd Hände. 237 So weisen interessanterweise die Gestalt der<br />
Auge aufPIarte Nr. 17 (Tat: 7~ a; 75 b) un.d ~Ie des Teuthr aufPlatte Nr. 20 (Taf. 74; 75 d) das gleiche<br />
as<br />
Stadium der Fertigung auf; beide wurden I~ Ihren Gr.undzugen aus dem Marmor herausgelöst und grob<br />
in ihren Detailformen angelegt, aber nach dieser Arbeitsphase zunächst nicht weiter ausgeführt. Die feine<br />
Ausgestaltung dieser wichtigen Figuren war wohl dem jeweiligen Meisterbildhauer vorbehalcen.P" Diese<br />
149<br />
229 Pfanner 1989. 190. DieAnzahlder Meßpunkte bedingt ein genaues oder wenigergenauesUmsetzendes Modells,wobei dil:s<br />
von den Wünschen des Auftraggebers, der ausführenden Hand, der Werksrangepflogenheicen oder auch der Aufi:ragsIage<br />
abhängen kann. s. das Kap.IlI. 3 "Modelleund deren Übertragung in Stein". Beidem Punktierverfahrenhandelt essichallerdings<br />
nur insofern um ein schnelleresVerfahren,als mehrere: Personen gleichzeitigbeschäftigtwerden konnten. Vgl. Pfänner<br />
1989, 225. Denn das Punktieren als solchesist im Vergleichzur Erden Bildhauereiviel zeitaufwendiger.<br />
230s. auch das Kap.III. 3 ..Modelle und deren Übertragung in Stein", S. 178[<br />
231 Blümel1927. 23; Blümell943. 72ff. Vgl. La sculpture 153f. B1ümel1943, 76 schreibt: "Der Hauptunterschied gegenüber<br />
der Rundskulptur liegt darin, daß der Bildhauer sich im Relief nicht in demselben Maße auf die Spitzeisenarbeit beschränkt,<br />
sondernauch häufigzum Schlag-und Rundeisen greift."Dies stimmt allerdingsnicht, da BlümeldieTechnikder Rundskulptur<br />
nicht korrekt beschrieben hat. s. dasKap. [11. 2 "Die Anwendung der Werkzeuge".<br />
232 Zuletzt zur Fertigungstechnik der Metopen: K. Junker, Der ältere Tempel im Heraion am Sele(1993) 16ff.<br />
233 Blümel1927. 23; Blümel 1943. 72ff.<br />
234 s. die detaillierteBeschreibungim Katalog.<br />
235 Auch der Erechtheionfrieswurde, wie es die Abrechnungen belegen. in einzelnen Piguren und Gruppen gefertigt. s. G. P.<br />
Stevens-J.M. Paten u. a.•The Erechtheum (1927) 239ff.;Blümd 1927. l3f. Taf. 18; Adam 1966. 20. 58. Allerdingshandelt<br />
es sich bei den Figuren um beinahe rundplastische Skulpturen, die erst nach der Fertigung vor die:Friesplane gesetzt wurden.<br />
Die Arbeitsteilung als solche ist jedoch durchaus vergleichbar.<br />
236 s. unter anderem zu den aus diesen Befunden abzuleitenden Konsequenzen für Aussagen über den Ort der Fertigung des<br />
Reliefsdie Diskussion im Katalog unter der Nr. 125.<br />
237 s. die Beschreibungender einzelnen Platten im Katalog.<br />
238 Daß an diesem Fries zahlreiche Bildhauer tätig war.en, I~ge~ nac~ Heres alle.in ~hon die stilistischen Unterschiede nahe. s.<br />
beispielsweise H. Heres, Fuß 16, 1974,203,2.05 nur WC.lt. Llt. ~lerwen~:t.sle Sich.unter anderem gegenKähler - H. Kähler,<br />
Der große Fries (1948) 79 -, der nur von wenigen, an diesem FriesbeschäftigtenBIldhauern ausgeht.
•<br />
150<br />
an dem Telephosfries abzulesende Aufgliederung der Arbeitsschritte erinnert beispielsweise an die Praxis<br />
in dem Bildhaueratelier von Canova, Dieser ließ häufig unter seiner Anleitung die Statuen von seinen<br />
Gehilfen vorbereiten, behielt sich aber selbst deren endgültige Ausführung vor, wobei er besondere Sorgfalt<br />
aufdie Gestaltung der Gesichter und Hände verwandte.P? Eine derartige Verteilung der Aufgaben ist<br />
auch hier zu vermuten.<br />
Wie bei der Fertigung von Rundskulpturen ist auch bei der Herstellung der Reliefs sowohl das freie Bearbeiten<br />
des Steines als auch die Anwendung von Punktierverfahren zu beobachren. Dies bezeugt für die<br />
hellenistische Zeit eine Platte des Tänzerinnenfrieses aus Sagalassos. aufder sich laut Fleischer die Puntelli<br />
noch erhalten hahen.'40 Ob der Telephosfries mit einem Punktierverfahren hergestellt wurde, wie es S.<br />
Berrolin annimmt, ist mangels eindeutiger Befunde nicht sicher zu entscheiden, obgleich ein Bohrloch,<br />
das sich auf der Platte N r. 6 im oberen Abschnitt der hinteren Mulde befindet, darauf hinweisen könnte."l<br />
Die Platten Nr. 5 und Nr. 11 weisen jedoch trotz ihres frühen Arbeitsstadiums bei eingehender Untersuchung<br />
keinerlei Meßpunkre auf, die aber bei der Anwendung des Verfahrens auf diesen zu erwarten<br />
wären.r'"<br />
Zusammenfassend ist fesrzuhalren, daß in der griechischen Bildhauerei grundsätzlich zwei verschiedene<br />
Produktionsverfahren bei der Fertigung von Einzelskulpturen zu unterscheiden sind: das freie, direkte Bearbeiten<br />
des Steines und das Punktierverfahren. Das direkte Bearbeiten des Steines fand in der gesamten<br />
griechischen Antike Anwendung. In fortgeschrittener hellenistischer Zeit jedoch wurde es bei der Fertigung<br />
von Einzelskulpturen durch das Punktierverfahren mehr oder weniger verdrängt. Innerhalb dieser<br />
beiden Verfahren sind zwei unterschiedliche Vorgehensweisen zu beobachten, die in Analogie zu Bildhau-<br />
239 Zu Canovas Studioprakriken: H. Honour, 111e Burlingtcn Magazine 1H, März 1972, 146ff.; ders., The Burlingron Magazine<br />
114,April 1972, 214fT.<br />
240 Zu dem Tänzerinnenfries aus Sagalassos. der ursprünglich aus insgesamt 13 Platten mit 15 Figuren bestand, von denen<br />
bisher lediglich 8 Planenmir9 Figuren bekannt sind,s. R. Fleischer, IsrMirt 29,1979, 286fT, 291. 299f.; zur Deutung des<br />
Baus als Heroon ebenda 281fT.; zur Deutung des Frieses ebenda 278f. 304fT.; zur Datierung um 150 v. ehr. ebenda 295ft.;<br />
R.. Fleischer, Der hellenistische Fries von Sagalassos in Pisidien, AW 12, 1981, 3ff.; vgl. zur Datierung H. Froning, Marmor-Schmuckreliefs<br />
mitgriechischen Myrhen im I. Jh. v; ehr. (1981) 129f Anm.18.19. DieHöhederPlatten betragt ca.<br />
1,17 m. Die Friesplanen sind nicht unfertig. Bei der Platte handelt sich um die sog. .Osrplane" mit der Darstellung einer<br />
Manrelranzerin, Antikendepot. Aglasun Inv; Nr. 77/81, deren genauer Platz am Bau noch nicht bekannt ist, s. R. Fleischer,<br />
IscMiu 29, 1979, 291.298f Taf 88. 89. Meßpunkte lassen sichlinksdesMantels sowohl überdem rechten Oberarm als<br />
auch über dem rechten Unterarm beobachten, letzterer weist ein kleines vertieftes Bohrloch auf. Laut R. Fleischer, IstMitt<br />
29, 1979,299 beweisen die Meßpunkte der Platte. daß diese mitreis eines Punktiergeräres, Zirkels oder Lotes, jedenfalls eines<br />
mechanischen Kopierverfahrens gearbeirer wurde. Dies ist jedoch zu undifFerenziert bezüglich der verschiedenen Techniken,<br />
zumal das Loren kein mechanisches Übertragen darstellt, vgl. hierzu das Kap. IH. 3 "Modelle und deren Übertragung in<br />
Stein". Meßpunkte haben sich vielleicht ehemals auch auf der Plane im AnrikendepotAglasun Inv. Nr. 77/22 (nach Fleischer<br />
Platte F,Nr. 3 der Südseite, s. Fleischer a. O. 289[ Taf 84 - 86) befunden. Die Plane ist nicht unfertig. Die entsprechenden<br />
Partien sind zwar heute zerstört, aber auf einem Gipsabguß (heure in der Archäologischen Sammlung des Instituts für Alte<br />
Geschichte, Archäologie und Epigraphik in Wien) überliefert; so beobachtete Fleischer auf dem Gipsabguß unter dem r.<br />
Ellbogen und am r. Unterarm Meßpunkte in Form von kleinen, runden, sich in den Erhöhungen befindlichen Vertiefungen,<br />
Die Vermutung Fleischers (R. Fleischer, IstMin 29, 1979,300), daß es sich hier um die bisher ältesten Belege dieses Verfahrens<br />
handelt, mit dem in diesem Fall minutiös genaue Kopien erstellt wurden, trifft nicht zu. Fleischer beruft sich auf die<br />
Meinung älterer Forscher und scheint die Bedeutung der Werkstätten von Delos nicht zu kennen. Auch die Skulpturen von<br />
Rheneia bleiben unerwähnt. So ist sein Erstaunen, daß dieser frühe Beleg an einer Reliefplastik und nicht an freistehenden<br />
Skulpturen zu beobachten ist, unbegründet.<br />
241 S. Bertolin hält es für unmöglich, eine derartige Arbeit ohne Modelle auszuführen. zumal die Korrekturen an den Friesplatten<br />
sehr gering sind. Er zieht Gipsmodelle im Maßstab I : ] in Erwägung.<br />
142 SoauchH. Winnefeld, Die Friese desgroßen Altares, AvP 11I,2 (1910) 211.Winnefeld gehtdavon aus. da er keine Meßpunkte<br />
beobachtete, daß der Fries freihändig gefertigt wurde.<br />
erarbeiten späterer Epochen als Block- und Relieftechnik bezeichnet werden können. Die Blocktechnik<br />
_ keineswegs ein Charakteristikum archaischer und klassischer Plastik - hat durch die gesamte griechische<br />
Zeit hinweg Anwendung gefunden. Die Relieftechnik hingegen, bei der eine Skulptur zunächst von<br />
der Vorderseite her in Angriff genommen wurde, ist ein in hellenistischer Zeit übliches Verfahren, das<br />
sowohl mit als auch ohne eine mechanische Übertragung ausgeführt werden konnte. Blümel hingegen<br />
vertrat die Meinung, daß für diese Technik ein Meßverfahren mit festgelegten Meßlöchern notwendig<br />
war, wobei er sich auf die Jünglingsstatue von Rheneia (hier Kat. Nr. 69) bezog. 213 Bei dieser Skulptur<br />
ist die Herangehensweise in der Tat durch das Übertragen der Vorlage anhand vorgegebener Meßpunkte<br />
bedingt, doch hat ein Blick auf andere Skulpturen und auf die Vorgehensweise Michelangeles gelehrt,<br />
daß die Relieftechnik auch unabhängig von einer mechanischen Übertragung angewandt werden kann.<br />
Michelangela, dessen Vorgehensweise weit von einem Punktieren entfernt ist, überrrug seine Modelle<br />
frei in den Stein. Die Reliefrechnik, die als Ausdruck des Arbeitens mit einem Modell zu verstehen ist,<br />
bedeutet zwar im Vergleich zur Blocktechnik ein verändertes, aber kein in den Grundzügen gewandeltes<br />
produktionsverfahren, wie es unter anderem die Ausführungen zu den potentiellen Arbeitsteilungen illustrieren.<br />
Gleiches gilt für die Verwendung von Vereinfachungsmechanismen, die bei beiden Vorgehensweisen<br />
in der fortgeschrittenen hellenistischen Zeit festzustellen sind. Ein in den Grundzügen gewandeltes<br />
Herstellungsverfahren liegt erst bei der Anwendung des Punktierverfahrens vor, das in späthellenistischer<br />
Zeit zu festen Abfolgen innerhalb des Fertigungsprozesses führte, dessen einzelne Etappen voneinander<br />
getrennt wurden und aufverschiedene in einem Atelier tätige Personen aufgeteilt werden konnten. Dies<br />
bedeutete eine weitgehende Rationalisierung des Fertigungsprozesses, der nicht nur die in dieser Zeit<br />
erhöhte Nachfrage nach Skulpturen decken, sondern auch die speziellen Wünsche eines Auftraggebers<br />
nach einer bestimmten Statue erfüllen sollte, In diesem Zusammenhang dürfen auch die Anstückungsptaktiken<br />
nicht unerwähnt bleiben, die, seit archaischer Zeit vorgenommen, vor allem in hellenistischer<br />
Zeit beispielsweise für die delische (s. z. B. Kat. Nr, 77, 85, 87, 88, 104, 105; vgl. auch Kat. Nr. 94, 95)<br />
und rhodisehe Kunst charakteristisch sind.i" Denn bei Anstückungen konnten an einer Skulptur etliche<br />
Hände gleichzeitig arbeiten,245<br />
z" Bllimel1927, 17;Blümell943, 52.<br />
244 Anstückungen waren ebenfalls in archaischer und klassischer Zeit üblich, wobei sich in hellenistischer Zeit nicht die Technik,<br />
sondern die Quantität der Anstückungen gewandelt hat. Zu Anstückungen s. Adam 1966, 80fE;A. Claridge. Ancient<br />
Techniques ofMakingJoins in Marble Statuary, in;Marble 135fT.; P. Rockwell, TheArrofStoneworking. A Reference Guide<br />
(1993) 150f. Abb. 47. Es gibt verschiedene Anstückungstechniken: DerAnsatz besitzt einen Zapfen, der in eine entsprechende<br />
Aussparung eingesetzt wird. wobei zusätzlich Dübel verwendet werden können und das Dübelloch mit Blei vergossen<br />
wird. Das Einsetzen der Köpfe konnte sowohl in archaischer und klassischer als auch in hellenistischer Zeit aufdiese Weise<br />
durchgeführt werden.. Mittels Zapfen eingesetzte Arme sind jedoch in nacharchaischer Zeit weniger üblich. Das Anfügen<br />
von Gewandteilen mittels dieser Technik wurde sehr häufig in archaischer Zeit, weniger in den nachfolgenden Epochen,<br />
aber dennoch in allen Epochen angewandt. Eine andere Technik stellt, vergleichbar der Anathyrose in der Architektur, das<br />
AneinanderfLigen von zwei ebenen Flächen dar, die mit oder ohne Dübel zusammengesetzt werden können: Auf diese Art<br />
und Weise kann eine aus zweiTeilen gearbeitete Skulptur zusammengefügt werden. (s. z, B. die hellenistische Artemisstatuette<br />
Kat. Nr. 77). Diese Technik ist auch für Armanstückungen bereits gelegentlich in archaischer Zeit, häufiger in den nachfolgenden<br />
Epochen ben~t2t worden. (s, z, B. die Kore Kar, N:, 24 und die hellenistischen Beispiele Kar. Nr. 87, 88).Ebenso<br />
wurden Füße und Teileder Gewandfalten angesetzt. Obgleich der Marmor splittern und verfärben konnte, wurden Eisendübel<br />
und keine Bronzedübel benutzt; dasDübellochwurde gelegentlich mit Blei ausgegossen, Adam ziehtdieVerwendung<br />
von Mörtel in Erwägung. wenn glatte Flächen ohne Dübel aneinandergefügt worden sind. Ihrer Meinung nach verweist die<br />
nachträgliche Pickung von zuvor geebneten Flächen aufdie Verwendung von Kalkmörtel, Stuck oder Zement hin. Wenn eine<br />
feinere Verbindung angestrebte wurde, zieht Adam eine Bienenwachs-KaIkmischung in Erwägung, obgleich diese für unter<br />
freiem Himmel aufgestellte Skulpturen ungeeignet war, da dieses Material bei Wärme schmilzt. In Ägypten wurde manchmal<br />
mit Kalkpuder angereicherter Harzleim verwendet. Vgl. Plinius Nat. Hist. 33, 5, 30, s. zu hellenistischen rhodischen Steinskulpruren<br />
G. S. Merker, The Hellenistic Sculpture of Rhodos. SIMA 40 (1973) 8IT.; s. zu delischen Skulpturen Mareade<br />
1969,318f 415fT. s.auchdieSrückungen vonMarmorundStuckinder alexandrinischen Plastik; H. Kyrieleis, Bildnisse der<br />
ptolemäer (1975) 130!I<br />
245 s. Merker a. O. 8 Anm. 31. Weitere Vorteile des Ansrückens sieht Merker in dem Vermeiden des Abbrechens gefährdeter<br />
Stellen beim Meißeln, dem Korrigieren von Fehlern oder abgesplitterten Stellen, aber auch in dem sparsamen Verbrauch von<br />
151
152<br />
Blümel 246 kontrastierte die Fertigungstechnik der archaischen und klassischen Zeit einerseits mit derjenigen<br />
der hellenistischen Epoche andererseits. Erstere habe den Statuen schon während der Bearbeitung ein<br />
einheitlich-organisches Aussehen verliehen, während letztere beispielsweise verschiedene Arbeitsstadien<br />
aufVorder- und Rückseite einer Skulptur, die eine gesonderte Bearbeitung erfuhren, das Durcheinander<br />
der verschiedenen Meißelspuren auf einer Seite, das Überwiegen der Flachmeißelarbeit, das Nebeneinanderstehen<br />
von verschiedenen Arbeitsstadien sowie das scharfe Begrenzen und Gegeneinanderabsetzen der<br />
Einzelformen, die bei der Weiterbearbeitung jede Bewegungsmöglichkeit verloren, bedingt habe. Es dürfte<br />
jedoch aus der vorangegangenen Untersuchung hervorgegangen sein, daß diese von Blümel beschriebenen<br />
Unterschiede, die in der Forschung wiederholt aufgegriffen wurden!", keineswegs als spezifische<br />
Charakteristika für die verschiedenen Epochen angesehen werden dürfen. Dies zeigen allein schon die<br />
Kore Kat. Nr. 19, der Widderträger Kat. Nr. 16 und die Statuette Kat. Nr. 52. Generell sehen Skulpturen,<br />
die in der Blocktechnik gefertigt werden, einheitlich-organisch aus, da der Bildhauer von allen vier<br />
Seiten an die Skulptur heranging. Dies ist aber nicht nur an archaischen und klassischen, sondern auch<br />
an hellenistischen Skulpturen zu beobachten. Auch sind bei der Untersuchung von unfertigen Skulpturen<br />
deren Fertigungsstadien differenzierter zu betrachten. Denn grundsätzlich ist an der Methode von Blümel<br />
und den nachfolgenden Bearbeitern Kritik zu üben, da sie die Arbeitsstadien der einzelnen Statuen nicht<br />
klar voneinander trennten und Skulpturen verglichen, die sich in unterschiedlichen Phasen der Fertigung<br />
befanden, als sie aufgegeben wurden. So entsprechen die archaischen Skulpturen in der Phase der<br />
Spitzmeißelarbeit späteren, die im gleichen Arbeitsstadium aufgegeben wurden. In der späthellenistischen<br />
Zeit weisen zwar vor allem die mir dem Punktierverfahren hergestellten Skulpturen ein Nebeneinander<br />
von verschiedenen Arbeitsstadien auf, doch ist dies wiederum in Abhängigkeit von dem jeweiligen Fertigungsstadium<br />
zu betrachten. Denn auch bei diesem Verfahren sieht die Figur in bestimmten Phasen der<br />
Gestaltung, so beispielsweise in der Phase der Bossierung oder der Zahneisenarbeit, einheitlich-organisch<br />
aus. Vielmehr ist das technische Vorgehen sowohl bei der Bossierung als auch bei der Ausgestaltung einer<br />
Skulptur in jeder Epoche mit geringfügigen Modifikationen und den jeweilig zu differenzierenden Eigentümlichkeiten<br />
des einzelnen Bildhauers das gleiche. Der entscheidende Unterschied bei der Fertigung<br />
einer Skulptur in den verschiedenen Epochen liegt also weniger in der technischen Abfolge als vielmehr<br />
darin, ob und wie eine Modellvorlage in Stein umgesetzt wurde.<br />
importiertemMaterial. In diesem Zusammenhang verweist Merkerauf die hellenistische rhodisehe Skulptureines Kindes.<br />
dessenKopfeine bei weitem qualitätvollere Ausführungalsdessen Körper dokumentiert. Merker a. O. 9 Kat. Nr. 128 Abb.<br />
74 -76.<br />
246 Blümell927, 17. 20; Blümell943, 68.<br />
247 s.z. B. Palagia 1987, 76; vgl. Adam 1966, 3.<br />
IB. 2 Die Anwendung der Werkzeuge<br />
Der griechische Bildhauer verfügte über ein reichhaltiges Sortiment an Werkzeugen, die er individuell,<br />
ganz aus seinem Erfahrungsschatz heraus, im Umgang mit technischen und matetiellen Erfordernissen<br />
einsetzte. Wesentliche Vorgaben liegen in der Beschaffenheit des Materials 248 , in dem zu fertigenden Objekt<br />
selbst sowie in der ihm zur Verfügung stehenden Arbeitszeit. Die in der Bildhauerei hauptsächlich<br />
verwendeten weißen Marmorsorten wie der naxische, parisehe, pentelische, thasische oder prokonnesisehe<br />
Marmor weisen unterschiedliche Charakteristika auf, die nicht nur die Verwendung und die Handhabung<br />
der Werkzeuge, sondern auch wesentlich das Aussehen des vollendeten Werkes bcsrimmterr'",<br />
obgleich auch die Bemalung der Skulpturen hierbei eine wesentliche Rolle gespielt haben dürfte. Die<br />
parischeu und penrelischen Marmore mit äußerst feinen Strukturen der Kristalle sind weiche Gesteine,<br />
die es beispielsweiseerlauben, feine Details aus dem Stein herauszumeißeln, vollkommen verschieden von<br />
dem sehr harten rhasischen Marmor, den mit dem naxischen die grobkörnige Beschaffenheit des Materials<br />
verbindet. 250 Auch splittert der naxische Marmor bei der Bearbeitung in größeren Stückehen ab.<br />
Spitzhammer, verschiedene Meißel wie Spitzmeißel, flachmeißel, Breiteisen, Rundmeißel und Zahneisen,<br />
jeweils in unterschiedlicher Größe und ausreichender Anzahl-", ein Hammer, um die Meißel zu<br />
schlagen, Bohrer, Raspel und Schleifmittel stellten das Instrumentarium eines Bildhauers dar. Aber auch<br />
Meßlatten, der Meßstab oder die Meßschnur sowie Zirkel in unterschiedlichster Ausführung und das<br />
216 Marmorerfordert eine andere: Bearbeitungals Granit, Kalksteinoder auchAlabaster, so daß in Ägypten und im Nahen Osten<br />
andere Methoden derSteinbearbeitung angewandr worden sind, Rockwell 1993, 177ff. Ebenda auch zur Frage, ob dieGriechen<br />
ihreTechnikvon den Ägyptern erlernt haben,wobei eine vergleichende AnalysederTechnik derÄgypterund Hethiter<br />
sowie der Griechen notwendig wäre,um diese Fragezu beantworten. Rockwelle Anikel über die VerwendungderWerkzeuge<br />
bei der Fertigungantiker Marmorskulpturen stellt eine wichtige. allerdingssehr vereinfachteEinführung in diese Thematik<br />
dar.Bedauerlicherweise schreibter seinen Text fastohne Anmerkungen und gänzlichohne Bibliographie,da er auf sein Wissen<br />
alsBildhauer zurückgreift. Abbildungen suchtmanvergeblich. ZurBearbeitung vonweicherem Gestein s. Casson 1933.<br />
66f.; B. S.Ridgway, TheArehaie Style in Greck Sculprure (1977) 21f.; L. Adams, Orienralising Sculpture in SoftLimesrone,<br />
Brttish ArcheologkalReports Supp!.41 (1978); s. auchA. Claridge, die die Bildhauertechniken römischer Skulpturenin Bezug<br />
zu denverwendeten Marmorarten sieht,A. Claridgein: P. Pensabeneu. a. {Hrsg.},Marrni Antichi. Problemid' impiego,<br />
di restauro e identificazione, StMisc. 26 (I985) 113ff.<br />
249 Hier ist die Bildhauerei griechischer Zeit angesprochen, da in römischer Zeit sowohl der Marmoraus Carrara als auch aus<br />
Aphrodisias sowieBuntmarmore filr die Fertigung von Skulpturen genutztwurden, hingegen der naxische Marmoran Bedeutungverlor.<br />
s. das Kap.IV. 1 ..Der Rchscoffiieferanr und ArbeitsplanSteinbruch". NatürlicherfaßtdieseAufzählungbei<br />
weitem nicht alle Marmore.die in derBildhauerei Verwendungfanden.Denn dasBildwürde durcheineAufarbeltung der<br />
PlastikunterdieserFragestellung anhandvon Gesteinsanalysen mit gleichzeitiger Untersuchungder Steinbrüche wesentlich<br />
differenzierter und komplexer erscheinen, wobei allerdings der Unsicherheitsfaktor bei der Bestimmungder Marmorsotten<br />
immer noch rechtgroß ist. Topographische Studien über die Marmorvorkommen und Untersuchungen bezüglich deren<br />
lokaleralsauch überregionaler Verwendung wäreneine lohnenswerre Aufgabe. wobei ich z. B. an Chios oderLesbosdenke.<br />
s. auchdas Kap.IV 1. 2. 1 "Wahl desArbeitsplatzes, Suche nach dem geeignetenMarmorblock und Herrichten des Werkplarzes".<br />
250 Doch findensichbeispielsweise sowohlauf Paros und Naxos alsauch aufThasos unterschiedliche Marmore sowohl feinerals<br />
auchmittlerer Kerngrößen. Vgl. dieKap. IV.1. 1. "DieBruchgebiete".<br />
251 Ein Bildhauer wird in seiner Kollektion nicht nur ein Exemplar eines jeden Werkzeuges besessenhaben,dadie Werkzeuge<br />
schnellstumpfwurdenodersogarbrechenkonnten. Rockwellstellt die interessante Frage. wie dasWerkzeugser einesBildhauersderAntikeaussah.<br />
Erscharzt, daß ein Meisterbildhauer mindestens20, aberwahrscheinlich nicht mehrals 50 Werkze:uge<br />
in seinem Besitzhatte, wobei die Anzahl um so größergewesen sein dürfte.wenn der Bildhauerein Atelier mit Gehilfen<br />
unrerhielt. s.RockweIl 1993, 191.<br />
153<br />
..<br />
j
154<br />
Winkelmaß waren nicht nur in der Enrwurfsphase, sondern auch während des gesamten Gestaltungsprozessesvon<br />
großer Bedeurung.F"<br />
Im folgenden steht die an der unvollendeten Plastik abzulesende Anwendung der Werkzeuge von archaischer<br />
bis hellenistischer Zeit zur Diskussion. Ein kurzer Blick auf römische unfertige Skulpturen soll das<br />
Bild antiker Bildhauerei vervollständigen und zugleich die unterschiedliche Arbeitsweise, die sich nicht<br />
zuletzt aus der griechischen Zeit heraus entwickelt hat und deren einzelne technische Befunde sich in die<br />
vorangegangenen Epochen zurückverfolgen lassen, verdeutlichen.<br />
Anhand der Werkzeugs puren (Taf. 117) ist es möglich, Schlagrichtung und Art des Hiebes zu rekonstruieren<br />
253 : Spitzhammer und Spitzmeißel formen auf der Oberfläche kleine rundliche Eintiefungen, wenn<br />
sie senkrecht aufden Stein geschlagen werden, wobei es dann allerdings sehr schwierig ist, zwischen einem<br />
Spitzhammer und einem groben Spitzmeißel zu unterscheiden, da deren Spuren beinahe identisch sind. 251<br />
Wcrden die Werkzeuge schräg, zumeist in einem spitzen Winkel über den Stein geführt, beobachtet man<br />
die für diese Handhabung so charakteristischen Purchen.i'? Die Länge dieser Furchen verrät, ob es sich<br />
um "kurze" oder "lange" Schläge handelt. Lange Eintiefungen sind das Ergebnis eines durch mehrere aufeinanderfolgende<br />
Hiebe über die Oberfläche getriebenen Meißels. Auf diese Art und Weise war es möglich,<br />
größere Marmorstücke schnell fortzumeißeln. Das Zahneisen hinterläßt entsprechend der Anzahl<br />
seiner Zähne nebeneinanderliegende punktförmige Vertiefungen, wenn es im rechten Winkel auf den<br />
Stein trifft, und parallel verlaufende Furchen, wenn es in einem spitzen Winkel über das Material geführt<br />
wird. Auch hier lassen sich lange und kurze Schläge nachweisen, die sich in der Länge der Furchen widerspiegeln.<br />
Eine durch Streifen aufgerauhte OberRäche verweist aufdie Verwcndung eines Flachmeißels,<br />
den man in kurzen Hieben schräg auf den Stein schlug. Der Flachmeißel ist jedoch vielseitig einsetzbar<br />
und kann je nach Art des gewünschten Ergebnisses nicht nur in verschiedenen Winkeln, sondern auch<br />
mit der ganzen oder nur mit einem Teil seiner Schneide zur OberRäche angesetzt werden. So lassen sich<br />
kräftige Einschnitte beispielsweise durch einen fast senkrecht zum Stein gehaltenen Flachmeißel erreichen.<br />
Einwärts gewölbte runde Vertiefungen deuten auf den Einsatz des Rundmeißels-", unregelmäßige,<br />
252 Manin 1965,184ff.; Orlandos 1968,59ff.; Ygl. G. Zimmer in: Bauplanung und Bautheorie derAntike. Diskussionen zur<br />
archäologischen Bauforschung (DA!Berlin Heft4, 1983)265ff.<br />
253 s. Rockweil 1993. 18;[. mit Skizze. Rockweil unterscheidet am Beispiel des Spitzmeißels zwischen dem "granite carvers<br />
strcke", dem ..masons strake" und dem nsculptors strake". Bei dem ersten wird das Werkzeug in einem rechten WInkel zu<br />
dem Stein angesetzt, was nach Rockwell in der antiken Bildhauerei nur in der archaischen Zeit der Fall und später extrem<br />
unüblichgewesen ist. VgLaberS. 157 zurGestaltung von Konturen. Der .masons strake", wie er dasAnsetzen des Werkzeuges<br />
in einemWinkelvon 60 - 45° bezeichnet. stelltdie durchdie gesamte Antikehinwegam häufigsten zu beobachtende<br />
Handhabung des Werkzeuges für die Bossierung der Skulpturen dar. Mit dem "sculptors stroke", bei dem der Meißel in<br />
einem spitzenWinkelangeserzt wird, entfernt man den Stein bis zu 1 cm derendgültigen Oberfläche. Dies ist z. B. in der<br />
Sarkophagproduktion in Romvorn2. bis4. Jh. n. Chr.zu sehen.<br />
254 Der rechteWinkelschlag wurde in derTechnikforschung rechtunterschiedlich bewertet: Nach Blümelschlugendie Steinmetzedie<br />
Werkzeuge vorallemin einemrechten Winkelaufden Stein, Blümel 1927, 3; Blümel 1943, 22; Adam1966, 11f.<br />
27f, relativierte dieseThese Blümelsinsofern, daßsiedie Meinungvertrat, die Bildhauer hättenden in einemspitzenWinkel<br />
erfolgenden Schlag.den sie als"shortmasonstrake" bezeichnet, bevorzugt, aberden Meißelgelegentlich auchsenkrecht zur<br />
Oberfläche desSteinsangesetzt. Palagladagegen bestreitet grundsätzlich die Anwendung rechter Winkelschläge, da die Spuren<br />
ihres Erachtens bisherfalsch interpretiert worden seienund eigentlichvon schräg geführten Schlägen herrührten, die nur<br />
eine undeutlicheFurche auf dem Stein hinterlassen hätten: Palagia 1987, 83 Anm. 41. Sie stütztsichaufdie Meinungaller<br />
"modernen Bildhauer". die den rechten Winkclschlag angeblich als technischen Irrtum ansehen. Von den modernenBildhauern,mit<br />
denen ich sprach,wirdjedochderrechte WinkdschlagalsPunktspitzhieb bezeichnet! AuchCassonbeurteilt die<br />
Existenz rechter Winke1schläge positiv:Casson1933. 236fT. mit Skizze. Gleicher MeinungistRockwell a.0., seinesZeichens<br />
Bildhauer und mit derantiken Technikvertraut,<br />
255 Ygl.Bessac1988,48Abb.8.<br />
256 s.zuden Spuren desRund-und Hohlmeißels Casson 1933,189Abb. 171 und Bessac 1988,Abb. 10.<br />
kreuz und quer verlaufende Kratzer belegen die Verwendung einer Raspel."? Des weiteren standen dem<br />
Bildhauer verschiedene Bohrer zur Verfügung, angefangen von dem einfachen Steinbohrer, der sowohl<br />
mit dem Hammer geschlagen als auch in den Handflächen hin und her gedreht werden kann, bis hin zu<br />
raffinierteren handbetriebenen Bohrmaschinen wie der Brustleier, dem Bohrer mit Fidelbogen- oder Seilantrieb.<br />
25B Zu unterscheiden ist in der Handhabung zwischen der Punktbohrung. der Bohrlochreihung-"<br />
und dem sogenannten laufenden Bohrer'". Bei der Bohrlochreihung wird ein Loch neben das andere<br />
senkrecht in den Stein gebohrt und die verbleibenden Stege mit dem Meißel herausgeschlagen. Das Ergebnis<br />
ist ein Bohrkanal mit unterschiedlich tiefen rundlichen Kerben aufdem Grund und unebenen Seitenwänden.<br />
Mit dem laufenden Bohrer werden lange Furchen produziert, für die die sanft ansteigenden<br />
Kuppen auf dem Boden der Eintiefung, die durch das unregelmäßige Ansetzen des Werkzeuges in einem<br />
spitzen Winkel entstehen, kennzeichnend sind.<br />
Zu Beginn eines jeden Fertigungsprozesses von Skulpturen stand eine erste grobe Formung des auszuführenden<br />
Objektes mit einem derben Spitzmeißel oder auch mit einem Spitzhammer.A' Feinere Spitzmeißel<br />
wurden dann für die sich der Grobbossierung anschließende Feinbossierung eingesetzt. Der Unterschied<br />
in den einzelnen griechischen Epochen liegt allerdings nur darin, von welchen Seiten die Bearbeitung<br />
der Skulptur ausging und an welchem Arbeitsplatz die Bossierung vorgenommen wurde. Da es bei der<br />
ersten Bearbeitung darum ging, den Block schnell von dem überflüssigen Material zu befreien, führte<br />
der Steinmetz den Spitzmeißel hauptsächlich in einem spitzen Winkel und mit langen Hieben über den<br />
Srein. Die Werkzeugspuren auf der Rückseite der Kore Kat. Nr. 21 (Taf. 17 b), auf der Vorderseite der<br />
Kore Kat. Nr. 22 aus Eretria (Taf. 14 a), die der naxischen Kouroi Kat. Nr. 1 (Taf. 1 c) und Kat. Nr, I I<br />
257Ygl. Bessac 1988. 50Abb. 15.<br />
258 Zu verschiedenen Bohrern unddenpraktischen Gründen ihrerVerwendung: M. Pfanner, AA1988,667ff. Abb. 2 a (Brustleier),Abb.<br />
2 b (Bohrer mit Fidelbogenanrrieb), Abb. 2 c (Bohrer mit Kreiselanrrieh),Abb.2 d (Bohrermit Seilamrieb). s.auch<br />
Blümel1927,Taf. 1I (Brustleier) undTaf.1 i (Bohrer mit Fidelbogenanrrieb). Blümel nenmnur diesebeiden Bohrer, wobei<br />
er den Bohrer mit Fidelbogenantrieb meint, wenn er vom laufenden Bohrer spricht.s. Blümd 1927, 15. Die Bewertung der<br />
Verwendung desBohrers istvielschichtig, s. Pfannera. O. 672f[, derdie Bohrungals Qualiratsersarz, als Qualitätsmerkmal.<br />
als Individualstil, als Rationalisierungsmaßnahme undals Stilmerkmal inrerpreriert.<br />
259 Zur Bohrlochreihung, die bei besonders tiefen oder schwerzugänglichen Partien verwendet wird und die gebräuchlichste<br />
HandhabungdesBohrers in der Antikedarstellt, s. Pfanner a. O. Abb.4.<br />
260 Zur Beschreibung des laufenden Bohrers, dessenBezeichnung in Bezug auf die Handhabungmißverständlich ist: Adam<br />
1966, 61ff. Gegen Adams. A. F.Stewart, Some Early Evidence for the Useof the RunningDrill.BSA70, 1975, 199ff.<br />
Pfanner a. O. 669 akzeptiert die Handhabung des Bohrers, wie sie vonAdamdargestellt wurde,und erklärt in Bezugaufdie<br />
neuerenForschungen (s. K. Eichner, JbArChr 24, 1981, 104ff.), die die Verwendung des laufenden Bohrers wiederanzweifeln,<br />
zu Recht,daßin derSpätantike derlaufendeBohrervielleichtwiederseltenerbenutztwurde.Vgl. W - D. Heilmeyer,<br />
Korinthische Normalkapitelle. 16. Ergh. RM (1970) 19,der den Einsatz des laufenden Bohrers beider Steinarbeit für unwahrscheinlich<br />
hält. Um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen, sei an dieserStelleverdeutlicht, daßmit dem laufenden<br />
Bohrerin dieser Arbeitder Einsatz des Bohrers gemeintist,derin einem Spitzen Winkelvon zwei Personen fortlaufend über<br />
den Stein getrieben wirdund einewenigertiefe Furche hinrerläßt. Keineswegs wirdder "laufende Bohrer" senkrecht in den<br />
Steingebohrtund in dieserPositionentlangdes Marmors gedreht.<br />
261 Allgemein zu Spirzhammer, Spitzmeißel und Hammer: Casson 1933, 173ff. 237f.; Blümel1927, 3ff.Taf. 1;Adam 1966,<br />
3ff. Währendwirüberoriginale Werkzeuge ausarchaischer Zeit bis heutenicht verfügen. sind einige: Beispieleausklassischer<br />
und hellenistischer Zeit bekannt. s. zu Werkzeugen aus dem 5. und 4. jh. v. Chr. Adam 1966, 11. Auch die archaischen<br />
Werkzeuge werden ausEisengewesen sein, s. Adam1966, Bf.Blümelund Etiennehingegenrogen Spitzmeißel ausBronzein<br />
Erwägung: Blümel1943,21f.;H.J.Etienne, The Chi,eIin Greek Sculprure (I 968)XlIIf. In klassischer Zeit istesschwieriger,Spirz.meißdarbeit<br />
zu finden,da hierdieTendenzvorherrschte, dieOberfläche vonWerkzeugspuren zu befreien; allerdings<br />
zeigen sowohl in archaischer alsauchin klassischer Zeit die Oberflächen von PlinthenSpirzmeißelarbeir. Dies hatAdamklar<br />
herausgearbeitet. Vom4. Jh. v.ehr. an sindan den Skulpturen verstärkt unfertiggelassene Rückseitenmit deutlichenSpuren<br />
der Spitzmeißelarb~it zu beobachten.<br />
155<br />
..
156<br />
(Taf. 9 b) und des Widderträgers Kat. Nt. 16 (Taf. 12) belegen diese Handhabung für die archaischen<br />
Skulpturen. Blümel stellte in seiner Untersuchung fest: "Nur selten findet man an archaischen Bildwerken<br />
lange Furchen, die darauf deuten, daß der Bildhauer seinen Meißel schräg aufstellte und ihn, ohne ihn<br />
abzusetzen, mit mehreren aufeinanderfolgenden Schlägen vorwärts trieb. Solche Spitzmeißelarbeit zeigen<br />
in dieser Zeit nur sehr große Statuen gelegentlich, wie der bärtige Gott auf Naxos und der Widderträger<br />
aufThasos."262 und er bemerkte weiter: "Nur in einem sehr frühen Stadium der Arbeit kann der Bildhauer<br />
mit senkrechten kräftigen Schlägen arbeiren, später stellt er seine Meißel schräg zur Oberfläche."263<br />
Diese Thesen sind durch oben angeführte Beispiele widerlegt, da diese Schläge erstens sehr häufig zu<br />
beobachten sind, zweitens nicht von der Größe der Skulpturen abhängen und drittens gerade in einem<br />
sehr frühen Arbeitsstadium Anwendung fanden. Die gleichen Spuren sind auf der Rückseite und der<br />
linken Flanke des Torsos aus Aegina Kat. N r. 41 (Taf. 23 b), auf der unteren Partie der Jünglingsstatue<br />
von Rheneia Kat. Nr, 69 (Taf. 38) sowie auf dem Tischbein in Form einer Sphinx Kat. Nt. 73 (Taf. 47),<br />
der Statue Kat. Nt. 106 (Taf. 61 c), dem Arm Kat. Nt. 108 (Taf. 55 a) und dem Fuß Kat. Nr. 80 (Taf.<br />
51 b) zu beobachten. Diese Beispiele sollen als Belege für die klassische und hellenistische Zeit genügen.<br />
Den Übetgang von der Grob- zur Feinbossierung, den Wechsel von grobem zu feinem Spitzmeißel vermögen<br />
besonders eindrucksvoll die bereits angeführte Statue aus Rheneia Kat. N r, 69 (Taf. 38) und das<br />
Tischbein in Form einer Sphinx Kat. N r. 73 (Taf. 47) veranschaulichen: Während die untere Partie des<br />
Jünglings, genauer das Standbein in etwa bis zu der Höhe des Knies und das Spielbein bis etwa zu der<br />
Mitte des Unterschenkels, noch die erste Phase der Bearbeitung dokumentieren, zeigt die sich anschließende<br />
Partie über die Oberschenkel hinweg bis hin zu den Hüften die zweite Phase der Gestaltung. Das<br />
Tischbein (Taf. 47) führt eine erste Bossierung, für die der Steinmetz einen groben Spitzmeißel verwandte<br />
und dessen Spuren als lange, tiefe Furchen zu erkennen sind, aufder gesamten Vorderseite, aufder linken<br />
Seite in der oberen Partie des Kopfes sowie zwischen Vorder- und Hintertatze und auf der rechten Seite<br />
vor Augen, obgleich der Steinmetz hier den Flügel schon ansatzweise mit einem feineren spitzen Eisen<br />
überarbeitete. Die Bearbeitung der linken Seite ist insgesamr weiter vorangetrieben worden als die der<br />
rechten, da hier dem groben Spitzmeißel bereits an mehreren Stellen ein feinerer folgte, was deutlich<br />
an dem Flügel, an dem Oberkörper sowie an Vorder- und Hintertatze zu beobachten ist. Die Rückseite<br />
illustriert die gleiche Handhabung eines groben und eines feineren Spitzmeißels: Die Partie zwischen den<br />
Flügeln ist fein gepickt, die darunter liegende bis zum Ansatz der Hinterbeine grob gefurcht und die sich<br />
daran anschließende Partie wiederum fein gepickt. Grob modelliert sind auch auf bereits beschriebene<br />
Weise die Figuren des Reliefs Kat. N r. 58 (Taf. 35 a) in Berlin, dessen Grund gleichfalls noch partiell die<br />
Furchen des Meißels zeigt. Ebenso mit dem Spitzmeißel roh angelegt ist die Gestalt des Hermes'64 und<br />
der ihn umgebende Grund aufdem delischen Relief Kat. Nr. 60 (Taf. 33 c),<br />
Einen Eindruck, wie weit der griechische Bildhauer schon allein mit dem Spitzmeißel sein Werk modellieren<br />
und detaillierter auszuführende Einzelformen vorzeichnen konnte - und zwar nicht nur in der<br />
archaischen, sondern auch in der klassischen und hellenistischen Zeit - vermitteln der naxische Kouros<br />
Kat. Nr, 1 (Taf. 1), der Torso aus Aegina Kat. Nr. 41 (Taf. 23), das soeben behandelte Tischbein Kat. Nr.<br />
73 (Taf. 47) sowie die kleine Gruppe von Pan und Nymphe Kat. Nr. 114 im Athener Nationalmuseum<br />
(Taf. 66). Die Arme des naxischen Kouros sind, wie der Blick auf die Flanke (Taf. 1 b) lehrt, deutlich in<br />
Oberarm, Armbeuge und Unterarm ausgebilder; auf der Vorderseite wölbt sich die Brust sanft hervor,<br />
Brustmuskularur, Leistenlinie und Becken sind gestaltet und selbst die Knie plastisch aus dem Stein her-<br />
262 Blürnel1927,3.<br />
263 Bllimell927, 3;vgl. Blümel 1943,22.<br />
2(,.1 Adam 1966, 17. s. zuletztzur Deutung dieserFigurLIMC V. 1 Ne.751 s. v. Hermes.<br />
ausgelöst. Der durchmodellierte aeginetische Torso zeigt in der Rückenansicht Wirbelsäule und Schulterblätter<br />
sanft eingezeichnet. In archaischer Zeit nutzte der Bildhauer den Spitzmeißel auch dafür, um mit<br />
senkrechten Hieben die Einzelformen zu umreißen. Hände, Haaransätze, Gesichter, Augen und Ohren<br />
wurden auf diese Art umrandet, wie es der delische Kouros Kat. Nr, 5 (Taf. 4 c; vgl. 4 a), der Kouroskopf<br />
aus Eretria Kat. Nr. 6 (Taf. 2 b) oder der Korenkopfin der Münchner Glyptothek Kat. Nr. 23 (Taf. 15)'65<br />
belegen. Die gleiche Technik ist ebenfalls in hellenistischer Zeit zu beobachten, obwohl in dieser Epoche<br />
im Zuge der veränderten Vorgehensweise häufiger das Zahneisen verwendet wurde. Der klassische weibliche<br />
Kopf in Berlin Kat. Nr, 48 (Taf. 24 a) soll nach Blümel die charakteristischen punktförmigen Spuren<br />
zwischen den Lippen, in den Augenhöhlen, hinter den Ohren und unter dem Kinn aufWeisen.'66 Dies<br />
stimmt allerdings nicht, wie ich bei eingehender Betrachtung des Kopfes feststellen konnte, denn diese<br />
Stellen sind deutlich mit dem Flachmeißel bearbeitet und akzentuiert worden. Die Gesichtskontur des<br />
wobl frühestens in die hellenistische Zeit'6' zu datierenden Kopfes im Athener Nationalmuseum Kat. Nr.<br />
113 (Taf. 65 a. b) ist allerdings aufdie soeben beschriebene Art und Weise gebildet, was deutlich in der<br />
Vorder-, aber vor allem in der rechten Seitenansicht zu erkennen ist. Das Herausarbeiten der Konturen<br />
konnre ebenso wie die Markierung derselben mit dem senkrecht aufden Stein geschlagenen Spitzmeißel<br />
erfolgen, wie es die Bearbeitungsspuren an den Figuren auf der Friesplatte des Nereidenmonumentes<br />
Kat. Nr. 68 (Taf. 37 b)268 oder diejenigen auf dem Thron von Zeus auf dem delischen Relief Kat. Nr. 60<br />
(Taf. 33 a), die vertikal auf den Reliefgrund treffen und horizontal zueinandet verlaufen, belegen. Die<br />
Ausführungen zu einzelnen Aspekten der Benutzung des Spitzmeißels mögen an dieser Stelle zunächst<br />
abgeschlossen sein, doch soll die R~leva~z dieses Meißels für den gesamten Fertigungsprozeß auch im<br />
Vergleich zu den anderen noch zu diskutierenden Werkzeugen an späterer Stelle dargelegt werden.<br />
Der Flachmeißej269 konnte in der archaischen Zeit dazu dienen, die durch die Spitzmeißelarbeit unebene<br />
Oberfläche des Steins zu glätten, indem man das Werkzeug in einem spitzen Winkel und in kurzen Schlägen,<br />
in den von Adam so bezeichneten "short chopping strckes", über die Oberfläche führte.'70 AIsBelege<br />
sind der delische Kouros Kat. Nr, 5 271 (Taf. 4 b), die Kore aus Tarent Kat. N r. 24 (Taf. 16), der Münchner<br />
265 Vgl. pfanner 1988. 9ff. Abb. 2;s.dieBeschreibung derWerlueugspuren imKaralog.<br />
266 C. glümel, Dieklassisch griechischen Skulpturen derStaatlichen Museen zu Berlln (I966) 90f. Kar. Nr. 108.s. auchdie<br />
Angaben imKatalog unterderNr.48.<br />
267 s. zur Datierungdie Vorbemerkungen des Kataloges und die Angabe im Katalog.<br />
268 Vgl. Adam 1966, 19.<br />
269 Allgemein zum Flachmeißel: Blümel 1927.6.7.16 Taf 1 b (Blürnel bezeichnet dieses Werkzeug als Schlageisen), Casson<br />
1933, 180ff.; Blürnel 1943. 34ff.; Adam 1966, 26ff. Ebenda zu weiteren Funktionen desFlachmeißels. Bessac 1986, 122ff.<br />
Blüme1 und Casson hatten,wie es Adamausführliehstdargelegt hat, die vielseitigen Funktionen des Flachmeißels nicht<br />
erkannt. Adam legt in ihrer Arbeit eine kritische Zusammenfassungder Thesen Blümels und Cassons vor, obwohl ihre<br />
Kritik nicht in allen Punkren zwingend ist. Blümel zog zwardie Verwendungdes Flach- bzw. Rundmeißels in archaischer<br />
und klassischer Zeit Rir die Gestaltung der Haare und Gewänder sowie gelegentlich für die Ausfiihrung von Details der<br />
Gesichtcr wie Augenlider und Kontur der Lippen in Betracht, schrieb aber: "Nie aberwürde ermit einemsolchenEisenan<br />
nackteTeiledes Körpers herangehen, diese Arbeit wirdausschließlichmit Spitz- und Zahneisen geleistet."Blürnel 1927, 7;<br />
vgl. glümel 1~43. 35( Eine A~snahme saher,ebensowie ~asson a..0., beiderFertigungvon Reliefs. Das Modellierenund<br />
Formen archaIscher und klassischer Skulpturen erfolgte semer Meinurig nachvorallem mit dem Spitzmeißel und Bims,<br />
wobeiauchdasZahneisen hinzugezogen werden konnte.Blümel ]943, 34 schrieb: "Derfrühgriechische Bildhauer verwendet<br />
legentlich auchdasSchlageisen.allerdings nicht zurrt Glättender Oberfläche," Dies trifftnicht zu, wie es nebenden im<br />
~ext angefühnen Beispielenauchder KopfausParas Kat. N r. 54 belegenkann,beidemdie Partie überder Stirnmit einem<br />
sehr feinen Flachmeißel geebnetwurde. AuchbeiderKore Kat. Nr. 19 wurdedie Hand mit dem Flachmeißel bearbeitet.<br />
270 Adam 1966. 24.<br />
27' Adam 1966, 30,<br />
157<br />
..
158<br />
Korenkopf Kar. Nr. 23 sowie der milesische Löwe Kat. Nr. 28 272 (Taf. 18 b) anzuführen. Kräftige Einschnitte,<br />
wie z. B. den Haaransatz des Korenkopfes Kat. Nr. 23 (Taf. 15 a), erreichte der Bildhauer durch<br />
einen senkrecht aufden Stein geschlagenen Flachmeißel. Die unmittelbar der Spitzmeißelarbeit folgende<br />
Flachmeißelarbeit zeigen auch das Relief in Berlin Kat. Nr. 58 (Taf. 35 a)273, der Bostener Kopf Kat. Nr.<br />
59 (Taf. 30 c. d), der Kopf Kat. Nr. 112 (Taf. 64) und die Gruppe von Pan und Nymphe Kat. Nr. 114<br />
(Taf. 66) im Athener Nationalmuseum. wobei das Werkzeug hier gleichzeitig einer ersten Glättung und<br />
Formung diente. Der Kopf Kat. Nr. 112 (Taf. 64) zeigt aber im Vergleich zu den oben zitierten Werken<br />
eine andere Oberflächengestaltung, da der Meißel in langen Schlägen über den Stein geführt wurde.<br />
Die wesentliche Funktion des Flachmeißels und gleichsam die des Rundmeißels?", der als Variante des<br />
Flachmeißels hier nicht ausführlich besprochen werden soll, stellt jedoch die feine ModelIierung und<br />
detaillierte Ausarbeitung der Einzelformen dar, wie es die Gewandfalten der Kore aus Tarent Kat. Nr.<br />
24 (Taf. 16), die Haare des Widderträgers Kat. Nr, 16 (Taf. 12 c) oder auch die Mähne des milesischen<br />
Löwen Kat. Nr. 28 (Taf. 18 b) veranschaulichen. Auch in dieser Funktion wird der Flachmeißel in jeder<br />
Epoche benutzt und so bieten uns die archäologischen Befunde der klassischen und hellenistischen Zeit<br />
das gleiche Bild. Der Kopf des Apollo aus dem Westgiebel des Zeustempels in Olympia (Taf. 24 b) zeigt<br />
besonders anschaulich, wie die detaillierte Ausarbeitung der Haare mit dem Flachmeißel durchgeführt<br />
wurde.I" Das gleiche Vorgehen ist an dem kleinen Kopf einer Herme Kat. Nr. 50 (Taf. 30 a. b) zu beobachten,<br />
für dessen Konturen und Details der Haare der Bildhauer allerdings ein sehr viel feineres, flaches<br />
Eisen zur Hand nahm. Mit einem ebenso feinen Meißel gestaltete er die scharfen Konturen der Haarbinde,<br />
der Augen und des Mundes des Kopfes von Paras Kat. Nr. 54 (Taf. 27) und glättete, ganz entgegen<br />
272 Die Rückseite des Löwen ist nach Adam (s. Adam 1966, 24) mir den charakteristischen .sborc chopping srrokes" eines<br />
Breiteisens überarbeitet worden; vielleicht sollte man aber eher von einem Flachmeißel mit breiter Schneide reden. Denn<br />
eine Unterscheidung zwischen Breiteisen und Flachmeißel ist generell nicht gerechtfertigt, da ein Breiteisen ein Flachmeißel<br />
mit einer Schneide von circa 3 crn Mlndesrbreire (Adam 1966,23) ist und der durch die Bezeichnung gewonnene Eindruck<br />
eines eigenen Werkzeugryps in archaischer Zeit eigentlich nicht stimmt. Vgl. zur Anwendung und zu den Spuren, die das<br />
"Breiteisen" hinterläßc: G. M. A. Richter. AJA 47, 1943. 188([ Richter betrachtet das Breireisen als ein Werkzeug, das nur in<br />
archaischer Zeit verwendet worden sei. Diese These Richters wurde von Adam (Adam 1966, 23ff.) bestätigt, die die Spuren<br />
des Breiteisens weder in klassischer Zeit noch in späteren Epochen an der Plastik feststellen konnte, wobei das Breiteisen in<br />
nacharchaischer Zeit durch den Flachmeißel und durch das Zahneisen in dieser Verwendung ersetzt wurde.<br />
273 An den Pferdebeinen hat der Flachmeißel Spuren in Form von langen Facetten hinterlassen, die den Beinen ein kantiges<br />
Aussehen verleihen. s. auch die Beschreibung im Katalog.<br />
274 Die Verwendung des Rundmeißds für die Gestaltung der Haare zeigen die archaischen Köpfe in München Kat. Ne. 23 (Taf.<br />
15) und Samos KaL Nr. 20 (Taf. 14) sowie der klassische Kopf in Berlin Kat. Ne. 48 (Taf. 24 a). Mit einem sehr feinen Rundmeißel<br />
trennte man die einzelnen Finger der Hand Athen. Agora Kat. Nr. 49 (Taf. 28 a) voneinander und mit einem groben<br />
runden Meißel wnschrieb der Bildhauer die einzelnen Muskelpakete des späthellenistischen Sandalenbinders Kar. Nr. 111<br />
(Taf. 63). Vgl. beispielsweiseBlümel 1943,35, der über die Verwendung des Rundmeißels sage,daß er zwar gelegentlich für<br />
Haarwellen oder Falten, nie aber für nackte Teile des Körpers benutzt worden sei Vgl. hierzu auch die Gestaltung der Hand<br />
der Kore Kat.Nr. 19 (Taf. 13). Adams Kririk finder also auch durch diese Skulpturen ihre Berechtigung. s. auch den Einsan<br />
des Rundmeißels bei der Detailgestaltung der Grabharpyie Kat.Nr. 72 (Taf44: 45: 46). Die Gewandfalten von der Statuette<br />
Kat. Nr. 105 (Taf. 62 d) wurden schnell und einfach mit diesem Werkzeug sanft eingerieft. s. zum Rundmeißel auch Casson<br />
1933, 188f[ Grundsätzlich ist eine Unterscheidung zwischen den Spuren eines Rund- und eines Hohlmeißds nicht einfach,<br />
s. Casson 1933, 194: Bessac1986, 149ff. Der Hohlmeißel wurde allerdings nach Adam in der Antike nicht benutzt, s. Adam<br />
1966,26. Vgl. Adam 1966, 109.<br />
275 An diesem Kopf ist besonders deutlich der übergang von der feinen Spinmeißelarbeit zur Flachmeißelarbeit zu beobachten,<br />
s. G. Treu, Olympia III 69ff.Abb. IIOTaf. 18 - 22; Blüme11927, 9Taf. 13: Blümel Iwlä, 34 Abb. 22; Adam 1966, 16. s.<br />
auch die Verwendung von Spinmeißel und Flachmeißel bei der knienden Diene-in, Figur 0, aus dem Ostgiebel: Treu a. O.<br />
63ff. Abb. 99 Taf. 14, 5: Blümel 1927, 7f. Taf. 16 b: Blümell943, 26f. Abb. 18: vgl. den knienden Jüngling, Figur C, aus<br />
dem Ostgiebel. Zu diesem:Treu a. O. 61f. Abb. 96. 97.<br />
den Aussagen Blümels'", den fein gepickten Stein, wie es die Oberfläche der Haarbinde auf der rechten<br />
Kopfseite unschwer erkennen läßt. Die männliche Büste aus Delos Kat. Nr. 91 (Taf. 56) mag exemplarisch<br />
eine weitere Handhabung des Flachmeißels dokumentieren, obwohl Mareade unverständlicherweise<br />
dessen Einsatz an dieser Skulptur gänzlich abstreitet."? Denn es sind mit dem Flachmeißel herausgearbeitete<br />
Streifen zu beobachten, die in einer Linie mit dem Abschluß des Gewandes über die I. Brust bis<br />
zum Ansatz des Haares und zum einst abgebrochenen und wieder angestückten Fragment der Schulter<br />
führen. An diesen Stellen erfolgte neben der Glättung der rauhen Oberfläche gleichzeitig das Absetzen der<br />
Formen voneinander. Ferner sei hier noch auf die feine Darstellung der Halsmuskulatur hingewiesen, die<br />
von den seichten Streifen des Flachmeißels gebildet ist.<br />
Aufverschiedenste Weise wurde der Flachmeißel in der Ausführung von Gewandfalten eingesetzt, wie es<br />
neben der bereits zitierten Kore aus Tarent Kat. Nr, 24 (Taf. 16), an der sitzenden Grabstatue von Rheneia<br />
Kat. Nr, 70 (Taf. 42 d; 43 a) und der ebenfalls von dort stammenden Frauenbüste Kat. Nr. 71 (Taf. 39<br />
d; 40) beschrieben und an weiteren Skulpturen bestätigt werden kann: Sanfte Faltenerhebungen erhielten<br />
durch Einritzungen des nur mit der Kante der Schneide eingesetzten Flachmeißels ihre endgültige Gestalt,<br />
wie es die Faltengrate auf dem linken Knie sowie aufdem linken und rechten Oberschenkel (Taf. 42<br />
d; 43 a) der Sitzfigur Kat. Nr. 70 veranschaulichen; das gleiche Vorgehen ist aufder Außenseite des linken<br />
Oberschenkels der Arremisstatuette Kat. Nr. 78 (Taf. 51 a) zu beobachten. Des weiteren zeichnete der<br />
Steinmetz den Verlauf der Falten zur weiteren Bearbeitung mit einem feinen flachen Meißel vor. Auf der<br />
r. Seite der Gürtung des Gewandes der Artemissraruerre Kat. Nr. 78 (Taf. 51 a) wurde die Kontur einer<br />
Falte nichr vollständig herausgearbeitet, und die Bohrfurche endet hier abrupt vor einer feinen Einritzung<br />
mit dem Flachmeißel. Einritzurigen mit dem Flachmeißel dienten darübet hinaus der Hervorhebung<br />
von Konturen sowohl in einern frühen als auch weit fortgeschrittenen Stadium der Fertigung, indem die<br />
Umrißlinien regelrecht nachgezogen wurden, wie es auf dem delischen Relief Kat. Nr. 60 (Taf. 32 b. c)<br />
und dem Relief in Piräus Kat. Nr. 61 (Taf. 34 b) zu fassen ist.<br />
Falten konnten aber auch nur mit dem Flachmeißel und zwar auf zweierlei Art und Weise in Form von<br />
Eintiefungen gestaltet werden: Zum einen setzte der Bildhauer den Flachmeißel mit der gesamten Breite<br />
der Schneide an und trieb ihn in einem spitzen Winkel über die Oberfläche des Steins; dies stellt die einfachsre<br />
Art der Faltenformung dar, wie es die auf den Rücken derBüsre Kat. Nr. 71 (Taf. 39 d) fallende<br />
Faltenbahn des Schleiers belegt oder auch die Angabe der Falten auf den Oberschenkeln der delischen<br />
Statuetten Kat. Nr. 77 (Taf. 49 a) und Kat. Nr. 78 (Taf. 51 a), Oder aber er drehte die Schneide des<br />
Werkzeuges um etwa 70 Grad zu der Oberfläche des Steins, benutzte nur einen Teil derselben und schlug<br />
den Meißel so auf den Marmor, daß das Ergebnis als V-förmiger Kanal zu sehen ist. Diese Handhabung<br />
zeigen beispielsweisedie Falten, welche die linke Kopfseite der Büste von Rheneia Kat. N r. 71 (Taf. 40 c)<br />
bedecken. Adam'" zieht diese Art des Meißelschlages mit anschließender Glättung für die Darstellung<br />
der riefen GewandfaIren im 5. ]h. v. Chr. in Betracht und konstatiert für das 4. ]h. v. Chr. seine verstärkte<br />
Anwendung. Ihre Beobachtung findet also auch in der späthellenistischen Zeit Bestätigung, obwohl<br />
gerade damals diese Art der Faltengestaltung quantitativ be.i weitem hinter die noch zu beschreibende<br />
Fertigungsweise mit dem laufenden Bohrer zurücktrat, Das Uberarbeiten der bereits, sei es nun mit dem<br />
Spitzmeißel oder dem laufenden Bo~ret, ,:,orgefotmten Fal.te~züge mit dem Flachmeißel stellt sich den<br />
bereits erwähnten Funktionen zur Seite, Wiees besonders die Sichzwischen den Beinen der Sitzfigur Kat.<br />
276 s. oben Anm. 269.<br />
277 Marcade 1969, 106. Vgl. die Angaben unter der Kat. Nr. 91. Nach Mareade sind weder die Spuren desFlachmeißels noch<br />
die eines Bohrers an der Plastik sichtbar: Bohrspuren sind zwar nicht festzustellen. doch ist anzunehmen, daß der Steinmetz<br />
dieses Werkzeug wahrscheinlich in einem nächsten Schritt filr die Ausarbeitung der Haare benutzt hätte.<br />
27' Adam 1966, 34f. Abb. 3.<br />
159<br />
-
160<br />
N r. 70 befindlichen Falten (Taf. 43 c. d) illusrrieren, die mit dem in kurzen Schlägen und in einem spitzen<br />
Winkel geführten Flachmeißel überarbeitet wurden.<br />
Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich gezeigr haben dürften, konnte der Flachmeißel in jeder<br />
Epoche in der gleichen traditionellen Manier eingesetzt werden. Ab der fortgeschrittenen hellenistischen<br />
Zeit wurde es jedoch üblich den Flachmeißel in langen Schlägen über den Stein zu führen, um eine<br />
schnelle Flächenglättung zu erreichen.F? Doch ist es nicht die Funktion der Glättung an sich, die neu<br />
ist, sondern die ausgedehnte, wegen Zeit- und Arbeitsersparnis erfolgende Handhabung des Werkzeuges,<br />
mit der gleichzeitig eine andere Oberflächengesraltung einhergeht. Denn das Ergebnis sind sehr lange,<br />
sich einander überlappende Streifen, die ein kantiges Aussehen hervorrufen. Als Beispiele seien der Arm<br />
des Arbeiters auf der Platte Nr. 6'80 (Taf. 71 a. b) und der Oberschenkel des knienden Handwerkers auf<br />
der Platte Nr. 5 (Taf. 75 a) des Telephosfrieses Kat. Nr, 125, das Gesicht und die Hand der Büste von<br />
Rheneia Kat. Nr. 71 (Taf. 40 a) und der Arm Kat. Nr. 87 genannt. Da das Werkzeug hier zur schnellen<br />
Glättung der Flächen eingesetzt wird, überrascht es nicht, daß diese Spuren gelegentlich schon auf den<br />
Grabreliefs des 4. Jhs. v. ehr. beobachtet werden können.F" Auf römischen Werken, wie beispielsweise<br />
auf der Gruppe von Dionysos und Satyr im Athener Nationalmuseum (Taf. 68 a. c), bestimmen diese<br />
Spuren fast ausschließlich das Bild der unfertigen Skulptur. Hier läßt sich dieses Vorgehen klar aus dem<br />
Fertigungsprozeß heraus erklären, bei dem der Steinmetz ausgehend von den an der Skulptur zu beobachtenden<br />
Punrelli das überflüssige Material bis auf die vorgegebene Tiefe entfernte und die Oberfläche<br />
ebnete. Dies konnte zügig durchgeführt werden, da er die Skulptur nicht mehr langsam aus dem Stein<br />
entwickeln mußte, sondern sich bei der Fertigung ganz nach der Modellvorlage richtete.<br />
Die Verwendung des Zahneisens-" ist in vielerlei Hinsicht mit dem Einsatz des Flachmeißels zu parallelisieren,<br />
wobei die Analogien nicht nur in der Funktion, sondern auch in der Handhabung des Werkzeuges<br />
zu fassen sind. Unterschiedlich große Zahneisen wurden neben dem Flachmeißel in jeder Epoche vor<br />
allem für die Glättung der durch die Spitzmeißelarbeit unebenen Oberfläche eingesetzt, indem der Steinmetz<br />
es in kurzen Hieben über den Stein führte. 283 Dies belegen die Statuette Kat. Nr. 7 (Taf. 5 a), der<br />
Kopf in München Kat. Nr. 23 (Taf. 15), die Kore aus Tarent Kat. Nt. 24 (Taf. 16), der samische Kouros<br />
Kat. Nr. 14, die Friesplatte des Nereidenmonumentes Kat. Nr. 68 (Taf. 37 b), das Relief von Delos Kar.<br />
Nr. 60 (Taf. 32 b. c), die Sitzfigur von Rheneia Kar. Nr. 70 (Taf. 41; 42; 43), der delische Rundaltar Kat.<br />
Nr. 84 (Taf. 54 a. b) sowie die ebenfalls von dort stammenden Tischstützen Kat. Nr. 81 und 82 (Taf. 52<br />
279 Adam 1966, 28. Den Flachmeißelin kurzenSchlägenüberdie Oberfläche des Steinszu führen, ist bei archaischer und klassischer<br />
Plastik die Regel, aber selbstverständlich auch an hellenistischen und römischen Skulpturen zu beobachten. Seltener<br />
sindan klassischer Plastik imGegensatz zu späteren Epochendie langen parallelen Furchen des Meißels festzustellen.<br />
28oBlürnelI927.Kat.Nr.13Taf.21:Adam 1966,36Taf.18b.<br />
281 Blümel 1927, 17;Adam 1966, % Taf. 18a (Relief. Athen, Nat, Mus. Inv, Nr.2885.Mantel desMädchens); Taf. 58 (Relief<br />
Athen. Nat. Mus. Inv. Nr. 715. Schwanzder Katze). Ebendaweitere Beispiele.Da im 4. Jh. die Nachfrage nach Grabreliefs<br />
sehr groß war. wurde weniger Sorgfak auf deren AusHihrung verwandt. so daß häufiger die Spuren der Werkzeuge nicht<br />
beseitigtund manche Partien unfertigbelassenwordensind. s. Adam 1966,37 zu der Gestaltung der Stühleauf den Reliefs.<br />
Gleiches ist auchbei den Skulpturen festzustellen, s. z. B. die StatuetteKat. Nt. 52.<br />
282 Allgemein zum Zahneisen: Blümel 1927,4; Casson 1933, 185ff.; Adam 1966, 18([ mit ausführlicher Beschreibung seiner<br />
Funktionen; Bessac 1986, 139ff. Das Zahneisen wird als griechische Erfindung betrachtet, wobei man es seit der Mitte des<br />
6. jhs. v. ehr. verwendet haben soll, obgleich eine genaue zeitliche EinordnungdieserErfindungnicht bekanntist:G. M. A.<br />
Richter, A]A 37, 1933,638; Sr. Casson, A]A 41,1937,107f.;Adam 1966, 19;Ridgway 1969, 102. Dagegen]. Boardman,<br />
Diegriechische Plastik I (I981) 100: 2. Viertel des 6.]bs.v.ehr. und Palagia 1987,83:1. Viertel des6.[hs. v. Chr.; beide<br />
führenjedochkeine Begründungan. Mit einem Zahneisenvermagein Steinmetz,mehr Materialals mit einernFlachmeißel,<br />
aberwenigerals: mit einem Spitzmeißelfonzuschlagen.<br />
283 Die folgenden Skulpturen zeigen die von Adamals "shortoblique masons strake" bezeichneteHandhabungdes Zahneisens.<br />
dieAdam alsdiehäufigste Anwendung dieses Werkzeuges betrachtet, s.Adam 1966, 18;vgl. Blümel 1927, 4.<br />
a. b. c), Zahllose weitere Belege ließen sich hier anreihen. Ein feines Zahneisen konnte aber entgegen der<br />
Aussage Adams durchaus auch der ModelIierung dienen.'84 So sind die Figuren auf dem delischen Relief<br />
Kat. Nr. 60 (Taf. 32; 33 a. b) mit Ausnahme der Gestalr des Hermes mit dem Flachmeißel und dem<br />
Zahneisen fein gefotmt worden, wie es unter anderem noch die Spuren auf dem Arm des Zeus dokumentieren.<br />
In hellenistischer Zeit gewann das Zahneisen im Fertigungsprozeß der Skulpturen gegenüber<br />
der archaischen und klassischen Zeit zusehends an Bedeurung": Der Bildhauer entfernte mit ihm das<br />
Material, ebnete und modellierte die Oberfläche auf schnellem Wege, wozu er häufig sogar zu einem sehr<br />
groben Werkzeug griff, arbeitete die Konturen heraus und setzte so die Formen voneinander ab. Die Büste<br />
eines Mannes im delischen Museum Kat. Nr. 91 (Taf. 56) läßt die Arbeit mit dem groben Zahneisen und<br />
dessen unterschiedliche Handhabung besonders deutlich im Gesicht aufder Stirn und den Wangen, auf<br />
dem Hals, im Bart und im Haar erkennen. Gesicht und Hals wurden mit dem groben Zahneisen geglättet<br />
und gleichzeitig modelliert. Die einzelnen Locken des Bartes sind durch das senkrecht zum Stein geschlagene<br />
Werkzeug, wie es die kleinen punktförmigen Eintiefungen belegen, voneinander abgesetzt worden;<br />
das Haar formte der Bildhauer auf der rechten Seite des Kopfes in einzelne Haarbüschel, die sowohl durch<br />
lange als auch kleine sich aneinanderreihende punktförmige Vertiefungen ihre vorläufige Gestalt erhielten.<br />
Der Jüngling aus Rheneia Kar. Nr. 69 (Taf. 39 a. c) zeigr die Verwendung eines in langen Schlägen<br />
über die Oberfläche geführten sehr groben Zahneisens auf der Brust, den Schultern, oben aufdem Kopf,<br />
im Gesicht und auf den Ohren, wobei unterschiedliche Strichlagen die Einzelformen des Gesichtes umschreiben.<br />
Das Zahneisen fand in unterschiedlicher Handhabung ebenso bei der Fertigung der sitzenden<br />
Grabstarue Kat. Nr. 70 (Taf. 41 b. c; 42 d; 43a. b) Verwendung: Um die Kontur des Haares, eine scharfe<br />
Linie zwischen Hals und Gesicht und die sanften Erhebungen der Falten zu beschreiben, wurde es im<br />
rechten Winkel zum Stein angesetzt; um die Oberfläche des Gewandes und der sichtbaren Körperteile zu<br />
glätten, trieb der St:inme~ es in langen Sc~läge~ über die. ~armoroberfläche. Letztgenannte Handhabung<br />
läßt sich beISpIelsweIse auch auf der Rückseite der weiblichen Büste von Rheneia Kat. Nr, 71 (Taf.<br />
40 c) und aufdem linken Flügel der Grabharpyie Kar. N r. 72 (Taf. 44 b) beobachten, wobei der Bildhauer<br />
hier für die Modeliierung der Brust (Taf. 46 a) ein feines Zahneisen zur Hand nahm. Die Büste einer Frau<br />
Kat. N r. 92 (Taf. 57) stellt ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die weitgehende Gestaltungsmäglichkeit<br />
mit nur einem einzigen Werkzeug dar. Die differenzierte Wiedergabe des Gewandes erfolgre hier<br />
lediglich durch das unterschiedliche Einsetzen eines groben Zahneisens, wobei die Falten vor allem durch<br />
lange parallel verlaufende Eintiefu~gen diese~ Werkzeuges geforrnc sind, die Faltenränder durch kleine<br />
punkte der einzelnen Zähne markiert und die Faltenzüge durch unterschiedliche Strichführungen, die<br />
gleichsam für die Darstel!ung ~es Gesi~htes und Halses be~eutsam sind, voneinander geschieden wurden.<br />
Das Stadium feinerer Spirzrneißelarbeir entfiel, aufden Einsatz verschiedener Werkzeuge wurde verzichtet,<br />
da die schnelle Fertigung ohne zahlreiche Zwischenstadien der Arbeit im Vordergrund stand. Ein ganz<br />
ähnliches Bild bietet die Statuette der Aphrodire Kat. Nr. 102 (Taf. 59), deren gesamte Oberfläche mit<br />
den Spuren eines feines Zahneisens bedeckt ist. Allerdings verweisen die hier vorhandenen Puntelli auf<br />
284 Adam bestreitetdiese Anwendungdes Zahneisens. Adam 1966, 28 schreibt.daß wedermit dem Spitzmeißelnoch mit dem<br />
bhneisen Details wie dieVenender Hände oder Füße gemeißel:wurden, womit sie zunächst Recht hat.Aber ihreAussage.<br />
daß beide Werkzeuge "remave unwanted srone and leavewhatwill beneeded for a later stage. They cannot modell a convex<br />
area except in a broad ronass. They äre essentially tools to dig into.th~ surface, n?t.to carve ir inro smoorh conrours and genrle<br />
modulations by removmga layerof stone perhapsas fine as a skin. muß relativen werden. Dies zeLgt alleindas angeführte<br />
Beispiel Kat. Nr.60,<br />
285 Blümel 1927, 17. Blümel beschrieb als ,,~rst~s Abbiege." ausden Bahnen der Technik", wobei er sich aufdie ]ünglingsstarue<br />
vonRheneia (hierKat. Nr.69)undaufdieSiufigur (hierKat. Nr..70)bezog, daß.häufigdienackten Teile desKörpers nicht<br />
mit kurzen,sondern mit ganz breitund lang auslaufenden Zahneisenhieben flächigzusammengestrichen werden."<br />
161<br />
...
.....~----<br />
162<br />
eine andere Vorgehensweise bei der Bearbeitung. Der Einsatz und die Handhabung des Werkzeuges sind<br />
aber durchaus vergleichbar und ebenso wie die Handhabung des Flachmeißels an der Gruppe des Dionysos<br />
und Satyrn (Taf. 68) zu erklären, bei der der Bildhauer die Figur nicht mehr langsam aus dem Marmor<br />
heraus entwickelte, sondern sich einzig an dem Modell orientierte und den Marmor zügig fortmeißelte.<br />
Der Einsarz des Bohrers ist in der griechischen Bildhauerei durch eine Vielfältigkeit charakterisiert, die<br />
sich im Laufe der archaischen, klassischen und hellenistischen Jahrhunderte entsprechend den verschiedenen<br />
Anforderungen entwickelte. Dies haben Blümel und Adam bereits deutlich formuliert und an<br />
zahlreichen Befunden dokumentiert, so daß an dieser Stelle nur einige, für meine Betrachtungen bedeutsame<br />
und an der unvollendeten Plastik abzulesende, Aspekte dargestellt werden sollen. 286 Die These von<br />
Adam, daß der griechische Steinmetz in allen Fertigungsstadien der Skulptur, angefangen von der Arbeit<br />
in den Steinbrüchen bis hin zur Ausarbeitung der letzten Details, den Bohrer einsetzre, hat allerdings ihre<br />
Gültigkeit verloren."?<br />
Die einfache Punktbohrung ist eine in jeder Epoche zu beobachtende Handhabung bei der Fertigung<br />
von Skulpturen: Sie wurde beispielsweise für die Darstellung der Nasenlöcher und Gehörgänge sowie der<br />
Haarlocken-", zum Entfernen des Marmors, der bis zum letzten Stadium der Fertigung in den Zwickeln<br />
der Arme und Beine verblieb"', zur Anbringung von Accessoires und Attributen sowie für Ansrückungen'90<br />
verwendet. Eine wesentliche Rolle nahm sie auch in der Gestaltung von Falten ein, bei der sie<br />
aber besonders als Bohrlochreihung. die überhaupt die häufigste Anwendung des Bohrers in der Antike<br />
bezeichnet, Anwendung fand. Punktbohrungen konnten zudem zur Hervorhebung der Konturen oder<br />
generell zur Vorzeichnung in einem sehr frühen Stadium der Arbeit eingesetzt werden, wie es das Relief<br />
aus Delos Kat. Nr. 60 (Taf. 33 c; vgl. Taf. 32 a) belegt, auf dem die Gestalt des Hermes aufdiese Art und<br />
Weise markiert ist.?" Umrisse wurden in hellenistischer Zeit aber dann vor allem mit Hilfe des laufenden<br />
Bohrers gestaltet, indem der Bildhauer sie zusärzlich durch die tiefe Unterschneidung hervorhob oder<br />
aber auch ohne vorausgehende Meißelarbeit allein auf diese Art und Weise aus dem Stein herauslösre.i'"<br />
Zwei für diese Handhabung charakteristische Beispiele seien hier angeführt: Die Büste von Rheneia Kar.<br />
Nr. 71 (Taf. 40) zeigt, wie die Stein metze die Finger mit dem laufenden Bohrer voneinander trennten und<br />
das Gewand deutlich von dem Hals durch eine tiefe Furche absetzten. Bei der Grabharpyie Kat, Nr, 72<br />
sind die Konturen des Gesichtes und Halses (Taf. 45 a) sowie der Umriß des linken Unterschenkels (Taf.<br />
44 a) mit dem laufenden Bohrer herausgearbeitet worden. Ausgiebig wurde der laufende Bohrer, und<br />
zwar mit unterschiedlich starken Bohrspitzen, bei der Fertigung des Telephosfrieses Kat. Nr. 125 (Taf.<br />
70 a. b: 71 c; 72 b; 74 a. b, 75 c) sowohl für die Gestaltung der Haare und Gewänder als auch der Konturen<br />
eingesetzt''', wobei die Bildhauer ihn auch nach der Fertigstellung einzelner Platten zusätzlich als<br />
Gestaltungsmittel benurzren, um beispielsweise die Umrisse einzelner Figuren deutlicher zu akzentuieren.<br />
Der laufende Bohrer fand in dieser Epoche nun aber vor allem in der Gestaltung von Falten Verwendung,<br />
wie es die Gewänder des Jünglings von Rheneia Kat. Nr. 69 (Taf. 39 a), der sitzenden Grabstatue Kar.<br />
Nr. 70 (Taf. 42 a. b), der Büste einer Frau Kat. Nr. 71 (Taf. 40) und die der Arternisstatuerten Kat. Nr.<br />
78 (Taf. 51 a) und Kat. Nr. 104 (Taf. 61 a. b) hinreichend dokumentieren. Eine einfache, aber dennoch<br />
differenzierte Darstellung wurde durch wenige Bohrkanäle erreicht, wobei die aus späthellenistischer Zeit<br />
stammenden Beispiele besonders eindrucksvoll zeigen, wie der ab dem 4. jh, v. ehr. nachweislich häufiger<br />
benutzte laufende Bohrer nun nicht nur in verstärktem Maße, sondern fast ausschließlich zum Einsatz<br />
kam und die Handhabe des Meißelns und der Bohrlochreihung in den Hintergrund drängte.'" Generell<br />
nimmt das Bohren zwar im Vergleich zum Meißeln ungleich mehr Zeit in Anspruch, stellt aber eine viel<br />
einfachere Methode dar, die auch von ungeübten Arbeitskräften ausgeführt werden kann. 2 " Der laufende<br />
Bohrer wiederum erfordert ungleich weniger Arbeitsaufwand als die Bohrlochreihung, so daß der an den<br />
späthellenistischen Skulpturen ab.zulesende Befund nicht zu verwundern vermag. 296 Festzuhalten ist an<br />
dieser Stelle auch, daß für den EInsatz des laufenden Bohrers zwei Personen erforderlich waren, denen<br />
zumindesr bei der Fertigung im Atelier genügend Arbeitsraum zur Verfügung stehen mußte.<br />
163<br />
286 Blümd 1927, 15; Blumel 1943, 37. Zur Verwendung des Bohrers: Adam 1966, 4üff.i s. zu den verschiedenen Bohrspitzen<br />
Adam 1966,41:Bessac 1988. Abb. 16:s.auchBessac 1986, 231fT.<br />
287 Adam 1966,42 Abb. 5. Die Ferrigungsrechnik einer Skulptur ist generell von der Extraktionstechnik im Steinbruch zu unterscheiden,<br />
wobei allerdings Werkzeuge wie Spiehammer. Spitzhacke oder Schlageisen im Steinbruch sowohl der Extraktion<br />
eines Blockes als auch der Bossierung einer Skulprur dienen konnten. s. das Kap. IV. 1. 2. 2 "Extraktion des Blockes". Vgl.<br />
die an der Dionysosstarue Kar. Nr. 18 beschriebenen Werkzeugspuren im Katalog.<br />
288 Adam 1966, 45. 50. Das in archaischer Zeir übliche einzelne Bohrloch im Zenrrum der Haar- und Banlocke. das bei den<br />
Olympiaskulpturen noch zu beobachten ist, fand in den nachfolgenden Epochen fast keine Verwendung mehr.<br />
'89 Adam 1966,44: Palagia 1987,83. Allerdings findet dievonAdam an anderen Sraruen getroffene Feststellung, daß diese<br />
Zwischenräume mit dem Bohrer ausgearbeitet wurden, an den unfertigen archaischen Skulpturen keine Bestätigung. Denn<br />
der Marmor wurde hauptsächlich mit senkrechten Meißdschlägen sowohl zwischen den Armen und dem Körper als auch<br />
zwischen den Beinen reduziert, wie es die Kourci Ku. Nr. 11 und 12 zeigen, wahrscheinlich wurde nur der obere Zwickel<br />
zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Bohrer herausgelöst. Das vollständige Trennen der Arme vom Körper scheint bei den<br />
Kouroi den letzten Arbeitsgang darzustellen. Der Komas aus Orchomenos, s.J. Boardman. Griechische Plastik I (1981) Abb.<br />
67, ist in allen Einzelheiten fertig ausgearbeitet und nur der obere und untere Zwischenraum der Arme, den der Meißel nicht<br />
erfassen konnte, muß noch entfernt werden, s. Palagia 1987, 83.<br />
290 Adam 1966, 49f.53.<br />
291 Zur detaillierteren Beschreibung s. die Ausführungen im Katalog. VgL Adam 1966,70. Vorzeichnungen können aufverschiedene<br />
Weise erfolgen; außer den hier beschriebenen Punktbohrungen sind die unterschiedlichen Strichlagen verschiedener<br />
Werkzeuge anzuführen. s. die unterschiedlichen Strichlagen des Spiezmeißels an dem Sandalenbinder Kat. Nr. 111 und die<br />
des Zahneisens an der Büste Kat. Nr. 92.<br />
292Adam 1966, 70r. Diese Handhabung fand neben den nebeneinanderliegenden Punktbohrungen bereits in klassischer Zeit<br />
Anwendung.<br />
293 s,die Beschreibungen im Katalog: s.H, Winnefdd, Die Friese desgroßen Altares, AvP III, 2 (1910) 212f. Ebenda zurAufzählung<br />
der entsprechenden Stellen am Fries.<br />
294 Zur Diskussion über den laufenden Bohrer: Adam 1966. 6J ff. mit Zusammenfassung der älteren Forschungsmeinungen und<br />
kridscher Auseinandersetzung mit den Thesen Blümels. Adam vertritt die Meinung, daß der laufende Bohrer zwischen 370<br />
und 350 v. ehr. emgeführt worden sei, während Blümc:l die Verwendung bereits in der Hochklassik annimmt, Blümel 1927,<br />
15;Blümell943,36. DieBeobachtung Pfanners, s. Pfanner 1988, 9, deran dem Kopfin München (hier Kat. Nr. 23) die<br />
S uren des laufenden Bohrers zwischen Schulterlocken und r. Wange sowie zwischen Unterlippe und Kinn beschreibt, ist bei<br />
Pnauer Betrachtung des Kopfes vollkommen unverständlich. Denn für die deutliche Trennung dieser Stellen voneinander<br />
nutzte derSteinmetz einen Flachmeißel, was auchklar aufden hervorragenden Abbildungen Blümels,s. Blümel 1927, Taf.<br />
7. 8. nachzuvollziehen ist. Die von Pfanner bereits für die archaische Zeit in Erwägung gezogene Verwendung des laufenden<br />
Bohrers enrbehn folglich zumindest bei dieser Skulptur jeder Grundlage. Die F~ nach der Erfindung des laufenden Bohrers,<br />
die nicht unbedingt erst im 4. jh, v. ehr. zu erwarten ist, ist im Grunde nicht von Bedeutung; ausschlaggebend 1St in<br />
diesem Zusammenhang vielmehr die Feststellung der verstärkten Anwendung, wobei die Benutzung des laufenden Bohrers<br />
im 4. Jh. v. ehr. bei der Ausarbeitung der Gewänder noch nicht die gleiche monotone Wirkung wie in der späteren Zeit<br />
hervorbrachte, s. Adam 1966,67.<br />
'95 M. pfanner, AA 1988, 670f. Pfänner setzt mindestens die 10biszüfache Zeitan.<br />
296 Ein weiterer Vorteil des laufenden Bohrers liegt darin, ~ß in vielen Fällen eine weitere Bearbeitung nicht notwendig ist, wie z,<br />
B. beim Unterschneiden der Gew~der. Den? wenn ~In Bohrk.an~ geglättet werden sollte, war es möglich, direkt zur Raspel<br />
iibcrzuge:hen, dader Zwischenschritt des Meißelns nichr erforderlich war, s. Adam 1966, 66.<br />
«+
-~----<br />
164<br />
Ein letzter Blick sei aufdie Verwendung der Raspel und Schleifmitrel geworfen, die am Ende eines jeden<br />
Fertigungsprozesses vor allem der Glättung dienten."? Der milcsische Löwe Kat. N r. 28 (Taf. 18 b) zeigt<br />
die Spuren der Raspel über denjenigen des Flachmeißels oder Breiteisens; der kleine HermenkopfKac, Nr.<br />
50 (Taf. 30 a. b) aus klassischer Zeit dokumentiert die Verwendung der Raspel vor Schmirgel und Bims,<br />
obwohl hier der Einsatz der Raspel gerade in Anbetracht der geringen Größe des Kopfes ersraunt; doch<br />
sind die Spuren einer Raspel gleichfalls aufder kleinen Hand Kat. Nr. 49 (Taf. 28 a) zu beobachren. Des<br />
weiteren liegen die Raspelspuren über denen des Flaehmeißels im Gesicht der Büste in Athen Kat. N r. 71<br />
und auf der Brust des Sandalenbinders Kat. Nr. 111 (Taf. 63 b) sowie über den Spuren des Zahneisens<br />
aufder rechten Tatze der Grabharpyie Kar. N r. 72. Nach der Glättung mit der Raspel griffder Bildhauer<br />
gewöhnlich zu Schleifmirteln, wie Schmirgel oder Bims, um die Oberfläche vollkommen zu ebnen und<br />
die auf ihr noch verbliebenen Werkzeugspuren zu beseirigen.?" Schleifmirtel wurden in jeder Epoche<br />
benutzt; in römischer Zeit schloß sich dem Schleifen dann üblicherweise das ungemein zeitaufwendige<br />
Polieren an, mit dem man der Oberfläche vielleicht mit Leinwandbällchen und geraspeltem Blei durch<br />
stunden- oder tagelanges Reiben das porzellanahnlieheAussehen verlieh."? Dieses Vorgehen ist bereits auf<br />
der sparhellenistischen Grabstele Kar. Nr. 75 von Delos zu beobachten: Während die linke Cesichtshälfte<br />
der Frau nach der Raspelarbeit nicht weiter ausgeführt wurde und wahrscheinlich auch nicht ausgeführt<br />
werden sollte, da sie dem Reliefgrund zugewandt ist, zeigt die rechte Seite des Gesichtes eine hochpolierte<br />
Oberfläche (Taf. 48 a). In Anbetracht der für diesen Arbeitssehrirr erforderlichen Zeitdauer erscheint die<br />
Hetausbildung hieraufspezialisierter Handwerker in römischer Zeit nur allzu versrandlich.P"<br />
m<br />
Zur Raspel: Casson 1933, 215fT.; Bliimel 1943,37: Adam 1966, 74fT.; Bessac 1986, 189ff. 193fT.201ff.: entgegen Adam<br />
sprechen sich Blüme! 1943, 37 und Casson 1933, 216 ebenso für die Verwendung von Feilen aus. Vgl. Blümel 1927, 9. Blümd<br />
sieht in frühgriechischer Zeit die Verwendung der Raspel hauptsächlich an denjenigen Stellen,die füreinen Farbaufrrag<br />
vorbereitet wurden. wobei ihre Verwendung später dann verallgemeinert und sie als Werkzeug zum Glätten der Oberfläche<br />
benutzt worden sei, um Schmirgel und Bims zu ersetzen. Dies stimmt nicht, da man sowohl die Raspel als auch Schmirgel<br />
oder Bims anwenden konnte, wobei erst die Raspelund dann Schmirgel und Bims verwendet wurde. Dies ist die übliche<br />
Sequenz,die an den Skulpturen zu beobachten ist. Zu Schleifmitteln. Casson 1933, 194ff. (nachCassona. O. 200 konnten<br />
Schleifmittel aberauch für Einriraungen wie Detailangaben der Zehen und Faltengenutztwordensein);Adam 1966, 78f.;<br />
Bessac 1986, 263f[ Vgl. zu dem Schmirgel aufNaxos: S. 189 Anm. 409. Adam ebendawares noch unbekannt,ob Schleifmittel<br />
in Formvon Puderoder in Stückehen benutztwurde;s. zum Fundeines Schmirgelstückchens AgoraXIV, 187f. Taf.<br />
95 c. d. Der hier ebenfalls erwähnteSchmirgelpuder har sich allerdings nachden Untersuchungen als Sandsteinerwiesen.s.<br />
zu dem Fundeines Schleifsteinsund Bronzezirkels in einem Probeschnitt im GebietdesWesttores derStadtmauer in Kaunos,<br />
Karien: G. E. Bean, ]HS 73, 1953, ion, M.]. Me1link, A]A 71, 1967, 168. Nach Ridgway 1969, 106 wurden Raspel und<br />
Schleifmittelfürdie ersteÜberarbeitung der Spitzmeißdarbeit verwendet. Ein derartiges Vorgehen ist an keinerder unfertigen<br />
Skulpturen zu beobachten, zurnal es bei einersolch unebenen Oberfläche auch überhaupt nicht effektivwäre.Belde<br />
W'erkuuge wurden gewöhnlich nachdem Flachmeißel oderdem Zahneisenbenutzt,um die Oberflächedes Steinsendgültig<br />
zu ebnen und die Spurenanderer Werkzeuge auszutilgen, s. auch Adam 1966, 28. Die Funktion der Schleifmittelbei der<br />
Modellierung derFormenist allerdings bisherunterschätzt worden,wie Ecksteines überzeugend an derStatuetteKat.Nr. 52<br />
dargelegt hat, s. die Angabenim Katalog. HiermitstützterdieThese Blümels, derderVerwendung von Schleifmitteln in der<br />
griechischen Bildhauerei eine besondere Bedeutungzwnaß, s, S. 165 Anm. 301.<br />
298 Die Glättungmußteabernicht immeraufdiesemWegeerfolgen,daderSteinmetzSchmirgel und Bimsauchohne vorhergehende<br />
Raspelarbeit einsetzenkonnte. Zudem ist im 4. Jh. v. ehr. durchaus das beabsichtigte Stehenlassen von Raspelspuren<br />
sowohlaufdem Reliefhintergrund alsauch auf den Gewändernzu beobachten; in archaischer Zeit hingegenwurdensie fast<br />
immerbeseitigt,s. Adam 1966, 75. 77. Gleichesgilt auch für die hellenistische Zeit. Raspelspuren sind beispielsweise auch<br />
an den PlanendesTelephosfdeses (s.z. B. PlatteNr, 50 und 51) zu beobachten,s. die Ausführungen unterKat.Nr. 125. Vgl.<br />
auchdie Ausführungen zu Kat. Nr. 124.<br />
299 Adam 1966, 78f.; Pfanner 1989, 228. Die fehlende Politur griechischer Plastiken im Gegensatzzu römischen mit der<br />
technischenVorgehensweise des griechischen Bildhauers zu erklären, der seine Skulpturen prellte, ist von Adam zu Recht<br />
zurückgewiesen worden. IhrerMeinung nach verhinderte vielleichtdie Schichtungdes Materials ein Polieren. Dies ist noch<br />
zu untersuchen. s. Adam 1966, 38f. Zum Prellen des Marmors: Blümell927, 3(<br />
300 s. auch Pfanner 1989, 228.<br />
Die an den unvollendeten Skulpturen abzulesende Handhabung der Werkzeuge, deren Funktionen sowie<br />
die Sequenz ihres Einsatzes entsprechen im großen und ganzen der bereits in der Forschung erfolgten<br />
Schilderung des technischen Vorgehens. Die Darstellung Blürnels, daß der griechische Bildhauer seine<br />
Skulpturen vor allem mit dem Spitzmeißel und nachfolgend mit Schmirgel und Bims fertigte, während<br />
der römische Bildhauer Spitzmeißel und Zahneisen, besonders aber den Flachmeißel sowie die Raspel<br />
einsetzte, ist vollkommen zu Recht von Adam relativiert worden'?', da sie allzu vereinfachend ist. Denn<br />
ebenso wie der römische Bildhauer arbeitete auch der griechische Steinmetz in jeder Epoche mit einer<br />
Vielzahl von Werkzeugen, wie es die unfertigen Skulpturen belegen. Auch ist eine klare Trennung in der<br />
Handhabung der Werkzeuge zwischen griechischer und römischer Zeit, wie es Blümel forderte, nicht<br />
möglich. Der Vorwurf von Adam, daß B1ümel die Bedeutung des Spitzmeißels in der griechischen<br />
Bildhauerei überschätzt habe, ist sicher vor diesem Hintergrund gerechtfertigt.30! Dennoch hat m. E.<br />
auch Adam die Bedeutung des Spitzmeißels nicht vollkommen richtig erfaßt, da dessen Verwendung<br />
vielfältiger war, als sie es darsrellre.>" Mit einem Spitzmeißel arbeitete der Bildhauer sowohl Grund. als<br />
auch Detailformen aus dem Stein heraus und benutzte ihn generell für die Umrißgestaltung sowie beispielsweise<br />
durch unterschiedliche Strichlagen für Vorzeichnungen. 3M Einige aus verschiedenen Epochen<br />
stammende Skulpruren zeigen ferner, daß sie allein mit dem Spitzmeißel weitgehend modelliert wurden.<br />
Die Verwendung des Spitzmeißels ist folglich in der griechischen Bildhauerei weder überzubewerten, wie<br />
es Blümel getan hat, noch zu unterschätzen, wozu Adam neigte. Der Einsatz dieses Werkzeuges, generell<br />
des gesamten Arbeitsgerätes, ist jedoch ebenso wie der Fertigungsprozeß einer Skulptur durch die Person<br />
des Bildhauers bestimmt, der seine Figuren individuell meißelte. So ist beispielsweise der naxische Kouros<br />
Kat. Nr. I (Taf. 1), der ein fortgeschritteneres Ausführungsstadium aufweist als die Kore Kat. Nr, 19 (Taf.<br />
13), sehr weit allein mit dem Spitzmeißel gefertigt worden, während der Bildhauer bei der Kore bereits in<br />
einer früheren Phase den Spitzmeißel beiseite legte und zum Flachmeißel griff.<br />
Technische Veränderungen von einschneidender Bedeutung für den Fertigungsprozeß sind in der Anwendung<br />
des laufenden Bohrers, des Flachmeißels und des Zahneisens zu fassen, die zunächst als arbeitsvereinfachende<br />
Maßnahmen zu interpretieren sind. Diese Werkzeuge wurden in fortgeschrittener hellenistischer<br />
Zeit nicht nur zunehmend in unterschiedlicher Art und Weise als Zuvor eingesetzt, sondern sie<br />
übernahmen auch zusätzliche Funktionen und verdrängten somit andere Werkzeuge. Stets wurden diese<br />
301 Blümel 1927, 6f.: Blümell943. 22. 24. 30. 67: Blümell943, 27 schreibt, um seine These von der Verwendung von Spitz.<br />
meißel und Schmirgel sowie BIms zu unterstreichen: ,.,Auch an emem kleinen Torso eines vorgebeugren Mannes im NationaJmuseum<br />
inAthen geht ~uf de~ un~ertigen Rücks~ite die Spi~rneißdarbei[ unmitt~bar in die geglätteteOberflächeüber;<br />
nicht eine Spurdes Schlagelse.ns laßtSichfeststellen ". Eb~nso Blumel1927, 7. Nach eingehender UntersuchungderSkulptur<br />
im Magazindes Arhener Nationalmuseums konnreIchJedoch feststellen, daß Blümeh Aussagenicht zutrifft,da zwarkeine<br />
Spurendes Flachmeißels, stattdessenjedochdie SpureneinessehrfeinenZahneisensund einerRaspelauf derrechtenSchulterzu<br />
beobachtens~nd. S,omir wärediesesBeispielentkräfte:. Grund~än1ich istes,aberdurchausmöglich, daßSchmirgel oder<br />
Bims nach dem Spirzmeißel verwendet wurden,wenn es Sich um einen ganz feinen Spirzmeißel handelte. Ein Unterschied<br />
liegt hierbeiwahrscheinlich auch in der Bearbeitung von großformadgen Skulpturenund Statuetten, s. z. B. die Statuette<br />
Kat. Nr. 51; s. auch Blümell927, Kat. Nr. 12 Tal: 20. Blümels Argurnenration ist unverständlich an diesem Punkr da auch<br />
die in sein Werkaufgenom~enen ~nfertigen Skulpture~ (s.~. B. hier~t. ~r. 23,48,54) ein anderesBild zeigen.Vgl. aber<br />
Blümel 1927, 4f.; Blümel raumt ~ler auchdem Zahnelsen eine :unktLon I~ der Bearbeitung ein, die in der Glättung, dem<br />
zusammenziehen von ~nebenhe1tl~n und dem ~setzen ~erschledener> rmt dem Spitzeisenangelegter Flächen besteht. In<br />
diesem Zusammenhang Istzudem anzumerke?, wie es ~erelts Adam 1?66, 35 formulierte, daßentgegen derAussageBlümels<br />
zwischen der Verwendung der Werkz.euge bel der Ferugungvon Reliefsund freistehenden Skulpturengrundsätzlich keine<br />
Unterschiedebestehen.<br />
,3OZ Adam 1966, 11.<br />
303 Denn grundsätzlich istdie enormeBandbreite der GrößeeinesWerkzeuges zu berücksichtigen.<br />
304 s. außer den imText erfolgten Ausführungen beispielsweise die Beschreibungen zu Kat. Nr. 58 und Kat. Nr. 111.<br />
165
•<br />
166<br />
aber auch sehr traditionell angewendet. Dies wurde an den unfertigen Skulpturen hinreichend illustriert.<br />
Besonders charakteristisch für diese arbeitsvereinfachenden Maßnahmen ist, um an dieser Stelle nur ein<br />
Beispiel wiederaufzugreifen, die Gestaltungsweise der Büste Kat. Nr. 92 (Taf. 57) allein mit einem groben<br />
Zahneisen. Die Verwendung eines einzigen Werkzeuges in einer Phase der Fertigung legt zudem nahe,<br />
daß verschiedene Personen an diesem Werkstück tätig waren, da deutlich die Trennung der verschiedenen<br />
Arbeitsstufen. die ausführlich im vorangegangenen Kapitel behandelt wurden, dokumentiert wird. 305<br />
Hingegen weist die Verwendung verschiedener Werkzeuge in der gleichen Phase der Ausführung wegen<br />
der sich überschneidenden Benutzung darauf hin, daß nur ein Bildhauer die gesamte Figur fertigte.<br />
Die arbeitsvereinfachenden und arbeirsreiligen Verfahren mit dem zugrunde liegenden technischen<br />
Know-how, beispielsweise den Meißel in langen Schlägen über die Oberfläche zu führen oder den Bohrer<br />
als "laufenden Bohrer" zu verwenden, wurden nicht erst im Späthellenismus entwickelt, sondern vielmehr<br />
erstmals zu diesem Zeitpunkt konsequenter als zuvor in den Fertigungsprozeß aufgenommen. Wesentlich<br />
wird deren generelle Anwendung und Weiterentwicklung die gestiegene Nachfrage nach den Kunstprodukten<br />
beeinflußt haben. 306<br />
Abschließend sei auf das bewußte Stehen lassen von Spuren verschiedener Werkzeuge hingewiesen, denn<br />
diese sind nicht als Zeichen von Unfertigkeit, sondern als Gestaltungsmirtel der fertigen Skulptur zu verstehen.P'"<br />
Beispiele hierfür lassen sich arn Telephosfries Kat. Nr. 125 aufzeigen: So wurde das Löwenfell<br />
des Herakles auf der Platte Nr. 12 durch die Eintiefungen des Spirzmeißels oder das sich auf der gleichen<br />
Plane befindliche Fell der Löwin mit den Kratzern der Raspel gestaltet. Ferner blieben die Bohrfurehen<br />
für die Konturierung einiger Figuren unbearbeiret stehen.P'" Die Struktur des Felsens der sitzenden Grabstatue<br />
von Rheneia Kat. Nr. 70 (Taf. 41 a) wurde mit einem groben Spirzmeißel angedeutet, diejenige<br />
des Felsens auf dem Relief Kat. Nr, 57 durch die Kerben eines Flachmeißels gebildet. Zahlreiche weitere<br />
Beispiele ließen sich hier anfügen?", doch mag ein Hinweis auf dieses Phänomen genügen.<br />
305 VgL auch Pfanner 1988, 15 zur Herstellung von Sarkophagen.<br />
306 s. unten S. 291ff.<br />
307 Vgl. Adam 1966, 38.<br />
303 H. Winnefeld, Die Friese des Großen Altares, AvP Ill, 2 (1910) 213; s. auch die Beschreibungen im Katalog unter der Nr.<br />
125.<br />
3U9 Im Magazin des rhasischen Museumssah ich beispielsweise eine Statuette des Pan,dessenFellder Steinmetzalleinmit den<br />
Vertiefungendes Spitzmeißels darstellte.<br />
III. 3 Modelle und deren Übertragung in Stein<br />
Sicher zu identifizierende Skizzen oder Modelle von Bildhauern haben sich nicht erhalten. Literarische<br />
sowie epigraphische Quellen, in denen derartige Vorlagen 1tP01tAU0'llU310 und 1tUPU/\"eIWciltl, nicht aber,<br />
wie in der Forschung des öfteren angenommen, nJ1tO;312 genannt werden, liefern zu diesem Thema nur<br />
sehr spärliche und keineswegs eindeutige Informationen. Der Raum für Mutmaßungen und unterschiedliche<br />
Vorstellungen ist folglich groß. Aus diesem Grunde ist unser Blick verstärkt auf den an den<br />
310 SammlungderQuellenbei H. Blümner, TechnologieundTerminologie derGewerbeund Künstebei Griechen und Römern<br />
III (1884) 190f. Die ersteErwähnung einesModellsfürSkulpturen scheintbei Plinius überliefert zu sein:Plin. Nat. Hist. 35,<br />
155: "idern magnificat Arcesialum, L. Luculli familiarem, culus proplasmara plurls venire solita artificlbus ipsisquamaliorum<br />
opera. .Derselbe Varro preist Arkesilaos, einen vertrauten Freund des L Lucullus, dessen Modelle selbst unter Künstlern<br />
teurer verkauft zu werden pflegtenals die Werkeanderer." und Plin. Nar. Hisr. 35, 156: .Iaudat et Pasitelen, qui plasticen,<br />
matrem caelarurae er statuariae scalpturaeque dixlt et, cum esset in omnibus his summus, nihil umquamfeeit anre quam<br />
finxit. "Erlobt auchPasiteles, derdie Plastik als die Mutterder Ziselierkunsr, Bildgießerei und Bildhauerei bezeichnete und,<br />
obwohleraufallendiesenGebietendergrößtewar,niemalsetwasschuf,ohnezuvorein Modellherzustellen." in Übersetzung<br />
von R. König- G. Winkler (1978), VgI. PHn. Nat, Hist. 36, 39; Plur. Quaesc. Conv. II, 3, 2, s. hierzu G. Zimmer, Griechische<br />
Bronzegußwerkstätten (1990) 128f. Anm. 482; 5. allgemeinzu Bildhauermodellen M. Roberrson, A History of GreekArt<br />
(1975) 385. 390. 394. 398f. 600; G. M. A, Richrer, The Sculpture and rhe Sculprors of the Greeks' (1970) 141ff.; vgl. P.<br />
Rockwell,The An ofStoneworking. A Reference Guide (1993) 127ff.<br />
311 Sammlung undkritische Inrerprerarionderepigraphischen und literarischen Quc:11c:n: J.]. Pollitt,The AncientViewof Grc:ek<br />
Art (1974) 204ff. Zur Erwähnung dieses Begriffes in den Inschriften s. auch Marrln 1965, 177 Anm. 4; ebenda auch zu dem<br />
Begriffder -runot; 5, Lauter 1974. 26ff. mit weit. Lit.: Paradeigma bezeichnetsowohl das graphische alsauchdas plastische:<br />
Modell.undzwar vorallemimArchitekrurbereich.In denRechnungsurkunden werdenParadeigmatafürSchmuck- und Dekorationselemc:me<br />
wie Simen und Kassettenfüllungen, aberauch für Bauglieder wie Kapitelle überliefert, wobei die Modelle<br />
nachLauter kurz. vorAusführung angefertigt wurden.<br />
312 Die Bedeutung dieses Begriffes istbis heureunverstandlieherweise sehr umstritten. Ausgangspunkt der Diskussion ist die Erwähnungderruzm<br />
in derInschrift .~us Epidauros: IG IVZ, 1 102 Z. 36 - 37: "Timotheosübernahm es, dieTypoiherzustellen<br />
und zu liefern um 900 Dr."in derUberserzung von L.Semmlinger in:Lauter 1974,42. In der Diskussion gehtes grundsätzlich<br />
um die Frage. ob der Begtiffein Modell bezeichnetoder nicht;s. zuletztzusammenfassend zu dieser Problematik und<br />
Diskussionder bisher vorgetragenen Meinungensowie zum Verhältnis von 1t(lpaßE1Y~(l und rU1tO~: N. Yalouris, Die Giebelskulpruren<br />
des Asklepiostempels in Epidauros, AnrPl21 (1992) 70f. Anm. 273.274.279.280. Gegen die Modellthese. A.<br />
H. Borbein, MarbWPr 1970,30 Anm. 10; ders., Gnomon 59, 1987, 46 mit weit. Lir.: W Posch. Die Typoi des Tirnorheos,<br />
AA 1991, 69ff. Zur kritischen Untersuchung und Diskussion des Begriffes in den Quellen; Pollitt a, O. 272ff. mit älr. Lit.<br />
Yslourls, dersich der langenTradition der Befurworter der Modelltheseanschließt,geht von Timotheosals dem leitenden<br />
Bildhauer desBauprojektes ausund interpretiert dieTypoi alsVorlagen fiir den Skuipturenschmuck, wobeieresdahingestellt<br />
läßt, ob es sich um Skizzen, kleine oder große Modelle handelte. Als Begründung führt er v: a. den Zeitpunkt der Auftragsvergabe<br />
derTypoian. Diese erfolgte im zweitenJahrdes Bauprojektes und somit ein Jahrvor derfastgleichzeitig erfolgten<br />
Auftragsvergabe fürdie Giebel-und Akrotediguren, EUr die Modelleerforderlich waren.Zum ZeitpunktderAuftragsvergabe<br />
der Giebelan Hektoridas sollendie Modellevorhandengewesensein, dadasin der Inschriftbelegte.abschnittweiseerfolgte<br />
Fertigstelien der Giebel sonst nicht möglich gewesen wäre, zumal Hektorldas nicht beide Giebelhälften ausführen sollte. Die<br />
Untersuchungen zu dem antikenWortgebrauch zeigen jedoch, daßder Begriffin der Grundbedeutung "Form, Hohlform,<br />
Ausfotmung" und in derbildendenKunsthäufig"Relief'meint. Des weiterenist die aus der Modelltheseabzuleitende Vermutung,daß<br />
derBildhauer Timorheos die leitendePosition innehatte, durchsonstigeHinweise nichtzu stützen,Esscheint,<br />
als ob derWunsch,Timotheosden Rangdes führenden Künstlers zu geben, die Diskussion überhaupt ersthataufkommen<br />
lassen. Bei Negierung der Modellthese ist davon auszugehen. daßin den Rechnungsurkunden die Vorlagen fürdie Giebel<br />
oderAkrorere nichterwähntwerden; s. z. B. Pascha. O. 70. Dies überrascht nicht,dabeispielsweise auchin denAbrechnungen<br />
des Partheuen die Modelle fürden Skulpturenschmuck nicht beschrieben werden.Zudem sei daraufhingewiesen, daß<br />
der Begriff Paradeigma in der Bedeutung als Modell in den Inschriften aus Epidaurus verwendet wird, s, JG IV' 1, 102 B.<br />
303. Die Interpretation der Typoi als Basisreliefs derKultstatue desAsklepios,so Pcsch a. 0 .. ist sehr wahrscheinlich, da siein<br />
der Inschrift im direkten Zusammenhang mit derWerkstatt (s. S. 244f.) genanm werden.in der vielleichtdie Basisreliefs des<br />
Kultbildes gefertigt wurden. Vgl. Lauter 1974,34. 39f. Anm. 102 mit alt. Lit. Nach Lauter sind in den Rechnungsurkunden<br />
des AskJepiostempels keineAusgaben für Modelle der Giebel- und Akrorerfiguren verzeichnet, worauser schließt.daß die<br />
167
168<br />
Skulpturen abzulesenden Befund, auf die Notwendigkeiten des Fertigungsprozesses, auf Werkverfahren<br />
besser belegter Epochen sowie auf andere Kunstzweige zu richten, um eine konkretere Vorstellung über<br />
graphische und plastische Vorlagen des Bildhauers zu gewinnen.<br />
Grundsätzliches kann bereits vorweg gesagt werden: Vorlagen für freistehende Einzelfiguren. Reliefs und<br />
Giebelkompositionen werden sich aufgrund der Art des Fertigungsprozesses unterschieden haben. Das<br />
Punkrierverfahren, das ausführ] icher in Hinblick auf die Modelle und die Überrragungstechniken zu<br />
besprechen sein wird, erfordert im Gegensatz zur freien Bildhauerei plastische, bis ins Detail ausgearbeitete<br />
Modelle als Vorlagen. Wenn der griechische Bildhauer seine Skulpturen aber ohne eine mechanische<br />
Übertragung des Modells direkt aus dem Stein herausmeißelte, so ist daraus nicht gleich zu folgern, daß er<br />
gar keine Modelle oder Skizzen für deren Fertigung benutzte. Denn in der Bildhauerei können graphische<br />
und plastische Modellvorlagen als Arbeitsmodelle oder Musterstücke unterschiedlichen Zwecken dienen:<br />
als Ausdruck und Darstellung einer Idee, sozusagen als Entwurf, als Hilfestellung bei der Ausführung, als<br />
Anweisung bei Gcmcinschafisarbeiren'">, als Muster für die Anfertigung von Kopien-!' oder als Votlage<br />
für den Auftraggeber oder die Ausschreibungskommission 315.<br />
Bevor weitere Überlegungen zur Verwendung der Vorlagen vor und während des Fertigungsprozesses<br />
angestellt werden, müssen zunächst die in den verschiedenen Epochen vorhandenen Möglichkeiten des<br />
Bildhauers erläurert werden, eine Skulptur zeichnerisch und plastisch zu veranschaulichen. Denn hierbei<br />
gilt es zu bedenken, daß der griechische Bildhauer nur begrenzt über Zeichenmaterialien verfügte - er<br />
erstellte nicht wie der Renaissancekünstler oder der heutige Bildhauer zahlreiche Studien oder Anweisungen<br />
auf Papier - und ferner, daß alle bisher bekannten Bauzeichnungen der griechischen Antike,<br />
worunter sich auch Entwurfsskizzen befinden, in Stein geritzt sind."6 Seit der archaischen Zeit hätte der<br />
Bildhauer als Zeichengrund Holz-, Wachs- oder Stucktafeln. Steinplatten oder Tonpinakes verwenden<br />
können, spätestens seit dem 4. Jh. v. Chr. Papyrus und seit hellenistischer Zeit auch Pergament."? Mit<br />
Anfertigung der Paradeigmara in einemsehrfrühenStadium der Planung erfolgte. Er möchte dieTypoieheralsGußformen<br />
fürdieArbeiten am Kultbild verstehen.<br />
313 Vorlagen sind bei Gemeinschaftsarbeiten, vor allem aber bei der Fertigung von Bauplastik erforderlich, da deren Thema und<br />
Komposition zuvor festgelegt sein müssen und viele Bildhauer nebeneinander arbeiteten, s. z. B. IG P, 374, 24 c, d (Erechtheion};<br />
in der Baurechnung des Partherion wird die Bezahlung der Giebelbildhauer erwähnt: "U'yaA.Jlat"o1tOloi~ evmenov<br />
uicaö;", s. IG F, 348,76; 349, 27; 350, 49j 352, 34 - 35. s. hierzuA. Wittenburg, Griechische Baukommissionen des5. und<br />
4. [hs. v. Chr. (1978) 20. 61ff.<br />
314 Die Paradeigmaca von Löwenkopfwasserspeiern beispielsweise, die inschriftlich überliefert sind, dientenals Modellefürdie<br />
Anfertigungvon Kopien,s. IG IV' 1, 102 B. 303 (Epidauros); FD 5.19.106 (Delphil. s. hierzuPollitta. O. 205f. 213; M.<br />
Mertens-Horn, Die Löwenkopfwasserspeier des griechischen Wes(ensim 6. und 5. Jh. Y. Chr., 28. Ergh.RM (1988) 19ff.<br />
3lS Plut, mor. 498 E; s. Pollitta. O. 210; J. P. Heisel,Antike Bauzeichnungen (1993) 164 übersetztdiese Srelle: "WennStädre<br />
fürTempelund große Statuen einen Auftrag ausschreiben, hören sie die darumkonkurrierenden Künstler an, indemdiese<br />
Beschreibungen und Modellevorlegen."<br />
316 A. Perrcnocis, Zum Problem der Bauzeichnungen bei den Griechen (1972) 23ff. (s, hierzu B. Wesenberg, Gnomon 48,<br />
1976, 797ff.);J. P. Heisel, Antike Bauzeichnungen (1993) 154ff.; Wand- und Bodenflächen der Bauten, die mir Farbe<br />
vorbereitet wurden, wie es die Rötelspuren in Didyma zeigen,dienten als Zeichenflachen. Bereits seit spätarchaischer Zeir<br />
sindVomnungen von Grundrissen und Markierungen aufden Blöcken,klein- und naturmaßstäbliche Rissejedocherstan<br />
spätklassischen und hellenistischen Bautenvorhanden; Detailrisse sind bisher nuraus hellenistischer Zeit bekannt.Ob und<br />
welcheEmwurfszeichnungen für die Ausführung der Bautenin derarchaischen und klassischen Zeit verwendet wurden,ist<br />
umstritten, s. Heisela. O. 154 Anm. 413 mit Lir. Da in SteingemeißelteZeichnungen kaumtransportabel waren, sindauch<br />
Zeichnungenauf anderen Materialien vorauszusetzen. Vgl.zu altägyptischen Bauzeichnungen Heisela. O. 76ff.<br />
317 Vermutlich wurdeauch auf einfachemLeder gezeichnet.Währendmit Wachs oder Stucküberzogene Holztafeln beispielsweiseeinen<br />
billigenZeichengrund darstellen, handeltes sichbei Papyrus undebensobei Pergament. dasin Kleinasien zu Beginn<br />
des Hellenismusdurchdie besondere Verarbeitung von Lederentwickelt wurde, um kostspieligere und empfindlichere<br />
Materialien, s. hierzuPerronoris a. O. mit weit. Lit.: Heisel a. O. 160f. Zu Papyrus s. auchJ. Hengst!(Hrsg.), Griechische<br />
Papyri ausÄgyptenals Zeugnissedes öffentlichenund privaten Lebens(1978); s. zurVerwendung von Zeichnungen in der<br />
altägyptischen Bildhauerei W. H. Peck. Materialien und Zweckaltägyptischer Zeichnungen.AW 10, 1979, 16ff.<br />
Bleistiften, Stiften aus Holz, Metall, Horn oder Elfenbein und Farben war es ihm möglich, zu zeichnen<br />
oder zu ritzen. 318 Diese Materialien standen dem Steinmetzen in jeder Epoche zur Verfügung. Auch ist<br />
die Fähigkeit, räumlich wirkende Ansichten darzustellen, bereits seit dem 5. Jh. v. Chr. nachzuweisen.t'?<br />
Zwei kaisetzeitliche Schriftquellen und eine Rechnungsurkunde aus klassischer Zeit scheinen die Verwendung<br />
von graphischen Vorlagen zumindest für den Entwurf zu bestätigen. Pausanias'" schreibt über<br />
die Schildreliefs der Athena Promachos von Phidias: ,,An ihr soll die Schlacht der Lapithen gegen die<br />
Kentauren auf dem Schild, und was sonst noch daran ist, Mys gearbeitet haben, und dem Mys soll dieses<br />
und die anderen Werke Parrhasios, der Sohn des Euenor gezeichnet haben." Ferner erfahren wir von<br />
Plinius'" über Parrhasios, daß zahlreiche Spuren seines Griffels aufTafeln und Pergamenten existieren,<br />
die den Künstlern nützlich gewesen sein sollen. Aus dem Bereich der Architektur schließlich ist bekannt,<br />
daß der Entwurf für das Tor des Niketempels auf der Athener Akropolis der Kommission zeichnerisch<br />
vorgelegt werden sollte. 322<br />
Neben den graphischen Vorlagen, deren Existenz durch epigraphische und literarische Hinweise nahegelegt<br />
wird, waren dem griechischen Bildhauer bereits seit der archaischen Zeit plastische Modelle aus<br />
Wachs oder Ton, vielleicht auch aus Gips bekannt. Dies lehrt uns ein Blick aufden Fertigungsprozeß von<br />
Architekturgliedern, Bronzewerken und Tonplastiken.>" Aus der Vasenmalerei ist in diesem Zusammenhang<br />
die Darstellung aufeiner um 470 v, Chr. entstandenen, attischen Oinochoe anzuführen, die Athena<br />
318 Petronorisa. O. 26ff.;Heisela. 0. 161. Ebenda 161f. 178f.zu den Projektionsweisen. Zu Bleistiftenals mögliches Zeichengeräts.<br />
H. Bankel.AA 1984, 410ff.; s. auchdie Bleistifte aus dem Bildhaueratelier des Menon und MikionS. 265ff. Taf.109.<br />
110. Da eine Bleistiftvorzeichnung aberim Gegensatz zu Einritzungen viel schneller und einfacherzu handhaben ist, wird<br />
man ihn als gängigeres Zeichenurensil anzusehen haben.<br />
319Perspektivische Ansichtensindals illusionistische Bühnenmalereien indieserZeit entstanden; s. zu demBegriff(J1crlvoyparpia<br />
Pollirt a. O. 236ff. Ebenfalls in diese Zeit fällt die Entwicklung der Scharten- und Umrißzeichnerei, s. zu dem Begriff<br />
crKlllypllcplll Pollitt a. O. 247fT.<br />
320 Paus.I, 28, 2 in derÜbersetzungvon F.Eckstein (Hrsg.),Pausanias Reisenin Griechenland (1986).<br />
321 Plin. Nat. Hisr. 35. 68: .Et aliasmulta graphidis vestigia exstant in tabulisac membranis eius, ex quibusproficere dicuntur<br />
artifices": s. die Übersetzung von R. König- G. Winkler ([978).<br />
322 IG I' 88; s. zur InschriftPetronotisa. O. 12; Heisela. O. 166 Anm. 476 mir ält. Lir. Die Verwendungeiner Zeichnungals<br />
Vorlage für Reparaturarbeiten amdelischenPropylonistauseinerInschrift des 3. Jhs.v. ehr. (IG XIZ161)zu erschließen; für<br />
das Paradeigma wurdeein auf beiden SeitengeweißterPinax genutzt.s. hierzuB. Wesenberg, Zu den SchriftendergriechischenArchitekten,<br />
in: Diskussionenzur archäologischen Bauforschung (DA! BerlinHeft 4, 1983) 42.<br />
323 G. Zimmer,GriechischeBronzegußwerkstätten (1990) 127ff.;vgl.G. Zimmer,Schriftquellenzum antikenBronzeguß.in: H.<br />
Born (Hrsg.),Archäologische Bronzen(1985) 38ff.;A. Mousraka, Grossplasrik ausTon in Olj-rnpia.OF XXII (1993) 4fT. zur<br />
Technik; R A. Higgins, GreekTereaccnas (1967) 1iT.i zurFertigung vonTerrakotten s. auch Floren1987, 22ff. Anm. 54 mit<br />
Lir.;I. Kriseleit, Bemerkungen zur Herstellung hellenistischer Terrakotten, in: Bürgerwehen. HellenistischeTonfiguren und<br />
Nachschöpfungenim 19. jh. ([994) 39fT. Modelleaus Wachswurden beispielsweise für die Kassemnfüllungendes Erechtheion<br />
angefertigt, wieesdielnschrift 1G1'374 (Caskey17, 2, 6; 17,2,3) belegt,s. auch R. H. Randali,AJA57, 1953, 207;<br />
s. zu einem um 600 v. ehr. zu datierenden Osiriskopfaus Ägypten, der aus reinemBienenwachsbestehtund vielleichtals<br />
Modell härte dienen können:J. V. Noble, AJA79, 1975, 368f.; Zimmer a. O. 128 Anm. 480; s. allgemein zur Verwendung<br />
und Eigenschafren des Wachses R. Büll, Das große Buch vomWachs (1977). Modelleaus Gips sind für das4. Jh. v. Chr. in<br />
der Inschrift bezeugt,die überdie Arbeitenam Asklepiostempel in Epidauros berichtet: IG ryz 1, 102 A, 250; s. A. Burford,<br />
The GreekTemple Buildersar Epldauros (1969) 218, Vielleicht formte man aber schon früher Modelleaus Gips. Vgl. zu<br />
Modellenaus Gips:Theophrast, de Iap. 67; s. zu Werkverfahren und zur Verwendungvon Gipsmodellenund Gipsabgüssen<br />
in der ägyptischenBildhauerei: M. C. C. Edgar,Cat. gen. Caire. Sculprorsstudies (1906) XIf.; zum Werkverfahren ägyptischer<br />
Bildhauer: R. Anthes, MOlK 10, 1941, 79ff. Vgl. C. Rheinsberg, Studien zur hellenistischenToreurik (1980). Über<br />
die Verwendung von Gips in der Bildhauerei des 15. Jahrhunderts schreibtVasari überden Bildhauer Andreadel Verocchio<br />
(1436 - 1488): ,,Andrea ergötztesich gern daran, aus Gips Figurenherzustellen und Abgüssezu machen. Andrea benutzte<br />
diese Masse,um natürliche Gegenstände, wie Hände, Füße, Knie, Beine, Armeund Rümpfe. abzubilden. so daßer sie zu<br />
seinerBequemlichkeit stets vor Augen hatte und als Modell gebrauchen konnte."s. G. Vasari, Lebensläufe der berühmten<br />
169<br />
dh
170<br />
bei der ModelIierung eines Pferdes in Ton zeigt.'" Auch werden Terrakorraflguren als Modelle fungiert<br />
haben, denn erstens sind sie in dieser Funktion in der Steinbildhauerei späterer Zeit belegt 325 und zweitens<br />
erscheinen sie hierfür besonders geeignet, da sie sehr haltbar sind und zugleich als Farbmuster für die<br />
Bemalung der fertigen Skulpturen hätten genutzt werden können. Während das Modell aus Wachs in der<br />
Bildhauerei zumeist kleinformatigen Werken vorbehalten ist, stellt das Modell aus Ton die übliche Form<br />
der Gestaltung lebensgroßer Figuren dar."G Wie die Untersuchungen von G. Zimmer und A. Moustaka<br />
gezeigt haben. ist das Tonmodell Hir den Bronzeguß und die Terrakottaplastik gewöhnlich aus zwei<br />
Schichten aufgebaut. 3D Eine mit Zusätzen von feinen Steinsplittern grob gemagerte Schicht wird von der<br />
fein geschlämmten Tonschiehr. der ModelIierschicht, bedeckr. Je nach Größe des Tonmodells war ein<br />
inneres Gerüst notwendig, welches wahrscheinlich aus vergänglichem Material wie Holz, Schilfrohr oder<br />
aber aus Tonverstrebungen besrand.P"<br />
Ferner waren Abgußformen aus Ton, die ebenfalls als Modelle hätten genutzt werden können, den Terrakottaproduzenten<br />
spätestens seit dem 7. Jh. v. Chr. geläufig und dienten den Bronzebildnern seit der klassischen<br />
Zeit nachweisbar als Modellvorlagen.S? Abgüsse aus Gips hingegen sind literarisch zwar für das<br />
ausgehende 4. Jh. v. Chr. überliefert, aber erst in hellenistischer Zeit für kleinere Objekte archäologisch<br />
zu fassen und alsTeilformen großplastischer Werke erst in römischer Zeit belegt.330<br />
Daß den Bildhauern das Modellieren von Vorlagen nicht fremd war, bezeugen wiederum die klassischen<br />
Rechnungsurkunden, deren Überlieferung zufolge beispielsweise der Bildhauer Agathanor ein WachsmodelI<br />
für den Kassettenschmuck des Erechrheion herstellte. 331<br />
Aufgrund dieser unterschiedlichen Gestaltungsmäglichkeiten von Vorlagen ist deren Verwendung während<br />
des Fertigungsprozesses vielseitig vorstellbar. Da in jeder Epoche Entwurf und Ausftihrung einer<br />
Plastik personell trennbar sind"', ist die weitere Diskussion, zunächst Bezug auf die freie Bildhauerei<br />
nehmend, auf diesen beiden Ebenen zu führen.<br />
Der Entwurf der Einzelskulptur, der von dem Wunsch des Auftraggebers abhängen kann, ist entweder<br />
als ein nur im Kopfe ablaufender Denkprozeß oder in graphischer und plastischer Form - und in diesem<br />
Falle als kleines, flüchtig ausgeführtes Modell - denkbar. Handelt es sich bei dem entwerfenden und dem<br />
ausführenden Künstler um ein und dieselbe Person, so sind die Modelle des Entwurfs möglicherweise<br />
zugleich auch die Vorlagen der Ausführung. Führt aber ein Künstler die Idee eines anderen aus, so wird<br />
letzterer eine detaillierte Arbeitsanweisung übermitteln. Dies kann mündlich geschehen, in Form von<br />
Skizzen, die mit den notwendigen Angaben versehen sind, oder in Form von kleinen Modellen, die der<br />
Künstler zumindest so weil ausführte, daß seine Anweisung verständlich wird.<br />
171<br />
Maler. Bildhauer und Architekten. übersetzt von T. Fein (1974) 292f.; s. zu Modellen aus Holz Lauter 1974, 26 Anm. 62 mit<br />
lnschriftenziraten. Ob Modelle aus Holz in der Bildhauerei auch Verwendung gefunden haben, mag dahingestellt bleiben.<br />
314 Berl!n, Antikensammlung F 2415; s. G. Zimmer, Griechische Bronzegußwerkstätten (1990) 128 Anm. 481 mit Lit. Bei diesem<br />
Pferd muß es sich jedoch nicht notwendigerweise um das Modell für einen Bronzeguß nach dem indirekten Verfahren<br />
handeln. wie Zimmer annimmt. Es könnte auch als Modell für die Steinbildhauerei interpretiert werden.<br />
325 Außer Zeichnungen kennen wir beispielsweise von BerniniTerrakottafiguren mit Farbspuren, die als Modelle genutzt wurden.<br />
s. R. Winkower, Sculpture. Processes and Principles (1977) 189f.; 1. Lavin, Bozzetti and Modelli. Notes Oll rhe Sculprural<br />
Procedure from the Early Renaissance through Bernini, in: Sril und Überlieferung in der Kunst des Abendlandes IIl. Theorien<br />
und Probleme (I967) 96. 102f. ebenda 93ff. mit besonderer Berücksichtigung der Werkverfahren Michelangeles und<br />
Berninis; s. auch die Terrakoreamodelle des französischen Bildhauers Pigelle(1714 - 1785), hierzu: Wittkower a. O. 20Gff<br />
mit Abb.; s. zu dem Fund eines Terrakottamodells D. B. Thompson, Hesperia 32, 1963, lsff Das Terrakottamodell, das<br />
leider aus keinem Werkstattzusammenhang stammt, wird zwar als das Modell eines Kcroplasren beschrieben, doch könnte es<br />
sich doch auch um ein Bildhauermodell handeln. Nach Ph. Jockey. dem ich für die mündliche Mitteilung danke, könnte es<br />
sich bei zwei delischen Kleinplastiken - einem kleinen Fuß aus Gips und einer handgeformten weiblichen Terrakottastatuette<br />
- um zwei Bildhauermodelle handeln, doch leider ist der genaue Fundort beider Stücke unbekannt.<br />
326 La sculprure,Kap.II Le modelage.<br />
327 Moustaka a. o. 4fT:;Zimmer a. O. 127ff. Das Modell des direkten Gußverfahrens in archaischer Zeit ist ein grob ausgeführtes<br />
Modell, das aus einem mehrschichtig gebildeten Tonkern besteht, der im Irinern der Skulptur bleibt. Die Feinheiten gestaltet<br />
man in der den Kern umgebenden Wachsschicht. Dem indirekten Verfahren dient ein bis ins Detail ausgestaltetes Modell<br />
als Ausgangspunkt, von dem Hilfsnegative abgenommen werden. Die gewonnenen Teilformen werden zusammengesetzt,<br />
Wachs aufgetragen und die Kernmasse eingefüllt. Zimmer a. O. 128 nimmt an, daß die Modelle aus luftgetrocknetem Ton<br />
bestanden, da Reste von antiken Modellen für den Bronzeguß nach dem indirekten Verfahren im Werkschutt nicht gefunden<br />
wurden.<br />
328 Zimmer a. O. 130f.; Moustaka a. O. 5; Vasari schreibt Jacobodella Quercia (1371 - 1438) eine neue Entdeckung im Anfertigen<br />
eines Tonmodells für die Fertigung eines überlebensgroßen Reiterstandbildes zu: Das Gerippe des Pferdes und der Gestalt<br />
wurde ~.llnächsr aus Holzstücken und schmalen Brettern aufgebaut. dann mit Heu, Werg und Seilen umschlungen und mit<br />
einem Überzugaus Ton, der mit Scherwolle, Teig und Lehm vermengt wurde, versehen. Der Vorteil eines solchen Modells<br />
ist das geringe Gewicht im getrockneten Zustand: außerdem zeigt es keinerlei Risse auf, als wenn es nur aus Ton besteht. s. G.<br />
Vasari, Lebensläufe der berühmten Maler, Bildhauer und Architekten, übersetzt von T. Fein (I 974) 119r.<br />
329 Higgins a. O. 1ff.; Zimmer a. O. 127fT.;s. zu tönernen Abgußformen von der Agora in Athen: E. Reeder Williams, Hesperia<br />
45.1976. 41fT.; Floren 1987, 22f.<br />
330 Das Anfertigen von Gipsabgüssen wird von Plinius Nat. Hisr. 35, 153 dem Lysistraros, dem Bruder von Lysipp zugeschrieben:<br />
"Hominis autem imaginem gypsae facie ipsa primus omnium expressit ceraque in eam formam gypsi infusa emendare<br />
instiruit Lysistrarus Sycionius, frarer Lysippi, de quodiximus." In der Übersetzung von R. König und G. Winkler (1978):<br />
"Der erste von allen aber, der es unternahm, das Bild eines Menschen am Gesicht selbst in Gips abzuformen und Wachs in<br />
diese Gipsform zu gießen und es dann zu verbessern, war Lyslstraros aus Sycion. der Bruder von Lysippos." Plinius schreibt<br />
weiter: "idem et de signis effigies exprimere invenit, crevitque res in rantum, ur nulla slgna sratuaeve sine argilla fierent... In<br />
der Übersetzung von König und 'Wink1er a. O. "Er erfand es auch, von Standbildern Abgüsse zu formen. und dieses Verfahren<br />
breitete sich so aus, daß man kein Bildwerk oder Standbild ohne Tonfrnodelle) herstellte." Diese 'Iextstellelöste zahlreiche<br />
Konrroversen aus, s. G. M. A. Richter. Ancient Italy (1955) 113ff.; Ridgway 1969, 112ff. Zur Verwendung von Gips und<br />
Gipsabgüssen in der Bildhauerei: Zimmer a. 0, 127f. mit weit. Lir.; zur Technik. antiker Gipsabgüsse s. Chr; Landwehr, Die<br />
antiken Gipsabgüsse aus Baiae. Griechische Bronzestatuen in Abgüssen römischer Zeit (1985) 12fF.; Marmorfiguren in Ton<br />
abzuformen. ist weniger problematisch, da sich keine Flecken bilden. Der Nachteil einer Tonnegativform besteht allerdings<br />
darin, daß aus dieser maximal zwei Abgüsse zu gewinnen sind. s. auch zu Mustern in den Sarkophagwerkstätten H. Froning,<br />
[dl 95, 1980.341. Bei diesen handelt es sich häufig um Gipsabgüsse nach toreutischen Werken.<br />
331 G. P.Stevens - J. M. Paten u. a.. The Erechtheurn (I 927) 394f. Nr. XVII 1 - 7. Der Bildhauer Hektoridas, der auch für die<br />
Giebehkulpturen des Asklepicstempels in Epidauros verantwortlich war, lieferte das Paradelgma rur die Bemalung der Löwenkopfsima.<br />
s. IG IV' I, 102 B. 303; s. J. J.Pollirr, TheAncient View ofGreekArt (1974) 205 Nr. 2 c.<br />
331 s. zur Bewertung und Entlohnung des Entwurfs Lauter 1974,21. 24. 29; vgl. die Rezensionen von O. Lendle, Gnomon 49,<br />
1977. 63ff.; N. Himmelmann, Jdl 94, 1979. 127ff.<br />
-<br />
•
In<br />
Bei der Betrachtung unfertiger archaischer Skulpturen fällt nun besonders bei den Kouroi die Gliederung<br />
der Figur in geometrische Schemata auf, bei denen Körper und einzelne Glieder in unterschiedlich große<br />
Quader aufgeteilt sind.'" In diesem Zusammenhang ist ein Blick in das Skizzenbuch von Villard de<br />
Honnecourt (Taf. 100) höchst interessant, der, mittelalterlichen Bildhauern folgend, Menschen und Tiere<br />
in geometrische Muster zeriegte.'J4 Die Quader, deren Maße sicher in einem proportionalen Verhältnis<br />
zueinander standen-", konnten zunächst auf den Block eingerirzr'" oder mit einem Bleistift'" aufgezeichnet<br />
werden. Im Laufe der Bearbeitung waren die Körperglieder dann differenzierter und detaillierter<br />
festzulegen und erneur auf den Stein aufzutragen, so daß es dem Bildhauer möglich war, sich an den<br />
Umrißlinien zu orientieren. Dabei unterlagen die Maße der einzelnen Körperteile bestimmten Proportionsregeln.<br />
Häufig wird vermutet, daß der archaische Bildhauer den sog. 2. ägyptischen Kanon anwandte,<br />
dessen Rastereinteilung von 21 1/4 Einheiten den Aufbau der Statue bis ins Detail festlegte. 338 Dies zöge<br />
weitreichende Konsequenzen in Bezug auf eine Differenzierung des Fertigungsprozesses nach sich. E.<br />
Guralnick vermochte jedoch durch Computeranalysen aufzuzeigen, daß zwar einerseits einige Kouroi<br />
und Koren diesem Kanon entsprechen, daß aber andererseits das proportionale Verhältnis der Körper und<br />
Körperglieder sehr variiert.P? Dies deutet meines Erachtens eher auf ein individuelles als aufein genorm-<br />
333 Der Entwurf der Kcuroi ist folgendermaßen zu beschreiben: Ein erster Quader bildet den Kopf. Der Körper setzt sich ::HlS<br />
zahlreichen Einzelquadern zusammen: Der Oberkörper mit den Armen formt einen großen Quader, in dem wiederum die<br />
Arme entsprechend kleine Quader darstellen, nämlich einen längeren, aus dem der Bildhauer sparer Ober- und Unterarm<br />
fertigte und einen kleineren, aus dem er die Hand meißelte. Dies veranschaulicht die Armbildung des Kouros Kat. Nr. 11<br />
(Taf9 b). Beine und Füße, ihren Proportionen zueinander entsprechend groß, fügen sich als Einzelquader zu einem weiteren<br />
Block zusammen, wie es bei der Statuette Kat. Nr. 8 (Taf 5) besonders deutlich wird. Die Plinthe, die aus einem Stück mit<br />
der Srarue gearbeitet wurde, ist in einem eigenen Quader festgelegt.<br />
3.Y:1 Das mit der Feder gezeichnete Musterbuch des französischen Bauhürrenmeisrers,das aus der Zeit um 1235 stammt und sich<br />
heute in der Bibliotheque Nationale Paris befindet, dokumentiert die Arbeits- und Denkweise der gotischen Handwerker. Es<br />
enthält Grundrisse, Muster für Skulpturen und Ornamente und unterrichtet über Bautechnik. s. R-.Winkower, Sculpture.<br />
Processes and Principles (1977) 36[[ Abb. 2.<br />
335 Die Frage nach den Proportionsregeln. die dem Entwurf archaischer Skulpturen augrundelage». beschäftigt die archäologische<br />
Forschung seit langer Zeit. Die jeweilige Kopf- bzw. Fußlänge der Statue wird als entscheidendes Maß angesehen, das als<br />
einVielfaches oderGeteiltesden Gesamraufbau der Statuebestimmt.s.z. B.L. D. CaskeyAJA28, 1924,358[[; D. Ahrends,<br />
Öjh 12. 1968/71, 115[[; ders.,Archäographie 3, 1974, 7ff.;E. Bergerin: Polyklet. Der Bildhauer der griechischen Klassik.<br />
Ausstellungskatalog Frankfurt (1990) 159ff.; H. Kyrieleis. Der Große Kuros von Samos,SamosX (1996) 30ff.; s. auch I.<br />
Kleemann, Frühe Bewegung. Untersuchung zur archaischen Form bis zum Aufkommen der Ponderation (1984).<br />
336 s. die Einritzungen aufder Reirersratuerre Kar. Nr. 37 und der Grabstele Kat. Nr. 35. Einritzurigen als Vorzeichnungenfür<br />
längerandauernde Arbeitensind für die Arbeit im Steinbruch belegt,s. hierzu das Kap. IV. 1. 2. 2 .Exrrakrion des Blockes".<br />
'" s. obenAnm. 318.<br />
338 Adam 1966, 7. Adam stellte die interessante, aber wenig überzeugende Hypothese auf. daß Kouroi und Koren mit Hilfe<br />
dieses Kanons im Steinbruch vorgefertigt wurden. Vgl. S. 216f. Adam setzt voraus. daß die Griechen ihre Technik von den<br />
Ägypternlemren. GleicherMeinungsind beispielsweise K. Lcvin,AJA68, 1964, 13[[; B. S. Ridgway, AJA70, 1966,68ff.;<br />
J. J. Polllrr, The AnciemView of CreekAn (1974) 13(; B.S. Ridgway. The ArchaicStylein CreekSculpture(I 977) 29ff.;J.<br />
Boardman. Creek SculptureI (1981)20; Floren 1987, 88[[; gegeneinen ägyptischen Einfluß:R. M. Cook.JHS 87, 1967,<br />
241f.; P.Kranz,AM 87. 1972, 155. Die Anwendungdesägyptischen Kanonswird nicht zuletztauchwegender berühmten<br />
und zugleichheftig diskutiertenTextstelle bei Diodor I, 98,5 - 9 vermuret. Zum Kanon s. E. lversen, MOlK 15, 1957,<br />
134fT.; de-s., JEA 54, 1968,215[[; ders., Canon and Proportionsin EgyptianArt' (I 975).<br />
339 E. GuraInick, Kouroi and the Egyptian Canon (1970); dies., Computer Srudies in the Humanities and Verbal Behavior 4,<br />
1973,77[[; dies.,Compurersand the Humanities10, 1976, 153ff.;dies.,AJA82, 1978.461[[; dies.. AJA85, 1981,269[[;<br />
dies.,AJA86, 1982, 173ff.;dies.,AJA89, 1985, 399ff.Sie hat desweiterenfeststellen können, daß die Analogien zum 2.<br />
ägyptischen Kanon weder zeitlich - d. h. die Anwendung ist nicht nur auf die früharchaische Zeit begrenzt - noch geogra·<br />
phisch zu ordnen sind.<br />
tes Vorgehen der Fertigung. Daß der archaische Bildhauer mittels Vorzeichnungen arbeitete, belegen die<br />
Reiterstatuette Kat- Nr. 37 (Taf 21 a] und die Grabstele Kat. Nr. 35 aus Paras (Taf 20 a). Auch in dieser<br />
Zeit, für die eine im Vergleich zu späteren Epochen recht einfache und unkomplizierte Darstellungsweise<br />
der Skulpturen kennzeichnend ist, war es also nicht möglich, aufVorlagen oder Vorgaben gänzlich zu verzichten.<br />
Diese waren besonders bei der Fertigung von kolossalen Werken wegen der mangelnden Überschaubarkeit<br />
der gesamten Figur und der gleichzeitigen Beschäftigung mehrerer Personen, sowie bei der<br />
Fertigung derjenigen Skulpturen, an denen die SreinmetzeAnstückungen vornahmen, notwendig. In der<br />
archaischen Zeit sind hierfür direkt aufden Stein aufgetragene graphische Vorlagen anzunehmen, die halfen,<br />
die Skulptur frei aus dem Block heraus zu entwickeln. Dieses Verfahren bezeichnet die übliche Praxis<br />
in einer archaischen Werkstatt bei der Fertigung von Einzelskulpturen, welche ein plastisches Modell im<br />
Grunde nicht erforderte. Allerdings begegner uns bereits in dieser Epoche das Phänomen zwei- oder sogar<br />
mehrfacher Reproduktionen einer Skulptur, die sich in einigen Fällen erstaunlicherweise in den Maßen<br />
und Einzelheiten enrsprechen.?" Aus diesem Grunde muß die Existenz von plastischen Modellen und<br />
deren genaues Übertragen in Stein vorausgesetzt werden. Erneut ist hierbei die Frage nach dem Werkverfahren<br />
zu stellen. Als verwendete Vorlagen sind hierbei Modelle aus Ton oder Terrakotta oder bei der Serienherstellung<br />
in archaischer Zeit auch die bereits in Stein ausgeführte Skulptur in Erwägung zu ziehen.<br />
Die Methoden der Übertragung gilt es an späterer Stelle zu beschreiben.<br />
Mit der fortschreitenden Darstellung von Bewegung in der Plastik, der komplizierteren Gestaltungsweise<br />
und der Vielansichtigkeit der Skulpturen in der Folgezeit, zugleich mit dem wachsenden Interesse und<br />
dem Bemühen der Bildhauer um die Darstellung der menschlichen Proportionen - diese nahmen vor<br />
allem in der klassischen Epoche eine große Bedeutung ein 341 -, wird man seit dieser Zeit nicht nur Proportionsstudien<br />
graphischer oder plastischer Art, sondern auch dreidimensionale Modelle für die Fertigung<br />
der Einzelskulpturen annehmen dürfen. Deren Funktion ist in erster Linie als Hilfsmittel bei der freien<br />
Gestaltung der Skulpturen anzusehen. Das ModelIierstäbchen und die diversen Werkzeuge aus dem in<br />
klassischer Zeit aktiven Bildhauerarelier des Mikion und des Menon wurden vielleicht für die Bearbeitung<br />
340 Allgemein zur Frage von Repliken in vorhellenistischer Zeit: F. Brornmer in: Srudies Presenred [0 D. M. Robinson 1951,<br />
647ff.;V.M. Strocka,Variante, Wiederholungund Seriein der griechischen Bildhauerei, Jdl 94, 1979, 143ff.Ebendazahlreiche<br />
Beispiele aus archaischer und klassischer Zeit. Die Maße sind bei einigen Skulpturen fast identisch, bei anderen variieren<br />
sie, so daß in diesen Fällen von minutiösen Kopien nicht die Rede sein kann; Strocka spricht in diesen Fällen auch von Varianten.<br />
s. zu den Sitzfiguren und Sphingenin Didyma, beidenen es sichallerdings nicht um exakteKopienhandelt. K. Tuchelr,Branchidai-<br />
Didyrna.Geschichteund Ausgrabungeinesantiken Heiligtums(1992)44ff.;K. Tuchelr- P.Schneider- T.<br />
Schartner- R. Baldus,AA1989, 143ff.;K. Tuchelr,AW25,1994, 2ff.:s. zu Serienarbeiten auch 1. Marangouin: Archa<br />
Ische und griechische klassische PlastikI (1986) 122f.Vgl.Th. Hadzisrelou-Price, JHS 91, 1971, 481I; s. auchzur Herstellung<br />
von Löwenkopfwasserspeiern M. Menens-Hom, Die LöwenkopfWasserspeier des griechischen Westens im 6. und 5.<br />
Jahrhundert v.Chr., 28. Ergh.RM (1988) 181f. Ebendazum Kcpierverfahren und zum Verschicken von Gips und Tonabdrücken.<br />
Srrocka a. O. 171 spricht auch das seit früharchaischer Zeit zu beobachtende Phänomen spiegelbildlicher Gegenstücke<br />
an. Zu weiterenBeispielen ausarchaischer Zeit: Floren 1987,280 Anm. 28; 281 Anm. 36; s. auch die beidenLöwenin der<br />
Ny CarlsbergGlyptothekInv,1296und 1297. Zu diesen:F.johansen, Catalogue.Grcccein theArchaicPeriod.NyCarlsberg<br />
Glyptorhek (1994) 36ff.;vgl. die Ausführungenüber das Werkverfahren der Erechrheionkoren: H. Lauter, Die Koren des<br />
Erechtheion, AntPl 16 (1976) 3] ff. 39; Strocka a. O. 160. Lauter nimmt an, daß zwei kleine Paradeigmata vorlagen, nach<br />
denen die ausführendenBildhauergrößengleiche Zwischenmodelle schufen.<br />
3
174<br />
von Modellen genutzt.};' Michelangelo, dessen Statuen unter oben genannten Aspekten mit klassischen<br />
und hellenistischen ZU vergleichen sind, bereitete die Ausführung seiner Skulpturen sorgfältig vor. 343 Tuscheskizzen<br />
oder Kohlezeichnungen verliehen seiner Idee Gestalt. Er formte zudem kleine Modelle aus<br />
Wachs oder Ton, zum einen, um seine Idee festzuhalten und weiterzuentwickeln und zum anderen, um<br />
diese als Wegweiser bei der Ausführung der Steinskulptur vor Augen zu haben. Michelangela arbeitete<br />
vor allem mit kleinen Modellen. Gelegenrlieh erstellte er jedoch auch großformatige aus Wachs oder Ton,<br />
die zu diesem Zeitpunkt eine Neuheit darstellten. Auch Bernini fertigte für die Ausführung einer jeden<br />
Skulptur neben Zeichnungen zahlreiche Bozzetti aus Wachs oderTon an.'44 Großformatige Modelle schuf<br />
er nur dann, wenn er eine verbindliche Vorlage und eine Hilfestellung für seine zahlreichen Gehilfen benötigte<br />
oder wenn er beabsichtigte, die Wirkung eines Werkes in situ auszuprobieren. Für seine eigenen<br />
Arbeiten stellte er keine großen Modelle her. In Berninis Werkstatt stellten aber detailliert ausgearbeitete<br />
Modelle die Ausnahme dar, wobei dessen Bozzetti mit seitlicher Maßskala interessant sind, da sie für eine<br />
Vergrößerung des Modells benutzt wurden.>" Dreidimensionale Modelle, an denen sich die Bildhauer<br />
bei der Fertigung ihrer Skulpturen orientierten, waren generell für den Fertigungsprozeß von Einzelskulpturen<br />
zwar nicht unbedingt erforderlich, aber ohne Zweifel sehr hilfreich. Cellini" schreibt in diesem<br />
Zusammenhang: "Will man eine Figur aus Marmor mit Erfolg ausführen, verlangt die Kunst vom klugen<br />
Meister, daß er zuerst ein kleines Modell, zwei Handspannen groß macht, in dem die schöne Idee wie<br />
auch die gefällige Stellung en thalten sind, sei sie nun bekleidet oder nackt. Daraufarbeitet er ein zweites<br />
Modell in der Größe, wie die Figur aus dem Marmor entstehen soll; und wenn er es gut machen will,<br />
wird er das große Modell sorgfältiger ausarbeiten als das kleine. Jagt ihn aber die Zeit oder der Wille eines<br />
ungeduldigen Auftraggebers, der nicht warten kann, mag er sein großes Modell nur skizzenhaft anlegen,<br />
womit er sich viel Zeit zur tüchtigen Bearbeitung im Marmor einspart. Gewiß, es zogen viele vortreffliche<br />
Mariner vor, nach kleinen Modellen und guten Rissen mit Schwung und ihren Meißeln direkt auf<br />
den Marmor loszugehen, waren dann aber endlich von ihrem Stück nicht so befriedigt, als wenn sie ein<br />
großes Modell mit Sorgfalt erstellt hätten." Ob der archaische, klassische und hellenistische Bildhauer<br />
seine Skulpturen nach groß- oder kleinformatigen, bis ins Detail vollendeten oder nur flüchtig angelegten<br />
Modellen meißelte, ist jedoch heute nicht mehr zu entscheiden.<br />
3-i2 S. S. 265[[ Die Werkzeuge sindzum Teildurchausvergleichbar mit denjenigen,die neuzeitlicheBildhauerfürdasModellieren<br />
nutzen. Vgl. beispielsweisedie Modellierwerkzeuge von Thorvaldsen: G. Bott (Hrsg.), Künstlerleben in Rom - BertelThorvaldsen<br />
(I 770 - 1844). Ausstellungskatalog Nürnberg (I991) 58 If Abb. 5. 33.<br />
3·13 L Lavin, Bozzerti and Modelli. Notes on the Sculptural Procedure from the EarlyRenaissance rhrough Bernini, in: Stil und<br />
Überlieferung in der KunST des Abendlandes III.Theorien und Probleme (1967) bes. 98ff.jWittkowera. O. 99ff. 128fT. Die<br />
Modellevon Michelangele sind flüchtigeSkizzenin Ton und Wachs.<br />
311 Lavln a. O. 102ff.; Wittkowera. O. 167([ Bemini fertigtekleineTonmodellefürdas Porträt LouisXIV:an, auf die er 18Tage<br />
verwandte. Zuvorzeichneteerviele Skizzen.Das erstegrobeHerausarbeiten der Figurerfolgtedann von BerninisAssisrenren<br />
Giulio Carrarl. dann übernahm Bemini die Büste und arbeitetedaran 40 Arbeitstage, er arbeitetedirekt in Marmorohne<br />
Bezugnahmeauf Zeichnungen und Modelle. s. hierzu Wirckower a. O. 193.<br />
345Lavin a. O. 103 TaE 13,7.8.<br />
34G<br />
Benvenuro Cellini, Abhandlungen über die Goldschmiedekunstund die Bildhauerei, übersetzt von R. und M. Fröhlich<br />
(1974) 115f. Zu beachten ist aber,daßer in einerZeit schreibt,in derauch das Punktieren bekanntwar. Vgl. G, Vasari, Lebensläufeder<br />
berühmtenMaler.Bildhauer und Architekten, übersetzt von T. Fein (1974). Nach Vasari stelltendie Bildhauer<br />
fürdie Fertigungeiner Marmorfigur zunächstein erwa 30 cm hohes Modell ausTon, Wachsoder Gips her: das Modell aus<br />
Wachs,dem der Bildhauermit den Fingern die letzte Gestaltgab, wurdehierbei überein Gerüstaus Holz oder Eisen oder<br />
aberauch ganz langsamohne Gerüstaufgebaut. Nach diesem kleinen Modell fertigteman dann ein dem auszuführenden<br />
Objekt maßgleiches Modell an,<br />
Im Bereich der Bauplastik, in dem im Gegensatz zur Einzelskulptur die Aufgabe des Entwurfs grundsätzlich<br />
von derjenigen der Ausführung getrennt und die Ausführung vielen Händen überlassen war,<br />
wird der Entwurfder Friese und Metopen graphisch skizziert und auch in dieser Form dem Auftraggeber<br />
vorgelegt worden sein.J'7 Bei der gewöhnlich am Bau erfolgten Fertigung dieser Architekturglieder ist von<br />
einfachen graphischen, direkt aufden Stein aufgetragenen Vorlagen auszugehen. 348 Das gleiche Verfahren<br />
ist für den Entwurf und für die Ausführung von Reliefs zu erwägen, wobei für die Fertigung einer Serie<br />
Schablonen oder andere Hilfsmittel hergestellt werden konnren.P'? Weniger Übereinstimmung herrsehr<br />
über das Aussehen der Vorlagen bei der Fertigung eines Ciebels.>" In der älteren Forschung waren die<br />
Ausführungen zu den Entwurfsmodellen eng mit der Vorstellung eines leitenden Künstlers verbunden: Je<br />
bedeutender der "Meisrerbildhauer", desto genauer und vorbildhafter sollen die Vorlagen gewesen Sein.<br />
Ausgehend von der Notwendigkeit des Fertigungsprozesses hingegen müssen in dem einer Kommission<br />
oder dem Auftraggeber vorgelegten Entwurf die Thematik des Giebels, die Verteilung der Skulpturen<br />
sowie die Größenverhältnisse der Figuren untereinander und deren räumliches Verhältnis zum Giebelfeld<br />
festgelegt gewesen sein. Dies konnte zeichnerisch oder in kleinen Modellen erfolgen.'>' Die Erstellung der<br />
347 s. Heisel a. O. 162ff. zu Gebäudeplänen und Planungspraxis.<br />
348 Allerdings ist hierbeizu berücksichtigen,ob es sich um rundplastische Fries-oder Metopenfigurenhandelt,die nachträglich<br />
vor das Relief gese[Zt wurden. Fürdiese nutzten die Steinmetze mitunter wohl auch dreidimensionale Modelle. s. hierzu<br />
beispielsweisedie Befunde an den Metopen in Olympia S. 180. Interessant sind die Ausführungen von Korres über die<br />
Fertigungdes Parthenonfrieses, der nachweislich am Bau ausgeführtwurde. Korres nimmt hier direktauf den Friesblock<br />
gezeichneteVorlagen a~, nachdemder Entwurfdes.Bildprogramms in kleinen Skizzenzeichnungenfestgelegtwordenwar,s.<br />
M. Karres in: M. Schmidt (Hrsg.),Kanon. FestschriftE. Berger(1988) 19ff. Ebendaauchzur Rekonstruktionder einzelnen<br />
Etappen der Entstehungdes Parthenontrieses. Allerdings teile ich nicht die Ansicht von Korres. daß die Vorzeichnungen<br />
zunächst bis ins Detail auf den Stein aufgetragen wurden und dann die Bearbeitungerfolgte. Vielmehr wird man davon<br />
ausgehendürfen,daß dieVorzeichnungen währendder Fertigungimmerwiedererneutauf den Stein aufgetragen wurden,da<br />
diese mit dem Fortmeißdn des Steins entfernt wurden. Karres beschriebdie folgenden Schritte: -Verserzen der Werkstücke<br />
mit glattemWerkzoll fürden Fries; -En~rfsz.eichnung des Frieses in originalerGröße,zunächst in den HauptlinienderVorzeichnung,<br />
auf die Werkfläche; -lerzre Uberprüfung der Vorzeichnungund Korrektur von Unebenheiten in der Einteilung;<br />
_detaillierte Vervollständigung derVorzeichnung: -Bildhauerische Ausführungnach der endgültigen Binnenzeichnung. Vgl.<br />
Blürne11927, 34; Blürnel 1943,78 Abb. 59; F.Bromrner, Der Parthenonfries (1977) I 68fF.285f., s. auch die AusHihrungen<br />
Brommerszu den Metopen F.Brommer, Die Metopen des Partherion (1967) 178ff.<br />
349Vgl. Blümell927, 24: s.zur Verwendung von Schablonen in det Sarkophagherstellung Pfanner 1988, 13 mit Anm. 20. Während<br />
Clairmont für die klassischen Grabsteine die Existenzvon Musterbüchern in Erwägungzieht, bestreitetSchmidt deren<br />
Existenzfürhellenistische Grabreliefs- s. eh. Clairmonr, Classical ArricTombstones (I994) 94f.; Sr.Sclunidc, Hellenistische<br />
Grabreliefs (1991). Heron von Alexandrien (1. jh. n. Chr.) stellte eine Kopiermaschine für Figurenzeichnungc:n her, s. A.<br />
Petronotis,Zum Problemder Bauzeichnungen beiden Griechen (1972) 27 mit Lit.<br />
350Blümel1927, 24ff,;s. beispielsweise die AusRihrungen von Brommerzu den Giebeln des Parthenon: F.Brornmer, Die Skulpturen<br />
der Parthenongiebd (1963) 136fT. EbendaDiskussion der bis dahin vorgetragenen Meinungen. s. ferner zusammenfassendzu<br />
den Vorlagen fürdie Olymplaskulpturen H. V. Herrmann in: H. V. Herrmann(Hrsg.), Die Olympia-Skulpturen<br />
(1987) 313f. Anm. 15; s. auch B. Ashmole. Architect and Sculptor in C1assical Greece (1972) 48 Anm. 36; M. Robertson,<br />
The Temple of Zeus ar Olympia, Paionios and Alkamenes, in; A Hisrory of CreekArt I (1975) 289.<br />
351 B. Ashmole - N. Yalouris, Olympia. The Sculprures of the Temple ofZeus (1%7) 10. Sie nahmen an, daß der ursptüngliche<br />
EntwUrfvielleichtin Formvon Zeichnungenerfolgte, die aberin einem sehrfrühen Stadium in Modelle ausWachsoderTon<br />
in einem großen Maßstabumgesetztwurden, da dies - abgesehenvon der technischen Erfordernis~ ein effizienterWeg sei,<br />
Instruktionenan die ausführenden Steinmetze zu übermitteln. Aber auch, wenn ein Bildhauer bei Gemeinschaftsarbeiten<br />
seinen eigenenEntwurfausführen lassenwollte, konnte erzu Zeichnungengreifenund mußte keine Modelleverwenden,wie<br />
wir es beispielsweise von derVergehensweise desJacobodella Querciakennen. So fertigtedieser im Jahre1425 als Entwurf<br />
für die skulpturale Ausstattungdes Hauptportals von San Petronio in Bologna kleinformatigeZeidmungen an, die dann ein<br />
Maler in großeWandzeichnungen übertrug, nachdenendie Skulpturengefertigtwurden,s. R.Wittkower,Sculpture. Processes<br />
and Principles (1977) 92; s. zu den Vorlagen für die Bauplastik des 14. und 15. Jhs. Lavin a. O. 94f,<br />
175<br />
'2
176<br />
für die Ausführung genutzten Modelle, also das Vorgehen bei der Fertigung der einzelnen Skulpturen,<br />
hing von dem individuellen Vorgehen des Bildhauers ab. 352 Dieser meißelte die Giebelskulptur nach den<br />
im Gesamtentwurf vorgegebenen Maßen, wählte dabei jedoch gemäß seiner eigenen Praxis die entsprechenden<br />
Vorlagen. Skizzen dürften aber keineswegs ausgereicht haben, vollplasrische Figuren in das Giebelfeld<br />
einzupassen.l" Aufgrund der technischen Erfordernisse, besonders aber in Hinblick aufdie noch<br />
vorhandenen Werkzeichen an den Giebelskulpturen des Zeustempels von Olympia, wird die Verwendung<br />
von plastischen Modellen in der Forschung gewöhnlich auch mit der Fertigung dieser Giebelskulpturen<br />
in Zusammenhang gebrach1. 354 Da bereits in spätarchaischer Zeit vollplastische Figuren das Reliefbild des<br />
Giebels verdrängen, ist spätestens seit dieser Zeit die Verwendung plastischer Modelle vorauszuserzen.P"<br />
BlümeI, der heute noch für Aussagen über Modcllvorlagen zitiert wird, beschreibt die Notwendigkeit<br />
eines maßstabsgleichen Modells für bewegte Statuen und besonders, mit Blick auf die Olympiaskulpturen,<br />
für voll plastische Giebelfiguren.v" Da diese Präzisionsarbeit verlangten, könnten sie seiner Meinung<br />
nach nicht nach kleinen Modellskizzen improvisiert worden sein. Blümel rekonstruiert aus seiner Sicht<br />
als Bildhauer heraus das folgende Werkverfahren: Zunächst wurde eine kleine Modellskizze in Wachs<br />
oder Ton für den Aufbau des großformatigen Tonmodells angefertigt. Dies erforderte, um das Gewicht<br />
des Tons zu stützen, ein Gerüst, dessen Konstruktion zuvor aufgrund von Modellskizzen zu berechnen<br />
war. Hierbei setzt er ein großes Maß an technischer Erfahrung voraus. Von diesen großen Modellen nahm<br />
der Bildhauer wegen der Haltbarkeit und der Beweglichkeit der Vorlagen Teilformen in Gips oder Stuck<br />
ab, überarbeitete die Negativformen und goß diese wiederum aus. Nach diesen Ausgüssen konnre die<br />
Arbeir in Marmor beginnen. Das von Blümel geschilderte Verfahren der Modellhersrellung erscheint mir<br />
jedoch zu kompliziert, obgleich das technische Wissen dafür vorhanden war. Derartig detailliert ausgeführte<br />
Modellvorlagen, vor allem im größengleichen Maßstab, sind nur erforderlich, wenn ein genaues<br />
Übertragen der Modelle in Stein angestrebt wird. Doch dies scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Korrekturen<br />
an den Statuen aus Olympia und an anderen Giebelskulpturen weisen vielmehr daraufhin, daß<br />
keineswegs alle Einzelheiten bereits zu Beginn der Fertigung bestimmt und in detailliert ausgearbeiteten<br />
Modellen festgelegt waren."? Umgekehrt liefert aber auch ~as Vorhandensein von exakten Vorlagen keine<br />
Garantie dafür, daß nicht während der Ausführung noch Anderungen vorgenommen wurden oder diese<br />
gerade bei der Bauplastik aufgrund des Fertigungspr?zess~s der Arch~tekturgliedernotwendig waren. Die<br />
Werkzeichen an den Giebelskulpruren legen zwar die EXIstenz plastischer Modelle nahe, Jedoch muß es<br />
sich dabei weder um detailliert ausgearbeitete noch um maßstabsgleiche Modelle gehandelt haben, wie<br />
es Blürnel in Erwägung zog und von einigen Forschern übernommen wurde.>" Insbesondere für die Fertigung<br />
der Olympiaskulpturen sind maßstabsgleiche Modelle wegen des viel zu hohen Arbeitsaufwandes<br />
auszuschließen. Es sei daran erinnert, daß in jedem Giebel 21 überlebensgroße Skulpturen angeordnet<br />
sind. Für diese hätten ebenso gut kleine, in einem bestimmten Maßstab zum auszuführenden Objekt<br />
stehende Modelle aus Ton oder Terrakotta angefertigt werden können. Auch ist die These Blümels, daß<br />
die Modelle schon einmal in die Tempelgiebel gesetzt worden sein sollen, um deren Wirkung an Ort und<br />
Stelle zu überprüfen, ebenfalls wegen des viel zu großen hierfür erforderlichen Aufwandes sehr unwahrscheinlich.359<br />
Diese Funktion eines Modells ist in der neueren Kunstgeschichte erst für die Verwendung<br />
der Modelle bei Bernini bezeugt, welcher der Einwirkung des Lichtes am Aufstellungsort eine wichtige<br />
Bedeutung zumaß.360<br />
Zusammenfassend läßt sieb sagen, daß seit der archaischen Zeit in der freien Bildhauerei graphische und<br />
lastische Modelle bekannt waren, die in vielfältiger Weise im Fertigungsprozeß der Skulpturen und der<br />
~auplastik hätten Verwendung finden können. Das genaue Aussehen der Vorlagen ist heute allerdings<br />
nicht mehr zu rekonstruieren. Doch waren die Modelle aufgrund des Gestaltungsfreiraumes der ausführenden<br />
Künstler wohl eher kleineren Formates und nicht detailliert ausgearbeitet.<br />
Konkrerere Aussagen über Bildhauermodelle können erst für die späthellenistische Zeit getroffen werden.<br />
In dieser Zeit verdrängte das Punkeierverfahren. das m. E. zuvor bereits bei der Fertigung von Duplikaten<br />
oder Serien angewandt wurde'", selbst bei der Fertigung von Einzelplastiken zunehmend die freie<br />
Bildhauerei. Dieses belegen beispielsweise die Befunde an den freistehenden Skulpturen von Rheneia und<br />
Delos Kat. Nr. 69 (Taf. 38; 39 a. b. c), Kat. Nr. 72 (Ta( 44; 45; 46), Kat. Nr. 102 (Taf. 59) und Kat. Nr.<br />
106 (Taf 61 c), Für dieses Herstellungsverfahren ist das plastische, detailliert ausgeformte Modell sowohl<br />
für die Fertigung von Skulpturen als auch von Reliefs vorauszusetzen. Dieses Modell wird in der Regel der<br />
177<br />
352 So auchBrommer a. O. 140.<br />
353 s.A. F.Stewarr. Skopas of Paros(I977) 82. 150;Ashmole - Yalouris a. O.<br />
35'Blümell927, 24ff.:Ridgway 1969, 109f: Palagia 1987, 78: s. auch Anm. 350.<br />
355 s. die Figuren des Gigantomachiegiebels des Peisisrraridemempels aufderArhener Akropolis; zu diesens. Floren 1987. 245ff.<br />
mirLlr.,s. dievollplasrischen Giebelfiguren desApollonrempels aufAegina(510I 500v.Chr.);zudiesens. Floren1987,310<br />
mirLir.:E. Walter-Karydi in:Archaische und klassische griechische PlastikI (1986) 129ff.;s. dieGiebelfiguren desApollon<br />
Daphnephoros Tempels in Ererria(Ende6. ]h. v.Chr., wohl um 507 v. Chr, begonnen), zu diesen s. Floren 1987,318 mit<br />
Lit.: E.Touloupain: Archaische und klassische griechische Plastik 1(I986) 143ff.: s.die Osrgiebelfiguten desApollomempels<br />
in Delphi. der Westgiebel hingegen ist noch im Kalksteinrelief ausgeführt, s. hierzu Floren1987, 244f. mit Lir. Auffiillig ist<br />
jedoch,daßstärker bewegteGiebeldarstellungen - 2. B. derGiebel des Megarerschatzhauses in OlympiaoderderWestgiebeI<br />
desApollomempels derA1kmeoniden - im Reliefwiedergegeben sind.<br />
356 Blümel 1927, 24ff. 33: C. Blümel, AA54, 1939, 302ff.:Blümel 1943, 40ff. 70f. Blümel stützte seineThese von großen,<br />
maßstabsgleichen Modellenu. a, damit, daß derAufwand, kleine Modelle auf dasauszuführende Original umzurechnen, in<br />
keinemVerhälcnls zu derArbeitsersparnis steht, die mit dem AnfertigenkleinerModellehätteerzieltwerdenkönnen.Zudem<br />
beziehtersich aufdie eingangs genannte Jnschrifc vom Asklepiosrempel in Epidauros. nachwelcherderaus der Entlohnung<br />
desTimorheos von 900 Drachmenabzuleitende Aufwandfürdie AnfertigungderTypoi einerArbeitsleistung eines Mannes<br />
von 2,5 Jahren entspricht und dies nur mit der Ausführung von großen Modellen in Einklang zu bringenist. Hierbeisetzt<br />
er allerdings unbegründeterweise voraus,daß es sich bei den dort genanntenTypoi um Modelle und zwar um Abgüsseder<br />
großen Modelle handelt.s. hierzu die Diskussion in Anm. 312. Auch mußten die ModelleseinerMeinung nachauf jeden<br />
Fallabgeformtwerden,um sie für eine längere Arbeitsdauer haltbarzu machen. Man harte jedoch, wie bereits angedeutet,<br />
auch Terrakottamodelle verwendenkönnen.<br />
357 Zu den Korrektutenan den Olympiaskulpturen: G.Treu,]dl 10, 1895, 1ff.GeradedieEingriffe vorund wahrendderAufstellung,<br />
die auch an den Giebelskulpturen von Epidauros zu beobachtensind. läßtYalouris die Fragestellen, ob die alsVorlage<br />
enutzten ModellekleinerenMaßstabes oder nur in Hauptzügendurchgeformtwaren.s. N. Yalourts, Die Giebelskulpturen<br />
~c::s AskJepiostempc::ls in Epidauros, AntPI21 (1991) 14. Er räumtaberein. daß es bei derartigen Vorlagen schwieriger sei,<br />
die Figurenaufzustellen. Zudem isr Y~ouris ~. O. 71 e.ntgegen. Blümel der Meinung, daß die Bildhauerin der Lagewaren,<br />
eh ohne plastische Vorgaben zu arbeiten. Hierbeibeziehter SICh aufH. Bulle,]dI 54, 1939, 201f.,der in Hinblickauf das<br />
~~hlen plastischer Vorlagen in Ägypten,im Mittelalter und in Italienbis zur Mine des Quattrocento für die Fertigung der<br />
Olympiaskulpruren zeichnerische Vorlagen vermutete.<br />
358 Palagia 1987,76. 78Anm.14. Palagia sprichrsichfür das.Vorhandensei~ von Modellen der Gi~belskulpturen desAphaiarem-<br />
Isund des Zeusrempels rm Maßstab 1 ; 1 aus, die zunachstvom Meisterbildhauer angefertigt, dann von den Steinmetzen<br />
r~ Stein um~setzr wurden.Vgl. M. Mertens-Horn, Die Löwenkopfwasserspeier desgriechischenWestensim 6. und 5. Jahrhundert<br />
v. Chr., 28. Ergh.RM (1988)24, die grundsättiichdieTheseBlümeIs von Modellenim Maßstab 1 : 1 übernimmt,<br />
wasallerdings nurbei kleinen Objektender Fallgewesensein wird.<br />
359 C. BlümeI,AA 54, 1939, 306, Allerdings könntemansichfurdie FertigungderSkulpturen eine Bausimulationin Formeines<br />
hölzernenGiebelfeldesodersonstigenMarkierungen vorstellen.<br />
360Lavin a. O. 103:Wirrkowet a. O. 172ff.<br />
361 s. $. 180ff.<br />
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- -""'~==-------------------------~==~===<br />
178<br />
Größe des auszuführenden Objekres entsprochen haben, kann aber auch kleiner gewesen sein. Das Übertragen<br />
von letzteren gestaltete sich nur geringfügig komplizierter.362 In den Ateliers von Canova, Schadow,<br />
Rodin oder Thorvaldsen wurden die Modelle in der Größe des zu fertigenden Objektes in Ton geformt, in<br />
Gips gegossen, Teilformen abgenommen und daraufhin die Übertragung durch geeignete Punktierverfahren<br />
ausgeführt.P" Erst in diesem Zusammenhang wird das von Blümel geschilderte Verfahren der Modellherstellung<br />
sinnvoll und erforderlich. Canova selbst formte zunächst kleine Modelle aus Wachs oder Ton<br />
und anschließend großformatige Tonmodelle, wobei er den Ton zuvor von seinen Gehilfen aufbereiten<br />
ließ. Das Abgießen der Modelle und die Übenragung des Modells auf den Steinblock hingegen überließ<br />
er häufig seinen Assistenten. Er selbst legte in diesen Fällen erst wieder Hand an das Werk. um die Details<br />
auszuführen und zu vollenden. Äußerst aufschlußreich ist die Fertigung des Grabmals Clemens XIV.,<br />
Canovas erstes Werk in Rom, das heure im linken Seitenschiff der Kirche der SS. Aposroli (Taf. 101) zu<br />
bewundern ist. ' 64 Zu Füßen des segnenden Papstes befinden sich die Allegorien der Sanftmut und der<br />
Bescheidenheit. Canova nahm die Arbeit im April 1783 auf, skizzierte zunächst seine Ideen und hielt<br />
diese in Zeichnungen fest. Dann führte er Bozzertiin Ton aus, die hernach gebrannt wurden. Nachdem<br />
er auswärtige Handwerker damit beauftragt harre, ein Modellgerüst aufzubauen. begann er am 11. Januar<br />
1784, das Tonmodell des Papstes, das in der Größe der zu fertigenden Marmorskulptur entsprach, zu<br />
formen. Hierzu benötigte er 45 Arbeitstage. Anschließend ließ er dieses in Gips gießen. Das Tonmodell<br />
der Sanftmut nahm 57 Arbeitstage und das der Bescheidenheit 52 Arbeitstage in Anspruch. Allerdings<br />
zerstörte der mit seiner eigenen Leistung unzufriedene Künstler das erste Tonmodell der Bescheidenheit<br />
und formte ein zweites vom 13. Dezember 1784 bis zum 12. März 1785. Dann ließ er auch diese in Gips<br />
gießen. Die Bearbeitung der Marmorskulpturen setzte im April 1785 ein. Für deren Ausführung beschäftigte<br />
Canova drei oder vier Gehilfen am Tag. Die Arbeit wurde wahrscheinlich an allen drei Statuen<br />
gleichzeitig vorangetrieben. Was den Aufwand und die Dauer der Ausführung der Skulpturen betrifft, so<br />
widmete Canova selbst IOO Arbeitstage der Statue des Papstes. Allein 45 Tage verwandte er hierbei auf<br />
die Gestaltung des Gesichtes und der Hände. Seine drei Assistenten arbeiteten an der Statue des Papstes<br />
jeweils 192, 99 und 17 Tage. Canova verbrachte weitere In Arbeitstage mit der Gestaltung der Figur der<br />
Bescheidenheit. Mir dieser beschäftigten sich ferner vier Assistenten jeweils 424, 74,61 und 60 Tage. Der<br />
Statue der Sanftmut widmeten Canova 193 Tage und zwei seiner Assistenten je 428 und 134 Arbeitstage.<br />
Insgesamt verwandte allein der Meister 241 Tage aufdas Herstellen der Modelle und 465 Tage auf die<br />
Bearbeitung der Marmorskulpturen. Das Werk wurde 1787 fertiggestellt. Die Ausführungen veranschaulichen<br />
deutlich, wie aufwendig sowohl das Anfertigen der Modelle als auch die Detailausarbeitung der<br />
Steinskulpturen waren und welch großen Zeitraum die Assistenten für das Punktieren benötigten.<br />
362 DieVergrößerung vonkleinenModellenistnichtschwierig, wennderMaßstab derübenragungbekannt ist,d. h. wenn das<br />
kleineModell in einem bestimmten Verhältnis zurAusfiihrung steht.Nun ist es durchaus verstellbar, daß derMeisterein<br />
kleines Modellalserste Skizze: anfertigt, die in keinembestimmten Verhältnis zurAusführung steht,undeinern Mitarbeiter<br />
aufgibt, das Modellin die GrößederAusführung zu übertragen. Dies ist,zumindest in derheutigenBildhauerei. durchdie<br />
AnwendungdesZirkds und eines Proportionswinkels rechrunkompliziert.s. K Burger,Das Punkrieren (1940) 47ff. s. auch<br />
S. 181 Anm. 382.<br />
l6' Zu Canova, Schadowund Ialconec R. Winkower, Sculpture. Processes and Principles (1977) 213ff. mit weit. Lir.: zu den<br />
Werkverfahren Canovass. ferner H. Honour, The Burlington Magazine114, März 1972, 146ff;ders.,The Burlington Magazine<br />
114,April 1972,214ff.;zuThorvaldsens Srudiopraktikens.G. Bott {Hrsg.),Künstlerleben in Rom - BertelThorvsldsen<br />
(1770 - 1844).Ausstellungskatalog Nürnberg (1991). Die meistenWerkeRodins (1840 - 1917) sind von seinenAssistenten<br />
mittels desPunkderverfahrens gefertigt worden, Rodinleistetehauptsächlich dieArbeitinTon,arbeitete aberkaumin Marmor.s.<br />
Wittkow~r a. O. 231ff. mit weit.Lic.r s. auchdie Studiopraxis desfranzösischen Bildhauers Edme Bouchardon (1698<br />
- 1762), der in Rom und Paristärig war. Zu diesemWinkower a. O. 204ff. Dieser ließ die Modelle nach seiner Skizzevon<br />
einemmitarbeitenden Bildhauer und einer Hilfskraft im Studiounterseiner Aufsichtanfertigen, ließ die Figuren bossieren<br />
undvollendete dannselbstdie Statue, wobeierauchdie Bohrarbeit undPolitur übernahm.<br />
l64 s. Wittkowera. O. 225; H. Honour, The Burlingtan Magazine114, März 1972. 153f.<br />
Die verschiedenen Methoden der Übertragung der plastischen Modelle in Stein sind in rein mechanische<br />
und freiere Vorgehensweisen sowie in dazwischen liegende Abstufungen zu differenzieren. Auf welche<br />
Weise der Künstler die Modelle in der freien Bildhauerei auf den Stein zu übertragen beginnt, beschreibt<br />
CeI1ini im Zusammenhang mit der oben zitierten Modellherstellung: "Und wenn einer mit solch großen<br />
Modellen zufrieden sein kann, so soll er eine Kohle nehmen und die Hauptansichten seiner Figur aufden<br />
Stein zeichnen; er soll aber zusehen, daß sie stimmen, denn wenn die Zeichnung nicht genau ist, wird er<br />
sich beim Hantieren mit dem eisernen Rüstzeug betrogen sehen.">65 Die Aufgabe des Übertragens wurde<br />
wohl jeweils entsprechend der Anforderung gelöst, wobei der Steinmetz zu verschiedenen Hilfsmitteln<br />
und Hilfskonstruktionen gegriffen haben wird. 366 Diese Vorgänge sind heute im einzelnen nicht mehr<br />
nachvollziehbar. Doch weckten die praktischen Erfordernisse, ebenso wie es bei der Konstruktion von<br />
Transportmaschinen zu beobachten ist, sicher den Erfindergeist. An der unfertigen archaischen Plastik<br />
sind im Gegensatz zu den klassischen und hellenistischen Skulpturen weder Punktierbohrungen noch<br />
Puntelli mit Sicherheit nachzuweisen, die nähere Hinweise über die Methoden der Übertragung liefern<br />
könnten.'67 In frühklassischer Zeit beschreiben Werkzeichen an den Skulpturen des Zeustempels in<br />
Olympia die Übertragung der Modelle aufdie Originale von feststehenden Meßpunkten aus.'68Im Ostgiebel<br />
des ZeustempeIs weist der Kopf des Sehers L auf der Stirn eine starke Bosse (Taf. 36 a) auf, im<br />
WestgiebeI der Kopfdes Lapithen Q (TaE 36 c) noch die Spuren der ehemals hier vorhandenen Bosse. die<br />
der Steinmetz nicht vollkommen beseitigte. ' 69 BlümeI deutete diese als Lotbossen.v? Er nahm in Hinblick<br />
l65 BenvenUtoCellinl, Abhandlungen über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei, übersetzt von R. und M. Fröhlich<br />
(1974) 115f.<br />
366 Zu verschiedenenArten von Kopiermethoden s. Pfannet 1989. I82ff.;Palagia 1987. 78f.; s. auch die Punktiermethode von<br />
Leon BattistaAlberti, der1430 alserstes Werknebenden Ausführungen überMalerei und Archirektur eineAbhandlung .De<br />
srarua"geschriebenhat und bereitsz:vischendem Moddlieren und de~ Bildhauern unterschied.s, Lasculprure176Abb. 47.<br />
s. auch Winkower a. O. 80fF. Vgl. die Methode von Leenarde da Vinci: Witrkower a. O. 82; Lasculprure 177.<br />
367 Nach Pfanner hingegenlassen sich Puntelli erst ab dem auslaufenden 2. ]h. v. Chr, nachweisen,s. Pfanner 1989. 180. Lediglichdie<br />
Nikeso, Pri:stcrin a~ d~m Heiligtu~ der Deme:erund ~re !n Pri.ene aus dem 3. ]h. v. ehr. in der Berliner<br />
Antikensammlung versieht er mrt emem Fragezeichen, da die Funktionemer SIchauf der Rückseite befindlichen kleinen<br />
Bossenicht eindeutigzu klären ist.Vgl. aber die folgendenAusführungenzu den Olympiaskulpturen und dem Kopfausdem<br />
Giebel von Tegea.<br />
368 auch die Werkaeichenan einem Frauenkopf im Museum of Fine Art. Rhodes Island, der wohl in die klassische Zeit zu<br />
:iatieren ist. s. E. Berger, AM 71,1956, 160f. Nr. 15. Zu diesem s. Ridgway 1969. 110 Abb. 10. Ridgwaydatiert den Kopf<br />
hier in das 5. ]h. v. Chr.; vgl. B. S. Ridgway, Catalog of the ClassicalCollection. Museum of An, Rhode Island School of<br />
Design (1972) 28fF. Nt. 8 Abb. 143:.145. Ri~y 1969,110 beschreibt dre~ Eimiefungen,die nicht durch das Anbringen<br />
eines Gegenstandes erklärt werdenkönnen; zwei hegenvor den Ohrenund eme aufdem Haar, ca. 7,7 cm vom Haaransatz<br />
entferntüberder Mine der Stirn. Da die Punktezudeman Stellen liegen, die: fiir den Bildhauer wichtigsind, interpretiert<br />
• diese als Meßpunkte, mit Hilfe derer das Modellaufdas Original übettragen wurde. Ridgway (1969) sahhier zunächst<br />
ein sehreinfaches Verfahren des mechanischen Überrragens, das sie demjenigen derOlympiaskulpturen an die Seitestellen<br />
wellre-Gegen dieseThesevon Ridgwaykönnte ein im Werkstättenbereichder AthenerAgoragefundener.klassischer Frauenk<br />
f Athen AgoraMus, 1nv. Nr. S 2094, sprechen,der offenbar alsModellwiederverwendetwurde. Eine Einbohrung ist im<br />
~~~ und zweiim Haaransatzzu sehen, s, E. B. Harriscn, Hesperia Zä, 1960, 369f. Taf.81 a. b. Die Wiederverwendungals<br />
Modell könnte auch auf den Kopf im Museum Rhcde Island zutreffen.Die Spuren an diesemKopf sind zudem vergleichbar<br />
mit denjenigenan dem Kopf Kat. Nr..113. der aus .~ellenist~s~ - römis~er" Zeit ~~mt. Ridgway(1972) zogdann wegen<br />
der Werkspuren in Erwägung,daßes Sichauch um eine Kopie einesklassischenOriginalshandeln könnte. Grundsätzlich ist<br />
dasVorhandenseinvon Meßpunkten kein Darierungskrlrerium,so daß die Datierung des Kopfesin die klassische Zeit aucb<br />
unter diesemGesichrspunktaufrechrerhalten werdenkönnte. Alletdingsvermag man in diesemFallnicht zu entscheiden,ob<br />
derKopfmit einemPunkderverfahren hergestellt oderob er alsModellwiederverwendet werdensollte.<br />
>69 s. zu diesen beiden Skulpturen die Angaben und Literaturzitate im Katalog unter der Nr. 65.<br />
370 Blürnd 1927, 29f. Taf. 14: 15; Blümel1943. 47f. 53Abb. 37; 39. Vgl. Pfanner 1989, 246, der die Interpretation alsLorbosbezweifelt;<br />
bei diesenhandeleessichseinerMeinung nach eher um motivischbedingte Stützpuntelli oder Resteder ersten<br />
:Sarbeitungsphase. Es handelt sichkeineswegs um stichhaltige Argumente gegendie Deutung Blümels, zuma1 auch an den<br />
GiebelskulpturenausTegeagleicheIndizien zu beobachten sind.<br />
179<br />
I<br />
1
180<br />
aufdie aufklassischen Gemmen überlieferte Darstellung an, daß die Bildhauer an einem Modell sowie an<br />
den hervorspringenden Teilen des Steins Lote ansetzten und auf diese Weise Messungen durchführten.<br />
Die Metopen des Zenstempels liefern weitere Anhaltspunkte. Doch sind es nicht die länglichen Einschnitte<br />
im Stirnhaar der Heraklesköpfe der Löwen- und Stymphalidenmetope, die Blümel zufolge "gerade<br />
groß genug waren, um das Daumenglied mit der Lotschnur hineinzudrücken'"?', sondern der Marmorwulst<br />
aufder Stirn der Athena (Taf. 36 b) der Löwenmetope, der wohl als Meßbosse zu interpretieren<br />
ist!" Gleiche Indizien sind an den Giebelskulpturen des Athenatempels in Tegea zu beobachten. Denn<br />
oberhalb der Stirnmitte des behelmten männlichen Kopfes (Tegea Inv. Nr. 6I) aus dem Westgiebel befindet<br />
sich ein Puntello. m Dieses an den Plastiken abzulesende Stichrnaßpunktieren, bereits weiter oben bei<br />
der Statue von Rheneia Kat. Nr. 69 (Taf. 38; 39 a. b. c) und der Statue Kat. Nr, 106 (Taf. 61 c) angesprochen,<br />
stellt eine sehr einfache Verfahrensweise dar. Diese kann neben den von Blümel in Erwägung gezogenen<br />
Loten mit verschiedenen Hilfsmitteln durchgeführt werden. Bei der Statue von Rheneia Kat. Nr.<br />
69 (Taf. 39 c) bohrten die Steinrnetze in eine über der Stirn sitzenden, etwa quadratischen Bosse drei<br />
Eintiefungen, denen drei Bohrlöcher im unteren Teil der Skulptur entsprechen.F? Blümelf" vermutete,<br />
daß der Bildhauer zwischen diesen Bohrlöchern Schnüre spannte, nachdem er zuvor auf gleiche Weise<br />
sein Modell vorbereitet hatte. Von diesen Schnüren aus ermittelte er dann die für die Fettigung seiner<br />
Skulptur erforderlichen Maße. Vielleicht fixierte der Steinmetz aber auch ein System aus Meßlatten oder<br />
eine einfache Kopierapparatur an der Statue. 376 Aufwelchem Wege die Maße bei dieser Skulptur übertragen<br />
wurden, entzieht sich allerdings unserer Kenntnis. Ungeachtet der jeweiligen Hilfsmirrel bleibt das<br />
Prinzip des Stichrnaßpunktierens jedoch immer dasselbe.P? Der Steinmetz beginnt mit dem Einrichten<br />
des Modells und der in den Grundformen vorbossierten Skulptur oder eines vielleicht zunächst lediglich<br />
auf Maß zubossierten, an den Arbeitsplatz gelieferten Rohblockes-", indem er auf diesen Hauptpunkte<br />
festlegt, deren Positionen identisch sein müssen. Bei Statuen setzt er einen Punkt gewöhnlich auf den<br />
371 Blümel 1927,29f.Taf. 15;Blümel 1943,50 Abb. 38. Pfannera. O. wendetin diesen Fällen zu Rechtdagegen ein,daßein<br />
"Lot freischwebenunddeswegenimmererhöhtangebracht werden muß."ZurLöwenmetope s, die Ausführungen und Literaturzitate<br />
im Katalog unterder Nr. 65. B.Ashmole - N. Yalouris, Olympia. The Sculprures of the Temple ofZeus(1967)<br />
Abb.147- 148(HerakJeskopfderLöwenmercpe).Zur Stymphalidenmetope s.G.Treu, Olympia111161; Ashmole- Yalouris<br />
a. 0.158 Abb.160,161.<br />
m SoauchAshmole - Yalouris a. O. 20 Abb. 144. 145.146.s. dieAusführungen und Literaturzitate im Katalog unterder Nr.<br />
65.<br />
m A F.Stewarr, Skopas ofParos(1977)24f.82 Kat.Nt. 18Taf.16a.<br />
374 Dasersteliegtzwischenden Füßen,das zweite: amäußeren Randdes 1. Fußes,undein dritteswar vermutlich imverderenTeil<br />
desr, Fußesangebracht, derjetztweggebrochen ist.<br />
m Blümell927, 28; B1ümelI943, 52.<br />
376 Vgl.Pfanner1989,190;Blümel 1943,45. Heutewirdfür einederartige Aufgabe einKopiergerätbenutzt, dessen Anwendung<br />
auch fl.ir die Antike in Erwägung gaogen wird, allerdings rekonstruiert man dieses anstelle mit modernen Gelenkapparaturen<br />
mit dickemBletdrahr,s, Pfanner1989. 183;La sculpture 178/f.; die Koplermaschine erlaubtnur ein maßgleiches Übertragen;eswirdabwechselnd<br />
von dem Modell aufdas Steinoriginal umgehängt; so ist es möglich, exakte Kopien herzustellen.<br />
DieseHandhabungscheidet aberbeiderRhenclaskulprurKat.Nt. 69aus,dadieSteinmetzedieHilfsmittel festanderStatue<br />
fixierten, wie es die Einbohrungen belegen.<br />
377 Zum Stichmaßpunktieten: K Burger,Das Punktieren (1940)42/f.Seinen Bemerkungen sinddie folgenden Ausführungen<br />
überdiesesVerfahren verpflichtet,<br />
378 Aus dem Architekturbereich existieren "Quaderlisten'\ die: detaillierte Anweisungen zu Steinbruch, Größe, Qualität und<br />
AnzaW der zu gewinnenden Werkstücke enthielten,wie es beispielsweise vom BauderVorhalle desTelesterions von Eleusis<br />
- Mittedes 3. jhs. v.Chr.• inschriftlich übetliefen ist,s. IG 11' 1666;J. P.Heisel, AntikeBauzeichnungen (1993) 180 mit<br />
Anm. 511 und 512. Heisel übersetzt die: erste: Position: ..Steinquader ausdem weichenSteinAeginas brechen, homogenen<br />
Stein,Länge 4 Fuß,Breire 3 Fuß, TIefe 3/2 Fußund auf allen Seiten gleich behauen mit der beabsichtigten Abmeißelung,<br />
heil und unserbrochen nach Eleusls transportieren. Stück: 44."<br />
Kopf, wie es auch an den Olympiaskulpturen und dem Kopf aus Tegea zu beobachten war, und zwei<br />
weitere in deren untere Partie. Diese Hauptpunkte stellen die Ausgangspunkte einer jeden Messung dar<br />
oder, wie vielleicht bei der Statue von Rheneia, die Ansatzpunkte für die Anbringung einer Hilfskonstruktion.<br />
Die Koordinaten der Punkte, die von dem Modell aufdie Skulptur zu übertragen sind, liest er entweder<br />
direkt an Meßstäben oder Schnüren ab oder er schlägt zweimal den Zirkel von den Hauptpunkten<br />
aus. Die Methode des zweifachen Zirkelschlages, für die zwei Werkzeuge benötigt werden, ist sehr präzise<br />
und das denkbar einfachste Vorgehen. Ein Zirkel war zudem Bestandteil des Arbeitsgerätes eines jeden<br />
Bildhauers. 379 Dieser stellt die Zirkel jeweils ausgehend von einem Hauptpunkt aufdie höchste Stelle des<br />
Modells ein und überträgt diesen ersten Punkt aufden Stein, indem er die beiden Zirkel wieder von den<br />
gleichen Hau~tpunkten ~us schlä~. Auf die~e Weise ermittelt er den Kreuzungspunkr, den er .mit einem<br />
Bleistift markiert. Von diesem wiederum sucht er senkrecht nach unten und berechnet so, rn welcher<br />
Tiefe sich der Punkt am Modell befindet und wie viel des Materials von der Skulptur oder von dem Rohblock<br />
zu entfernen ist. Entsprechend spitzt der Steinmetz den überflüssigen Stein fort, meißelt die Punktierlöchet<br />
ein, wobei dies einige Übung erfordert, nimmt ZUt Kontrolle wiederholt das Stichrnaß und<br />
bohrt schließlich in die Mitte der sog. Pfanne den eigentlichen Punkt. Aufgleiche Weise werden weitere<br />
Punkte gesetzt. Hierbei geht der Punktierkünstler von den höher zu den tiefer gelegenen Stellen der<br />
Skulptur über. DieAnzahl der Markierungen hängt von der Genauigkeit des Kopierwunsches ab. Im 17.<br />
und 18. Jahrhundert verwandten die Bildhauer als Hilfsmittel für das Stichmaßpunktieren vor allem<br />
Quadratrahmen mit herunterhän~ndenLoten ~Taf. 100), die über dem Modell und der zu fertigenden<br />
Skulptur angebracht wurden. 38O DIese Art der Ubertragung wurde zu dieser Zeit meist von einer Hilfskraft<br />
dazu verwendet, eine Figurgrob zu modellieren, so daß der Meisterbildhauer dann in direkter Bearbeitung<br />
des Steins das Werkvollenden konnte. Oder aber die Steinmetze stellten beide Werkstücke in sich<br />
entsprechende Kopierkäfige3 81 (Taf. 100), die mit beweglichen Meßstäben versehen, das Ablesen der Koordinaten<br />
desjeweiligen Punktes ermöglichten. Kleine Modelle, welche ich für die Fertigung der Olyrnpiaskulpturen<br />
annehmen :nöcht~,.konnten mitt~ls Propor:ion~zirkel,.Greifzirkel und Meßlatte, Quadratrahmen<br />
oder Meßkäfig rrut relativierten, proportionalen Einheiten, Zirkel und Proportionswinkel vergrößert<br />
werden. 382 Ein bronzener Proportionszirkel wurde in der Nähe eines delischen Bildhauerateliers gefunden.'''<br />
Die Bedeutung des Stichrnaßpunktierens liegt in der Kombination aus freier Bildhauerei und<br />
mechanischet Übenragung. Deren jeweiliger Anteil wiederum ist in Abhängigkeit von dem für die zu<br />
fertigende Skulptur verantwortlichen Bildhauer, von dem Wunsch des Auftraggebers oder aber auch generell<br />
von derAuftragslage eines Ateliers zu betrachten. Da es sichbei dem Stichrnaßpunktieren im Grun-<br />
379 Seitarchaischer Zeit nutztendieBildhauer den Zirkel, s. auchAdaro 1966,83f.<br />
380 Lasculpture 147Abb.2; 176f.s.auchzurVerwendung vonQuadrarrabmen dasWetkstattbild von Canova (Taf. 101). Dieses<br />
Hilfsmittel wird gelegentlich auch heute noch benutzt.VgI. Blümell927. 31 Abb. 8; Blümel 1943, 55Abb. 42; Pfanner<br />
1989,182.<br />
38' Lasculpture 177Abb.49 a. bö50. 51. Pfannerkonstruiere einerunde,sehrzweckmäßige Apparatur, derzwardasgleiche AIbeitsptin.ipzugrunde<br />
liegt, dochhättederSteinmetz aufdiegesarote SkulptutdiePunktesetzenkönnen,ohnedieApparatur<br />
umzuhängen, s, Pfanner 1989,182Abb.10,2 b.<br />
382 ZuVergrößerungen von Modellen: Burger a. O. 47ff.Burger hält dasPunktierverfahrenmit den dreiZirkelnfüt diezweckmäßigste<br />
Methode der Vergtößerung; zu Vergtößetungen und Verkleinerungen von Porträts: Pfanner 1989, 186. Vgl.La<br />
sculpture 170f.zur 0'ert~g einesModells mittels Winkelkonstruk~ionenö bei diesemVerfahren sind zwei Winkelkonstruktionen<br />
notwendig, die sowohlan dem Modell alsauchan demStein fest engebrache werden; von diesenwerden dann<br />
die Maßeabgenommen und übertragen. Dieses Verfahren wurdewahrscheinlich im 16.Jh. angewendet, wennfür das au..<br />
zuführende Objekrin Steinkleinere Modelle vorlagen, Es wirdauchvon Vasari beschrieben, s. L. S. Maclehose, Vasari on<br />
Technique (1960).<br />
383s.S.279;s. zu Exemplaren ausPompeji W.Gaitzsch, AW14,1983, 3ff.<br />
181
182<br />
de um ein sehr einfaches Meßverfahren handelt, wird bereits der archaische Bildhauer dieses gekannt und<br />
bei Bedarfangewandt haben, obwohl entsprechende Werkzeichen an den Skulpturen noch nicht nachzuweisen<br />
sind. Für die archaische Zeit ist allerdings weniger eine mit dem Werk fest verbundene Apparatur<br />
anzunehmen. Doch war es dem archaischen Bildhauer möglich, ausgehend von aufden Block aufgezeichneten<br />
Hilfslinien - ein Vorgehen, welches beispielsweise die samische Platte Kat. Nt. 39 (Taf. 21 b) belegt<br />
- mit Zirkel, Meßstab und Lot Stich maße zu nehmen und auf diese Weise identische Kopien herzustellen.'84An<br />
dieser Stelle sei daran erinnert, daß form- und maßgleiche Stücke in großer Zahl, beispielsweise<br />
die Löwenkopfwasserspeier des archaischen Artemision von Ephesos, rationell gefertigt werden<br />
mußten.'85<br />
Der entscheidende Schritt in der Entwicklung des Meßverfahrens ist die Entwicklung einer dreidimensionalen<br />
Kopierrnerhode, wie sie das Punktierverfahren mit drei Zirkeln darstellt. Dabei handelt es sich um<br />
ein komplizierteres, wahrscheinlich in späthellenistischer Zeit entwickeltes Verfahren, das unter anderem<br />
bei der Fertigung der Grabharpyie Kat, Nr. 72 (Taf. 44; 45; 46) angewandt wurde.t" Ausgehend von drei,<br />
in einer Ebene liegenden Punkten ist es durch dreifachen Zirkelschlag möglich, jeden weiteren Punkt im<br />
Raum zu bestimmen. Der heutige Steinmetz benutzt für dieses Verfahren drei Creifzirkel mit entsprechen.<br />
den Krümmungen, greift aber auch zu einem Stichzirkel. dessen beide Schenkel in eine Richtung gebogen<br />
sind, falls ein Punkt durch den Greifzirkel nicht erreichbar isr. 167 Zu Beginn des Verfahrens werden drei<br />
Hauptmeßpunkte nach freiem Ermessen, aber in identischer Position sowohl aufdem Modell als auch auf<br />
dem Rohblock plazierr. Gewöhnlich wählt der Bildhauer die am weitesten hervorspringenden Teile einer<br />
Skulptur. Bei hartem Gesrein werden die Punkte direkt mit dem Bohrer eingetiefr, um in diese die Zirkelspitzen<br />
einzusetzen. Durch dreifachen Zirkelschlag ermittelt der Künstler jeden gewünschten Punkt,<br />
indem er den Überbossen an der entsprechenden Stelle solange fortmeißelt, bis sich die drei Zirkelschlage<br />
an diesem Punkt treffen. Die Anzahl der Punkte ist wiederum von der Genauigkeit des Kopierwunsches<br />
abhängig. Um die eingestellten Zirkel nicht zu verwechseln, stellt der heurige Steinmetz in nächster Nähe<br />
der Arbeit einen TIsch, ein Brett oder eine Kiste auf, worauf er die Zirkel der Reihe nach ablegt."8<br />
Die vorangegangenen Ausführungen zeigten die Grundtendenzen in der Anwendung VOn graphischen<br />
und plastischen Vorlagen während des gesamten Fertigungsprozesses der Bildhauerei in den verschiedenen<br />
Epochen auf. Plastische Modelle, denen hierbei eine besondere Bedeutung zukommt, wurden<br />
m. E. aufgrund technischer Erfordernisse zum ersten Mal in der archaischen Zeit für die Fertigung von<br />
Giebelskulpturen und für die Hetstellung von Duplikaten oder Serien genutzt. Bei diesen Vorlagen ist an<br />
einfache, meist unterlebensgroße Modelle'" aus Ton oder Terrakotta oder aber gelegentlich auch an eine<br />
zu duplizierende, bereits in Stein ausgeführte Statue zu denken.<br />
Die Verwendung von Modellen brachte zunächst keine radikale Veränderung in der Vorgehensweise des<br />
Bildhauers mit sich und hatte keine Konsequenz für das Werkverfahren von Einzelfiguren. Das Modell<br />
war Bestandteil des schöpferischen Prozesses einer Skulptur und Hilfsmittel bei der Ausführung. Der<br />
Improvisation im eigentlichen Fertigungsprozeß wird bis in späthellenistische Zeit hinein ein weitaus<br />
größerer Stellenwert zugekommen sein als beispielsweise Blümel es vermuret. Das Arbeiten mit den Modellen<br />
setzte erst allmählich, entsprechend den gestellten Aufgaben, eine Entwicklung in Gang, die zu<br />
einer Umbewertung von Original und Modell und zur Anwendung verschiedener Meßverfahren führte.<br />
Das Modell war aber grundsätzlich der Skulptur untergeordnet und erlangte lediglich bei der Aufgabe der<br />
Vervielfalrigung einen höheren Stellenwert als diese. Das plastische Modell nahm auf die Fertigung der<br />
Einzelskulptur weder in archaischer, klassischer noch in früh- und hochhellenistischer Zeit einen direkten<br />
Einfluß, wie es die unfertigen, in Blocktechnik hergestellten Skulpturen aus dieser Zeit bezeugen. Erst in<br />
späthellenisrischer Zeit hat die Verwendung von Modellen den Fertigungsprozeß von Einzelskulpturen<br />
dann derart verändert, daß diese zunehmend in der Relieftechnik gefertigt wurden. Dieses Herstellungsverfahren<br />
erfolgte unabhängig oder abhängig von einer mechanischen Übertragung. Bei der mechanischen<br />
Umsetzung des Modells in die Einzelskulptur erhielt das plastische Modell den eigentlichen künstlerischen<br />
Wert bei der Fertigung einer Steinskulptur. Grundsätzlich ist erst von diesem Zeitpunkt an das<br />
komplizierte Herstellungsverfahren eines Modells, ausgehend VOn einer kleinen Modellskizze über das<br />
großformatige Modell hin zu den Abgüssen des maßstabsgleichen Modells, anzunehmen.F" Das Meß-<br />
183<br />
381 Auf der Oberseite eines Kapitellsvom älteren archaischen Aphaiarempelauf Aeginabefinden sich Riraungcn,die diesesgeomecrisch<br />
unterteilten und wohl der Übertragung des Musters aufdas Werkstück dienten, s. E. L. Schwandner, Zu Entwurf<br />
Zeichnung undMaßsystem desÄlteren Aphaiatempels. in:LeDessin d' architecrure (J985)75ff. Abb. 3 . 4.<br />
38, M. Mertens-Horn, Die Löwenkopfwasserspeier des griechischen Westens im 6. und 5. jahrhunderr v. ehr.. 28. Ergh. RM<br />
(1988) 22 nimmt für die Herstellung von Löwenkopfwasserspeiern das Stichrnaßpunktieren an; s. zu den Löwenkopfwasserspeiern<br />
des Anemisions ebenda 48 mit weit. Lit. Von den archaischen Exemplaren aus Marmor sind leider nur noch sehr<br />
wenige Stücke erhalten, so daß die Kopiergenauigkeit nicht überprüft werden kann: vgl. die Löwenkopfwasserspeier des Tempels<br />
vonHimera (480170 v.Chr.), dieeinsehrgenaues Kopieren desModells dokumentieren, s.Metrens-Horn a.O. 95fT.<br />
Kat. Nr. 23Taf. 29- 35. FürdenZcusrcmpel in Olympia waren 102Löwenkopfwasserspeier anzufertigen, s. F.Willem,en,<br />
Die Löwenkopfwasserspeier vomDachdesZeustempels, OF IV (1954); Mertens-Horn a. O. 61ff. Generelllassen sieh bei<br />
den Löwenkopfwasserspeiern sowohl maß gen aue Kopien als auch freiere Ausführungen belegen.<br />
386 Zu diesem Verfahren: Burger a. 0, 28f.; La sculprure 171fT. DasZirkelpunktierverfahren findet vorallem für Reliefs und<br />
überlebensgroße Statuen Anwendung, die auf der Baustelle gefertigt werden. Für die Fertigung einer Büste werden ca. 200<br />
oder300Punkte gesetzt; dies bedeurer zwei oderdreiMonate Arbeit. VgJ. Blümel1927, 25f.31f.; Blümel 1943, 45f.; Blümel<br />
behauptet, daß keine antike Skulptur nach dem heute üblichen Punktiersystem mit den drei Zirkeln gefertigt wurde, sondern<br />
mitdemLcrrneßverfahren.Vgl. Pfanner 1989, 190.<br />
387 Der moderne Steinmetz unterscheidet je nach Verwendbarkeit Greif-, Stech-, Zieh-, Stich- und Srangenairkel. s. Burger a.<br />
O. 28f. 38 Abb. 11. Da bei einer Iebens- oder überlebensgroßen Figur die Zirkelspannweiten immens sind, verwendet der<br />
Steinmetz nach Burger häufig Scangenzirkel, deren einfachste Variante eine Laue mit jeweils links und rechts befestigten,<br />
kleinen Eisenzirkeln darstellt.<br />
388 s. auch die vermutliche WerkAäche im Bildhaueratelier des Mikion und Menon S. 270.<br />
389 In archaischer Zeit ist auch in Hinblick aufdie Entwicklung des Bronzegusses und der damit verbundenen Modellherstellung<br />
ein kompliziertes Modellherstellungsverfahren nicht anzunehmen, s. oben Anm. 323.<br />
390 Die Verwendung und Entwicklung der Vorlagen für die Fertigung von Skulpturen scheinen sich dann auch ausgehend vom<br />
Hohen Mittelalter über die Renaissancemeister bis hin zu den Bildhauern des 18. und 19. Jahrhunderts zu wiederholen.<br />
Auch hier stehen am Beginn der Entwicklung graphische Vorlagen, die erst generell in der zweiten Hälfte des 15. jhs. von<br />
Modellen zunächst kleineren, dann größeren Formates verdränge wurden. Die Bildhauer der 2. H. des 16. jhs, formten dann<br />
in verstärktem Maße kleine Bozzetti in Wachs und Ton, da sie auf anderem Wege ihre vielansichtigen Skulpturen nicht hatten<br />
ausfuhren können. Ab der Mitte des 16 Jhs. wird zunehmend zwischen dem Bildhauer. der das Modell formt, und dem<br />
Handwerker, der das Modell in Stein umsetzt, geschieden. Dieser Prozeß erfuhr später im 17. und 18. Jh. seine Ausprägung,<br />
in der hauptsächlich dasPunktierverfahren Anwendung fand, obwohl es aber auch in dieser Zeit Bildhauer gab, die Meister<br />
im Umgang mit dem Marmor waren. s. R. Wittkower, Sculpture. Processes and Principles {I977) passim; La sculpture passim.<br />
I<br />
,l<br />
•
184<br />
verfahren, das sich vom anfänglichen Loten über das Stichmaßpunktieren und das Punktierverfahren mit<br />
festet Apparatur hin zum Dreizirkelpunkrierverfahren entwickelt zu haben scheint, ermöglichte in dieser<br />
letzteren, effektiven Form die in späthellenistischer Zeit geforderte massenhafte Produktion von Skulpturen.<br />
Allerdings teile ich nicht die Meinung von M. Pfannet, der den Befund an der Rheneiastatue Kat.<br />
Nr. 69 als das Ausprobieren von Punktiermethoden in späthellenistischer Zeit inrerpretiert.P" Diese Erklärungwird<br />
dem Phänomen des Punkeierens nicht gerecht, da das Ausprobieren derartiger Methoden in<br />
dem Moment stattgefunden haben wird, in dem erstmals Duplikate oder ganze Serien hergestellt wurden,<br />
und das heißt bereits in archaischer Zeit. Auch ist daswahre Ausmaß dieser Phänomene bei der Fertigung<br />
von Skulpturen noch nicht abzuschätzen. So ist m. E. das technische Know-how des Punkeierens in seinen<br />
Grundzügen bereits seit archaischer Zeit bekannt gewesen und fand bei BedarfAnwendung, wie es<br />
auch das Herstellungsverfahren der Löwenkopfwasserspeier. die in zahlreichen, form- und maßgleichen<br />
Exemplaren zu fertigen waren, nahelegt.<br />
Die Rationalisierung des Fertigungsprozesses ist bezüglich der Verwendung von Modellen in der späthellenistischen<br />
Zeit in feste Regeln überführt worden. Die Arbeitsteilung gestaltete sich schon allein wegen<br />
deren Herstellungsverfahren und Übertragungstechniken weit differenzierter als in den vorhergehenden<br />
Epochen. Die Organisation einer Werkstatt war aus diesem Grunde eine grundsätzlich andere als zuvor.<br />
Dies steht allerdings der Annahme eines äußerst rationell funktionierenden Werkstattbetriebes auch in<br />
den früheren Epochen, wie es bereits V. M. Strocka 392 formulierte, nicht entgegen. Die grundlegende<br />
Umstellung des Fertigungsprozesses in Hinblick auf die Modellvorlagen und deren Übertragung scheint<br />
folglich, wie es bereits bei der Anwendung der Werkzeuge festgestellt wurde, weniger von der Verfügbarkeit<br />
des technischen Know-hows, als vielmehr von der Nachfrage und den speziellen Wünschen der Auftraggeber<br />
abhängig gewesen zu sein. Dies wird unbestritten aufmanchen Gebieten auch zu einer Weiterentwicklung<br />
und Rationalisierung des technischen Know-hows gefühtt haben. Ausschlaggebend ist also<br />
weniger das Vorhandensein eines spezifischen technischen Know-hows zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />
als vielmehr die Erkenntnis, ab welcher Epoche dieses den Fertigungsprozeß dominierte und dadurch zu<br />
echten Veränderungen in der 0 rganisation der Werkstätten führte.<br />
,91 Pfanner 1989, 190; Pfanner schreibt an anderer Stellezu Reche,daß"von archaischerbis in forrgeschrinenerhellenistischer<br />
Zeit keine typisierte Massenproduktion in Marmor, d. h. maßgetreuesKopieren und Vervielfältigen nacheinem bindenden<br />
Vorbild,abgesehenvon gewissenAnsätzenbei derAnfenigunghellenistischerHerrscherzu beobachten ist",s, pfanner 1989,<br />
177; vgl. auch 224. Die Unterschiede bei der Herstellungvon hellenistischen Herrscher-und römischen Kaiserporträtserklärt<br />
er allerdingsdamit, daß die Bildhauerkeineexaktenund schnellenKopiermethodenbeherrschten.Dem kann ich jedoch<br />
nicht zustimmen,wie es die vorangegangenen unddie folgendenÜberlegungen zeigen.<br />
392V. M. Strocka.JdI94. 1979, 143ff.<br />
IV. Die Arbeitsplätze<br />
IV; 1 Der RohstofIDeferant und Arbeitsplatz Steinbruch<br />
Bereits in archaischer Zeit herrschte in den bedeutendsten Marmorbrüchen Griechenlands und Kleinasiens<br />
rege Abbautätigkeit, da sich der naxische, parisehe, thasische, attische sowie der ephesische Stein<br />
schon in dieser Epoche überaus großer Beliebtheit bei der Fertigung von Architekturgliedern und<br />
Skulpturen erfreute.,9, Aber auch die Marmorvorkommen aufProkonnesos'P', von Doliana aufder Peloponnes395<br />
oder diejenigen auf Delos 336 , Siphnos'97, Chios'98, Samos,99oder den Phourniinseln'P'' wurden<br />
393Waelkens1988b. 89f.; zu den naxischenBrüchen s. Kap. IV. I. I. I; zu den attischen s. Kap. IV I. I. 2; zu den thasischen<br />
Brüchen s. Kap. IV I. I. 3.<br />
394 Die Marmorvorkommen derInselProkonnesos, vorallem in römischerund frühbyzantinischer Zeit genutzt,sind nachweislieh<br />
bereits in archaischerZeit AirSkulpturen ausgebeutetworden (s. Waelkens 1988b. 89 Anm. 39). und nach historischer<br />
überlieferung (Vitruv X 2, 15) soll dieser Marmor auch als Baumaterial filr das ältere Arrernision in Ephesos in Betracht<br />
gezogenworden sein. Zu den prokonnesischen Brüchens. z. B. N. Asgari in:Akten des 10. Internationalen Kongresses für<br />
Klassische Archäologie. Ankara 1973 (1978) 467ff.; vgl. Dworakowska 1975, 89. 173 s. v. Prokonnesos,N. Asgari in; As·<br />
mosia III73ff. Interessant wäredie Untersuchung, in welchemAusmaßderprokonnesische Marmorin denverrömischen<br />
Epochen genurzt wurde.<br />
395 Die Marmorbrüche von Dolianawurdenbereitsim 6. jh. v; ehr. fürdie Herstellungvon Architekturgliedern ausgebeutet.<br />
Da sie aber zumindest bis ins 4. Jh. v. ehr. genutzt wurden,sind Arbeitsspuren aus früherer Zeit wohl nicht mehr zu belegen.Vgl.<br />
hierzuWaelkens1988b, 89; Martin 1965. 139f.; allgemeinzu den Brüchen: Dworakowska1975. 37. 40. 88. 96f.;<br />
A. Dworakowska.ArcheologiaWarszawa 20. 1969. 19 Nr. 48; Papageorgakes 232; die Bedeutung der Brüche geht aus det<br />
Beschreibungvon R. Lepsius,GriechischeMarmorstudien (1890) 31f. hervor:.... und fand daselbsretwa eine halbe Stunde<br />
nordwestlich von Dolianaentferntnichtalleineine unfertige Säulentrommel,sondern auchausgedehnteantikeMarmorbrüche<br />
mit ihren eharakrerisrlschen Bearbeitungender Marmorlagermit großen Halden, Wagenspurenu, a....... Die Aufnahme<br />
des Bruchgebietesmit der Beschreibungder dort vorhandenen Sputen stellt in Anbetracht seiner Bedeutung als Rohstofliieferanr<br />
nicht nur rurdie Peloponnes ein Desideratdar.Zu Marmorbrüchen auf derPelopcnnes s. auch F.A..Cooper,AJA85,<br />
1981, 190f.Ebenda auch zu Brüchenim SUdender Peloponnesin Mani.<br />
396 SUdöstlich des Kynthoshefindetsich ein ausgedehntesBruchareal.das zahlreicheSpuren sowohl der Extraktion als auch der<br />
dortigen Verlademechanismen zeigt, s. Ph. Fralsse- T. Kozelj.BCH 115, 1991. 283ff. Viele Spuren sind allerdingsbereits<br />
durch die stete Ausspülungvom Meerwasser zerstörtworden, wie ich im Ftühjahr 1995 beobachten konnte. Interessantwäre<br />
die Frage. inwieweitdieWerkstätten auf Delosden aufder Insel anstehenden Marmorverarbeitet haben. Untersuchungen,<br />
ob dieser Marmor in den delischenBildhauerwerkstätten(s, Kap. IV 3. 4. I. Die Marmorbearbeitungsstätten auf Delos)<br />
vielleicht auch Air die Fertigungvon Skulpturen genutzt wurde, stehen derzeit noch aus, wie mir Ph. Jockey freundliehst<br />
mitteilte. Des weiteren istdie Frage, in welchem Ausmaß derImport von naxischem, parisehern sowie attischemMarmor<br />
nachzuweisen ist, für eine Beurteilung der Werkstattorganisation von besonderer Relevanz.<br />
,97 Im Nordosten der Insel gelegene Marmorvorkommen wurden zwar filr die Fertigung von Architekturteilen ausgebeutet,<br />
Arbeitsspuren in den Brüchen werden in der einscWägigen Literatur jedoch nicht beschrieben,s. G. Daux - E. Hansen, Le<br />
Tresorde Siphnos, FelD II (1987) 25ff.; vgl. A. Dworakowska,ArcheologiaWarszawa 22. 1971,78 Nr, 3; Dworakowska<br />
1975. 11. 47.<br />
398Dworekowskalistetdie in der Literaturerwähnten Brücheauf Chios auf:A. Dworakcwska,ArcheologiaWarszawa 28. 1977,<br />
100 - 102 Nr. 8f.;vgl. dies.•APolona14. 1973, 131f.<br />
399 Auflistung der in der Literatur erwähnten samischen Brüche: A. Dworakowska,ArcheologiaWarszawa28, 1977. 99 - 103<br />
Nr. 10· 14 Abb. 5. 6. Zu den samischen Brüchen: H. J. Kienast, M 1992, 206ff. s, zur mutmaßlichen Ausbeutung Air<br />
Architektur: Martin 1965. 138.<br />
400 Kienasta. 0.; Ph. Zapheiropoulou, ADelt 43, 1993. 503 Taf. 308; vgLU. Kron in: Archaischeund Klassische Griechische<br />
PlastikI (1987) 48. 64; O. Reuther,Der Heratempel von Samos(1957) 22.47. Die vor SamosliegendenPhourniinseln sind<br />
wahrscheinlichdie HauptmarmorlieferantenHirSamosgewesen. denn die auf der Inselvorhandenen Ressourcenhaben, ganz<br />
entgegender häufigzu lesendenMeinung,eherbescheidenes Ausmaß.
186<br />
187<br />
ebenfalls schon seit dieser Zeit ausgebeutet.P' Da die Vorkommen von qualitätvollem Marmor jedoch<br />
zumeist über Jahrhunderte hinweg, weit über die griechischen Epochen hinaus, genutzt wurden und<br />
auch der moderne Steinbruchbetrieb nicht vor der Ausbeutung antiker Areale zurückschreckt, stammen<br />
unsere Kenntnisse über die griechischen Steinbrüche in den wenigsten Fällen aus den Brüchen selbst,<br />
da die antiken Abbauspuren sehr häufig beseitigt wurden. Skulptur-, Keramik- oder Inschriftenfunde,<br />
die zur Klärung der Ausbeutungsgeschichte eines antiken Steinbruches und der zeitlichen Einordnung<br />
vorhandener Arbeitsspuren beitragen könnten, sind selten vorhanden. Die Datierung eines Bruches nur<br />
anhand vorhandener Arbeitsspuren ist aufgrund der äußerst traditionell angewandten Technik der Extraktion<br />
nicht möglich. 402 Trotz der oben genannten Schwierigkeiten werden die Steinbrüche selbst, die<br />
Verwendung verschiedener Marmore in Architektur und Skulptur sowie antike Quellen, die sich jedoch<br />
nur sehr spärlich zu diesem Thema äußern 403 , herangezogen, um ein Bild von griechischen Steinbrüchen<br />
und deren Ausbeutungsgeschichte zu zeichnen. Obwohl auf diesem recht jungen Feld der Forschung<br />
auf archäologischem und naturwissenschaftlichem Wege bereits bedeutende Erkenntnisse erzielt worden<br />
sind, bleiben dennoch zahlreiche Fragen ofFen. 404 Dies betrifft sowohl die Ausbeutungsgeschichte einzelner<br />
Steinbrüche als auch die Verwendung der verschiedenen Marmore im lokalen und auswärtigen Markt<br />
sowie allgemein den Marmorhandel in vorrömischer Zeit.<br />
Vor diesem Hintergrund ist der Zeugniswert derjenigen Steinbrüche, die als Rohstoffiieferanten für die<br />
griechische Skulpturenproduktion dienten, nach den folgenden drei Kategorien zu bemessen:<br />
1. Häufig wird in der Forschung von den Bearbeitern einer Skulptur das Material, aus dem diese gemeißelt<br />
wurde, als "lokaler Marmor" angesprochen, ohne daß das entsprechende Bruchgebiet spezifiziert<br />
wird. Diese Aussage impliziert, daß Steinbrüche in der betreffenden Region vorhanden sind und dort<br />
Abbautätigkeit stattgefunden hat. Bei intensiven, eigenen Nachforschungen ist allerdings festzustellen,<br />
daß a) entweder in der näheren Umgebung kein Steinbruch existiert oder diesbezügliche Untersuchungen<br />
noch nicht vorhanden sind oder aber b) daß Steinbrüche in dieser Region zwar erwähnt werden, diese<br />
aber als Rohstoffquelle nicht gesichert sind, da das Verhältnis von verwendetem Material und Steinbruch<br />
noch nicht untersucht wurde. DieThese einer tatsächlichen Verbindung von Statue und lokalem Marmor<br />
bzw, Steinbruch kann demnach nicht verifiziert werden. Dies charakterisiert die erste Kategorie. Als Beispiel<br />
sei die für die archaische Zeit in kleinerem Ausmaß postulierte Verwendung von lokalen Marmoren<br />
für die Fertigung von Skulpturen in Sparta, in Böotien, auf Euboia in Eretria (s, Kat. Nr. 6, Kat. Nr.<br />
22), aufChios und auf Samos (s, Kat. Nr. 14, Kat. Nr. 30, Kat. Nr. 34; vgl. Kat. Nr. 62, Kat. Nr. 122)<br />
angesprochen. 405<br />
2. In der zweiten Kategorie ist der Stein in seinen Eigenschaften archäometrisch bestimmt, der Steinbruch<br />
als Materiallieferant gesichert und lokalisiert, doch weist das Bruchgebiet aufgrund lang andauernder<br />
Ausbeutung in der Antike oder wegen Wiederaufnahme des Abbaues in moderner Zeit keine für unsere<br />
Fragestellung verwertbaren Arbeitsspuren mehr auf. Aussagen über Technik, Art und Umfang der Abbautätigkeit<br />
sowie über die genaue Lokalisierung der Arbeitsplätze sind für den hier untersuchten Zeitraum<br />
nicht möglich. Dies betrifft die thasischen Brüche von Vathy und Saliara sowie die prokonnesischen und<br />
parischen Brüche, bei denen es sich neben den pentelischen um die bedeutendsten Rohstoffiieferanten für<br />
die Skulpturenfertigung in der Antike handelre.v"<br />
401 Wahrscheinlich wurden aucheinige der rnilesischen Steinbrüche, die im Herbst 1975 am Südufer des Bafasees entdeckt<br />
worden sind,bereits im6. Jh. v.Chr. fürdieHerstellung vonArchitekturteilen und Skulpturen ausgebeutet, s. A. Peschlow<br />
Bindokar, j dI 96, 1981,1571f.; zumAbbauinarchaischer Zeit:Waelkens 1988b,89 mitweit.Lir.:vgl.K Tiichelt, Diearchaischen<br />
Skulpturen von Didyma. Beiträge zurfrühgriechischen Plastik in Kleinasien (1970)50. Ob der Marmorder Brüche<br />
von Heraklela am Latrnos nahe dem heutigen DorfGölyaka, der bis in die Spätantike gewonnen wurde, bereits in archaischer<br />
Zeit genutztwordenist.wie esVitruv nahelegr, ist noch zu untersuchen, s. Vier. X 2. 15 (Die Textstelle bei Vltruv bezieht<br />
sich allerdings auf Latmos, die Vorgängerstadt von Herakleia). Zu den Brüchen Pcschlow-Bindokar a. O. 157ff.; Waelkens<br />
1988b, 89. Den doklmeischenMarmor scheint man nachWaelkens erstin klassischer Zeit schätzen gelerntzu haben,<br />
s. Waelkens 1988b, 90; ders.• Carrleres er marbre de l' AsieMineure, DossAParis 173, 1992, 22ff.;B. Holtzrnann, Les marbresdelaGrecearchaique<br />
erclassique, DossAParis 173, 1992,2ff.Grundsärzlich istauchvonder Existenz und Ausbeutung<br />
zahlreicher weiterer Areale in griechischer Zeitsowohl in Griechenland alsauch in Kleinasienauszugehen, wobeidieseaber<br />
entweder heurebereits zerstört und somitnichtmehrauffindbar seinkönnenoderabereinfach noch nichtentdecktwurden.<br />
s. beispielsweise dieAuflistung derin derLiteratur erwähnten Brüche aufden Kykladeninseln: A. Dworakowska, Archeologia<br />
Warszawa22, 1971,77 -103 Abb. 1 - 16;s.auchzu Marmorbrüchen aufAmorgos G. E.Mylonas, Ergon1984(1985)94f.<br />
Aufgrund der Verwendung desMarmors in derArchitektur liegteineAusbeutung der Steinbrüche bei Usak seitarchaischer<br />
Zeit nahe; nachWaelkens dürften die Brüche von Sevioglou den Rohstoffgelieferr haben, s,Waelkens 1988b,89 Arun. 40.<br />
Vgl.zu demMaterial, ausdemdie Reliefplarren desHeroonvonSagalassos gefertigr wurden, R Fleischer, !seMirr 29, 1979,<br />
289. Beidiesem handeltessiehum einenweißen bishellgrauen, fein- bismittelkörnigen Marmormit rötlicherFarbnuance<br />
lautAussage vonEinheimischen sollder SteinnahebeiAgIasun gebrochen werden.<br />
402 Die Abbautechniken sindinAnsätzenbereits erforscht; eineUnterscheidung römischer undgriechischer Bruchwände scheint<br />
anhand derSpuren möglichzu sein, denn die leichteSpitzhacke wurdein römischerZeit gelegentlichdurchschwerere Hackenersetzt,<br />
s. z, B.Waelkens 1988,141f. 191f.; vgI. Waelkens 1988b,911f. zurProblematik derDatierungvonArbeitssputen<br />
in denBrüchen. Dennochistdiein griechischer, römischer undauchbyzantinischer Zeit angewandteTechnikderExtraktion<br />
sehrähnlich, s. Kozelj 1988,3. Die Unterschiede derSteinbruchtätigkeit in den verschiedenen Epochen beruhenweniger auf<br />
technischen alsaufquantitativen Aspekten derAusbeutung, wobei generell die in römischer Zeitgestiegene Nachfrage nach<br />
weißemMarmor und vorallemnachBuntmarmoren oderdieWiederverwendung von Baumaterialien in byzantinischer Zeit<br />
anzuführen ist.<br />
403 Zusammenfassung der Quellenbei:H. Blürnner, Teehnologie undTerminologie der Gewerbe und Künstebei Griechen und<br />
Römern III (1884) 11f. 70ff.und Dworakowska 1975,441f.<br />
404s, S. 5f.<br />
405Sparra: Dworakowska 1975,89.AntikeSteinbrüche Lakoniens werden von Dworakowska anbandvonälterenLtreraturangabenaufgelistet:<br />
A. Dworakowska, Archeologia Warszawa 20, 1969,19.26 Nr. 50- 58;73 - 78; vgl.E A. Copperin:Classical<br />
Marble651f.: Böotien: j. Ducat,LesKourcidesPtoion (1971).DieSteinbrüche Böotiens sind noch nichthehandelt worden,<br />
doch erwähntPapageorgakes Marmorbrüehe bei Lebadeia, s. Papageorgakes 230f.: Euboia: In Eretriawerden zwar Steinbrücheerwähnt.<br />
die antikeBearbeitungsspuren aufweisen. doch sollen diese nur rurdie Fertigung von Architekturgliedern<br />
ausgebeutet wordensein.Leider fehltdieDokumentationderAreale, s. Papageorgakes 218. AuchaufChiosbrachman Marmorfür<br />
Skulpturen. NachPlinius Nat. Hisr.36, 14nutztendiechictischenBildhauer abervorallemden pariseben Marmor,<br />
Steinbrüche werdenin derLiteratur genannt,doch fehlen genaueUntersuchungen. ZurAusbeutung fürSkulpturen s.]. G.<br />
Ped1ey, AJA 86,1982, 1831f.; s.auchAnm.398. Samos: zurAusbeutung für Skulpturen: Floren1987,341f.:J.G. Pedley, The<br />
IslandWorkshops (1976) 46ff.:H. Kyrieleis in:Arehaische und Klassische Griechische PlastikI (1987)37;B. Freyer-Schauenburg,Samos<br />
XI 2. 6; B. Preyer-Schauenburg, die sichseitjahren intensiv mit densamischen Skulpturen auseinandersetzt,<br />
teilte mirfreundlicherweise mit, daßUntersuchungen, welcheBrüchegenaudasMaterial für die Skulpturen lieferten,noch<br />
nichtstattgefunden haben.s.auchArun. 399;400; 410. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß in Phrygien die<br />
Verwendung einesrotgeäderten weißenMarmors für die Fertigung von Skulpturen im Gebietvon Dorylaion, beimheutigen<br />
Eskisehir, archaische Steinbmchrätigkeit vermutenläßt, s. Waelkens 1988b,90 Anm. 41. Die Steinbrüche sindzwar noch<br />
nichtlokalisiert, dochvermutet Waelkcns sie in derNähe derOrtschaft Süpren,<br />
406 Der berühmteste Skulpturenmarmor der griechischen Zeir ist der aufgrundder unterirdischen Gewinnung als Lychnites<br />
bezeichnete feinkrisralline parisehe Marmor, überdessenVerwendung und ausgezeichnete Qualität zahlreiche antikeQuellen<br />
berichten. Sammlung derQuellenbeiBlümnera. O. 1641f. DerLychnites, bereits in prähistorischer ZeitflirIdoleausgebeutet,<br />
wurdehauptsächlich flirdie Fertigung von Skulpturengewonnen. Nach Schätzung von Korressindin derAntikewohl<br />
insgesarot 100.000 m' Marmorabgebaut worden, s. Korres1994,120f.Ebendaeinehervotragende Skizze desunterirdischen<br />
Steinbruches. AufParoswurdederMarmorabersowohlunterirdisch alsauchoberirdisch gewonnen, wobeidieSteinbrüche,<br />
in denen heute noch zahlreiche Extralctionsspwen und bossierte Blöcke zu beobachten sind, hauptsächlich in einemTal<br />
5 km östlich vonParoikia liegen: s, Papageorgakes 219ff.EineAuflisrung der inder Literaturerwähntenparisehen Brüche: A.<br />
Dworakowska, Archeologia Warszawa22, 1971,83 - 88 Nr. 17- 23: Dworakowska 1975,172 s.v.Paros; G. Daux- F.Hansen,LeTresor<br />
de Siphnos, FelD II (1987)291f.; D. Skillardis, Pralct 1980,2671f. Allgemein zur Ausbeutung in archaischer<br />
Zeit:Dworakowska 1975,87f.:Waelkens 1988b,89: zur Ausbeurung flir Skulpturen in archaischer Zeit:Pedley a. O. 38ff.:<br />
Floren 1987,160.ZurAusbeutung nirArchitektur: Vitr.X2, 15:Manin 1965,137f.;s.zur SituationderantikenBtücheauf<br />
: ;<br />
,
188<br />
3. In der dritten Kategorie, die allerdings nur sehr selten zu beobachten ist, ist das Material in seinen Charakteristika<br />
beschrieben, die Steinbrüche sind als Rohstoffquelle gesichert und die Arbeitsplätze anhand<br />
von Spuren oder noch in situ befindlicher Werkstücke zu fassen. In diese Kategorie gehören die naxischen<br />
und penrelischen Steinbrüche, die deswegen ausführlicher betrachtet werden sollen.<br />
In vielen Fällen könnten Untersuchungen von Materialproben sowohl der Skulpturen als auch der in<br />
Frage kommenden Steinbrüche für eine Beurteilung der Werkstattorganisation bezüglich der Beschaffung<br />
von Rohmaterialien äußerst aufschlußreich sein. Diese Untersuchungen stellen den nächsten Schritt<br />
auf diesem Forschungsgebiet dar, obgleich der Unsicherheitsfaktor bei der Bestimmung verschiedener<br />
Marmorsorten immer noch hoch ist. 407 So widmet sich beispielsweise K. Germann geradc der bis heute<br />
noch ungeklärten und auch für diese Arbeit wichtigen Frage, aus welchem Material der Telephosfries des<br />
Pergamonaltares (Kar. Nt. 125) geschaffen wurde. Generell lassen neue Entwicklungen bei den Techniken<br />
der Marmoranalysen, Ausgrabungen in den Brüchen und die gezielte Fortsetzung der Aufnahme und vor<br />
allem Auswertung der Spuren von Abbautätigkeiten in der Zukunft weitere Erkenntnisse erhoffen.<br />
Da die Arbeitsspuren in den Brüchen und gerade die Indizien der Skulpturenproduktion aus oben genannten<br />
Gründen sehr gering sind, können die folgenden Ausführungen nur einen kleinen, aber dennoch<br />
repräsentativen Einblick vermitteln. Die Ausführungen müssen sich aufdiejenigen griechischen Steinbrüche<br />
konzentrieren, die nach derzeitigem Wissensstand nachweislich Material für Skulpturen der archaischen,<br />
klassischen und hellenistischen Epoche lieferten und in denen sich dank der glücklichen Überlieferung<br />
unfertige Skulpturen noch heute in situ befinden. Aus diesem Grunde werden die naxischen,<br />
attischen und thasischen Brüche ausführlicher behandelt. Obwohl letztere die Situation der Ausbeutung<br />
in römischer Zeit widerspiegeln, wurden sie aufgrund vergleichbarer Phänomene an dieser Stelle mitaufgenommen.<br />
Um zu fundierten Aussagen über die Organisation und über die Infrastruktur der Brüche<br />
zu gelangen, soll das Erkenntnisinteresse nicht nur auf die Frage nach der gemeinsamen Ausbeutung Rir<br />
Architektur- und Skulpturzwecke, sondern auch aufdie Fragen nach der Dauer von Einzelarbeiten sowie<br />
nach temporär und permanent ausgebeuteten Bruchgebieren gerichtet werden.<br />
rv 1. 1 Die Bruchgebiete<br />
Iv. 1. 1. 1 Steinbrüche aufNaxos<br />
Unter den Steinbrüchen der griechischen Zeit nehmen die naxischen Brüche eine herausragende Stellung<br />
ein. Als Rohsroffiieferanten eines weißen großkristallinen Marmors kam ihnen vor allem in der archaischen<br />
Zeit eine zentrale Bedeutung zu,
190<br />
Trotz ihrer offenkundigen Bedeutung erfuhren die naxischen Brüche in der Forschung bisher eine<br />
stiefmütterliche Behandlung: Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von<br />
A. Dworakowska aus den 70er Jahren, die sich anhand älterer Literaturzitate um die Topographie der<br />
naxischen Steinbrüche bemühte und die bis dahin vorhandenen, allerdings noch geringen Kenntnisse<br />
zusammentrug." Nach vereinzelten Aussagen späterer Autoren, die in einem größeren Kontext vor allem<br />
Bezug auf die technischen Aspekte der Extraktion im Gebiet von Apollonas nahmen, lieferte der 1993<br />
erschienene Aufsatz von Kokkorou-A1ewras einen wesentlichen Beitrag zur Ausbeutungsgeschichte und<br />
zur Produktivität der Areale.i" Eine Synthese der bis dato publizierten Erkenntnisse legte sie allerdings<br />
nicht vor, was an ihrer Fragestellung und der verkürzten Fassung ihrer Ausführungen in Form eines Aufsatzes<br />
liegen mag.<br />
Kokkorou-A1ewras Ausführungen verdeutlichen zunächst allgemein die Quantität der Verwendung des<br />
naxischen Marmors in archaischer Zeit, wobei sie einen Blick bis in die nachantike Zeit wirft; dies darf<br />
allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Ausbeutungsgeschichte der einzelnen Bruchgebiete <br />
Apollonas und Melanes - nicht geklärt ist undAussagen hierüber bisher nur anhand der dort gefundenen<br />
Werkatücke getroffen werden können.i" Interessant ist die Verwendung des naxischen Marmors für die<br />
Fertigung der Skulpturen: So verweist Kokkorou-Alewras aufwenigstens 105 archaische Skulpturen aus<br />
einheimischem Marmor, unter denen sich sieben kolossale und elf überlebensgroße Skulpturen befinden:!4<br />
Allein unter diesem Aspekt wird schon deutlich vor Augen geführt, daß es sich keineswegs nur um<br />
Marmorzunächst für diesen Turmgebrochen wurde,die Extraktionsspuren derarchaischen Zeit.Wie eineInschrift(IGXII<br />
8. 683) amTurmberichtet. ließderThasierAkeraros im 6. Jh. v, Cbr; ihn alsseinGrabmal errichten: s. G. Daux,Guidede<br />
Thasos(1967)79: Kozelj 1988,5: Kozdj1988b.33Abb. 4:T. Koael], BCH 113.1989. 172.DieMarmorbrüche beiBelevi,<br />
die das Material für das ältere Artemision von Ephesos lieferten und 12 kmvomArtemision nördlich an einemTalabhang<br />
gelegen sind, konntenschonzu Beginnunseres Jahrhunderts von O. Benndorfldenrlfiziert werden. s. O. Benndcrf FiE1<br />
(1906)38ff.Vitruv überliefert genaueAngaben. die zur Lokalisierung beigetragen haben. (Vier, X 2. 12) Das Steinbruchgebiet<br />
wurde: bis in spärantike Zeit hinein und teils auch in moderner Zeit ausgebeutet. Die Spuren antiker Bearbeitung<br />
stammen aus verschiedenen Perioden, doch konnte Benndorfs Identifikation durchInschriften und Rieszeichnungen, die<br />
Abschnitte der Steinbruchwände in die archaische Zeit datieren. besrätigr werden. Zu den Ritzzeichnungen:F.Eichler, on,<br />
48,1966/67. 6f.:zu denInschriften: W.Dressler, aJh 48.1966/67. 73ff.Diefünfim Herbst 1966entdeckten Zeichnungen<br />
undInschriften sindz, 1: durchmoderneAbbautätigkeit zerstört worden. AJzinger, der1967 den Steinbruch besichtigte und<br />
photogrammetrisch vermaß. fand nurnoch zweivor. Die archaischen Zeichnungen und Inschriften. die sehrtief in dem<br />
Bruchabschnitt liegen.zeigen, daß ein großer Teildes Rohstoffes schonin archaischer Zeit abgebaut wurde, s. W. Alzinger,<br />
OJh 48. 1966/67,63. Aufder anderenSeitedesselben Tales befindet sichein weiterer Marmorbruch. dessen Material der<br />
Erbauung desTumulus vonBelevi, der wie Kasper überzeugend dargelegt hat,imwesentlichen ausdem6. ]h. v; ehr. stammt.<br />
diente.s. S. Kasper. OJh 51. 1976/77. 130ff.: S. Kasper. AA1975.230ff.:Waelkens 1988. 17:Wadkens 19B8b, 104:M.<br />
Wadkensu. a. in: Marble 63Abb. 17.<br />
4L1 A Dwcrakowska,Archeologia Warszawa 22. 1971.81f.Nr. 12a - 16 b. IhreAusführungen, die besonders werrvoll wegen<br />
der Literatursammlung sind, verbleiben allerdings im Rahmen eines Literaturberichtes und sagenwenig über die heutige<br />
Situation derBrüche aus.<br />
412 Kokkorou-Alewras 1992.IOllE: s. dieAusRihrungen zu .Apollonas".<br />
413 s. obenAnm.412. VieleFragen bleiben offen: So ist die angebliche Ausbeutung der Brüchedurch die ganZ
192<br />
den Abbaustellen unklar."? Kokkorou-Alewras beschreibt anband der von ihr im Gelände beobachteten<br />
Spuren, die sie nur spärlich dokumentiert, die gesamte Ausdehnung des Areals, geht allerdings h~erbei<br />
kaum aufden Hügel, auf dem die Dionysosstatue liegt, ein. Da Art und Ausmaß des Abbaus ~uf ~Iesem<br />
Hügel aus den bisherigen Publikationen nicht hervorgehen und gerade der Umfang der Arbeiten 111 unmittelbarer<br />
Nähe der Skulptur weiterführende Aussagen gestattet, soll dieser im Mittelpunkt der folgenden<br />
Ausführungen stehen. Die Weite des Areals vetmag zwar deutlich das Ausmaß der Gewinnung ~or<br />
Augen zu führen, jedoch ist zu bedenken, daß es sich ursprünglich auch um voneinander unabhänglg~,<br />
von verschiedenen Personen betriebene Sektionen gehandelt haben kann. Dieser Aspekt wäre sowohl fur<br />
Aussagen über die Chronologie der Ausbeutung als auch über die Infrastruktur der Brüche bedeutsam,<br />
kann jedoch heute mangels literarischer und epigraphischer Quellen und vor allcm aufgrund der modernen<br />
Überbauung des Areals nicht mehr geklärt werden. .<br />
Kokkorou-Alewras war eine These Kozeljs unbekannt, der neben der Dionysosstarue auf dem gleichen<br />
Hügel sechs weitere heute noch in situ befindliche .Kouroi" in verschiedenen Phasen der Fertigung z~<br />
beobachten glaubte. Dies entbehrt jedoch, um es gleich vorweg zu sagen, jeder Grundlage."? Denn bei<br />
der Betrachtung der entsprechenden Marmorlager, die Kozelj mit ausreichendem Bildmaterial dokumentierte<br />
und als .fingerrocks" bezeichnete, wurde klar, daß es sich bei den Fotographien um verfalschend~<br />
Aufnahmen handelt und das stark verwitterte und zerklüftete Gesrein bei genauer Untersuchung keinerlei<br />
Indiz für eine derartige Kourosproduktion bietet. Das charakteristische Aussehen besagter Felsform~tionen<br />
beruht wohl eher aufVerwitterungsprozessen, denn Bearbeitungsspuren fanden sich an ,hne~ nicht.<br />
Etwa einen Kilometer von der südlichen Bucht entfernt liegt die kolossale Statue des Dionysos<br />
(Taf. 77 d, B) auf halber Höhe des Hügels an dessen Ostabhang, der steil abfallt. lll Die Skulptur wurde,<br />
wie es die noch deutlich zu beobachtenden Spuren zeigen, aus einer mächtigen, schräg einfallenden Marmorbank<br />
herausgearbeitet, wobei durch Rücksichtnahme auf die Richtung des Fallens die Gewinnung<br />
des riesigen Werkstückes ermöglicht wurde.'" Die Skulptur selbst ist, nachdem sie an Ort und Stelle<br />
bossiert und dann mittels Keilen vom anstehenden Gestein abgesprengt wurde, bereits etwa einen halben<br />
Meter den Hügel hinab bewegt wordcn.f" Der Grund für die Aufgabe der Skulptur ist heure nur noch<br />
schwer zu ermitteln: Die großen und vor allem tiefen Risse, die sich unter anderem in der Kopfpartie<br />
(Taf. 78 b; 79 b) befinden und wegen der bereits erfolgten Fortbewegung der Skulptur sicher nicht als<br />
Extraktionsunglück zu interpretieren sind, dürften erst im Laufe der Jahrhunderte entstanden sein, wobei<br />
die vor allem an der linken Körperseite zu beobachtenden kleinen Stege (Taf. 79 a) die einstige Höhe<br />
des Marmors und somit den Grad der Verwitterung veranschaulichen können. Die Aufgabe der Skulptur<br />
mit einem konkreten historischen Ereignis in Verbindung zu setzen, ist wegen fehlender eindeutiger Datierungskriterien<br />
kaum möglich, obgleich die Annahme, daß sie ebenso wie der Apollotempel aufNaxos<br />
wegen des Sturzes des Tyrannen Lygdamis, der als Auftraggeber anzusehen ist, unvollendet blieb, sehr<br />
verlockend ist.'"<br />
Das die Skulptur umgebende Areal erfuhr bedauerlicherweise in den vergangenen Jahren mannigfache<br />
Veränderungen durch den Bau verschiedener Treppenanlagen, die den unzähligen Touristen den Aufstieg<br />
zu der Skulptur erleichtern sollten.!" Im Laufe dieser modernen Eingriffe wurde nicht nur die antike<br />
Situation des Bruches, und zwar vor allem das sich unmittelbar links der Skulptur befindliche Gelände<br />
samt dem dortigen Schrotgraben (Taf. 77 c), sondern auch zahlreiche weitere Spuren zerstött. Die folgenden<br />
Ausführungen können somit nur einen kleinen Einblick in die ehemals rege Abbautätigkeit, die<br />
allein auf diesem Hügel stattgefunden hat, vermitteln: Auf der Zufahrtsstraße Zur Skulptur beobachtet<br />
man linker Hand etwa 65 m vor dem Treppenaufgang am Fuße des Hügels, ebenfalls aufseiner Ostseite,<br />
in dem zerklüfteten Gestein neben dem modernen Abbau, von dem vereinzelte Sprengkanäle zeugen,<br />
antike Schrotspuren (Taf. 77 d, A; 80 a)."6 In einer geringen Entfernung von nur etwa 4 m östlich der<br />
Dionysosstatue m, auf einem höheren Niveau des Hügels, befindet sich ein circa 65 qm großer Werkplarz<br />
(Taf. 77 d, C; 82) mit deutlichen Spuren der Abbautätigkeir.t" Diese dokumentieren verschiedene<br />
Stufen der Extraktion. Drei nebeneinander liegende Negativformen bereits losgelöster Blöcke bezeugen<br />
die Gewinnung zweier Quader von einer Länge von ca. 5 m und einer Breite von ca. 1 m sowie eines<br />
dritten kleineren Blockes, dessen Länge etwa 3 m und dessen Breite ca. 0,90 m beträgt, Soweit anhand<br />
der erhaltenen Spuren noch zu erkennen ist, wurden durchschnittlich 8 cm breite Keillöcher, deren Breite<br />
sich nach innen aufca. 4 cm verringert, in jeweils eine der Längsseiten in eine Tiefe von 13 cm - 14 cm<br />
eingeatbeitet. Die Steinmetze plazierren die Keile weder an den Schmalseiren der Blöcke noch in einem<br />
193<br />
419 s. oben Anm. 415.<br />
420 T Kozelj _ M. Wurch.Koze1j, Contrast berween Anciem and Modern Quarries of\Xlhire Marbles in Thascs, in: D. Decrouez<br />
- J. Chamay - F.Zezza, La conservarion des monuments dans le bassin medirerraneen. Symp. Genf 1991 (1993), Ebenda 74<br />
Abb. 7 a sehen sie aufdem Gestein die mit dem Spitzmeißel eingearbeiteten Umrißlinicn eines Komas, die erste p.haseder<br />
Kcurosprodukrion: ebenda 74 Abb. 8 wollen sie hier die zweite Phase. in der der Körpc:reines Kouros in seinen U~rJSse~ aUS<br />
dem anstehenden Fels herausgearbeitet wurde, belegen. Die dritte Phase der Fertigung dokumentiert angeblich ein weiterer<br />
Kouros, dessen Kopf und Torso bereits aus dem Stein herausgearbeitet wurde: Ebenda 74. 76 Abb. 9; ebenda 76 Abb. 1.0.<br />
11: "A fourth and a fifch finger rock bad been darnagc:d extensively by erosion which makes it exrremely difficuh [0 reccgruze<br />
rorsos of rwo kouroi which were still at rhe firsr phase of producrion.'" (0; ebenda 76 Abb. 12 beobachteten sie in dem ~e:u<br />
oberhalb des Dionysos die Negativspuren bereits herausgelöster kolossaler "Kouroi", wobei man in diesem Fall jedoch emng<br />
von den Negativspuren herausgelöster Blöcke sprechen kann, die entweder für die Fertigung von Arrhirekturgliedem oder<br />
aber für die Fertigung von Skulpturen gewonnen wurden. KozeljsThese ist aus der irrigen Vorstellung heraus entsl~nden, ?
•<br />
194<br />
regelmäßigen Abstand voneinander. wie es Koenigs und Waelkens beschreiben.?" Die Blockunterkanten<br />
der anderen Seite hingegen umrissen sie mit dicht nebeneinander gesetzten Schlageisenhieben. Bei den<br />
beiden größeren Blöcken verwendeten die Steinbrecher acht Keile, bei dem kleineren sechs.'JO Vor den<br />
Keillöchern höhlten sie Mulden aus dem Gestein aus, um die Keile ungehindert in den Fels hineintreiben<br />
zu können. Rechts der Negativspuren sind kleine abgetreppte Schrotgrabenwände mit den charakteristischen<br />
Spuren einer leichten Spitzhacke zu erkennen, wobei die Steinbrecher oberhalb der Wände mtt<br />
dem Abspalten eines Blockes begannen, indem sie die Keillöcher gerade einarbeiteten. Hiervon zeugen<br />
fünf nebeneinander liegende Vertiefungen (Taf. 82 b) von einer Länge von 0, 135 m - 0.185 m und einer<br />
Breite von ca. 4 crn. Vereinzelte Extraktionsspuren unterhalb dieses Areals belegen auf dem gesamten<br />
Hügel den horizontalen Abbau des anstehenden Marmors und verbinden diesen Werkplatz mit einem<br />
weiteren ausgedehnten Areal: Circa 10m unterhalb des soeben beschriebenen Areals in nordwestlicher<br />
Richtung sind weitere in den Felsen eingearbeitete Keillöcher (Taf. 77 d, D; 81 d) zu beobachten, die<br />
auf die Abspaltung großformatiger Blöcke hindeuten: Sechs nebeneinander liegende Vertiefungen von<br />
0,12 m - 0,14 m Länge und einer größten noch erhaltenen Tiefe von 3 cm fühten entlang der Längsseite<br />
eines Blockes und vier Vertiefungen entlang der Schmalseite von einer Länge 0,12 m - 0.16 rn, wobei die<br />
größte noch erhaltene Tiefe 3 cm und hei dem längsten Keilloch 6 cm beträgt. Unterhalb dieser Spuren<br />
in einer Entfernung von ca. 20 m nach Nordwesten (Taf. 77 d, E; 81 c) befinden sich parallel zueinander<br />
verlaufend zwei Reihen von je fünf bzw. zwei Keillöchern. Die erhaltene Länge der fünf Keillöcher, die<br />
dicht beieinander liegen. schwankt zwischen 13 und 17 cm, wobei deren Tiefe innen ca. 5 cm beträgt.<br />
Zwei untereinander liegende Einschnitte im Felsen (Taf. 77 d, F; 81 b), die ebenfalls als Keillöcher zu<br />
interpretieren sind und deren erhaltene Länge 0,125 m und 0,14 m beträgr, sowie Schrotspuren liegen<br />
nur etwa zwei Merer entfernt nördlich unterhalb dieser Spuren. Auf einem tieferen Niveau des Hügels 14<br />
m nordöstlich sind wiederum zwei Eintiefungen (Taf. 77 d, G; 81 a) zu erkennen, von denen nur eine<br />
meßbar ist und eine Länge von 0,155 m aufweist; von diesen Spuren 3,5 m in nordöstlicher Richtung gelegen<br />
bezeugt eine Doppelreihe punktförmiger Vertiefungen (Taf. 77 d, H; 80 b. c) die Gewinnung eines<br />
weiteren Blockes. Diese vereinzelten Spuren der Extraktion führen zu einem weiteren. etwa 70 qm großen<br />
Areal (Taf 77 d, J; 83, 84), das sich aufeinem tieferen Niveau des Hügels. direkt oberhalb der Straße, die<br />
an dem Dionysos vorbei- und um den Hügel herumführt, befindet und etwa 100 m von der Statue des<br />
Dionysos entfernt ist'31 Deutlich ist die Ablösung kleiner und größerer Blöcke anhand von negativen Flächen,<br />
Keillöchern und Schrotspuren zu beobachten. Die Größe zweier gewonnener Blöcke war noch zu<br />
ermitteln, der eine besitzt die Maße von circa 2,50 m x 1,20 m und der andere 0,85 rn x 0.35 m. Letzterer.<br />
dessen Negativform inmitten des Areals (Taf. 84 d) zu sehen ist, wurde allein mit dicht nebeneinander<br />
gesetzten Schlageisenhieben, der sog. Peinrille - Technik, aus der Bettung herausgelöst.'" Andere Blöcke,<br />
deren Größe leider nicht mehr zu rekonstruieren ist, wurden mittels Keilen (Taf. 84 b. c) abgesprengt,<br />
wobei die hier zu beobachtenden Keillöcher. vor denen die Steinbrecher wiederum Mulden aus dem Stein<br />
schlugen, allesamt die gleiche Größe aufweisen. Die Bteite beträgt 10 cm und verringert sich nach innen<br />
auf circa 5 crn, die Tiefe 18,5 cm. Eine runde Eintiefung (Taf 84 e) in unmittelbarer Nähe dieses Areals<br />
könnte vielleicht aufdie Anbringung einer Hebekonstruktion deuten. Von diesem Areal etwa 50 m weiter<br />
der Straße entlang an der Nordwestseite des Hügels ist über zwei Gesteinsvorsprüngen eine Wand weißen<br />
Marmors von ca. 20 m Ausdehnung mit den typischen feinlinigen Schrotspuren (Taf. 77 d, K), die von<br />
der Verwendung einer leichten Spitzhacke herrühren, sichtbar.<br />
Fassen wir diese Einzelbeobachtungen zusammen, so bezeugen die aufdem Hügel westlich und nördlich<br />
von der Skulptur heute noch zu beobachtenden nahe beieinander liegenden Spuren nicht nur eine rege<br />
Abbautätigkeit. sondern auch dicht nebeneinander liegende Werkplätze, die allein schon eine Koordination<br />
und Organisation der Arbeit verlangten. Die einzelnen Werkplätze, bei denen die zeitliche Abfolge des<br />
Abbaues nicht bekannt ist, vermögen verschiedene Phasen der Steinbruchtätigkeit zu veranschaulichen.<br />
Die eigentliche Steinbrucharbeit im Bruch der Dionysosstatue war mit dem Herauslösen des Blockes und<br />
der Bossierung der Skulptur offensichtlich beender, und die Arbeiter hatten bereits mit dem Abtraasport<br />
des Werkstückes begonnen, dessen Rekonstruktion aufgrund der Komplexität des Unternehmens in<br />
einem eigenen Kapitel geschildert wird. Die ausgedehnte Schrotwand an der Nordwestseite des Hügels<br />
sowie die sich oberhalb und unterhalb der Skulptur befindlichen Areale bezeugen eine größere Materialgewinnung.<br />
die sich sicher über einen längeren Zeitraum hingezogen hat.'" Andere Werkplätze hingegen<br />
waren noch in Betrieb oder sollten in Betrieb genornmen werden, wie es die zahlreichen Spuren in den<br />
Anfangsphasen der Extraktion dokumentieren. Diese Spuren deuten m. E. aber auch auf den vorzeitigen<br />
Abbruch der Arbeiten auf diesem Hügel hin, was durch die unvollendet gebliebenen Skulpturen bestätigt<br />
zu werden scheint. Denn "einen Büchsenschuß von diesem Marmorbruche (gemeint ist die Dionysosstatue)<br />
in einem Acker am Fuße des Hügels hat ein Bauer im vorigen Jahre eine andere nur halb vollendete<br />
Statue wenig unternatürlicher Größe gefunden"."4 Hierbei handelt es sich um den kleinen Kouros Kat.<br />
Nr, 1 (Taf. 1). Die genaue Chronologie der Ausbeutung diesesHügels ist zwar nicht bekannt. doch weisen<br />
die Skulpturen zumindest einen Teil der Steinbruchaktivitäten in das fortgeschrittene 6. jh, v. Chr.m Ob<br />
auf diesem Hügel neben der Fertigung von Skulpturen auch die Ausarbeitung von Architekturgliedem<br />
erfolgte, ist mangels archäologischer Evidenz im Gelände - unfertige Architekturglieder sind zumindest<br />
heute nicht mehr zu beobachten - nicht zu entscheiden. Diese Frage ist ebenso wie die Frage nach dem<br />
Ausmaß der Gewinnung dieses Marmors für die Skulpturenprodukuen anhand der Untersuchung von<br />
MateriaIptOben der naxischen Architektur und weiterer Skulpturen zu klären, Deutlich belegen aber die<br />
Extraktionsspuren zum einen die bereits erfolgte und zum anderen die noch beabsichtigte Gewinnung<br />
sowohl kleiner als auch kolossaler Blöcke, wobei letztere Formate von 10,45 m x 2,5 m, 5 m x 1 m, 3<br />
m x 0,9 mund 2,5 m x 1,2 m aufwiesen. Unzählige Arbeitsschritte waren erforderlich, derartig große<br />
Werkstücke aus dem Gestein herauszulösen und zu bewegen, und der hiermit verbundene Arbeits- und<br />
ZeitaufWand war imrnens.P" So wird man in Hinblick auf die zahlteich vorhandenen Abbauplätze nicht<br />
195<br />
429 Vgl. Koenigsa. O. Abb. 2. Koenigs zeichneteunbegründeterweise sowohl Ln die Längsseiten als auch in die Schmalseite<br />
des Blochs Keillöcher ein. Der Abstandder Keillöcher voneinanderzeigt insgesamt betrachtet keine Regelmäßigkeit. VgL<br />
Waelkens 1988b, 104. Die Abstände betragen bei der ersten Reihe von 8 Keillöchern (von oben nach unten) ca. 38 cm, 34<br />
cm, 69 cm, 84 cm, 49 cm, 65 cm, 77 cm; bei derzweitenReihevon 8 Keillöchern (von oben nach unten) ca. 38 crn, 42 cm,<br />
38 cm, 34 cm, 57 cm, 24 cm, 27 cm; bei der Reihemir 6 Keillöchern (von oben nach unten) ca. 50 cm, 37 cm, 37 cm, 34<br />
cm, 43 cm.<br />
0130 In der ZeichnungKoenigsa. O. Abb. 2 befindensich an der Längsseite des Blockeshingegen nur 5 Keillöcher.<br />
431 Das Areal wurdebishernur ausschnirthafr und unkommentiert abgebildet: Kokkorou-Alewras 1992, 115 Abb. 13. 14; M.<br />
Waelkensu. a. in: Marble 62 Abb. 18 (Pointille-Teehnik).<br />
'" M. Wadkens u. a. in: Marble 62 Abb. 18.<br />
433s. die Berechnungen zurArbeitsdauer der Steinbruchtätigkeit S. 211f[ Vgl. S. 219f.<br />
434L. Ross, InselreisenI (1912) 34.<br />
435 S. zur Datierung der Skulpturen die Angaben im Katalog. Da die im Bruch befindlichenSkulpturen genaugenommen nur<br />
für die Datierungeines bestimmtenAreals herangezogen werdenkönnen, ist die Aussagevon Kokkorou-Alewras zu relativieren:Kokkorou-Alewras<br />
1992, 120f. datiertdie gesamteSteinbruchaktivität in Apollonasanhanddes KourosAthen. Nar.<br />
Mus. 14 (hier Kat. Nr. I) und der Dionyscsstarue(hier Kat. Nr. 18) von 540 v.Chr. biszum Ende des 6. jhs. v. Chr., wobei<br />
sie in Erwägung zieht, daßdie Ausbeutungwahrscheinlich schon viel früherbegonnen wurde. Die von Kokkorou-Newras<br />
vorgenommene Datierungder Dionysosstatuegegen das Ende des 6. [hs. v. ehr. ist allerdings nicht überzeugend. Vgl. die<br />
AusRihrungen im Katalog.<br />
436 Dies gilt es in dem folgenden Kapitel IV: 1.2 "DieArbeitin den Steinbrüchen" noch detaillierter darzulegen.
196<br />
nur von einer ehemals vorhandenen ausgeprägten Infrastruktur der Areale, die heute allerdings aufgrund<br />
der modernen Überbauung in Apollonas zersrört worden ist, sondern generell auch von einem organisierten<br />
Steinbruchbetrieb ausgehen dürfen. Die unter anderem aus der Topographie der Extraktionsspuren<br />
abzuleitenden Konsequenzen für die Transportvorgänge und die wiederum aus diesen gewonnenen Erkenntnisse<br />
über die Infrastruktur des Steinbruches werden an späterer Stelle zu behandeln sein.'"<br />
Melanes<br />
Das Bruchgebiet von Melanes erstreckt sich inmitten der Insel über die hügelige naxische Landschaft hinweg,<br />
umschlossen von den kleinen Ortschaften MBAl1ve~, MUAOl, Avro-, Köre» und Mseq IIOrl1f!IU. 438<br />
Es ist das Verdienst von Kokkorou-Alewras, die gewaltige Ausdehnung des antiken Areals aufgedeckt zu<br />
haben. Denn während das Steinbruchgebiet bei Apollonas zumindest ansatzweise Eingang in die archäologische<br />
Forschung gefunden hatte, wurde dasnicht weniger bedeutsame Bruchgebiet von Melanes fast<br />
vollkommen vernachlässigt. Einzig die beiden noch heute im Gelände liegenden kolossalen Skulpturen,<br />
die seit dem vorigen Jahrhundert bekannt sind, wurden eingehender besprochen: In Phlerio bei dem Dorf<br />
MUI.Ol liegt am Fuße eines Hügels in einem Zitronengarren eine kolossale, 555 m hohe Statue Kat. Nr,<br />
11 (Taf. 9). Etwa 1 km aufeinem höheren Niveau des Hügels in südöstlicher Richtung von dieser Skulptur<br />
entfernt, an einem Ort namens Pharangi, ist eine zweite ebenfalls kolossale Skulptur Kar. Nr. 12 (Taf.<br />
10) heute noch in situ zu beobachten.t"<br />
Kokkorou-Alewras, die auf die Ausdehnung des antiken Areals anhand der VOn ihr im Gelände beobachteten<br />
Extraktionsspuren aufmerksam gemacht hat, beschränkt sich in ihrem Aufsatz darauf, auf den<br />
Umfang der Ausbeutung vor allem für die Fertigung von Skulpturen hinzuweisen, um entschieden der<br />
These der kurzfristig ausgebeuteren, nur für die kolossalen Kouroi eröffneten Steinbrüche entgegenzutreten.<br />
440 Hierbei verzichtet sie jedoch sowohl auf eine detailliertere Beschreibung des Geländes als auch der<br />
vorhandenen Spuren der Abbautätigkeit, dasie auf die technischen Aspekte der Steinbruchtätigkeit kaum<br />
eingeht. Spuren, die die Infrastruktur des Bruches erläutern könnten, beobachtete sie nicht.<br />
Bei den Geländebegehungen galt es, vor allem die nähere Umgebung der Kouroi zu untersuchen, zumal<br />
aus den bisherigen Publikationen nicht hervorging, welche Spuren das Areal um die noch in situ befindlichen<br />
Kouroi herum aufweist. Neben weniger aussagekräftigen Extraktionsspuren, die direkt neben und<br />
unmittelbar oberhalb des Kouros von Phlerio zu beobachten sind!", befindet sich circa 30 m oberhalb der<br />
Skulptur in westlicher Richtung ein etwa 84 qm großes, stark abgewittertes Areal (Taf. 86 d) mit deutlichen<br />
Spuren der Abbautätigkeit, die verschiedene Phasen der Extraktion, angefangen von dem Freischroten<br />
der Blöcke bis hin zur Abspalrung der Blöcke vom anstehenden Gestein mittels Keilen, dokumentiert.<br />
437s.S.230ff.<br />
•saG. Daux - E. Hausen, LeTresor de Siphnos, FdDII (1987) 29; Kokkorrou-Alewras 1992, 108- 115.Dasgesamte Areal<br />
besitzt nach Kokkorou-Alewras eineAusdehnung von1200m Länge und600m Breite undistvomHauptort der Insel mit<br />
demdort inderAntike anzunehmenden Verladehafen etwa 7 km entfernt.<br />
439 Zur Diskussion um dieGründe fürdieAufgabe beider Kouroi, s.das Kap. Iv. 2.3 "DerTransporr ausdenSteinbrüchen",<br />
S.230Anm.651.<br />
..0 Bereits Adam1966, 42f., dieallerdings wenig Beachtung fand, wies daraufhin, daß sieh aufdemHügel weitere Bearbeitungsspuren<br />
befinden; allerdings interpretierte siedieseSpuren, diesiein ihrer Arbeit überhaupt nichtdokumentierte, fälschllcherweise<br />
alsBohrspuren. s,Anm. 518.<br />
W Hierbei handeltessichum Negativspuren herausgelöster Blöcke undSchrotspuren. wobei unmittelbar oberhalb desKouros<br />
sowohldie negative Form eines Blockes alsauchein nochnichtvom Grund vollständig abgesprengter Blockzusehensind.<br />
I<br />
J<br />
Neben den Negativen bereits gewonnener Blöcke sind vier an allen Seiten freigeschrotete Blöcke noch<br />
nicht vollständig von dem Stein abgelöst worden. Von diesen ist noch die Größe zweier Blöcke, die von<br />
einem ca. 0,20 m breiten Schrotgraben voneinander getrennt sind, zu ermitteln: Beide weisen eine Länge<br />
von 1,30 m auf, wobei die Breite des einen 0,68 m und die des anderen ca. 0,90 m beträgt. Die Keilspuren<br />
zeichnen sich nur noch schwach ab, besser erkennbar sind allerdings die vor den KeiIlöchern aus dem<br />
Stein herausgearbeiteten Mulden, die das Einschlagen der Keile vereinfachten. Die hier zu beobachtende<br />
Technik ist vergleichbar mit der in Apollonas. Östlich des Kouros in einer Entfernung von etwa 40 m sind<br />
nicht näher zu bestimmende, in das anstehende Gestein gemeißelte Spuren (Taf. 86 c) zu erkennen. Auf<br />
dem gesamren Hügel wurden in horizontale~ Abbau mehrere Schichten des Marmors abgetragen, wie es<br />
dort vorhandene Extraktionsspuren belegen. überall aufdem Hügel sind bis zu dem zweiten Kouros hinauf<br />
aUS unterschiedlich großen Marmorbrocken, bei denen es sich unter anderem um Gesteinsschutt aus<br />
dem antiken Abbau, aber gelegentlich auch um bearbeitete Werkstücke (Taf. 85, B; 86 b) handeln dürfte,<br />
Mäuerchen aufgeschichtet und Unterschlüpfe für die Ziegenhirten erbaut worden. Als besonders interessant<br />
erweist sich die nähere Umgebung des zweiten Kouros (Taf. 85, A), der in etwa 240 m Höhe liegt,<br />
da neben zahlreichen vereinzelten Extraktionsspuren zwei ausgedehnte Areale zu beobachten sind.'" Ungeflihr<br />
50 m südöstlich direkt oberhalb der Skulptur ist aufeinem Areal von ca. 12 m x 12 mAusdehnung<br />
(Taf. 85, B; 87) die Extraktion von Blöcken und einer Säule in verschiedenen Stadien zu beobachten.<br />
Man erkennt sowohl Negativspuren bereits gewonnener Blöcke als auch Blöcke, die vom umgebenden<br />
Felsen durch Schrotgräben herausgearbeitet, aber noch nicht vom Stein abgesprengt wurden. Neben der<br />
1,60 m hohen und ca. 4,40 m breiten Bruchwand (Taf. 87 a) mit den Spuren einer leichten Spitzhacke<br />
sind in den Felsen eingearbeitete, nun ausgewitterte punktförrnige Vertiefungen unterschiedlicher Größe<br />
zu sehen, deren maximaler Durchmesser 4 cm beträgt und die mit dem Schlageisen (Taf. 87 b) eingemeißelt<br />
wurden. Zwischen diesen arbeitete der Steinmetz ein 16 cm langes und 5 cm breites Keilloch in eine<br />
Tiefe von 8 cm aus dem Stein heraus. Die Extraktion dieses Blockes ist nicht weiter durchgeführt worden.<br />
Oberhalb dieser Spuren sind die von Schrotgräben umgebenen Negative bereits herausgelöster Blöcke<br />
sichtbar, wobei von diesen nur noch die Größe eines Blockes von 2 m Länge und 0,85 m Breite zu ermitteln<br />
war. Davor wiederum begannen die Steinrnetze, einen circa 10 cm breiten Schrotgraben um eine<br />
Säule von 1,20 m Durchmesser herum (Taf. 87 c) herauszuarbeiten. Unterhalb der Säule sind in stufenformigen<br />
Abbau weitere Negativspuren bereits herausgelöster Blöcke samt Schrotgräben zu erkennen.<br />
Etwa 5 m entfernt den Hügel hinab, ist eine in die Felswand eingearbeitete Vertiefung (Taf. 87 d) von<br />
einem Durchmesser von 23,5 cm Länge, 12 cm Breite und 9 cm Tiefe zu beobachten, die vielleicht der<br />
Anbringung einer Hebevorrichtung hätte dienen können, wie sie auch in anderen Btüchen beobachtet<br />
worden sind. 443 Daß es sich hier nur um ein kleineres Teilgebiet innerhalb des ursprünglichen Areals handet,<br />
belegen unter anderem weitere sich in unmittelbarer Nähe befindliche Schrorspuren.'.. Interessant<br />
unter technischem Aspekt und möglicherweise ein weiteres Indiz dafür, daß die Arbeiten im Steinbruch<br />
vorzeitig abgebrochen wurden, woraufm. E. die große Anzahl der im Gelände zu beobachtenden Blöcke,<br />
die zwar freigeschrotet, aber noch nicht vollständig abgelöst wurden, hinweisr'", ist ein von dem Kouros<br />
40 m in südwestlicher Richtung entfernt liegender Block (Taf. 86 a), der ebenfalls noch nicht vom Stein<br />
abgespalten wurde: Die U~terkante des etwa 2,70 m langen, 0,74 m breiten und etwa 0,32 m hohen<br />
Blockes weist rundeAusmeißelungen von 4 cm Durchmesser auf, wobei der Steinbrecher zwischen diesen<br />
442 Entgegen Kokkorou-A1ewras,dievonvereinzelten Sputen auf diesem Hügd spricht, handelt es sich nicht um vereinzelre<br />
Spuren, sondern um größere zusammenhängende Areale. s. Kokkorou-Alewras 1992, 112.<br />
..~ s, bei,pidsweise Koaelj 1993, Abb. 33.<br />
... Scbrotspuren sindbereits ca.3 m eberhalb dieses Areal, zu sehen.<br />
445 Bei diesen Blöckenhandeltes sichzudemkeineswegs um minderwertiges Material.<br />
197
198<br />
zwei Keillöcher von einer Breite von 10 cm und 135 cm herausmeißelte. Etwa 60 m in westlicher Richtung<br />
von der Skulptur befindet sich ein weiterer ausgedehnter Wetkplatz (Taf. 85, C; 88, 89), der die<br />
Gewinnung kleiner und großer Blöcke dokumentiert. Neben den Blocknegativen, von denen die Größe<br />
eines in der Mitte des Areals herausgelösten Quaders 0,78 m x 1,80 m beträgt, sind weitere Blöcke, die<br />
bereits freigeschrotet, aber noch nicht vom anstehenden Gestein abgesprengt wurden, sowie eine ovale<br />
Extraktionsspur (Taf. 89 b) zu sehen, deren größte noch meßbare Breite 2,40 m beträgt. Die meßbare<br />
Höhe des Schrotgrabens beträgt ca. 0,35 m. Das abgebildete Areal setzt sich über das aufgeschichtete<br />
Mäucrchen nach Osten hin fort, wo unter anderem eine weitere rundliche Ausarbeitung zu sehen ist."<br />
Direkt oberhalb dieses Areals sind weitere verwitterte Schrotspuren zu beobachten, die zu den zahllosen,<br />
allerdings vereinzelten Abbauspuren gehören, die sich aufdem Hügel bis hinaufzu dem Gipfel erstrecken<br />
und sich über die anschließende Hügelkette bis nach Ano Potarnia, wie es Kokkorou-Alewras beschrieben<br />
hat, verfolgen lassen."? Oberhalb des Kouros von Pharangi, fast auf dem Gipfel des Hügels liegt ein stark<br />
verwitterter, aber deutlich geformter Marmorblock (Taf 85, D; 90 a) mit einer Länge von 1,30 rn, einer<br />
maximalen Breite von 0,29 m und einer Tiefe von 0,18 m, der aufgrund seines Erhaltungszustandes zwar<br />
keinerlei Bearbeitungsspuren mehr aufweist, aber bei dem es sich wohl um eine kleine Statue in den Anfangsstadien<br />
der Ausführung handeln dürfte. Auf zwei weitere Beobachtungen möchte ich abschließend<br />
hinweisen: Negativspuren bereits gewonnener Blöcke (Taf. 91), die sich auf einem m. E. in sich geschlossenen<br />
Areal vor allem oberhalb und unterhalb des zweiten Kouros in westlicher Richtung von diesem<br />
befinden, zeigen entlang der Blockumrisse leicht verwitterte, große runde Ausmeißelungen, die einen<br />
Durchmesser von ca. 6 cm aufweisen, Die Benutzung von Keilen für die Abspalrung der Blöcke ist nicht<br />
zu beobachten. Die großformatigen Blöcke, die mitunter eine Größe von ca. 2 m x 1 m aufweisen, sind<br />
allein aufdiese Art und Weise vom anstehenden Stein gelöst wurden. Diese Spuren, die mit Extraktionsspuren<br />
aus den Bruchgebieten von Phanari und Aliki aufThasos zu vergleichen sind, belegen eine Technik,<br />
die vor allem für die byzantinische Zeit charakteristisch sein soll.?" Dieser Befund hat zur Konsequenz,<br />
daß - vorausgesetzt das Areal wurde nicht partiell auch in späterer Zeit ausgebeutet - diese Technik<br />
entgegen der Aussage von verschiedenen Forschern bereits in archaischer Zeit auch für die Extraktion<br />
großer Blöcke angewandt worden ist." Zudem sei erwähnt, daß eine kleine Strecke des Transportweges<br />
und die von mir bereits früher für dieses Bruchgebiet in Erwägung gezogene Transportart "langsam herabgleitender<br />
Schlitten", die aufgrund des stark ansteigenden Areals beispielsweise mit der des Penteli zu<br />
vergleichen ist, nun an hand von Spuren (Taf. 85, E; 90 b. c) belegt werden kann: Etwa 100 m oberhalb<br />
des Kouros in südwestlicher Richtung 4SO befindet sich eine in den Felsen eingearbeitete ovale Vertiefung<br />
von 0,21 mx 0,17 m Durchmesser und von dieser 3,30 m nach Westen entfernt etwa aufgleicher Höhe<br />
eine weitere von 0,23 m x 0,19 m Durchmesser. Hierbei wird es sich um Pfostenlöchet links und rechts<br />
446 Die Weite des abgebildeten Areals beträgt 2 I m.<br />
147 Kokkorou-Alewras 1992. Von dem Kouros in Pharangi auf dem Wege nach Ano Potarnla hinab beobachtet man schon in<br />
einer Entfernung von etwa 50 m eine stark geneigte Wand mit den typischen Abbauspuren, wobei das Arealeine Ausdehnung<br />
von ca. 40 rn x 15 m aufweist.<br />
1\48Die Peinrille - Technik ersetzt in byzantinischer Zeit die Keilspaltung vollständig. s. Kozel] 1988,7 (Phanari, Thasos): Waelkens<br />
1988b, 106 Abb. 17 (A1iki,Thasos); s. auch J. P. Sodini - A. Lambraki - T. Kozelj, A1ikiI. Erudes Thasiennes 9 (I 980)<br />
109 Abb. 57.<br />
449 Grundsätzlich ist eine Ausbeutung des Areals auch in späterer Zeit nicht auszuschließen. da der naxische Marmor. obgleich<br />
in geringem Ausmaß, bis in nachantike Zeit hinein Verwendung fand. Die Frage, welches Bruchgebiet als Marmorlieferanr<br />
dienre, wurde allerdings noch nicht untersucht. Im Falle dieses Areals ist aufgrund der sich heute noch in situ befindlichen<br />
Skulpturen und anderer Werkstücke eine Gewinnung des Marmors in späterer Zeit allerdings höchst unwahrscheinlich, da<br />
man wohl die bereits bcrausgelösren Werkstücke als erstes verwendet hätte. Vgl. zur Verwendung des naxischen Marmors in<br />
nacharchaischer Zeit Kokkorou-Alewras 1992, l02ff. s. auch Anm. 413.<br />
450 Diese ist in westlicher Richtung 6Dm von dem weiter oben beschriebenen Areal mit der Säulenextraktion entfernt.<br />
der Schleifbahn handeln. Denn unterhalb der ersten Vertiefung ist in einem Abstand von 14,5 meine<br />
dritte zu beobachten. Während rechteckige Vertiefungen unter anderem an den Steinbruchstraßen des<br />
Penteli, aufThera oder in HerakJeia am Latmos nachgewiesen sind, werden runde Vertiefungen beispielsweise<br />
auch entlang der Abfahrtswege in den thessalischen Steinbrüchen erwähnt.'?' Doch muß an dieser<br />
Stelle der Hinweis aufdiese Beobachtungen genügen, deren Klärung weiteren Forschungen, insbesondere<br />
systematischen Geländebegehungen, der Aufnahme der Spuren und dem Freilegen des Areals vorbehalten<br />
sein muß. Diese dürften insgesamt nicht nur zur Rekonstruktion des antiken Steinbruchweges führen,<br />
sondern auch die gesamte Infrastruktur des Bruches aufdecken'>, daerst die überaus lohnenswerte Kattierung<br />
der vereinzelten Spuren in die Geländepläne ein übersichtliches Bild des antiken Areals gestattet.<br />
Zusammenfassend ist fesrzuhalren, daß die überaus zahlreichen, aufdiesem Hügel gelegenen Werkplätze<br />
nicht nur die Gewinnung des hier anstehenden Marmors in großem Ausmaß, sondern auch die gemeinsame<br />
Fertigung von Architekturgliedern und Skulpturen im Bruch dokumentieren. Die im Gelände zu<br />
beobachtenden Spuren weisen deutlich aufeinen organisierten Steinbruchbetrieb hin. Dieser kam plötzlich<br />
zum Erliegen, wie es die große Anzahl der noch in siru befindlichen Blöcke, die nicht vollständig<br />
abgespalten wurden und keinesfalls von minderer Qualität sind, sowie andere Werkstücke belegen. In<br />
Hinblick auf die bereits erfolgte Materialgewinnung und die hierfür erforderliche, differenzierte Steinbruchtätigkeit,<br />
angefangen von der Extraktion bis hin zu dem Aberansport der Werkstücke''', muß das<br />
Areal eine ausgeprägte Infrastruktur besessen haben. Von dieser können noch der Transportweg oder<br />
auch die einst im Areal aufgestellten Hebekonstruktionen. aufdie einige Spuren hinweisen, einen kleinen<br />
Eindruck verrnirreln.P"<br />
In diesen Steinbruchbetrieb ist die Skulpturenproduktion eingebettet, über die vor allem die zwei noch in<br />
situ befindlichen kolossalen Kouroi Auskunft geben können und die einen Teil der Steinbruchaktivitäten<br />
grob in die erste Hälfte des 6. jhs, v. ehr. datieren."? Neben der oberhalb des Kouros von Pharangi, fast<br />
451 In den antiken Brüchen am Tissaion im Süden der Halbinsel Magnesia, in denen wahrscheinlich seit der klassischen Zeit<br />
Marmor abgebaut wurde. sind in die ebene Felsfläche eingearbeitete zylinderförrnlge Löcher beobachtet worden, die aufdem<br />
steilen Berghang dem Transport der Marmorblöcke dienten. Der Durchmesser der Vertiefungen beträgt 0,18 m - 0,20 m<br />
und die Tiefe 0,30 m - 0,35 m, s]. Papageorgakes. PM 38,1963, 568ff. Taf 1 Abb. 2; G. Bakalakis in: Ancient Macedonia<br />
(1970) 181 Taf. 26 d: In den Steinbrüchen von Kyrros (1) befinden sich Eintiefungen von 0,10m - 0,115 m Durchmesser<br />
und 0,12 m - 0,15 m Tiefe. AufThera befinden sich an der Steinbruchstraße etwa 23 Pfostenlöcher. die in einem Abstand<br />
von 10m - 15m zu beobachten lind in etwa quadratisch sind. Die Maße ebenso die liefe betragen ca. 0,13 m x 0,20 m. s.<br />
P. Wilski in: Thera 1lI (1904) 205. 209. 227ff. 24Iff. In den pentelischen Brüchen variieren die Maße von 0,23 mx 0,26 m<br />
und 0,30 m x 0,31 m, die Tiefe zwischen 0,35 mund 0,50 m: Orlandos 1968,23 Abb. 7. 8; Korres 1994, 103f. Abb. 27. 28.<br />
29. Vgl.A. Peschlow-Bindokar,JdI 96, 1981, 195.<br />
>152 Es würde sich weiterhin herausstellen, ob der vom Gipfel des Hügels ausgehende Transport vielleicht auch auf dessen östlicher<br />
Seite stattgefunden hat, da dort, um dies mit aller gebotenen Vorsicht anzudeuten, Extraktionsspuren nicht beobachtet<br />
werden konnten.<br />
453 s. die Kap. IV 1. 2 "Die Arbeit in den Steinbrüchen" und IV: 2 .Der Transport aus den Steinbrüchen."<br />
454Neben zahlreichen Vertiefungen, die über das ganze Areal verstreut sind, beobachtet man beispielsweise unterhalb des Kouros<br />
eine in den Felsen eingearbeitete runde Eintiefirng von 11 cm Durchmesser, die vielleicht ebenfalls als Widerlager eines Dreibeines<br />
oder in anderer Weise der Anbringung einer Hebe- oder Transporrvorrichtung hätte dienen können.<br />
455 s. zur Datierung der Steinbruchaktivitäten in Melanes Kokkorou-Alewras 1992, 112. Sie schreibt zu Recht. daß das Bruchgebiet<br />
auf jeden Fallvon der ersten Hälfte des 6. jhs. Y. ehr. in Betrieb war, wie es die zwei kolossalen Kouroi und eine sich<br />
ebenfalls noch in situ befindlicheTürschwelle belegen; diese weisesie dem Apollonrempel aufNaxos zu. Ebenda auch zur Datierung<br />
der Türschwelle. Vgl. G. Gruben - W Koenigs, AA 1970, 140. Entgegen der vorherrschenden Forschungsmeinung<br />
hälr Kokkorou-Alewras 1992, 120 aufgrund der Skulprurenfunde die Melanesbrüche für älter als die Apolloriasbrüche. Diese<br />
These müßte allerdings anhand weiterer Untersuchungen der aus diesem Material gefertigten Objekte wie Architekturglieder<br />
oder auch Skulpturen bestätigt werden.<br />
199<br />
rta<br />
•
200<br />
auf dem Gipfel des Hügels liegenden kleinen Statue stammen aus der näheren Umgebung des Bruchgebietes<br />
drei weitere unfertige Skulpturen Kar. Nr. 9 (Taf. 6), Kat. Nr. 10 (Taf. 7 c; 8), Kar. Nr. 17 (Taf. 7 a.<br />
b), die bei Bauarbeiten in Potamia gefunden wurden.v" Die bildhauerische Tätigkeit in Melanes ist somit<br />
hinreichend dokumentiert.<br />
Die These Kozeljs, daß in archaischer Zeit "the quarries used for extraction ofthe kouroi do not resemble<br />
the normal organized building material quarries" dürfte nun endgültig für die naxischen Brüche in Hinblick<br />
auf deren offensichtlich permanente Nutzung sowohl für die Gewinnung von Architekturgliedern<br />
als auch von den Skulpturen und der dafür erforderlichen Infrastruktur widerlegt sein.'57<br />
Iv. 1. 1. 2 Steinbrüche des Penteli<br />
Attika verfügt über reiche Marmorvorkommen, die bereits im fortgeschrittenen 6. Jh. v. ehr. erschlossen<br />
wurden und bis in römische Zeit in großem Umfang als Rohstofflieferanten eines weißen qualitätvollen<br />
Marmors fungierten. Die bedeutendsten Brüche sind neben den Brüchen von Sounion im Agrilezatal''',<br />
die, verstreut im Gebiet gelegen, noch deutlich die Spuren des antiken Abbaus belegen, die Abbaustellen<br />
auf dem Hymettos und die ausgedehnten antiken Bruchareale auf dem Penrelikon, Während die Brüche<br />
im Agrilezatal nur für Archirekrurzwecke ausgebeutet wurden, nutzte man den hymertischen und pentelischen<br />
Marmor seit der archaischen Zeit wahrscheinlich sowohl für die Fertigung von Architeleturgliedern<br />
als auch von Skulpturen, wobei dem qualitätvollen feinkörnigen penrelischen Marmor nicht nur als<br />
Skulprurenmarmor die ungleich bedeutendere Rolle zukommt, sondern auch die Ausbeurung beider Vorkommen<br />
im Laufe der Jahrhunderte snwohl qualitative als auch quantitative Unterschiede aufweisr.v?<br />
Die antiken pentelischen Marmorbrüche (Taf. 92), die dank M. Korres grüncllich erforscht sind, erstrecken<br />
sich auf der Südwestseite des Pentelikon über eine Distanz von etwa 3 km entlang zweier ausgedehnter,<br />
parallel verlaufender Marmoradern. die von einer ca. 5 m bis 10 m mächtigen unbrauchbaren<br />
Gesteinsschicht voneinander getrennt sind."o Da der Steinbruchbetrieb heute in großem Ausmaß wieder<br />
aufgenommen wurde, sind die antiken Areale teilweise zerstört oder von großen Mengen an Marmorschutt<br />
bedeckt, was die Untersuchung der antiken Abbaustellen erschwerte.<br />
Aufder südlichen, 60 m bis 75 m breiten Ader befindcr sich in etwa 700 m Höhe der berühmte, als Spilias<br />
_ Steinbruch bekannte Marmorbruch (Taf 92, AI), in dem unter anderem das Material für die klassischen<br />
Akropolisbauten, das Hephaisreion und das Telesterion in Eleusis gewonnen wurde.v" Von diesem<br />
ehemals 140 m langen, 80 m weiten und 40 m tiefen Bruch ist heute nur noch die nördliche Fläche des<br />
mittleren Grabens mit den charakteristischen Schrotspuren zu beobachren.v" 1977 fand sich bei der teilweise<br />
erfolgten Freilegung des antiken Areals sowohl von antikem als auch von modernem Gesteinsschutt<br />
neben anderen Marmorobjekten der erst im Groben zugehauene untere Teil einer lebensgroßen Sitzfigur<br />
Kat. Nr, 27 (Taf. 17 c), die vielleicht aus archaischer Zeit stammt.'G3<br />
Oberhalb des Spiliasbruches liegen auf der südlichen Ader sechs weitere Bruchareale, die auf der Karte<br />
(Taf. 92) als A 3, A 4, A 6, A 7, A 10 und A 12 gekennzeichnet sind; auf der nördlichen, 20 m bis 25<br />
m breiten Ader befinden sich insgesamt vier Brüche: A 2, A 5, A 8 und A 9. Die ursprüngliche Größe<br />
der Areale ist bis aufden Bruch A 2, der etwa auf gleicher Höhe mit dem Spiliasbruch liegt und ehemals<br />
eine Ausdehnung von 150 m Länge, 15 m bis 30 m Weite und 45 m Tiefe aufwies, sowie den Bruch A<br />
10, einen ehemals 200 m langen, 90 m weiten und 30 m tiefen Graben, nicht mehr zu rekonstruieren.f''!<br />
Letzterer, bei dem es sich um den ausgedehntesten antiken Bruch auf dem Bergrücken handelt und der<br />
sich über die obere Zone hinweg erstreckt, lieferte in der römischen Zeit vor allem das Material für die<br />
hadrianischen Bauprojekte und ist heute größtenteils unter modernem Marmorschutt begraben."? Interessant<br />
ist in diesem Zusammenhang der Fund einer Kolossalstatue in einer Höhe von ca. 1020 m im<br />
antiken Bruch, die heute allerdings verschollen und aufgrund ihrer Fundlage in römische Zeit zu datieren<br />
201<br />
456 Zur Datierung der Skulpturens. die entsprechendenAngaben im Katalog. Kokkorou-Alewras erwähntzwei fertigeLöwenkopfwasserspeier,<br />
die als Zufallsfunde ebenfalls aus dem Gebiet von Melanes stammen, s. Kokkorou-Alewras 1992, 114<br />
Anrn. 46: Kckkorou-Alewras 1996,Kar. Nr. 89 Abb.89 - 91: Kar. Nr. 90Abb. 92, 93, Zum Export unvollendeter naxischer<br />
Marmorziegel nachAthen: Kokkorou-Alewras 1996,Kat. Nr. 101.<br />
457 Vgl. Kozelj 1988, 4ff. zu permanentund temporärausgebeutetenBruchgebieten.KozeljunterscheidetaufgrundderAusbeutungsdauerund<br />
dersich darausergebendenunterschiedlichenOrganisationzwei verschiedeneTypen von Steinbrüchen. Den<br />
erstenTyp bezeichnet der kurzfristignur für ein bestimmtes Bauprojekt oder für eine Skulptur ausgebeuteteSteinbruch,so<br />
die naxischen Brüche von Apollonasund Melanes, die Steinbrüchevon derAkropolis aufThascs, die für den Widderträger<br />
(hier Kat. Nr. 16) eröffnetwordensind, und die Steinbrüche,die man fürdie Leuchttürme aufThasos im Phanari- und Pyrgosbruchgebietausgebeutethat,<br />
sowie vereinzelteandereAbbaustellen. Der zweiteTyp istder permanentausgebeuteteSteinbruch,<br />
wie beispielsweisedie Saliarabrüche, in denen die Ausbeutung für Architekturund Skulptur gemeinsam organisiert<br />
war,wobei die Sreinbrucbgebjere alsal in Sektionen aufgeteiltegroßeAreale,in denen verschiedenePhasen der Ausbeutung<br />
vorliegen können, oder als b) Komplexaus kleinerenAusbeutungenzu beschreibensind. In jedem Fall ist eine ausgeprägte<br />
Infrastruktur des Bruchescharakteristisch. Diesem zweitenTyp entsprechenauch die naxischen Brüche.Vgl. T. Kozelj - M.<br />
Wurch-Kozelj, Courrast berween Ancient and Modern Quarriesof\X'hitc: Marbles in Thasos, in: D. Decrouez - J. Chamay<br />
- F.Zezza(Hrsg.), Laconservation desmonuments dansle bassin mediterraneen. Symp. Genf. 1991 (1993)73.<br />
'58 H, R. Goette,Die Steinbrüche vonSounionimAgrilezatal. AM lO6,1991,201fT<br />
459 Allgemein zu den penrelischen Brüchen: Papageorgakes 206fT: Dworakowska 1975,173 s.v. Penrelicus: A. Dwcrakowska,<br />
Archeologia Wamawa19, 1968,Nr. 17:zurAusbeutung inarchaischer Zeit:Dworakowska 1975,88: Wadkens1988b,89:<br />
Ausbeutung für Architektur: Martin 1965, 140r.; Ausbeutung für Skulptur: W. Martini, Die archaischePlastik der Griechen<br />
(1990)40: Richter. Kourci 7. Allgemein zu den hymertischen Steinbrüchen: Dworakowska 1975,169 s. v. Hymeucs:<br />
Papageorgakes 213; eine AuAistung der in der Literatur erwähnten hymettischen Brüche Ln: A. Dworakowska, Archeologia<br />
Warszawa 19, I96B,92f. Nr. IB- 24: M. KLangdon, Hyrnettiana Il: AnAncienr Quarryon Mt, Hymettos, AJA 92. 198B,<br />
75fT: J. Ober, Hesperia 50, 19B1, 6Bff.: Ausbeutung in archaischer Zeit: Waelkens 1988b,B9; Ausbeutung für Skulptur:<br />
Martinia. O. 40: R. E. Wycherly, BSA 68, 1973,350, Richter, Kouroi7. Die hymectischen Brüchesindheute noch in zahlreichenkleinen<br />
Arealenmit ausgiebigen Extraktionsspuren zu beobachten, wie [eh bei den Geländebegehungen mit H. R.<br />
Gocne feststellenkonnte. Die Ausbeutung des weißen hyrnertischen Gesteins fand seit archaischerZeit statt, wobei der seit<br />
dem4. jh. v. Chr.gebrochene blaugraue Steinweniger für Skulpturen verwendet wurde,s. auch H. R.Goerte,Athen,Attika,<br />
Megaris (I993) 142f. Der hymertische Marmor wurde auch fiir die Fertigungvon Marmorlekythen und -lourrophoren in<br />
der 2. H. des4. Jhs. v.Chr. und dannvorallemfürdiehellenistischen, einfachen Grabdenkmäler _Columellae, labellae und<br />
mensae ~ verwendet, s. B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs (1983) 61[ Der Marmor des Penrelikon wurde zwar in weit<br />
größeremAusmaßals derdes Hymcnos genutzt, doch dienten die hymertischen Brüche ebenfalls bis in die römische Zeit als<br />
Marrnorlieferanten.<br />
460 Die penrelischen Brüchesind von ihm in einer grundlegenden Monographie publiziert worden: Korres 1994; M. Korres,<br />
The Ancient Quarrieson Mount Pentelikon,in: Asmosia III 1fT.; M. Korres, Vom Pentelizum Parehenon(1992). Die 1994<br />
erschieneneneugriechischeAusgabeist starkerweitert.<br />
461 M. Korres,Vom Penrelizum Partherion (1992) 63ff. mit Zusammenfassungder ält. Lir.: M. Korresin: AsmosiaIn 2f. Abb.<br />
3: Korres 1994,78fT Abb.11- 17.20. 21. 23. 25.<br />
'G2 M. Korres. VomPenteli zum Partherion (1992)64 Abb.4. 5. 9. 10:Adam 1966,Taf. 1a; Korres 1994, bes. 78ff.<br />
'63 Korres 1994,BBf. Abb. 17.3.<br />
464 Obwohl Korres nur noch wenige antike Stellen des Arealsbeobachten konnte, gelang ihm die Rekonstruktion.Korres 1994,<br />
84fT. Abb. 14. 15:94ff.Abb.22: M. Korres, VomPenteli zum Panherion (1992)Abb. 1. 6; M. Korres in:Asmosia II12f.<br />
4G5M. Korres in:Asmosia m 5: Korres 1994,94ff.Abb. 20. 25.
202<br />
ist.'G6 Ebenso verschollen ist ein erst grob bossierter Löwe (Taf. 93), der zwar in den penrelischen Brüchen<br />
fotographisch aufgenommen wurde, dessen genauer Fundort aber unbekannt ist. Eine Datierung<br />
ist wegen des wenig fortgeschrittenen Fertigungsstadiums und mangels genauerer Fundortangabe nicht<br />
möglich. Ein unfertig gebliebenes Relief mit der Darstellung des Heraklcs (Taf. 94), das in eine Mauer<br />
neben dem westlichen Eingang des Klosters Penteli verbaut ist, könnte vielleicht ein weiterer Beleg für die<br />
bildhauerische Tätigkeit in oder nahe der penrelischen Brüche sein!6?<br />
Die Ausbeutung der Brüche nahm ihren Ausgang in den unteren Zonen des Bergkammes und setzte sich<br />
von dort in die oberen Areale fort"': Nach Korres war der Bruch !\ 1 im 5. und 4. Jh. v. Chr. und die<br />
Brüche A 3 sowie A 7 in den nächsten beiden Jahrhunderten in Betrieb, wobei die Steinbruchaktivitäten<br />
in /\ 7 wahrscheinlich bereits im 5. Jh. v. Chr. begannen, aber wohl hauptsächlich im 4. Jh., aber auch im<br />
2. [h. v. Chr. stattfanden, als dieser Bruch als Lieferant für den Bau des Olympieion und der Armlosstoa<br />
diente. Nach dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert, in dem vor allem der Bruch /\ 10 aktiv ausgebeutet<br />
wurde, war /\ 7 wohl nicht mehr in Bettieb.<br />
Korres erwähnt unter diesen Brüchen keine Areale, die bereits in archaischer Zeit ausgebeutet wurden.<br />
Sollte die im Spiliasbruch gefundene unfertige Sitzfigur tatsächlich aus archaischer Zeir stammen, so wird<br />
man allerdings davon ausgehen dürfen, daß der Betrieb in diesem Bruch, sicher in sehr kleinem Ausmaß,<br />
schon früher aufgenommen wurde. Vielleicht wurden aber auch Areale unterhalb des Steinbruchs in eben<br />
dieser Zeit genutzt. Denn unterhalb des Spiliasbruches befanden sich, ausgehend von dem Höhenpunkt<br />
470 bis zu diesem Bruch, über eine Strecke von einem km hinweg zahlreiche kleinere Abbaustellen. von<br />
denen allerdings laut Korres heute nur noch eine im Gelände (Taf. 92, /\ 14) zu beobachten ist."9 In<br />
größerer Entfernung des Bergrückens lagen ursprünglich weitere kleine Brüche, von denen nur noch zwei<br />
existent sind (/\ 13; /\ 11), des weiteren liegen acht oder neun weitere von Kaupert skizzierte Brüche in<br />
dem modern ausgebeuteten Areal von A. 24 - A. 44.
•<br />
204<br />
wohl im Landesinneren als auch an der Küste, vor allem südwestlich von Aliki. 477Von diesen Vorkommen<br />
ist zum gegenwärtigen Zeirpunkr allerdings nur das Bruchgebiet von Aliki, das heute als archäologische<br />
Stätte geschützt ist, in einer detaillierten Studie vorgelegr worden.?" Während die ältesten Brüche in Aliki<br />
bereits in archaischer Zeit ausgebeutet worden sein sollen, handelt es sich bei dem heute sichtbaren Areal<br />
um frühchristliche Brüche, in denen, wie es die dortigen sich noch in situ befindlichen Architekturglieder<br />
wie Basen, Kapitelle und Säulen belegen, neben der vorrangig fiir den Architekturbereich erfolgten Ausbeutung<br />
auch Sarkophage produziert wurden. Der grobkörnige weiße bis graue Marmor des von archaischer<br />
Zeit bis ins Mittelalter hinein ausgebeuteten Phanaribruchgebietes hingegen ist genauso wie der<br />
aufder Akropolis und im Pyrgosbruchgebiet anstehende Marmor eher für die Fertigung von Architekturgliedern<br />
geeignet und wurde in ausgedehnten Arealen von 50 m x 15 mund 3 - 5 m Höhe abgebaut, die<br />
heute aber zum großen Teil unrer dem Meeresspiegel liegen."??<br />
Nach dem derzeitigen Wissensstand haben vor allem das Saliara- und Vathysteinbruchgebiet für die<br />
Gewinnung von Skulpturenmarmor in der griechischen Zeit eine besondere Rolle gespielt, wie es die<br />
Marmoranalysen zahlreicher Skulpturen gezeigt haben."o Das Material beider Gebiete ist ein dolornitischer<br />
weißer Marmor sowohl mittlerer als auch grober Korngröße, der sich besonders für die Fertigung<br />
von Statuen eigner."! Die Areale, die bisher leider nur ungenügend publiziert sind, wurden jedoch bis in<br />
römische Zeit hinein in großem Ausmaß ausgebeuret und sind heute zu einem großen Teil durch die fortlaufende<br />
moderne Abbautätigkeit zerstört worden;" 1980 begannen T. Kozelj, A. Muller und J. P.Sodini<br />
die systematische Erforschung des Marmorbruchgebietes von Saliara, das sich an der Nordostküste von<br />
Thasos von der Kapelle Agios Ioannis bis in das Bruchgebiet von Kap Varhy hinein erstreckt und ebenso<br />
wie dieses aUSmehreren, nebeneinanderliegenden U-förmigen Arealen besteht.''' Die Ausbeutung des<br />
Saliarabruchgebietes begann bereits in archaischer Zeit, wie es indirekt durch die aus diesem Marmor<br />
gefertigten Skulpturen belegt wird."'" Inschriften, deren Buchstabenformen in das 4. Jh. v. Chr. zu datieren<br />
sind, weisen die Gewinnung des Marmors auch in dieser Zeit nach." Die Ausbeutung dauerte bis<br />
ins 3, Jh. n. Chr, an, wie heure noch in situ befindliche Sarkophage belegen.'86 Zahlreiche Spuren der<br />
Extraktion, wie Schrotgrabenwände mit den charakteristischen parallel verlaufenden Spuren der Spitzhacke<br />
und Keillöcher. sind zu beobachten. Wie auch in anderen Steinbrüchen gibt es hier über das ganze<br />
Areal verstreut 0,50 m x 0,30 m x 0,15 m große Einriefungen, die entweder direkt in den Felsen oder<br />
in bewegliche Blöcke eingearbeitet wurden, und als Wasserbecken dem Abschrecken der geschmiedeten<br />
Werkzeuge dienren,48' Quadratische Aushöhlungen von 0,15 mx 0,15 m Größe entlang der Meeresküste<br />
wurden zur Verankerung der Hebemaschinen und zum Anpflocken der Schiffe benutzt, wobei sich heute<br />
noch insgesamt zehn verschiedene Verladeplätze im Saliara- und Vathygebiet nachweisen lassen.'''<br />
Unfertige Skulpturen, die von B. Holtzmann allesamt in die römische Zeit datiert werden - wie die erst<br />
grob bossierte Sitzfigur 489, ein ins anstehende Gestein gemeißelres Relief mit der Darstellung eines Herakles'9',<br />
eine Asklepiosbüste?" sowie eine ebenfalls erst bossierte männliche Statue 492 (Taf. 96 b) von der<br />
heure nur noch der obere Teil im Magazin des thasischen Museums erhalten ist, - beschreiben die bildhauerischeTätigkeit<br />
im Saliarasteinbruch.'" Während das genannte Reliefaus dem Fels gelöst wurde und<br />
205<br />
477 Die Steinbrüche von Thasos sind Thema der Dissertation von T: Kozel], Ecole francaise d' Arhenes.der sich seit vielen Jahren<br />
intensiv mit den Brüchen der Insel beschäftigt und seine Ergebnisse demnächst zusammenfassend publizieren wird. Ihm sei<br />
an dieser Stelle herzlich für seine Diskussionsbereitschaft gedankt.<br />
478 Sodini - Lambraki _ Kozelj a. O. sut Das Alikibruchgebiet war der Hauptmarmorlieferam von Thasos in der Antike; bei<br />
dem dort gebrochenen Material handelt es sich um einen KaJzitrnarrnor von mittlerer und grober Kerngröße. dessen Farbe<br />
zwischen purem weiß und grau variiert und manchmal bläuliche Adern aufweist. Zu dem Bruchgebiet in Aliki s. auch Dworakowska<br />
1975,31. 3M. 9Gf. 111. 135. 142;A. Dworakowska, Quarriesin RomanProviaces (1983)s. v.Aliki; Herz a. O.<br />
232: Nach Herz wurden die Brüche von Aliki bereits im 6. Jh. v. ehr. ausgebeutet; s. auch T. Kozel] - M. Wurch-Kozelj, The<br />
Military Proteerion ofthe Quarries of the Aliki Area during rhe Byzanrine Period. in: Stones 43[[; Waelkens t988b, Abb. 8<br />
(Aliki, Keillöcher in vorbereiteten Furchen); Waelkens 1988, 15 (Spuren einer leichten Spitzhacke in Niki).<br />
179 s. allgemein zum Phanaribruchgebiet Dworokowska 1975,32. 96 mit alt. Lir.: Herz a. O. 236 zum Marmor von Kap Phanari;<br />
T. Kozelj -A. Müller-]. Po Sodini,BCH 106,1982.676: In Phanariistdiegleiche Abbautechnik wieinAlikizu beobachten;<br />
s. auch Kozel] 1987, 31 zur Beseitigung des Marmorabfalls. der in diesem Bruchgebiet ins Meer geschafft wurde.<br />
180 Zur Verwendung des thasischen Marmors aus dem Bruchgebiet von Kap Varhy und Saliara für Skulpturen, s. J. J.Herrmann.<br />
Jr., Exportarien of Dolomitic Marble from Thasos. Evidence from European end Nonh Arnerican Colleccicns, in: Stoßes<br />
93f[j J. J. Herrmann, Jr.. Thasos and the Ancient Marble Trade. Evidence from American Museums, in: Marble 73ff.; Vgl.<br />
R. Newman - J.J. Herrmannjr, in:Asmosia 1II103ff.Zu den Varhy Steinbrüchen: Dworakowska 1975,18.32.96; Sodini<br />
- Lambraki - Kozel] a. O. 82 Abb. J - 3; Kozelj 1988,Taf 28, 28 (BlickaufantikenMarmorschurthaufen, der in moderner<br />
Zeit zerstörtwurde);].]. Herrmann - ]. P. Sodini,BCH 101, 1977,492 Anm.40 zur möglichen Erwähnungdes Marmors<br />
unter dem Namen .barhuinos".<br />
48\ Papageorgakes 248f.; s. Herrmann - Sodini a. O. 5l0f. (chemische Analyse der dolomitischen und kalzirischen Marmore von<br />
Tbasos). In der Region von Vathy ist ebenso ein feinkörniger Marmor zu erwarten, doch sind die genauen Bruchstellen noch<br />
nicht gefunden worden. Grundsätzlich ist anzumerken, daß Dolomitmarmore viel härter als Kahitmarmore sind, was ein<br />
nicht unerheblicher Faktor bei der Bearbeitung gev.resen sein dürfte.<br />
482 Das Bruchgebiet Vv1.lrde bereits zu Beginn des 20. Jhs. wieder ausgebeutet, s. W.Deonna, AEphem 1909, 11f[ Er sah unzählige<br />
behauene Blöcke, Säulenrrommeln. Fragmente von Sarkophagen und eine in zvveiTeile gebrochene, giebdbekrönte Stele<br />
sowie ein Tischbein als Arbeitsspuren in den Brüchen.<br />
483T. Kozel] -A. MulIer-]. Po Sodini,BCH 105, 1981,961ff.;T. Kozelj -A. Muller-]. Po Sodini,Lescarrieres de marbre.Travaux<br />
de l' ecole francaise en Grece en 1981, BCH 106, 1982,676[; T. Kozelj u. a., Sarcophages decouverre dans les carrieres de<br />
Saliari(Thasos), in: Po Pensabene (Hrsg.),Marmiantichi.StMisc. 26 (1985)75ff.<br />
4B4s. die in Anrn. 480 zitierten Aufsätze von]. J. Herrmann, Jr.; J.]. Herrmann sei an dieser Stelle recht herzlich für die anregenden<br />
Diskussionen gedankt.<br />
485 Hierunter befindet sich eine direkt in den Felsen nahe des Meeres geschlagene Inschrift .,HPAKJ\", s, 1: Kozelj, BCH 105.<br />
1981,963 Abb. 73; zu einer weiteren Inschrift ..I-IPAKA.H:E", die in unminelbarer Nähe derselben gefunden wurde, s. 1:<br />
Kozef u. a., BCH 106, 1982.676. Genaueres wird über diese epigraphischen Befunde allerdings nicht angegeben, so daß<br />
es unklar bleibt, wie viele Zeugnisse vorhanden sind und wie sicher diese zu datieren sind. Vgl. T. Kozelj u. a., Sarcophages<br />
decouverce dans Ies carrieres de Saliari (Thasos), in: P. Pensabene (Hrsg.), Marmi antichi. StMisc. 26 (1985) 75.<br />
>{s6 M. Wurch-Kozelj - T. Koze1j, Roman Quarries of Apse-Sarcophagi in Thassos ofrhe Secend andThird Cenruries, in: Asmosia<br />
III 39ff.; vgl. T. Kozelj u. a., Sarcophages decouverre dans Ies carrieres de Saliari (Thasos), in: P. Pensabene (Hrsg.), Marmi<br />
antichi. StMisc. 26 (1985)75ff.<br />
487 T. Kozel] - A. Muller-]. P.Sodini,BCH 105, 1981,961.<br />
488 Kozelj _Muller- Sodinia. O. 962;Wurch-Kozeij a. O. 46f.; Kozelj 1993, 122Abb.34.<br />
489 Kozeij _Muller- Sodinia. O. 963 Abb.71.<br />
490 Kozelj _Muller. Sodinia. O. 963Abb.72; 1~ Kozelj.Archeologia4, 1982,69f.Abb. 2; LlMC IV; I Nr. 431; IV;2Taf.473 s.<br />
v. HerakIes; B. Holtzmann,La sculpruredeThasos.Corpus des Reliefs. EmdesThaslennes 15 (1994) Kat.Nr. 54 Taf.41 a.<br />
491 N. Herz, Classical Marble QuarriesofThasos, in: Antike Edel- und BunrmetaUgewinnungaufThasos. 6. Beih. DerAnschnitt<br />
(1988) 236. Herz erwähnt die Büste zusammen mit den Sarkophagen als Skulpturenfund im Gebiet von Vathy<br />
492 Kozelj 1987,32 Abb. 13; Kozelj 1988, 3ff.Taf. 12, 18. Der hier noch abgebildete untereTeil der Skulptur ist heute nicht<br />
mehrauflindbar. Wie Kozel] mir mitteilte, waren diverse Tauchversuche. um die Skulptur vielleicht im Meer wiederzufinden,<br />
vergeblich.<br />
493 AufThasos herrschte ein reges künstlerisches Schaffen. Zahlreiche unfertige Skulpturen stammen aus urbanen Kontexten auf<br />
Thasos:H. Sitte,Ö]h 11, 1908,148. 162Abb.55 (StatuettedesHermes),Po Devambez, BCH 61/62,1942143, 200ff.223ff.;<br />
G. Daux, BCH 75, 1951, 166ff.Abb. 74 (hellenisrische Statuette,Thasos Mus.lnv. Nr. 852, Ago
206<br />
sich heute im Magazin des thasischen Museums befindet, wurde ein weiteres in den Fdsen eingemeißdtes<br />
Relief mit der Darstellung eines Herakles auf einem Löwen im Zuge der durch moderne Ausbeutung<br />
bedingten fast vollkommenen Zerstörung des Bruchgebietes von Saliara im März 1986 gesprengt.4 94 Aus<br />
dem Bruchgebiet von Vathy, in demT. Kozelj zwei in das Gestein geschlagene Rdiefs des Herakles 495 und<br />
der Artemisi" beobachtete, stammt ebenfalls eine kolossale, erst grob bossierte Figur?" (Taf. 96 a),<br />
Die Abbildung aufTaf. 95 b zeigt die Rekonstruktion der Aktivitäten in einem Steinbruchabschnitt des<br />
Saliaragebietes anhand der verschiedenen Arbeirsspuren und Pundsrellen unfertiger Plastik und Architekturglieder<br />
von T. Kozdj.498 Die Darstellung gibt zwar die Situation in römischer Zeit wieder, doch wird<br />
man sich, wie es die folgenden Ausführungen zeigen, die Organisation des Bruches in der griechischen<br />
Zeit in ähnlicher Weise vorzustellen haben.<br />
Iv. 1. 2 DieArbeit in den Steinbrüchen<br />
Eine wesentliche Etappe des Fertigungsprozesses der Skulpturen stellte die Arbeit in den Steinbrüchen<br />
dar, die einen steten Wechsd im Einsatz von fachkundiger und ungdernterArbeitskraft forderte und über<br />
deren Organisation im Architekturbereich wir aus den Bauinschriften von Athen, Epidauros, Eleusis und<br />
Didyma unterrichtet sind. 499 Über die technischen Aspekre der Materialgewinnung und -weiterverarbeirung<br />
liefern die Quellen jedoch nur äußerst spärliche Informationen, so daß man für diese Aussagen größrenteils<br />
aufden archäologischen Befund angewiesen ist. Von den griechischen Bildhauern selbst, obgleich<br />
die in den Brüchen gefundenen Skulpruren die dortige bildhauerische Tätigkeit belegen, besitzen wir<br />
weder eine Nachricht über ihre Aktivitäten im Steinbruch noch über die Beschaffung des Rohmaterials.<br />
Besonders eindrucksvoll veranschaulichen dagegen die heute noch in situ im Bruch befindlichen kolossalen<br />
Skulpturen die Schwerstarbeit, die die Steinbrecher zu verrichten hatten, als sie die riesigen Blöcke aus<br />
dem Gestein schlugen. Um den hierdurch bereits gewonnenen Eindruck über die Arbeitsbedingungen<br />
und -aufwand der Steinbruchtätigkeit zu präzisieren, ist im folgenden neben literarischen und epigraphisehen<br />
Quellen sowieVergleichen mit der besser bekannten Arbeitsweise neuzeitlicher Bildhauer vor allem<br />
aufdie Ergebnisse der experimentellen Archäologie zurückzugreifen.<br />
Iv. 1. 2. 1 Wahl des Arbeitsplatzes, Suche nach dem geeigneten Marmorblock<br />
und Herrichten des Werkplatzes<br />
Die antiken Quellen überliefern nichts über die Kriterien, die für die Wahl des Steinbruchgebietes und<br />
des Werkplatzes innerhalb des Steinbruchareals ausschlaggebend waren. 500 Es ist jedoch anzunehmen, daß<br />
die Qualität des Marmors, die Vorliebe des Bildhauers für einen bestimmten Marmor, die sich aus dessen<br />
praktischen Erfahrungen mit dem Material heraus entwickelte, der spezidie Wunsch eines Auftraggebers,<br />
der beispielsweise den in derAntike hoch gerühmten parischen Marmor für seine Skulptur verlangte, und<br />
nicht zuletzt dessen finanzidie Möglichkeiten, aber auch die an den Bildhauer gestellte Aufgabe der zu<br />
fertigenden Skulptur als vorrangige Kriterien zu betrachten sind, welche die Wahl der Rohstoffquellen<br />
bestimmt hatten. Zudem kamen für die Fertigung einer kolossalen Skulptur nur wenige Brüche hochwertigen<br />
Skulpturenmarmors in Frage, deren Vorkommen es aufgrund der natürlichen Schiehrung der<br />
Lagerung überhaupt erlaubren, entsprechend große Blöcke zu gewinnen.501 Einen bedeutenden Faktor<br />
stellte wegen des Transportes gewiß auch die Lage des Steinbruches in Hinblick auf das Gewicht der<br />
Werkstücke dar. Die Wahl von in der Nähe des Meeres gelegenen Brüchen für die kolossalen Skulpturen,<br />
wie der circa 69 Tonnen schweren Dionysosstatue'v' und der thasischen Skulpturen, erstaunt nicht.<br />
Daß man aber auch ungleich schwierigere Arbeits- und Transportbedingungen, die eine Ausbeurung der<br />
weit im Landesinneren, aufAnhöhen oder sogar unter der Erde liegenden Brüche, wie diejenigen von<br />
Naxos, dem Pente1ikon oder von Paros mit sich brachten, nicht scheute, belegen unter anderem die dort<br />
gefundenen Statuen. Da sowohl die topographische Situation des Bruches als auch die Entfernung des<br />
Bruchgebietes zum Aufstellungsort allein unter dem Aspekt derTransportkosten, die im Vergleich zu den<br />
Materialkosten extrem hoch waren, von besonderer Bedeutung sind, werden diese Gesichtspunkte bei<br />
der Auftragsvergabe sicher Gegenstand der Diskussion zwischen dem Klienten und dem Bildhauer und<br />
gegebenenfalls dem Transportunternehmer gewesen sein. 503<br />
War ein bestimmtes Material ausgewählt, so hatte der beauftragte Bildhauer aufdirektem oder indirektem<br />
Wege mit dem Steinbruchbesitzer oder dem Pächter des Landes Komakt aufzunehmen, um die Modalitäten<br />
der Rohstoffgewinnung festzulegen. Da wir über die Besitzrechte, Verwaltung und Organisation<br />
der Brüche in vorrömischer Zeit nur ungenügend informiert sind, können an dieser Stelle jedoch keine<br />
konkreten Aussagen getroffen werden. 504 Innerhalb des Areals war die Wahl des Werkplatzes zunächst<br />
abhängig von dem aktiven Steinbruchbetrieb, d. h. von bereits bestehenden Werkplätzen, was sicher auch<br />
in Anbetracht der zahlreich vorhandenen Arbeitsspuren auf die naxischen Brüche ZUtrifft. Lagerungsei-<br />
207<br />
Stelle möchte ich vor allemB. Holrzrnannfür sein Einverständnis danken, die unfertigen thasischen Skulpturen vor Ort<br />
studieren zu dürfen.<br />
494 Kozelj 1987.32 Abb. 12.13; s. auchT. Kozdj- A. Muller- J.P.Sodini,BCH 106, 1982,676 Abb. 60; Kozdj 1988. 10;<br />
Holtzmanna. O. Kat.Nr. 51Taf.40 a.<br />
495 Holemann a. 0. Kat.Nr, 52Taf.41 b.<br />
496Holtzmanna. O. Kat.Nr. 53Taf.41 b.<br />
497 Kozdj1988,7Taf. 12, 17.Die erh. Höheder Skulpturmit Basis beträgt2,04 m, die Höhe derBasis 0,20 m.<br />
498 Korelj 1988,Taf.7: Kozelj 1993,Abb.4. 5.<br />
409Orlandos1968, 15 - 20 und Marrln 1965,146 - 151mit Zusammenfassung derInschriften.<br />
SOO Vgl. Dworakowska 1975,93.<br />
SOl Vgl.zur GewinnunggroßerBlöcke inden pentelischen Brüchen: M. Korres in:ArmosiaIII If.; Korres 1994, 74f.<br />
502 J. J. Coulron,JHS 94. 1974, 18.<br />
503 Vgl. dasKap.n.: 2:Der!ransport und die Aufstellun~ der Skulpturen." Ebendaauchzur Organisation desTransportes. Zu<br />
den Kostens. be~splelswelse ?rl:mdos 19~8, 2~ff.; esseivorweg daraufaufmerksam gemacht,daßfür dieGewinnungund für<br />
den Transportnicht nur zusätzliche Arbeitskräfte. sondernauchentsprechende Beförderungsmittel erforderlich waren.<br />
504 Generell erweisen sichfürdie grie~isc:he Zc:~t die Quellen imGegensatz zurrömischen alszu ungenügend, um allgemeinere<br />
Schlußfolgerungen überStaatsbesitz und Steinbrucheigentümer ziehenzukönnen. Die archaischen Marmorbrüche von Naxcswarenwohl<br />
imBesitz adligerGroßgrun.dbesitzer und zur Zeitder Tyrannis im BesitzdesLygdamis, s. Karakatsanis 1986,<br />
178; Kokkorou-Alewras 1996. Ob der Steinbruchvon Apollonas, in dem sichdie Dionysosstarue befindet,im Gebiet des<br />
Apollonheiligturns lag,. wiees eine unmittdbar in der Nähe desBruches im Steinbefinclliche Inschriftnahdegenkönnte, ist<br />
nicht sicherzu entscheiden, S. W.v. Massow, AA1932,267 Abb.4. Vonden Steinbruchgebieten vonSelinuntund Miletwissen<br />
wir, daßsie innerhalb desstädtischen Territoriums lagen.Während die mileslschen Steinbrüche staatlicher Besitzwaren,<br />
sind die Besitzverhältnisse der Selinunter Brücheallerdings unklar, s. A. Peschlow-Blndoksj, Die Steinbrüche von Selinunt<br />
(1990)38. Die großenSteinbrüche, wiebeispielsweise die pentellschen, werdenim 5. jh. v.Chr.wohl in öffentlichem Besitz<br />
'e
208<br />
gensehaften wie natürliehe Schichtung, Klüfte in dem Gestein sowie allgemein die Qualität der Marmorader<br />
bestimmren dann die Suche nach einem geeigneten Marmorblock und somit den endgültigen<br />
Werkplatz.<br />
Mit diesem Schritt begann die eigendiche Arbeit des Bildhauers oder eines von ihm in die Brüche gesandten<br />
kundigen Gesellen, vielleicht auch eines aus der Ferne beauftragten, im Steinbruch tätigen Steinmetzen.<br />
Dabei ist in jedem Fall vorauszusetzen, daß die Qualität einer Marmorlagerung durch Augenschein<br />
oder Entnahme einer Materialprobe zunächst geprüft wurde und nach positiver Beurteilung maßgebend<br />
für die Wahl des Werkplatzes wat. 5OS Michelangelo beispielsweise, der viele Jahre seines Lebens<br />
in den Steinbrüchen von Carrara verbrachte, begab sich, nachdem ihm die Ausführung des Grabmals<br />
julius Ir. anvertraut worden war, mit zwei Gehilfen in die Carrarabrüche, in denen er sich acht Monate<br />
aufhielt. Dort ließ er den benötigten Marmor brechen, nachdem er selbst die Marmorblöcke ausgesucht<br />
hatte, und veranlaßte dann den Transport der noch unbearbeireten Blöcke in seine Werkstatt.sosWenn es<br />
ihm nicht möglich war, selbst in den Steinbruch zu reisen, gab er den dortigen Arbeitern genaue Anweisungen,<br />
wobei Michelangelo in enger Verbindung mit dem Steinmetzen Domenico Fancelli stand, der<br />
ebenso viele Jahre in den Brüchen von Carrara verbrachte und Michelangelo den gewünschten Marmor<br />
zusandte.?" Auch Canova reiste selbst in die Carrarabrüche, um den Marmor für das Grabmal Clemens<br />
XIV. auszuwählen; in anderen Fällen schickte er zumindest seinen Assistenten in den Steinbruch, um<br />
Marmor zu kaufen. 508 Generell wird man sagen dürfen, daß der griechische Bildhauer eine aktive Rolle<br />
bei der Auswahl des Blockes, wenn nicht bereits im Steinbruch, dann spätestens bei der Anlieferung<br />
einnahm, da die Qualität und die Charakteristika des Marmors auch die Bearbeitung bedingen. Für<br />
den Bereich der Architektur ist inschrifdich überliefert, daß die Qualität der auf Maß zugerichteten, an<br />
den Arbeitsplatz gelieferten Blöcke sorgfältig überprüft wurde und mangelhafte Ware abgelehnt werden<br />
konnre.?" Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch die Vorgehensweise Berninis, der, wie uns<br />
ein zeitgenössisches Tagebuch berichtet, während seines Aufenthaltes in Paris 1665 beauftragt wurde, ein<br />
Marmorporträt Ludwigs XIV. anzufertigen. Da es aus zeitlichen Gründen nicht möglich war, einen Block<br />
gewesen sein. In hellenistischer Zeit befanden sich die Steinbrüche im Besitz der Könige, s. R Sheperd, Ancienr Mining<br />
(1993) 52. Zu den Besirzverhalrnissen der ephesischen Arremisionssteinbrüche s. S. Kasper, öJh 51, 1976/77, 167;vgl.J.<br />
Y.Mare,Who Owned eheMarble Quarriesof'Thasos during the Imperial Period?, in; Asmosia III 33ff.;A. Dworakowska,<br />
Quarries in Roman Provinces (1983) 26ff.;vgl.Marrin 1965, 59. 147Anm. 2; P. Guiraud,La proprlerefoneiere en Grece<br />
jusqu' a la conqueteromaine(1903);Y.Lintz- D. Decrouee - J. Chamay, Lesmarbresblancsdans [' anriquir"<br />
Abhängig von der bereits bestehenden Infrastruktur des Bruchgebietes waren im Falle der Wahl eines<br />
noch nicht in dieses einbezogenen Areals etliche Vorbereitungen notwendig: Das Gelände mußte begehbar<br />
gemacht und Zufahrtswege eingerichtet werden."! Schmiedevorrichtungen, die in einigen Bruchgebieten<br />
als Einarbeirungen in das Gestein zu beobachten sind, waren für die Herstellung von Keilen und<br />
die Reparatur stumpfgewordener Werkzeuge in der Nähe des Werkplatzes zu installieren.>" Des weiteren<br />
hatte man, falls nicht im Steinbruch ansässige Steinmetzen mit der Extraktion beauftragt wurden, für die<br />
Arbeiter einfache Unterkünfte zu errichten, was gerade bei dem Aufwand, besonders große Werkstücke<br />
wie die kolossalen naxischen Kouroi und thasischen Skulpturen aus dem Stein herauszulösen, erforderlich<br />
war. S13<br />
N. 1. 2. 2 Extraktion des Blockes<br />
Nachdem der Werkplatz so weit hergerichtet war, daß die Arbeit aufgenommen werden konnte, begannen<br />
die Steinmetze mit der Extraktion des Blockes, der inschriftlich überlieferten sog. t0I.lij'I4, indem<br />
sie die ausgewählte Marmorader von der unbrauchbaren oberen Gesteinsschicht säuberten und deren<br />
Oberfläche ebneten. Hierfür standen ihnen Spitzhacken, Keile oder andere Hilfsmittel zur Verfügung.515<br />
Diesen Arbeitsschritt belegen beispielsweise die sich in der oberen Partie der Schrotgrabenwand der Dionysosstatue<br />
befindlichen sehr groben, schräg geführten Spuren eines Spitzhammers."6 Darauffolgend<br />
waren der Umriß des Blockes, aus dem die Statue gefertigt werden sollte, und die Breite der Schrotgräben<br />
zu markieren, wobei an einfache Ritzungen, eine in den Steinbrüchen gängige Handhabung für Vorzeichnungen,<br />
zu denken sein wird, oder an nebeneinander liegende Einkerbungen (Taf. 86 c), wie ich<br />
sie in den Brüchen von Melanes beobachtet habe. Peschlow-Bindokat erwähnt einige kleine Werkstücke<br />
in den milesischen Brüchen, deren Umrisse zunächst vergeritzt wurden."? Schwerstarbeit stellte dann<br />
das Herausarbeiten der Schrotkanäle um den Skulpturenblock herum dar, die gewöhnlich an allen vier<br />
Seiten des Blockes bis aufeine Tiefe, die der Höhe des gewünschten Blockes entsprach, mit einer leichten<br />
510 Wittkowera. O. 12f.<br />
511 Zu den Zofahrtswegen: Kozelj 1988,6; s.auchVasari a. O. 515ff.zu den Schwierigkeiten Michelangelos bei der Erschließung<br />
neuerMarmorlager,die mit einemungeheuren Zeitaufwand verbunden war.<br />
512 Kozelj 1987,23.33 Abb. 13; Kozelj 1988,7 Taf 4.6; Beispiele Karysros und MyliaufEuboia und Archangelau aufTbasos;<br />
Koeelj 1988b,38 Abb. 16 a. b: H. R. Goetre,DieSteinbrüchevon Sounion im Agrilezatal, AM 106, 1991,208 Taf.40,1;<br />
dasSchmieden und Schärfen derWerkzeuge wird beispielsweise inden Inschriften von Didymaerwähne, 8.Tb. Wiegand_A.<br />
Rehm- R. Harder,Didyma11. Die Inschriften(1958)40 Nr. 38; Kozelj 1987,22Anrn. 7.<br />
513 Die archaischen Häuserreste bei demTumulusvon Belevi sind nach Kaspera. O. 176 vielleicht die Bauhütten der Steinmetzengewesen.<br />
Vgl.S. Kasper, AA 1975,230; s. auch F.Lang,Archaische Siedlungen in Griechenland(1996) 137 Anm.<br />
893; vgl.Kozelj 1988, 10;A. Peschlow-Bindokat, Jdl96, 1981, 195.<br />
514 Inschriftensammlung beiMarrin 1965,147Anm. 1 und Orlandos 1968, 19Anm. 6.<br />
515 Vgl. St. Casson, BSA37, 1936/37,22.<br />
516Vgl. Kokkorou-Alewras 1996,Kat.Nr. 60.<br />
517A. Peschlow-Bindokat, JdI 96, 1981, 1~0; es seizudeman die ägyptischen Praktikender Vorritzungen erinnert,s. beispielsweiseR.<br />
Klemm- D. Klemm, DIe Sterne der Pharaonen(1981)40 Abb. 41. Der Umriß des Blockes hätte sicherlich auch<br />
mit Farbe oder Holzkohle. wieCassona, O. 22 es fürdie Umrißzeichnung der Dionysosstatue annahm.bestimmt werden<br />
können, da dieArbeitenjedochunter freiemHimmelstattfanden, werdenwohldauerhafte Markierungenverwendet worden<br />
sein.<br />
209
210<br />
Spitzhacke freigelegt wurden. Die Verwendung dieses Werkzeuges in archaischer Zeit belegen beispielsweise<br />
die Spuren an den Schrotgrabenwänden des Dionysossreinbruches'" (Taf. 79 c), diejenigen in den<br />
ephesischen Arremisionsbrüchen"? oder auch diejenigen an der kleinen Bruchwand in Melanes (Taf. 87<br />
a), die als regelmäßige in parallelen Reihen zur Lagerungsebene verlaufende Streifen, deren Ränder leicht<br />
hervorstehen, zu beobachten sind. DieseSpitzhacke ähnelt dem heute noch in Südfrankreich benutzten<br />
"escoude" und ist mit einer sehr scharfen Spitze an mindestens einem Ende und einem langen Griff<br />
versehenYo Die Verwendung dieses Werkzeuges ist in den Steinbrüchen vom frühen 6. jh. v. ehr. bis<br />
in spätantike Zeit hinein zu verfolgen, wobei die langstielige Spitzhacke dann in römischer Zeit mehr<br />
oder weniger von einer schwereren Hacke verdrängt wurde.P' Die Spitzhacke wird aber nicht das einzige<br />
Werkzeug gewesen sein, das die Steinbrecher für die Bearbeitung der Schrotgräben benutzten. So sind<br />
verschiedene Typen von Hämmern und Hacken sowie Hilfswerkzeuge wie Brecheisen inschriftlich und<br />
literarisch übcrliefert.?"<br />
518 Die Technik,die bei diesemArbeitsschritt angewandtwurde,wurdein der ForschunglangeZeit im Zusammenhang mit den<br />
Spuren desDionysosbrucheskontrovers diskutiert. NachCasson war dieStreifenbossierung das Ergebnis derArbeit mitdem<br />
Schlageisen. Koenigs undAdambetrachteten sie alsResultat desSpitzhammers, derin die jeweils unteren Eckengeschlagen<br />
wurde: Cessen a. O. 23Taf. 3: Adam 1966, 5; Koenigs a. O. 383. Blümel 1927,3 sah in ihr Spitzeisenarbeit. Eine gänzlich<br />
andere Meinung vertrat Kralker, der an eine sägende Feile dachte: W. Kraiker, Archaische Plastik der Griechen (1976) 261f.<br />
Die Masse desMarmors soll nachCasson mit Hilfe: vonSchlageisen und Spitzhacken abgearbeitet worden sein, Casson3. O.<br />
23; Adam rekonstruierte die Bearbeitung der Schrotgräben anhand von Werkzeugspurc:n einessich oberhalb des Dlonysos<br />
befindlichen Arbeitsniveaus undArbeitsspuren in den Brüchen von Mdane:s, Adam 1966, 42ff. Die Werkzcugspuren. die sie<br />
in ihrer Arbeit überhaupt nichtdokumentierte, beschrieb siealsReihen vonrunden,regelmäßigen etwa4 cm breiten Bohrlöchern.diein<br />
kurzen Intervallen aufeinanderfelgen undLängeundBreitederSchrotgräben markieren. Ausdiesenschloßsie,<br />
daß die Umrisse der Blöcke bis zu der gewünschten Tiefe gehohrt wurden. Die Seitenkanäle wurden durch Bohrungen perforiertundderzwischen<br />
ihnenverbliebene Marmor abschließend mit: einemSpitzhammer herausgeschlagen. Adam selbsthielt<br />
dieseArbeitsweise, beidermanden Marmor bisaufeineTiefevon 2.40 m hättebohrenmüssen. zwarfürsehrzeitaufwendig,<br />
aberäußerst akkurat. Adams außergewöhnliche Theorieblieb nichtohne Kritik. doch wurde sie von einigenArchäologen<br />
auch unkritisch übernommen, s. beispielsweise PaJagia 1987, 85; Ridgway 1969, 101. Koenlgs a. O. 381 Anm. 4 schrieb<br />
dagegen vollkommen zu Recht,wie ich nun selbstbeobachten konnte, daß es sich bei den Spuren nicht um Bohrlöcher,<br />
sondern um runde ausgewitterte Mulden, die von Spitzhammer- oder Schlageisenhieben herrühren, handelt. Er betrachtete<br />
solche Bohrungen als .großen und überflüssigen Aufwand, da sich die Trennwände zwischen den Bohrlöchern in einem 4 cm<br />
Schlitz nicht bis zur erforderlichen Tiefe herausschlagen ließen, also die Anjage eines Schrotgrabens damit nicht zu umgehen<br />
war." Vgl. Dworakowska 1975. 136mit Llr., dieeinepräzise Dokumentation forderte, daeineähnliche Technik nurfureinen<br />
derin römischer Zeitausgebeuteten Marmorbrüche: von Karysros aufEuboiain derLiteratur erwähneist.Allgemein zu der<br />
Interpretation der Schrotspuren anband verschiedener Beispiele: Wadkens 1988b, 97ff. Er unterscheidet anband der Tiefe<br />
derSchrotspuren dreiverschiedene Typen.was aufdieVerwendung verschiedener Spitzhacken oderaufdie: unte:rschiedliche<br />
Qualität desMarmors, die dasAussehen derWerkzeugspu.ren bedingt.zurückzuführen sein könnte, wobei das Aussehen der<br />
Schrotspuren im Falle desDionysoswohl durchdie homogeneBettungentstanden ist.<br />
519 Die gleichen Spuren von beinaheparallelen Streifen in einem Abstand von 5 cm sind in den Arternisionssteinbrüchen zu<br />
sehen, s. W.Alzinger, on. 48, 1966/67, 61f. AufThasos beobachtete ich die gleichen Spuren in den Akropolisbrüchen, in<br />
denender Marmor in Stufenabgebaut wordenist.<br />
5 20 Waelkens 1988b, 99.104; M. Wadkens u, a. in: Marble 62f.; vgL Bcssac 1988,Abb. 2: Bessac 1986. 15ff.<br />
521 Dies belegtelnerseirs eine sehrtraditionelle Verwendungvon Technik beim Abbau und andererseits die Anpassung von<br />
Technikan die Nachfrage, denn fiir die Massenproduktion in römischer Zeit ist der "stoeky~piekharnmer" geeigneter. s.<br />
zur Anwendung der leichten Spitzhacke anband einiger Beispiele aus jedem]ahrhundett Waelkens 1988, 15f.; vgl. die Ausführungen<br />
von S. Kasper, Ö]h 51, 1976/77, 170ff.; Waelkens 1988b, 96 Abb. 4 (Bruchwand, Tal von Chordald, Paros):<br />
Waelkens 1988b, 101.<br />
522Des weiteren wurden kleinere Meißd gelegentlichfürdie Korrektur von Steinbruchwänden genutzt, dennerstaunlicherweise<br />
wurde große Sorgfalt aufdie Bearbeitung der Schrotgrabenwände verwandt, wie auch aufdie des Dionysossreinbruchs, die<br />
beinahegeebnet erscheinen. In den ephesischen Artemislonssteinbrüchen sind schräge Schlagspuren zu beobachten, die:<br />
Die Größe des zu gewinnenden Blockes bestimmte die Anlage der Schrotkanäle. Denn diese waren bei<br />
kolossalen Skulpturen so weit anzulegen, daß es den Arbeitern möglich war, in ihnen an dem Statuenblock<br />
zu arbeiten, den Block vom anstehenden Fels zu lösen und aus der Marmorlagerung anzuheben.<br />
Die Breite der Schrotgrabenwände im Steinbruch des Dionysos beträgt durchschnittlich 0,90 m. Koenigs<br />
gibt die Breite der Gräben für zu lösende Quader oberhalb der Dionysossrarue mit etwa 0,50 m an.;23Für<br />
k1einformatige Skulpturen, für die entsprechend kleinere Blöcke zu gewinnen waren, genügten weniger<br />
breite Schrotgräben. Diese hatten die Steinbrecher zumindest so weit herauszuarbeiten, daß sie mühelos<br />
den Block aus dem Stein lösen konnten. So beträgt beispielsweise im Bruchgebiet von Melanes die Breite<br />
der Schrotgräben zwischen herauszulösenden Blöcken von etwa 1,30 m Länge und circa 0,90 m Breite<br />
nur circa 0,20 m. Waelkens schreibt allgemein über die Anlage der Schrotgräben im Steinbruchgebiet bei<br />
Apollonas, daß zwischen den einzelnen Blöcken von circa 0,85 mx 1 m Größe 0,33 m bis 0,60 m weite<br />
Gräben herausgearbeitet wurden,524Eine feste Korrelation zwischen der Größe des Blockes und der Breite<br />
des Schrotgrabens scheint also nicht existiert zu haben.<br />
Um einen Eindruck zu vermitteln, wie mühsam und zeitaufwendig allein das Herausarbeiten der Schrotgräben<br />
war, sollen !m ~olgenden modellhaft. an der Dionyso~~tatue (Kat. N r, 18) einige Überle~gen vorgeführt<br />
werden, die Sich au~ aus der.:xp~rIn1entellen Archäologie heraus ~ewo~nene Erge?nIsse stützen<br />
und bedingt zu übertragen smd 525 ; Fur die Herstellung der Statue hatten die Steinbrecher emen Skulpturenblock<br />
von 10,45 mx 2,55 rn x 2,40 m zu gewinnen. Die Dionysosstatue mißt 10,45 m in der Länge,<br />
wobei dieses Maß zugleich auch die Länge des ursprünglichen Blockes bezeichnet. Denn die Spuren sowohl<br />
an der Oberseite des Kopfes als auch unter den Füßen entsprechen denjenigen an den Wänden der<br />
Schrotgräben (Taf. 79 b. c). Die größte Breite der Skulptur, gemessen an den Schultern, beträgt 2,55 m.<br />
Aufgrund der entsprechenden Spuren an den Flanken der Skulptur gibt dieses Maß wiederum die Breite<br />
des ursprünglichen Blockes an. Die größte Tiefe der Figur und somit die Tiefe des Blockes beläuft sieh<br />
auf die Verwendung von Meißdn deuten, s, Alzinger a, O. 61f.; Waelkens 1988b, 102; zu den Qudlen: A. Dworakowska,<br />
Creek Quarrying Hammers as Shown in Ancient Texts, Archeologia Warszawa 25, 1974. 22f.; Quellenzitate zu dem Begriff<br />
Aazo~(,: Orlandos 1968, 15 Anm. 8: Quellenzitate zu TÖKO, oder TÖXO
212<br />
auf2,40 m. Da um den riesigen Block aller Wahrscheinlichkeit nach vier Schrotgräben angelegt wurden,<br />
standen die Steinmetze einem insgesamt 29,6 m langen, 0,90 m breiten und 2,40 m tiefen Marmorgraben,<br />
umgerechnet einer Marmormasse von 64 m' gegenüber, die sie mit einer leichten Spitzhacke, die bei<br />
hartem Gestein wie Marmor nicht tief in den Fels greift, sondern nur kleine Stückehen absplittert, abzuarbeiten<br />
hatten. Blickt man zum Vergleich aufdie Arbeitsleistung im Grubenbau von Laurion, so sind<br />
die ungeheuren Dimensionen zu erkennen, mit welchen die Steinmetze gerade im Falle dieser Skulptur<br />
konfrontiert waren. Denn lediglich 0,6 m' des ungleich weicheren Laurionkalks meißelten die Bergarbeiter<br />
in einem Schacht von 0,6 m x 0,9 m Größe in 10 Stunden fort, wobei sie in dieser Zeit 10 cm bis 12<br />
cm in die Tiefe vordrangen.526 Äußerst aufschlußreich ist auch der Versuch Kozeljs, der einen Block von 1<br />
mx 0,5 mx 0,25 m aus dem anstehenden Marmorgestein löste, indem er antike Techniken anwandte. 527<br />
Kozelj, der zwar ein kräftiger Mann, aber kein geübter Steinbrecher ist, beschreibt detailliert die einzelnen<br />
Schritte der Extraktion und die Zeitdauer, die sie erforderten: Zunächst ritzte er mit Spitzmeißel und<br />
Schlegel den Umriß des Blockes von 3 m in etwa 9 Minuten ein, wobei in Analogie für die Markierung<br />
des Blockes für die Dionysosstatue circa 1,15 Stunden zu veranschlagen wären. 528 Kozelj, der um seinen<br />
Block herum insgesamt einen Graben von 2,30 m x 0,15 mx 0,25 m, also ein Marmorvolumen von 0,09<br />
rrr', abzutragen hatte, nahm Meißel und Schlegel zur Hand und benötigte für das Herauslösen der Kanäle<br />
19,5 Stunden reine Arbeitszeit. Die Steinmetze waren im Falle des Dionysos mit einer 711fach größeren<br />
Marmormasse konfrontiert, wobei wohl zwei Jahre intensivster Arbeit und Anstrengung für einen Arbeiter<br />
zu veranschlagen sind, um allein diese vier Schrotgräben herauszuschlagen. Geht man einen kleinen<br />
Schritt weiter in der Überlegung, so hätten maximal zehn Arbeiter, die gleichzeitig in Anbetracht des einer<br />
jeden Person zuzubilligenden Arbeitsradius von 2,5 m in den Gräben beschäftigt werden können, bei<br />
ununterbrochener Arbeit allein etwa 2,5 Monate benötigt, um die Gesteinsmasse abzutragen.F' Um die<br />
weiterenArbeiten nicht zu behindern, war der bei diesem Arbeitsschritt anfallende Gesteinsschutt beiseite<br />
zu schaffen. Das Material aus den Schrotgräben der Dionysosstatue beläuft sich bei unserer Rechnung auf<br />
176Tonnen (!).530 Interessant sind in diesem Zusammenhang die Angaben von Müller, der die Arbeitsleistung<br />
für das Großsteingrab von Kleinenkneten berechnete, nach denen eine Person 157 kg Steinmaterial<br />
mittels Körben in einer Stunde über eine Entfernung von 100 m fortzutragen vermag.>" In Analogie wäre<br />
ein Arbeiter ca. drei Monate allein damit beschäftigt, die Marmormassen über eine Distanz von 100 m<br />
526 s, Lauffer a. O. 22ff Tab. 1 "Die Arbeitsleistung beim Grubenbau im Laurionkalk." Die 10 h Arbeitszeit bezeichnen eine<br />
Schichtdauer.dieanhand der Brenndauer derGrubenlampen ermittelt wurde, wobei dieArbeitsleistung eines Monats dem<br />
Abbau voncirca10m desLaurionkalks in demSchacht von0.6 m x 0.9 m entspricht. DerVergleich ist nur zur Verbildliehurig<br />
genannt. Da die Bergarbeiter in kniender Position arbeiten mußten,liegen unterschiedliche Arbeitsbedingungen<br />
vor.<br />
527 Kozel] 19BBb. 36ff.<br />
528 DieinnereBegrenzung derSchrotgräben,zugleich derUmrißdesBlockes desDionysos mißtinsgesamt 26 m. DasEinritzen<br />
der äußeren Schrotgräbenbegrenzungen, die beider kolossalen Skulptur einerStrecke von 33.2 m entsprechen, würdein<br />
Analogie zu Kozeljs Zeitrechnung etwa2 h beanspruchen. Denn Kozdjbenötigte erwa 12 min, um einenGesamtwnriß von<br />
3,40m zu markieren, s. Kozelj 1988b, 36ff.<br />
529 In den l..ängsgräben hättenje vier, in den Kungräben je eine: Person arbeiten können.Ob manmit so vielenBeschäftigten<br />
rechnen darf,magdahingestellt sein. In Didymagehtman bei derVerteilung der Personen im Steinbruch davonaus, daß<br />
zwei oderdreiArbeiter aneinerSäule arbeiteten. s.A. Pescblow-Bindokar, DieSteinbrüche vonSelinunt (1990) 40 mitAnm.<br />
70.<br />
530DasMarmorvolumen derSchrotgräben von64 m 3 multipliziert miteinemspezifischen Marmorgewicht von 2.75 tl m 3 ergibt<br />
176000 kg.<br />
531 J.Müller, .Die Arbeitsleistung für das Großsreingrab beiKleinenkneten I", Experimenrelle Archäolngie in Deutschland. 4.<br />
Beih. (1990) 213Abb. 5;vgl. zu Beforderungsmöglichkeiten vonLasten im Steinbruch oderan derBaustelle dasKapirellY.<br />
2. 1 ,.Transportmittel".<br />
fortzuschaffen.s" In Apollonas wird der Marmorschutt, sofern man ihn nicht anderweitig verwenden<br />
konnte, zu einem Großteil ins Meer geworfen worden sein. 533<br />
Das risikoreichste Unternehmen des gesamten Extraktionsprozesses stellte dann, nachdem die Schrotgräben<br />
aus dem Stein herausgemeißelt waren, das Absprengen des Blockes vom anstehenden Stein dar, das<br />
die Steinbrecher gewöhnlich durch Keilspaltung erreichten. Bei diesem technisch äußerst komplizierten,<br />
Fachkennrnis erforderndenArbeitsschrittwaren die Charakteristika des Gesteins wie die natürlichen Spaltungstendenzen<br />
oder die Härte des Materials zu berücksichtigen.53.Bereits seit der archaischen Zeit lassen<br />
sich verschiedene Arten von Keiltechniken und Absplitterungen nachweisen, die aufspezifische, materialbedingte<br />
praktische Probleme zurückzuführen sind, wobei auch die Größe des zu gewinnenden Blockes<br />
eine wichtige Rolle spielte. Denn bei kleinen Blöcken war es generell möglich, auf die Keilspaltung zu<br />
verzichten, indem die Blockunterkanten mit dicht nebeneinander gesetzten SchIageisenhieben bearbeitet<br />
wurden und die Absprengung des Blockes (Taf. 84 d) allein aufdiese Art erreicht wurde. 535 Diese Technik,<br />
die als Peinrille - Technik bezeichnet wird, scheint jedoch entgegen der herrschenden Meinung keinerlei<br />
Datierungskriterium für vorhandene Arbeitsspuren zu sein, da sie bereits in archaischer Zeit nicht nur<br />
für die Extraktion kleiner Blöcke, sondern gelegentlich auch für die gtoßformatiger Blöcke Verwendung<br />
fand, wie es die Extraktionsspuren in Melanes nahelegen.P" Denn während die Kombination dieser Technik<br />
und der Keilspaltung in Apollonas und aufThasos in archaischer Zeit auch für größere Blöcke beobachtetwurde,<br />
nahm man bisher an, daßdie reine Poinrille - Technik in archaischer Zeit nur bei kleineren<br />
Blöcken, wie in Apollonas und Belevi zu beobachten ist, Anwendung fand. 537 Aus dem Bruchgebiet von<br />
Melanes lassen sich nun nicht nur weitere Beispiele für die Kombination von der Peinrille - Technik und<br />
Keilspaltung anführen, sondern es läßt sich auch die Anwendung der Pointille -Technik für große Blöcke<br />
belegen. Interessant ist eine in Melanes zu beobachtende Extraktionstechnik, bei der an einer Blockseite<br />
die Pointille - Technik mit der Technik der Keilspaltung kombiniert wurde: So zeigt die Unterkante eines<br />
etwa 2,70 m x 0,74 m großen Blockes (Taf. 86 a) dicht nebeneinander liegende runde Eintiefungen<br />
von ca. 4 cm Durchmesser, zwischen denen zwei Keillöcher von einer Länge von 10 cm und 13,5 cm<br />
herausgelöst wurden. Die gleiche Technik dokumentieren die neben der ca. 4,40 m hohen Bruchwand in<br />
Melanes befindlichen, mit dem Schlageisen in den Felsen eingearbeiteten punktförmigen Vertiefungen<br />
(Taf. 87 b) unterschiedlicher Größe, wobei der maximale Durchmesser auch hier 4 cm beträgt; zwischen<br />
ihnen arbeitete der Steinbrecher ein 16 cm langes, 5 cm breites und 8 cm tiefes Keilloch heraus.<br />
Bei der Keilspalrung, für die seit der archaischen Zeit nachweislich neben den inschriftlich überlieferten<br />
Holzkeilen auch Metallkeile verwandt wurden, setzte allein schon die Positioniemng der Keillöcher eine<br />
große Erfahrung mit dem Material voraus, da es anscheinend von Marmorader zu Marmorader unter-<br />
5321121.01 h reineArbeitszeit ergeben umgerechnet beieinem12hArbeitstag: 93Tage 3 h.<br />
53'Der in den Steinbrüchen anfallende Gesteinsschutt wurde aufThasos inAlikiund Vathy zu Hügelnaufgeschüttet. aufdem<br />
Pentelikon in nichtmehraktiveSteinbruchabschnitte gefülltodervon den Schiffen aufsMeerhinausgefahren, wie im Falle<br />
vonPhanari aufThasos. s. Kozelj19BB, 7f.;M. Korres in: Asmosia 1111ff. Gerade dienochausstehenden Untersuchungen<br />
diverser Schutthiigel könntenweitere Informationen überdieArbeiten im Bruchgeben.<br />
534 Dworakowska 1975.110;Waelkens 19B8b, 91:Waelkens 19BB. 17.<br />
~3' Wadkens1988, 17 Abb.6. Eineandere MethodeistdasPiezieren der Keillöcher in vorbereitete: Furchen, der sogenannten<br />
Keilgrube oderauchKeilnut. s.Waelkens 19BB. 17;Waelkens 19BBb. 104f.<br />
536 s. obenS. 19BmitAnm, 44B;Kokkorou-Alewras 1992beschrieh allgemeineineindennaxischen Brüchen fürdiearchaische<br />
Zeitso typischeTechnik. dochsinddie technischen Befunde vielaussagekräftiger undkeineswegs sotypisch fürdiearchaische<br />
Zeit, wiemanbisher angenommenhat.<br />
537 Waelkens 198B. 17Abb. 17;M.Waelkens u. a. in:Marble 64.<br />
213<br />
Ị<br />
:.JIII
214<br />
schiedlich gewesen ist, an welchen Seiten des Blockes und in welchem Abstand Keillöcher zu setzen<br />
waren. 5JB Bei der Dionysossratue berücksichtigten die Steinbrecher die natürliche Tendenz des Marmors,<br />
entlang der Schichtlinien zu splittern.<br />
Casson dokumentiert Keillöcher an beiden Längsseiten der Statue in einem Abstand von nur wenigen<br />
Zentimetern.'" Auch in den Brüchen der Akropolis von Thasos sind dicht nebeneinander gesetzte<br />
Keillöcher (Taf. 77 b) zu beobachten, die entlang der Längsseiten des Blockes führen. Koenigs schreibt<br />
allgemein über das Sreinbruchgebiet von Apollonas, daß in einem Abstand von circa 0,50 m Keile in die<br />
Längsseiten und die Schmalseiten des Blockes eingesetzt und vor jedem Keilloch flache Mulden ausgearbeitet<br />
wurden, damit die Steinbrecher die Keile ungehindert in die knapp über dem Boden befindlichen<br />
Keillöcher mit dem Vorschlaghammer einschlagen konnren.>" In dem sich oberhalb der Statue befindlichen<br />
Areal, aufdas sich Koenigs bezieht, ist die Verwendung von Keilen allerdings nur jeweils an einer<br />
der Längsseiten zu beobachten, während die andere Seite mit nebeneinander liegenden Schlageisenhieben<br />
umrissen wurde, um das Absprengen des Blockes zu erleichrern.>" Für die Extraktion eines 5 m x 1 m<br />
großen Blockes schlug man hier acht, für die eines 3 m x 0,90 m Blockes sechs Keile ein, wobei anhand<br />
der hier sichtbaren Keilspuren allerdings entgegen der bisherigen Aussagen deutlich hervorgeht, daß der<br />
Absrand der Keile voneinander sehr unregelmäßig war und von ca. 30 cm bis 84 cm variierte.v" Kokkorou-Alewras<br />
wiederum beschreibt die Extraktion eines 2 m x 3,5 m großen Blockes in Apollonas anhand<br />
von Spuren aus der nördlichen Bucht, für die an der einen Seite sechs Keile und an der anderen Seite<br />
dreizehn plazierr wurden und die Keillöcher selbst eine Länge von 0,17 m, eine Breite von 3,5 cm und<br />
eine Tiefe zwischen 2 bis 3 cm aulWeisen.'" Die Breite der im Apollonas-Bruchgebiet verwendeten Keile<br />
liegt etwa zwischen 10 cm und 18,5 cm.<br />
Wie allein schon das breite Spektrum der im Apolloaas- und Melanesbruchgebier angewandten Extraktionstechniken<br />
- in keinem der beiden Abbaugebiete ist die Verwendung von Holzkeilen zu beobachten<br />
_verdeutlichen kann, unterlagen weder die Anzahl der Keile noch die Größe der Intervalle zwischen den<br />
Keillöchern festen Regeln. So sind sowohl der Abstand der Keillöcher voneinander als auch generell die<br />
unterschiedlichen Arten der Absprengungen nicht als Datierungskriterium zu verstehen, sondern vielmehr<br />
in Abhängigkeit von dem Material zu betrachten.>"<br />
Betrachten wir abschließend den für diesen Arbeitsschritt erforderlichen Arbeits- und Zeitaufwand, so<br />
ist festzuhalten, daß er im Vergleich zu dem Herausarbeiten der Schrotgräben verschwindend gering ist.<br />
Dies vetanschaulicht wiederum der Versuch Kozeljs, der seinen Block von 1 mx 0,5 mx 0,25 m mit vier<br />
Eisenkeilen löste?": Kozelj begann mit der Markierung von vier 11 cm x 6,5 cm großen Keillöchern, die<br />
er an der Längsseite des Blockes in einem Abstand von 0,1 1 m plazierte. Die hierfür erforderliche Arbeitsdauer<br />
betrug 5 Minuten. Das Einarbeiten der Keillöcher, deren Maß sich nach innen auf 0,07 m x 0,02<br />
m verringerte, in eine Tiefe von 0,105 m nahm 2 Stunden 16 Minuten in Anspruch und das Einschlagen<br />
der Keile wiederum dauerte 15 Minuten.<br />
Mindestens zwei Tage sind also für die Extraktion eines kleinen Skulpturenblockes erforderlich, denn das<br />
Lösen des 1 mx 0,5 m x 0,25 m großen Blockes beanspruchte insgesamt 22,5 Stunden reine Arbeitszeit.<br />
Zwei und ein halbes Jahr reine Arbeitszeit für die Extraktion eines kolossalen Skulpturenblockes mit den<br />
dabei einhergehenden Arbeitsschritten wie dem Wegtragen des Steinschuttes dürfte hingegen nicht zu<br />
hoch veranschlagt sein, zumal auch die Suche nach dem geeigneten Marmorblock und unter Umständen<br />
das Prüfen des Materials, das Herrichten des Geländes für die Aufnahme der Arbeit, das Ebnen der<br />
OberRäche des Gesteins, das Schmieden der stumpf gewordenen Werkzeuge'" sowie Arbeitspausen zu<br />
berücksichtigen sind.<br />
215<br />
IV. 1. 2. 3 Der Steinbruch als Fertigungsplatz von Skulpturen<br />
538 In dem in die archaischeZeit zu datierenden Steinbruchabschnirr, der für den Tumulusvon Beleviausgebeutetwurde, istdie<br />
Extraktion von Blöcken mittels Metallkeilen belegt, s. Kasper a. O. 172; M. Wae1kens u. a. in: Marble 63 Abb. 17; Alzinger<br />
vermuret, daß in den ephesischen Arremisionssteinbrüchen das Ablösen der Blöcke durch Einsetzen von Holzkellen bewirkt<br />
wurde, die nach dem Einschlagen befeuchtet wurden, aufquellen und so den Block vom anstehenden Stein absprengten, s.<br />
W. Alzinger, Ö]h 48,1966/67,63; vgl. W.Wurster, AA1969, 30Anm. 15;zurVerwendung vonHolzkeilen indenBrüchen<br />
mit Beispielen, s. M. Wadkens u. a. in: Marble 65. Die vertikale Absplitterung wird als Stoßspaltung und die horizontale als<br />
Hebespaltung bezeichnet.<br />
539 Casson a. O. 24; Casson hielt die Verwendung sowohl von hölzernen als auch von Metallkeilen für möglich, Koenigs sprach<br />
sich wegen der kleinen und glattwandigen Löcher für die Benutzung von Metallkeilen aus, was auch durch die neuere Untersuchung<br />
von Waelkens bestätigt wird. W Koenigs, AA 1972, 383 Anrn. 4; Wadkens 1988b, 104; ebenda weitere Lir.<br />
zur Diskussion, ob Holzkeile überhaupt benutzt wurden, vgl. Waelkens 1988, 17; A. Dworakowska, Archeologia Warszawa<br />
38,1987, 25ff.; generell ist hinsichtlich der Verwendung vonHolzkeilen (s.die Diskussion bei Wadkens 1988b, 104)zu<br />
bemerken, daß Holzkelleinschriftlich überliefert sind und daß in einem Steinbruch von Kos,in dem allerdings ein weicheres<br />
Gestein abgebaut wurde, außer einem Eisenmeißel auch ein Holzkeil gefunden wurde, s. E. Chiotis - G. Papadimitriou in:<br />
Asmosia 1II7ff.Abb. 2. 5.<br />
5'0 Koenigs a. O. 383;Wadkens 1988,17Abb. 5;Wadkens 1988b, 104.DieKeillöcher wurden in Präzisionsarbeit eingearbei.<br />
ret, zugleich der dabei anfallende Marmor beseitigt und die Keile eingeschlagen, wobei der Winkel des Einschlages 30° nicht<br />
übersteigen sollte. Auch unter diesem Gesichtspunkt wird die Weite der Schrotgräben verständlich, mußten sie doch den<br />
Arbeitern genügend Raum bieten, um diese Arbeitsschritte auszuführen und die Keile mit einem Hammer einzuschlagen.<br />
54l Vgl. oben 5.194; zur Technik, die Unterkante des Blockes mit Schlageisenhieben zu bearbeiten: M. Waelkens u. a. in: Marble<br />
64; Waelkens 1988, ]9. Diese Technik ist auch in Phanari auf Thasos und Belevi für die archaische Zeit zu belegen. s. Wadkens<br />
1988,17.Vgl. Dworakowska 1975, 109.<br />
5" s.obenS. 193f.<br />
5·'13 Kokkorou-Alewras 1992, 119 Anm. 54.<br />
In archaischer Zeit dokumentieren zahlreiche Skulpturenfunde die bildhauerische Tätigkeit im Steinbruch.'"<br />
Kolossale Figuren wie die Kouroi Kat. Nr. 11 (Taf. 9), Kat. Nr. 12 (Taf. 10) und die Dionysossrarue<br />
Kat. Nr. 18 (Taf. 77 c; 78) bossierten die Steinmetze direkt an On und Stelle, um das immense<br />
Gewicht für den Transport zu reduzieren und eventuelle Fehler im Material in einem möglichst frühen<br />
Bearbeitungsstadium aufzudecken. Der Steinbruch war aber auch Fertigungsplarz kleinformatiger Plastiken<br />
und Statuetten, wie es die Kouroi Kat. Nr. 1 und Kat. Nr. 8 belegen. Unabhängig von deren Größe<br />
fertigten die Bildhauer die Skulpturen schon im Bruch bis zu einem erstaunlich weit fortgeschrittenen<br />
544 Dieses von Waelkens allgemein über die griechischen Extraktionsmethoden skizzierte Bild ist durch die besprochenen Beispielezu<br />
ergänzen und zu präzisieren. Da beispielsweise der Doliana - Marmor sehr leicht abzusplittern ist) verwandte man nicht<br />
zahlreiche nahe beieinander liegende Keile, sondern es genügre sogar bei der Extraktion großer Blöcke ein einziger großer<br />
Keil, s.Waelkens 1988b, 91Abb.1;s.zudenDolianabrüchen Anm.395;Waelkens 1988b, 105ff.<br />
545 Kozelj 1988b, 36ff.<br />
546 Ein Meißel wird spätestens nach 2 Stunden Arbeit unbrauchbar, wobei ca. 15 min für das neuerliche Schmieden eines Werkzeuges<br />
benötigt werden.<br />
547 Die Bearbeitung von Skulpturen in den Steinbrüchen ist bereits in Ägypten, bei den Hethitern und in Mesopotamien eine:<br />
gängige Praxis, s. Waelkc:ns 1988b, 107 mit weit. Lic.; s. auch I. Temizsoy, 1990 yili Yesemek tasocagi ve heykel atölyesi kazi<br />
ve restorasyon calismalari II. Müze kurrarma kazilari semineri (1992) 299ff. (Grabungs- und Restaurierungsarbeiren im Jahr<br />
1990im Steinbruch und in der Bildhauerwerkstatt vonYesemek); J.Temiszoy, Yesemek Quarryand Seulpture Workshop,<br />
AnadoluKonf(1992) 57ff.<br />
+
216<br />
Stadium, wie es die Kouroi Kat. Nr. 1 (Taf. 1), Kat. Nr. 11 (Taf 9), Kat. Nr. 12 (Taf 10) und der Löwe<br />
Kat. Nr. 29 (Taf 17 d) illustrieren, deren Gestalt sich bereits sehr deutlich abzeichnet. 5
218<br />
Während die Befunde aus der archaischen Zeit, die die Arbeit in den Steinbrüchen illustrieren, äußerst<br />
zahlreich sind, fehlen bis heute vergleichbare sichere Befunde aus der klassischen und hellenistischen<br />
Zeic. s64 Lediglich einige der hellenistischen Skulpturen von Delos (Kat. Nr, 80, Taf. 51 b: Kat. Nr. 108,<br />
Taf. 55 a) vermögen zu illustrieren, daß sich die Statuen in einem sehr frühen Stadium der Fertigung bereits<br />
außerhalb des Bruches befanden. In römischer Zeit hingegen wurde der Steinbruch wieder intensiv<br />
als Fertigungsplatz für Skulpturen genutzt, wie es die zahlreichen Funde in den Brüchen belegen.'65 Aufgrund<br />
dieser Überlieferung neigt die archäologische Forschung derzeit dazu, die bildhauerische Aktivität<br />
in den Steinbrüchen in der klassischen und hellenistischen Epoche zu negieren, was m. E. allerdings eine<br />
allzu oberRächliehe Erklärung dieses Phänomens darstellt. So ist beispielsweise die Interpretation von<br />
Adam, die für die nacharchaische Zeit wegen der komplizierteren Gestaltung der Skulpturen eine Vorproduktion<br />
für unmöglich hält, wegen entsprechender Skulpturenfunde aus römischer Zeit nicht überzeugend.<br />
566 Als mögliche Erklärung für das Fehlen der Skulpturen im Bruch sind zunächst die technischen<br />
Aspekte wie Anstückungen oder das Arbeiten nach Modellvorlagen anzuführen, die gerade in dieser Zeit<br />
eine wichtige Rolle im Fertigungsprozeß der Statuen eingenommen haben. 56 ? Dennoch ist das Ergebnis<br />
m. E. eher auf den Zufall der Überlieferung zurückzuführen, da hierbei sowohl das Schicksal als auch<br />
die eingangs skizzierte Ausbeutungsgeschichte zahlreicher Steinbrüche und gerade der bedeutendesren<br />
Rohscoffiieferanten des Skulpturenmarmors wie der pentelischen, thasischen und parischen Brüche zu berücksichtigen<br />
ist. Zu bedenken gilt es ferner, daß die besonders günstige Überlieferung für die archaische<br />
Zeit aus den naxischen Brüchen deswegen vorliegt, weil der dortige Betrieb vorzeitig abgebrochen wurde<br />
und nach der archaischen Zeit mehr oder weniger zum Erliegen kam, daß ferner auf dem Penteli eine<br />
Verlagerung der Gewinnung vom Nordabhang auf den südwestlichen Bergrücken vorzuliegen scheint<br />
und daß die pentelischen und thasischen Brüche weit über die griechischen Epochen hinaus ausgebeutet<br />
wurden. Des weiteren bleibt in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit hinzuweisen, bereits gebrochenes<br />
Material weiterzuverwerten und aus einer größeren Skulptur kleine Figuren zu fertigen. Von einer<br />
grundsätzlichen Verlagerung der Arbeit in das Atelier oder auf die Baustelle kann jedoch nicht die Rede<br />
sein, da allein schon die Bossierung in jeder Epoche in den Steinbrüchen hätte durchgeführt werden<br />
können. Der Befund aus der römischen Zeit ist mit dem grundsätzlich veränderten Hersteliungsprozeß<br />
sowohl hinsichtlich der Quantität der Produktion als auch der staatlich gelenkten Organisationsform<br />
zu erklären; bei der Herstellung von "Massenware" war die Organisation und Durchstrukturierung auf<br />
jeder Fertigungsebene norwendig.l'" Neben der Vorfertigung im Steinbruch, die beispielsweise die in den<br />
pentelischen oder thasischen Brüchen oder auf dem Transport liegengebliebene Halbfabrikate belegen,<br />
nahm nun das in großem Ausmaß erfolgende, von der Nachfrage abhängige FertigstelIen von Produkten<br />
im Steinbruch ebenso wie die Herausbildung spezialisierter in den Steinbrüchen ansässiger Ateliers<br />
eine zentrale Bedeutung ein. 569 Die Herstellung von Plastik erfolgte bereits im Bruch nach festgelegten<br />
Fertigungssrufen. Dies ist sicher in vorrömischer Zeit nicht der Fall gewesen. Dennoch werden in jeder<br />
Epoche in den Sreinbrüchen Skulpturen gefertigt worden sein, so weit es die dabei angewandte Technik<br />
zuließ und die jeweilige Erfordernis verlangte. Von einem genormten Vorgehen, bei dem die Skulpturen<br />
durchweg bis zu einem einheitlichen Stadium im Bruch vorgefertigt werden, kann aber nicht die Rede<br />
sein. Das von Vasari beschriebene Bild von dem regen und ständigen Werkeln heimischer Bildhauer in<br />
den Brüchen von Settignano?? sollte man auch für die griechischen Brüche nicht gänzlich aus den Augen<br />
verlieren, zum al beispielsweise auch heute manche Bildhauer ihre Ateliers nahe der Steinbrüche von<br />
Carrara besitzen."<br />
Anhand der unfertigen archaischen Skulpturen können einige weitere Bemerkungen zum Betrieb und<br />
Organisation der gewöhnlich innerhalb des Steinbruchareals liegenden Fertigungsplärze-" getroffen werden,<br />
die auch für spätere Epochen gültig sind.<br />
Zunächst soll ein Blick auf den Arbeits- und Zeitaufwand bei der Bossierung einer Skulptur im Steinbruch<br />
geworfen werden. Wiederum steht die Dionysosstatue Kat. Nr. 18 im Mittelpunkt der Überlegungen,<br />
bei denen von dem ursprünglichen Gewicht des Blockes, aus dem die Statue herausgemeißelt<br />
wurde, auszugehen sein wird. 573 Der Skulpturenblock von 10,45 mx 2,55 m x 2,40 m entspricht einem<br />
Marmorvolumen von 63,9 m'. Dies ist gleichbedeutend mit einem Gewicht von 175,7 Tonnen. Da das<br />
Gewicht der bossierten Skulptur circa 69 Tonnen beträgt"', meißelten die Steinmetze bereits etwa 106,7<br />
219<br />
564 Ein grundsätzliches Problem stellt hierbei die Datierung von unfertigen Skulpturen dar. Denn diese liefern uns, insofern sie<br />
nicht aus einem datierbaren Fundkontext stammen, in einem wenig fortgeschrittenen Stadium der Bearbeitung kein ausrelehendes<br />
Datierungskriterium. Vgl. die Befunde unfertiger Plastik aus den pentelischen Brüchen, S. 201ff. s. auch Dworakowska<br />
1975,21 Anm. 70. 116 (unfertiges Relief und Werkzeuge aus Lesbos, Ano Latorneia Kourtze): Dworakowska 1975.<br />
36 Anm. 131 (antike Skulpturen aus Dimaristika).<br />
565 Vgl. die Skulpturen aus den rhasischen Brüchen, s. Kap. IV. 1. 1.3 "Steinbrüche auf Thasos": ein weiterer Beleg für die Arbeit<br />
in den Steinbrüchen in römischer Zeit ist der bereits erwähnte obere Teil einer Kolossalstatue, der sich ursprünglich aufdem<br />
Penteli unterhalb des Gipfels vor dem antiken Steinbruch befunden hat. s. S. 201f.; s. auch Waelkens 1988b, 107 Anm. 137<br />
mit Llr.: Waelkens ebenda sieht die Bearbeitung der Skulpturen bereits im Steinbruch in Zusammenhang mit der kolossalen<br />
Größe:,aber es sei daran erinnert. daß auch kleinformatige Skulpturen in den Steinbrüchen bearbeitet wurden. VgLWadkens<br />
1988, 18f.; s. zu unfertigen Statuen und Sarkophagen in einem phrygischen Steinbruch, worunter sich eine fast vollendete<br />
Barbarenstatue befindet. die für dasTrajanforum bestimmt war: M. Waelkens, AJA 89, 1985. 641 fT.; s. hierzu pfanner 1989.<br />
172:J.C. Fant, A]A 89, 1985, 655fT.: M. Waelkens in: Classical Marb!e 139fT. Auch zur Zeit Diokletians arbeiteten begabte<br />
Steinmetze und Bildhauer in einem Steinbruch in Pannonien. die Dicklerian beauftragte, u. a. eine Kolossalstatue eines<br />
Sonnengones in seinem Wagen und einige "ornamenred columns of porphyry" herzustellen. Als die Bildhauer Claudius,<br />
Castonius, Simpronianus und Nikestratus sich weigerten, eine Statue des Aeskulap herzustellen und den Sonnengott nicht<br />
anerkennen wollten, wurden sie hingerichtet, s. A. Burford, Craftsrnen in Creek and Roman Sociery (1972) 76f.; Passio Sancrorum<br />
IV coronatcrum, W. Wattenbach (Hrsg.), Über die Legende von den Heiligen vier Gekrönten, Sitzungsberichte der<br />
Akademie der Wissenschaft in Berlin 1896. Vgl. auch N. Asgari in: Classlcal Marble 115ff. (Kapitdlfertigung im Bruch).<br />
566 Adam 1966, 7: vgl. Palagia 1987, 81.<br />
567 s. das Kap. IIL "Technische und handwerkliche Aspekte des Pertigungsprozesses".<br />
5G8pfanner 1989, 172.<br />
5G9pfanner 1989, 172: M. Waelkens in: Classlcal Marble 139ff.; N. Asgari in: Akten des 10. Internationalen Kongresses für<br />
KlassischeArchäologie, Ankara 1973 (I978) 467ff.; M. Wurch-Kozelj - T. Kozelj in: Armosia 111 39ff.: Waelkens 1988b, 110;<br />
vgl. F.Rakob - T. Krauss, Chemtou, Du. Die Kunsraeitschrifr H. 3, 1979, 48fT.55ff.<br />
570Yasaria. O. 483 schreibt: "In Settignano, drei Meilen vor der Stadt. wo er [gemeint ist Michelangele. die Verf.] von den Vorfahren<br />
her ein Gut besaß (der Ort ist reich an Steinen und ganz voll von Steinbrüchen. in denen ohne Unterlaß Steinmetzen<br />
und Bildhauer arbeiten, die meist in jenem Ort heimisch sind)...."<br />
571 Vgl. Waelkens 1988b, Anm. 139.<br />
572In den unterirdischen pariselten Brüchen werden sich aufgrund der Lichrverhälmisse die Bearbeitungsplätze allerdings auf<br />
einem Areal vor den Brüchen befunden haben. Bei der Identifizierung der Werkpläne im Gelände. was besonders für die<br />
naxischen gilt, muß man sich deren Größe vor Augen halten. die sich nach der Größe der zu fertigenden Skulptur richtet:<br />
Da der Kouros aus Phlerio 5,55 m hoch und rnax. 1,45 m breit ist und der Kouros aus Pharangi eine ursprüngliche Höhe<br />
von ca. 4,75 m und eine Breite von 1,40 m aufweist, ist für die jeweilige Ausdehnung des Werkplatzes mindestens 6 m x<br />
3 rn zu veranschlagen.<br />
573 s. zum Aufwand der Bossierung von Architekrurgliedern Kozel] 1988,7;]. P.Adam, La construction romalne, rnareriaux et<br />
technique (1985). Die Sarkophage im Steinbruchgebiet von Saliara sind nach der im Steinbruch durchgeführten Bossierung<br />
circa um die Hälfte ihres Gewichtes reduziert worden, wobei das ursprüngliche Gewicht des Rohblockes etwa 2.9 Tonnen<br />
und das der zum Transport bereit stehenden bossierten Sarkophage ca. 1,5 Tonnen betrug, s. M. Wurch-Kozelj _ T. Kozelj<br />
in: Asmosia III 45; s. hierzu allgemein M. Wae1kens, Technique de carriere, prefaconnage et areliers dans Ies civilisations<br />
classiques (1990).<br />
574J. J. Coulton, JHS 94,1974,18.<br />
..
220<br />
Tonnen Marmor, 38,8 m'des Materials, fort' Kozelj benötigte, um ein Marmorvolumen von 0,09 m' mit<br />
Meißdund Schlegel herauszuarbeiten, 19,5 Srunden.?' Da es sich hier um das 431fache Marmorvolumen<br />
handelt, darf man wohl zwei Jahre reine Arbeitszeit für eine Person annehmen, die alleine mit der<br />
Bossierung der Skulptur beschäftigt gewesen wäre, Der Werkplatz mußte gleichzeitig von dem Steinabfall<br />
gereinigt werden, wobei eine Person, um allein das bei der Bossierung anfallende Steinmaterial von 106,7<br />
Tonnen mit Körben über eine Distanz von 100 m wegzutragen, etwa zwei Monate benötigt hätte. Nach<br />
ca. 2 Stunden intensiver Meißel arbeit werden die Werkzeuge unbrauchbar und müssen für die fortlaufende<br />
Arbeit neugeschmiedet werden. Da die Skulpturen im Steinbruch fast gleichmäßig von allen Seiten,<br />
auch von unten, mit dem Spitzmeißel bearbeitet wurden - wovon die Dionysosstatue selbstverständlich<br />
ausgenommen ist, was aber erstaunlicherweise auch auf die kolossalen Kouroi von Mdanes zuzutreffen<br />
scheint - mußten schon aus diesem Grunde bei der Bearbeitung mehrere Personen zugegen gewesen sein,<br />
die den Block bzw. die Skulptur mit den gebotenen Sicherheitsvorkehrungen am Werkplarz umwendeten.<br />
Dies wird wohl mittels Holzhebel und Seilen durchgeführt worden sein 57 ' , was wiederum das Besorgen<br />
der entsprechenden Arbeitsmaterialien wie Hölzer und Taue voraussetzte. Das Bewegen der naxischen<br />
Kouroi Kat. Nr. 11 und Kat. Nr. 12, deren Gewicht auf ca. 10 Tonnen zu schätzen ist, ist vom Aufwand<br />
her beispielweise mit dem Bewegen des 10 Tonnen schweren Granitaltars von Amenemhat I. in Lischt zu<br />
vergleichen, den 15 Grabungsarbeiter mir einem Hebel anhoben."?<br />
So waren allein bei der Bossierung einer lebensgroßen Skulptur mindestens zwei oder drei Personen<br />
notwendig, die in Anbetracht der verschiedenen Arbeirsschritte - Schmieden, Bossieren, Wegtragen des<br />
anfallenden Steinmaterials und Umwenden am Werkplarz - die Arbeit unter sieh aufteilten und so einen<br />
reibungslosen Ablaufder Fertigung gewährleisteten. Bei der Fertigung von kolossalen Skulpturen ist eine<br />
entsprechend größere Anzahl von Arbeitern zu fordern.<br />
Für die archaische Zeit liegt es, wie bereits angesprochen, durch die individuelle Vorgehensweise bei der<br />
Bossierung nahe, daß dieser Arbeitsschritt von der beauftragten Bildhauetwerkstatt durchgeführt wurde,<br />
wobei es dahingestellt bleiben muß, ob nun der Bildhauer selbst, wie es Kokkorou-Alewras fordert 578 ,<br />
oder einer seiner Gehilfen diese Tätigkeit ausführte.'" Interessanter wäre in diesem Zusammenhang die<br />
Frage, ob die Extraktion und die grobe Zurichtung des Skulpturcnblocks, die dem aus dem Bereich der<br />
Architektur überlieferten Arbeitssehrirr der ltEAtlCljCHS SBO entspricht, in der archaischen Zeit personell<br />
getrennt oder von der gleichen Arbeitsgruppe ausgeführt worden ist. Dies ist allerdings für diese Epoche<br />
aus Mangel an Quellen nicht sicher zu entscheiden, so daß hierübet nur Vermutungen geäußert werden<br />
können. Burford beispielsweise meint, daß die Bildhauer selbst den Stein gebrochen haben.'81 Die Dionysosstarue<br />
Kat. N r. 18 wurde wegen ihres Gewichtes genau an der Stelle, an der auch der Block gebrochen<br />
575 Kozelj 1988b,36ff.<br />
S 76 Vgl. Korres 1994.27 Abb.9.<br />
577 D. Arnold, Building in Egypt(I 991)72 Abb. 3. 19.<br />
578 Kokkorou-Alewras 1996. Nach Kokkorou-Alewras hätten die naxischen Bildhauer selbst in den Steinbrüchen gearbeitet.<br />
Sie hätten das Material geprüft, die Maße und Proportionen ihrer Skulpturen festgelegt und diese dann bis zu einem weit<br />
fortgeschrinenen Stadium ausgearbeitet. Unklar bleibt jedoch, ob Kokkorou-Alewras auch die Extraktion des Blockes den<br />
Bildhauern zuschreiben will.<br />
579 Blümel1927, 3; Adam, 1966.7; Pfanner 1988,11. Nach Blümelund Adam föhnen die grobe Bossierung im Steinbruch die<br />
Steinmetze oder die Gehilfen des Bildhauers durch, nach Boschung und Pfanner wurde die Bossierung unter Aufsicht der<br />
Bildhauer durchgeführt.<br />
580 Der Begriff bezeichnet das .Herausarbelcen aus dem Gröbsten'. Die Zusammenfassung der Quellen findet sich bei Martin<br />
1965,147 Anm. 1 und Orlandos1968,19Anm.8.<br />
58\ A. Burford, Crafrsmen in Greek and Roman Sociery (l972) 77.<br />
wurde, bossiert, aber erst nach der Bossierung vollständig vom anstehenden Gestein abgelöst, Extraktion<br />
und Bossierung sind in diesem Fall derartig eng miteinander verknüpft, daß es sehr wahrscheinlich ist,<br />
daß ein und dieselbe Arbeitsgruppe. die vielleicht eigens für diesen Auftrag zusa mmengestellt wurde,<br />
beide Sch ritte ausgeführt hat, Die Abfolge der einzelnen Schritte ist für die beiden kolossalen Kouroi Kat,<br />
Nr, 11 und Kat, Nr. 12 zwar nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren, dennoch ist anzunehmen, daß für<br />
diese ebenso wie für die Fertigung kleinerer Skulpturen zunächst der Block vollständig gewonnen und<br />
dann anschließend bossiert wurde, Das gleiche Verfahren ist generell auch für die Herstellung von Skulpturen<br />
in den parischeu Brüchen zu fordem.>" In diesen Fällen könnte nicht nur der Werkplarz außerhalb<br />
des eigentlichen Extraktionsplatzes gelegen, zu dem in einigen Steinbrüchen eigens aufgeschüttete<br />
Rampen hinführten, sondern Extraktion und Bossierung auch voneinander unabhängige Arbeitsschritte<br />
dargestellt haben. Dies ist bedeutsam für Aussagen übet eine potentielle Arbeitsteilung. Zwar ist bei der<br />
Fertigung von Architekrurgliedern nachweislich seit der klassischen Zeit häufiger die Aufgabe des Brechens<br />
und Bossierens des Werkstückes miteinander verbunden und die gesamte Aufgabe einem "Unternehmer"<br />
zugeteilt worden-", doch wird man sich die Organisation des Herausläsens und der Bossierung<br />
eines Skulpturenblockes aufgrund der dabei zu postulierenden individuellen Gestaltungsweise anders als<br />
im Bereich der Architektur vorzustellen haben. Für die großen Bauprojekte wie den Parehenon erfahren<br />
wir dann auch, daß die Steine für die Giebel geliefert worden sind, so daß hier die Trennung zwischen<br />
Extraktion und Ausführung der Skulpturen belegt ist.'S4Seit der klassischen Zeit sind uns in den Brüchen<br />
tätige Steinbrecher, in den Quellen zumeist AlBoroflol oder AllrOf.lOl genannr-", überliefert, so daß es<br />
einem Bildhauer möglich war, bei diesen einen Block zu bestellen, Dies ist auch für die archaische Epoche<br />
anzunehmen, Da in den naxischen Bruchgebieten ein regelrechter Steinbruchbetrieb zu fassen ist, sind<br />
dort längerfristig tätige Steinbrecher zu vermuten, die von dem Bildhaueratelier mit der Extraktion hätten<br />
beauftragt oder zumindest dazu herangezogen werden können,<br />
Die Organisationsformen hinsichtlich der Beschaffung der Rohmaterialien und somit des Ortes ihrerVerarbeirung<br />
sind vor diesem Hintergrunde in jeder Epoche vielseitig vorstellbar, Der griechische Bildhauer<br />
wird je nach Art und Bedeutung der zu fertigenden Plastik den Rohstoff mit mehr oder weniger Sorgfalt<br />
ausgewählt haben, wie es auch die Vorgehensweisen Michelangelos, Canovas oder Berninis illustrieren.<br />
582 Die Produktion der Skulpturen aus parisehern Marmor hat man sich folgendermaßen vorzustellen: Der Block wurde unter<br />
der Erde gebrochen, dann herauftransportiert und aufWerkplätzen. die vor dem Stollen lagen, bossiert. Denn man wird wohl<br />
nicht annehmen wollen, daßdie Bossierung der Skulpturen bei den schlechten Lichtverhältnissen unter der Erde stattfand.<br />
583Orlandos1968,19[ Anm.8; Martin 1965,146[ Anm. 1; 150.<br />
584 s. A. Wittenburg, Griechische Baukommissionen des 5. und 4. Jahrhunderts v, ehr. (1978) 20 mit Zusammenstellung der<br />
Inschriften.<br />
585 At8ot6J.l.o~ bezeichnet den im Steinbruch tätigen oder die Steine herrichtenden Arbeiter, s. H. Blümner, ZurTechnologie und<br />
Terrninologi~der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern III (1884) 4; 'ttJ,tVEtv bedeutet Steine brechen, s. Blümner<br />
a. 0, 69 Anrn. 1; Orlandcs1968, 14Anm.7. Zu den AarollO\: Orlandos1968, 14 Anrn.6; Martin 1965, 163Anm.3. s.<br />
"W'i,ttenburga. O. Anm. 2 und 3 (Inschriften zu den Steinbrechern des Pentelikon). Als Steinbrecher verdingten sich freie<br />
Handwerker, die in den Quellen auch CN:u9f:pOAUr61l0l genannt werden; es wurden aber auch Sklaven und Kriegsgefangene,<br />
wie es literarisch überliefert ist, zur Srelnbrucharbeir herangezogen. s. hierzu mit Angabe der Quellen Orlandos 1968, 14.<br />
Die Begriffiichkeit der in den antiken Quellen überlieferten Bezeichnungen für die marmorbearbeitenden Handwerker ist<br />
.edoch nicht genau fes[gelegt: So bedeutet "..leOUpyO~ Steinmetz, gewöhnlich Bildhauer, aber auch Steinhauer oder Maurer<br />
~. glümner a. O. 3 Anm.2; Martin1965,163Anm.,I. Eineähnliche Bedeutungträgtder BegriffAu~""ni
222<br />
So begab sich der griechische Bildhauer des öfteren selbst in den Steinbruch, um eine makellose Marmorader<br />
zu finden und bei der Blockextraktion zugegen zu sein. Doch mußte er auf jeden Fall zuvor mit<br />
dem Besitzer oder gegebenenfalls dem Pächter des Bruches in Kontakt treten, um die Modalitäten der<br />
Rohstoffgewinnung zu besprechen. Vielleicht schickte er aber auch einen Gehilfen in den Bruch, der diese<br />
Aufgaben für ihn übernahm. Nach der Gewinnung des Skulpturenblockes, die vielleicht in den Anfangen<br />
der griechischen Bildhauerei noch dem Bildhauer selbst und dessen Gehilfen oblag, später jedoch des<br />
öfteren vermutlich auch von im Steinbruch selbsr permanent tätigen Brechern ausgeführt wurde, wurde<br />
dieser bereits im Steinbruch grob zugerichtet, weitestgehend bearbeitet oder auch gänzlich fertiggestellt.<br />
Durchaus bestand aber auch in jeder Epoche die Möglichkeit, das Material aus der Ferne bei den in den<br />
Steinbrüchen ansässigen Steinmetzen zu bestellen, so daß in diesem Falle lediglich der Rohblock in die<br />
Werkstatt geliefert wurde. Dessen Qualität prüfte der Bildhauer dann in seinem Atelier. Das Brechen des<br />
Steins durchweg als Tätigkeit des archaischen Bildhauers zu betrachten, wie es pfanner und Boschung<br />
beschreiben 586, wird den bereits in dieser Epoche vorhandenen potentiellen Organisationsformen der<br />
Rohstoffbeschaffung nicht gerecht.<br />
Iv. 2 Der Transport und die Aufstellung der Skulpturen<br />
Im Laufe des Produktionsprozesses der Skulpturen ergab sich des öfteren die Notwendigkeit des Transportes,<br />
gleich ob es sich um das Bewegen von Halbfabrikaten, Fertigprodukten oder auch nur um Rohblöcke,<br />
die vielleicht entsprechend der Anweisung auf Maß zubossiert an den Arbeitsplatz geliefert werden sollten,<br />
oder um andere Werkmaterialien handelte. In welchem Fertigungsstadium die Plastiken befördert<br />
wurden, hing unter anderem von deren Größe, deren Fertigungstechnik, aber auch von der Auftragslage<br />
des Ateliers ab. 587 Für die archaische Zeit belegen die naxischen Kouroi Kat. Nr. 11 und Kat. Nr. 12, der<br />
Kouros aus Polygiros Kat. Nr, 13 sowie die Kore aus Tarent Kat. Nr. 24 den Transport bossierter Statuen<br />
aus den Steinbrüchen. Dies ist auch für die römische Zeit nachzuweisen.l" Generell dürften überlebensgroße<br />
Plastiken dann auf direktem und schnellstem Wege zu ihrem Aufstellungsort gebracht worden<br />
sein, damit der Bildhauer sie dort vollendete. Die Marmorfunde aus dem Schiffsfund von Mahdia lassen<br />
vermuten, daß in späthellenistischer Zeit die Skulpturen auch in fertigen Einzelteilen verschickt und die<br />
586Pfanner1988, 24.<br />
5'" Vgl.S. 151. 216f. Eine fesreRegel ist hierbei allerdingsnicht aufzustellen.<br />
588 s. zu den Funden bossierter Skulpturen ausrömischer Zeit in dem Schiffswrackvon Sile,dessen Fracht in diejahre 100 bis<br />
125 n. Chr. datiert wird,A. J. Parker,Ancient Shipwrecks of the Mediterraneanand the Roman Provinces, BAR.Intern. Series580<br />
(1992) Nr. 1088.In den Ladungender zahlreichenSchiffswracks wurden bis heute - abgesehenvon dem Schiffsfund<br />
vonMahdia- ausdergriechischen Antikestammende Skulpturen. dieweitere Aussagen hierüber erlaubten, nichtgefunden. s.<br />
auch F.Gelsdorfin: G. HellenkernperSallesu, a. (Hrsg.), Das Wrack.Der antike Schiffsfundvon Mahdia.AusstellungskatelogBonn<br />
(1994) 759ff. Ober die aus dem Schiffsfundvon Capraia C, dessenFracht um 600 - 400 v.Chr. eingeordnetwird.<br />
stammenden Marmorstatuen sindbedauerlicherweise keine: detaillierten Informationen zu gewinnen. s. zu Capraia C: Gelsdorf<br />
a. O. 761 Nr. 9.Allerdingssind in vielen Fällennoch keineausreichendenInfomationen über die Ladungveröffenclich[<br />
worden, so daßweitere Publikationen abzuwarten sind.die vielleichtneueErkenntnisse liefern. Vgl.H. W. Catling, ARepLon<br />
24.1978,16: H. W. Catling,ARepLon 27,1981,35 (Paras,Schiffswraeks im Hafen): S. Micehel. ARepLon36,1990,87<br />
(Auflisrung der Schiffswracks von archaischerZeit bis ins 15. Jahrhundert); E. B. Prench, ARepLon37, 1991, 65 (Slphnos,<br />
Fraehraus einem Schiffswrack des 2.Jhs. v.Chr.), E. B. Prench,ARepLon38, 1992, 13; s. auch P. C. Bol, DieSkulpturendes<br />
Schiffsfundes von Antikythera, 2. Beih.AM (1972). Vgl. hierzuA. Herrmann, AJA77, 1973, 45I.<br />
Anstückungen erst am Bestimmungsort vorgenommen wurden. 589 Größtenteils als Fertigprodukte exportierten<br />
die sogenannten neuattischen Werkstätten ihre Bildwerke. 590<br />
Die Aufgabe des Transportes, in den antiken Quellen A18uymyiu genannt'?', war in den meisten Fällen<br />
rein organisatorischer Natur und stellte sich innerhalb der Steinbruchareale, auf dem Weg von den Brüchen<br />
zum Aufstellungsort, in der Werkstatt oder auf der Baustelle und später am Aufstellungsort selbst.<br />
Die Skulpturen waren ausgehend von den Steinbrüchen zumeist über größere Entfernungen über Land<br />
zu bewegen, bis die A18uyroyoi 592 entweder den Bestimmungsort oder aber den Verladeplatz im Hafen erreichten.<br />
Dies veranschaulichen besonders eindrucksvoll die kolossalen Kouroi von Melanes, die inmitten<br />
der hügeligen naxischen Landschaft liegen, oder die Kore Kat. Nr. 24, die von den parisehen Brüchen bis<br />
nach Tarent geschafft wurde. Ebenfalls von den parischen Rohstoffquellen aus bis in das Heiligtum von<br />
Olympia wurden die überlebensgroßen Giebelskulpturen des Zenstempels wohl in bossiertem Zustand (s,<br />
Kat. N r, 65) rransportiert.F"Auch die Skulpturen des Maussolleion von Halikarnaß waren über hunderte<br />
von Kilometern hinweg über den Landweg von den dokimeischen Brüchen aus nach Halikarnaß zu befördern.<br />
594 In zahlreichen Steinbrüchen, die wie die thasischen von Saliara und Vathy oder die naxischen<br />
von Apollonas direkt am Meer lagen, war der Weg zumindest bis zum Verladeplatz weniger aufwendig.l"<br />
Da dem naxischen und parisehen Inselmarmor als Rohmaterial schon für die archaische Skulpturenproduktion<br />
eine besondere Bedeutung zukam, wird generell der Transport von Marmorskulpturen über<br />
den Seeweg bereits in dieser Zeit enorme Ausmaße angenommen haben.?" Bei dem naxischen Marmor<br />
handelt es sich um ein vor allem in der archaischen Epoche ausgebeutetes und verarbeitetes Material597;<br />
589 N. Ouwani in: DasWracka. O. 289ff.:zur Marmorplastikan Bord: G. Bauchhenß,ebenda I68ff.;zu Marmorkandelabern.<br />
H. U. Caln - O. Dräger, ebenda 239ff.: zu Marmorkrareren:D. Grassinger, ebenda 259ff.: zu den Marmorrendir H. von<br />
Pricrwirzund Gaffron,ebenda 303ff.<br />
590 H. U. Caln - O. Dräger in: Das Wracke. O. 809ff.<br />
591 In den Bauinschriften wird der Transport der bossiertenArchitekturgliedervom Steinbruch zum Werkplatz A.teayroy{a,<br />
J.[8lTY!a, ararr't oder auch lWJ.ltt.t\ genannt, s. Glandes 1968. 21 Anm. 1 - 4 mit Zusammenstellungder Quollen.<br />
592 Für den Transportaus den Steinbrüchensind die in den Inschriftengenannten J.tOay"'Yo! zuständig,während die '-rOOUAKO[<br />
wahrscheinlich die Ste~e v~m Depot z=-, Bauplatz transportierten. So H. Blümner, Technologie und Terminologie der<br />
Gewerbe und Künstebei Griechen und Romern III (1884) 70 Anm. 4.<br />
593DerTransport erfolgte vermudich zunächst von denperlsehen Brüchen ausübereine Strecke von ca. 5 kmüberLandbishin<br />
zum Verladeplatz am antiken Hafen von Parcikia,dann über den Seewegum die Siidspitzeder Peloponnes, um Kap Males,<br />
herum bis an die Westküstezum Anlegehafen bei Pheia,von diesemdann wieder ca. 35 km landeinwärtsbis ins Heiligrum.<br />
Vgl. B. Ashmole,Architectand Sculptor in Classical Creece (1972) 20ff.Abb. 2.<br />
594 Waolkens1988b,90Anm. 45 mir weit.Lit.;G. B.Waywell, The Free-StandingSculpturesof the Mausoleumat Halfkamassus<br />
in rhe Brirish Museum (1978) 79ff.: F.Öczan in: K Srernmer(Hrsg.), Staudorre. Kontext und Funktion antiker Skulptur.<br />
Ausstollungskatalog Berlin (1995) 60ff. mir Lit.<br />
595 Zu Verladespuren und Verlademechanismen in den thasischenBrüchen s, das Kap. Iv. 1. I. 3 .S[einbrüche auf Thasos". An<br />
manchen Verladeplätzen wurden spezielle Molenangelegt,s, Martin 1965. 165Anm. 2 mit Zusammenstellungder Inschriften.<br />
596A. M. Snodgrass stellteeinigesehrinteressante ÜberlegungenzumTransport von Skulpturenmarmor inarchaischer Zeitan;er<br />
vermurete. daß in jedemjahr der archaischenEpocheein absolutesMinimum von 270 Tonnen Skulprurenmatmorverschifft<br />
wurde, A. M. Snodgrass in: P. Gamsey- K Hopkins - C. R. Whitraker,Ttade in the AncleneEconomy (1983) 21f.<br />
597 s, das Kap. N. I. I. I .Steinbrüche auf Naxos".<br />
223<br />
•
224<br />
aus diesem Stein gemeißelte Skulpturen finden sich unter anderem in Athen 59., auf Delos 599 (5. Kat. Nr.<br />
5), Amorgos 600, Melosf", Aegina 602, Samos 60 >, Thera 604 , im böotischen Ptoion 605 sowie in einigen Orten<br />
in Thessaliens". Der parische Marmor hingegen war über Jahrhunderte hinweg sehr beliebt bei der Fertigung<br />
von Plastiken. Ebenfalls aus diesem Material gefertigte Skulpturen sind bereits in archaischer Zeit<br />
beispielsweise in Attika 607 , in Tarent (s. Kat. Nr. 24), im böotischen Ptoion 608 , in Delphif", in Eretria auf<br />
Euboia'i'", auf Delos 611 und aufAegina 612 verbreitet. Der in diesem Zusammenhang interessanten, aber<br />
grundsätzlich noch zu bearbeitenden Frage des Marmorhandels in vorrömischer Zeit, der nicht nur in<br />
diejenigen Gegenden erfolgte, in denen qualitätvoller Stein in erreichbarer Nähe fehlte, kann im Rahmen<br />
dieser Arbeit nichr nachgegangen werden. Vielmehr sollen in den folgenden Kapiteln die Bef'orderungsmöglichkeiten,<br />
der Transport aus den Steinbrüchen sowie der Vorgang des Anhebens und Aufrichtens<br />
der Skulpturen besprochen werden. Hierbei wird es das Ziel sein, auf die auf diesem Felde bereits seit<br />
frühester Zeit geforderten technischen Leistungen gerade in Hinblick aufdie Beförderung großformatiger<br />
Skulpturen hinzuweisen und den zugrundeliegenden Arbeitsaufwand aufzudecken. Denn diese Aspekte<br />
können zu einem besseren Verständnis der Organisation des gesamten Fertigungsprozesses von Skulpturen<br />
beitragen.<br />
rv 2. 1 Transportmittel<br />
Neben vereinzelten Aussagen antiker Autoren und den Spuren in den Steinbrüchen selbst sind es vor allem<br />
die inschriftlich erhaltenen Abrechnungen der großen Bauprojekte in Athen, Epidauros, Eleusis,<br />
Delphi, Delos und Didyrna, die uns durch Analogien aus dem Bereich der ArchitekturAussagen über die<br />
598 Kokkorou-Alewras lisrerallein 10erhaltene Skulpturenausnaxischem Marmor von derArhenerAkropolis auf,s. Kokkorou<br />
Alewras 1996,Kat.Nr.69 -76.81. 101.An dieser Stelle seiG. Kokkorou-Alewras nocheinmalherzlich dafürgedankt, daß<br />
siemich ihrnoch unveröffentllchtes Scripteinsehenließ.<br />
599 Delosisteinerder Hauptfundorre vonSkulpturen ausnaxischem Marmor, s, Kokkorou-Alewras 1996,Kat.Nr. 1.5 - 8. 12.<br />
15. 18.61. 62. 64 - 68. 82. 92. 95. 102.117 - 121. Kokkorou-Alewras schreibt, daßallein57 von den insgesamt 107 aus<br />
naxischem Marmor hergestellten Skulpturen von Delos stanunen.<br />
600 G. Kokkorou-A1ewras - V.Mandi- A P.Grimanis - Y.Manlatis in:Asmosia III 95lf.<br />
601 Floren1987,178 (Beispiele); Richter, KouroiNr.86.<br />
602 Floren1987,310 (Beispiele).<br />
603 s.z, B.dieSkulpturen beiB.Preyer-Schauenburg, Samos XI Nr, 1- 3 Taf.I. 2: G. M. A. Richter, Koral (1968)Nr. 21.<br />
604Soe. B. diesechs überlebensgroßen KouroiaufThera,s. Floren1987,155Anm. 5 mit Llr.:Kokkcrcu-Alewras 1996,Kat.<br />
Nr. 9 - 11. 13. 14. 19.63.78.97. Thera nimmt bezüglich der Anzahl der Skulpturen neben der Athener Akropolis laut<br />
Kokkorou-Alewras diedritteStelle ein.<br />
605 J. Ducar.Les Kourcide Ptoion(1971)Nr. 147.149.150.153. 160.<br />
606 Floren1987,322Anm.6 mitLit.<br />
6fJl Richter, KouroiNr.136. 160.161.165. 190.<br />
60S Ducata. O. Nr. 131. 133.137. 139.<br />
609 Richtera. O. Nr. 103- 105.149.<br />
610 E. Touloupa in: Archaische und klassische griechische PlastikI (1986) 143ff. (Giebelfiguren des ApolIon Daphnephoros<br />
-Tempels).<br />
611 Floren1987,336Anm. 25 mit Lit.<br />
612 Floren1987,310.<br />
Art des Transportes der Skulpturen erlauben. 613 Aus diesen Quellen erfahren wir, daß sich die Beförderung<br />
leichter Lasten nicht von derjenigen des alltäglichen Lebens unterschied. In der Werkstatt, auf der Baustelle<br />
oder auch im Steinbruch konnten Arbeitsmaterialien wie Werkzeuge oder Taue, Steinabfall, aber<br />
auch Statuetten einfach von Hand getragen oder über längere Distanzen in Packsatteln von Tieren transportiert<br />
werden.F" Der Esel als Lasttier vermochte 100 bis 120 kg zu schleppen.f'> Im ägyptischen und<br />
im mittelalterlichen Baubetrieb bedienten sich die Handwerket auf der Baustelle für solche Transporte<br />
einer hölzernen Tragbahre, die sie meist zu zweit hoben. Zwischen den seitlichen Holmen dieser Trage<br />
waren ein Leder eingehängt oder weitere Querbretter angebracht!16 Gelegentlich befestigten die Arbeiter<br />
an den Holmen Gurte, die sie dann über die Schulter führten, um aufdiese An das Tragen schwerer Lasten<br />
zu erleichtern. Auch die Schubkarre fand in mittelalterlicher Zeit Verwendung."? Deren Existenz ist<br />
zwar für die griechische Zeit nicht zu belegen, aber dennoch nicht auszuschließen. Kleine Skulpturen wie<br />
beispielsweise die Kouroi Kat. Nr. 1, Kat. Nr. 13, die Gewandfigur Kat. Nr. 17 oder die Büsten von<br />
Rheneia und Delos Kat. Nr. 71, Kat. Nr. 91, Kat. Nr. 92, deren Gewicht maximal 300 bis 400 kg beträgr,<br />
hätten über kürzere Entfernungen hinweg und bei unwegsamen Gelände von vier oder auch weniger<br />
Männern fortgeschafft werden können. Diese hätten hierbei aufdie oben beschriebeneTragbahre zurückgreifen<br />
oder die Skulpturen mit Seilen o~er anderen Vorrichtungen an Holzbohlen befestigen können, die<br />
sie aufder Schulter rrugen.?"Nach meiner Untersuchung des unfettigen Löwen Kat. Nr. 29 (Taf. 17 d)<br />
im Museum von Pitäus, der circa 500 kg wiegt, wurde ich selbst Zeuge, wie zwei Personen diese Skulptur<br />
über eine kurze Strecke hinweg wieder an ihren Platz im Magazin schafften. Sie schoben, nachdem sie zu<br />
zweit die Plastik ein wenig angehoben hatten, zwei kleine, etwas über die Breite des Löwen herausragende<br />
Metallrollen unter diesen und b~egten das Tier über die Rollen hinweg vorwärts. Hierbei verlegte eine<br />
Person jeweils die hintere Rolle Wieder vor den Löwen, während die andere Person ihn fesrhielr, damit er<br />
nicht umstürzte. Auch in der Antike wurden Rollen aus Holz benutzt, um ein schwereres Werkstück über<br />
kurze Distanzen zu bewegen. Dies überliefern beispielsweise die Inschriften aus Epidauros.t'" Bei dieser<br />
Transportart, die in den Inschriften E
226<br />
227<br />
ri<br />
/'.<br />
rechnen.P" Für den Transport kleiner und auch lebensgroßer Skulpturen war es also möglich, auf herkömmliche<br />
Transportmittel zurückzugreifen, was von dem Verantwortlichen lediglich organisatorische<br />
Maßnahmen verlangte. Weit größere Probleme bereitete das Bewegen kolossaler Figuren wie beispielsweise<br />
des Widderträgers Kat. Nr. 16, der naxischen Kouroi Kat. Nr, 11 und Kat. Nr. 12, des sog. Isches <br />
Kouros aus dem samischen Heraion'
228<br />
doch ist Iesrzuhalten, daß deren Anzahl von dem Gewicht der Skulpturen, von der Wegstrecke, von<br />
ihrer Beschaffenheit und von dem jeweiligen Transportmirtel abhing. So wurden zum Beispiel die durchschnittlich<br />
6,5 bis 8 Tonnen schweren Säulentrommeln von den penrelischen Brüchen nach Eleusis mit<br />
19 bis 37 vor einen Karren gespannten Ochsenjochen befördert. 635 Für die in diesem Beispiel zu bewältigende<br />
Distanz von 35kmbenötigten die Transporteure zwei bis drei Tage. Da allgemein von dem Einsatz<br />
von 19 Ochsengespannen für die Beförderung einer Last von zehn Tonnen auszugehen ist, hat man sich<br />
den Transport des Widderträgers, der naxischen Kouroi, jeder einzelnen der Olympiagiebelskulpturen<br />
oder der thasischen Skulpturen in etwa dieser Größenordnung vorzustellen.P" Wie viele Ochsen waren<br />
allerdings dann erst herbeizuschaffen, um die 69 Tonnen schwere Dionysosstatue zu bewegen? An dieser<br />
Stelle sei jedoch erwähnt, daß nur 60 Ochsen, um ein Beispiel aus moderner Zeit anzuführen, Mussolinis<br />
Obelisk, der 560 Tonnen schwer war, aus den Carrarabrüchen zogen. 637 Was den Transport der<br />
Skulpturen über den Seeweg betrifft, so konnten kleine und lebensgroße Skulpturen auf ein normales<br />
HandelsschifI"38 verladen werden. Die Dionysosstatue Kat. Nr. 18 härte jedoch schon allein wegen der<br />
Verladeprobleme aufdiese Weise nicht befördert werden können. Diesewäre viel eher mit einer speziellen<br />
Ploßkonstrukrion'
230<br />
Iv. 2. 3 Der Transport aus den Steinbrüchen<br />
Die sich heute noch in den naxischen Brucharealen in situ befindlichen Statuen verdienen für Aussagen<br />
über den Transport von Skulpturen aus den Steinbrüchen wegen der Einzigartigkeit ihrer Fundsituation<br />
aus vorrömischer Zeit besondere Aufmerksamkeit. Anhand der aus archaischer Zeit stammenden Statuen<br />
sowie Spuren in den Steinbrüchen soll eine Rekonstruktion der Transportvorgänge vor Ort erfolgen, die<br />
stellvertretend auch für die nachfolgenden Epochen herangezogen werden kann. Da die Skulpturen ein<br />
kolossales Format aufweisen, das vor allem in archaischer Zeit beliebt war, handelt es sich bei den folgenden<br />
Ausführungen um die Beschreibung von Speziahransporten.r'"<br />
In dem Bruchgebiet von Melanes sind zwei überlebensgroße Kouroi auf dem Transport aus den Steinbrüchen<br />
liegengeblieben 6 51 Der 5,55 m hohe Kouros Kat. Nr. 11 (Taf. 9), der sich unterhalb des Bruches<br />
befindet, in dem man den Skulprurenblock gewann und bereits weitgehend bearbeitete, stürzte wahrscheinlich<br />
während der Beförderung von dem Transportmittel. Hierbei stellte sich die weit fortgeschrittene<br />
Ausarbeitung der Beine als verhängnisvoll heraus, da der linke Fuß direkt über dem schmalen Knöchel<br />
wegsplitterte und das rechte Bein in Höhe des Knies durchbrach. Der etwa 1 kmsüdöstlich aufeinem höheren<br />
Niveau des Hügels liegende Kouros Kat. Nr. 12 (Taf. 10), dessen Gesamthöhe sich ebenso wie die<br />
des sogenannten Isches - KourosG 52 auf etwa 4,75 m berechnen läßt, scheint das gleiche Schicksal erfahren<br />
zu haben. Denn auch bei dieser Statue, die mit dem Kopf nach unten auf dem Rücken liegt, brachen<br />
die Beine ab. 653 Da der Bestimmungsort der beiden Kouroi, die sowohl für naxische als auch für auswärtige<br />
Heiligtümer in Auftrag gegeben worden sein könnten, ungewiß bleibt, ist die Rekonstruktion des<br />
gesamten Transportweges nicht möglich. Ein Blick auf die Karte von Naxos zeigt jedoch, daß aufgrund<br />
der Höhe der Geländeerhebungen sowie der Lage der Skulpturen diese zunächst über den recht steilen<br />
Hügel hinab nach Westen wohl in die Ebene von der Stadt Naxos hätten bewegt werden sollen. Von dort<br />
hätte die Weiterbeförderung über den Landweg in ein naxisches Heiligtum oder von dem dortigen Hafen<br />
aus über den Seeweg erfolgen können. Ein Transport der Skulpturen bzw. generell der Abtransport der<br />
Werkstücke aus diesem Bruchgebiet nach Osten hin ist wegen der steilen und unwegsamen Geländeerhebungen<br />
ausgeschlossen.<br />
Bevor der Abtransport der kolossalen Skulpturen aus den Steinbrüchen durchgeführt werden konnte,<br />
waren etliche Vorbereitungen zu treffen. Zunächst war ein entsprechend breiter Transportweg anzulegen,<br />
indem die Unebenheiten des Geländes ausgeglichen, Bodensenken aufgefüllt und Hindernisse aus dem<br />
Weg geräumt wurden. In den meisten Brüchen legten die Steinbrecher regelrechte Straßen an. 654 Die<br />
Materialien für den Bau der Schlitten mußten herbeigeschaffr und die Schlitten wegen des immensen<br />
Gewichtes der Skulpturen und der Geländebegebenheiten selbst an Ort und Stelle konstruiert werden.<br />
Die Statuen wurden dann auf die Schlitten gehebelt und mit Seilen gesichert. 6 " Dann begann der Transport<br />
der Kouroi aufder Schleifbahn den steilen Hügel hinab. Die Transportarbeiter verankerten in den<br />
Pfostenlöchern (Taf. 90 b. c), die entlang des Weges, wie es auf diesem Hügel zu beobachten ist, in den<br />
anstehenden Felsen geschlagen wurden 6 " , starke Holzpflöcke, um die sie dann dicke Taue schlangen,<br />
die mit dem Schlitten verbunden waren. 65 ? Auf diese Art und Weise war es ihnen möglich, den Schlitten<br />
langsam den Hügel hinabgleiten zu lassen, wobei sie den Vetlauf des Schlittens mit hölzernen Stangen<br />
regulierten. Ein vermutliches Transportunglück vereitelte den Weitertransport der naxischen Kouroi.<br />
Anlaß zu Mutmaßungen über die Art der Fortbewegung gibt auch die 10,45 m hohe Dionysosstatue Kat.<br />
N r. 18, die zwar noch in ihrer Bettung liegt, aber mit ihren 69 Tonnen bereits einen halben Meter den<br />
Hügel hinabbewegt wurde.v" Aus mangelnder Fähigkeit, eine derart schwere Statue zu transportieren,<br />
blieb die Skulptur jedoch nicht in dem Bruch liegen, da in den naxischen Brüchen ein vergleichbarer<br />
Spezialtransport erfolgreich durchgeführt wurde. Bei diesem handelt es sich um den Transport des<br />
sog. Naxierkolosses von Delos, dessen Gesamthöhe auf ca. 10m geschätzt wird und dessen Gewicht<br />
einschließlich der Basis ca. 57 Tonnen betrug, wobei allein die Basis ca. 34 und die Skulptur etwa 23<br />
Tonnen wogen"" Er wurde unter ähnlichen Bedingungen wie die Kouroi Kar. Nr. 11, Kat. Nr. 12 und<br />
der Dionysos Kar. Nr. 18 auf Naxos vorgefertigt und dann nach Delos verschifft. Obgleich zahlreiche<br />
Mutmaßungen über den geplanten Aufstellungsort der Dionysossrarue geäußert wurden, bleibt uns<br />
dieser unbekannt. 66o Der Transport der Skulptur sollte aber sicher über den Hügel hinab zu der etwa<br />
700 m entfernt liegenden Bucht erfolgen. Die Skulptur wurde wahrscheinlich mit Hilfe von Hebeln<br />
bereits ein kleines Stück aus ihrer Bettung bewegt, da Verankerungsstellen für Hebevorrichtungen, wie<br />
sie in anderen Steinbrüchen vorhanden sind 66\ in unmittelbarer Nähe der Skulptur nicht zu beobachten<br />
231<br />
650 Karakarsanis 1986.<br />
651 Zu deren Fundsituation s. das Kap, IV: 1. 1. 1 "Steinbrüche auf Naxos". Entgegen der Aussage mancher Forscher sind die<br />
Kouroi offensichtlich auf dem Transport liegengeblieben. Vgl. die Bibliographien unter der Kat. Nt. 11 und Kat. Nt. 12.<br />
Karnkatsanis a. O. 177 mochte die Aufgabe der Kouroi von Phlerio und Pharangi ebenso wie die der Gewandfigur mit der<br />
Veränderung der politischen Konstellation aufNaxos in Verbindung bringen: Artstoreles Oec. II 2 überliefert, daß Lygdamis,<br />
nachdem er die Herrschaft auf Naxos übernommen haue, die von den Adligen in Auftrag gegebenen Werkstücke beschlagnahmte<br />
und diese deswegen unvollendet geblieben sind. Kokkorou-Alewras 1996. Anm. 11 hält dagegen, daß die Skulpturen<br />
allesamt früher als die Herrschafeszeit des Lygdamis. 540- 524 v. Chr., zu datieren sind. was zwar auf die beiden Kouroi aus<br />
Melanes, nicht aber auf die kleine Gewandfigur zutrifft. Vgl. hierzu die Angaben im Katalog Kat. Nr. 11; Kat. Nr. 12; Kat.<br />
Nr. 17. Kckkorcu-Alewras 1996 zieht für den Kouros von Pharangi die während der Bearbeitung erfolgte scheibenartige Absplitterung<br />
des Gesichtes, also einen Fehler im Material, als möglichen Grund für die Aufgabe der Statue in Betracht; 01. E.<br />
sind beide Kouroi aufdem Transport aus den Steinbrüchen liegengeblieben und vermutlich bei der Fortbewegung beschädigt<br />
worden.<br />
651 Dessen Gesamthöhe betrug ca. 4,80 m, s. zu dem zugrundeliegenden Maßsystem H. Kyrieleis, Der Große Kuros von Samos,<br />
Samos X (1996) 30ff.<br />
653Der Skulpturenblock wurde weiter oberhalb des Hügels aus dem anstehenden Fels herausgelöst und an Ort und Stelle bossiert.<br />
Vgl. die Rekonstruktion des Fertigungsprozesses im Katalog; s. allgemein zur Bossirrung das Kap. III. 1 ,.Die Vorgeheusweise<br />
des Bildhauers im Percigungsprceeß". S. 138f.<br />
654Dworakowska 1975, 17 Anm. 46; 34.37.97Anm. 28 mit Lit. (Auflistung der in der Literatur erwähnten Sreinbruchstraßen):<br />
s. zu den Abfahrtswegen in den pemelischen Brüchen Korres 1994. looff<br />
655 Vgl. zum Arbeitsaufwand des Anhebelas das oben zitierte Beispiel das Anhebdn des Granitaltars Amenernbar L. s. S. 220.<br />
656 Die Vertiefungen zur Aufnahme der Pfosten wurden beispielsweise in den Brüchen von Herakleia am Latmos auch in bewegliche<br />
Blöcke eingeschlagen, s. A. Peschlow-Bindokat, Jdl 96,1981,194.<br />
657 Zum Durchmesser der Pfostenlöcher s. S. 244; vgl. zur Transportart ,.Iangsam herabgleitender Schlitten" auf dem Penteli:<br />
Orlandos 1968, 23 Abb. 7. 8; Martin 1965. 166 Abb. 66; Korres 1994,34 Abb. 13; 103 Abb. 27.28.29: zu den Abfahrtswegen<br />
auf dem Pentelikon ebenda 100ff.<br />
658 s. hierzu S. 192(<br />
659 Karakatsanis 1986, Kar. Nr. 11 mit ~it.; Floren 1987, 152( Anm. 15. 16. Die Skulptur isr aus naxischem Marmor gefertigt<br />
worden. wobe~ bed.auerl~cherwelsebis ~eure ~eme Analyse des Marm~rs .erfolgt ist. die genaueres über das Bruchgebier aussagen<br />
könnte. Eine Inschnft aufder BaSIS (zu dieser s. A. Plassarr, Inscriptions de Delos [1950] Nr. 4) bekundet, daß Bildwerk<br />
und Basis ~us einem Ste~n sind und so.mit wo~l aus demselben Bruch stammen. Die Inschrffrdrückt vermutlich zugleich den<br />
Stolz auf die zugrunde hegende technische Leistung aus. Zur Deutung der Inschrift; P.Bruneau - J. Ducat, Guide de Delos<br />
(1983) 127. VgL F.Chamoux, BCH 114, 1990, 195f.<br />
660 W v. Massow, M 1932,267[; C. Renfrew - J. S. Peacy, BSA 63,1968,60; Karakatsanis 1986, 167(; Kokkorou-Alewras<br />
1996, Kar. Nr. 60.<br />
661 Verankerungsspurl:n für Hebemaschinen befinden sich beispielsweise im Steinbruch des Grabrumulus von Belevi, s. S. Kasper,<br />
ÖJh 51, 1976177, 172: auf Ddos im.südöstlich ~es Kymhos befindlichen Bruchgebier, s. Ph. Fraisse _T. Kozdj, BCH<br />
115, 1991, 292ff. Taf 15: auf dem Penreli oder auch In den Brüchen von Chios, s. Kozel] 1988,9.<br />
..
232<br />
sind.'62 Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen Petries, der berechnete, daß 60<br />
bis 70 Männer die 50 - 60 t schweren Granitblöcke der Grabkammerdecke des Cheops mit Hebeln und<br />
schrittweisem Unterfüttern heben konnten, was einen ungeHihren Eindruck von dem Aufwand an diesem<br />
Arbeitsplatz vermitteln dürfte. GG3<br />
Indizien, die beschreiben könnten, wie die weitere Fortbewegung der Dionysosstatue geplant gewesen<br />
ist, fehlen. Grundsätzlich sind jedoch zwei verschiedene Möglichkeiten vorstellbar, die Skulptur auf ein<br />
Transportmittel zu heben. Die eine besteht in der Anwendung von Hebemaschinen und die andere in<br />
dem Unterfüttern der Skulptur mit Hölzern oder Steinen unter Zuhilfenahme von Tauen, Rollen und<br />
Hebeln. Inmitten der Vorbereitungen des Transportes scheint die Arbeit an diesem Werkplatz eingestellt<br />
worden zu sein: Denn hätten die Arbeiter beabsichtigt, die Skulptur weiter den Hügel hinabzuziehen, so<br />
wäre das vor den Füßen befindliche Terrain, generell das dortige Bodenniveau. wie es in seinem ursprünglichen<br />
Zustand aufden Fotographien aus den 30er Jahren sichtbar ist, noch abzuarbeiten gewesen. Hätten<br />
sie hingegen geplant, die Skulptur mittels Hebemaschinen aus der Bettung zu heben, um aufdiese Weise<br />
das höhere Bodenniveau zu überbrücken, wären die entsprechenden Vorrichtungen für die Anbringung<br />
der Hebekonstruktionen zu schaffen gewesen.<br />
Die modell hafte Beschreibung beider oben genannter Techniken des Anhebens der Skulptur vermag die<br />
Vorgänge zu veranschaulichen: I) Äußerst aufschlußreich für Aussagen über die Vorgehensweise des Unrcrsrcinens<br />
und den damit verbundenen Arbeitsaufwand ist ein auf den Osterinseln durchgeführter Versuch,<br />
bei dem die Skulptur allerdings nicht nur angehoben, sondern aufgestellt wurde. Lediglich mit drei<br />
runden Holzstangen und einer Vielzahl von k1cincrcn und größeren Steinen richteten hier zwölf geübte<br />
Arbeiter eine 25 bis 30 t schwere Steinfigur in 18 Tagen auf (Taf. 97 b). Nachdem sie die Spitzen der drei<br />
Holzhebel unter die Skulptur geschoben hatten, zogen jeweils drei oder vier Arbeiter mit all ihrer Kraft<br />
das Ende der Hebel hinab. Gleichzeitig unterfütterten die übrigen Personen die auf diese Weise leicht<br />
angehobene Skulptur zunächst mit kleinen, dann mit größeren Steinen, so daß nach dem ersten Arbeitstag<br />
die eine Körperseite der Statue etwa einen Meter über dem Bodenniveau lag. Am zweiten Arbeitstag<br />
verwandten sie nur noch zwei Holzhebcl, die, unter die Skulptur gesetzt, von je fünfArbeitern hinabgedrückt<br />
wurden. Währenddessen schichtete ein Arbeiter abwechselnd unter die eine, dann unter die andere<br />
Seite der Figur Steine auf. Eine weitere Person gab Anweisungen und bestimmte den Arbeitsrhythmus.<br />
Am neunten Tag lag die Statue auf einer sich drei Meter über der Erde befindlichen' Steinpyramide. Da<br />
die Arbeiter aus diesem Grunde nun nicht mehr an die Hebebäume heranreichten, befestigten sie an den<br />
Hölzern Seile und zogen an diesen. In diesem Stadium des Aufrichtens nahmen sie große Gesteinsbrocken<br />
und prüften die Lage eines jeden Steines, da nur ein einziger, ungeschickr gesetzter Stein das Ende<br />
der Bemühungen hätte bedeuren können. Am zehnten Tag lag die Srarue aufeiner Höhe von vier Merern.<br />
Wegen der Sturzgefahr schlangen die Arbeiter nun Taue um den Kopfder Skulptur und verankerten diese<br />
mit Pflöcken in dem Boden. Das Unterfüttern wurde fortgeführt bis sie am 18. und zugleich letzten Arbeitstag<br />
der Figur einen Stoß versetzten und diese regelrecht in Position taumelte. Hierbei stützten sie die<br />
Figur mit zwei in entgegengesetzter Richtung gezogenen Tauen. 664<br />
662 Oberhalb der Pliruhe der Skulptur ist im anstehenden Felsen zwar eine runde Vertiefung zu beobachten, doch ist diese nach<br />
Kokkorou-Alewras, die sich auf Korres stützt, eher das Ergebnis von Verwhrerungsprozessen, s. Kokkorou-Alewras 1992,<br />
124f<br />
663 F.Petne, ThePyramids andTernples of Gizeh (1883) 212:G. Legrain benötigte 150Arbeiter, um eine180t schwere Obeliskenspitze<br />
mit Hebeln anzuheben, s.G. Legrain. ASAE 5, 1904,26.<br />
664 T. Heyerdahl, Aku-Aku. DasGeheimnis derOsterinseln (1957) l49ff.;s.auch H. M. Esen - Bauer, DieOsrerinsel, AW20,<br />
1989,3Iff.<br />
2) Um eine annähernde Vorstellung zu vermitteln, wie die erforderlichen Hebevorrichtungen im Falle der<br />
Dionysosstatue hätten aussehen, plaziert und betrieben werden können und wie viele Menschen hierfür<br />
erforderlich gewesen wären, erfolgt nun ein Rekonstruktionsvorschlag, der lediglich der Verbildlichung<br />
dienen soll und kann. Es wurden mehrere kleinere, einfach konstruierte Hebemaschinen gewählt, da<br />
sie bei dem enormen Gewicht der Skulptur eine größere Stabilität gewährleisten als eine einzelne Konstruktion,<br />
bei der die Ausbruchgefahr viel größer ist. G6 ' Den Umstand, daß die Statue in ihrem oberen<br />
Teil schwerer als in ihrem unteren ist, galt es bei der Plazierung der Konstruktionen zu berücksichtigen.<br />
So könnte ich mir fünf Hebemaschinen mit einer Hebeleistung von jeweils 14 Tonnen um die Dionysosstatue<br />
herum angeordnet vorstellen (Taf. 98), von denen sich jeweils zwei zueinander versetzt an den<br />
Längsseilen und eine vor dem Kopf befinden. 6GG Jede dieser Maschinen besteht aus einem Holzgerüst,<br />
einer Erdwinde, Seilen und zwei Flaschenzügen mit fünf Rollen. Der eine Flaschenzug ist zwischen der<br />
Erdwinde und einer an der Holzkonstruktion befestigten Überlaufrolle angebracht und der andere zwischen<br />
der Holzkonstruktion und der zu hebenden Skulptur. Eine Erdwinde besteht aus vier 1,70 m langen<br />
Hebelarmen und der Radius des Holmes der Winde beträgt 15 cm. Menschlicher Kraftaufwand, der<br />
pro Person mit mindestens 40 kg berechnet werden kann, setzt den Hebeprozeß in Gang. 66 ? 20 Personen<br />
wären bei diesem Konstruktionsvorschlag erforderlich, um die Dionysosstarue aus der Marmorbettung<br />
herauszuheben. 668<br />
In Hinblick auf einen effizienten Arbeitsablauf hätten die Arbeiter gleichzeitig mit dem Vorgang des<br />
Anhebens der Skul ptur - in welcher Weise nun auch immer sie dies auszuführen beabsichtigten - einen<br />
Schlitten unter dieser zusammenbauen können. Diese Vorgehensweise nimmt Korres auch für den Transport<br />
der Architekturglieder vom Penteli zum Partherion an. 669 Der Schlitten mit der darauf befestigten<br />
Skulptur wäre dann mit einem ungeheuren Kraftaufwand und der bereits oben zitierten Methode, die<br />
Heron von Alexandria beschreibt, zunächst in nördliche Richtung den Hügel hinabgezogen worden.<br />
Denn der Transport ist wegen der Lage der Skulptur und der Geländebedingungen nur übet die Nordseite<br />
des Hügels sinnvoll. Vor dem sich in etwa 100 m Entfernung am Ostabhang des Hügels befindlichen<br />
Abbauareal G70 , soweit dieses bereits zum Zeitpunkt des Abtransporrcs der Skulptur in Betrieb war,<br />
665 Ob eine einzelne Holzkonstruktion das Gewicht von 69 Tonnen heben konnte, ist fraglich. s. zur Konstruktion eines Kranes,<br />
der die Architekturglieder des Parthenon bewegte: M. Korres- eh. Bourra, MEJ..t1"TI a1tOKaTa
234<br />
hätte der Weg dann hinab zur Bucht geführt, an der vermutlich auch das Verladen anderer Werkstücke<br />
erfolgte. Der Transport der auf diesem Hügel gewonnenen Werkstücke wird ehemals über einen eigens<br />
angelegren Schleifweg geführt haben, der wahrscheinlich auch für die Beförderung der Werkstücke aus<br />
den weiter südlich und östlich gelegenen Abbaustcllen'?' genutzt wurde. Durch die moderne Bebauung<br />
des Areals und der Anlage verschiedener Asphaltstraßen sowie durch den Umstand, daß unterhalb des<br />
Dionysos auch heutzutage Stein gebrochen wird, sind die hier ehemals vorhandenen Spuren offenbar<br />
zerstört worden, so daß der Verlauf des antiken Transportweges heute bedauerlicherweise nicht mehr<br />
nachzuvollziehen isr. Obgleich eine klare Rekonstruktion der Vorgänge vor Ort unmöglich ist, vermochten<br />
die vorangegangenen Überlegungen doch deutlich zeigen, mit welchem Aufwand der Abtransport der<br />
Skulptur aus ihrem Bruchplatz verbunden gewesen sein muß.<br />
Abschließend soll ein Blick auf die Organisation des Transportes in den Steinbrüchen geworfen werden.<br />
Aus den klassischen und hellenistischen Bauinschriften erfahren wir, daß häufig die Steinbrecher selbst<br />
die Werkstücke bis zur Verladestelle im Steinbruch oder im Hafen bewegten.'" An der Verladestelle übernahm<br />
dann ein Transportunternehmer die Weiterbeförderung, wobei für den Transport über das Meer<br />
immer eine gesonderte Vereinbarung getroffen wurdc.f" In den Brüchen von Didyma beispielsweise<br />
beförderten die Steinbrecher, die gleichfalls die Straßen ausbesserten, die Werkstücke bis zum Hafen, wo<br />
dann Tagelöhner bei dem Verladen der Werkstücke behilflich waren.?" Ebenso führten die Steinbrecher<br />
vom Penteli den Transport der Blöcke, die für die Bauprojekte in Epidauros besrimmtwaren, bis zum Hafen<br />
von Piräus durch. 675 Wer für den Transport der Werkstücke aus den naxischen Brüchen verantwortlich<br />
war, läßt sich heute mangels eindeutiger Quellen zwar nicht beantworten, doch möchte ich in Analogie zu<br />
der Organisation des Transportes in anderen Steinbrüchen sowie aufgrund der Infrastruktur des Bruches<br />
und dessen Ausbeutungsgeschichte vermuten, daß auch hier die Steinbrecher die bossierten Skulpturen<br />
aufder Schleifbahn zu einem Verladeplatz schafften. Ein Transportunternehmer konnte dann die bossierten<br />
Skulpturen von dort abholen und in die Werkstatt oder an den Aufstellungsort bringen. Dabei fand<br />
der Transport wahrscheinlich unter der Aufsicht des Bildhauers statt, denn auch bei der Beförderung von<br />
Architekturgliedern war anscheinend häufiger der Architekt oder eine andere verantwortliche Person''"<br />
zugegen. Je nach Bedarfwaren zusätzliche Arbeitskräfte für die Beförderung anzumieten.<br />
671 Dies wäre allerdings vermutlich nicht auf direktem Wege geschehen, sondern mir Rücksichtnahme auf weiter unterhalb des<br />
Hügels befindliche weitere Werkplärze, von denen vereinzelte Abbauspuren zeugen. Vgl. zur Topograhie der einzelnen Abbaustellen<br />
Kokkorou-Alewras 1992, 115fI Abb. 12.<br />
672 Manirr 1965, 164 Anm. 2; allgemein zum Transport in den Steinbrüchen: Koaelj 1988, 8 Anm. 32 mit weit. Lir.; die Blöcke,<br />
die am Verladeplatz zum Transport bereit standen. waren mit einem Code oder dem Namen des Bestimmungsortes markiert.<br />
Vgl. Martin 1965, 149.<br />
673 Martin 1965, 164 Anm. 1 mit Zusammenstellung der Inschriften. Zur Existenz professioneller Transportunremehmcr s. A.<br />
Burford, TheGreek Temple Builders at Epidauros (I969)185.<br />
674 Martin 1965, 164Anm. 4 und 5 mit Zusammenstellung der Inschriften; s. auchA. Peschlow-Bindokar, JdI 96, 1981,<br />
193ff.<br />
675 Martin 1965, 164; Burford a. O. 184lT.; in diesem Zusammenhang seien auch die Giebelskulpturen aus Epidauros genannt,<br />
die von den Brüchen des Pentcl ikon, aus dessen Marmor sie gemeißelt sind, zunächst zum Hafen von Piräus transportiert<br />
wurden, von dort zum Hafen nach Epidauros verschifft und anschließend über einen längeren Landweg in das Heiligtum<br />
geschafft; zu den Giebelskulpturen aus Epidauros: N. Yalouris, Die Giebdskulpturen des Asklepiosrempels in Epidauros.<br />
AnrP121 (1991).<br />
676 So Marrin 1965. 164 mit Anrn. 6.<br />
Iv. 2. 4 Das Aufrichten der Skulpturen in der Werkstatt und am AufsteUungsort<br />
Archaische Skulpturen konnten aufgrund ihrer einen bzw. drei Ansichtsseiten grundsätzlich zu ebener<br />
Erde oder auf einer geneigten Fläche liegend gemeißelt werden, indem der Bildhauer diese mit seinen<br />
Gehilfen während der Bearbeitung lediglich jeweils um eine Seite drehte. Seit der klassischen Zeit wurden<br />
die Skulpturen jedoch wegen ihrer Vielansichtigkeit und ihrer Bewegungsmotive in senkrechter Position<br />
gefertigt.'?' Denn der Bildhauer bewegte sich, um die verschiedenen Details vor Augen zu haben, um<br />
seine Skulptur herum. Bei der Anwendung des Punktierverfahrens mußten sowohl der Skulpturenblock<br />
als auch das entsprechende Modell in der gleichen aufrechten Position gestanden haben. '78 Ausnahmen<br />
stellen allerdings diejenigen hellenistischen Skulpturen dar, die in der Relieftechnik hergestellt wurden,<br />
wie die Jünglingsstatue von Rheneia Kat. Nr. 69 (Taf. 38; 39) oder die Artemisstatuetten Kat. Nr. 77<br />
(Taf 49) und Kat. Nr. 78 (Taf. 51 a). Denn diese hätten ebenso wie die archaischen Skulpturen während<br />
der Bearbeitung auf dem Boden liegen oder aber auch gegen eine Werkstattwand gestellt werden können.<br />
Je nach dem Gewicht des Werkstückes wird der Bildhauer mit seinen Gehilfen dieses mit Hilfe von<br />
Seilzügen oder Hebeln aufgerichtet haben, wie es beispielsweise ein Werkstattbild des 18. Jahrhunderts<br />
(Taf. 97 a) veranschaulicht. Doch mußte er mitunter je nach Größe und Gewicht des Werkstückes auch<br />
zusätzliche Arbeitskräfte hinzuziehen, die er aufTagelöhnerbasis hätte anmieten können.<br />
Am Aufstellungsort wurde die vollendete Skulptur aufgerichtet und in ihre Basis eingelassen, die in der<br />
Regel separat gefertigr wurde.'79 Die bereits im vorigen Kapitel beschriebene Art des Aufrichtens durch<br />
Untersteinen wird wohl weniger für das Aufstellen einer Statue in der Werksratt oder bei ihrer endgültigen<br />
Aufstellung beispielsweise im Heiligrum in Betracht kommen als für die Arbeit im Steinbruch. Auch für<br />
diesen Arbeitsschritt werden hinsichtlich des seit archaischer Zeit vorhandenen technischen Know-hows,<br />
schwere Architekturglieder zu versetzen, Hilfskonstruktionen vorhanden gewesen sein, deren genaues<br />
Aussehen allerdings nicht bekannt ist. Dennoch wollen die folgenden Ausführungen einen Eindruck vermitteln,<br />
wie derartige Konstruktionen hätten funktionieren können. J. P.Adam bildet beispielsweise eine<br />
Maschine ab, deren Prinzip darin besteht, einen Gegenstand aufzurichten, indem eine Winkelkonstruktion<br />
um ein Auflagergelenk gedreht wird. G80 Für diese Konstruktion werden aus vier Holzstämmen zwei<br />
parallel zueinander verlaufende Winkel gefertigr, die mit Querhölzern verbunden werden. An den Stämmen,<br />
die einen rechten Winkel bilden, sind Hölzer und Zugseile diagonal befestigt, die der Konstruktion<br />
Stabilität verleihen und ein Auseinanderbrechen verhindern. Während die eine Seite der Konstruktion in<br />
der horizontalen Position als Tragfläche für die Statue dient, fungiert die andere Seite als Hebelarm, von<br />
dem äußere Zugseile über Flaschenzüge und Umlenkrollen zu Erdwinden führen, die, durch menschlichen<br />
Kraftaufwand in Bewegung gesetzt, den sich in waagerechter Lage befindlichen Schenkel mit der<br />
daraufliegenden Statue langsam aufrichten.<br />
677Vgl. beispielsweise diePlastiken Kat. Nr.70, Kat. Nr. 71, Kat.Nr.92,dievonallen Seiten gleichmäßig bearbeitet sind.<br />
678 Dies gilt beispielsweise:: für die Grab~arpyie Kat. Nr. 72. Vgl.zur unterschiedlichen Position des zu fertigenden Werkstückes<br />
im frühen Mittelalter u.nd de~ Renaissance: Li sculpcure 151. I56Abb. 6; vgl. A.von Ulrnann, Bildhauerrechnik desSpätrnittelalters<br />
und der Frührenaissance (1984) 10I[<br />
679 s. M. ]acob-Fdsch. Die Entwicklung griechischer Statuenbasen und die Aufstellung der Statuen (1969) 14ff.; Richter. Kcuroi<br />
13ff.: E.Walrer-Karydi, AntK23,1980,3ff. Kolossale Skulpturen hingegen werden imBruch bossiert, aufschnellstem Wege<br />
zum Aufstellungsort gebracht. aufgenchtet und dann fertiggestellt worden sein, wobei dann zu diesem Zweck ein Gerüst<br />
aufgebaut werden mußte.<br />
680 J. P.Adam, Srria54,1977,42; vgl. D. AmoId, Building in Egypr (1991) 66ff. zumAufrichten der Obeliske.<br />
235
236<br />
Ein vergleichbares Verfahren beschreibt Vasari 68
238<br />
Iv. 3 Werkstattbauten und das Atelier des Bildhauers<br />
N. 3. 1 Zur Identifizierung eines Werkstattbaues<br />
239<br />
rI<br />
s<br />
Über die Werksrartbauren griechischer Bildhauer ist wenig bekannt.F" Dies mag in erster Linie an einer<br />
fehlenden sysrematischen Untersuchung zu diesem Thema liegen 687 , die von dem lange andauernden<br />
Desinteresse an der Frage nach dem Arbeitsraum der Handwerker herrührt, aber auch an den noch<br />
ausführlicher darzulegenden Schwierigkeiten, Werkstattbauten überhaupt archäologisch nachzuweisen.<br />
Aus logischen Überlegungen heraus sind die Werkstätten der Bildhauer grundsätzlich an einem Ort zu<br />
vermuten, an dem bildhauerische Tätigkeit erforderlich oder der Absatz ihrer Produkte entsprechend der<br />
Auftragslage gewährleistet war. Und so legen epigraphische und archäologische Befunde die Lokalisierung<br />
von Werkstärten in städtischen Gewerbe- und Hafenvierteln sowie in oder in der Nähe der Heiligtümer<br />
und Nekropolen nahe. Hiermit ist zwar bereits einiges zur Lokalisierung der Werkstätten, jedoch wenig<br />
über den eigentlichen Werkstartbau gesagt. Wie sah eine antike Bildhauerwerkstatt aus, und welche<br />
Ansprüche mußte sie erfüllen? Hatte das zu fertigende Produkt Auswirkung auf die Gestaltung d:r<br />
Werkstatt? Welche Produkte wurden in dem Atelier gefertigt und was sagen uns die Fundstücke über die<br />
Fertigung im Atelier? Handelte es sich um temporäre, Hir einen bestimmten Anlaß errichtete, oder um<br />
über einen längeren Zeitraum genutzte Bauten? Gab es einen Bezug zwischen Art und Größe des Baus<br />
und der Nutzung?<br />
Aufdiese Fragen wollen die folgenden Ausführungen eingehen, wobei ungeachtet zahlreicher möglicher<br />
Hypothesen zur Lokalisierung und zur Identifizierung einer Werkstatt letztendlich eine Konzentration<br />
auf sichere Befunde erfolgen muß. Hierbei dürfen allerdings auch indirekte Belege wie epigraphische<br />
Zeugnisse oder aber der Abraum der Werkplätze nicht vernachlässigt werden. Ferner ist zu bedenken,<br />
daß bildhauerische Arbeiten auch vor Ort unter freiem Himmel oder direkt am Bau stattfinden konnren<br />
und somit in diesen Fällen ein Werkstattbau überhaupt nicht erforderlich war: Kolossale Skulpturen<br />
wird man, obwohl der direkte Nachweis fehlt, aufgrund der Transportprobleme nach der Vorbossierung<br />
im Steinbruch unmittelbar an den Aufstellungsort geschafft, aufgerichtet und fertiggestellt haben. Was<br />
die Bauplastik betrifft, so wurden beispielsweise der Parthenonfriess", aber auch die Kuben und Simen<br />
des archaischen Artemision von Ephesos?" nachweislich direkt am Bau gefertigt. Für den Telephosfries<br />
ist diese Frage entgegen der herrschenden Forschungsmeinung nicht so leicht zu enrscheiden.f" Obwohl<br />
zumindest die Friese sehr häufig direkt am Bau angefertigt wurden, läßt sich für den Herstellungsort von<br />
Bauplastik keine allgemein gültige Regel aufzeigen.f"<br />
Die Identifikation von Werkstattbauten, in denen Steinplastik gefertigt wurde, ist sehr problematisch.<br />
Denn anders als bei der Lokalisierung von Bronzegießereien, in denen allein schon die Gießgruben<br />
eindeutige Indizien liefern, fehlen für den hier untersuchten Produktionszweig vergleichbare eindeutige<br />
Anhaltspunkte. In der Forschung wird häufig bereits der Fund einer unvollendeten Skulptur zum Anlaß<br />
genommen, am jeweiligen Fundort ein Atelier zu vermuten. Dies ist ZWar verständlich, wenn mehrere<br />
unfertige Stücke von ein und demselben Ort stammen; wie die folgenden Ausführungen zeigen werden,<br />
erlaubt es m. E. jedoch nur ein Zusammentreffen verschiedener Indizien, ein entsprechendes Gebäude<br />
mit Sicherheit als Werkstatt zu bezeichnen. Die archäologisch bestimmbaren Kriterien, die zu einer<br />
Identifizierung eines Werkstattbaues beitragen können, zu benennen und gleichzeitig zu beleuchten, in<br />
welcher Form diese überhaupt zu erwarten und wie zuverlässig sie in ihrer Aussage sind, ist ein weiteres<br />
Anliegen der folgenden Ausführungen. Als Kriterien zu diskutieren sind hierbei das zu bearbeitende oder<br />
bereits bearbeitete Material, der Abraum des Arbeitsplatzes, Werkzeuge, Werkstatteinrichtungen und die<br />
Architektur eines Baus.<br />
Das zu bearbeitende oder bereits bearbeitete Material konnte sich in Form von Rohmaterialien, Halbfabrikaten<br />
oder Fertigprodukten im Atelier befinden. Die Wahrscheinlichkeit, daß unbearbeitete Marmorblöcke<br />
als Rohmaterialien in der Werkstatt anzutreffen sind, ist allerdings sehr gering, da diese häufig als<br />
Baumaterial wiederverwendet und somit aus dem Atelier entfernt wurden. Das Vorhandensein von Rohmaterialien<br />
ist zudem eng verknüpft mit der Art der endgültigen Aufgabe sowie einer potentiellen weiteren<br />
Nutzung der Stätte. Auch liefern die Rohmaterialien in Form von unbearbeiteten Marmorblöcken<br />
keinerlei Hinweis auf die Produktion des eventuellen Ateliers, da der beabsichtigte Zweck ihrer Nutzung<br />
nicht eindeutig zu bestimmen ist: Die Blöcke hätten sowohl der Fertigung von Skulpturen als auch von<br />
Architekturgliedern oder anderen Gebrauchsgegenständen dienen können; selbst die Möglichkeit, daß<br />
sie einzig f'tir eine U~ba~maßnahme am Geb~u~e ~esti.mmt waren, kann nicht von vorneherein ausgeschlossen<br />
werden. Die Existenz von Rohmaterialien III einem Gebäude ist somit, als isoliertes Kriterium,<br />
keineswegs geeignet, dessen Nutzung als Werkstatt zu bezeugen. Als aufschlußreich könnte sich aber eine<br />
Untersuchung erweisen, ob in der Nähe des potentiellen, durch andere Kriterien bestimmten Werkstattbaues<br />
vielleicht ein Depot von Rohmaterialien festzustellen ist. 69 '<br />
Weitaus aussagekräftiger sowohl für die Identifizierung als auch für die Produktionsweise und die Herstellungstechniken<br />
eines Ateliers sind die Funde von Halbfabrikaten. Doch muß man sich vor Augen<br />
686Zu dem Begriff .EPYU
-<br />
240<br />
halten, daß unfertige Skulpturen als bewegliche Funde von ihrem ursprünglichen Standort entf:rnt<br />
worden sein können oder selbst als Rohmaterialien wiederverwertet wurden. Ein kolossaler unfertiger<br />
Fuß beispielsweise,der neben anderen Halbfabrikaten aus dem sog. Haus des Kerdon auf Delos stammt,<br />
sollte m. E. als "Rohmaterial" für die Fertigung kleinerer Objekte verwendet werden. Dies ist an späterer<br />
Stellebei der Besprechung dieses Hauses ausführlicher zu begründen. Unvollendete Plastiken sind zudem<br />
keineswegs nur wertlose Produktionsabfälle, derer sich der Bildhauer in Werkstattnähe entledigte oder<br />
die er im Depot der Werkstatt aufhob. Sie lagen über Jahrhunderte hinweg im Steinbruch, ohne daß<br />
die Steinbrecher sie als bereits aufwendig gebrochenes Material wiederverwertet hätten. Des weiteren<br />
scheinen sie aufbewahrt und sogar in unfertigem Zustand in Heiligtümern und Wohnhäusern aufgestellt<br />
worden zu sein. 6 " So ist von Fall zu Fall neu zu entscheiden, inwieweit der Fundort solcher Stücke überhaupt<br />
weitere Erkenntnisse liefert. Der Fund eines Halbfabrikats, vor allem aber die Fundkonzentration<br />
von Halbfabrikaten, legt zwar die Identifizierung eines Baues als Werkstatt nahe, kann aber nur dann als<br />
Beweisherangezogen werden, wenn zusätzliche Indizien vorhanden sind.<br />
Da Fettigprodukte gewöhnlich unmittelbar nach ihrer Vollendung dem Auftraggeber übergeben. wurden<br />
und sie zudem, falls innerhalb eines Gebäudes gefunden, durchaus auch zur dessen statuanscher<br />
Ausstattung gehört haben könnten, ist ihr Aussagewerr begrenzt und muß sich zwangsläufig aus diesen<br />
Gründen aufeinen bereits anderweitig identifizierten Werkstattkontext beschränken. Es ist anzunehmen,<br />
daß Fertigprodukte bis zur Auslieferung generell wohl weniger unmittelbar arn Werkplatz, an dem sie im<br />
Wegestanden oder gar im Nachhinein hätten beschädigt werden können, als in einem gesonde~ten Ra~m<br />
aufbc«..ahrt wurden. Sie könnten aber kurzfristig auch an dem eigenclichen Arbeitsplatz verbheben sem,<br />
Mehrere Fertigprodukte in einem Raum lassen aufdessenVerwendung als Lager schließen. Fertigprodukte<br />
erlauben somit nur in Kombination mit anderer Evidenz, die These einer Werkstatt zu stützen und<br />
ermöglichen nur unter diesen Umständen Rückschlüsse auf deren Produktion.<br />
Ein stichhaltigeres Kriterium für die Identifizierung eines Ateliers ist der nicht zu vermeidende Werksrarrabfall,<br />
der bei der Steinbearbeitung vor allem als charakteristischer Marmorsplitt anfli1lt. Viele Ausgräber<br />
schenkten diesem Anhaltspunkt jedoch keine oder nur ungenügende Beachtung. Dies ist u~so<br />
bedauerlicher, als die Menge des Marmorsplittes nichr nur Aussagen über die Quantität der Produktion<br />
an diesem Ort, sondern die verwendete Marmorsorte auch Aussagen über die Materialbeschaffung des<br />
Ateliers erlauben würde. Ferner wäre es möglich, anhand der Größe der Abschläge eine grobe oder feine<br />
Bearbeitung des Werkstückes zu rekonstruieren. Allerdings geben Marmorsplittschichten allein keinen<br />
konkreten Hinweis auf die Produktion eines Ateliers, da sie zunächst nur allgemein und undifferenziert<br />
die Steinbearbeitung als solche belegen. 694 Aber auch das Vorhandensein von Marmorsplitt ist wiederum<br />
kein eindeutiges und ausreichendes Indiz für die Identifizierung eines Arbeitsplatzes, da das Baugelände,<br />
der Werkplatz oder das Atelier gereinigt werden mußten und im Zuge der Säuberung der Abraum der<br />
Arbeitsplätze fortgeschafft wurdef 95 Marmorsplitt muß also nicht unbedingt arn Arbeitsplatz selbst ge-<br />
693 s. beispielsweise den Fundbericht von LovezurKore Kat. Ne.24j s, ferner die Fundsituationen desWidderträgers Kat. Ne.<br />
16 oder der Statuetten Kat. Nr. 89, Kat. Nr. 90. Vgl.die unfertigeFriesplattedes Patthenon Kat. Nr. 66, die sich neben den<br />
vollendetenam Bau befand.Vgl. zur Interpretation der Fundorteunfertiger ArbeitenTh. E. Kalpaxis, Hemireles (1986) 4f.<br />
mit weiterführenderLir. Ebenda auch zu den Fundorten unvollendeter Skulpturen, unfertiger Elfenbeinarbelren, Gemmen<br />
und Fehlgüssen.<br />
691 Ob derMarmorsplitt von derFertigung von SkulpturenodervonArchirekrurteilenstammt,ist in einemsolchenFallnicht<br />
zuentscheiden.<br />
695 s. zu dem BegriffÄ.o:rUJtll als Werkstc:inabfall H. BlUmner, TechnologieundTerminologiederGewerbeund Künstebei Grie~<br />
ehen und Römern I1I (1884) 93 Anm. 10 (Verweis auf literarischeQuellen); F.G. Maier, GriechischeMauerbauinschriften<br />
11 (1961) 88 Anm. 99; Martin 1965, 374 Anm. 1; Orlandos 1968, 124 Anm. 4 (Inschriftenzitateaus Didyma, Delphi,<br />
Eleusis).<br />
funden werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, daß die Marmorabschläge als eigener<br />
Werkstoff weiterverarbeitet werden konnten, beispielsweise zu Stuck, wobei die Lagerung der Marmorabschläge,<br />
wie wir noch sehen werden, in zwei Werkstätten zu beobachten ist. Grundsätzlich sind<br />
also drei Arten der Vorkommen von Marmorsplitt zu unterscheiden, bei denen es sich um während des<br />
Werkprozesses angefallenen und im Laufe der Zeit in den Boden getretenen Marmorsplitt und -staub, um<br />
Abfall oder um absichdich zwecksWeiterverarbeitung gelagerten Marmorsplitt handeln könnte.<br />
Ferner ist es möglich, die Funde von Werkzeugen, von denen jeder Bildhauer ein größeres Set besaß,<br />
zur Lokalisierung eines Arbeitsplatzes heranzuziehen. Die Funde von Werkzeugen sind aber sehr gering.<br />
Dies hat vielerlei Gründe: Aufgrund des Erhaltungszusrandes von Metallgegenständen ist es oft schwierig,<br />
diese überhaupt als Werkzeug zu erkennen, wobei zugleich das Desinteresse mancher Ausgräber an<br />
derartigen Funden nicht unerwähnt bleiben soll. Werkzeuge wurden geschmiedet und so über eine lange<br />
Zeit benutzt, obgleich es gelegendich vorkam, daß ein Werkzeug brach und am Arbeitsplatz verblieb.<br />
Grundsätzlich wird ein Bildhauer, wenn er den Arbeitsplatz wechselte, seine Werkzeuge - die neben seiner<br />
Fähigkeit sein Hauptkapital bezeichneten - mitgenommen haben. In diesem Kontext ist auch der Anlaß<br />
für die Aufgabe der Arbeitsstätte von Bedeutung: Denn wenn der Arbeitsplatz aufgrund einer hereinbrechenden<br />
Katastrophe überstürzt aufgegeben wurde, sind Werkzeugfunde am ehesten zu erwarten. Für<br />
die Bestimmung einer Werkstatt sind Werkzeuge aber ebenfalls nur zusammen mit anderen Hinweisen<br />
aussagekräftig.<br />
Fest installierte Werkstatteinrichtungen waren für den Fertigungsprozeß von Steinskulpturen nicht<br />
erforderlich, abgesehen von Feuerstellen, Wasserdepots und Becken für das Schmieden der Werkzeuge<br />
sowie das Schmelzen des Metalles, das mitunter für Anstückungen oder Metallaccessoires benutzt wurde.<br />
Derartige "Einrichtungen" sind aber selten von denjenigen, die den Bedürfnissen des alltäglichen Lebens<br />
dienren, zu scheiden, zumal als Abschreckbecken unterschiedliche Gegenstände, so beispielsweise Marmor-,<br />
Stein- oder Tonbecken. hätten verwendet werden können.<br />
Als letztes Kriterum sei die Architektur eines Baus respektive dessen Plan und Konstruktion angesprochen.<br />
Gelegentlich wurden "nachlässiger errichtete" Gebäude als Werkstattbauten angesehen. 696 Dies bat<br />
zwar als Indiz Berechtigung, aber keinerlei Beweiskraft. Denn die Betrachtung der gesicherten Werkstätten<br />
hat, um es vorweg zu sagen, unter anderem gezeigt, daß aufgrund des breiten Spektrums der genutzten<br />
Architektur weder Bauryp noch Grundriß noch Konstruktion eines Gebäudes als Kriterium geeignet<br />
sind, einen Bau alsWerkstatt zu identifizieren. Hinzu kommt, daß die Konstruktion eines Werkstattbaues<br />
der aktuellen Bauweise folgte und häufig bereits bestehende Gebäude alsArbeitsplatz genutzt wurden.<br />
Aus den vorangegangenen Ausführungen dürfte deutlich hervorgegangen sein, daß nur ein Zusammentreffen<br />
mehrerer Indizien wie eine Fundkonzentration unvollendeter Skulpturen, Marmorsplitt oder auch<br />
on Werkzeugen es erlaubt, ein betreffendes Gebäude mit absoluter Sicherheit als Werkstatt zu identifi<br />
:ieren. Das Vorhandensein aller drei Kriterien beschreibt jedoch den Idealfa1l, der nur in den seltensten<br />
Fällen auftritt. Aus diesem Grunde sind die jeweilsvorhandenen Indizien ktitisch zu prüfen und zu diskutieren.<br />
Rohmaterialien, Fertigprodukre, Installationen wie Becken oder die gebaute Architektur gewinnen<br />
erst in einem bereits identifizierten Werkstattkomplex an Aussagewert.<br />
69GThiersch 1938/39, Iff. mlt älc.Lit.;]. Bousquet,BCH 108,1984, 199ff.<br />
241
242<br />
N. 3. 2 Werkstätten archaischer Zeit<br />
Während Werkstattbefunde aus archaischer Zeit äußerst zahlreich sind, wie es die Zusammenstellung der<br />
unvollendeten Skulpturen aus dieser Zeit zeigt, fehlen bis heute sicher identifizierte Werkstattbauten, so<br />
daß für diese Epoche keine Aussagen über die Werkstattarchitektur möglich sind. 69? Gleichwohl deuten<br />
die Funde von Halbfabrikaten und Bildhauerlehrstücken auf eine Lokalisierung sowohl in Siedlungsgebieten<br />
als auch in oder nahe des Aufstellungsortes - also in den Heiligtümern und Nekropolen - hin,<br />
wobei die Nähe zum Aufstellungsott wegen der Probleme des Transportes und die Nachfrage nach den<br />
Produkten die entscheidenden Faktoren gewesen sein dürfren.?" Im samischen Heraion beispielsweise<br />
wurden der Kopf einer Kore Kat. Nr, 20 (Taf. 14 b. c), die als Bildhauerlehrstücke angesprochenen Platten<br />
Kat. Nr. 38, Kat. Nr. 39 (Taf 21 b) sowie der Kopfeines Weihrdiefs Kat. Nr. 34 gefunden. Aus dem<br />
Arrernisheiligtum von Sparta stammen die Reiterstatuette Kat. Nr. 37 (Taf. 21 a), von der Athener Akropolis<br />
das Fragment einer männlichen Figur Kat. Nr. 36 (Taf. 20 b. c), aus dem Bereich der Nekropole arn<br />
Kazartepe in Milet die Kore Kar. Nr, 19 (Taf. 13) und aus dem dortigen Siedlungsgebiet arn Kalabaktepe<br />
außer einem Weih relief diverse Kourosfragmente.F"<br />
Der weit überlebensgroße Widderrräger aus Thasos Kar. Nr. 16 (Taf. 12) und der Löwe aus Milet Kat.<br />
Nr. 28 (Taf. 18 b) lassen wegen ihres Fundortes vermuten, daß die Fertigung der Skulpturen auch direkt<br />
am eigentlichen Aufstellungsort stattgefunden hat, so daß in diesen Fällen zwar der Arbeitsplatz vor Ort<br />
eingerichtet wurde, jedoch ein Werkstattbau nicht erforderlich war.<br />
Die Mobilität des archaischen Bildhauers ist zweifelsohne sehr groß gewesen, da er aufspezielle Werkstatteinrichtungen<br />
nicht angewiesen war. Dies zeigen auch die epigraphischen und literarischen Befunde.?OD<br />
Über die Frage, ob ein Bildhauer von einer Stammwerkstatt aus operierte oder gar kein festes Atelier<br />
besaß, können jedoch nur Vermutungen geäußert werden. F. Lang hat unlängst in ihrer Untersuchung zu<br />
den archaischen Siedlungen auch die Frage nach den Werkplätzen aufgegriffen. 701 Sie geht hierbei vor allem<br />
aufTöpfereien, Färbereien und metallverarbeitende Werkstätten ein. Steinverarbeitende Werkplätze<br />
werden nicht behandelt. Auch die Werkstattarchitektur oben genannter Produktionszweige ist größtenteils<br />
unbekannt. F. Lang hat des weiteren herausgestellt, daß die Mehrzahl der Arbeitsplätze innerhalb der<br />
Siedlungen zu lokalisieren ist. Töpferwerkstätten lagen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Siedlungen;<br />
Metallwerkstätten hingegen häufiger innerhalb der Siedlung, vorzugsweise wegen der Absatzmöglichkeiten<br />
ihrer Produkte in der Nähe der Kultstätten. Interessant ist die von ihr beschriebene Häufung<br />
von Metallwerkstätten in Heiligtümern, weil eine solche auch für Steinbearbeirungsateliers vorausgesetzt<br />
werden kann.<br />
IV. 3. 3 Werkstattbauten klassischer Zeit<br />
Konkretere Aussagen Liber das Aussehen, die Bauweise und die Lakalisierung von Werkstattbauten sind<br />
an hand epigraphischer und archäologischer Befunde für die klassische Zeit zu treffen. Die folgenden Ausführungen<br />
behandeln generell Werkstätten am Aufstellungsort, diverse Marmorbearbeitungsstätten im<br />
Gewerbeviertel südwestlich der Agora in Athen (Taf. 102) sowie das von diesen ein wenig abseits gelegene<br />
Bildhaueratelier des Mikion und Menon (Taf. 105 - 107). Athen bietet für eingangs skizzierte Fragestellung<br />
das reichhaltigste Material, da bei dem derzeitigen Stand der Forschung die Befunde aus anderen<br />
Städten entweder zu fragmentarisch vorliegen oder deren eindeutige Interpretation nicht möglich ist.702<br />
IV. 3. 3. 1 Die Werkstatt am Aufstellungsort<br />
Über die Werkstatt am Aufsrellungsorr, respektive in oder nahe der Heiligtümer, vermögen weniger<br />
real existierende Werkstattbauten als vielmehr epigraphische und archäologische Quellen, wie unfertige<br />
Skulpruren oder der Abraum der Arbeitsplätze, zu informieren. Die Werkstatt des Pheidias in Olympia,<br />
in der das goldelfenbeinerne Kultbild für den Zeustempel hergestellt wurde, ist eine Ausnahme und das<br />
berühmteste Beispiel eines Werkstattbaues in einem Heiligtum.?" Dieser konnte mit dem solide errichteten<br />
sog. Bau A identifiziert werden, der nach der Fertigstellung des Zeusbildes auch weiterhin als Werklatz<br />
genutzt wurde."'" Die Größe der Werksratt enrsprach in ihren Maßen der Größe der Cella, so daß<br />
~heidias bei der Herstellung des Kultbildes eine räumliche Vorstellung des Aufstellungsortes vor Augen<br />
hatte. Einen funktional den verschiedenen Arbeitsschritten entsprechend gegliederten Werkplatz stellte<br />
243<br />
697 Äußerst interessant ist in diesem Zusammenhang ein im Jahre 1984 aufAeginabei Kambo- Mylas aufgedeckter Komplex,<br />
deraus25 Räumen bestehtund dervon den Ausgräbern inspätarchaisch I frühklassische Zeit datiert wird. Das Gebäudewird<br />
in Verbindung mit der angrenzenden Nekropole gebracht,deren Bdegung ebenfalls in die archaischeund klassische Zeit<br />
datiertwird; die Räume werden als Werksränenund Lädenangesprochen.Den kurzenJahresberichten zufolge fanden sich<br />
hier Hinweise auf metallverarbeitende und diverseanderehandwerklicheAktivitäten. Ob in diesen Räumen auch Marmor<br />
verarbeitet wurde, geht aus den Angaben nicht hervor. Das Landwurde enteignet und wird weiter erforscht.so daß erstdie<br />
zukünftigen Untersuchungendiese Fragebeantwortenwerden, s. A. Pariente. BCH 114, 1990, 721; A. Pariente. BCH 115.<br />
1991,854;E. B.French,ARepLan 38,1992,10.<br />
698 s.auchdas Kap. IV. 1. 2. 3 "DerSteinbruch alsFerrigungsplarz vonSkulpturen."<br />
699 AusderGrabungvon 1985 stammen: dasOberschenkelfragment eines überlebensgroßen Kouros. Inv. Nr. 3084: Milet 1985,<br />
Kalabaktepe aus C 1114-5, Steinschutt der AuffüHung; weißer Marmor;erh. H 0,145 m: D der oberen Bruchflache 0.23 m<br />
(nach Grceve). Das Fragmentzeigt eine erste grobe Bearbeitung,wobei die gesamte OberflächeSpuren eines groben Spitz.<br />
meißels aufweist, der schrägangesetztwurde, V.v. Craeve in:W. Müller - Wiener, Milet 1985, IstMitt 36, 1986,45 Taf. 11,<br />
3; das Fragmenteines Kourosbeines, das nachGraeveüberdie Spurendes Spitzmeißelshinausgeglättet ist. s. Graeve a. 0.45<br />
(nicht abgebildet): ein vollständigesWeihrelief,Inv.Nr. 3085: Milet, Kalabakrepe, ausC III 1-3. grauweißerMarmor; gr.erh.<br />
H 0,36 m: gr. erh. B 0,24 m, die äußere Form des Reliefsist bereitsbestimmt. Nach oben wird es schmaler,die Giebelseiten<br />
sind abgeschrägt. Die Vorderseite ist schon ansatzweise fürdie figürlicheDarstellunggeebnet, ebenda 46 Taf. 12.3.4.<br />
zoo V.Goodlett, Cellaboration in Greek Sculpture. The Lirerary and Epigraphical Evidence(1989).<br />
?Ol F.Lang, Archaische Siedlungen inGriechenland (1996) 128fT.; zu Standort und Organisation 134ff. Abb. 32.<br />
702 Vgl. beispielsweisedie diversenBerichteüberdi: Arbeiten in Er~tria: H. W. Catling, AReplan 29, 1983, 17; L. B. Prench,<br />
MepLon 37, 1991,39; s. au:h dasHausA 5 In Olymh, das In der erstenGrabungskampagne 1928ausgegraben wurde<br />
und zu den Häuse~n der ;vesrllchen Stadtr~dbeba~ung vorn Ende des 5. jhs. v. ehr. gehört. Die Deutung als Atelier eines<br />
Steinmetzen, wie SIeRobinson aufgrund diverser, Im Hof gefundener Marmorobjekte vorschlug ~ hierunter befanden sich<br />
unter anderemeine unfertigeStelenbekrönung sowie eine Stele, derenOberfläche vielleicht für die Aufna.hme einer Inschrift<br />
vorbereitetwurde>, ist mangels eindeutigerBefunde nicht zu sichern.s, D. M. Robinson, Olynth J[ (1930) 55ff. Taf. 1; D.<br />
M. Robinson -J. W Craham, OlymhVIII(1938) 68ff.74f.184.279.297.308.322. Vgl. W Hoepfner _E. L. Schwandner,<br />
Haus und Stadt im klassischen Griechenland' (1994) 99. 110f. Abb. 88. Hoepfnerund Schwandner sprechen sichgegen<br />
die Deutung alsAtelier aus und we~~n die: Funde: im Hof als Zeichen ein~s Umbaus. Zu den Läden in Olynrh: Robinson<br />
~ Graham a. O. 211ff. EbendadetaillierteZusammenstellungund BeschreIbungder Läden der olymhischen Häuser. s. zu<br />
Werksrätten in Pella imGebiet derAgora; H. W Carling, ARepLan 29,1983, 39f.;H, W.Catling. AReplan 30,1984,43;<br />
Ho W. Carling. AReplan 31,1985,44; L. B. French, AReplan 37,1991,56; s. zu einemBildhauerarelleraufParos aus<br />
dem 4. jh.: E. B.French, AReplan37,1991,.64.Unklar bleibt, obdieses Atelierins4.Jh. v.Chr. oderins4. Jh. n. Chr.zu<br />
datieren ist. Vgl. auch el~e In dem Ge,:erbev"lertel gelegene, allerdings noch unpublizierreBildhauerwerkstarr des 2. jhs. n.<br />
Chr. in Chalkis aufEuboia:H. W Catling, ARepLan 29, 1983,11.<br />
703 A. Mallwitz - W Schiering. DieWerksratt desPheidias inOlympia I. OFV (1964);W.Schiering, DieWerkstatt desPheidias<br />
11, DieWerksrattfunde, OF XVIII (1991).<br />
704 Mallwitz - Schiering a, O. 74fT. 102fT.; G. Zimmer, Griechische Bronzegußwerkstätten (1990)180f.<br />
..
244<br />
die Werkstatt aber nichr dar, vielmehr wurden weitere Arbeiten auch südlich des Baues unter freiem Himmel<br />
durchgeführt. Die Bauabrechnungen der klassischen Zeit überliefern, daß für die Ausführung des<br />
Skulpturenschmuckes des Parthenon sowie des Asklepiosternpels in Epidauros den Bildhauern Werkstätten<br />
vor Ort zur Verfügung standen.705 Ebenso wird für den Bau des Erechtheion in den Inschrifren eine<br />
Werkstatt genannt.P" An gelegentlichen Versuchen, entsprechende Arbeitsplätze in den Heiligtümern zu<br />
identifizieren, hat es bislang nicht gefehlr, allerdings sind diese Identifikationen fast ausnahmslos mangels<br />
eindeutiger Befunde nicht gesichert.<br />
In Epidauros wurde der Bauinschrift zufolge, die 20 m von der Ostseite des Tempels entfernt gefi.mden<br />
wurde, den Bildhauern eigens für die Fertigung des Skulpturenschmuckes des Asklepiosrcmpels eine<br />
Werkstatt errichrer.?" Der Inschrift ist zu entnehmen, daß Euterpidas aus Korinth beauftragt wurde, die<br />
Bruchsteine für die Werksratt zu brechen, anzutransporricrcn und zusamrnenzutügen.T" In den folgenden<br />
Zeilen lesen wir, daß Damonoos'?", für den Timodamus sich verbürgte, die Balken für die Werksratt lieferte<br />
und Lysikrares/!'', dessen Bürgen Eudamidas und Lakrines waren, die Steine für die Pflasterunterlage<br />
brechen, antransportieren und zusammenfügen ließ. Phaullos, für den Dorieus bürgre, oblag der Aufbau<br />
der Werkstatt. 71l Archesrratos?" kümmerte sich um deren Türen, wobei als Bürge Aristarchos genannt<br />
wird, und Samion?", für den Epistraros bürgte, übernahm das Verputzen und Stuckieren der Werkstatt.<br />
Mnasillos, als dessen Bürgen Lakrines und Euanrhes genannt werden, ließ die Steine für das Pflaster und<br />
die Rampe brechen und herantransportieren.?" (Theorlrimos, für den Arisrokrates bürgte, übernahm die<br />
Errichtung des Dachstuhls."? Sorairos war für die Lieferung von Nägeln und Zapfenlagern sowie von UIrnen-,<br />
Lotos- und Buchsbaumholz für die Türen und die Werkstatt veranrwortlich.?" Schließlich wurden<br />
Nikon?" für die Schlüssel der Werkstattüren, Philon?" für die Verpichung der Werkstatt und Aristaios"?<br />
für die Verpichung der Werkstattüren entlehnt.<br />
Es handelte sich also um einen soliden, sorgfaltig hergerichteten, überdachten Werkstattbau, den Phaullos,<br />
der vielleicht ein professioneller Architekt war, über den von dem Korinther Eurerpidas gesetzten Bruchsteinlagen<br />
wahrscheinlich aus Lehmziegeln errichrete.?" Der Fußboden der Werkstatt scheint mit Steinen<br />
gepflastert gewesen zu sein, wie es auch in der Werkstatt des Pheidias in Olympia der Fall war. 72l Die<br />
erwähnte Rampe erleichterte den Transport der Skulpturen. Nicht mit Sicherheit zu entscheiden ist, ob<br />
,os Epidauros: IG IV' 102 Z. 27 - 28. 32 - 39. 44 - 47. 221 - 222.245 - 246.255 - 256: Parthenon: IG F 347 Z. 38: 348 Z, 75:<br />
349 Z. 25: 350 Z. 48.<br />
706 Erechtheion: IG l'373,<br />
7CYl Zur Inschrifts. Anm. 70S:A. Burford. The GreekTemple Builders ar Epidauros(1969) 58f. 82. 83. 136. 153: G. Roux,I:<br />
architecrure de I' Argolide (196J) 86ff.<br />
708 IG I\f2 102 Z. 27 - 28. Hierfür wurde er mit 882 Drachmen und drei Obolen entlehnt.<br />
709 JG IV' 102 Z. 32 - 33. Erbekam hierfür299 Drachmen und fünf Obolen.<br />
710 IG IV' 102 Z. 33 - 35. AlsEntgelt werden843 Drachmen und zweiObolen genannt.<br />
711 IG IV' 102 Z. 35 - 36. AlsEntgelt erhielter 368 (?)Drachmen.<br />
712 IG IV' 102 Z. 37 - 38. Er bekam 219 Drachmen,<br />
713 IG IV' 102 Z. 39 - 40. Erbekam 68 Drachmen.<br />
714 IG IV' 102 Z. 40 - 41. Er erhielt 4320 Drachmen.<br />
7L5 JG IV' 102 Z. 42 - 43. Erbekam 490 Drachmen.<br />
716 IG IVll 02 Z. 44 - 46. Für die erste Lieferung erhielt er ] 57 Drachmen und 2 Obolen, für die zweite 840 Drachmen.<br />
717 IG IV' 102 Z. 221 - 222. Der Lohn betrug29 Drachmen und 3.5 Obolen.<br />
718 IG IV' 102 Z. 245 - 246. Er erhielt 4 Drachmen und 3 Obolen.<br />
719 IG IV' 102 Z. 255 - 256. Al, Lohn werden2 Drachmen und 5 Obolen genannt.<br />
720 Die Kosten für den Werkstattbau beliefen sich insgesamt auf 1917 Drachmen, s. A. Burford, The Creek Temple Builders at<br />
Epidauros(I969) 82. 153.<br />
721 A. Mallwirz- W Schiering, Die WerkStatr des Pheidiasin Olympia I. OF V (1964) 75. 95.<br />
in diesem Bau das goldelfenbeinerne Kultbild oder die erhaltenen Giebelskulpturen sowie die Akrorerc/P<br />
oder aber der gesamte Skulpturenschmuck gefertigt wurden. In Analogie zu der ebenso massiv und sorgfältig<br />
errichteten Pheidiaswerkstatt in Olympia wäre jedoch zu erwägen, ob es sich bei diesem Ergasterion<br />
um die Werkstatt handelt, in der Thrasymedes das goldelfenbeinerne Kultbild fertigte, wie es Thiersch<br />
und Lauter annehmen.'" Diese Annahme ist aber keineswegs zwingend, und so sprechen sich Burford<br />
und Yalouris für die Fertigung der Giebelfiguren in diesem Ergasterion aus.?" Laut Inschrift dauerte der<br />
Bau des Tempels inklusive der Bauplastik vier[ahre, acht Monate und zehn Tage, wobei für die Fertigung<br />
der Bauplastik ein Zeitraum von erwa zwei Jahren zu veranschlagen ist. 72s Diese Zeitspanne dürfte sicher<br />
einen derart solide konstruierten Werkstattbau auch für die Fertigung der Giebelskulpturen und Akrotere<br />
gerechtfertigt haben.<br />
Roux möchre das Atelier in den sich 15m südlich des Tempels befindlichen Gebäuderesten, bei denen<br />
es sich um einen rechteckigen Bau von 16,50 m x 7,40 m Ausdehnung mit einer im Osten vorgelagerten<br />
Portikus handelt, sehen.?" Gewißheit ist hierüber nicht zu erlangen, da sichere Indizien, die eine Identifizierung<br />
erlauben würden, fehlen. Die Lage in Tempelnähe. die Größe sowie die Konstruktion sprechen<br />
jedoch eher für als gege~ diese Hypothese.<br />
Eindeutiger bestimmt ist der Verwendungszweck der Werkstärten, die in den Inschriften im Zusammenhang<br />
mit dem Bau des Parthenon genannt werden, da diese ausdrücklich für die Ausarbeitung der<br />
Giebelskulpturen genutzt werden sollten.?" In den Quellen ist immer von mehreren Ergasteria die Rede,<br />
was entweder mehrere Arbeitsplärze oder mehrere Räume innerhalb einer Werkstatt bezeichnen könnte,<br />
da eine Unterteilung des Arbeitsraumes auch in Bezug aufdie Werkstätte für den Bau des Erechtheion inschriftlich<br />
überliefen ist. 728 In der bisherigen Forschung wurden aufder Athener Akropolis drei Gebäude<br />
als potentielle Werkstattbauten angesproche~.729Allerdings entbehrt, um es gleich vorweg zu sagen, die<br />
erst kürzlich wieder vorgetragene Interpretation der aus zwei Räumen bestehenden Anlage im Südosten<br />
des Akropolisareales als Werkstatt nach gründlicher Untersuchung der Befunde einer tragfähigen Grund-<br />
722 Zu den vier großen Skulpturenkomplexen s. N. Yalouris, Die GiebelsKulpturen desAsklepiostempe1s in Epidauros, AntPI21<br />
(1991).<br />
723Thicrsch 1938/39, 1. 14f. Thiersch geht für die Fertigung der Gh~bdskulpturen von der Existenz eines weiteren Werksrattbaus<br />
aUS: Lauter 1974.40 Anm. 102,<br />
724 A. Burford. The Greek Temple BuiIders at Epidauros (1969) 59. Nach Burford muß die Werkstatt fur die Fertigung der<br />
Giebelskulpturen wegenderenAufstellung mindestens 12 m langgewesensein;Yalouris a. O. 13. Beidegebenjedochkeine<br />
Begründung ft..ir dieseHypothese an.<br />
725 Yalourisa, O. 67[. Anm. 34 mitalt. Lir.:die Errichtung desTempels wurdezuletztvon Yalouris überzeugend in dieJahre 375<br />
_ 370 v, Chr. datiert. s. ebenda 82ff.<br />
;>16 G. Roux, I' architoctllre de I' Argolide (1961) 89 Abb. 15 Taf 29,1. Roux ebenda zu einer potentiellen Nachnutzung der<br />
temporären Werkstatt als Gebäude für administrative Zwecke: Burford a. O. 59 Anm. 1 Abb. 3. W: Burford scheint die<br />
Annahmevon ROID: zu akzeptieren, gibt ~ber ~u bede~ken. daßdie Lokalisierung derWerkstatt ungewißbleibtund verweist<br />
auf Kavvadias, derdiesesGebäude alsEpidoreion bezeichnete, s. zurIdentifiz.ierung desEpidoteionsmit dem Bau0 Burford<br />
a. O. 74 Albb. 3. 0,<br />
727 IG J' 347 Z. 38: 348 Z. 75: 3?9 Z.25: 350 Z. 48. DieInschriftenerwähnendenTransportdes Marmors fürdie Fertigungder<br />
Giebelskulpturen vornPenreliIn dieWerkstatt: 1tpÖ~ I C~ta epya(Jl'CpHl. Vgl. A.Witcenburg. Griechische Baukommissionen<br />
des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (1978) 20. Wittenburg übersetztden BegrilfErgasteriaan dieserStelleals "Platz,an dem Blöcke<br />
bearbeiretwurden"; s. auch G. M. A. Richter,The Sculprures and Sculptorsof the Greeks' (1970) 232 Anm. 127.<br />
728 IG F 373 Z. 258f. (Erechtheion,409/408 v. ~hr.): Thiersch 1938/39. 2. 6: J. A. Bundgaard,Parehenonand the Mycenaean<br />
Ciry of rhe Heights(1976) 76, Bundgaarderklärt dieVerwendung desPluralsgenerellmit der ExistenzmehrererWerkstätten<br />
fUr den Baudes Parthenon.<br />
7Z9 G. Kavvadias - G. Kawerau, Die Ausgra~ung der ~opolis vom Jahre 1885 bis zum jahre 1890 (1906) 96ff. 122ff.:J. A.<br />
Bundgaard.The Excavation of the Athenian ~cropoiJs 1882 - 1890 (1974):.J. A. Bundgaard, Partherion and eheMycenaean<br />
City of eheHeighrs(1976) 77ff.:zuletztG. ZImmerIn: W.Hoepfner- G. ZImmer (Hrsg.). DiegriechischePolis, Architektur<br />
und Politik(1993) 94fT.<br />
245
'*<br />
246<br />
lage, denn die dort vorhandenen Marmorsplittschichten, die Anlaß für diese Deutung waren, sind als<br />
Aufschüttungen in den Bau gelangt.730 Obgleich über den Verwendungszweck der beiden übrigen Bauten<br />
nur Mutmaßungen anzustellen sind, sollen diese kurz vorgestellt werden: Die zuerst von Dörpfeld identifizierte<br />
sog. Chalkothek im Südwesten des Akropolisareales besaß einen Vorläuferbau. der um die Mitte<br />
des 5. [hs, v. Chr, errichtet wurde und eine einfache, rechreckige Halle von ca. 12 m x 40 m darstellte.'"<br />
Stevens erschloß aus dem Verlauf der erhaltenen Fundamente, daß die Vorhalle als spätere Erweiterung<br />
anzusehen sei und erkannte an diversen Felseinarbeitungen, daß von der Mitte der nördlichen Wand eine<br />
Rampe nach Nordwesten anstieg.'" Nach Bundgaard käme diese Werkhalle für die Herstellung der Arhena<br />
Parthenos und der Giebelskulpturen in Frage. 7J3 Die Größe der Halle sowie die Existenz der Rampe,<br />
die in der Tat dem Transport von Werksrücken hätte dienen können, sprechen zwar für einen Werkstattbau,<br />
weiterführende Indizien, die eine Spezifizierung der Nutzung des Gebäudes erlauben würden, sind<br />
allerdings nicht vorhanden. In den Grabungen von 1882 bis 1890 deckten Kavvadias und Kawerau im<br />
Süden des Parthenon ein langgestrecktes rechteckiges Gebäude mit einer Gesamtlänge von 40 mund<br />
einer ungeHihren Breite von 15 m auf.?" Da in dem Gebäude verworfene Architekturteile des Partherion<br />
verbaut wurden, ist von einer Errichtung der Werkstarr während der Arbeiten am Tempel auszugehen.<br />
Die Fertigung der Giebelskulpturen erfolgte erst zu einem späteren Zeitpunkt des Baus, denn vom 10.<br />
Jahr an, 438 /437 v. Chr., wird als Verwendungszweck der vom Penreli herantransportierten Steine die<br />
Fertigung der Giebel genannt'?" Möglicherweise ist hier entgegen der Aussage von Bundgaard, der in diesem<br />
Gebäude eine Schreinerei sehen möchte, der Arbeitsplatz für die Fertigung der Giebelskulpturen zu<br />
lokalisieren, zurnal sich östlich dieses Gebäudes eine Menge Marmorsplitt fand."6 Nachdem die Arbeiten<br />
abgeschlossen waren, verlor das Gebäude seine Funktion als Werkstatt, und das Gelände zwischen Tempel<br />
und südlicher Stützmauer wurde planiert."?<br />
In dem Heiligtum der Aphaia aufAegina deuteten bereits Furtwängler und in dessen Nachfolge Ohly und<br />
Schwandner den sich am Südabhang des Tempelhügels befindlichen sog. Südbau als Ergasrerion.?" Das<br />
25 m x 10 m große Gebäude ist durch zwei Quermauern in drei Räume gegliedert, wobei der mittlere<br />
mit einer Länge von 13 m den größten Raum darstellt und nach Furtwängler eine gesamte Giebelgruppe<br />
hätte aufnehmen können'?" Für eine eindeutige Interpretation des Bauwerks fehlen jedoch sichere Anhaltspunkte,<br />
zumal sich auch in diesem Areal kein Marmorsplitt befand.""<br />
In Olympia entdeckte man im Verlauf der Grabungen, die 1962 bis 1966 unter E. Kunzc und 1978<br />
und 1979 unter A. Mallwirz im Südosten der Altis durchgeführt wurden, zahlreiche Hinweise auf die in<br />
Olympia in klassischer Zeit tätigen Bildhauerwerksrauen.?" Unter den antiken Schichten des Südostgebietes,<br />
die vom späten 6. Jh. n. Chr. bis in die erste Hälfte des 7. jhs, v. ehr. zurückreichen, befanden<br />
sich drei Schichten aus klassischer Zeit, die neben zahlreicher Keramik reichhaltiges Material lieferten, das<br />
247<br />
730 Die Anlage wurde in den Grabungen der Jahre 1882 - 1890 von Kavvadias und Kawerau freigelegt, Kawadias - Kawerau<br />
a. O. 96fE Taf. E. Aufgrund der großen Menge von Marmorabschlägen, die sich im hinteren, 19 m x 14 m großen Raum<br />
befanden, deuteten bereits die Ausgräber das Gebäude als Werks!atr, s. Kavvadlas - Kawerau a. O. 98. Thiersch 1938/39. Bf<br />
vertrat die These. daß wegen der Massen an Marmorsplitt das Kultbild und die Giebelfiguren. zumindest die des Ostgiebels.<br />
hier gefertigt wurden. Nach den neueren Forschungen fanden sich Hinweise auf die Deutung der Anlage als Heiligtum des<br />
Heros Pandion, s. G. Zimmer in: Hoepfner - Zimmer a. O. 9S( mit Lir., der sich zuletzt zusammenfassend hierzu äußerte.<br />
Zimmer schreibt: .Alle Argumente für die Nutzung des Baues als Heiligtum bieten jedoch keine Erklärung für die Anhäufung<br />
von Marmorabschlagen. wie sie nur in einer Werkstattanlage vorkommen. Deshalb schlagen sowohl Bundgaard als auch<br />
Stevens einen Komprorniß vor, der den hinteren Raum als Werkstatt beläßt. den vorderen aber als Heiligtum genut:z.t sehen<br />
will." Mit Blick auf die Pheldiaswerkstan in Olympia hält Zimmer eine temporäre Nutzung des Gebäudes als Werkstatt. das<br />
anschließend die Funktion als Heroon übernahm. für möglich. Hierbei überslehr er jedoch. daß es sich bei diesen Abschlägen<br />
auch um den Abraum eines anderen Arbeitsplanes handeln könnte, der als Aufschüttung an diesen Ort gelangt sein könnte,<br />
wasaufgrund der dortigen Niveaus sehr wahrscheinlich ist, s. S, lakovidis,'H J.luK~valKll AKpono),\s TITlV Ae~vmv (1962)<br />
150fT:So auch A. I. Triandi, die dies überzeugend in ihrem Vortrag ..Über das Heiligrum des Pandien auf der Akropol~s<br />
von Athen" auf dem in Berlin veranstalteten Symposion. 7. - 9, Juli 1995...Über Kult - und Kultbauren auf der Akropolis<br />
in Athen" dargelegt hat. Bundgaard zeigte. daß die Anlage bereits vor der kinionischen Mauer bestand. also vor 465 v. ehr.<br />
errichtet wurde; er sieht die Nutzung bereits in Zusammenhang mit dem vorperikleischen Parthenon- ]. A. Bundgaard, The<br />
Excavation of eheAthenian Acropolis 1882 - 1890 (1974) 9; J. A. Bundgaard, Parehenonand ehe MycenaeanCity on the<br />
Heights (1976) 77.<br />
731 Zuletzt zur Deutung als Werkstart und zur Diskussion der älr. Lir.: Zimmer a. O. 97( mit den ernsprechenden Llreracurzitaten.<br />
Ebenda auch zur Diskussion der These von La Follene, daß die Chalkothek in einer einzigen Phase errichtet wurde. s.<br />
L. La Pollette.Hesperia 55, 1986, 75ff.<br />
'" G. P. Stevens,The Setting of the PerlkleanPartherion. HesperiaSupp!.3 (1940) 7ff.<br />
733]. A. Bundgaard, Parehenon and rhc Mycenacan City of the Heights (1976) 78; s. Zimmer a. O. 98. Nach Zimmer wurde<br />
vielleicht die Arhena Parthenos hier gefertigt.<br />
734 Kavvadias - Kaweraua. O. I22ff.; J. A. Bundgaard, Parehenonand the Mycenaean Ciry of the Heights (1976) 78f.; G.<br />
Zimmer in: Hoepfner - Zimmer a. O. 96[ Die Gliederung des Baues durch zwei Quermauern in drei Innenräume ist nach<br />
Kavvadias und Kawerau a. O. das Ergebnis mindestens zweier Bauphasen.<br />
735 A. Wittenburg. Griechische Baukommissionen des 5. und 4. jhs. v, ehr. (1978) 20.<br />
736 s. Thiersch 1938/39.3. Lauc Thlersch wurden in dieser Werkstatt die Metopen, Friese und Giebel gearbeitet. Vgl. hingegen<br />
W. Dörpfeid,AM 1902, 400L der annahm, daß das Golde1fenbeinkultbildder Parthenos hier gefertigtwurde, Die These von<br />
Thiersch ist, was die Friese betrifft, aufgrund des besseren Verständnisses der Arbeitsabläufe am Partherion längst überholt,<br />
denn diese wurden, wie es M. Korres [s. Anm. 348) nachgewiesen hat, am Bau selbst gefertigt. ]. A. Bundgaard, Partherton<br />
and the MycenaeanCiryon the Heights (1976) 78ff.; G. Zimmer in: Hoepfner - Zimmer a. O. 96f. Zimmer folgt der Inrerpretation<br />
von Bundgaard, der in diesem Bau die Schreinerei u. a. für die Arbeit an den Dachbalken sieht. Bundgaard stützt<br />
sich bei seiner These neben der Nutzungsphase des Baues und der Existenz einer Schreinerei für den Bau des Erechtheion u.<br />
a. auf Zeichen, die an der 18. Schicht des Tempelfundamentes gegenüber dem Ergasterion auf einer Höhe von 1,5 m über<br />
dessen Fundamenten beobachtet wurden und die er als Markierung zum Abgreifen und zur Kontrolle der Maße bezeichnet.<br />
Die Argumentation für die Deutung als Schreinerei ist. obgleich die Markierungen Maßangaben darstellen könnten, keineswegs<br />
zwingend.<br />
737 Zur Datierung des Abrisses s. J. A. Bundgaard, Parehenon and the Mycenaean City of the Heights (1976) 78f.; G. Zimmer<br />
in: Hoepfner - Zimmer a. O. 96[<br />
738 A. Furrwängler,Aegina. Das Heiligtum der Aphaia (1906) 102ff.492 zum Südbau. Fiechter in; Furtwängler a. O. 104 sprach<br />
dieses "wenig sorgfältig angelegte Gebäude" als Lager für Wanderer oder Pilger an; er erwägt aber auch, daß die Bauleute<br />
des neuen Tempelsdiesen Bau nutzten. Thiersch 1938/39, If.: D. Ohly - E. L. Schwandner, AA 1970, 69; D. Ohly, Aeginaführer'<br />
(1978) 29 Abb. 15 (Ohly behalt die Deurung des Südbaues als Tempelbauhütte bei); s. zur Wiederverwendung der<br />
Architekturglieder der Tempelruine im Südbau E. L. Schwandner, Der ältere Porosrempel der Aphaia aufAeglna (1985) 2<br />
Anm.I4.<br />
739 Furtwängler a. O. 492.<br />
740 E. L. Schwandner, Der ältere Porestempel der Aphaia auf Aegina (1985) 2 Anm. 14; die Untersuchung der Ostterrassenschünung,<br />
deren Inhalt Fumvängler a. O. 492 nach eig~nen Worten genau beobachten ließ. erbrachte keine unfertigen oder<br />
verworfenen Werkstücke. Furtwängler a. O. schreibt: hüber dieser eingeebneten Schicht der Ablagerungen älterer Perioden<br />
schüttete man nun die große Terrasse an, zumeist aus groben Steinern an mehreren Stellen erkennt man auch größere Schichten<br />
von Steinsplittern. die vom Bauschurre des Neubaus herrühren."; s. zur Ostterrassenschüttung auch D. Ohly - E. L.<br />
Schwandner, AA 1970, 48ff. Auch die neueren Untersuchungen der spätarchaischen Terrassenfiillungen im Norden, Westen<br />
und Süden (s. D. Ohly - E. L. Schwandner,AA 1971, 505ff.), die 1901 nicht durchgeführt worden waren, erbrachten anscheinend<br />
keine Hinweise, die weiterführende Aussagen über den Fertigungsprozeß der Giebelskulptucen gestatten würden.<br />
74\ Zu den Grabungen von 1962 bis 1?66 s. die Vorberichtevon E. Kunze: E. Kunze, ADelt 18, 1963, Chrcn I I0 (Grabungen<br />
in Olympie 1962/63. Das Südosrvlertel), E. Kunze,ADelr 19, 1964 Chron I72f. (Ausgrabungen in Olympia 1963/64) und<br />
nun zusammenfassend:H. Kyrieleis, Die Ausgrabungen 1962 bis 1966. IX. Olympia-Berichr (1994) Iff.; zu den Grabungen<br />
von 1978 und 1979 s. den Jahresbericht 1978 des Deutschen ArchäologischenInstituts; AA 1979, 579; Jahresbericht 1979<br />
des Deutschen ArchäologischenInstituts: AA 1980, 578; H. W. Catling, ARepLon 27, 1981, 20f. Abb. 35; A. Mallwitz,<br />
Gymnasium 88, 1981, 97fT. bes. 11H.;J.Schilbach, DAV 12, I, 1981, 5ff.
248<br />
mit der Tätigkeit von Marmor- und Bronzegußwerkstätten sowie den Arbeiten am Zeustempel in Verbindung<br />
gebracht werden kann."? In dem Niveau des frühen 5. [hs, v. Chr. stießen die Ausgräber in den<br />
Planquadraten B-FIlO-13 auf nordsüdlich verlaufende Steinzeilen, die neben zahlreichen Spolien eine<br />
unfertige Marmorstatuette enrhielren.r" In dieser sog. Steinzeilenschicht wurden außerdem Fragmente<br />
von marmornen, unverwitterten Dachziegeln und Dachziegelrohlinge sowie Linsen aus feinen Marmorsplittern<br />
entdeckt, die Schilbach mit der Herstellung der Dachziegel in Verbindung bringt.?" Mallwitz'45<br />
schreibt über die Sreinzeilenschichr: "Es genügt zu wissen, daß diese Steinzeilen zusammen mit einer<br />
sehr viel weiter nach Osten sich erstreckenden Anschüttung aus stark aschehaItiger Erde entstanden, die<br />
Unmengen von Knochen, Scherben von Eß- und Trinkgeschirr des frühen 5. [hs. v. Chr., darunter auch<br />
attischer Import, und vielerlei Werksrartabfälle enthielten. Die Anschüttung war stellenweise dicht mit<br />
Marmorabschlägen durchsetzt, von denen einige sicher zu Skulpturen gehörten. So spricht alles dafür,<br />
daß es sich auch hier um den Abraum von Werkstätten handelt, freilich von solchen, die am und für den<br />
Neubau des Zeustempels gearbeitet hatten." Konkretere Aussagen sind den Publikationen bedauerlicherweise<br />
nicht zu entnehmen.<br />
Aus einer Schicht des 4. jhs. v. Chr. 746 , die der Geländeerhöhung vor dem Südostbau diente, und bei<br />
der es sich ebenfalls um den Abraum eines Arbeitsplatzes handelt, stammen zahlreiche Fragmente von<br />
Baugliedern des Zeusrempels, formlose große Brocken sowie ein unfertig gebliebener Finger einer überlebensgroßen<br />
Statue und ein Handfragment einer kleineren Figur.'' Obwohl diese Befunde<br />
auf eine rege Tätigkeit von Bildhauerwerkstätten und überhaupt von Marmorbearbeitung deuten und<br />
davon auszugehen ist, daß die Giebelskulpturen des Zeustempels vor Ort gemeißelt wurden, sind bis<br />
heute außer der Pheidiaswerkstatt keine entsprechenden Werkstattbauten nachgewiesen worden. Die von<br />
Thiersch aufgestellte These, daß in dem 56,12 m langen und circa 6,50 m breiten, südlich vor der Pheidiaswerkstatt<br />
gelegenen Bau C die Giebelskulpturen des Zeustempels gemeißelt wurden, kann aufgrund<br />
der durch spätere Untersuchungen des Baugeländes gewonnenen Datierung dieses Baues in das 1, Jh. v.<br />
Chr. nicht mehr aufrecht erhalten werdcn.?" Vielleicht befanden sich die Marmorwerkstätten klassischer<br />
Zeit in dem Areal südlich des Stadions, in dem auch andere Indizien für handwerkliche Aktivitäten, wie<br />
beispielsweise ein Töpferofen, vorhanden sind. 7 5-lDie erwähnten Marmotsplittschichten allein sind, da sie<br />
als Abraum der Werkstätten und als Aufschüttungen dorthin gelangten, jedoch kein zwingender Hinweis<br />
aufMarmorbearbeitungsstätten in diesem Areal,755 Denn sie können ohne weiteres auch von einer anderen<br />
Stelle des Heiligtums herbeigeschafft worden sein.<br />
In Nemea fanden sich in dem Gebiet außerhalb des heiligen Bezirkes südlich der Oikoi 1 bis 4 Hinweise<br />
auf die Tätigkeit von Marmorarbeitern spatklassischer Zeit. Im Planquadrat K 17 stießen die Ausgräber<br />
auf zwei große Gruben, die mit Abschlägen und Splitt pentelischen Marmors angefüllt waren, zudem<br />
Werkzeuge enthielten und nach Ausweis der Keramikfunde sowie einem Münzfund in die zweite Hälfte<br />
des 4. [hs, v. Chr. zu datieren sind.'" Die Abschläge selbst geben keinerlei Hinweis darauf, ob sie von der<br />
249<br />
742 Die detaillierte Publikation der Grabungen von 1978/79 steht leider noch aus, so daß hier keine konkreteren Aussagen<br />
überdie verschiedenen Schiehrenfolgen und deren Inhalt möglich sind. Die Ergebnisse werden im Xl. Olympia-Bericht<br />
erscheinen. Zuden nachCatlinga. O. 20f. in der Kampagne von 1979 erwähnten zahlreichen Funden von Eisenwerkzeugen<br />
existiert weder eine genaue Fundortangabe noch eine detaillierte Beschreibung. s. zu den materiellen Hinterlassenschaften der<br />
Bronzegießer G. Zimmer, Griechische Bronzegußwerkstätten (I 990) 57ff.;zur Keramik aus diesen Schichten s. J. Schilbach,<br />
Elische Keramik des5. und 4. Jhs. v, Chr.,OF XXIII (1995): s. zur Identifizierung desSüdostbaues alsHesrlaheiligrum J.<br />
Schilbach,DAV 12, I, 1981,7: A. Mallwirz, Gymnasium 88,1981, 97fT.<br />
743 Die Statuette, die leider nicht abgebildetist, wird im Jahresbericht 1978 des Deutschen Archäologischen Institutes: AA 1979,<br />
578 erwähnt. s. auch die unvollendete, römische (?)Statuette aus parisehern Marmor (G. Treu, Olympia III. Die Bildwerke<br />
in SteinundThon [18971242Abb.278),dieam 2. Dezember 1880 vorder Südwesthalle gefunden wurde. Vgl. Catlinga.<br />
O. 20f.Abb. 35: Grabungsareal mit Angabe der Planquadrate: die Funktionder Steinzeilen selbst istallerdings nochunklar.<br />
Diese Schiehr läßtsichin dieJahre460 1450 v.Chr.datieren, s.J. Schilbaeh, Elische Keramik des5. und 4.jhs. v.Chr.,OF<br />
XXlII (1995) 9.<br />
744 J. Schilbach, DAV 12,1,1981, G: Da die Marmorabschläge in den Linsenmit wenig Sand vermischt waren, stammensie nach<br />
Schilbach von derSäuberung desBaugeländes.<br />
745 A. Mallwitz. Gymnasium 88,1981, 110f.<br />
746Ebenda I08ff.<br />
747 Ebenda 108 Taf 109 nennt nur den Finger, während Catling a. O. auch das Handfragment erwähnt.<br />
748 Kyrieleis a. O. 18.<br />
7
250<br />
Bearbeitung von Architekturteilen oder von Skulpturen stammen, denn verworfene Werkstücke befanden<br />
sich hierunter nicht.?"<br />
Der Oikos 5 gehört zu insgesamt neun kleineren, südlich des Tempels nebeneinander liegenden Bauten,<br />
die ursprünglich wohl einzelne griechische Poleis im Heiligtum repräsentierten und in der ersten Hälfte<br />
des 5. [hs, v, Chr. errichtet worden waren, aber teilweise nur für sehr kurze Zeit ihrer ursprünglichen<br />
Funktion dienten. Im Inneren des Gebäudes gefundener Marmorsplitt und Funde aus Blei sowie Eisen<br />
belegen die Aktivität von Steinmetzen, die nach der Aufgabe des Gebäudes wahrscheinlich in diesem Areal<br />
arbeireren.?" Allerdings muß an dieser Stelle daraufhingewiesen werden, daß die Indizien aus keinem<br />
gesicherten stratigraphischen Befund stammen und somit eine gen aue zeitliche Einordnung nicht erfolgen<br />
kann."? Oikos 5 wurde wie die anderen in der ersten Hälfte des 5. [hs, v. Chr, errichtet, aber bereits<br />
in der zweiten Jahrhunderthälfte wieder aufgegeben und während des späten 2. Jhs. v. Chr, endgültig<br />
zerstört."?<br />
Aus den delphischen Inschriften des 4. Jhs. v, Chr. erfahren wir schließlich, daß die sog. Naopoioi Werkstätten<br />
aus Lehmziegeln in dem Stadtbezirk Thyiai errichten ließen. 7G1 Konkretere Aussagen über diese<br />
Werkstätten in Delphi sind allerdings bei dem derzeitigen Forschungsstand nicht möglich. Der Bereich<br />
der antiken Stadt ist wenig erforscht, da das Interesse vot allem dem Heiligtum galt. Nach den Erkenntnissen<br />
aus den an verstreuten Stellen erfolgten Ausgrabungen scheint die klassische und hellenistische<br />
Stadt das Apollonheiligtum im Westen, Süden und Osten umgeben zu haben, wobei der Bezirk Thyiai<br />
im Westen lag. 762<br />
Bousquet gelang es jedoch m. E. überzeugend, in dem Heiligtum der Athena Pronaia in Delphi ein westlich<br />
des Tempels gelegenes Gebäude als Ergasterion zu identifizieren, das für die Arbeiten an der Tholos<br />
genutzt wurde. 763 Hierbei stützte er sich vor allem auf eine kräftige Marmorsplittschicht von 0,25 m <br />
0,30 m Dicke, die im Inneren des Gebäudes sowie aufeinen unfertig gebliebenen, verworfenen Baublock.<br />
der westlich des Baues gefunden wurde. Die Werkstatt bestand aus zwei Räumen und wies einen Gesamtumfang<br />
von 13,95 mx 10, 92 m auf, wobei jeder Raum in etwa 6,25 mx 6,25 m groß war.<br />
757Diese Arbeitsspuren werden jedoch aufgrund der Verwendung des pentelischen Marmors für die Sima des Zenstempels aus<br />
dem 4. ]h. v. ehr. mit der Fertigung derselben in Verbindung gebracht. wobei diese Annahme durch den Fund eines Bleiplärrehern<br />
mit der Aufschrift .]EPü(Y)" bekräftigt zu werdenscheint, s. St. G. Miller, Nernea. A Guidero the Siteand the<br />
Museum (1990) 66.<br />
758 Zu den Oikci s. Sr. Miller, Hesperia 46, 1977, 1fT. Zu Oikos 5 (Planquadrat M 16) ebenda lIfT.: Sr. Miller, Hesperia 47,<br />
1978. 58fI Zu den Oikoi ebenda67ff.; Sr. G. Miller, Nemea. A Guideto the Siteand the Museum (1990) 125(<br />
'59 Sr. G. Miller, Nemea. AGuideto the Sire and the Museum (1990) 126: .Large quantities of leadandof iron finds arid marble<br />
chips churned up by Earl)' Christi an farming in this area suggest that aperiod of industrial activity on the sire followed ehe<br />
destrucricn of the building.'<br />
760 s. Anm.758.<br />
'61]. Bcusquet. Corpusdesinscriptions de Delphes 11.Lescomptes (1989): CID 11,56 1,11. 47: CID II, 59 I, 26: CID II, 62<br />
I B. 62: CID 11,62 1IIB. 66:]. F. Bommclacr, Guidede Delphes (199 I) 43: s. zudemBegriffder Naopoioi A. Wittenburg.<br />
Griechische Baukommissionen des 5. und 4. ]hs. v. Chr. (1978) 74 Anm. 1 mit weiterer Lir.<br />
761 Bommelaer a. O. 42ff.<br />
763 Bonsquer mochte in diesem Gebäude westlich des Tempels entgegen der Deutung von Bookidis, der es als Hesriatorion anspricht,<br />
das Ergasterion rur die Arbeiren an der Tholos sehen. Das Gebäude ordnet er in die erste Hälfte des 4. Jhs. v. ehr. ein,<br />
s.]. Bonsquer. BCH 108, 1984, 199fT.:die gleiche Meinungvertrater bereitsin: Revue Historiquc, 1960 I, 297 Anm. 1. Zu<br />
dem Heiligrum der Athena Pronaia s. Bommelaer a. 0. 47ff. Ebenda 70[ Nr. 44 zu dem von Bousquer alsAtelier gedeuteten<br />
Gebäude mit weiterführender Lir., die Deutung desselben ist jedoch nicht unumstritten.<br />
Fassen wir die auf den ersten Blick disparat erscheinenden und wegen der geringen Zahl an sicher identifizierten<br />
Werkstattbauten eher enttäuschenden Befunde zusammen, so lassen sich aus diesen doch<br />
einige generelle Bemerkungen ableiten, die über die "Wetkstatt am Aufstellungsort" informieren: Die<br />
Heiligtumsverwalmng stellte den Arbeitsplatz, wobei für bestimmte Projekte eigens Werkstätten errichtet<br />
wurden, für deren Bau die Epistaten verantwortlich waren. Dies zeigen die Beispiele in Epidauros, Athen<br />
und Delphi, Die Werkstattbauten zeichnen sich ungeachtet ihrer temporären Nutzung durch eine solide<br />
Bauweise aus, da sie, wie es bereits Zimmer"'l formulierte, auch nach Beendigung des Projektes weiterhin<br />
als Werkplätze genutzt oder aber einem anderen Zweck zugeführt werden konnten. Neben der Chalkothek<br />
sei als ein weiteres Ergasterion dieser Art das von Bousquet als Werkstatt identifizierte Gebäude<br />
im Heiligtum der Arhena Pronaia in Delphi angeführt. Temporäre Werkstätten konnten jedoch nach<br />
Beendigung der Arbeiten aufgegeben oder abgerissen werden, wie es das Gebäude südlich des Partherion<br />
belegt. Grundsätzlich sollte man aber auch die Existenz einfacher Holzkonstrukrionen, die archäologisch<br />
heute allerdings nur noch in Form von Pfostenlöchern nachzuweisen wären, als temporäre Werkstattbauten<br />
in Erwägung ziehen. Inwieweit und in welcher Form die Werkstätten den Bedürfnissen des Bildhauers<br />
angepaßt wurden, also eine funktionale Gliederung der Räume - bei der Fertigung der Giebel könnten<br />
beispielsweise das Herstellen der Modelle sowie die eigentliche Bearbeitung in verschiedenen Räumen<br />
stattgefunden haben - vorlag, ist mangels archäologischer Befunde nicht zu beantworten. In Hinblick<br />
auf die bereits konstatierten negativen Befunde der Pheidiaswerkstatr in Olympia sowie der Bronzegußwerkstätten<br />
ist eine solche Gliederung wahrscheinlich auch nicht zu erwarren.Fv Lediglich die Größe der<br />
Werkstatt scheint von dem Umfang der Arbeiten und der Größe des zu fertigenden Objektes bestimmt<br />
worden zu sein.<br />
Neben diesen tern porären Werkstätten werden in den Heiligtümern gewiß auch permanente Werkstätten<br />
für diverse im Heiligtum anfallende Arbeiten eingerichtet worden sein, aufdie die delphischen Inschriften<br />
Bezug zu nehmen scheinen.I'" In Delphi waren die Naopoioi für deren Errichtung zuständig. In Nemea<br />
richtete man den Werkplatz in bereits bestehende, ihrer ursprünglichen Funktion beraubte Gebäude ein,<br />
die von der Heiligtumsverwaltung zur Verfügung gestellt wurden, wobei der Oikos 5 immerhin mit einer<br />
Ausdehnung von ca. 15 mx 8 m etwa 120 qm (I) Arbeitsraum bot. über die Vermietung von Werkstätten,<br />
die sich im Besitz des Heiligtums befanden, sowie über die Modalitäten ihrer Instandhaltung informieren<br />
die delischen Inschriften aus hellenistischer Zeit.'67 Einem Bildhauer war es also möglich, nach Erteilung<br />
eines Auftrages eine Werkstätte vor Ort anzumieten, den Auftrag auszuführen und je nach Auftragslage<br />
längere Zeit an diesem Ort zu verweilen. Die hier vorgeführten Bemerkungen über die Werkstätten am<br />
Aufstellungsort sind, obgleich die Befunde aus der klassischen Zeit stammen, auch aufdie vorhergehende<br />
sowie die nachfolgenden Epochen zu übertragen, wie es unter anderem durch die bereits zitierten delischen<br />
Inschriften belegt wird, die die Situation in hellenistischer Zeit beleuchten.<br />
764 G. Zimmerin: W. Hoepfner- G. Zimmer (Hrsg.), Diegriechische Polis. Architekturund Politik(1993) 94ff Zimmerbetont<br />
in seinen Ausführungen den Aspekt der weiteren Nutzung und den Wandel in der Funktion.<br />
765 G. Zimmer,Griechische Bronzegußwerkstätten (1990) 180(<br />
766 Vgl.zu Werkstätten in Rhamnus die Erwähnung bei H. W. Catling,ARepLon 33, 1987, 10.<br />
,67D. Hennig, Chiron 15, 1985, 169. 185.<br />
251
252<br />
Iv. 3. 3. 2 Marmorbeacbeitungsstätten des 5. und 4. Jahrhunderts v. ehr.<br />
in Athen<br />
Das südwestlich der Athener Agora zwischen dem Areopag und dem Nymphenhügel gelegene Areal, das<br />
heute im Norden von der Asteroskopeionstraße, im Süden und Südwesten von der Apostel Paulus - Straße<br />
und im Osten von der Areopagusstraße begrenzt wird, wurde von der archaischen bis in die römische Zeit<br />
hinein vor allem von Handwerkern besiedelt, die in ihren Häusern verschiedenen Gewerben nachgingen<br />
(Taf. 102).768 In diesem dich, mit Werksrätten von Koroplasten, Bronzegießern und Schmieden belegten<br />
Bereich befinden sich ferner einige Gebäude aus der klassischen Zeit, in denen Marmor verarbeitet wurde,<br />
wie es unter anderem aufgrund starker Marmorsplittschichten und unfertiger Statuettenfragmente<br />
nachzuweisen ist.?" Obgleich es sich als unmöglich erwies, jedes einzelne Gebäude als Bildhaueratelier zu<br />
identifizieren, so sind die Gebäude doch in ihrer Funktion als Marmorbearbeitungsstätten aufgenommen<br />
worden, da sie in ihrer Gesamtheit zu einem besseren Verständnis von Werkstattbauten beitragen können.<br />
Bei diesen Stätten handelt es sich um die nahe beieinander, westlich und östlich entlang der aufgrund der<br />
antiken Überlieferung genannten "Straße der Marmorarbeiter"770 liegenden Häuser C, D, G, H, Kund<br />
das sog. Porosgebäude (Taf. 102 b) sowie um das weiter nördlich gelegene Bildhaueratelier des Mikion<br />
und Menon (Taf. 105).<br />
Hauskomplex C und D<br />
Die Häuser C und 0 (Taf 103; 104) gehören zu den wenigen Gebäuden aus diesem Bereich, deren<br />
Grundrisse fast vollständig aufgedeckt werden konntcn.?" Beide Häuser wurden nach Ausweis von Keramikfunden<br />
aus den verschiedenen Schichten etwa in der Mitte des 5. jhs. v, Chr. unabhängig voneinander<br />
errichtet, zu Beginn des 4. Jhs. v. Chr, im Zuge struktureller Veränderungen zu einem Komplex verbun-<br />
den und in der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. wiederum nach erneuten Umbaumaßnahmen als separate Häuser<br />
genutzt. 772 In der zweiten Hälfte des 4. Ihs, v. Chr. wurden sie schließlich ohne ersichtlichen Grund<br />
aufgegeben. 773 Von besonderem Interesse für unsere Fragestellung ist die zweite Phase, in der die beiden<br />
Häuser zu einem Komplex verbunden wurden, da m. E. Haus D zu diesem Zeitpunkt die Funktion einer<br />
Marmorwerkstatt, Haus C hingegen die Funktion eines Wohnhauses einnahm.<br />
Zunächst soll kurz auf den Grundriß beider Häuser in der ersten Phase (Taf 104, I) ihrer Nutzung eingegangen<br />
werden, um die strukturellen Veränderungen, die in der zweiten Phase (Taf 104, II) stattfanden,<br />
besser beschreiben zu können. Das Haus C besteht aus insgesamt 10 Räumen von unregelmäßigem<br />
Grundriß, die sich um einen zentral gelegenen, 6,25 m langen und 5 m breiten Hof herum gruppieren<br />
und sich auf diesen öffnen.?" Der Eingang befindet sich an der Nordwestecke des Hauses. Man betritt<br />
das Haus von der sog. Straße der Marmorarbeiter her durch einen langen, etwa zwei Meter breiten Gang<br />
(Nr, I auf dem Plan), der auf den Hof führt. Der Raum 12 ist von den übrigen Räumen isoliert und<br />
besitzt einen eigenen Zugang von der Straße aus. Dies legt nahe, daß es sich bei diesem Raum um einen<br />
Laden oder einen Werkraum gehandelt haben wird.?" Die Funktionen der übrigen Räume sind in ihrer<br />
Gesamtheit nicht zu bestimmen, doch handelt es sich bei den beiden kleinen, östlich des Hofes gelegenen<br />
Räumen 6 und 7 wahrscheinlich um Baderaum und Küche, bei Raum 3, dem größten Raum des Hauses,<br />
um den Andren, und bei Raum 9, in dem zahlreiche Webgewichte und ein Spinnwirtel gefunden wurden,<br />
um den Frauenraum. 77G Das Haus D verfügr über vier Räume, die sich um einen 4,30 mx 4,80 m<br />
großen Hof gruppieren und sich auf diesen öffnen, wobei der Raum 4 nur über Raum 3 zugänglich ist<br />
und die Südmauern des Hofes sowie des Raumes 6 mit den Nordmauern der Räume 3 und 4 des Hauses<br />
C identisch sind. Das Haus besitzt zwei Eingänge, wobei der eine von der Straße im Osten Zur Südostecke<br />
des Hofes und der andere von der Straße im Westen zu der Nordwestecke des Hofes führt. über die<br />
Funktion der einzelnen Räume isr in der ersten Phase der Nutzung bis auf den Raum 3, bei dem es sich<br />
wohl um den Andron handelte, wenig auszusagen."?<br />
Beide Häuser erfuhren nach Ausweis der in den Auffüllungen vorhandenen Keramik zu Beginn des 4. jhs,<br />
v. ehr. strukturelle Veränderungen (Taf. 103; 104), die vor allem durch den zu diesem Zeitpunkt erfolgten<br />
Bau der großen Kanalisation bedingt waren, die nun durch die östliche Abzweigung der Straße der<br />
253<br />
768 Die Erforschung dieses Bereiches, der in seiner Nordsüdausdehnung circa 170 rn und in seiner Ostwestausdehnung circa<br />
80 m beträgt, erfolgte in sechs Grabungskampagnen, die von der Arnerican School ofClassical Srudies in den Jahren 1939<br />
und 1940sowie von1946bis 1949durchgeführt wurden. Grundlegend fürdiefolgenden Ausführungen istder imAbkürzungsverzeichnis<br />
zitierte Artikel von R. S. Young. Ungewiß ist wegen fehlender Grenzsteine, ob dieses Gewerbeviertel in<br />
dem Demos Melire oder dem Demos Kollytos lag; für beide liefern uns die Inschriften zahlreiche Hinweise aufverschiedene<br />
handwerkliche Tätigkeiten, s. Young 1951. 14üfT.;Agora XIV, 174 Anm. 32.<br />
169 Young 1951,271;Agora XIV, 177.187; s.zu Werkstärten römischer Zeit in diesem Bereich Young 1951,269( Vgl. auch<br />
den Kopf einer Kourossratuetce Kat. N r. 4 (Taf 3 b. c), der zwar ebenfalls aus diesem Gewerbeviertel. jedoch aus keinem<br />
Werkstattkomext stammt. Vgl. die Angaben im Katalog.<br />
770 Zur Straße der Marmorarbeiter s. H. A. Thornpson, The Tholos ofArhens and lrs Predecessors, Hesperia Suppl. 4 (1940)<br />
106ff.; Young 1951, 160[[.; Young beschreibt in der Straße der Marrnorarbeirer sechs aufeinanderfolgende Püllschicbren, in<br />
denen die Keramik vom späten 6. ]h. v. Chr. bis ins 4. ]h. v. Chr. reicht, wobei in der dem Niveau der Ateliers entsprechenden<br />
Straßenschiehr Marmorsplitt gefunden wurde. Diese Straße ist wahrscheinlich mit der von Plutarch erwähnten Straße der<br />
"EP~OYAU{ptiJV" zu identifizieren, durch die Sokrares schritt: PIur. mor. 580 E (Oe genio Sokrares X). Vgl. Plar. symp. 215 A.<br />
Nach Liddle Scorr bezeichnet dieser Begriff in diesem Zusammenhang «Statuary shop".<br />
771 Die Grundrisse beider Häuser sind durch spätere Konstruktionen - Haus D ist in seinem östlichen Teil von einer Badeanlage<br />
aus römischer Zeit, Haus C in seinem südöstlichen Teil von dem römischen Haus T überbaut worden - und durch byzanti~<br />
nische Zerstörungen - an der Weslseite des Hauses C wurden in dieser Zeit Gräben ausgehoben - verunklärt worden, so daß<br />
von den Fußböden in den Räumen 9, 10 und 11 des Hauses C nur noch wenig bewahrt ist. Der Raum 8 des Hauses C wurde<br />
nichtvollständig freigelegt, s, Young 1951, 202ff. 217ff. Ahh. I. 7. 11;I. Travlos, Bildlexikon zurTopographie desantiken<br />
Athen (1971) 392Abh. 505.506.507.508;J.E.[ones. Town and Counrry Houses ofArtica in C1assical Tlmes. in:MiscellaneaGraeca<br />
1(1975) 71ff. Abb. 3; C. C. Mattusch, Hesperia 46, 1977, 341f.Dievonjenesa, O. skizzierten dreiPhasen der<br />
Häuser entsprechen jedoch nicht den Beschreibungen der Ausgräber: Die Säule im Hofdes Hauses D, die Iones in die erste<br />
Phase einzeichnet, stamme erst aus der zweiten Phase. Die Grundrisse der Räume 5 des Hauses D und 4 des Hauses C sind in<br />
der zweiten Phase nicht richtig dargestellt, da die Südmauer des Raumes 5 nicht mit der Nordmauer des Raumes 4 identisch<br />
isr und zwischen der Südmauer von Raum 5 und Nordmauer von Raum 4 ein kleiner keilförmiger Freiraum bleibt. Dies ist<br />
deutlich anhand des Verlaufes der Mauerreste aufder Tafel von Young zu sehen, s. Young 1951, Taf 68 c; s. auch Young 1951,<br />
189Abb. 7; vgl. Taf. 103;104.<br />
771Young 1951, 189Abb. 7.<br />
m Young 1951, 224ff.<br />
774 Die Länge der Ostseite des Hauses betrage 18,40 m, die der Westseire 15,90 m, die der Nordseite 17,10 mund die der Südseite<br />
14,40 m, s. Young 1951, 202. Obwohl eine Treppe nicht nachzuweisen ist, wird man dennoch ein oberes Stockwerk<br />
annehmen dürfen, s.Young 1951, 207.<br />
m Young 1951,206f. Zu vergleichbaren Läden und Werkräumen in Piräus und Olynths.W. Hoepfner - E. L. Sehwandner,<br />
Hausund Stadtimklassischen Griechenland' (I994)39Abb.31; 112Ahb. 89.<br />
776 Young 1951, 206. Da Raum 6 eine eigene Entwässerung besitzt, ist hier das Badezimmer zu vermuten. In Raum 3. dessen<br />
Maße 6,60 m von Ost nach West und 4.45 m von Nord nach Süd betragen, sind allerdings keine Spuren der Klinenbertungen<br />
vorhanden. Raum 9 ist mit einer Breite von 3,7 m von Nord nach Süd und einer Länge von 4,50 m neben 3 der größte<br />
Raum des Hauses.<br />
mYoung 1951,217.
254<br />
Marmorarbeiter verlieF": Das Haus C (Taf. 104) erhielt eine neue Ostmauer, die aufder Westmauer des<br />
Kanals errichtet wurde, so daß die Tiefe der Räume 4, 5, 6, 7, 8 um jeweils 1,25 m erweitert wurde. Das<br />
Fußbodenniveau das Hauses wurde generell erhöht. Zwischen den Räumen 6 und 7 errichtete man eine<br />
neue Trennmauer, so daß Raum 6 um die Breite der Mauer vergrößert, Raum 7 enrsprechend verkleinert<br />
wurde, wobei das Wasser nun hauptsächlich durch den Raum 7, der vielleicht in dieser Phase zum Badezimmer<br />
umgestaltet wurde, nach außen geleitet wurde."? Während die westlichen Räume des Hauses<br />
von der Umgestaltung nicht betroffen waren und lediglich der Hofauf Kosten des Korridores I erweitert<br />
wurde, unterlag der nordöstliche Teil des Hauses den einschneidendsten Umbaumaßnahmen: Eine neue<br />
Nordwand wurde errichtet. Der Raum 5 wurde auf Kosten des Raumes 4, der etwa um die Hälfte verkleinert<br />
wurde, vergrößert und nahm L - förmige Gestalt an. Über den Raum 5 des Hauses C hatte man<br />
nun auch Zutritt zu dem Hof des Hauses D. Dieses (Taf. 104) erfuhr in der zweiten Benutzungsphase<br />
weniger Veränderungen als das Haus C.780 Die Ost- und Südmauer des Raumes 5, dessen Ostecke nun<br />
um ca. 0,90 m keilförmig erweitert wurde, wurden erneuert, wobei die Südmauer etwa in einem rechten<br />
Winkel von der Ostmauer ausgeht und auf die Nordmauer von Raum 4 des Hauses C trifft. Der zweite<br />
Zugang von der Straße aus auf den Hof war somit blockiert und die Fläche des ehemaligen Korridors<br />
dem Raum 5 zugeteilt.<br />
In dem Hof fanden sich unrer dem Fußboden der dritten Phase des Hauses D formlose Schlacken von<br />
Eisen und Bronze sowie große Mengen feiner Marmorabschläge, die nach Young sowohl auf die Verarbeitung<br />
von Metall als auch Marmor deuten, wobei er die Metallverarbeirung in Hinblick auf die dritte<br />
Nutzungsphase als "main - operation" des hier tätigen Ateliers bezeichnet.P' Denn aus der dritten Phase<br />
(Taf. 104, 111) stammt ein Herd in der Südostecke des Hofes, in der neben immensen Asche- und Kohleresten<br />
zahlreiche formlose Eisen und Bronzeschlacken gefunden wurden, was auf Metallverarbeitung in<br />
großem Ausmaß hindeutet. Nach Young läßt sich nun die Metallverarbeitung der dritten Phase aufgrund<br />
oben genannrer Befunde bis in die zweite Phase zurückverfolgen. Youngs Aussagen sind jedoch, wie es<br />
im folgenden zu zeigen sein wird, in diesem Zusammenhang irreführend, da er die Befunde der zweiten<br />
und dritten Phase nicht deutlich voneinander trennt. Denn bei eingehender Betrachtung der Befunde aus<br />
beiden Phasen erscheinr die Nutzungsgeschichte des Hauses D in einem anderen Licht und viel komplexer,<br />
als es bisher von Young und den nachfolgenden Bearbeitern des Hauses dargestellt wurde, dic zwar<br />
die verschiedenen Nutzungsphasen beschreiben, aber die Funktion des Hauses D in Bezug auf die zweite<br />
und dritte Phase m. E. zuundifferenziert betrachren.P'' So schreibt Jones allgemein über die Funktion des<br />
778Young 1951, 211 f. 255f. Die Straße der Marmorarbeiter gabelte sich an dem Kreuzungspunkt mit der Pirausstraße in zwei<br />
Straßenführungen. wobei seit dem Beginn des 4. Jhs.v. ehr. durchdie östliche Srraßc:nfUhrung die zu diesem Zeitpunktneu<br />
erbaure große Kanalisation verlief.Der öseliehe Armwurdeauf einen kleinen Pfadentlangder Kanalisation reduziert und die<br />
Häuser,die im 5. jh. v. ehr.errichtetwurden, erfuhren strukturelle Veränderungen. s. zur .,Great Drain"H. A. Thompson,<br />
Hesperia6,1937,3f.:Young 1951,253ff.: H. A.Thompson,Hesperia37,1968,67. s. zur zweiren Phase desHauses CYoung<br />
1951,209ff.Zur drittenPhasedes Hauses C, die hier nichrnäherbeschrieben werdensoll,s. Young 1951,215ff.<br />
779 Young 1951,213.<br />
780 s. zur zweiten Phasedes Hauses D Young 1951, 221[[<br />
781 Young 1951,222.<br />
m J.E. jenes, Townand Country HousesofAtricain Classical Times, in: Miscellanea Graeca 1(1975) 74:Agora XIV, 174ff.: s.<br />
auch C. C. Manusch, Bronze-and lronworkingin the Arhenian Agora, Hesperia 46, 1977.341f. Mattusch interpretiert das<br />
Haus D als Bronzeschmiede, ohne jedoch auf die Fundevon Marmorsplitt einzugehen. Zu dem Fundeines Fluchtäfelchens.<br />
Inv. Nr. 1L997,ausRaum5: H. A. Thornpscn, Hesperia 18, 1949,217Taf. 39, 2: Young 1951,222f.:Marrusch a. O. 342<br />
Anm. 2. Das Täfelchen, das die Namen von verschiedenen Bronzeschmieden trägt.stammtaus einerüberdem Haus liegenden<br />
Schiehr. in der sichKeramik aus dem 3. Jh. v. Chr. befand, so daß das Fluchräfelchen nicht unbedingt die in diesem<br />
Haus tätigen Handwerker bezeichnen muß.<br />
Hauses D783: "Marble chips and bronze and iron scraps suggest borh the mason's and rhe rnetalworker's<br />
trades." Interpretieren wir zunächst die Befunde aus der zweiten Phase, so stammen die Abschläge von<br />
der Fertigung von Marmorobjekten vor Ort. Denn die Möglichkeit, daß die Marmorsplitter aufanderem<br />
Wege, beispielsweise als Aufschüttung, in den Hofgelangt sein können, scheint mir aufgrund der zahlreichen<br />
Funde von feinen Abschlägen in den Laufschichten des Hofes ausgeschlossen zu sein.?" Anhand der<br />
publizierten Grabungsdo~~mentatio~läßt si~h bedauerlicherweise sonst nicht viel über den Charakter<br />
der Splittvorkommen als Uberresre emes stengen Werkprozesses aussagen, da detailliertere Angaben zur<br />
Stärke der Marmorvorkommen sowie zur Größe der Marmorabschläge nicht existieren. Auch Werkstücke,<br />
die über die Art der Marmorverarbeitung Auskunft geben könnten, scheinen zu fehlen, Betrachtet<br />
man ferner die Größe des Hofes, der in seiner Ostwcstausdehnung 4,30 m und in seiner Nordsüdausdehnung<br />
4,80 m mißt und insgesamt 22,6 qm Arbeitsraum bietet, so fällt es schwer, an zwei voneinander<br />
unabhängige handwerkliche Tätigkeiten der Metall- und Marmorverarbeitung zu denken, wie es Young<br />
und nachfolgend Thompson und Wycherley 785 annahmen. Angaben zu dem quantitativen Verhältnis<br />
von Metallverarbeitungsresten und Marmorsplitt. die konkretere Aussagen ermöglichen würden und die<br />
Metallverarbeitung auch in der zweiten Phase als "main - operation" des Ateliers ausweisen könnten,<br />
liegen nicht vor. Da die Abschläge von der Fertigung von Marmorobjekten vor Ort stammen, was auch<br />
die bisherigen Bearbeiter des Hauses nicht anzweifeln, sind die Indizien der "Metallverarbeitung" m. E.<br />
aus dem Werkprozeß des Marmorarbeiters zu verstehen. Denn auch in der Marmorverarbeitung werden<br />
Werkzeuge geschmiedet und Metalle geschmolzen, so beispielsweise zur Verdübelung und Befestigung<br />
von Anstückungen oder auch zum Herstellen von Metallaccessoires. Marmorabschläge sind hingegen aus<br />
dem Werkprozeß eines Metallarbeiters heraus nicht zu erklären. Zusammenfassend ist also festzuhalten,<br />
daß in der zweiten Phase das Haus D als Werkstatt von Marmorarbeitern genutzt wurde, während es in<br />
der dritten Phase als reine Metallverarbeitungsstätte anzusehen ist, da die Marmorverarbeitung für diese<br />
Phase gar nicht belegt ist!<br />
Die Veränderungen im Grundriß des Hauses in der dritten Phase, die nach den Keramikfunden etwa<br />
um die Mitte des 4. ]hs. v. Chr. anzusetzen sind, unterstreichen zudem deutlich die Trennung zwischen<br />
zweiter und dritter Nutzung, zumal nun auch die Häuser C und D wieder separate Einheiten darstellten:<br />
In Haus 0 wurden gerade der Raum 5 und der Hof entscheidend modifiziert. Die Südmauer des<br />
Raumes 5 wurde neu errichtet und folgte wieder dem ursprünglichen Mauerverlauf. Der Hofwurde mit<br />
Kieselsteinen gepAastcrt und die Nordwand von Raum 6, durch den nun das Haus zu betreten war, wurde<br />
verlängert und ragte in den Hof hinein. Eine Verbindung der Metallverarbcitung der dritten Phase mit<br />
der zweiten ist also entgegen der Aussage Young keineswegs plausibel. Young geht weiterhin davon aus,<br />
daß die Werkplätze sowohl in der zweiten als auch in der dritten Phase der Nutzung überdacht waren.?'6<br />
Wie im folgenden anhand des keineswegs eindeutigen archäologischen Befundes darzulegen sein wird,<br />
vermag auch diese These nicht zu überzeugen: Etwa in der Mitte des Hofes von Haus D, 0,90 m von dessen<br />
Westmauer entfernt, befindet sich eine Basis aus Poros von 0,30 m Durchmesser, die aus der zweiten<br />
Phase stammt und vermutlich eine hölzerne Konstruktion tragen sollte. Diese Basis und die Überreste<br />
von der Merallverarbeitu~gin de~ Südostecke des Hofes aus der dritten Phase veranlassen Young, eine<br />
Überdachung des südöstlichen Teiles des Hofes zu vermuten. Dies ist nicht überzeugend, da die Basis,<br />
783Jonesa. O. 74.<br />
784 Young 1951,222schreibt: ,.Agrear manyfine marble chipsin the floors of the COUrt...."<br />
785 AgoraXIV, 172.<br />
786 young 1951,122. Er geht in beidenPhasenvon einem überdachten Werkplar:z aus,wobei sich in der dritten Phasedirektüber<br />
dem Herd in dem Dach eine Aussparung befundenhaben soll, durchdie der Rauch hätte abziehen können.<br />
255<br />
«
256<br />
wenn überhaupt, viel eher Für eine Überdachung der Nordwestseite oder aber sowohl der Nord- als auch<br />
der Nordwestseite des Hofes spräche."? Für die dritte Phase fehlt Füreine Überdachung ein entsprechender<br />
archäologischer Befund.<br />
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß die in der bisherigen Literatur zu lesenden Aussagen<br />
über die Funktion des Hauses D allzu pauschalisierend und aus diesem Grunde zu modifizieren sind.<br />
Denn in der zweiten Belegungsphase, in der Haus C als Wohntrakt und Haus D als Werkstatt fungieren,<br />
handelt es sich bei dem vom Beginn des 4. ]hs. v. Chr. bis zur Mitte des 4. ]hs. v, Chr. tätigen Atelier<br />
um das von Marmorarbeitern. In der dritten Phase, in der beidc Häuser wieder voneinander getrennt<br />
wurden, ist das Haus D, die Funktion einer Werkstatt beibehaltend, dann als Werkstatt für eine reine<br />
Metallverarbeitung zu interpretieren. Die Marmorarbeiter nutzten den Hof des Hauses D als Werkplatz,<br />
wobei Indizien, die deren genaue Tätigkeit hätten spezifizieren können, bedauerlicherweise fehlen. Der<br />
von den Handwerkern nachweislich als Arbeitsplatz genutzte Raum von 22,6 qm war in Anbetracht der<br />
rnetall- und marmorverarbeitenden Aktivitäten gering. Inwieweit aus diesem Grunde auch die anderen<br />
Räume in Haus D innerhalb des Werkstattbetriebes genutzt wurden und welche Funktionen sie übernahmen,<br />
ist mangels archäologischer Befunde nicht zu ermitteln. Dennoch standen, wenn man davon<br />
ausgeht, daß das gesamte Haus als Werkstatt fungierte, genügend Arbeits- und Lagerraum zur Verfügung:<br />
Denn die gesamte Fläche des Hauses beläuft sich auf 94,3 qm, wobei der Raum 5 22,6 qrn, Raum 4 14,4<br />
qm, Raum 3 23,7 qm und Raum 6 11 qm aufweisen. Vielleicht ist der Raum 12 des Hauses C in dieser<br />
Phase als Verkaufsraum oder auch als weiterer Werkraum der Werksratt anzusehen, obgleich auch hier<br />
archäologische Befunde, die diese These stützen könnten, nicht vorhanden sind.?"<br />
HausG<br />
An der Westseite der sog. Straße der Marmorarbeiter, nur 15 m von dem soeben beschriebenen Haus D<br />
entfernt, befindet sich das Haus G (Taf. 102 b). Dessen vollständiger Grundriß ist unbekannt, da allein<br />
die östliche Hälfte, die zudem sehr schlecht erhalten ist, freigelegt wurde."? Soweit es aus dem erhaltenen<br />
Grundriß zu erschließen ist, bestand das Haus im Osten aus zwei Räumen, die zur Straße hin geöffnet<br />
waren, und im Westen aus einem großen gepAasterten Hof mit einem Brunnen.P" Nördlich des Hofes<br />
haben sich Reste einer weiteren Konstruktion (Taf. 102 b) gefunden, von deren Westmauer, die im Süden<br />
nach Osten umbiegt, Teile des Fundamentes erhalten sind, und von deren Ostrnauer, die im Süden nach<br />
Westen führt, nur noch der in frührömischer Zeit aufgefüllte Mauergraben zu beobachten war. Young<br />
bezeichnet diese Konstruktion als ein "shed-like building of sorne sott", wobei sich in der Südseite nach<br />
Young die Tür befunden haben muß, da der Boden des Hofes sich durch die Öffnung der Mauer fortsetzt.?9!<br />
Für eine Interpretation als Schuppen, gleich welcher Art, fehlt allerdings angesichts des beschriebenen<br />
archäologischen Befundes eine hinreichende Begründung. Vielmehr wird es sich hier lediglich um<br />
einen weiteren Raum gehandelt haben, der sich aufden Hofhin öffnete.<br />
Äußerst aufschlußreich für die Funktion des Baues sind nun die folgenden Ausführungen Youngs792: "We<br />
dug sorne of the filling of rhe court to the east of the shed, finding layer after layer of fine marble chips<br />
and dusr. Same of the [ayerswere ofpure marble dust so tightly packed as to resemble a hard lime mortar,<br />
These layers had Iorrned on the spot where ehe marble was worked, and had been rrodden hard by the<br />
worlunen in the course of rheir comings and goings." Die genannten Schichten sind Young zufolge allesamt<br />
in das 4. ]h. v. Chr. zu datieren.?" Bedauerlicherweise liegen in dem Attikel weder zur Stärke noch<br />
zur Differenzierung der Marmorschichten genauere Angaben vor, so daß hieraus an dieser Stelle keine<br />
weiteren Erkenntnisse gewonnen werden können. Die oben zitierte Beschreibung zumindest vermittelt<br />
den Eindruck, daß die Verarbeitung des Marmors in diesem Haus in großem Ausmaß stattfand. Was in<br />
diesem Haus hergestellt wurde, ist jedoch nicht mehr zu erschließen. Vielleicht könnte der kleine Arm<br />
einer Herme (Taf 28 b) aus penrelischem Marmor, der aus einer MarmorsplittFüllung in der Straße vor<br />
dem Haus stammt, zur Produktion dieser Werkstatt gehört haben.?" Interessant ist ferner, daß ein großer<br />
Teil der Füllung des Brunnens, der erwa in der Mitte des südlichen gepAasterten Areals des Hofes lag, aus<br />
reinem roten Ton bestand, den Bildhauer zur ModelIierung von Modellen hätten benutzen können. Dies<br />
zieht auch Young in Erwägung, doch stammen seinen Ausführungen zufolge die wenigen in dem Brunnen<br />
gefundenen Scherben aus hellenistischer Zeit.'95 Über verschiedene Nutzungsphasen des Hauses, die<br />
Licht auf seine Geschichte als Werkstatt werfen könnten, sind der Publikation keine konkreteren Angaben<br />
ZU entnehmen, allerdings wurde die Pflasterung des Hofes nach Young zu einem späteren Zeitpunkt<br />
vorgenommen, da das Niveau des Hofes im Westen so hoch war, daß die sorgfältig bearbeitete Westseite<br />
der Mauer, die aus diesem Grunde ursprünglich wohl sichtbar gewesen sein dürfte, bedeckt war.?""Das<br />
Haus wurde am Ende des 4. ]hs. v. Chr. aufgegeben, wie es die aus zwei im Süden und Norden des Hofes<br />
vorgenommenen Brandbestattungen stammende Keramik belegt.?97<br />
257<br />
787 jenes nimmt an der Nordwestseite des Hofes eine schmale Portikus an, s. Jones a. O. 74. Vgl. auch jenes a. O. 72 Anm. 18<br />
zurRekonstruktion einerPortikusim Hof des HausesC. Jones ist sich allerdings bewußt, daß diese Rekonstruktionen sich<br />
nicht mit dem von J. Travlos in dem Artikel von Young, vermutlich nach den Ausgrabungsbefunden, gezeichneten Plänen<br />
decken. s.Young 1951, Abb. 11. Vgl. J.Travlos, Bildlexikon zurTopographie desantiken Athen (1971) 392 Abb. 505. 506.<br />
507.508. An dieserStellesei Prof.W. Hoepfnerfürdie Diskussion gedankt.<br />
788 Der LadenNr. 12 wurdelängerals die übrigenRäume,wahrscheinlich bis zum Ende des 3. Jhs. v. ehr. genutzt,wie es die<br />
Verfüllung der Zisternennahelegt.In derdritten Phasewird in dem Raum 12, der mit feinen Kieselsteinen gepAasterr wird,<br />
eine Zisterneangelegt,so daß diesernun mit der Zisterneund dem Brunneneine unabhängigeWasserversorgung aufweist.<br />
Hinweise, die eine handwerkliche Tätigkeit in dem Raum belegen, sind der Publikationnicht zu entnehmen. vgl. Young<br />
1951. 206r.<br />
789 Young 1951, 234fT.Abb. 1.5; Agora XIV, 177. Diewestliche Hälfte desHauses wirdvoneinem Hausausdem2. oder3. Jh.<br />
n. ehr. überlagert. Die Nordosteckedes Hauses ist in byzantinischer Zeit zerstöre worden.<br />
790 Die entlang der Straßeverlaufende Ostmauerdes Gebäudes,die nur in ihrerunterstenSteinlageerhaltenist. hat eine Ausdehnung<br />
von 10,10 m. Von der innerenTrennmauer der beiden östlichen Räume hat sich ebenfalls nur noch die unterste<br />
Steinlageerhalten.Von der Mauer, die diese beiden Räumevon dem Hof trennte.ist nur noch teilweisedie Bettungund ein<br />
kleinerTeildes aufgehenden Mauerwerks, dasaus dünnen polygonalen,gegeneinander gesetztenKalksteinplanen besteht,an<br />
der Stelleerhalten,an derdiese Maueraufdie Trennmauer der beiden Räumestößt, s. Young 1951, 234fT.<br />
79! Young 1951, 235.<br />
792 Young 1951, 235r.<br />
793 Young 1951, 236.<br />
794 Young 1951, 271 Taf. 84 b;Athen, Agora Mus. Magazin, Inv Nr.S 1426. Dieerh.L beträgt 0,069 rn,dieB 0,054 mund<br />
die Tiefe 0,024 rn.Der rechteckige Quader,der an den Eckenbestoßen ist, zeigt an einer Seite einen Vorsprung, der in eine<br />
entsprechende Aushöhl~ng eingesetztw~rden sollte. Die Befestigungsollte wohl mit einem Zapfen erfolgen.wie es ein sich<br />
in der OberseitebenndlichesLochvon emem Durchmesser von 0,006 m nahelege.<br />
795 Young 1951, 236. Younggibt aberauch zu bedenken,daßder aus dem BrunnenstammendeTon vielleicht in späterer Zeit<br />
um Modellierenoder Herstellenvon Terrakottafiguren verwendetwurde, da in einer in der Nähe des Hauses im Norden<br />
Zdegenen, allerdings insparrömischer Zeit gestörten Füllschiehr Fragmente hellenistischer Terrakotten gefundenwurden.Ob<br />
die Werkstatt vielleichtzu einem späterenZeitpunktalsWerkstatt für Terrakottaherstellung benutzt wurde, ist nicht sicher<br />
zu entscheiden.<br />
796 Young 1951,235.<br />
797 Young 1951, 236; s. ferner mitAuAistung derEinzelfunde R.S.Young, Hcsperia 20, 1951, 127f.<br />
d
258<br />
Die Informationen, die aus den Angaben der Grabungspublikation zu gewinnen waren, sind zwar gering,<br />
doch zeigt der Befund deutlich, daß in diesem wahrscheinlich sowohl als Wohnhaus als auch als Werkstatt<br />
fungierenden Haus im 4. Jh. v, Chr. zahlreiche Marmorobjekte hergestellt wurden und daß die Arbeiten<br />
unter freiem Himmel in dem Hof des Hauses durchgeführt wurden, in dem die Lichtverhaltnisse günstig<br />
waren und genügend Wasser für den Bedarf einer Werkstatt vorhanden war," Obgleich die These<br />
Youngs, daß der gesonderte Raum im nördlichen Teil des Hofes als Lager für Materialien, Werkzeuge und<br />
vielleicht sogar für fertige Arbeiten gedient hat, sehr verlockend ist, entbehrt sie jedoch mangels archäologischer<br />
Befunde jeder Grundlage."'}<br />
WerkraumH<br />
Direkt an der Kreuzung der Straße der Marmorarbeiter und der Piräusstraße, etwa 10m von Haus G<br />
entfernt aufder gegenüberliegenden Straßenseite, liegt das von den Ausgräbern als Haus angesprochene<br />
Gebäude H (Taf. 102 b).800 Da seine Mauerzüge bis auf einen kleinen nördlichen Teil nicht ausgegraben<br />
wurden, ist der Grundriß der Konstruktion allerdings vollständig unbekannt. Diese kann jedoch aufgrund<br />
ihrer Lage in dem kleinen Winkel zwischen der Straße der Marmorarbeiter und der Kanalisation<br />
an dem Kreuzungspunkt oben genannter Straßen nicht sehr groß gewesen sein: Die Ostwestausdehnung<br />
mag maximal 2 bis 3 m betragen haben; die Nordsüdausdehnung, wobei Young die Existenz von zwei<br />
oder mehr Werkstätten nach Süden hin annimmt, ohne dies jedoch zu präzisieren, wird wegen des sich<br />
hier anschließenden Gebäudes (Taf. 102 b) nicht mehr als 6 m aufgewiesen haben. Aus diesem Grunde<br />
möchte ich annehmen, daß es sich bei den hier aufgedeckten Gebäuderesten um einen einzelnen Werksrattraum,<br />
vergleichbar mit dem weiter südlich gelegenen Raum E (Taf. 103)801, gehandelt hat. Young<br />
sieht hier die Werkstatt eines Bildhauers oder Marmorarbeiters. wobei Indizien, die eine Spezifizierung<br />
der Werkstatt erlauben würden, von ihm allerdings nicht genannt werden. Bei der Aufdeckung des klassischen<br />
Fußbodenniveaus im nördlichen Teil der Konstruktion stieß der Ausgräber auf eine starke Marmorsplittschicht,<br />
die seinen Ausführungen zufolge die Verarbeitung des Materials an diesem Ort belegt.<br />
Da das Niveau dieser Schicht nach Young mit dem Niveau der Straße des 4. Jhs. v, Chr. korrespondiert,<br />
wurde das Gebäude spätestens zu diesem Zeitpunkt, wenn nicht vielleicht sogar schon zu einem früheren,<br />
als Werkstatt benutzt. Angaben über die Dicke der Marmorschichten und über die Größe der Abschläge<br />
liegen nicht vor, so daß an dieser Stelle über den Umfang sowie über die Art der Arbeiten keine weiteren<br />
Aussagen möglich sind. Mit diesem Werkraum halten wir somit lediglich einen weiteren Beleg für die in<br />
diesem Gebiet dicht nebeneinander liegenden Werkplätze, an denen Stein verarbeitet wurde, in Händen,<br />
der aber zumindest in Hinblick aufdie bisher besprochenen Stätten als einzelner Raum eine weitere Form<br />
von Werkstattatchitektur zu dokumentieren vermag.<br />
GebäudeK<br />
Interessante Daten über eine marmorverarbeitende Werkstatr liefert das Haus K (Taf. 102; 103), das sich<br />
an der von der Piräusstraße ausgehenden östlichen Abzweigung der Straße der Marmorarbeiter, durch die<br />
seit dem Beginn des 4. [hs, v. Chr, die große Kanalisation verlief, unmittelbar gegenüber der bereits oben<br />
besprochenen Werkstatt 0 befindet. S02 Es wurde nach Ausweis der in den Auffüllungen enthaltenen Keramik<br />
im letzten Viertel des 5. jhs. v. Chr. wahrscheinlich als einfaches Wohnhaus etrichtet und im frühen<br />
4, [h. v. Chr. in eine marmorverarbeitende Wetkstatt umgewandelt, wobei es diese Funktion bis etwa zur<br />
Mitte des 4, Jhs. v. ehr. behielt. 803 Der ursprüngliche Grundriß des Hauses bestand, wie aus dem Verlauf<br />
der Mauerzüge zu erschließen ist, aus drei Räumen und einem im Nordosten gelegenen Hof, auf den<br />
man von Westen zunächst durch eine kleine, zwischen Haus J und K liegende Passage und dann durch<br />
die Türe in der Nordostecke gelangte. Der Hof gewährte Zugang zu den anderen Räumen, wobei zwischen<br />
dem Nordwest- und dem Südwestraum keine direkte Verbindung existierte. Das Haus erfuhr nach<br />
Ausweis der Befunde aus der Brunnenfüllung im frühen 4. Jh. v. Chr. strukrurelle Veränderungen und<br />
wurde von diesem Zeirpunkt als Atelier genurzt 804 : Die beiden Südräume wurden Young zufolge zu einem<br />
roßen offenen Hof umgestaltet, indem man den südlichen Teil der Trennmauer bis zum ehemaligen<br />
turchgang abtrug. Dieser Raum diente der Lagerung von Marmorabschlagen und Marrnorstaub, wobei<br />
innerhalb des Raumes sukzessive grobe Mauern aufgeschichtet wurden, die als kleine "Vorratskammern"<br />
die Marmorabschläge aufnahmen.sos Schließlich wurde wegen der großen Mengc des Marmorabfalls auch<br />
außerhalb der Nordtür in der Ostecke des Hofes eine Kammer durch den Bau einer Mauer eingerichtet.<br />
Die Lagerung der Marmorabschläge überrascht nicht, da diese in mannigfacher Weise härten weiterverarbeitet<br />
werden können, so beispielsweise zu Kalk oder Stuck; ferner wurden sie auch zur Straßenpflasterung<br />
genutzt. Bedauerlicherweise existieren exaktere Angaben weder über die Differenzierung noch über<br />
die Stärke der einzelnen Marmorablagerungen, noch über die Größe der einzelnen Marmorabschläge.<br />
die weitere Erkenntnisse über den Umfang und über die Art der Arbeiten hätten liefern können. Unter<br />
diesem Marmorsplitt, bei dem es sich nach Young vermutlich um pentelischen Marmor handelte, befanden<br />
sich keinerlei unfertige oder verworfene Stücke, die Licht aufdie Produktion dieser Werkstatt hätten<br />
werfen können. 80G Allerdings soll eine kleine unferrige Hand Kat. Nr. 49 (Taf. 28 a) aus pentelischem<br />
Marmor aus dem Marmorschutt über Haus K srammen.s'" Die eigentliche Verarbeitung des Materials<br />
fand im nordöstlichen Raum, dem alten Hof statt, wie es die dort aufgedeckten zahlreichen Schichten<br />
aus feinem, hart getrerenem Marmorstaub und Marmorabschlägen belegen. aos Die Abschläge waren nach<br />
Thompson aus pentelischem Marmor, .which eventually filled the room to a depth of0,50 m. "809 Weitere<br />
Angaben sind der Grabungspublikation jedoch nicht zu entnehmen,<br />
259<br />
798 Vgl. Young 1951,236.YoungsAussage, daßWasser fürdasBohren, Sägen, Schleifen undPolieren notwendig war. gehtjedoch<br />
zu sehr von modernen Verfahren aus.<br />
799Young 1951, 236.<br />
800 Young 1951, 229 Abb. 1. 5 Taf 57 C;Agora Xl\~ 177. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Darstellung von<br />
Young.<br />
BOI Die Konstruktion E, die nachAusweisder Keramik im 5. ]h. v.Chr. genutztwurde,bestehtausnureinemRaum.Spuren, die<br />
eine Innengliederung des Raumes belegenkönnten, fehlen.Obgleichdie Konstruktion im Nordeneine gemeinsame Mauer<br />
mit dem Haus F besitzt, handelt es sich laut den Ausgräbern um zwei getrennte Komplexe. Die Maße des Raumes betragen,<br />
soweit es anhand der erhaltenen Mauerzuge abzulesen ist, in der Nordsüdausdehnung 7,80 rnund in der Westostausdehnung<br />
5.50 m. Der zur Vc:rfügungstehende Arbeitsplatz beträgt somit ca. 42,9 qm. Indizien, die die handwerkliche Tätigkeit in<br />
diesem Raum belegen könnten. sindallerdings nichtvorhanden. Zu Raum E:Young 1951, 228f.; Agora XfV, 177.<br />
802 H. A.Thompson, Hesperia 17, 1948, 172f.; Young 1951,238ff. Abb. 1.7. 16;Agora XIV, 177;allgemein zurKonstruktion<br />
der Häuser: Ebenda 179.<br />
80) Young 1951, 241f.<br />
80'Young 1951, 242f.<br />
sos young 1951, 243Taf. 76.a. b Abb.7: Dieerste Kammer wurde. imSüdosten desRaumes errichtet. DieMauerführt. wiees<br />
aufder Abbildungzu erkennen ist, In einer geschwungenen LInie von der Ost- zur Südmauer des Raumes.<br />
s06Young 1951, 244.<br />
807 Young 1951,271 Taf 84 b:Athen, Agora Mus. Magazin, Inv.Nr. S 1350. Dieerh.L beträgt5,3cm.<br />
808 Young 1951, 243.<br />
809 H.A. Thompson. Hesperia 17,1948, 172.
260<br />
Haus K wurde etwa vom ersten Viertel des 4. Jhs. v. Chr, bis zur Mitte des 4. Ihs, v. Chr, nachweislich als<br />
Bildhauerwerkstatt genutzt, in der einheimisches Material unter anderem zu Statuetten verarbeitet wurde,<br />
wobei die Produktion des Ateliers den beschriebenen Werkabfällen zufolge keineswegs gering gewesen<br />
sein dürfre. 8 10 Das Gebäude ist als reine Werkstattanlage zu betrachten, deren funktionale Gliederung in<br />
Werkplatz, Lagerraum des Werkabfalls und Depot offenkundig ist. Denn der Nordwesrraum, der wohl<br />
als einziger Raum weiterhin überdacht blieb, wurde vermutlich als Werkstattdepot genutzt. Bl I Die insgesamt<br />
zur Verfügung stehende Nutzfläche beträgt ca. 63 qm. Überraschend ist hierbei die Größe des zur<br />
Verfügung stehenden Arbeitsraums im Hof von ca. 13 qm im Vergleich zur Größe der Lagerfläche des<br />
Marmorsplitts. die ca. 39 qm beträgt.'" Der Werkplatz bot somit nur wenigen Personen Arbeitsraum.<br />
Allerdings hätte bei der Fertigung von Statuetten eine entsprechend größere Anzahl von Personen im Hof<br />
tätig sein können.<br />
Die Marmorbearbeitungsstätte in dem sog. Porosgebäude<br />
Das sog. Porosgebäude (Taf 102 b: 111), das seinen Namen den aus Porosblöcken bestehenden spärlichen<br />
Überresten seines Fundamentes verdankt, liegt ca. 100 m südlich von der Südwestecke der Athener<br />
Agora entfernt, in unmittelbarer Nachbarschafr zu den bereits besprochenen, in den Häusern Kund G,<br />
dem Werkstattraum H sowie dem Hauskomplex C und D tätigen Ateliers."? Das ca. 37 m x 17 m große<br />
Gebäude, dessen Hauptzugang im Norden an der Piräusstraße lag"', besteht aus einern großen offenen<br />
Hof im Siiden, acht kleineren überdachten Räumen, die zu beiden Seiten eines auf den Hofzulaufenden<br />
Korridores liegen, wobei sich aufder Westseite fünf und aufder Ostseite drei Räume befinden, und einem<br />
810 Schon Thompson (ebenda 172) nahm an, daßdie Marmorabschläge wahrscheinlich von einem Bildhauerardier stammen,<br />
daArchitekturkonstrukrionen aus Marmor in dieserEpoche in unmittelbarer Nähe nicht gefunden wurden. Nach dieser<br />
Zeitspanne nahm man wiederum strukturelle Veränderungen vor, wobei die Funktion des nachfolgenden Baues, dessen<br />
innereTrennwändeabgetragen wurden und der von Youngals nicht überdachter Bezirkbeschriebenwird, nicht ganzklar iSL<br />
Vielleichtwurde er im späten4. ]h. v, ehr. als Arbeitsplatz von Terrakorraherstellem genutzt, s. hierzuYoung 1951, 244fI<br />
Bl1 Young 1951,213.<br />
m DieMaßesindvondemPlanbeiYoung 1951,Abb. 7 abgegriffen.<br />
813 M.Crosby,The Poros Building, in:Young 1951,168ff:Agora XIV, 74. 177;J.Camp.TheAthenianAgora' (1976) Inff. Nr.<br />
71 Abb. 90; R. E. W)"cherl)", The StonesofAthens (1978) 46f.Abb.16;E.vanderpool, The Stare Prison of Ancient Arhens,<br />
in:FromAthens to Gordien. The Papers of a Memorial Symposium for R S. Young 1975(1980) 17ff.; J.Camp,DieAgora<br />
vonAthen (1989)129ff Abb.87. 88;J. Camp,The Athenian Agora'(1990) 185fI Nr. 71 Abb. 126.DasGelände wurde,<br />
nachdem esvonYoung freigelegt wurde, vonM. Crosby indenJahren1948149 ausgegraben. M. Crosbyveroffendichte ihre<br />
Ergebnisse alsgesonderten Beitragin dem bereitsoben zitiertenArtikel von YoungüberdasGewerbeviertel sw derAgora. Die<br />
1977 unter der Leitung von J. Camp in dem Arealdes Porösgebäudes erfolgtenNachuntersuchungen,die nach Vanderpool<br />
die Ergebnisse von M. Crosby bestätigten, sind bedauerlicherweise nicht publiziertworden. s. Vanderpoola. O. 21, Ebenda<br />
zur Erwähnung der Nachuntersuchungen. Vanderpool bildetallerdings einenPlanausdemJahre1949ab. DerPlan,der in<br />
dem 1990 erschienenenAgoraführer aufSeite 186 alsAbb. 126 publiziertwurde, scheint die aus den Nachuntersuchungen<br />
gewonnenen Ergebnisse fesnuhalren, dadiverseMauerzügeergänzeworden sind. Dieser Plan dient als Grundlagefür meine<br />
Ausführungen.Allerdingsverschmelzenauf diesem Plan die verschiedenenPhasendes Gebäudes, so gehören beispielsweise<br />
die Zisternen in dem östlichen Anbau oder der in die Südmauerdes Südostraumes eingezeichnete Durchgang nicht in den<br />
ursprünglichen Grundrißdes Gebäudes.<br />
814 Möglicherweise existierte auch von Südwesten ein direkterZugang auf den Hof, von dem aus die entlang des Korridors<br />
liegenden Räume zu erreichenwaren, so Crosby a. O. 170. Dies ist jedoch von der Interpretation des Gebäudesabhängig:<br />
Bei der Deutung als Gefangnis ist ein zweiter Zugang über den Hof wohl auszuschließen,währender bei der Deutung als<br />
Marktgebäude durchausin Erwägungzu ziehen ist.<br />
wahrscheinlich in vier Räume aufgegliederten Anbau an der Nordostseire. Zuletzt wurde dieses Gebäude<br />
von E. Vanderpool als Staatsgefängnis angesprochen."> Diese Deutung stieß auf breite Akzeptanz/"', obgleich<br />
m. E. Zweifel an dieser Interpre.tati~n auch vor dem Hintergrund der im folgenden darzulegenden<br />
Nurzungsgeschichte durchaus berechtigt sind,<br />
Welche Funktion auch immer dem Porosgebäude ursprünglich zugedacht war, es wurde um die Mitte des<br />
5. jhs. v. Chr. in seinem oben genannten Gtundriß errichtet, wie es Keramik und Ostrakafunde unter<br />
seinen Fundamenten im Hof belegen. 817 Nachdem es gegen Ende des 5.Jhs. v. Chr. erheblich beschädigt<br />
worden war, wurden seine Räumlichkeiten in der nachfolgenden Zeit teilweise von Marmorarbeitern als<br />
Werkstatt benutzt, wie es die archäologischen Befunde in dem östlichen Annex und im Nordwestraum<br />
sowie in dem angrenzenden nördlichen Korridor beiegen"B: Das gesamte Areal des östlichen Anbaus war<br />
von Marmorabschlägen und feinen Marmorsplittern bedeckt. Die entsprechenden Schichten reichten<br />
nach Aussage von Crosby vorn Ende des 5. jhs, v. Chr. bis in die Mitte des 4. [hs. v. Chr., wobei bedauerlicherweise<br />
keine Skizze der Lagerung der Schichten den Ausführungen beigegeben ist. 8 19 Zudem stammt<br />
ein kleiner Hermenarm (Taf 28 c) aus einer der Marmorsplittschichten über dem Porosgebaude.s-? Crosby<br />
schreibt über die Schichrerr'": ,,At rhe end of the fifrh century a very hard floor of marble dust and<br />
chips formed over the whole area and extended beyend its walls both norrh and south." und weiter ,,A second<br />
layer ofdust and chips was found above the first in the northern rooms; the upper layer at the northeast,<br />
composed ofvery fine dust, apparently a rnixture of marble dust and emery, seerns clear evidence of<br />
marble working on the spot." In dieser Schicht fand sich ein kleines marmornes Salbfläschchen. 82Z Über<br />
die Schichten sagt sie weiter, daß sie in den meisten Fällen direkt auf den Böden des Annexes lagen.'"<br />
Genauere Angaben zur Stärke und zur differenzierten Abfolge dieser Schichten, insbesondere der aufeinanderfolgenden<br />
Fußböden, liegen bedauerlicherweise nicht vor. Bei diesen Schichten wird es sich wegen<br />
oben beschriebener Konsistenz weniger um diverse Aufschüttungen als um vor Ort entstandene Werkabfalle<br />
handeln, zurnal auch die im folgenden zu beschreibenden Indizien aus dem nördlich angrenzenden<br />
Korridor und dem Nordwestraum des Korridors, Raum 5 \XI, aus dem gleichen Zeitraum stammen<br />
und nur in einem Werkstattkontext sinnvoll werden. BZ' In der Nordwestecke des Raumes 5 \XI, dessen<br />
Nord- und Südmauer noch vor der Mitte des 4. jhs, v. Chr. neu konstruiert und ein wenig nach Norden<br />
verschoben wurden, fanden sich, in den Boden eingelassen, ein 32 cm hoher konischer Kerarnikropf'",<br />
815Vanderpool a. O. 17ff<br />
816 s. beispielsweise J. Camp.The ArhenianAgora'(1976) Nr, 71; R. E.W)"cherl)", The Stones ofAthens (1978)46f.;]. Camp,<br />
Die Agora vonAthen (~989) 129ff;J. Camp:The Athenian Agora' (l99~) Nr. ~2, der dasGebäudeals Sraarsgefangnis anspricht.<br />
Die: [nrerpreranon des sog. Por.osgebaudes 1St Jedochkeineswegs eindeutig, s. Crosby a. O. 183ft mit ausführlicher<br />
Diskussion; Agora XIV,74;J. Camp,die Agora vonAthen(1989)129ff.<br />
817 Crosb)" a, O. 178f.<br />
818 Crosb)" a. O. 1791f.<br />
819 Crosb)" a. 0.176.179.<br />
820 AgoraMus. Inv. Nr. 1427; Young 1951, 271 Nr. 3 Abb.84 b. Die erh.L beträgt0,018 rn, die Breite0,016 mund dieTiefe<br />
0,0095 m.<br />
821 Crosb)" a. O. 181.<br />
82Z Agora, Mus.Inv. Nr.ST450. Dieerh.H beträgt0,083 m, der Durchmesser 0,061 rn: Crosbya. O. 181Anm.63 Taf 64 c.<br />
823 M. Crosby, The Poros Building. in:Young 1951,179.<br />
sz4 Crosbya. O. 179ff.;eine Brandbes~attung, die in die: Mitt~ des.4. jhs. v'.ehr. zu datierenist und im Nordwestraum nahe vor<br />
einem Konglornerarblock des Korridors angelegt wurde, gibt einen tcrrrunua anre quem fürdie Aufgabe der Stätte,s. Crosby<br />
a.0. 181.<br />
8Z5 Athen,AgoraMus.Magazin, Inv, Nr. P 19423.C.rosb)" a. O. 180Abb.6 a; B. Sparkes - L. Talcott,Blackand PlainPotte'}',<br />
AgoraXII (J970)366 Nr. 1~49. ~nversrändilch 1St dievon Crosby gewählte Bezeichnung .terracotta basin'',da essich um<br />
einen einfachenkonischen Keramiktupfhandelt.<br />
261
262<br />
dessen Mündungsweite 37 cm beträgt, und etwa in der Mitte des Raumes ein 1,45 m hoher Pirhos'i"<br />
mit einem maximalen Durchmesser von 1,25 m. Beide Gefäße, die nicht zur ursprünglichen Ausstattung<br />
des Raumes gehören, waren ebenso wie die Einlaßgrube C,foaring trench"), in dem der Pithos stand, mit<br />
Marmorsplitt aufgefüllt wordcn.f" Eine exaktere chronologische Einordnung der Installation ist wegen<br />
der stark gestörten Schichten des 4. ]hs. v. ehr. nicht möglich.!" In dieser Zeitspanne begann man auch<br />
mit dem Bau eines Brunnens in dem Raum 5 W; vermutlich stützte der Brunnenschacht jedoch zusammen<br />
und die Anlage wurde aufgegeben, wobei der Brunnenschacht mit Marmorabschlägen und Keramik<br />
aus dem I. Viertel des 4. ]hs. v. Chr. angefüllt war.829 Ebenso fanden sich in dem durch den Korridor führenden<br />
Abwasserkanal, der nach Ausweis der Keramik erst gegen Ende des 5. ]hs. v. Chr. angelegt wurde<br />
und somit nicht zur ursprünglichen Konstruktion gehört, zahlreiche Marrnorabschlage.P?<br />
Aufgrund der vorhandenen, soeben beschriebenen Indizien erscheint mir die Interpretation als marmorverarbeitende<br />
Werkstatt gesichert. Aus den wenigen Angaben geht deutlich hervor, daß über einen<br />
Zeitraum von etwa zwei Generationen, vom Ende des 5. ]hs. v. Chr. bis etwa zur Mitte des 4. ]hs. v.<br />
Chr., in dem Annex Marmor verarbeitet wurde und daß aufgrund der Abfolge der Schichten grob zwei<br />
Phasen der Marmorverarbeirung zu unterscheiden sind. In der ersten Phase wurde der gesamte Anbau<br />
als Werkplatz genutzt. In der zweiten Phase scheinen laut Beschreibung - obgleich Crosby''" an anderer<br />
Stelle schrieb, daß die Marmorsplittschichten das gesamte Areal des Anbaues vom Ende des 5. bis zur<br />
Mitte des 4. ]hs. v. Chr. bedeckten - nachweislich nur noch die beiden nördlichen Räume als Werkplätze<br />
genutzt worden zu sein, wobei in dem nordöstlichen Raum aufgrund der Konsistenz der Schicht aus<br />
sehr feinem Marmorsplitt und Schmirgel die Feinbearbeitung von Marmorobjekten statrgcfunden haben<br />
muß. Über die Produktion des Ateliers verfügen wir mit dem Hermenarm und dem Parfümfläschchen<br />
über zwei Anhaltspunkre. Der genaue Fundort des kleinen Armes (Taf. 28 c) ist bedauerlicherweise nicht<br />
zu rekonstruieren, so daß eine Einordnung in die erste oder zweite Phase nicht möglich ist. Das kleine<br />
marmorne Parfümfläschchen wurde jedenfalls in der zweiten Schicht gefunden und gehörte vielleicht<br />
zur Produktion der Werksratr der zweiten Phase.'" Ein Blick auf die Größe und Aufteilung des Annexes<br />
und des Raumes 5 W (Taf. 1I I) soll nun der Beschreibung des Arbeitsplatzes der Werkstatt dienen. Die<br />
ursprüngliche Gestalt des sich im Nordosten an das Porosgebäude anschließenden Komplexes wurde<br />
aufgrund der erhaltenen, wenn auch sehr geringen Mauerreste von Crosby überzeugend in vier Räume<br />
aufgegliedert, wobei sich die Ausdehnung des Annexes im 4. ]h. v, Chr., als er als Werkstatt in Betrieb<br />
war, anscheinend nicht geändert hat.'33Nach Crosby erlitt das Gebäude jedoch beachtliche Schäden an<br />
Wänden und Dach. 831 Da aus ihren Ausführungen nicht hervorgeht, ob die Marmorsplittschichten die<br />
erhaltenen Mauerstümpfe der Innenaufteilung der ersten Phase überlagern oder nicht, muß es dahingesrellt<br />
bleiben, ob die Innengliederung des Annexes weiterhin aus vier Räumen bestand oder ob vielleiehr<br />
ein größerer Werkraum geschaffen wurde. Crosby jedenfalls beschreibt keine Veränderungen in der Phase,<br />
in der der Annex von den Marmorarbeitern genutzt wurde. Ob die Räume des Annexes zu diesem<br />
Zeitpunkt überdacht waren oder gar ein oberes Stockwerk besaßen, ist leider auch nicht zu erschließen.<br />
Der Fußboden der Räume bestand jedenfalls aus Tonerde. Gleichzeitig mit dem Annex wurde auch der<br />
Nordwestraum des Korridors von den Marmorarbeitern nach Ausweis oben genannter Befunde für die<br />
Lagerung von Marmorsplitt genutzt, der in vielfacher Weise weiterverarbeitet werden konnte. Crosby<br />
erwähnt in diesem Raum des Korridores keine Marmorsplittschichten auf den Böden des Raumes, die<br />
diesen ebenfalls als Werkplatz, an dem das Material verarbeitet wurde, ausweisen könnte, so daß es sich<br />
bei diesem Raum vielmehr um ein Depot der Werkstatt gehandelt haben wird. Der Raum wurde kurz<br />
vor der Mitte des 4. ]hs. v. Chr., also noch während er von den Marmorarbeitern genutzt wurde, in oben<br />
beschriebener Form umgebaut. m Ein direkter Bezug zwischen Umbau und Nutzung des Raumes ist allerdings<br />
nicht auszumachen. In der ersten Phase war der Raum 5 W von dem Korridor nur über den Raum<br />
4 Waus zugänglich. Ob auch für den hier relevanten Zeitraum, trotz dazwischenliegender Zerstörungen<br />
des Gebäudes, immer noch die gleiche Situation angenommen werden muß, ist fraglich. Crosby erwähnt<br />
bis auf den bereits genannten Neubau der Mauern allerdings keine grundlegenden Veränderungen im<br />
Grundriß, und auch auf dem die Nachuntersuchungen einbeziehenden Plan (Taf. I I I) sind keine Veränderungen<br />
eingezeichnet. Der Raum 4 W wird somit ebenfalls zur Werkstatt gehört haben und könnte<br />
ebenso wie Raum 5 Wals Lagerraum gedient haben; Indizien, die es erlauben würden, seine Funktion zu<br />
klären oder zu spezifizieren, sind den Publikationen nicht zu entnehmen. Die Werkstatranlage (Taf. I I 1)<br />
bestand somit aus dem Annex, dem Raum 5 Wund 4 W sowie dem nördlich angrenzenden Korridor.<br />
Die gesamte NurzungsRäche betrug 153,6 qm."36Allein mit dem Annex standen insgesamt 80,3 qm (!)<br />
zur Verfügung, wobei die Größe von AI 19,4 qm, A 2 16,6 qm, A3 19,4 qm und A 424,9 qm betrug.<br />
In der zweiten Phase - unter der Annahme, daß nur noch die beiden nördlichen Räume, A 2 und A 3, als<br />
Werkplarz fungierten - nutzten die Marmorarbeiter immerhin 36 qm. Hinzu kommen der Raum 5 W<br />
mit 20,2 qm Fläche, der Raum 4 W mit 25,8 qm Fläche und der nördliche angrenzende Teil des Korridors<br />
mir 27,3 qm.<br />
Der hier vorliegende Befund widerspricht ganz entschieden der bisher vorgetragenen Forschungsmeinu<br />
ng'lJ7, die in diesem Gebiet von kleinen bescheidenen Werksrattstrukturen ausgeht, wogegen schon<br />
allein die genutzte Fläche des Annexes anzuführen ist. Als Atelier scheint in diesem Fall eine sehr geräumige<br />
Werkstattanlage belegt zu sein, die die Marmorarbeiter in einem bereits bestehenden Gebäude<br />
einrichteten und über etwa zwei Generationen hinweg nutzten. Vor diesem Hintergrund sollte man die<br />
263<br />
826 Athen. Agora Mus. Magazin, Inv. Nr. P 19422. Crosby a. O. 180 Abb. 6 b.<br />
827 Crosby a. O. 180r.<br />
828 Crosbya. O. 181 bezeichnet die Schichtenals.badly broken", doch scheint ihrderKeramiktopfjüngeralsdie neuerrichtete<br />
Nordmauer zu sein.<br />
829 Crosby a. O. 179f.<br />
83°Cro,bya.O.174f.179.<br />
831 Crosby a. O. 179.<br />
832 So auch Crosby a. O. 181. Crosby weist da, Parfümfläschchen in die ersre Hälfte des 4. jhs. v. Chr.<br />
833 M. Crosby, The Poros Building, in: Young 1951, 175fT, betont aber, daß der genaue Verlauf der Mauern nicht eindeutig<br />
geklärt werden konnte und somit die Innengliederung des Raumes lediglich als Vorschlag zur Rekonstruktion angesehen<br />
werden kann. Der auf Abbildung 88 von J- Camp. Die Agora von Athen (1989) gezeigte Überblick über das Gebäude von<br />
Norden nach den Ausgrabungen von 1977 läßt den Grundriß des Gebäudes jedoch ersraunlicherwelse eindeutig erkennen,<br />
doch schreibt E. Vanderpool, The SrarePrison of Anciem Athens, in: From Arhens to Gordion. The Papers ofa Memorial<br />
Symposium for R. S. Young 1975 (1980) 21: .Pollowing excavation the lines of the walls were filled out with dry masonry<br />
where necessary,the ground levelas raised ro the floor Ievelof rhe Greek Period." Die zwei Zisternen in dem Nordwestraum<br />
und vor der Südmauer in der Ostecke wurden im dritten Viertel des 4. ]hs. v. ehr. auf jeden Fall nach der Benutzung als<br />
Marmorwerkstatt installiert. Eine Mauer aus Kalksreinen. die sich etwa einen Meter nördlich von der Nordmauer aus dem<br />
5.]h. v. ehr. befindet, ersetzte wahrscheinlich die alte Norclmauer in der Periode der Zisternen. Zu den Veränderungen im<br />
3. und 2. jh, v. Chr. s, Crosby a. O. 182.<br />
834 Crosby a. O. 179.<br />
835Vgl. 5, 261f.<br />
836 Die für die Berechnungen notwendigen Maße sind aus dem Plan Taf. 111 abgegriffen; der von W. B. Dinsmoor, Jr. gezeichnete<br />
Plan ist publiziert in]. Camp, Die Agora von Athen (1989) 130 Abb. 8. Die Plachenberechnungen gehen von dem Bestand<br />
der Mauern aus; die gesamte Fläche des Annexes würde beispielsweise ohne die Mauern 93,6 qm betragen.<br />
837 AgoraXrv: 185; M. I. Pinley,Studics in Land and Credir in Ancienr Athens (1952) 66. Vgl. die Diskussion von Ph. V.Stanley,<br />
MBAH 9,1, 1990,2.<br />
rit
264<br />
Funktionen des Porosgebäudes in den verschiedenen Nutzungsphasen differenzieren, wenn nicht sogar<br />
grundsätzlich die Deutung des Porosgebäudes als Staatsgefängnis überdenken und der Interpretarion als<br />
Marktgebäude den Vorzug geben."38<br />
Das Atdier des Mikion und Menon<br />
Brandkatastrophe zerstört wurde, verlassen, wie es die Befunde aus den Zisternen sowie eine in den südöstlichen<br />
Mauerverlaufeingegrabene Bestattung, die datierbare Keramik enthielt, belegen."" In verschiedenen<br />
Räumen des Hauses wurden fünf aufeinanderfolgende Fußböden mit jeweils darüber liegenden<br />
ungestörten Füllschichten aufgedeckt, die eine kontinuierliche Belegung des Hauses dokurnentieren.v"<br />
Durch die in den Schichten enthaltene Keramik ist die zeitliche Abfolge der einzelnen Belegungsphasen<br />
gesichert. In jeder Schicht befanden sich laut Grabungsbericht große Mengen des charakteristischen Marmorsplitts<br />
und Marmorabschläge, zahlreiche Stücke von teils bearbeitetem Marmor sowie eine Sammlung<br />
kleiner Werkzeuge aus Blei, Knochen und Bronze (Taf. 108; 109; 110).813 Diese sind, wie wir noch sehen<br />
265<br />
1968 wurde unter den Häusern südwestlich der Arhener Agora, etwa 50 m nördlich von den bereits<br />
beschriebenen Steinbearbeitungsstätten entfernt, ein Atelier von Marmorarbeitern (Taf. 102; 105) ausgegraben,<br />
das über einen Zeitraum von circa 175 Jahren hinweg sowohl als Wohnhaus als auch als Atelier<br />
genutzt wurde.P? Das Haus wurde nach Ausweis der aus dem Gründungsschutt stammenden Keramik<br />
im zweiten Viertel des 5. Jhs. v. Chr. errichtet"'o und zu Beginn des 3. Jhs. v. Chr., nachdem es durch eine<br />
1138Die Benutzung diesesGebäudes.das im Laufe der Zeit diversestrukturelleVeränderungenerfuhr. auf die an dieserStellenicht<br />
detaillierter einzugehen ist. dauerte bis ins späte 1.jh. v. ehr. an, s. Crosby a. O. 179ff. Im folgenden sei kurz die Deutung<br />
von Vanderpool diskutiere: Der Grundriß des Gebäudes könnte sowohl flir ein Marktgebäude als auch für ein Xenon, aber<br />
auch für ein Gefängnis geeignet sein. Die Vorrichrungen zum Baden - ein kleiner Keramiktopf von 32 crn Höhe und ein<br />
Pirhos von 1.4.5 m Höhe sind in den Boden von Raum 5 Weingelassen - stützen laut Vanderpool a. O. 20 die Deutung als<br />
Cefangnis, da Solerates bekannterweise (Plat. Phaid. 115 A) ein Bad nahm, bevor er den Schierlingsbecher trank. Diese Vorrichtungen,<br />
deren Interpretation allein als Badevorrichtungen keineswegs zwingend ist, sind zudem laut Ausgrabungsbericht<br />
von Crosby nicht in der ersten Phase installiere gewesen. Auch die von Vanderpoola. O. genannten archäologischen Befunde<br />
von Medizintöpfchen und der Sokraressratuene deuten gerade in Hinblick auf ihren Fundkontext nicht zwingend auf die<br />
Nuuung als Gefängnis: Denn die Sokratessraruette, die als Hinweis aufeine im Gebäude errichtete Gedenkstätte für Sokrares<br />
interpretiert wird, wurde jedoch in dem Nordwesrraum des Annexes in dem späthellenistischen Schutt von der Zerstörung<br />
des Porosgebäudes gefunden. s. Vanderpool a. O. 21; 13 kleine Medizlnröpfchen, die angeblich den für die Hinrichtung<br />
verwendeten Schierlingssafr enthielten, stammen dUS der Zisterne im Nordwestraum des Annexes aus einem Kontext des<br />
3. jhs. v. ehr. Vanderpool selbst räumt des weiteren ein, daß literarische Zeugnisse zur Lokalisierung und Einrichtung des<br />
GeHmgnisses wenig aussagekräftig sind. Vanderpool sieht die Funktion des Porösgebäudes undifferenziert über den ganzen<br />
Zeitraum bis ins 1. jh. v, ehr. als Staatsgefängnis an. Aber der Gedanke, daß ein ursprünglich als Staatsgefängnis genutztes<br />
Gebäude nach seiner Zerstörung dann etwa über 50 Jahre hinweg als Werkstatt und dann wieder als StaatsgeHingnis benutzt<br />
worden sei, befremdet. Dies wäre beispielsweise anzunehmen, wenn man die folgende, von Vanderpool zitierte Textstelle in<br />
die Interpretation einbezieht: Aus der von ihm zitierten Stelle (Vanderpool a. O. 19) bei Plut. Phok. 37 geht hervor, daß<br />
das Gefängnis entlang einer großen Straße lag, was auf das Porosgebäude sicher zutraf. Phokion trank im Mai 318 v. Chr.<br />
den Giftbecher im Gefängnis. Ferner scheint Vanderpool, der also von einer kontinuierlichen Benutzung des Gebäudes als<br />
Staatsgefängnis ausgeht, die Schichten von Marmorsplitt als Aufschüttungen zu betrachten. Er geht aufdie Nutzung als Marmorbcarbeirungssrärreüberhaupt<br />
nicht ein, obgleich er den Leser für Detailfragen aufden Aufsatz von Crosby verweist und<br />
anmerkt, daß die Nachuntersuchungen von J _Camp die Ergebnisse von Crosby bestätigten. Vanderpool a. O. J8 schreibt<br />
lediglich: "Then: is evidence of remodelling in the lare fifth or perhaps rhe early founh century when the RoOfS levels were<br />
raised considerably and the Hoorssurfaced with marble chips ro give a clean surfaceon which to walk." Diese Interpretation<br />
ist keineswegs stichhaltig. zumal es überrascht, daßder Befund nur partiell auftritt. Wie die Ausführungen gezeigt haben,<br />
liegt bei den Ausführungen von Vanderpool eine einseitige Interpretation und unvollständige Diskussion des archäologischen<br />
Befundes vor, zumal die Indizien. die für die Deutung als Gefängnis angeHihrt wurden, nicht überzeugen. Obgleich man<br />
zu einer eindeutigen Lösung nicht gelangen kann, so verdient doch m. E. die Interpretation als Marktgebäude den Vorzug.<br />
Hierfür sprächen der Grundriß. die Lage im Gewerbeviertel sowie die zwischenzeitlichen handwerklichen Aktivitäten in<br />
einem Teil des Gebäudes.<br />
"39 T. L. Shear, Jr., Hesperia 38, 1969, 383ff.; M. Ervin, AJA 73. 1969,341; J. E. jenes in: Miscellanea Craeca 1 (1975) 68. 70r.<br />
Abb. 2. 22; J. M. Camp, Die Agora von Athen (1989) 161fI Abb. 120. 121. Erste Untersuchungen in diesem Areal fanden<br />
bereits im Jahre 1932 statr. Die sich im Hofbefindliche westliche Zisterne wurde bereits zu diesem Zeitpunkt ausgegraben, s.<br />
D. B. Thornpson, Hesperla 23.1954, 87f[. Die Ostecke des Hauses wurde bereits in der Kampagne von 1966/67 freigelegt,<br />
s. H. A. Thompson, Hesperia 37,1968, 56ff. Abb. 8.<br />
840 Da das Gelände nach Norden hin leicht abfällt, wurde es vor der Errichtung des Hauses aufgefüllt und geebnet. In dem Gründungsschutt,<br />
der hauptsächlich im Norden des Raumes 8 beobachtet wurde, befand sich Keramik des späten 6. und frühen<br />
5. [hs. v. Chr.• s. Shear a. O. 385 Anm. 4.<br />
841 Shear a. o. 390[( In der östlichen Zisterne wurden große Mengen von Dachziegeln und verbranntem Holz gefunden, s. zu<br />
den Befunden aus der Ostzisterne (Deposit F 16: 8) Shear a. O. 391ff.; s. zu den Befunden aus der bereits 1932 freigelegten<br />
westlichen Zisterne (Deposit F 16: I, alte Bezeichnung 9/B) D. B. Thornpson, Hesperia 23, 1954, 87ff. Nach dem Brand<br />
des Hauses wurde eine Grube in den südöstlichen Mauerverlauf eingegraben, die eine Brandbestattung enthielt (Taf. 105,<br />
Kreuz vor Raum 2), s. zur Keramik aus der Bestattung (Deposit F 16: 7) Shear a. O. 393f.; eine Münze aus der westlichen<br />
Zisterne, die um 294 v. ehr. zu datieren ist, gibt einen terminus POStquem für die Zerstörung, s. Thompson a. O. 88 Anm.<br />
3. Die Angabe von Camp a. 0., daß das Gebäude von 475 bis 275 v. ehr. genutzt wurde, scheine wegen des gerade zitierten<br />
Münzfundes nicht korrekrzu sein. Camp liefen keinerlei Begründung für seine Datierung.<br />
842 Die fiinf ungestörten Schichten wurden in dem Raum 2 sowie in den Räumen 5 bis 9 beobachtet, s. Shear a. O. 383.<br />
843 J. Camp sei an dieser Stelle mein herzlichster Dank für die Erlaubnis ausgesprochen, die bisher noch unpublizierten Werk·<br />
zeuge in meine Arbeit aufnehmen zu dürfen. Großzügig gewährte er mir Einblick in die Grabungsragebücher. ohne die eine<br />
Einordnung der Werkzeuge in die entsprechenden Phasen des Gebäudes nicht möglich gewesen wäre. Er gestattete mir ferner<br />
dasStudium der aus den verschiedenen Füllschichten stammenden Pottery Lots. welche die von den Ausgräbern zum Teil aufbewahrten<br />
Marmorabschläge enthielten sowie die Publikation der Fotographien der aus der Zisterne stammenden unfertigen<br />
Objekte Inv, S 195 und Inv. S 201. Zum Verständnis der Angaben der im Text zu beschreibenden Fundkontexte sei folgender<br />
Schlüssel beigegeben: Das Agoragdände ist in 20 m Planquadrate aufgeteilt. Das Haus des Mikion und Menon befindet sich<br />
im Planquadrat F 16, wobei die Ostecke des Hauses in Planquadrat G 16 liegt. Das Agoragelände ist darüber hinaus in unregelmäßige<br />
Grabungsflächen, sog. Secrlons, unterteilt, die mit griechischen Buchstaben bezeichnet sind. Das besagte Haus<br />
verteilt sich aufdie Secdons n', Kund :ET.s. Taf. 105. Die arabische Raumbezifferung der Publikation entspricht nicht dem<br />
Inventar und der Bezeichnung im Grabungstagebuch, in dem die Räume als Area A, B, B', B", C. D, E', E'. E' und F benannt<br />
sind. AreaA bezeichnet Raum 2, Area B" den Raum 9, Area B' den Raum 8, Area E' einen Teil von Raum 5, E2 einen<br />
Teil von Raum 7, E 3 einen Teil von Raum 6. Die Zählung der Fußböden erfolgte in der Grabung selbstverständlich von oben<br />
nach unten, in der Publikation von unten nach oben. Die Bezeichnungen der verschiedenen Schichten sind dem Grabungstagebuch<br />
entnommen. Die Korrelation der Fußböden und der entsprechenden Schichten sowie der für meine Ausführungen<br />
wichtigen PotrcryLots mit den einzelnen Phasen des Gebäudes ist wegen der Anschaulichkeit tabellarisch erfaßt:<br />
Phase V Layer XIV LotK463<br />
Fluor I Fluor V<br />
Phase rv<br />
Phase III<br />
Phase II<br />
Phase I<br />
Layer XV LotK464<br />
Layer XVI<br />
Layer XVII<br />
Layer XVIII<br />
Floor II Floor IV<br />
Lot K465<br />
Floor I1l Floor l1l<br />
Lot K466<br />
Floor IV Floor II<br />
Flaor V<br />
Floor I<br />
266<br />
werden, zwar für die Bearbeitung von Marmor ungeeignet vielleicht aber als Zeichenstifte und für das<br />
Modellieren von weichem Material wie Wachs oder Ton verwendet worden.t" Aus der westlichen Zisterne<br />
stammen ferner die unfertige 13.5 cm hohe Sitzfigur Kat. Nr. 55 845 (Taf. 29 a) und ein wahrscheinlich<br />
als Bildhauerlehrstücks" zu deutendes Marmorfragment Kat. Nr, 56 (Taf. 29 b. c), aufdem sich ein Frauenkopfim<br />
Profil abzeichnet und das ursprünglich zu einer Marmorschale gehörte, sowie aus der östlichen<br />
Zisterne ein kleines Werkzeug'17 aus Bronze (Taf. 108 d). An der Interpretation dieses Hauses als Atelier<br />
besteht somit keinerlei Zweifel. Das Haus ist unter der Bezeichnung .Atelier des Mikion und Menon" in<br />
die archäologische Literatur aufgenommen worden, da Shear den Namen des Handwerkers Mikion, der<br />
das Haus bewohnte und hier arbeitete, in den eingeritzten BUChstaben aufeinem kleinen Stylus aus Bein<br />
(Taf. 108 b) zu fassen glaubte." Allerdings ist Mikion nicht mit der ersten Nutzungsphase des Ateliers<br />
in Verbindung zu bringen, sondern mit der zweiten, da der Stylus laut Grabungstagebuch in der über<br />
dem zweiten Fußboden liegenden Füllschicht gefunden wurde und nicht, wie Shear schreibt, von der<br />
untersten Fußbodenschicht aus Raum 8 stammt."? Der Name des letzten Hausinhabers, Menon, ist in<br />
den Graflitti aufdiversen Keramikfragmenten überliefert."50Bedauerlicherweise ist uns sonst über Mikion<br />
und Menon nichts bekannt.<br />
Während der langen Nutzungsdauer erfuhr das Haus, dessen Grundriß (Taf. 105) nach dem Ausgrabungsbefund<br />
aus insgesamt zehn unregelmäßig geschnittenen Räumen bestand, in den einzelnen Phasen<br />
der Belegung verschiedene strukturelle Veränderungen, die im folgenden zu beschreiben und mit den<br />
vorhandenen Befunden aus dem Atelier zu korrelieren sind.<br />
Die vollständige Rekonstruktion des Gebäudegrundrisses in der ersten Phase der Belegung (Taf. 106), die<br />
nach Ausweis der Keramik von ca, 480 v, Chr, bis ca, 430 v, Chr. dauerte'?', ist wegen der spärlichen architektonischen<br />
Überreste aus dieser Zeit nicht möglich. Die vorhandenen Mauerzüge bezeichnen lediglich<br />
die Nordost- und SUdwestecke des Hauses und den von den Ecken ausgehenden weiteren Verlaufder<br />
Mauern sowie die Ostecke des Raumes 4. Ferner ist die Außenmauer des Hauses zur Straße hin in ihrem<br />
südöstlichen Teil erhalten.''' Ein aus polygonalem Mauerwerk errichteter Sockel trug die aufgehenden<br />
wiederum Marmorabschläge und Marmorstaub sowie "worked marble".'84 Zwei größere Marmorstücke<br />
sind von den amerikanischen Ausgräbern in dem entsprechenden Pottery Lot'85 aufgehoben worden:<br />
Beide Stücke, die eine Größe von 9 cm x 4,5 cm x 2,5 cm und 10 cm x 5 cm x 5 cm aufweisen, sind aus<br />
weißem feinkörnigen Marmor. Bei genauerer Betrachtung stellte sich das eine Stück als der untere Teil<br />
einer kleinen, unfertigen Sitzfigur heraus, deren oberer Teil in Brusthöhe weggebrochen ist. Die erhaltene<br />
Höhe beträgt 10 crn, die Breite 5 cm und die Tiefe ca. 7 cm. Deutlich sind die Spuren einer Raspel, eines<br />
Flachmeißels und eines Zahneisens auf den verschiedenen Seiten des Sitzes sichtbar. Ebenfalls in diesem<br />
Pottety Lot befand sich ein vollkommen korrodiertes Stück Metall, dessen erhaltene Länge 7 cm, dessen<br />
Breite 1 cm und dessen Durchmesser ca. 7 mm beträgt. In Area B wurde ein vollständig erhaltener, 14,7<br />
cm langer und ca. 6 mm dicker Bleistift"G (Taf. 110 c. d), der an beiden Enden gespitzt ist, gefunden.<br />
In der fUnften Phase, die lediglich durch die Erhöhung des Fußbodenniveaus gekennzeichnet ist''', befand<br />
sich wiederum in Raum 2 laut Grabungsragebuch "a thick layer of marble dust and working chips. «aea<br />
Von der unteren Fußbodenschicht haben die amerikanischen Forschet 18 kleinere Fragmente aufbewahrt,<br />
die allesamt aus weißem, sehr feinkörnigen Marmor bestehen, bei dem es sich abermals um pentelisches<br />
Material handeln dürfte, Die Größe der verschiedenen Splitter"9 zeigt deutlich, daß nicht nur kleinere<br />
Objekte wie Statuetten sondern auch größere Objekte gefertigt wurden, und daß an der gleichen Stelle in<br />
der Werkstatt sowohl die Fein- als auch die Grobbearbeitung der Objekte vorgenommen wurde, worauf<br />
ferner auch die Konsistenz der Splittschicht weist. Aus der oberen Fußbodenschicht, "a thick layer of<br />
marble dust and working chips'"?", sind an für uns interessanten Funden lediglich ein 3 cm x 3.5 cm x<br />
0,9 cm großes Marmorstück aus weißem feinkörnigen Material sowie ein unkenntliches Metallstück von<br />
3 cm Länge aufgehoben worden.<br />
Ein wenig Licht auf die Produktion des Ateliers, das vom 2. Viertel des 4. Jhs. v, Chr. bis zum Beginn<br />
des 3. Jhs. v. Chr. in diesem Haus tätig war, werfen die erwähnte Sitzstatuette aus der vierten Phase sowie<br />
die eingangs genannte unfertige kleine Sitzfigur Kat. Nr. 55 (Taf. 29 a) und das Lehrstück mit der<br />
Darstellung eines Frauenkopfes im Profil Kat. Nr, 56 (Taf. 29 b. c), die beide aus der westlichen Zisterne<br />
stammen. Eine genauere zeitliche Einordnung lerzt genannter Funde in die dritte, vierte oder fünfte<br />
Phase ist allerdings nicht möglich, da diese sofort nach der Installation der Zisterne in der dritten Phase<br />
oder zu einem späteren Zeitpunkt, folglich also nach dem 2. Viertel des 4. Jhs. v. ehr. spätestens aber um<br />
271<br />
844 Sheara. O. 389 Anm. 12 ziehtin diesem Zusammenhang,aufeineStellebeiLuk.]up. Trag. 33 verweisend, auchPechals<br />
MaterialfürModelle oderAbgüsseeines Bildhauersin Erwägung. da..severallargemassesof rawpitch werefound in rhe weil<br />
benearb the easr cisrern". Vgl. das Kapitel IU. 3 "Modelleund derenÜbertragung in Stein."<br />
845 Inv.Ne. S 195. Fürdetaillierte Angabensowie zur Beschreibung des Arbeitsstadiums und der vorhandenenWerkzeugspuren<br />
s. die Angaben im Katalogunter Nr. 55.<br />
846 Inv. Nr. S 201. Fürdetaillierte Angaben sowie zur Beschreibung des Arbeitsstadiums und der vorhandenen Werkzeugspuren<br />
s. die Angabenim Katalogunter Nr. 56.<br />
847 Inv. Nr. B 1337. Laut Inventar und Grabungstagebuch S. 5061ff. aus Deposit F 16: 8 in einem Kontext des späten 4. jhs, v.<br />
Chr.:alrePundnr. 4112.Vgl. Anm.843.DasWerkzeug ist nichtvollständig erhalten, dieerh. Länge berragr 8,3 cmund die<br />
Dicke 3 Olm.Das erhalteneEnde läuftin einerSpitzeaus.<br />
"8 T. L. Shear, Jr.. Hespena Bß. 1969.389.<br />
'49 Shear a. O. 389Taf. 102b: lnv.Nr. BI 819.laut Inventar und Grabungsragebuch S. 5057:Area F 16.Sektion K. Area B',<br />
FlomIV ending on lowest Aoorsrrosis: gefunden am 3. August 1968; alte Fundnr. 3997. s. zum Schlüsselder Fundangaben<br />
Anm.843.<br />
850 Shear a. O. 389( Taf. 102.<br />
'51 Shear a. O. 385( Anm. 5. 6.<br />
852 Das sorgfältigerrichtete polygonaleMauerwerk mit daraufliegenden Kalksteinblöcken ist in einer Längevon 8 m und in einer<br />
Höhe von 0.55 rnerhaltenund trugin dererstenPhaseein aufgehendesMauetwerkausLehmziegeln,von denen mehrere<br />
Fragmente bereits 1932 in der S\X'- Eckedes Raumes5 gefundenwurden. s. Shear a. 0 385f. Abb. 2.<br />
884 Der alsFußboden 4 bezeichnete Fußboden in derPublikation entspricht dem Fußboden 11 ausdem Grabungstagebuch mir<br />
derdarüberliegenden Füllschicht.Jayerxv: Indiese Schicht gehört Pottery LotK464.<br />
885 PorreryLotK464.<br />
886 Inv. Nr. IL 1511; laut Invenrar und Grabungstagebucb S. 5053:Area F 16, Section K.AreaB, layer 11, Fundnr. 4011;2.<br />
August 1968. s. zumSchlüssel derFundangaben Anm.843.<br />
887 Sheara. O. 388.<br />
B88 Der Fußboden 5 derPublikarien findet in dem Fußboden I desGrabung'tagebuchs mit den Schichten XIV (endof Ploor)<br />
und XlII (top of Heer)seine Entsprechung. Ausder Schicht XIV stammt PorreryLotK 463, aus der SchichtXIII PorteryLot<br />
K462.s.zumSchlüssel der Fundangaben Anm.843.<br />
889 DieMaßederAbschläge sinddie folgenden: 5,5 cmx 5 cm x lern:4,5 cmx 5 cmx 1,3 cm;4 cm x 3.5 cm x 0,6cm;3 cm<br />
x 3 cmx 0.6 cm:3.5 cmx 3.5cmx 0.8cm;4.5 cmx 3.7 cmx 0,4 cm;4 cmx 2.2 cmx 0.3 cm; 3,4 cmx 2.5 cmx0,4 cm:<br />
4.3 cm x 2,5 cm xl cm; 3,9 cm x 2,5 cm x 0,9 crru 3 cm x 1,3 cm x 0,9 cm; 2,7 cm x 1,9 cm x 1,2 cm; 3.5 cm x2,4 cm x<br />
0.5 crn; 2,4 cm x 2,3 cm x 0,5 cmt 2.9 cm x 2,2 cm x 0,8 crm 2,2 cm x 1,9 cm x 0.3 cm; 3.3 cm x 1,6 cm x 0,9 cm; 2.5 cm<br />
x 2.5 cm x 0,6 cm.<br />
B90Grabungstagebuch S. 5035; Potrery LotK 462. Kontext: 4.Jh. v.Chr.- frühes 3. jh. v. Chr.s. zumSchlüssel der FundortangabenAnrn.<br />
843.<br />
sb
272<br />
294 v. Chr., in die Zisterne gelangt sein können."?' In dem Atelier wurden somit nachweislich Statuetten<br />
und insbesondere Sitzliguren gefertigt. Da nun aber sowohl die Sitzfigur als auch das Relief aus den<br />
Fragmenten einer Marmorschale gemeißelt worden sind"', was im übrigen ein ökonomisches Vorgehen<br />
in der Werkstatt bezüglich der Verwendung alter Materialien zeigt, ist es wahrscheinlich, daß in diesem<br />
Atelier auch Gebrauchsgegenstände aus Marmor, wie beispielsweise Marmorbecken, hergestellt wurden.<br />
Allerdings besteht gerade in Hinblick auf die Größe der Abschläge keinerlei Veranlassung anzunehmen,<br />
daß die Produktion des Ateliers sich auf kleine Figuren oder Gebrauchsgegenstände beschränkte.<br />
Fassen wir die bei der Betrachtung der Marmorwerkstätten klassischer Zeit gewonnenen Erkenntnisse<br />
zusammen, so fällt zunächst das breite Spektrum der als Werkstätten genutzren Architektur auf: Einige<br />
Werkstätten waren ein integraler Bestandteil des Wohnhauses, wie es das Haus G, das Haus des Mikion<br />
und Menon sowie der Hauskomplex C und D zeigen. Die eigentlichen Werkplätze sind in den Höfen<br />
zu lokalisieren, in dem die Lichtverhältnisse günstig waren und auch Feuer- und Schmiedestellen eingerichtet<br />
wurden. Separate Strukturen unterschiedlicher Ausprägung belegen hingegen der vermutliche<br />
Werkraum H, das Gebäude K und die im Porosgebäude genutzten Räumlichkeiten. Diese Bauten sind<br />
als reine Werkstattanlagen zu interpretieren. Die Werkstätten wurden zum Teil in bereits bestehenden<br />
Gebäuden unterschiedlicher Nutzung eingerichtet, wie die Befunde im Porosgebäude, im Haus D und<br />
das Gebäude K dokumentieren. Bei den beiden letzteren wichen Wohnhäuser, bei dem Porosgebäude<br />
wohl weniger das Staatsgefängnis als ein Marktgebäude der Werkstatt. Der ursprüngliche Grundriß wurde<br />
hierbei entweder übernommen oder aber verändert, wie es das Haus K und der Hauskomplex C und<br />
D illustrieren. In Haus K trugen die Umbaumaßnahmen einer funktionalen Gliederung in Werkplatz,<br />
Lagerraum für Marmorabschläge und Depot der Werkstatt, in dem vielleicht Materialien, Arbeitsgerät<br />
und fertige Arbeiten aufbewahrt wurden, Rechnung. Eine funktionale Gliederung des Arbeitsraumes in<br />
Hinblick auf den Fenigungsprozeß, der die Grob- und Feinbearbeitung der Objekte umfaßte, und je<br />
nach dem zu fertigenden Objekt auch die Erstellung von Modellen oder deren Bemalung voraussetzte, ist<br />
generell nicht nachzuweisen. Die Befunde im Haus des Mikion und Menon belegen klar, daß sowohl die<br />
Fein- als auch die Crobbearbeitung der Produkte an der gleichen Stelle stattfanden. Allerdings verweist<br />
der Befund aus den nördlichen Räumen des Annexes des Porosgebäudes auf eine räumliche Trennung der<br />
Grob- und Feinbearbeitung der Objekte hin. Dies könnte auf eine Rationalisierung des Fertigungsprozessesinnerhalb<br />
des hier tätigen Ateliers deuten, bei dem die Grob- und die Feinbearbeitung von unterschiedlichen<br />
Personen ausgeführt wurde, was in Hinblick aufden zur Verfügung stehenden Arbeitsraum<br />
nicht überrascht.<br />
Bei den Marmorbearbeitungsstätten im Athener Gewerbeviertel handelt es sich um permanent genutzte<br />
Werkstätten, die größtenteils über zwei Generationen hinweg, so der Hauskomplex C und D, das Gebäude<br />
K und das Porosgebäude ihre Funktion beibehielten. Das Haus des Mikion und Menon fungierte sogar<br />
über circa sechs Generationen hinweg als Atelier. Über die Produktion der diskutierten Stätten waren in<br />
ihrer Gesamtheit zwar keine umfassenden Aussagen möglich, doch konnte zumindest die Fertigung von<br />
Statuetten und Gebrauchsgegenständen aus Marmor durch diverse Funde belegt werden. Keineswegs<br />
muß die Produktion dieser Ateliers jedoch auf derartige Objekte beschränkt gewesen sein.<br />
Von herausragender Bedeutung ist zudem die Feststellung, daß es sich keineswegs nur um bescheidene,<br />
in das Wohnhaus integrierte Werkstattstrukturen handelt, wie es die Berechnungen der zur Verfügung<br />
stehenden Nutzflächen, besonders der Räumlichkeiten in dem sog. Porosgebäude, demonstrierten. Zu<br />
bedenken ist ferner, daß separate Werkstattstrukturen zu einem anderweitig wohnhaften Besitzer und<br />
somit zu einer größeren Werkstatt gehört haben könnten. Ein gewisser Komon beispielsweise besaß zwei<br />
Häuser in Piräus. Jn seinem Wohnhaus webten Sklaven Segeltücher und in einem kleineren Gebäude produzierten<br />
Sklaven Farben zum Malen und Färben, wobei es allerdings unklar ist, ob dieses Haus ebenfalls<br />
als Wohnhaus genutzt wurde.F"<br />
Vergleichen wir abschließend kurz die aus der Betrachtung gewonnenen Erkenntnisse über die Werkstätten<br />
am Aufstellungsort mit denjenigen über die Werkstätten in der Stadt. So sind erstere Strukturen im<br />
Gegensatz zu letzteren vor allem durch ihre temporäre Nutzung für die Ausführung bestimmter Projekte<br />
gekennzeichnet. Den Künstlern wurden entweder eigens Werkstätten errichtet, die nach Beendigung des<br />
Projektes als massiv errichtete Bauten wiederum für unterschiedliche Zwecke permanent genutzt werden<br />
konnten, oder es wurden ihnen bereits bestehende Gebäude zur Verfügung gestellt. Die in den Heiligtümern<br />
zusätzlich vorhandenen, permanent genutzren, unter anderem für die laufend anfallenden Arbeiten<br />
erforderlichen Werkstätten wurden gleichfalls entweder neu erbaut oder aber bereits bestehende Gebäude<br />
zu diesem Zwecke umfunktioniert. Eine Unterscheidung von temporären und permanenten Werkstätten<br />
ist vor diesem Hintergrund generell nur in Hinblick auf ihre Nutzungsdauer möglich. Die Nutzung und<br />
Umfunktionierung bereits bestehender Gebäude als Werkstatt, aber auch die Umfunktionierung eines<br />
ehemals als Werkstatt genutzten Gebäudes ist gleichsam für die Situation in der Stadt charakteristisch.<br />
Werkstattspezilisehe Bauten existieren aus diesem Grunde nicht. An beiden Orten fand der eigentliche<br />
Herstellungsprozeß bei der Gestaltung einer Werkstatt, ungeachtet ihrer temporären oder permanenten<br />
Verwendung, keine Berücksichtigung. Dies zeigen sowohl die Neu- als auch die Umbauten, denn ein den<br />
erforderlichen Arbeitsschritten entsprechend funktional gegliederter Werkstattbau ist bisher archäologisch<br />
nicht nachzuweisen.<br />
Die Größe von Werkstattbauten für die Fertigung des Skulpturenschmucks eines Tempels, besonders der<br />
Giebelliguren, ist hierbei allerdings in keiner Weise zu vergleichen mit derjenigen von Werkstattbauten, in<br />
denen Einzelplastiken, sei es Groß- oder Kleinplasrik, gefertigt wurden. Pheidias stand für die Fertigung<br />
des goldelfenbeinernen Kultbildes in Olympia eine Fläche von ca. 350 qm als reiner Arbeitsplatz zur<br />
Verfügung, wobei die gesamte Nutzungsfläche einschließlich des Areals vor der Werkstatt ca. 2500 qm 0)<br />
betrug.'" Die vielleicht für die Fertigung der Giebelskulpturen des Parthenon genutzten Gebäude hätten,<br />
so die Werkhalle, der Vorläuferbau der Chalkothek, etwa 480 qm Nutz- und Arbeitsfläche geboten, der<br />
Bau im Süden des Parehenon ohne Innengliederung insgesamt eine Nutzfläche von ca. 600 qm. Das Haus<br />
D hingegen bot eine Nutzfläche von ca. 94 qm und eine Arbeitsfläche von ca. 22,6 qm, Gebäude Keine<br />
Nutzfläche von ca. 63 qm und eine Arbeitsfläche von 13 qm. Selbst das Porosgebäude, die größte der<br />
hier behandelten in der Stadt angesiedelten Marmorbearbeitungsstätten klassischer Zeit, weist nur eine<br />
Nutzfläche von 153,6 qm und Arbeitsflächen von ca. 80,3 qm bzw, ca. 36 qm auf.<br />
273<br />
891 Die Sin:figurwurde in der Zisterne laut Inventar in einer Tiefe von 3,80 m gefunden, die den tiefsten Punkt der Zisterne<br />
bezeichnet. Die Figurgehärtsomit zu den Objekten.die zuerstin die Zisternegeworfenwurden. Das GrosderVerfüllung der<br />
Zisternen erfolgte wohl im letzten Viertel des 4. [hs. v. Chr., s. Shear a. O. 390ff. Vgl. D. B. Thompson. Hesperia 23, 1954,<br />
88. 105. Thompson interpretiert die Sitzfigur als.Morher of the Gods"oder Demerer.<br />
B92 s. die Angaben im Katalog unter Nr. 55 und Nr. 56.<br />
89l [Dem.] 48. 27; Ph.V.Sranley, MBAH 9, 1, 1990,2.<br />
B94Die:Größe dergesamtenNutzflächewurdein einem Referat überdie Werkstatt des Pheidiasim Rahmeneines Seminares zur<br />
"Werkst3crforschung" am Seminar für Klassische ArchäologieBerlinim SS 1994 vorgeführt.<br />
:I:
274<br />
N. 3. 4 Werkstätten hellenistischer Zeit<br />
N. 3. 4. 1 Die Marmorbearbeitungsstätten aufDelos<br />
275<br />
In hellenistischer Zeit bietet für die hier verfolgte Fragestellung die Insel Delos das reichhaltigste Material.<br />
Denn die hier in großer Zahl gefundenen unfertigen Skulpturen erlauben zusammen mit anderen<br />
Evidenzen nicht nur die exakte Lokalisierung der Werkplätze, sondern beleuchten auch die Produktion<br />
sowie die Produktionsverfahren späthellenistischerAteliers. Dies ist umso bedeutender, da die gewöhnlich<br />
aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissenen unvollendeten Skulpturen als isolierte Befunde nur geringe<br />
Aussagemöglichkeiten über die Fertigung innerhalb eines Ateliers bieten. Ferner liegen an anderen Orten<br />
nur vereinzelt Fundkonzentrationen von Figuren aus dem zu untersuchenden Zeitraum vor, die auf die<br />
Lokalisierung von Werkstätten hinweisen, so beispielsweise in den Häusern am Westabhang der Akropolis<br />
in Atherr" oder in diversen südöstlich der Athener Agora gelegenen Cebäuden.P?" Eine in Athribis in<br />
Ägypten aufgedeckte Bildhauerwerkstatt vermag für unsere Fragestellung bei dem derzeitigen Publikationsstand<br />
nur insofern Informationen zu vermitteln, als sie in einem prolemäerzeitlichen Handwerkerviertel<br />
gefunden wurde und in ihr zahlteiche Aphrodirestatuetten aus Marmor entdeckt wurden, an denen<br />
sich die Spuren ihrer einstigen Bemalung noch erhalten haben."? Den "Werkstätten am Aufstellungsort"<br />
wird an dieser Stelle kein eigenes Kapitel gewidmet, daeinerseits die archäologische und epigraphische<br />
Befundlage nicht zu so einer deutlichen Unterscheidung führt wie in der vorangegangenen Epoche, andererseits<br />
die allgemeinen im Kapitel über die klassischen Werkstätten getroffenen Überlegungen auch für<br />
die hellenistische Zeit Gültigkeit besitzen.<br />
Die seit dem letzten Jahrhundert von der Ecole Francalse unternommenen Unrersuchungen und Grabungen<br />
aufDelos brachten zahlreiche Funde unvollendeter Plastik ans Tageslicht.8" In vielen Fällen stammen<br />
die Skulpturen (s, beispielsweise Kat. Nt. 78 - 91) aus Häusern, die einschließlich ihrer Ausstattung mit<br />
Bodenmosaiken, Wandmalereien und Plastik aufgrund der geschichtlichen Ereignisse und der darauf<br />
beruhenden Fundsiruation traditionell in die zweite Hälfte des 2, Jhs. v. Chr, und das erste Drittel des I.<br />
Jhs. v. Chr, datiert werden.'99 Etliche Exemplare wurden ferner in der näheren Peripherie des Heiligtums<br />
gefunden: An derAgora der Italiker, nahe der Stoa Philippsv., im sog. Haus des Kerdon und an derAgora<br />
der Delier sowie in diversen Läden, so beispielsweise in den von Jarde ausgegrabenen, dem Theaterviertel<br />
gegenüber und unmittelbar am Meer gelegenen sog. "Magasins Cl, ß und y"9oo (Taf. 112). Die einzelnen<br />
Fundorte der unfertigen Skulpturen an dieser Stelle zu zitieren, würde zu weit von der Fragestellung nach<br />
den Bearbeitungsstätten wegführen, da der Fundort einer unfertigen Skulptur, um dies noch einmal<br />
ausdrücklich zu betonen, zwar den Ausgangspunkt der Untersuchung darstellen sollte, aber doch keineswegs<br />
die Existenz einer Werkstatt an eben diesem Ort belegt. Auf dieser Basis wurden in der Forschung<br />
bereits mit mehr oder weniger Berechtigung zahlreiche Hypothesen über die Lokalisierung der delischen<br />
Werkstätten geäußert, die auch in Hinblick auf die epigraphischen Quellen'?' sicher an vielen Stellen auf<br />
Delos zu vermuten, jedoch, wie es die folgenden Ausführungen zeigen werden, schwerlich nachzuweisen<br />
sind. Nicht zuletzt sind auch aufgrund der Erforschung und des Publikationsstandes mancher delischer<br />
Wohnviertel und Areale weiterführende Aussagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.<br />
Bisher wurden das im Theaterviertel in der Insula IV gelegene Haus L, ein Haus an der Straße zwischen<br />
Hieron und Gymnasium, das Haus des Diadumenos, das Haus des Kerdon, die Läden 103 und 106 an<br />
der Südseite der Agora der Italiker sowie der Laden BG nördlich der Insula des Komödiantenhauses als<br />
895 Nach Ausweis der zahlreichen unfertigenSkulpturenfunde wird sich eine in späthellenistisch - römischerZeit tätige Bildhauerwerkstarr<br />
in den bereits von Dörpfeld freigelegten Häusern am Wesrabhang der Akropolis befunden haben, s. die<br />
Ausgrabungsberichre W. Doerpfeld, Die Ausgrabungen arn Westabhange der Akropolis I, AM 19, 1894,496ff.;ders., Die<br />
Ausgrabungen am Wesrabhang derAkropolisIl, AM 20, 1895, 161ff.; H. Schrader, Die Ausgrabungen am Wescabhangc: der<br />
Akropolis 111, AM 21, 1896,265ff.;A. Koerre, DieAusgrabungen arn We.srabhang der Akropolis IV,AM 21, 1896, 287ff.;<br />
zumWmabhangderAkropolis um 1855,s. Achens 1839- 1900.A Phorographic Record. Benaki Museum (1995)FotoNr.<br />
31. Das Foto zeigt den Westabhangder Akropolis nachden Ausgrabungen von E. Beule 1852 - 1853. C. Warzinger (s. C.<br />
Warzinger, Die Ausgrabungen amWcsrabhang derAkropolisV.Einzelfunde. AM 26, 190 I, 305ff Abb. 1.2. 3), der nureine<br />
geringeAuswahlderEinzelfundevorlegt,schreibtauf S, 307: "Von den übrigen,rechtzahlreichenunvollendeten Skulpturen,<br />
dieam Westabhang zuTagekamen und die beweisen,daßhier ingriechischer Zeit nicht wenige Bildhauerwerkstätten bestanden<br />
habenmüssen,sind nurwenige zu erwähnen,dadie Mehrzahl kunsthistorisch wertlossind."Die publizierten Skulpturen<br />
zumindestsind in späthelleniscisch-römische Zeit zu datieren.s. auchBliirnel 1927, Kat.Nr. 32; Kat. Nr. 25Ta( 31; Kat.Nr.<br />
44. Watzinger a. O. 321f[ schriebüberdie hiergefundenenReliefs,daßsich unter diesen auch einige ausdem 4. jh. v. ehr.<br />
befunden hatten. Aus diesem Grunde liege die Vermutung nahe, daß bereitsin früherer Zeit Werkstätten hier tätig waren,<br />
was in Hinblickauf die Lagein derNähe derAkropolisnicht verwunderlich wäre.Da diese Stückeallerdingsnicht publiziert<br />
wurden, sind weitereAussagennicht möglich. s. zu Bronzegußwerkstätten am Südabhang derAkropolis,die von der Mitte<br />
des 5. Jhs. v. Chr. bis ins I. jh. n. Chr. in Benutzungwaren,G. Zimmer, GriechischeBronzegußwerkstärren (1990) 62fI<br />
896Agora XIV,187;H. A.Thompson,Hesperia 29,1960,333; E. B. Harrison,Hesperia 29, 1960,370 Anm. 7; s. auchE. B.<br />
Harrison,Arehaie and Archaisric Sculprure, Agora XI (1965)2f. 19f.68.103.146.156.166 Kar. Nr. 98. 126. 127. 150.<br />
185. 214. In diesem Gebiet wurde in späthellenistisch - römischer Zeit Marmorverarbeitet. s. auch die unfertigenSkulpturendes<br />
2. jhs. n. Chr.aus der Nähe des Olympleons und westl. des Areopags: O. Palagia, Mnemon 2, 1972, 105ff. Ygl. l.<br />
Favaretto, Sculture non finitee borreghe di sculrura ad Aquileia, in:Venetin II. Srudi miscellaneidi archeologiadella Venezia<br />
(1970)129ff.<br />
897 K. Mysliwiec, Athribis, eine hellenistischeStadtim Nildelta, AW 25, 1994, 35fT.<br />
898 s. die nach Fundortengegliederte, im Katalog erfolgte Zusammenstellung unfertiger Skulpturen, die eine repräsentative<br />
Auswahl d~r Befimde da.rsrellr. Die Zahld~r unli:rrigenSrüc~e belä~fr.'lch auf,:"' 160 Stück, mir denensichPh.Jockeyim<br />
Rahmen ~elOe~ Dlssettat~on.;über. ~elleOlstl5che Wer~statten bes~häfngt ~at. DIesewirdinder nächstenFolgeder .Explorarlon<br />
archeotopquede Delos publiziert werden.An dieserStelle sei dem Direktor derfranzösischen Schule,Athen, R Etienne<br />
sowie Ph. Jockeyherzliehst für das Einverständnis gedankt,das delische Materialvor Ort studierenzu dürfen.<br />
899 Denn nach einer langenwechselhaftenGeschichtevon Unabhängigkeitund arhenischerVorherrschaftwird die Insel Delos,<br />
die seit archaischer Zeit vor a1le~ als Kultplatz v~n B~d~utun~ wa~, im 2. [h, v. Chr. zum größten Handelsplatzdes Mittelmeerraumes.<br />
Große Handelsniederlassungen wie beispielsweise die Agora der Italiker, ein Anwachsen der nun aus vielen<br />
Städten ~r hellenistischen. und jtalis~hen ~elt zusamr:nengekommene.n B~völkerung und eine rege Bautätigkeit sowohl<br />
im öffentlichen als auch pnvaten Ber~lCh pragten das Bild der Insel. Kriegerische Ereignisse in der ersten Hälfte des ersten<br />
vorchristlichen Jahrhunderts. so die Überfalledes Mithridates 88 v. ehr. und des PiratenAthenodoros 69 v. Chr., sowie die<br />
Verlagerung des Handelsließen Delos dann in der Folgezeitveröden.Die meisten Häuserausder Blütezeitvon Delos sind in<br />
ihrem späthellenistischen Zustandohne spätereüberbauung erhalten,dasich das Leben in der Stadt nachdem Niedergan<br />
des Handels vor allem auf die Baute.n am.Hafen?ec~en k~nzentrierte. s. zur Geschichte der Insel Ph. Bruneau _J. Duca~<br />
Cuide de Dolos'(1983) 17ff. Allerdings ließenSIch m germgem Ausmaß kleinere Handwerksbetriebe in den Räumender<br />
verlassenen Wohnhäuser nieder,was allein schon vor einer allzu schnellen Interpretation der Fundortewarnensollte, s. beispielsweisezurPurpurherstellung<br />
in der Insula des Komödiantenhauses Ph. Bruneau, BCH 103, 1969,765(; Ph. Bruneauu.<br />
a., I.: ilotde [a maison descomedicns, Dolos XXVII (1970)426f.<br />
900 Zur Agorader Italiker: S. 277ff.; zurAgorader Delier: Bruneau- Ducar a. O. Nr. 84; zurStoaPhilipps Y.:Bruneau_ Ducat<br />
a. O. Nr. 3; zum Haus des Kerdon s. S. 281fF.;zu den von jarde ausgegrabenen .magasins 0:, ß, y": Bruneau_Ducar a. O.<br />
Nr, 122. Die sog. Laden am Hafen wurdenvon jarde aufgrundvon Inschriftenund wegen ihrerLageam Hafenbecken so<br />
bezeichnet, s.A.[orde, BCH 29, 1905, 16ff.; s.auchdievon dort stammendePrauenbüste Kat.NT.92.<br />
901 Die delischen Inschriften unterrichtenüb.er Mi~twerkstätten am On und überdie ModalitätenihrerInstandhaltung, die der<br />
Heiligtumsverwaltung oblag, s. D. Hennig,Chrron13, 1983,411ff.414; ders.,Chiron 15, 1985, 164ff.<br />
t
276<br />
Werkstätten (Taf. 112) angesprochen.?" Die Deutung als Werkstatt fÜr das Haus im Theaterviertel ist<br />
von vorneherein auszuschließen, da es höchstwahrscheinlich von einem Kalkbrenner als Depot genutzt<br />
wurde.P" Des weiteren sind zwar Indizien für eine Identifizierung des Hauses an der Srraße zwischen<br />
Gymnasium und Hieran als Werkstatt vorhanden, genauere Aussagen sind bei dem derzeitigen schlechten<br />
Publikationsstand jedoch weder Über den architektonischen Befund noch über die hier gefundenen<br />
Skulpturen, unter denen sich unter anderem zwei unvollendete Statuetten der Aphrodite befanden,<br />
möglich.'o; Neben diesen zumindest topographisch fixierten Gebäuden wurden des weiteren vage Lokalisierungen<br />
ausgesprochen: Mareade vermutete ein weiteres Atelier in der Fourniregion, wobei sich diese<br />
Aussage allerdings nur auf den unfertigen Kopf Kat. Nr. 91 stützte und somit von vorneherein einer<br />
tragfähigen Grundlage entbehrt.90S Hingegen gewinnt die zuerst von Picard geäußerte Vermutung eines<br />
Ateliers in der Nähe der Agora der Kompitalisten, für die er jedoch keine Gründe angab, durch zahlreiche<br />
Befunde unfertiger Skulpturen, deren Herkunft meist aus den Häusern südlich der Agora der Delier und<br />
östlich der Agora der Kornpitalisten angeben wird, sowie durch die Entdeckung eines kleinen Altars mit<br />
der Inschrift "Ä7IOMWVO
278<br />
Holleaux lediglich in sehr knapper Form in den publizierten Jahresberichren der französischen Schule<br />
umriß,914 Bizard listet in seinen Grabungstagebüchern, in die mir freundlicherweise Einblick gestarret<br />
wurde, zwar die einzelnen Befunde auf; doch war es mir nicht möglich, die dort beschriebenen Befunde in<br />
ihrer Gesamtheit zu identifizieren. Seine Aullistung vermag jedoch zumindest einen generellen Eindruck<br />
von der Produktion dieses Ateliers zu vermirreln, die, wie es die folgenden Ausführungen zeigen, äußerst<br />
vielseitig war. Denn aus dem Atelier oder dessen unmittelbarer Umgebung, wobei eine Verteilung der im<br />
folgenden zu nennenden Stücke mangels konkreter Fundangaben aufdie beiden Läden nicht möglich isr,<br />
stammen die Grabstele Delos, Mus. Inv. Nr. 1298 9 15 und die unfertig gebliebene Grabstele Kat. Nr. 75 9 16<br />
(Taf 48). Die Srele der Isis Palagia, die bis auf eine an der hierfür bereits vorbereiteten Stelle fehlenden<br />
Inschrifr fertiggestelIr ist, wurde in Raum 106 gefunden. 9 L7 Die schon Blümel bekannte Tischstürze?" in<br />
Form einer Sphinx Kat. Nr. 73 (Taf. 47) und ein weiteres Tischbein in Form eines Schwans Kat. Nr. 74<br />
(Taf. 50 b) stammen ebenfalls aus diesem Atelier. Anzuschließen sind die Staruette des Herakles Farnese<br />
Kat. Nr. 76 (Taf. 50 a) sowie der untere Teil einer Arrernissraruerre Kat. Nr. 77 (Taf. 49), ferner die Statuette<br />
des ApolIon, die nach Mareade aus neun Fragmenten, die 1904 an der Südostecke der Agora der<br />
Italiker gefunden wurden, zusammengesetzt wurde.?" Bizard erwähnt in den Grabungstagebüchern des<br />
weiteren diverse unfertige, größtenteils aus weißem Marmor bestehende, Fragmente wie Beine, Arme,<br />
Hände und Köpfe weiblicher und männlicher Staruerten, die, nach den vorhandenen Angaben zu urteilen,<br />
recht unterschiedliche Größen und Typen aufgewiesen haben. Interessant isr zudem nach den<br />
Ausführungen im Grabungstagebuch der Fund dreier nur bossierter Stößel aus weißem Marmor, die auf<br />
die Fertigung auch von einfachen Gebrauchsgegenständen verweisen. Aber nichr nur die große Variationsbreite<br />
der hier gefertigten Produkte überrascht, sondern auch die Anwendung zweier grundsätzlich<br />
voneinander verschiedener Ferrigungsrechniken.P" Denn während sowohl die Tischbeine als auch die<br />
diversen Grabreliefs - und nach Jockey auch weitere Statuetten - im direkten Verfahren gefertigt wurden,<br />
belegt die Statuerre des Herakles das Punkrierverfahren.?" In diesem Zusammenhang sei ein bronzener<br />
Proportionszirkel erwähnt, der im Verlaufe der gleichen Grabung im Süden der Agora der Italiker gefunden<br />
wurde.'" Dem isr hinzuzufügen, daß durch die Statuette der Artemis Kar. Nr. 77 (Taf. 49), die m.<br />
E. diesem Atelier zuzuschreiben ist, noch ein drittes Verfahren nachgewiesen werden kann. Denn diese<br />
ist, wie ich an anderer Stelle bereits dargelegt habe, in einer von dem Punkrierverfahren unabhängigen<br />
Reliefrechnik gefertigt worden, wobei ich diese Technik mit dem Arbeiten nach Modellen erklärt habe.""<br />
Betrachtet man die insgesamt zur Verfügung stehende Nutzflache der beiden Räume, die in Hinblick<br />
auf die Vielzahl der hier gefundenen Stücke gering erscheint· Laden 106 bietet 34 qm und Laden 103<br />
27 qm 924 . , so finder sich noch eine weitere Erklärung, die obige allerdings nicht aufhebt. Denn während<br />
der Bildhauer bei einer Skulptur, die er von allen vier Seiten bearbeitet, sich um diese herum bewegen<br />
muß, damit er alle Derails vor Augen har, kann er eine Skulptur, die er nach seinem Modell nur von der<br />
Vorderseire her in Angriff nimmt, beispielsweise gegen eine Werkstartwand lehnen. Die Reliefrechnik<br />
wäre somit auch als oprimale Nutzung des zur Verfügung stehenden Arbeitsraumes zu verstehen.Y' Die<br />
Staruerre dokumentiert zudem durch den bereits an anderer Stelle beschriebenen arbeitsvereinfachenden<br />
Einsatz der Werkzeuge einerseits und durch die Stückungen andererseits ein sehr rationelles Arbeiten, was<br />
bei der Menge der unfertigen Objekte nicht erstaunt. Interessant ist weiterhin, daß zwei unterschiedliche<br />
Marmorsorten (Taf. 49) verwendet wurden: Der obere Teil der Statuette bis zu dem Knie besteht aus<br />
einem gräulich. weißen Marmor, der untere Teil von den Knien abwärts aus sehr weißem Material. Da<br />
die Verwendung zweier verschiedener Marmore auch an anderen delischen Skulpturen beobachtet werden<br />
kann 92 . , ist diese keineswegs als Reparatur, sondern viel eher als dem Kunstgeschmack entsprechend oder<br />
aber schlichrweg als ein ökonomisches Vorgehen der Werkstatt zu verstehen, bei dem die Bildhauer die<br />
in der Werksrart vielleicht auf Vorrat stehenden Blöcke verarbeiteten, Denn grundsätzlich ist bei einer<br />
solchen Fertigung eine Vorbossierung im Steinbruch nicht möglich.<br />
279<br />
914 In der ersten Kampagne vom 14. Juni bis zum 10. August 1904 konzentrierte sich Bizard auf die Wesrseite und auf die<br />
Nordwest- sowie Südwestecke der Agora der Italiker, wobei er an der SW - Ecke aufdas Bildhaueratelier stieß. In der zweiten<br />
Kampagne vom 14.Juni bis zum 2. September 1905 legte er die Läden vollständig frei; s. zu den Berichten dieser Karnpagnen<br />
M. Holleaux, CRAl 1904,732f.;ders.,CRA1 1905,397.702[( 775f.zu den Läden. Holleaux erwähnt bezüglich<br />
der ArbeitenaufDelos im Jahre 1904 lediglich,daß sich unterden Lädenan der SüdseitederAgorader Italiker ein Atelier<br />
einesMarmorarbeiters befundenhabe,ausdem etwadreißig,größtenteilsunfertigeSkulpturen undeine Grabstele stammten.<br />
Diese Befundewerdenleider nicht dokumenrlert. Vgl. zur Grabungsgeschichte derAgorader Italiker, Lapalus a. o. VIIff.<br />
Lapalus,der 1939 die Agorader Italiker in einem eigenen Band publizierte, beschreibtzwardie Läden,beschränkt sichaber<br />
auf allgemeineAussagen, so daß auchausdieserPublikation keine konkretenInformationen zu gewinnen sind.<br />
915 s.L. Bizard - P. Roussell, BCH 31, 1907,468Nr. 73 Abb. 20 (ebenda 421ff.Veröffentlichung derInschriften, diein derGrabungvon<br />
1904 gefundenwurden).Die Fundortangabe bei L. Bizard und P.Roussel lautet"proviem de l' atelier de sculprure<br />
de I' Agora desItaliens": M.Th. Couilloud, DelosXXX 109f. Nr. 126Abb. 5Taf.30. Couilloud datiertdiese Stele in die 2.<br />
Hälftedes2. jhs. v.Chr.<br />
916 s. die Angabenund Literaturzitate im Katalog. Die Grabstele wurde in dererstenKampagne an der Südwestecke derAgora<br />
gefunden,wobei Picard (s. Literaturangabe im Katalog) alserstereine Verbindungder Stelemit den Lädenan derAgorader<br />
Italiker in Erwägung zog.<br />
917 Relief der Isis Palagia, Delos, Mus. Inv.Nr.A3187. Die H beträgt0,52 m,die B 0,34 m und dieT 0,08m. s. Lapalus a. O.<br />
62:Ph.Jockey in:Asmosia III 90 Abb. 6.<br />
918 s. die Literaturzitate im Katalog. Blümelhattekeine Verbindung des Werkstückes zu diesemAtelierhergestellt, obgleich ihm<br />
die Existenz einesAteliers in derNähe bekannt gewesenseindürfte. Dies beschreibt deutlichdasdamalige Erkennrnisinrercsse,<br />
dasalleinaufdie technischenAspekteausgerichtet war.Vgl. W Deonna, Delcs XVIII 40, derschreibt: .Abandonne dans<br />
unc des boutiques qui bordenr le cote S. de I'Agorades Italiens".<br />
919 Delos, Mus. Inv. Nr.2939:Mareade 1969,177f.Taf. 29. Dieerh. H beträgt 36,5cm.Vgl.zurErwähnung weiterer unfertiger,<br />
allerdings unpublizierter Stücke ausdiesem Bereich Mareade 1969,329 Anm.5: Delos, Mus.Inv, Nr. 5446und 5447.<br />
920 Ph. Jockeyin:Asmosia111 90.<br />
921 Ebenda.<br />
922W Deorma, De!os XVIII213Taf. 71 Nr. 578,<br />
923 s. dasKap.III. 1 "DieVorgehensweise des Bildhauers im Fertigungsprozeß", S. 144fT.<br />
924 Die NutzflächederRäumeistohne die Flächederin die Lädenhineinragenden Nischen - mit dieserFlächewürdender Raum<br />
10639 qm und der Raum10336,3 qm aufweisen - berechnet, da detaillierte Informationen überden ZeitpunktderAnlage<br />
dieserNischen, in denen Stauen aufgestellt waren, in der Publikationvon Lapalus nicht vorhandensind. s. zur relativen<br />
Chronologie der Gebäudereile der Agora der Italiker E. Lapalus, L AgomdesItaliens, DelosXIX (I939) 98ff. Abh.6. Der<br />
Befundfürdie Läden103 und 106 geht ausdemTextnicht klarhervor.denn dieNischen könnten gleichzeitigmirden Läden<br />
odererstzu einem späteren Zeitpunkt errichtet worden sein, dadie Nischen zum Teil spätereEinbautendarstellen, was laue<br />
Lapalus vorallem einige an der Süd-und Ostseite gelegenen Räumebetrifft,s. Lapalus a. O. 49f. Überden Bauder Nische<br />
102 liegt keine Evidenzfür eine Datierungvor. Für die Nische 105 liefertdie Inschriftauf der Statuenbasis (Inv.E 99, ID<br />
2002),s. P. Roussel > M. Launey, Inscriprions de Delos(1937) 199f.Nt. 2002,in der A. und P. Cabiniusgenanntwerden,<br />
einen cerminus ante quem filr deren Einbau.A. Gabinius warwahrscheinlichMilitärrribun in der ArmeeSullasum 85 v.<br />
ehr. und P.Gabinius verweilte zur selbenZeit in Griechenland, s. Lapalus ä, 0., der sichauf]. Harzfeld. BCH 36,1912,<br />
39 beruft.Die Staruenaufstellung erfolgtesomit um 85 v. ehr. Es ist also nicht ausgeschlossen. daßdie Lädenwährendihrer<br />
Nutzungsdauer verkleinert wurden.<br />
925 Vgl.die Überlegungen Rockwells bezüglich derWerkstatr in Aphrodisias, P.Rockwell in: R. R, Smirh_K. T. Erim(Hrsg.),<br />
Aphrodisias Papers 2 (1991)134. 136.<br />
926 Dies hat Ph. Jockeyin einem Vortrag über cl,a technique ccmposite aDelos ä I' epoque hellenistique" aufdem IV:Internationalen<br />
Asmosiako~greß in Bordeaux1995 dargelegt. Bei seinen Ausführungen nahmer vorallem Bezugaufdie Skulpturen,<br />
die ausdem sog. DlOnysosha,us und dem sog. Haus der fünf Statuenstammen. Zum Hausdes Dionysos und derdort gefundenenSkulpturen<br />
s. Mareade 1969,103. 179.233.245.377,380.439: Kreeb 1988,Kat.Nr. 38, Zu der"laMaisendescinq<br />
srarues" und den Skulpturen Inv.Nr. A 4125- 4219: Mareade 1969,110. 113,180ff. 228. 283. 367Taf.29. 34.36. 37.<br />
1
280<br />
Betrachten wir abschließend den Arbeitsplatz, so bietet die zur Verfügung stehende Nutzfläche beider<br />
Räume nur wenigen Personen Arbeitsplatz.'" Da die Läden kein als Wohnraum zu nutzendes Obergeschoß<br />
besaßen, fungierten sie lediglich als Werk- und Verkaufsräume, die angernietet werden konnten.F"<br />
Beide Räume waren durch eine einfache, sehr breite Öffnung der Mauer zur Straße hin geöffnet, wobei<br />
durch die Öffnung nach Süden genügend Licht in die Werkstätten drang. 92 ' Der Boden der Werkstatt war<br />
ein einfacher Boden aus Erde. Die beiden Räume liegen nebeneinander, weisen aber keine direkte Verbindung<br />
auf. Ob in ihnen ein einziges Atelier tätig war, das beide Räume an mietete, wobei die Bildhauer<br />
den einen als Werk- und den anderen als Verkaufsraum hätten nutzen können, oder ob zwei voneinander<br />
unabhängige Ateliers in ihnen arbeiteten und somit jeder Raum sowohl als Werk- als auch Verkaufsraum<br />
anzusehen ist, läßt sich heute mangels eindeutiger Indizien nicht mehr entscheiden.P" Lapalus?" schreibt<br />
über den Laden 103: "On ya rerrouve une grande quantire de marbre travailles, rnais generalment restes<br />
al' etat d' ebauche; un peu au - dessous du niveau des fondations, on a trouve une couche poussiere de<br />
rnarbre haute de 0,10 rn." Dies weist den Laden 103 als Werkplatz aus, in dem sich des weiteren zwei in<br />
den Boden eingelassene Marmorgefaße mit einem oberen Durchmesser von ca. 65 cm befinden. Deren<br />
Funktion ist jedoch nicht eindeutig zu bestimmen, denn sie hätten beispielsweise sowohl für das Schmieden<br />
der Werkzeuge als auch für das Aufbereiten von Ton oder aber vielleicht auch für die Lagerung von<br />
Marrnorsplirr, wie es sowohl in der Marmorbearbeirungsstätte im sog. Porosgebäude als auch im Haus K<br />
im Gewerbevierrel sw der Athener Agora belegt ist, verwendet werden können.?" Über den Laden 106<br />
schreibt Lapalusf". "Ce magasin, degage par M. Bizard en juillet - aout 1904, contenait de rres nombreux<br />
fragmems de sculptures, pour la plupart inachevces, on y a rctrouve noramrncnt un bas-reliefd' Isis Pelagia."<br />
Die Funde unfertiger und fertiger Skulpturen aus diesem Raum deuten zumindest aufdie zweifache<br />
Nutzung als Werk- und Verkaufsraum hin. Äußerst interessant ist zudem die folgende Beobachtung: Das<br />
Relief der Isis Palagia ist bis auf die fehlende Inschrift, wie es der dafür vorbereitete Streifen zeigt, bereits<br />
ferriggestellt worden. In eine der beiden hier gefundenen Grabstelen, Delos, Mus. Inv. Nr. 1298, ist die<br />
Inschrift dagegen bereits eingemeißelt worden. Hier besitzen wir meines Wissens zum ersten Mal aus dem<br />
Werkprozeß heraus den Nachweis, daß die Inschriften auch im Atelier selbsr graviert wurden, was wiederum<br />
für Aussagen über eine potentielle Arbeitsteilung innerhalb des Ateliers von Bedeutung ist.<br />
927 Allgemein zur Größe der Läden, die zwischen 7,91 mx 4,69 mund 7.57 m x 4,18 m schwankt, wobei jeder Raum unterschiedliche<br />
Maßeaufweist: Lapalus a. O. 61.<br />
928 s. Lapalus a. O. 62. Die Bildhauer wohnten an anderer Stelle auf Delos, was vielleicht auch erklären könnte, warum sich die<br />
ein oder andere unfertige Statuette in reinen Privathausern gefunden hat. Eventuell ging der Bildhauer seiner Arbeit gelegentlich<br />
auch zu Hause nach.<br />
929 Die Breite der Durchgänge beträgt jeweils ca. 3 rn, womit diese im Vergleich zu der gesamten Breite der Räume von 4,65 m<br />
fast die ganze Breite der Fronr einnehmen.<br />
930 Vgl. Ph. Jockey in:Asmosia III 89, deranscheinend beide Läden sowohl alsVerkaufs- alsauchalsWerkraum betrachtet.<br />
931 Lapalus a. O. 63.<br />
932 Vgl. zurVerwendung derGefalle: Ph. Jockey in;Asmosia IIl90.<br />
933 Lapalus a. O. 62.<br />
Das Haus des Kerdon<br />
Das Haus des Kerdon, dessen Benennung nach einer dort gefundenen Grabstele erfolgte, liegt am Südende<br />
der östlichen Peribolosstraße.?" A. jarde, der 1903 die Ausgrabungen in diesem Gebiet durchführte,<br />
verdanken wir die ausführliche, bis heute grundlegende, 1905 erschienene Publikation dieses Hauses,<br />
dessen Grundriß aufTaf. 114 abgebildet ist!" Das Vorhandensein von Grabstelen und zahlreicher unfertiger<br />
Werkstücke in diesem Haus veranlaßte schon den Ausgräber zu der Vermutung, daß das Haus des<br />
Kerdon im ganzen oder wenigstens zu einem Teil als Bildhaueratelier genutzt wurde.F" Bei dem Gebäude<br />
handelt es sich um einen Komplex, der aus zwei Häusern besteht, die, wie es die gemeinsame nördliche<br />
Außenmauer belegt, gleichzeirig errichter wurden und jeweils einen eigenen Zugang von der Straße aus<br />
besitzen!'" Ein durch die Räume 6 und 7 führender, wahrscheinlich sekundärer Durchgang verbindet die<br />
beiden Häuser. Der Raum 7 wurde wohl zu einem späteren Zeitpunkt angebaut, wie es die Anlehnung<br />
der Außenmauer dieses Raumes an die des Raumes 6 nahelegt.938 Das Haupthaus betritt man durch den<br />
Eingang d und gelangt über das Vestibül, aufdessen rechter Seite sich der von Jarde''' als Küche gedeutete<br />
Raum 6 befindet, in den Perisrylhofmit vier aufdrei Saulen.P" Aufden Hoföffnen sieh vier Räume, Nr.<br />
2 - 5. 941 Vollkommen isoliert von diesen Räumen liegt in der Südwestecke des Hauses ein kleiner Laden,<br />
der zu der Peribolosstraße hin geöffnet ist!" Den östlichen Teil des Hauses betritt man von der gleichen<br />
934A. jarde, BCH 28, 1904,269f.; A. [arde, BCH 29, 1905,47ff. (maßgeblich sinddie in diesem Artikel detailliert erfolgten<br />
Ausführungen): Ph.Bruneau - J. Ducar, Guide de Delos" (1983) Nr. 83Abb.68 (Grabsrele desKerdon): Kreeb 1988,182ff.<br />
Dieser aufder Grabstele, Delos, Mus. In v,Nr. A 1297 genannte Kerdon muß aber keineswegs der Besitzer des Hauses gewesensein;<br />
zur Grabsteles. M.Th. Couilloud, Delos XXXNr. 348.<br />
935 DerGrundrißstammt ausA.jarde, BCH 29, 1905,Taf.11.<br />
936 jarde zog in Erwägung, daß das Haus sich zu einem, allerdings unbestimmten Zeitpunkt ganz oder teilweise im Besitz eines<br />
Bildhauers befand, worauf unter anderem die unfertigen Skulpturen und die Grabstelen deuten könnten. Er gab aber<br />
gleichzeitig zu bedenken, daß bei der Grabungstätigkeit von 1903 unfertige Skulpturen auch im Norden der Stoa Philipps v.,<br />
nahe der Agora der Kompitalisten und in den Läden der Gruppe 0 gefunden wurden. ohne daß er diese Fundorte jedoch als<br />
Ateliers interpretieren wollte, s. [arde a. O. 53. [arde erwähnte als weitere Argumente die im Vergleich zu anderen delischen<br />
Häusern bescheidene Archlrekrur, die grobe Konsrruktion und die wenig üppige Ausstattung des Hauses, Er vermutete, daß<br />
das Haus zwei Besitzer harte, die sich den westlichen und östlichen Teil des Hauses teilten und daß es sich bei den Bewohnern<br />
des Hauses um wenig begüterte Personen und Handwerker handelte, zumal Anzeichen gewerblicher Tätigkeit, wie die Presse<br />
in Raum 2, reichlich vorhanden sind, s. jarde a. 0.47.<br />
937 R. valleis. J.: archirecrure hellenique et hellenisriqueaDdos I (1944) 211f.Vallais zogaufgrund architektonischer und technischer<br />
Details eine Datierung in das 3, ]h. v. ehr. in Betracht, Das Kerdonhaus ist jedoch sicher in späthellenistische Zeit zu<br />
datieren, wie es die Suchschnitte Bruneaus erwiesen haben, s. Ph. Bruneau, BCH 92, 1968, 641 ff.<br />
938Jardea. O. 44; Kreeb 1988,183.<br />
939 In Raum 6 fand ]arde große Mengen von Kohle, weswegen er in diesem Raum die Küche vermutete, s. jarde a. O. 44.<br />
940 Von den Säulen des mit Schieferplatten gedeckten Hofes steht heute nur noch eine auf einem 0,13 rn hohen Marmorsrylobat<br />
in situ. Die Säulen mit einem Durchmesser von 0,48 m sind aus Tuffgestein und mit Stuck überzogen, s. jarde a. 0. 42. Im<br />
Hoffand ]arde zahlreiche Archlrekturfragmenre wie Pilasterkapitelle aus bläulichem Marmor und kleinere Kapitelle aus Tuff<br />
mit Swckverkleidung, deren genauer Platz im Haus nicht rekonstruiert werden konnte, s. ]arde a. 0, 43.<br />
941 s. decaillierter zu den konstruktiven Details der Räume jarde a. O. 43ff. Der aus Marmorsplinern bestehende Boden im Raum<br />
2 zeigt in der Mitte eine große Aussparung, um die herum der Boden sehr abgenutzt ist. jarde nimmt hier eine 01- oder Gerreidemühle<br />
an,s. jarde a. 0.; Kreeb 1988,182.Vgl.allgemein zu nachträglichen Einbauten und Nutzungdelischer Häuser<br />
beispielsweise Ph. Bruneau - Ph. Fraisse, BCH 105,1981,127ff. DieFunktion der sichin den Räumen 2 und 3 linksneben<br />
dem Eingang befindenden einzementierten Becken ist noch nicht geklärt.<br />
942 Zur Bezeichnung alsLaden s. [arde a. O. 12.17.41; s. Ph. Bruneau, J.: Hot de la comediens, DeIosXXVIl (1970)Kap.5; 131<br />
mit weiterer LiL zu Läden im Theaterviertel.<br />
281
282<br />
Gasse aus wie den westlichen und schreitet durch ein Vestibül in den Hof 8, um den sich die Räume 9,<br />
10 und 11 gruppieren.""<br />
jarde liefert summarische, aber im Bezug auf den Fundort sehr exakte Beschreibungen der beweglichen<br />
Funde, die heute allerdings in ihrer Gesamtheit nicht mehr identifiziert werden können.P'" Aus dem westlichen<br />
Teil des Hauses, dem Haupthaus, stammen nach Aussage des Ausgräbers insgesamt 11 größtenteils<br />
fertig ausgearbeitete Statuetten in unterschiedlichen Erhaltungszuständen und das Fragment eines männlichen<br />
Torsos, der zu einer überlebensgroßen Skulptur gehörte, sowie eine Grabstele: Die Skulpturenfunde<br />
stammen vor allem aus dem Hof des Hauses.?" In dem Raum 5 entdeckte jarde die unvollendete<br />
Statuette der Artemis Kat. Nr. 78 (Taf. 51 a) und die Grabstele des Kerdon. In dem Laden fand sich der<br />
Torso einer männlichen Statuette, über die heute nur noch die Beschreibung von jarde vorliegt.?" Was<br />
den östlichen Hausteil anbelangt, so stammen den Ausführungen jardes zufolge aus Raum 11 neben zwei<br />
Sratuettenfragmenten eine aus weißem Marmor gemeißelte, 31 cm hohe "Statuette a pcine ebauchee"<br />
Kat. Nt. 79 sowie der unfertige Fuß einer überlebensgroßen Skulptur Kat. Nr. 80 (Taf. 51 b).917 Die<br />
Statuette ist bedauerlicherweise nicht abgebildet, und wegen der spärlichen Information ist eine Identifizierung<br />
nicht möglich. In dem Hof 8 stieß [arde auf das Fragment einer weiblichen Statuette, auf eine<br />
kleine Marmorbasis. auf die Grabstele Delos, Inv, Nr, A 1284 sowie auf weitere Fragmente von Stelen,<br />
die weder abgebildet noch beschrieben werden.?" Des weiteren erwähnt er diverse unfertige Möbelteile<br />
in Marmor, zu denen die Tischstützen Kat. Nr, 81 - 83 (Taf. 52) gehören dürften, sowie unfertige Marmorschalen.?'?<br />
Die von jarde geäußerte Deutung als Atelier erscheint mir aufgrund der Grabstelen sowie der zahlreichen<br />
unfertigen Werkstücke, die vor allem im Hofdes östlichen Hauses gefunden wurden, durchaus berechtigt<br />
zu sein und so stimmte bereits Mareade aufgrund dieser Indizien der Interpretation jardes zu."50 Allerdings<br />
wirft der kolossale, aus Raum 11 stammende Fuß, der sowohl wegen seiner Größe von 0,47 m<br />
erhaltener Höhe als auch wegen des sehr frühen Arbeitsstadiums interessant ist, zahlreiche Probleme auf,<br />
da er m. E. nicht der Produktion des Ateliers zuzuordnen ist: Der Fuß ist das einzige unfertige Fragment<br />
einer kolossalen Figur in diesem Haus, wobei lediglich in dem Hof des Haupthauses das Fragment eines<br />
913 Das Niveau des mit Gneisplauen ausgelegten Hofes 8 ist niedriger als das des Ganges. An der östlichen Mauer, auf dem<br />
Plan mir b gekennzeichnet, befinden sich die Reste einer Treppe. die ins Obergeschoß führte, das reicher ausgestattet war<br />
alsdas Erdgeschoß.In dem Hof fand jarde neben den zahlreichenSkulpturenfunden ein wohl ursprünglichaus dem oberen<br />
Geschoß stammendes Mosaik, Tuffblöcke mit roter und weißer Verzierung von den dortigen Zwischenwänden, kannelierte<br />
Halbsäulen, kleine Pilaster mit Akanthuskapitellen lind ein Bruchstück figürlicher Malerei, s. jarde a. O. 45f.; Kreeb 1988,<br />
190f<br />
911 Vgl.Kreeb 1988, 190f<br />
945 ZudenSkulpturenfunden ausdemHof desKerdonhauses: A.jarde, BCH29,1905, 48fT. Nr.3· 13; Kreeb 1988. 184fT. Kat.<br />
Nr. S 16. 1 - S 16. 11. Vgl. dieAngaben zu .HofalsFundort von Plastik" in derTabelle Il, s. Kreeb 1988, 48.<br />
946jarde a. O. 48 Nr. 2; s. Kreeb 1988, 188 Kat. Nr. S 16. 13. Die Statuette, die heute nicht mehr zu identifizieren ist, maß in<br />
derHöhe0,17 m undwaroberhalb derKnie gebrochen. DerKopfunddieArmefehlten.<br />
917 Zumkolossalen Fuß:jarde a. O. 51 Nr. 17; Kreeb 1988, 189 Kat. Nr. S. 16. 15. Kreebübernimmt die Beschreibung lardes,<br />
da er den Fuß nach eigener Aussage nicht identifizieren konnte, vgL hierzu die Angaben im Katalog umer der Nr, 80. Die<br />
Basis mit zwei Füßen und das Flügelfragment sind uns unbekannt. Zu der Basis s. jarde a. O. 51 N r, 18j zu dem Flügelfrag.<br />
rnenr s. jarde a. O. 51 Ne. 19. Kreeb zitiert in beiden Fällen wiederum die Angaben von jarde.<br />
948 jarde a. O. 53 Anm. 4. Vgl. Kreeb 1988, 190 Kat.Nr.S 16. 19. ZurGrabstele s. M. Th. Couilloud, Dolos XXXNr.425.<br />
949[arde a. O. 53 schreibt: .Outre les statues on a trouve, dans la chambre 8, des objets mobiliers en marbre, egalemcnt inacheves:<br />
pieds de rable ronde; conscle sculptee, representam un griffon; cuvetres." Vgl. W. Deonna, Delos XVIII 46.<br />
950 Mareade 1969, 102ff. mit Diskussion der älteren Lit.<br />
männlichen Torsos gefunden wurde, der nach jarde zu einer überlebensgroßen Statue gehörte. Das Fragment<br />
scheint der Beschreibung jardes zufolge allerdings fertig ausgearbeitet gewesen zu sein. Eine Zusammengehörigkeit<br />
beider Stücke zu einer Statue ist nicht nachzuweisen, zumal der Torso nur in der knappen<br />
Beschreibung [ardes zu fassen ist. Wenn in diesem Atelier eine kolossale Statue hergestellt werden sollre,<br />
so hätte diese nur in Einzelteilen gefertigt werden können, wobei die Bearbeitung des Torsos dann im<br />
Gegensatz zu der des Fußes bis auf die Anstückung bereits abgeschlossen worden wäre. Das Fragment<br />
des Fußes zumindest zeigr keinerlei Indiz für eine Anstückung. Die Fertigung einer kolossalen Figur in<br />
dieser Werkstatt ist jedoch grundsätzlich allein schon wegen des zur Verfügung stehenden Arbeitsraumes<br />
als auch wegen der Effizienz des Werkprozesses eher als unwahrscheinlich zu betrachten.F" Vor diesem<br />
Hintergrund möchte ich vielmehr annehmen, daß aus diesem Fuß kleinere Gegenstände wie Statuetten<br />
hergestellt werden sollten.<br />
Couilloud gab bezüglich der Existenz von Grabstelen auf Delos zu bedenken, daß diese entweder aus<br />
einem Werkstattkontext stammen, wobei sie die Deutung dieses Hauses als Atelier nicht anzweifelt, oder<br />
aber als Baumaterial auf die Insel gelangt sein könnten. 952 Letzreres halte ich in Anbetracht der auf Delos<br />
zahlreich vorhandenen .Baumarerialien" für unwahrscheinlich. Grundsätzlich wäre aber gegen eine<br />
Deutung als Atelier einzuwenden, daß die unfertigen Werkstücke, von denen ich die Statuetten allerdings<br />
ausnehmen würde, als Baumaterialien in dieses Haus gelangt sein könnten, was zumindest aufvier sich in<br />
Raum 9 befindliche grob zugerichtete Säulenschäfte zutreffen könnte. Denn jarde schreibt, daß das Haus<br />
des Kerdon mehrere Umbauten erfuhr, wobei deren Datierung aus der Publikation nicht hervorgehr.F"<br />
jarde sagt hierzu nur, daß "Ies derniers remaniements peuvent etre d' epoque tres tardive." Er vermutet<br />
weiterhin, daß die vier Säulenschäfte vielleiehrfür einen Umbau gedacht waren, der noch im Gange war,<br />
als das Haus verlassen wurde.P" Kreeb,der sich zuletzt kurz mit der Deutung des Hauses sowie mit dessen<br />
Ausstatrung auseinandersetzte, kam zu dem Schluß, daß dessen Identifizierung als Werkstatr keineswegs<br />
eindeutig sei. 955 Er möchre die vollständig ausgearbeiteten Skulpruren aus dem Haupthaus eher als Aussrattung<br />
des Hauses verstehen, obwohl er die Möglichkeit nicht ausschließen will, daß sie dort zum Verkaufaufbewahrt<br />
wurden. Die Artemisstatuette Kar. Nr. 78 (Taf. 51 a), die aus dem Raum 5 srammt, wird<br />
allerdings kaum zur Ausstattung zu rechnen sein. Kreeb stellte ferner die Hypothese auf, daß, vorausgesetzt<br />
es handelt sich bei diesem Komplex überhaupt um ein Bildhaueratelier, dieses im östlichen Hausteil<br />
eingerichret war, da die dortigen Funde schwerlich zur Ausstatrung des Hauses gehört haben dürften.<br />
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Interpretation dieses Hauses als Bildhauerwerkstatt aufgrund<br />
des Zusammentreffens oben diskutierter Indizien, so der Grabstelen und der Fundkonzentrarion diverser<br />
unfertiger Marmorobjekte, sehr wahrscheinlich ist. In Nachfolge von Kreeb möchte ich die Werkstatr im<br />
östlichen Teil des Hauses lokalisieren. Die im Erdgeschoß zur Verfügung stehende Nutzfläche beträgt ins-<br />
951 Kolossale Skulpturen wird man allein schon wegen des Transportproblems direkt am Aufstellungsort gefertigt haben. VgL das<br />
Kap. IV: 2 "DerTransport und dieAufstellungderSkulpturen."<br />
952 M. Tb. Couilloud, DelosXXX33 Anm. I. 2.<br />
953 )arde a. O. 45f. Hierauf deuten seinen Ausführungen zufolge der Befund des Brunnens in der Mauer im Vestibül 11. die<br />
nicht erforderliche, extrem breite Türöffnung des Raumes 4, der Mauerverband, der nach jarde an einigen Stellen zwei verschiedene<br />
Phase.nzeigt, sowie.die Konstrukt~on der Außen- und Innenrnauern. Während die Außenrnauern aus regelmäßigen<br />
Stdnen aus Schier aufgebaut rsr, bestehen die Innenmauern aus unregelmäßig großen Steinen verschiedener Materialien wie<br />
Schisr, Granit und Marmor, zwischen die kleinere Steine geschoben wurden. In die östliche Mauer des Ganges, der in den<br />
HofS führt, ist ein B~un~en ein~~baut; zwei überein~nder lie~~nde Brunnenm~dungen mit in unterschiedliche Richtungen<br />
verlaufende Spuren für die Schnüre veranlaßten jarde zu der Außerung, daßdie Brunnen in zwei verschiedenen Zeiträumen<br />
benutzt wurden und daßdas Niveau des Hauses in den beiden Zeiten verändert wurde.<br />
951 jarde a. O. 45f<br />
955 Kreeb 1988, 182ff.<br />
283<br />
da
284<br />
gesamt etwa 117 qm. 956 Des weiteren nehme ich an, daß der ca. 37 qm große Hof8 in Anberracht seiner<br />
Größe und der Fundkonzentration der unfertigen Gegenstände als Arbeirsplarz anzusehen ist. Weitere<br />
Indizien wie Werkzeug oder Marmorsplitt, die die Deurung als Werkstatt beweisen könnten, werden von<br />
jardc zwar nicht erwähnt. Doch könnte der bei der Verarbeitung angefallene Werkabfall für die aus Marmorsplitt<br />
bestehenden Fußböden, die sich in den Räumen 2 und 4 sowie in dem Hof des Haupthauses<br />
um den Brunnen in der Westmauer herum befinden, wiederverwendet worden sein!5 7 Zu bedenken ist<br />
in diesem Zusammenhang ferner, daß der mit Gneisplatten gedeckte Boden des Hofes relativ mühelos<br />
von dem Werkstattabfall gereinigt werden konnte, so daß Marmorabschläge und -spliu nicht unbedingt<br />
zu erwarten sind.<br />
Die Werkstatt war in ihrer Produktion von Statuetten, Statuen, Möbelreilen, Grabstelen und Marmorschalen<br />
äußerst vielseitig, was aufgrund des oben beschriebenen Befundes aus den Läden an der Agora<br />
der Italiker nicht mehr zu überraschen vermag. Des weiteren ist festzustellen, daß auch in diesem Atelier<br />
zwei unterschiedliche Fertigungstechniken angewendet wurden: Denn während die Sraruerre der Artemis<br />
Kat. Nr. 78 (Taf 51 a) in der Relieftechnik, also zunächst nur von der Vorderseite aus, gemeißelt wurde,<br />
sind die Tischstützen Kat. Nr. 81 - 83 (Taf. 52) in der Blockrechnik, also gleichmäßig von allen Seiten,<br />
gefertigt worden.P"<br />
Das Haus des Diadumenos<br />
Die Funktion des Diadumenoshauses, das nach der dort gefundenen Replik der polykletischen Statue<br />
benannt ist und im Skardhanaviertel südlich der bereits angesprochenen Insula des Komödiantenhauses<br />
liegt (Taf. 112), konnte bis heute nicht eindeurig geklärt werden."? Das mit seinen circa 400 qm außerordentlich<br />
große Peristylhofhaus'ö" (Taf. 115) wurde vor allem durch die hier zahlreich gefundenen<br />
Marmorskulpturen bekannt, zu denen so bedeurende Werke wie die Replik des Diadumenos und der<br />
sog. Pscudoarhler gehören. Aufgrund der Größe des Hauses neigt die archäologische Forschung derzeit<br />
dazu, es eher als öffentliches denn als privates Gebäude zu interpretieren. Chamonard, Bruneau und<br />
Ducat sprachen es als Versammlungsort einer Vereinigung an. 961 Kreeb, der zuletzt zusammenfassend die<br />
Funktion des Hauses diskutierte, ohne allerdings eine vollständige Analyse der in dem Haus gefundenen<br />
Skulpturen vorzulegen, schließt sich der Deurung als "privates oder halböffentliches" Gebäude an und<br />
scheint die Deutung als Versammlungsort zu akzeprieren.P'" Allerdings ist die von Kreeb - angeblich wegen<br />
mangelnder Hinweise aufden Besitzer - am Ende seiner Ausführungen gestellte Frage: "Oder gehörte<br />
das Diadumenoshaus doch einem einzelnen, reichen Privatmann?" bezeichnend für die Diskussion, die<br />
bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis gelangte. 963<br />
Eine gänzlich andere Meinung, die dann von Mareade und Jockey in modifizierter Form wiederaufgenommen<br />
wurde, vertrat L. Couve, der 1894 dieses Haus freilegte: Couve deutete es erstmals in seinem<br />
Grabungsbericht und erneut in einem drei Jahre später erschienenen Aufsatz über den sog. Pseudoathleten<br />
als Atelier eines Bildhauers.i?' Er erwähnt die reiche Ausstattung des Hauses, die darin gefundenen<br />
zahlreichen Kunstwerke und Architekturfragmente und schreibt: .Plusieurs de ces fragments etaienr inacheves.<br />
blocs de marbre ou de pierre apeine tailles ou simplement degrossis; entre beaucoup d' autres,<br />
nous avons note un petir rorse, marrele dans le haut, inacheve ala parric inferieure, comme si I' artiste,<br />
mecontent son oeuvre avant de I' avoir finie, I' avair volontairerncnr rnutilee, ct un bas-relief, sculpte dans<br />
une base cylindrique, mais apeine comrnence, representanr deux femmes qui dansent.... Cer amas bizzarre<br />
de moreeaux incornplets, dissemirres dans les differentes parties de ]' edifice, nous avait fait penser<br />
que nous pouvions etre en presence d' un vaste atelicr de sculpture,"965 Die von Couve erwähnten diversen<br />
Architekturfragmente weist Chamonard, ohne allerdings Bezug aufderen angebliche Unfertigkeit zu<br />
nehmen, dem Peristyl zu, dessen Vorhandensein Couve für nicht bewiesen hielt. 966 Während die sich im<br />
Hofdes Diadumenoshauses befindliche Marmortrommel mit der Darstellung tanzender Frauen Kat. Nr.<br />
84 (Taf. 54 a. b) keinen Zweifel an der Unfenigkeit der Ausführung läßt, so trifft dies allerdings auf den<br />
von Couve angesprochenen Torso, bei dem es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um die Herme Delos,<br />
Mus. Inv. Nr. A 4161 handelt, keineswegs ZU. 967 Denn diese ist nachträglich beschädigt worden. Nun<br />
befinden sich unter den in diesem Haus gefundenen Skulpturen zwei weitere sichtlich unfertige Werke,<br />
die Couve anscheinend nicht als unvollendet erkannte: Es handelt sich bei diesen um den Pseudoathleren<br />
Kat. Nr. 86 (Taf. 53 b. c. d) und den männlichen Porträtkopf Kar. Nr, 85 (Taf 53 a),968 Letzterer schien<br />
bereits Mareade die These der Marmorverarbeitung zu bekräftigen; in Hinblick aufdie Marmortrommel<br />
und den Porträtkopf nahm er gleichfalls an, daß ein Bildhauer in diesem Haus tätig war, zog allerdings<br />
in Erwägung, daß dieser die Werke im Haus des Auftraggebers ausführte. 969 Jockey nimmt die These von<br />
Marcade auf und betrachtet die hier gefundenen Skulpturen - wobei er lediglich den Diadumenos und<br />
die unfertigen Werke, so den Pseudoathleten, den Porträtkopfund die Marmortrommel anführt - als Auftragsarbeit<br />
der Hausbesirzer, zu deren Ausführung wahrscheinlich mehrere Bildhauer ihren Arbeitsplatz<br />
kurzfriStig in diesem Haus einrichteten. Eine vollständige Diskussion dieser These legt er jedoch nicht<br />
vor. So bleibt beispielsweise unklar, wie Jockey die in dem Haus gefundenen fertigen Skulpturen, so den<br />
Diadumenos des Polyklet, die Artemissrarue und vier weitere Funde von diversen männlichen undweiblicben<br />
Porträtköpfen erklärt. Denn m. E. interpretierte Couve sie plausibel als Auftragswerke, die aufgrund<br />
285<br />
956 Die Maße sind dem von [erde publizierten Grundrißplan aufTaf. 114 entnommen. Da die Räume nur annähernd einen<br />
quadratischen Grundriß besitzen. handelt es sich hierbei nicht um exakteMaßangaben. Die Größenverhälrnisse sind die<br />
folgenden: ÖstlichesHaus:Raum II ca.25 qm: Raum 9 ca.30 qm: Raum10ca.25 qm, Hofca.37 qm. Haupthaus. Raum<br />
2 und 3 jeweils ca. 23 qm: RaumNr. 4 ca.26 qm: Raum 5 ca. 13qm, der Laden Nr. I ca. 12 qm.<br />
957 ZurKompositionder Bodenmosaike in den delischenHäusern,bei der dasvon mehrerenornamentalen Bänderngerahmte<br />
Mittelemblem von einem breitenStreifenMarmorsplinerboden umgeben ist: Kreeb 1988, 51. Zu den mit Marmorsplim:rn<br />
gedeckren Böden: Kreeb 1988, 54 Anm. 179 mirweit. Lit.; 80 Anrn.291; s. auchPh. Bruneau, Les mosaiqucs, DeJosXXIX<br />
(1972)Nr. 139-141: ders.,BCH 99,1975, 306ff<br />
95B s. zu den beidenTechnikendas Kap.III. 1 "Die Vorgehensweise des Bildhauers im Fertigungsprozeß".<br />
959 L. Couve,BCH 19, 1895, 509ff.:F.Hauser, ÖJh 9.1906, 282ff; J. Chamonard, LeQuartierdn thearre, DelosVJIl (J922<br />
- 24)426ff: Ph. Bruneau, J. Ducat,Guidede Delos' (1983)Nr. 61:s. zuletztzur DeutungdesHausesund zu denSkulpturenfnnden:<br />
Kreeb1988. I 55ff.Kar.Nr. 7.<br />
960 Chamonard a. O. 426: Kreeb 1988, 15Anm.75,<br />
9G1 Charnonard a. O. 426fT.; Bruneau - Ducar a. O. Ne. 61.<br />
962 Kreeb 1988. 155ff.Kreebfuße die bisherzudiesemThemavorgetragenen Meinungen zusammen. legtaber, wie esdie folgenden<br />
AusRihrungen zeigen werden,keinevollständige Diskussion der Befundevor.<br />
963 Kreeb1988, 157.<br />
964 L. Couvc,BCH 19, 1895,515f. vgl. 510f.513;L. Couve,RA32, 1898, 14f.<br />
965 L. Couve,RA32, 1898, 14f.<br />
966L.Couve,BCH 19, 1895,512;Chamonarda. 0.427.<br />
967 Znr Herme:Mareade 1969,Taf.21; Kreeb 1988,Kat. Nr. S 7. 8.<br />
968 s. die Angaben im Katalog unrerden Nr. 85 und 86.<br />
969 Marcade1969, 104:s. auchKreeb1988,156,derdicsesArgumenraufnimmt.<br />
ce
286<br />
der Katastrophe noch nicht ausgeliefert wurden.F" Da der Diadumenos, die Arremissratue sowie der<br />
Pscudoarhler in dem Raum e gefunden wurden, der mit einer Ausdehnung von 15,07 mx 7,17 m extrem<br />
groß und als einziger Raum mit Wanddekoration versehen war, sah Couve in diesem Raum "une sorte de<br />
musee, pour des expositions permanentes d' oeuvres d' art", womit er sich allerdings zu bloßen Spekulationen<br />
hinreißen ließ.971 Mareade gab zu bedenken, daß mit einer Verlagerung der Kunstwerke, gerade<br />
vor dem Einfall der Piraten, zu rechnen ist, so daß der Diadumenos und der Pseudoathler von der Agora<br />
der Italiker oder der Seepalästra stammen könnten. Allerdings räumte er ein, daß es zumindest im Fall der<br />
unfertigen, äußerst schweren Rundbasis sehr unwahrscheinlich ist, daß man diese an einen sicheren Ort<br />
hätte bringen wollen!" Mareade vernachlässigte hierbei jedoch, daß es sich auch bei dem Pseudoathleten<br />
um ein unfertiges Werk handelt. Anzumerken ist zudem generell, daß der Transport des 1,86 m großen<br />
Diadumenos und des 2,25 m hohen Pseudoathleten mit ungleich mehr Aufwand verbunden gewesen<br />
wäre als die Beförderung der Trommel.973 Als weirere Indizien für seine Werkstatt - These fUhrte Couve<br />
das Fehlen jeglicher Wanddekoration in dem Haus an, ausgenommen diejenige des Raumes e; sodann die<br />
Zisternen im Hofdes Hauses, die den Wasserbedarfeiner Werkstatt decken könnten, und das in Raum b<br />
befindliche mit Kalk gefüllte Loch von 0,75 m Tiefe, 2 m Länge und einer Breite von 0,25 m, das er mit<br />
der Abformung der Statuen in Verbindung brachte.?" Kreeb räumte bei letzterem Argument zu Recht<br />
ein, daß das mit Kalk gefüllte Loch in Zusammenhang mit der Erneuerung der Wanddekoration stehen<br />
könnte, da die Wände mit grobem Stuck bedeckt waren.?" Als weiteres Argument gegen die Deutung als<br />
Atelier führte Kreeb an, daß der Grundriß und die Einrichtungen dieses Gebäudes denen eines üblichen<br />
Hauses erusprechen.?" Dies hat überhaupt keine Beweiskraft, denn wie die vorangegangenen Kapitel<br />
gezeigt haben, sind weder Bauryp noch Grundriß eines Gebäudes geeignete Kriterien, um eine Werkstatt<br />
zu identifizieren, zumal fest installierte Werkstatteinrichtungen für den Fertigungsprozeß von Steinskulpturen<br />
nicht erforderlich sind.'77<br />
Fassen wir nach gründlichem Abwägen der Argumente für und wider einer Interpretation als Bildhaueratelier<br />
zusammen, so sind die drei unfertigen Werke - die Marmortrommel (Taf. 54 a. b), der Porträtkopf<br />
(Taf. 53 a) und der Pseudoarhlet (Taf. 53 b. c. d) - sowie die zahlreichen Fertigprodukte m. E. als sichere<br />
Hinweise auf hier tätige Bildhauer zu werten. Werkzeug oder Marmorabschläge als Zeugnis des Werkprozesses,<br />
die die Interpretation als Werkstatt bekräftigen könnten, werden von dem Ausgräber nicht<br />
erwähnt, wobei es zumindesr bezüglich des Arbeitsgerätes sehr wahrscheinlich ist, daß die Bildhauer ihr<br />
Werkzeug beim Verlassen dieser Stätte mitnahmen. Nichr ganz cindeurig ist die Entscheidung, ob das<br />
Haus nur temporär als Werkstatt von Bildhauern genutzt wurde, die nicht die Besitzer des Hauses waren,<br />
oder ob es sich generell um eine geräumige Bildhauerwerkstatt gehandelt hat, Die erste Möglichkeit hängt<br />
m. E. von der Interpretation des Hauses als öffentliches oder privates Gebäude ab: Denn die Vorstellung,<br />
daß ein Klient ein Privathaus. in dem er selbst wohnte, freiwillig für einen Zeitraum von mindestens zwei<br />
Jahren 97 ' , der für die Fertigung der Objekte - vorausgesetzt es waren mehrere Personen hier tätig - zu veranschlagen<br />
ist, in eine Baustelle verwandelte, in der ein ständiges Ein- und Ausgehen stattfand, erscheint<br />
allzu befremdlich. Man denke nur an den bei der Bearbeitung entstehenden Lärrn sowie die umherfliegenden<br />
Marmorsplitter und den Marmorstaub. Handelte es sich dagegen um ein öffentliches Gebäude<br />
ohne Wohnfunktion, so wäre die Deutung als temporäre Werkstätte zu erwägen, da auch die Größe der<br />
Skulpturen die Fertigung vor Ort nahelegen könnte.<br />
Die einfachste und meines Erachtens plausibelste Erklärung ist jedoch die Interpretation als permanenre<br />
Bildhauerwerkstatt, denn wie es die vorangegangenen AusfUhrungen gezeigt haben, sind genügend<br />
Hinweise auf die Besitzer vorhanden, Ein stichhaltiges Argument dagegen existiert bei dem derzeitigen<br />
Forschungsstand keineswegs, und auch der architektonische Befund steht dieser Deutung nicht entgegen,<br />
wobei die an der Straße liegenden Läden (Taf. 115) vielleicht als Ausstellungs- und Verkaufsräume m. E.<br />
sogar eher dafür sprächen. Über die Funktionen der einzelnen Räume, von denen sich nur wenige um<br />
den Hofgruppieren, sind allerdings nur Spekulationen möglich. An dieser Stelle sei lediglich angemerkt,<br />
daß sich der Raum e, in dem die meisten Skulpturen gefunden wurden, als Werkplatz anbieten würde,<br />
auch wenn er als einziger Raum eine Wanddekoration aufweist. Dieser Raum bot mit einer Fläche von<br />
108 qm in großzügiger Weise den fUr den Fertigungsprozeß der Skulpturen norwendigen Arbeitsraum, in<br />
dem die Modelle durch geeignete Punktierverfahren aufdie Marmorskulpturen hätten übertragen werden<br />
können, Eine Vorstellung von dem Aussehen des Werkraumes, in dem unter anderem der Diadumenos<br />
und der Pseudoarhlet gefertigt wurden, vermittelt ein Blick in die Werkstatt Canovas (Taf. 101), in der<br />
die Skulpturen für das Grabmal Clemens XIV. gemeißelt wurden.<br />
Auch die Größe der Anlage steht in keinem Widerspruch zu dem sozialen und wirtschaftlichen Status<br />
eines Bildhauers, zumal die Produktion nach Ausweis der Skulpturen von hohem künstlerischem Wert<br />
war und es sich bei den Auftraggebern zweifelsohne um reiche Klienten handelte. Vielleicht waren in<br />
diesem Haus sogar mehrere Bildhauer für diverse Auftraggeber tätig, was aufgrund der literarischen und<br />
epigraphischen Überlieferung über die Zusammenarbeit von Künstlern m. E. mit Recht vermutet werden<br />
darf.979 Dieses Atelier hätte die Bedürfnisse von Klienten, die ihre Häuser luxuriös ausstatten woll ren,<br />
befriedigen können.<br />
287<br />
970 L. Couve. BCH 19, 1895,515f.;F.Hauser, ÖJh 9, 1906,282ff. brachtebezüglich der im Anschluß zu behandelnden These<br />
Couves, der den Raum e als Ausstellungsraum ansprach, den Einwand vor, daß realistische Porträts nicht aufVorrat gefertigt<br />
und dann ausgestellt wurden, wobei er die mögliche Erklärung, daß es sich um Aufcragswerke handelt. die wegen der Katastrophenoch<br />
nicht ausgeliefert wurden,vollkommenvernachlässigte. Kreebschloß sich diesem Einwandan und nahm das<br />
Argument von Hauserunkritisch als Kriterium gegendie Deutungals Werkstatt, s. Kreeb 1988, 156.<br />
971 L. Couve, BCH 19, 1895,516.<br />
972 Mareade 1969,103.<br />
973 s.auchdasKap. IV.2. "DetTransport und dieAufstellung der Skulpturen.", S.225ff.Vgl.S.228. 236f.<br />
974 Couve a. O. 516Taf. 4.<br />
975 Kreeb 1988,157.<br />
976 Kreeb 1988, 156. Kreebs Argumentation gegendie DeutungalsAtelierist insgesamt nichtüberzeugend, wie dievorangegengenenAusführungen<br />
gezeigthaben.<br />
977 s. auchdas Kap. IV.3. 1 .Zur Identifizierung einesWerkstattbaus."<br />
978 Vgl. dieArbeitsdauer für die Ferti~un~ der St~tuen, di~ dasGrabmal. Clemen.s XI\Zschmücktenundmit dem Punkrierverfahren<br />
hergestellt ~rden, S. 178. Purdie Ausführun~ el~er ~tatu~ mit dem direktenVerfahren benötigteMichelangele wegen<br />
der Beschaffenheit des Marmors und der Vielansichtigkelt seiner Skulpturen zumindest sechs Monate ununterbrochener<br />
Arbeit, s. La ~cul~ture 1~7; Seewart v~rans.chlag[ grob fü: die.Fer~igung ei~~r l?bensgroßen Skulptur, angefangen mit der<br />
Sreinbruchrängkelt, ca. em Jahr. ;rvobct e.r SIch wo~1 a~f die ~rele Bildhauerei bezieht, s. A. Srewart, GreekSculprure (1990)<br />
63; vgl. Blümel, der versuchte, d.l~ Arbeitsdauer für die..Ferngungvon Plastiken anhandklassischer Lohnabrechnungen 'Zu<br />
ermitteln:Blümell927, 13ff.; Blumell943, 70f.;C. Blume!, FuB 10, 1968,95ff.<br />
979 V.C. Gocdlett, Collaboration in Greek Sculptute. Tbe Lireraryand EpigraphicalEvidence (1989).
288<br />
Laden BG nördlich der Insula des Komödiantenhauses<br />
Südlich der Skardhanabucht befindet sich das sog. Quartier Nord, in dem während der von der französischen<br />
Schule in den Jahren 1961 bis 1964 durchgeführten Ausgrabungen die Insula des Komödiantenhauses<br />
sowie sich nördlich anschließende, bescheidenere Konstruktionen (Taf 112; 116) aufgedeckt wurden.?"<br />
Interessante Anhaltspunkte für die Identifizierung einer Marmorbearbeitungsstätte bietet jedoch<br />
weniger die nachweislich im letzten Viertel des 2. Jhs. v. Chr. erbaute Insula des Komödiantenhauses, die<br />
das Haus der Tritonen im Osten, das Haus mit den Giebeln im Westen und das Komödiantenhaus umfaßt,<br />
als die Gebäudereste im Norden.?" Bei diesen Gebäuderesten handelt es sich um eine Ansammlung<br />
diverser Räume, die von der Insula des Komödiantenhauses durch die Gasse BA (Taf. 116) getrennt sind<br />
und nach dem jetzigen Stand der Forschung zwei größeren Komplexen zugeordnet werden. Diese sind in<br />
ihrer nördlichen Ausdehnung allerdings noch unerforseht und scheinen durch den Gang BH, der so zu<br />
noch unausgegrabenen Konstruktionen im Norden führt, voneinander getrennt zu sein.<br />
Der östliche Komplex (Taf. 116) wird von der Gasse aus durch den Raum BL betreten, der auf den Hof<br />
BK führt, um den sich die Räume BI, BJ, BL, BM, BN, BO und wahrscheinlich zwei weitere noch nicht<br />
ergrabene im Norden gruppieren. Der Raum BO wiederum bietet Zugang zu dem Raum BP.<br />
Der sich westlich anschließende Komplex (Taf 116) besteht aus insgesamt sechs Räumen, wobei sich<br />
die Räume BC, BD und BE um den HofBB gruppieren. Die weiter nördlich sich anschließenden Räume<br />
sind noch nicht ausgegraben, so daß die Tür von Raum BD in einen noch unerforschten weiteren<br />
Raum führt. Der Raum BF, dessen Rückwand gleichzeitig die Nordwand von Raum BE darstellt, weist<br />
keine Verbindung zu diesen Räumen auf und ist nur nach Norden hin geöffnet. Der Raum BG ist von<br />
den übrigen Konstruktionen unabhängig und nur von der Gasse BA aus zugänglich. In diesem Raum<br />
entdeckten die Ausgräber im Laufe der Kampagne von 1964 zahlreiche Skulpturenfragmente aus Marmor<br />
und diverse Bronzestückehen. Nach den Ausführungen der Ausgräber scheint es gesichert, daß in<br />
diesem Raum Marmor bearbeitet wurde, da .Le nornbre des fragmenrs de sculpture, dont certains sont<br />
inacheves, ]' abandonce des debris de marbre et des morceaux de bronze, enfin la disposition des lieux<br />
(une grande piece independanre ouvrant sur la rue) incirent a y reconnaitre un atelier de sculpteur,"?"<br />
Während die Skulpturenfragmente vollständig in der Gesamtpublikation beschrieben und abgebilder<br />
werden, ist über die anderen Objekte in dem sonst hervorragenden Katalog der Funde bedauerlicherweise<br />
keine weitere Notiz vorhanden.?" Genauere Angaben zur Lagerung oder Form des Marmorabfalls sind<br />
weder der Gesamtpublikation noch den Grabungsberichren zu entnehmen. Donnay listet insgesamt 35<br />
Skulpturenfragmenre auf, bei denen es sich größtenteils um Hand- und Gewandfragmente von kleineren<br />
Statuen sowie Statuetten handelt.P"Während einige von diesen Stücken bereits sorgsam poliert wurden,<br />
zeigen etliche Fragmente erst eine summarische Bearbeitung, wobei zahlreiche Fragmente noch deutlich<br />
980 Ph. Bruneau u. a., L' ilor de Ja maison des comedlens, Delos XXVII (1970). Zu den nördlichen Konstruktionen ebenda 9f.<br />
Kap. BI. Les consrructions du Nord; Ph, Bruneau -]. Ducar, Guide de Delos' (1983) Nr. 59 b.<br />
9Bl s. zur Geschichte und Datierung der Insula des Komödiantenhauses Ph. Bruneau u. a., L' Hot de la maison des comediens,<br />
Delos XXVII (l970) 421f( Zur Datierung der nördlichen Konstruktionen sind der Grabungspublikation keine konkreteren<br />
Angaben zu entnehmen.<br />
982 Ebenda 207.<br />
983 Zu den Skulpturen s. G. Donnay - E. Levy in: Bruneau a. O. 197ff. Kap.VIII. La sculprure. Zu den Funden aus Raum BG<br />
ebenda 203fT.<br />
984 Ebenda 203ff. Nr. A 20 _A 54; Bei dem Material handelt es sich um weißen feinkörnigen Marmor, dessen Herkunft nicht<br />
untersucht wurde. Deshalb verzichtet Donnay in der Publikation auf diesbezügliche Mutmaßungen, s. ebenda 197 Anm. 1.<br />
die Spuren der Raspelarbeit dokumentieren. Hervormheben ist aus diesen Fundstücken die unfertige r.<br />
Hand mit dem Ansatz des Unterarmes Kat. Nr. 87, der angestückt werden sollte."><br />
Wohl in Zusammenhang mit dem hier tätigen Atelier wird der unfertige Arm Kat. Nr, 88, der aus dem<br />
Raum C des Komödiantenhauses stammt, zu sehen sein.?" Auch dieser Arm sollte, wie es die mit dem<br />
Zahneisen geglättete AnsatzRäche zeigt, angestückt werden. Daß man in diesem Raum allerdings keine<br />
großformatigen Skulpturen hergestellt hat oder herzustellen beabsichtigte, zeigt m. E. der Niveauunterschied<br />
zwischen Schwelle und Boden des Raumes, der einen Transport größerer Werkstücke erschwert<br />
hätte. Denn die Türschwelle befindet sich circa einen Meter über dem Bodenniveau des Raumes, und die<br />
beiden hinter der Schwelle im Raum liegenden Marmorblöcke wurden aus diesem Grunde wahrscheinlich<br />
als Treppe genutzt. Der zur Verfügung stehende Arbeitsplatz in diesem Raum betrug lediglich ca. 18<br />
qm, so daß nur wenige Personen hier tätig gewesen sein können. Allerdings ist bei dem jetzigen Stand<br />
der Forschung bedauerlicherweise keine Aussage möglich, inwieweit die Aktivität der Bildhauer vielleicht<br />
auch in anderen Räumen des östlichen Komplexes zu belegen ist und über welchen Zeitraum hinweg<br />
diese tätig waren. Diese Fragen werden erst die zukünftigen Forschungen beantworten können.<br />
Die vorangegangenen Ausführungen haben von der Vielzahl der einstmals auf Delos tätigen Bildhauerwerkstätten<br />
einen repräsentativen Querschnitt sowohl der genutzten Architektur als auch der diversen<br />
produktionen vorgeführt. Eine werkstattspezifische Architektur ist in dem untersuchten Zeitraum ebenso<br />
wenig wie in der klassischen Zeit zu belegen. Die Bildhauer arbeiteten beispielsweise in Wohnhäusern<br />
oder einfachen Läden, wobei lediglich in dem Laden 103 an der Südostecke der Agora der Italiker mit den<br />
beiden in den Boden eingelassenen Marmorgefaßen fest installierte Einrichtungen zu beobachten waren.<br />
Eine funktionale Gliederung der Räumlichkeiten vor allem in Hinblick auf das in dem untersuchten<br />
Zeitraum angewandte Punktierverfahren (s. beispielsweise Kat. N r. 69, 72, 76, 80, 102, 106), das eine<br />
komplizierte, an anderer Stelle ausführlich beschriebene Modellherstellung sowie deren Übertragung mittels<br />
geeigneter Hilfskonstruktionen oder Zirkel aufden Block bzw. die vorbossierte Skulptur erforderte,<br />
ist nicht nachzuweisen. Die Ateliers in den Läden 103 und 106, in dem Laden BG und im sog. Haus<br />
des Kerdon erfüllten, wie es die Vielfalt der gefertigten Objekte zeigt, die verschiedensten Käuferwünsche<br />
der aus vielen Städten d~r. hellenistische~ un~ italischen Welt zusammengekommenen Bevölkerung<br />
von Delos, wobei die Quantität der Produktion emen erheblichen Einfluß auf die ebenfalls weiter oben<br />
behandelte technische Vorgehensweise bei der Herstellung der Objekte hatte. Bei diesen Ateliers wird es<br />
sich wohl um die Werkstätten der "artisans - marchands", wie es Mareade treffend formulierte, gehandelt<br />
h aben. 987 Das in dem Haus des Diadumenos tätige Atelier hingegen, in dem bedeutende eklektische bzw,<br />
klassizistische Statuen gefertigt wurden, befriedigte die gehobenen Ansprüche reicher Klienten, und so<br />
könnte man hier vielleicht eher das Atelier einer namhaften Künstlergemeinschaft vermuten, ohne sich<br />
an dieser Stelle jedoch zu weiteren Spekulationen hinreißen zu lassen. 9 ' 8<br />
Erstaunlich ist ~ie groß~ Anzahl.der gefertigten Objekte in Bezug zu dem relativ kleinen zur Verfügung<br />
stehenden Arbeitsraum ~n den Laden 103 und I ~6 an der Agora der Italiker. Dieser Befund sollte generell<br />
zur Vorsicht mahnen bei Versuchen, von der Große einer Werkstatt aufderen Produktivität zu schließen.<br />
Ebenso sollte die Feststell~ng, daß in ein und den.'selben Atelier unterschiedliche Fertigungstechniken<br />
Anwendung fanden, vor erner allzu raschen Gruppierung oder Zuschreibung von Werken aufgrund der<br />
Ausführung und technischer Eigentümlichkeiten warnen.<br />
98; Ebenso angestückt werden sollte eine weitere Hand, s. ebenda Kat.Nr. A 23.<br />
986 Ebenda 197.<br />
987 Marcade 1969, 104.<br />
988 Vgl. Mareade 1969, 104; s. auch Mareade1969, 55fT. Kap. 1 Lossculpteursatteste.<br />
289<br />
'}
\Z Schlußbetrachtungen<br />
Unmittelbare Zeugnisse für die Herstellungsverfahren der griechischen Skulpturen sind die Werkstücke<br />
selbst, die mangels anderer aussagekräftiger Quellengattungen einen besonderen Stellenwert in dieser Untersuchung<br />
einnahmen. Anhand der unvollendeten Plastiken aus den verschiedenen Epochen ist es möglich,<br />
eine Entwicklung der technischen Verfahrensweisen zu beschreiben, aus den Produktionsverfahren<br />
wiederum Arbeitsteilungen zu rekonstruieren und aufdiesem Wege die Zusammenarbeit von Bildhauern<br />
zu beleuchten und zu konkretisieren. Deren gemeinsames KunstschafTen ist zwar in jeder griechischen<br />
Epoche aus literarischen und epigraphischen Quellen hinlänglich bekannt"", jedoch ist nicht überliefert,<br />
wie diese Teamarbeit, die sowohl permanenter als auch temporärer Art sein konnte, sich konkret gestaltete.<br />
Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung des Fertigungsprozesses unter technischen und handwerklichen<br />
Aspekten ist zunächst, daß die bisher in der Forschung geschilderte Darstellung des technischen<br />
Fortschrittes 990 in der griechischen Bildhauerei zu modifizieren ist. Grundsätzlich sollte die Datierung<br />
von Plastik anhand technischer Details mit äußerster Vorsicht vorgenommen werden. Hinsichtlich der<br />
Entwicklung der technischen Vorgehensweise unterscheidet die archäologische Forschung gewöhnlich<br />
die folgenden drei Phasen?": In der archaischen Zeit hätte der Bildhauer mit Hilfe eines Rasters seine<br />
Figuren gleichmäßig von allen vier.Seiten aus dem Block herau~gel~st; seit der frühklassischen Zeit hätte<br />
er aufgrund der sich aus der FertIgung ergebenden ~otwendlgkelt Modelle erstellt. Im 2. Jh. v. Chr.<br />
schließlich hätten die Künsrler wegen des stark angestiegenen Bedarfes an Plastiken neue Produktionsmethoden<br />
entwickelt. Diese spiegelten sich an den unfertigen Skulpturen selbst in den verschiedenen<br />
nebeneinanderstehenden Fertigungsstadien sowie in den Werkzeichen in Form von Puntelli wider. In<br />
den vorangegangenen Ausführungen dürfte nun aber deurlich dargelegt worden sein, daß allein schon<br />
die Fertigung archaischer Skulpturen bei weitem differenzierter verlief als es gemeinhin angenommen<br />
wird, wie es beispielsweise die Berechnungen zum Arbeitsaufwand bei der Produktion kolossaler Skulpruren<br />
gezeigt haben. Auch war seit dieser Zeit das technische Know-how in seinen Grundzügen bekannt<br />
und die plastiken weisen unterschiedliche, unmittelbar nebeneinanderliegende Arbeitsstadien auf. Das<br />
technische Wissen, Anstückungen vorzunehmen, ein einfaches Punktierverfahren anzuwenden oder nach<br />
Modellvorlagen zu arbeiten, besaß bereits der archaische Bildhauer und wandte es im Fertigungsprozeß<br />
der Skulpturen an. Entsprechend der jeweiligen Erfordernisse integrierten die Bildhauer diese Kenntnisse<br />
in das Produktionsverfahren, um auf diese Weise eine Aufsplitterung der Arbeitsschritte und somit die<br />
gleichzeitige Beschäftigung mehrerer Personen an einem Werkstück zu erreichen. Im 2. jh. v. Chr. fand<br />
fol lieh weniger eine Entwicklung neuer Methoden, als vielmehr die stärkere Anwendung und Weiterentwi~klung<br />
bereits etablie:ter .Fertigungsvorgän~estatt. Eine For~entwicklung des technischen Know-hows<br />
ist vor allem in Abhängigkeit zu der quantitativen und qualitativen Nachfrage nach den Kunstprodukten<br />
ZU betrachten, denn die eigentliche Antriebskraft für technische Neuerungen stellte stets der Bedarf dar.<br />
Dies vermag besonders die skizzierte Entwicklung des Meßverfahrens vom anfänglichen Loten über das<br />
989 V.C. Goodlett,Collaboration inGreek Sculprure. The Lirerary end Epigraphlcal Evidence (I 989h vgl.zurZusammenarbeit<br />
zweier Künstler F.Brornmer, Md! 3, 1950, 85[[<br />
990 s. allgemein zum Problem des technischen Fortschritts in der griechischen - römischen Antike G. Zimmer, Griechische<br />
Bronzegußwerkstätten (1990) 176ff.<br />
991 Blümel1927; Blümel1943;Adam 1966; Palagia 1987; pfanner 1989.
292<br />
Stichmaßpunktieren und das Punktierverfahren mit fester Appararur hin zum Dreizirkelpunktierverfahren<br />
zu dokumentieren. In fortgeschrittener hellenistischer Zeit ist ein im Vergleich zur archaischen und<br />
klassischen Epoche wesentlich veränderter Herstellungsprozeß festzustellen, der durch die Verwendung<br />
von Vereinfachungsmechanismen charakterisiert ist. Diese sind in der veränderten Handhabung der<br />
Werkzeuge, insbesondere des Zahneisens und des Flachmeißels, indem fast ausschließlichen Einsarz des<br />
laufenden Bohrers, in der Verwendung eines einzigen Werkzeuges anstelle vieler und in dem verstärkten<br />
Arbeiten nach Modellvorlagen zu fassen. Die soeben genannten Phänomene beschreiben zwar ein wesentlich<br />
verändertes, aber kein in den Grundzügen gewandeltes Produktionsverfahren. Eine grundsärzlich veränderte<br />
Herstellungsweise bezeichnet erst das regelmäßig angewendete, komplizierte Punktierverfahren<br />
mit drei Zirkeln, welches gleichzeitig mit der Nurzung der beschriebenen Vereinfachungsmechanismen<br />
in späthellenistischer Zeit das freie Bearbeiten des Steins auch bei der Fertigung von Einzelskulpturen<br />
verdrängte. Das Punktierverfahren in der einfachen Form des Stichrnaßpunktierens hingegen, dessen<br />
Anwendung auch in dem Bereich der Architektur bei der in großer Zahl erfolgten Herstellung formund<br />
maßgleicher Stücke wie beispielsweise der Löwenkopfwasserspeier zu fordern ist, dürfte entgegen<br />
der herrschenden Forschungsmeinung bereits in archaischer Zeit bei der Fertigung von Duplikaten oder<br />
Serien vorauszusetzen sein. Denn schon in dieser Epoche ist durchaus von einem organisierten Werkstattberrieb<br />
auszugehen. Die Entwicklung komplizierterer Punktierverfahren im Hellenismus ist wohl parallel<br />
mit dem erhöhten Einsatz von Modellen zu sehen. Diese gab es zwar schon früher, erwa als Vorbilder für<br />
freie Bildhauerarbeiten, doch ist die Verwendung von Modellen grundsätzlich nicht als Auslöser radikaler<br />
Wandlungsprozesse in der Fertigung und Anwendung bestimmter Techniken zu betrachten. Nun aber<br />
konnten Modelle vor allem dazu dienen, die Massenproduktion gewisser Stücke voranzutreiben, indem<br />
das vom Meisterbildhauer geschaffene Modell mittels des Punktierverfahrens beliebig oft kopiert wurde.<br />
Dies führte auf lange Sicht dann doch dazu, daß es zu einer Umwertung des Verhältnisses von Original<br />
und Modell kam, wie es auch die Anwendung neuer Techniken wie des Reliefverfahrens bezeugt.<br />
Aufbau und Organisation einer Bildhauerwerkstatt waren im späten Hellenismus allein schon wegen der<br />
technisch anspruchsvollen Fertigungsweise und der hierfür erforderlichen aufwendigen Modellherstellung<br />
grundsätzlich anders gestaltet als in den vorhergehenden Epochen. Die Entstehung der neuen Produktionsweisen,<br />
respektive die Verwendungvon Vereinfachungs- und Kopiermechanismen findet ihre Erklärung<br />
sowohl in dem kultur- als auch wirtschaftshistorischen Kontext der Zeit. Die Bildhauer mußten<br />
aufdie im Vergleich zu früheren Epochen ungleich gewachsene Nachfrage generell nach Kunstprodukten<br />
sowie nach einer breiteren Palette von Objekten mit rationelleren Fertigungsweisen reagieren. Abgesehen<br />
von der extrem hohen Produktionsrate attischer Grabdenkmäler im 4. jh. v. Chr., deren Herstellung durch<br />
ähnliche Arbeitsweisen charakterisiert war und der Demetrios von Phaleron im Jahre 317 v. ehr. durch<br />
seine Grabluxusgeserzgebung ein abruptes Ende bereitet hatte, sowie der Anfertigung der weit verbreiteten<br />
hellenistischen Herrscherbildnisse ist das massenhafte Meißeln von Marmorstatuen und -porträts erst<br />
ein Phänomen des späten Hellenismus.F" Bedeutsam ist ferner die Aufwertung des privaten Bereiches<br />
- eine Erscheinung, die ihren Anfang in spätklassischer Zeit nahm 99l - durch die Aufstellung klein- und<br />
992 B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs (1983) mit alt. Lir.: R. R. Smhh, Hellenlstic Royal Portraits (1988) mit Lit.;H. Kyrieleis,<br />
Bildnisse der Ptolemäer (1975); s. zur Verwendung von Marmor im Späthellenismus sowie zum quantitativen und<br />
qualitativen Verhältnis von Marmor und Bronze K.Tuchelt, Frühe Denkmäler Romsin Kleinasien, 23. Beih. IstMiu(l979)<br />
70ff; Pfanner 1989.176ff<br />
993 Sofanden sichbeispielsweise in den spätklassischen Wohnhäusern von Olymh neben zahlreichen Terrakortastaruerten bereits<br />
einige aus Marmor, s. Kreeb 1988, 92f. In den vorhergehenden Epochen hingegenwurdendie Plastiken vor allem fürden<br />
öffentlichenBereich bestellt. Sie fanden ihrenPlatzals Kultbilder und Weihgeschenke in denTempelnund Heiligtümern,<br />
auf den Plätzen der griechischen Städteund als Grabdenkmäler in den Nekropolen. s. auch die Beiträge in: K Sremmer<br />
(Hrsg.), Standorte. Kontext und Funktion antiker Skulptur. Aussrellungskatalog Berlin (I 995).<br />
großplastischer Werke in den Wohnhäusern. Die späthellenistischen Wohnhäuser auf Delos waren außer<br />
mit Malereien und Mosaiken auch mit einer Vielzahl von marmornen Bildwerken - sowohl bescheidenen,<br />
wie Sratuetten, als auch aufwendigeren, wie Porträtstatuen, - ausgesraner.?" (vgl, z. B. Kat. Nr, 85; Kat.<br />
Nr. 86). Ebenso sind die kunstgeschichtlichen und kunsttheoretischen Auseinandersetzungen vor allem<br />
um klassische Vorbilder zu nennen, die sowohl auf die Experimentierfreudigkeit der Bildhauer als auch<br />
auf die Wünsche der Auftraggeber nach klassizistischen Bildwerken (s. z, B. Kat. Nr, 111; Kat. Nr. 115;<br />
Kat. Nr. 117; Kat. Nr. 118; Kat. Nr. 123) eingewirkt baben.?" Die Bildhauer selbst entwickelten rationelle<br />
Kopiermethoden, um dem retrospektiven Kunstgeschmack ihrer Auftraggebet nachzukommen. Nicht<br />
zulerzt wurden auch von der spätrepublikanischen Nobilität für die Ausstattung ihrer Villen in Rom und<br />
Umgebung derartige Kunstprodukte in großer Zahl von den griechischen Bildhauern geordert.F" Daß<br />
sich die immense Nachfrage nach Bildwerken nicht nur auf die technischen Vorgehensweisen, sondern<br />
auch auf die Organisation des gesamten Fertigungsprozesses auswirkte, ist bereits in spätklassischer Zeit<br />
für die Herstellung der Grabdenkmäler und in späthellenistischer Zeit für die Fertigung von Statuetten,<br />
die weitgehend vorbereitet zur Verfügung standen, sowie für die Produktion in den sogenannten neuattischen<br />
Werkstätten, die ihre Werke als Fertigprodukte exportierten, zu belegen.?"<br />
Als äußerst schwierig erweist sich die Einschärzung der Größe einer Bildhauerwerkstatt hinsichtlich ihrer<br />
Belegschaft.'98 Neben den räumlichen Gegebenheiten eines Ateliers ist hierbei zunächst von dem eigentlichen<br />
Fertigungsprozeß auszugehen. Denn anhand der potentiellen Arbeirsteilungen läßt sich nicht nur<br />
die Zusammenarbeir verschiedener Personen beschreiben, sondern in Hinblick aufden effizienten Ablauf<br />
der Fertigung auch annähernd der personelle Grundbedarfeiner Werkstatt errechnen.<br />
In der freien Bildhauerei konnten Bossierung und Ausgestaltung der Figuren grundsätzlich als separate<br />
Arbeitsgänge ausgeführt werden, wobei die Feinbeatbeitung der Skulpturen in verschiedenen Schritten<br />
erfolgre. Anhand der Rekonstruktionen der jeweiligen Fertigungsprozesse wurde dokumentiert, daß die<br />
übergänge der einzelnen Phasen - (I) des Glättens der durch die Spirzmeißelarbeit aufgerauhten Ober<br />
Bäche, (II) der detaillierten Anlage der Einzelformen, (1II) der Ausarbeitung der Detailformen, (IV) der<br />
Beseitigung der Werkzeugspuren - zumeist fließend waren, so daß es sich in keiner Weise um strikt voneinander<br />
getrennte und folglich generell verschiedenen Personen zuweisbare Fertigungsstufen handelte.<br />
Jedoch kristallisierte sich gerade für die späthellenistische Zeit eine deutlichere Trennung der einzelnen<br />
994 Kreeb 1988; ebendasoff. zurAusstattung als Zeugnisfür die Aufwerrung des Hausesund des privaten Kunstgeschmacks.<br />
995 F. Preißhofen in: Leclassicisme aRome auxIers siedesavanterapres J. C. (1979) 263ff; s, auchJ. J.Pollin,The Ancient<br />
Yiew ofGreekArt (1974) 9ff.; s.zu dieser Thematik beispielsweise P.Zanker, Klassizistische Statuen (1974); M. Gernand,<br />
AM90, 1975,I ff.; Kreeb 1988, 74f.;H.J.Schalles, Untersuchungen zurKulturpolitik der pergarnenischen Herrscher im3.<br />
Jh. v.Chr.. Isrf'orsch 36 (l985);J. P. Niemeier. Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985); R.Tölle-Kastenbein,<br />
Frühklassische Peplos6guren, AntPI 20 (1986) 11ff.; Pfanner 1989,224f.<br />
996 s. T. Hölscher, Hellenistische Kunstund römischeAristokratie, in: G. Hellenkemper Salies u. a. (Hrsg.), Das Wrack. Der<br />
antikeSchiffsfund vonMahdia. Ausstellungskalalog Bonn (1994) 875ff; zudensogenannten neuattischen Werkstätten H.<br />
U. Cain- O. Dräger, ebenda 809ff.<br />
997 s. S. 143;217. Cain - Drägera. O.j 5. auchGoodlen a. O. 216f. Erinnert sei indiesemZusammenhang an die bekannteStelle<br />
bei philoser.ApolIon.5, 20, derüberdie frühgriechischen Bildhauer schreibt,daßdiese ihreArbeitskraft und Arbeitsgerät,<br />
nicheaberFertigprodukte verkauften.<br />
99B Zur personalstrukrur der B.ronz~.gußw~rks~~([en: G. Z.~mmer. Griec.hisch.e Bron~gußwerkstätren (1990) 170fF.; vgl.auchdie<br />
Ausführungen vonI. Scheiblet uberdieTöpferwerksränen: I. Scheibler In; Studien zurAltenGeschichte. S.Laufleezum70.<br />
Geburtstag (1984) 787ff.; dies. in;H. A. G. Brijder (Hrsg.), Ancient GreekandRelared Portery (1984) 130ff.<br />
293
294<br />
Etappen heraus. Als gesonderte Werkvorgänge sind ferner die Bemalung und gegebenenfalls das Anfertigen<br />
von Stein- oder Metallaccessoires sowie das Meißeln von Inschriften und in späthellenistischer Zeit<br />
das Polieren der Marmoroberflache anzusehen. Ebenso mußten die Werkzeuge bereits nach kurzer Zeit<br />
nach- bzw. neugeschmiedet werden. Die Bemalung und die Gravur der Inschriften konnten, abhängig<br />
von der Situation eines Areliers, entweder von der eigenen Belegschaft vorgenommen oder außerhalb des<br />
Ateliers in Auftrag gegeben werden. Vor diesem Hintergrund genügten sehr wenige Arbeitskräfte, aus<br />
denen sich ein Bildhaueratelier zusammensetzte. Hierbei ist von etwa vier Personen - dem Bildhauer und<br />
seinen Nachwuchskräften, bei denen es sich um die eigenen Söhne, aber auch um fremde Lehrlinge handeln<br />
konnte?" - auszugehen, die die Arbeit unter sich variabel aufteilten. Vielleicht besaß der Bildhauer<br />
auch Sklaven. Je nach Auftragslage oder dem zu fertigenden Objekt war es ihm in jedem Fall möglich,<br />
sein Atelier zu vergrößern, indem er qualifizierte Mitarbeiter hinzuzog oder einfache Hilfskräfte anrnietete,1000<br />
Die Anwendung des Punktierverfahrens hingegen führte nicht nur zu festen Abfolgen der Arbeitsschritte,<br />
sondern erforderte aufgrund des veränderten Fertigungsprozesses eine andere Zusammenarbeit von<br />
temporären Künstlergemeinschaften und eine Umorganisation des permanenten Ateliers. Denn (I) das<br />
Erstellen der Modellvorlagen ausgehend von einer kleinen Modellskizze über den Aufbau großformatiger<br />
Modelle bis hin zu deren Abgüssen, (11) die grobe Bossierung der Skulptur sowie das Einrichten des<br />
Modells, (IIJ) das Punktieren, (IV) das gewöhnlich mit dem Zahneisen oder dem Flachmeißel erfolgende<br />
Verbinden der Punkte, (V) die detaillierte Ausgestaltung, die ihrerseits in der bereits bei dem obigen<br />
Verfahren besprochenen Differenzierung zu beschreiben ist, (VI) das Beseitigen der Werkzeugspuren und<br />
gegebenenfalls (VII) das Polieren der Statuen bezeichneten die einzelnen, klar voneinander getrennren<br />
Stufen der Fertigung. Separate Arbeitsgänge stellten wiederum das Schmieden des Arbeitsgerätes, die<br />
Bemalung und gegebenenfalls die Gravur von Inschriften sowie die Fertigung von Attributen dar, deren<br />
Organisation der oben genannten entsprach. Die Durchführung des gesamren Prozesses ist vielFalrig vorsrellbar.<br />
Während der "Meisterbildhauer" wohl in der Regel das Modell erstellte - den Ton wird zuvor<br />
ein Gehilfe aufbereitet haben - und die Statuen detailliert ausgestaltete, werden seine Mitarbeiter, Schüler<br />
und Hilfskräfte die Modelle abgegossen und die Skulpturen bossiert, punktiert und poliert haben.'?" So<br />
sind hinsichtlich des personellen Grundbedarfes eines Ateliers, welches dieses Verfahren anwandte, etwa<br />
vier bis sechs Handwerker anzunehmen, die die einzelnen Arbeiten unter sich aufteilten. Doch konnte der<br />
Bildhauer - wiederum je nach Auftragslage - sich mit anderen Künstlern zusammenschließen oder zusätzliche,<br />
entsprechend der Erfordernis qualifizierte oder weniger qualifizierte, Hilfskräfte anmieren. ,oo2<br />
Ob die hellenistischen Ateliers allerdings vor diesem Hintergrund grundsätzlich größer waren als die der<br />
vorangegangenen Epochen, muß dahingestellt bleiben, bzw. kann bei einem Blick aufdie delischen Werkstätten<br />
bezweifelt werden.P" Es kam anscheinend weniger auf eine starke Vergrößerung des Umfanges<br />
und der Arbeitskräftezahl einer Werkstatt als auf einen rationeller durchstrukturierten und stärker auf<br />
einzelne Schritte der Produktion verteilten Fertigungsptozeß an.<br />
Über die personelle Zusammensetzung von Werkstätten sowie über die Beteiligung von Fremden und<br />
Sklaven wissen wir generell immer noch sehr wenig. IO O< Ein wenig Licht auf die Zusammenarbeit von<br />
Künstlern in archaischer, klassischer und hellenistischer Zeit werfen die Forschungen von V.Goodlett, die<br />
das literarische und epigraphische Quellenmaterial zu einzelnen Künstlerpersönlichkeiten auswertete und<br />
auf diesem Wege deutlich die Komplexität dieses Phänomens aufzeigte. lOos Zum einen waren es familiäre<br />
Bande, welche die Personen, die das technische Wissen von Genetation zu Generation weirerreichten, in<br />
ihrerTätigkeit zusamrnenschlossen.'?" Man denke an die in archaischer Zeit tätigen Künstler Archermos,<br />
Boupalis und Athenis oder an Praxiteles und dessen Söhne.'?" In jeder Epoche sind aber auch Künstlergemeinschaften<br />
nachzuweisen, die einzig das auszuführende Werk verband. Erinnert sei beispielsweise<br />
an die Zusammenarbeit des Endoios, Philergos und Aristokles in archaischer Zeit oder an die hellenistischen<br />
Bildhauer Phyromachos und Nikeraros, die über lange Zeit hinweg immer wieder gemeinsam<br />
Skulpturen schufen.'?" Ferner ist aber durchaus auch die wechselnde und somit temporäre Zusammenarbeit<br />
eines Künstlers mit verschiedenen Bildhauern zu belegen. Hierbei gilr es jedoch zu bedenken,<br />
daß auch eine temporäre Zusammenarbeit in Hinblick auf die erforderliche Arbeitsdauer der Fertigung<br />
von Steinskulpturen je nach dem zu fertigenden Objekt und der Anzahl der tätigen Künstler über Jahre<br />
hinweg andauern konnrc.l'"? Des weiteren löste sich ein Bildhauer kurzfristig sowohl aus dem Verbund<br />
des Familienbetriebes als auch aus der permanenten Zusammenarbeit mit einem anderen Künstler, um<br />
an verschiedenen Orten eigene Projekte zu übernehmen. Insgesamt gesehen waren die Künstler also hinsichtlich<br />
der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse sehr frei. Konkrete Informationen über Werkstattstruk-<br />
295<br />
999 V C Goodlett, Collaborarion in GreekSculprure. The Lirerary and Epigraphical Evidence (1989) 23. 64.<br />
1000 Übereine personelle VerteilungdereinzelnenArbeitssehrirre auch in Hinblickaufdie dafürerforderliche Qualifikationsind<br />
lediglich Spekulationen möglich.So müssen die Plastiken nicht notwendigerweise nurvon dem Gehilfen grobzugerichtet<br />
worden sein, vor allem, wenn man bedenkt, daß die Skulpturen bis zu einem weit fortgeschrittenen Stadiumbossiere wurden.AuchsrellrdasSchmiedenderWerkzeuge<br />
keineswegs eine einfacheArbeitdar,die durchwegden Hilfskräften zuzuteilen<br />
ist. Denn die Bildhauerbetrachteten auch das Schmieden ihrer Werkzeuge als äußerst wichtig, s. beispielsweise Rockwell<br />
1993. 180. Ferner ist generellzu beachten,daß alleinbei der Verwendung des laufendenBohrers mindestenszwei Personen<br />
erforderlich sind.<br />
1001 Das Aufbaueneines Modellgerüstes.das Herstellendes Modells, dasPunktieren. das Herstellender Abgüsse sowie die Ausgestaltungder<br />
Statuen erforderten auf jeden Fallqualifizierte Arbeitskräfte. währenddas Polierender Skulpturen und das<br />
Aufbereiten desTons lediglich Handlangerdienste darstellten. die unterAnleitunghätten ausgeführt werdenkönnen.<br />
1002 Auch Sklaven hätteder Bildhauervon anderenBesitzern anmierenkönnen, s. hierzubeispielsweise P. V. Sranlej; MBAH 9,<br />
1,1990,4.<br />
1003 Vgl. allgemeinzurGröße eines Betriebes und zu derenEntwicklung: Lauter1974, 14ff. mit weit. Lit.<br />
1004 N. Himmelmann. jdl 94, 1979, 127ff.; L. Neesen, Demiourgoi und Artifices. Studienzur Stellung freier Handwerker in<br />
antikenStädten (1989). Beiden klassischen Bauprojekten verdingten sichals Handwerker sowohl Freie alsauchMetöken<br />
und Sklaven, s. beispielsweise]. H. Randali, AJA57,1953, 199ff.; A. Burford, Künstler und Handwerker in Griechenland<br />
und Rom(1985).<br />
1005 V. C. Goodlett, Collaboration in GreekSculprure. The Lireraryand Epigraphical Evidence (1989).<br />
1006 s. auch Lukian.Somn.: Platon, Prorageras 328 A<br />
1007 Goodlett a. O. 48fT. zu Archermos, Boupalis und Arhenis; Goodlett a. O. 169ff.zu den Söhnen des Praxiteles.<br />
1008 Zu Endoios, PhilergosundAristokles: D. Viviers, Recherehes sur les ateliers de sculpteurs erla Cite d' Arhenes al' epoque<br />
archaique. Endoios, Phileeges Aristokles (1992); s.hierzuS.Nolte,KLIO78, 1996, 240ff.; zu Phyromachos undNikeratos:<br />
Goodletta. O. 27. 177ff.; s.fernerB.Andreae (Hrsg.), Phyrcrnachos - Probleme, 31. Ergh.RM (1990).<br />
1009 Als Gemeinschaftsarbeiten temporärer Artkönnten die vielfigurigen Gf'!-lppcnanathcrne in den Heiligtümernanzusehensein.<br />
so beispielsweise die Genc1easgruppe ausarchaischer Zeit im samischenHeraion, das Daochosweihmonumentin Delphi aus<br />
der2. H. des4.Jhs.v. Chr.oderdieehoregischen Anatheme inThasosausder I. H. des3. jhs. v. Chr.Zur Geneleosgruppe<br />
s. B. Freyer-Schauenburg, Samos XI 106ff.; C. Löhr in: K. Stemmer (Hrsg.), Standorte. Kontext und Funktionantiker<br />
Skulprur. Ausstellungskaralog Berlin(1995) 142ff. mit Lir. Zum Daochosmonument: M. [acob-Pelsch, Die Entwicklung<br />
griechischer Statuenbasen und die Aufstellung der Stamen (1969) 137ff. KaL Nr, 42; A. H. Borbein. [dl 88, 1973, 79ff.;<br />
Adam 1966, 97ff. Zu den choregischen Weihungen aufThasos: Jacob-Felsch a. O. 148ff. Kat. Nr, 51; Borbein a. O. 48ff.<br />
ZurArbeitsdauer fürdie Fertigung von Steinplastiken s. S. 287 Anm. 978.
296<br />
turen in archaischer und klassischer Zeit konnte Goodlett auf diesem Wege jedoch nicht gewinnen, da<br />
die Feststellung der Zusammenarbeit von Künstlern allein noch keinen Werkstattkontext belegt. IOIo Das<br />
reichhaltigste Material für Aussagen über den Aufbau einer Werkstatt liefern die epigraph ischen Quellen<br />
für die hellenistischen Kunstbetriebe aufRhodos, die vor allem Bronzewerke herstellten.'?" Den Kern der<br />
rhodisehen Werkstätten bildete jeweils die Familie, die über Generationen hinweg auf der Insel tätig war.<br />
In den meisten Ateliers gruppierten sich um diesen Kern einheimische Künstler, die nicht der Familie<br />
angehörten, sowie auswärtige, die vor allem aus Kleinasien stammten. Diese Handwerker wurden kurzoder<br />
längerfristig in den Werkstätten beschäftigt.<br />
Für Aussagen über die Organisation griechischer Bildhauerwerkstätten erweisen sich neben den Studien<br />
zu fertigungsimmanenten Arbeitsteilungen die Untersuchungen ZU den Arbeitsplätzen - Steinbruch,<br />
Transport und Werkstart - als besonders aufschlußreich.<br />
Nur sehr wenige Abbaugebiete, die einst als Rohstoffquellen und Fertigungsplätze für die griechische<br />
Skulpturenproduktion genuezt wurden, können heute noch für eine diesbezügliche Untersuchung herangezogen<br />
werden. Unter diesen nehmen die naxischen und pentelischen Brüche aufgrund von Arbeitsspuren<br />
und Skulpturenfunden eine besondere Stellung ein, da sie ausführlich über den Fertigungsprozeß<br />
von Plastiken vor Ort informieren. Die systematische Aufnahme und Kartierung der in den naxischen<br />
Brüchen vorhandenen Spuren stellt weiterhin ein Desiderat dar.<br />
Die Spuren in den naxischen Brüchen, besonders diejenigen im Abbaugebiet von Melanes, sind zudem<br />
in Hinblick auf die technischen Aspekte des Abbaues bei weitem aussagekräftiger und keineswegs so typisch<br />
für die archaische Zeit wie es bisher in der Forschung angesprochen wurde. Dies zeigten zahlreiche<br />
neue Beobachtungen, die das breite Spektrum der Extraktionstechniken dokumentieren, Darüber hinaus<br />
illustrieren die beschriebenen Befunde die permanente Ausbeutung des Areals für Architekturglieder und<br />
Skulpturen in archaischer Zeit, was weitreichende Konsequenzen für Aussagen über die Infrastrukrur des<br />
Bruches, die Organisation des Steinbruchbetriebes und somit auch über die Organisation des Fertigungsprozesses<br />
von archaischen Skulpturen nach sich zieht. Vielleicht ging der Bildhauer in den Anfängen<br />
der Bildhauerei nach Absprache mit dem Steinbruchbesitzer oder Pächter des Landes noch selbst in den<br />
Steinbruch und löste mit seinen Gehilfen einen Block aus dcm Stein heraus; aber bereits in forrgeschricrener<br />
archaischer Zeit war die Skulpturenproduktion in einen rationellen Steinbruchbetrieb eingebettet,<br />
so daß die eigentliche Extraktion des Skulpturenblockes von den in den Steinbrüchen ansässigen<br />
Steinmetzen hätte übernommen oder diese zumindest dazu hätten herangezogen werden können. Das<br />
Brechen des Steins ist folglich keineswegs zwingend alsAufgabe der archaischen Bildhauer zu betrachten.<br />
Die Ausführnng der Skulpturen aber lag in den Händen der verantwortlichen Bildhauerwerkstart. wie<br />
es die individuelle Vorgehensweise bei der Fertigung belegt. Bereits in archaischer Zeit gestaltete sich der<br />
eigentliche Herstellungsprozeß allein schon auf der Ebene des Steinbrnches bei weitem vielschichtiger als<br />
es bisher in der Forschung geschildert wurde.<br />
Der griechische Bildhauer wird je nach Art und Bedeutung des Projektes mehr oder weniger Sorgfalt auf<br />
die Wahl des Rohstoffes sowie des Skulpturenblockes verwender haben, wie es die Vorgehensweisen von<br />
Michelangelo, Bernini und Canova zeigen, die mitunter selbst in den Steinbruch reisten, das Material<br />
sorgfältig answählten und bei der Extraktion der Blöcke zugegen waren. Grundsätzlich ist zwischen der<br />
eigenverantwortlichen Fertigung einer Einzelskulptur und der Teilnahme an einer Gemeinschaftsarbeit zn<br />
unterscheiden, denn zumindest bei den großen öffentlichen Bauprojekten klassischer Zeit wurde das Material<br />
für die Bauplastik angeliefert, wobei es den Anschein hat, daß die für die Ausführung zuständigen<br />
Bildhauer im Steinbruch nicht anwesend waren.P'? Vielleicht hatten die Bildhauer in solchen Fällen Mitsprache<br />
bei der Diskussion, welches Material überhaupt verwendet werden sollte, bei dem eigentlichen<br />
Prozeß der Gewinnung des Skulpturenblocks hatten sie jedoch keinen aktiven Anteil. Seit der klassischen<br />
Zeit erwähnen die Inschriften in den Brüchen tätige Steinbrecher, bei denen ein Block hätte bestellt<br />
werden können. Dies ist auch für die archaische Zeit zu erwägen. Das bedeutet aber keineswegs, daß die<br />
Bildhauer nicht auch in der klassischen und hellenistischen Zeit ihre Statuen in den Brüchen vor Ort<br />
meißelten. Die Formen der Organisation hinsichtlich der Beschaffung der Rohmaterialien und somit des<br />
Ortes ihrer Verarbeitung sind in jeder Epoche vielfältig vorstellbar. Betrachten wir den bildhauerischen<br />
Anteil an dem Fertigungsprozeß einer Skulptur in Hinblick auf den jeweiligen Arbeitsplatz, so läßt sich<br />
entsprechend der individuellen Vorgehensweise keine allgemeingültige Regel aufstellen. Für die archaische<br />
Zeit belegen die naxischen Kouroi (Kat. Nr. 1; Kat. Nr. 11; Kat. N r. 12), daß ein Großteil der Fertigung<br />
bereits im Steinbruch durchgeführt wurde. Andere aus der gleichen Epoche stammende Skulpturen<br />
(Kat. Nr. 13; Kat. Nr. 19; Kat. Nr. 21; Kat. Nr. 22) hingegen dokumentieren, daß deren Herstellung<br />
weitgehend in der Werkstatt erfolgen sollte. Für die nachfolgenden Epochen ist es in Ermangelung von<br />
Skulpturenfunden in den Brüchen nicht möglich, vergleichbar konkreteAussagen zu treffen. Doch zeigen<br />
einige der späthellenistischen delischen Werkstücke (s, z. B. Kat. Nr. 80; Kat. Nr. 106; Kat. Nr. 108), daß<br />
der überwiegende Anteil ihrer Fertigung in der Werkstart oder direkt am Aufstellungsort stattfand. Auch<br />
scheint die Bauplastik in klassischer Zeit größtenteils am Aufstellungsort, respektive in der Werkstatt oder<br />
am Bau, ausgeführt worden zu sein, da die Inschriften von dem Transport unbearbeiteter Blöcke in die<br />
dortigen Werkstätten berichten.'?"<br />
Die Tätigkeit in den Steinbrüchen stellt - angefangen bei der Suche nach dem geeigneren Marmor über<br />
das Herauslösen des Blockes bis hin zur Bossierung der Skulptur - eine sehr komplexe Etappe innerhalb<br />
des Fertigungsprozesses von Plastik dar. Diese setzte eine stete Zusammenarbeit von Fachleuten und ungelernten<br />
Arbeitskräften voraus und war vor allem bei kolossalen Statuen äußerst arbeits- und zeitaufwendig.<br />
Wie es die Berechnungen an der Dionysosstatue Kat. Nr. 18 dokumentierten, können für manche<br />
Kolossalstatuen - von der Arbeitskraft einer Person ausgehend - bis zu vier Jahren reine Arbeitszeit für die<br />
Gewinnung und Bossierung des benötigten Blockes veranschlagt werden.<br />
Ebenso sind der Transport und das Aufrichten überlebensgroßer Skulpturen seit archaischer Zeit als<br />
äußerst vielschichtige Vorgänge zu beschreiben, die das Personal einer Bildhauerwerkstatt allein nicht<br />
hätte bewältigen können. Seit dieser Zeit ist eine Zusammenarbeit von Fachleuten, die die erforderlichen<br />
Maschinen konstruierten - wobei dem Bildhauer selbst die eine oder andere geniale Idee nicht<br />
abgesprochen werden soll -, mit einer Vielzahl ungelernter Arbeitskräfte zu postulieren, die Materialien<br />
297<br />
1010 Fürdievorhellenistische Zeitistein festes Atelier anhand literarischer lind epigraphisoher Quellen einzigfürdie Bronzebildner<br />
Kritios und Nesiotes zu fassen,doch sind geradein diesem FaJI weitereMitgliederdes Ateliersunbekannr,s. Goodlerr a.<br />
O. 20. 95ff. s. auch generell zur Methode, Werkstätten archaischer Zeit zu identifizieren, B. S. Ridgway, The Arehaie Style<br />
inGreek Sculpture (1977) 288ff.<br />
lOll GoodJett a.O. 130ff.; V Goodleu, Rhorlian Sculpture Workshops, AJA 95, 1991, 669ff. Lediglich einKünstlerpaar signierte<br />
aucheine Marmorstatue. FürdasKunsrschaffen helleniscischer Zeit in Athenund auf De10s hingegenwares Goodlettaufgrund<br />
der fragmentarischen Überlieferung nicht möglich. ein ebenso differenziertes Bild zu erstellen.<br />
1012 s.beispielsweise A.Wittenburg. Griechische Baukommissionen des5. und4.Jahrhunderts v.ehr. (1978) 20 zumParthenon<br />
mit Zusammenfassung der Inschriften.<br />
1013 s. beispielsweiseWittenburg a. O. 20 Anm. 5. 6 mit lnschrifienzitaren.<br />
ce
298<br />
herbeischafften, Handlangerdienste verrichteten oder auch die Ochsen dirigierten. Die Beförderung<br />
überlebensgroßer Skulpturen war mit einem immensen Aufwand und demzufolge sehr hohen Kosten<br />
verbunden, was eine umsichtige Vorplanung und Kalkulation der notwendigen Arbeitsschritte erforderte.<br />
Bildhauer, Auftraggeber und Transportunternehmer werden hierüber bei der Auftragsvergabe diskutiert<br />
haben. Grundsätzlich ist die Organisation des Transportes bei öffentlichen Bauprojekten. bei denen<br />
der Transport der Architekturglieder sowie der Skulpturen gemeinsam vorgenommen wurde und der<br />
Bildhauer selbst keine aktive Rolle spielte - im Architekturbereich wurde sogar häufiger die Aufgabe der<br />
Extraktion und des Transportes einem Unternehmer zugetellr'?'" - von dem Transport der Einzelskulptur<br />
zu unterscheiden.l?'> Hier lag die Verantwortlichkeit wohl bei dem beauftragten Bildhauer. Dieser hatte<br />
in den verschiedenen Etappen des Fertigungsprozesses Kontakt mit den Transporteuren aufzunehmen<br />
und entsprechende Vereinbarungen zu treffen, wobei er selbst oder einer seiner Gehilfen den Transport<br />
überwacht haben wird.<br />
Was den Transport aus den Steinbrüchen betrifft, so waren m. E. seit fortgeschrittener archaischer Zeit<br />
aufgrund der beschriebenen Infrastruktur der Brüche und der, allerdings nacharchaischen, Überlieferung<br />
zunächst die Steinbrecher füt den Transport der Werkstücke zuständig, bis ein Transporteur sie entweder<br />
vom Steinbruch oder am Hafen übernahm, wobei für den Transport über den Seeweg im Architekturbereich<br />
nachweislich immer eine gesonderte Vereinbarung vorlag. Am Aufstellungsort und auch in der<br />
Werkstatt waren je nach dem Gewicht der Skulptur wiederum zusätzliche Arbeitskräfte für das Aufrichten<br />
und das Bewegen der Skulpturen erforderlich, die der Bildhauet aufTagelöhnerbasis hätte anmieten<br />
können.<br />
Die Transporrvorgänge bezeichnen also eine Etappe des Fertigungsprozesses, die allein vom Aufwand und<br />
der notwendigen Koordination der einzelnen Schritte der Arbeit in den Steinbrüchen in nichts nachstand.<br />
Die Untersuchung über die "Werkstattbauten und das Atelier des Bildhauers" dürfte die Komplexität der<br />
Werkplätze griechischer Bildhauer, die ihre Tätigkeiten unter freiem Himmel, direkt am Bau oder in einer<br />
festen Werkstatt ausübten, deutlich vor Augen geführt haben. Die Betrachtung der als Werkstatt genutzten<br />
Architektur, deren Spektrum von einem einzelnen kleineren Werkraum über eine gtößere Wetkhalle<br />
und den Wohnhäusern bis hin zu geräumigen Komplexen reicht, hat gezeigt, daß ein werkstattspezifischer<br />
Bautyp oder Grundriß in dem untersuchten Zeitraum nicht nachzuweisen ist. Vielmehr ist es bezeichnend,<br />
daß eigentlich jedes Gebäude als Werkplatz genutzt werden konnte. Die Bildhauer richteten ihre<br />
Arbeitsplätze häufig in bereits bestehenden Gebäuden unterschiedlichster Funktion ein, die sie entweder<br />
als temporäre oder aber auch als permanente Werkstätten nutzten. Gleiches ist auch für die römische Zeit<br />
anzunehmen, wobei als Beispiel hier lediglich die sog. Pantalnos - Bibliothek von der Arhener Agora als<br />
Beispiel angeführt werden soll, die nach ihrer Aufgabe von Bildhauern als Atelier genutzt wurde. 1016 Am<br />
Aufstellungsort ließ die Heiligtumsverwaltung für die Ausführung bestimmter Projekte eigens Werkstätten<br />
errichten oder wies den Künstlern ein bereits bestehendes Gebäude zu. Des weiteren konnte ein ursprünglich<br />
als Werkstatt genutzter und ebenso ein zu diesem Zweck errichteter Bau umgewandelt werden<br />
und eine neue Funktion erhalten. Eine derartige Umfunktionierung allein erschwert neben den eingangs<br />
in diesem Kapitel ausführlich dargestellten Problemen, Werkstattbauten überhaupt als solche archäologisch<br />
nachzuweisen, eine Identifizierung des einstigen Arbeitsplatzes.<br />
Werkstatteinrichtungen waren nur in Ausnahmefällen zu beobachten, so in dem Laden 103 an der Agora<br />
der Italiker auf Delos und in der Marmorbearbeitungsstätte im sog. Porosgebäude des Gewerbeviertels<br />
südwestlich der Athener Agora. Ein wichtiges Ergebnis ist, daß die Werkstätten, soweit es die bisher auf<br />
uns gekommenen Befunde zeigen, bezüglich des Fertigungsprozesses - gerade in Hinblick auf das in<br />
hellenistischer Zeit angewandte Punktierverfahren, das ein kompliziertes Anfertigen von Modellen und<br />
deren Übertragung auf die Steinskulptur verlangte - generell keine differenzierte funktionale Gliederung<br />
in voneinander getrennte Räume aufweisen. Lediglich das im Porosgebäude in der klassischen Zeit tätige<br />
Atelier von Marmorarbeitern scheint die Fein- und die Grobbearbeitung von Objekten in unterschiedlichen<br />
Räumen durchgeführt zu haben. In der neu- bzw. umgebauten Architektur konnte aber durchaus<br />
der erforderliche Platzbedarf der Werkstatt oder eine funktionale Gliederung in Arbeitsplatz, Lagerraum<br />
des Werkabfalls und Werkstattdepot umgesetzt werden. Letzteres zeigte beispielsweise die Werkstattanlage<br />
K in dem Gewerbeviertel von Athen.<br />
Die Größe von Werkstattbauren, respektive deren Nutz- und Arbeitsfläche, in denen der Skulpturenschmuck<br />
eines Tempels gefertigt wurde, ist allerdings in keiner Weise mit derjenigen von Werkstattbauten,<br />
in denen Einzelplastiken hergestellt wurden, zu vergleichen. Wie die diesbezüglichen Berechnungen<br />
zeigten, waren erstere um ein Vielfaches getäumiger. Generell waren die Werkstätten, in denen Einzelplastiken<br />
gefertigt wurden, soweit die bei dem derzeitigen Forschungsstand identifizierten Gebäude im<br />
Gewerbeviertel südwestlich der Athener Agora und aufDelos hierüber Auskunft geben, in hellenistischer<br />
Zeit nicht größer als diejenigen in der klassischen Zeit. Die nachweislich genutzten Werkplätze wiesen<br />
Flächen von ca. 13 qm bis ca. 40 qm auf; diese Werkplätze boten nur wenigen Personen genügend Arbeitsraum,<br />
wobei das sog. Porosgebäude mit einer Fläche von ca. 80 qm und das Haus des Diadurnenos<br />
mit einer Fläche von 108 qm bei der derzeitigen Evidenz Ausnahmen darstellen. Allerdings haben die aus<br />
den Werk- und Verkaufsräumen 103 und 106 an der Agora der Italiker auf Delos stammenden zahlreiehen<br />
Plastiken gezeigt, daß trotz einer geringen Nutzfläche von 27 qm und 34 qm die Produktion auch in<br />
kleinen Räumen keineswegs gering gewesen sein muß. Dies allein sollte schon vor einer Unterschätzung<br />
der in den athenischen Werkstätten erfolgten Produktion warnen. Gleichfalls hat sich herausgestellt, daß<br />
in einer einzigen Werkstatt unterschiedliche Fertigungstechniken Anwendung fanden, was vor einer allzu<br />
schnellen Gruppierung von Werken aufgrund ihrer Ausführung warnen sollte, und die Produktion zumindest<br />
nach Ausweis der hellenistischen Befunde sehr vielseitig sein konnte. Literarische und epigraphische<br />
Quellen, die über die Bildhauer und deren künstlerische Tätigkeit berichten, ergänzen dieses Bild.<br />
Denn ihnen ist zu entnehmen, daß sowohl der archaische, klassische als auch der hellenistische Bildhauer<br />
hinsichtlich der Gattungen nicht nur sehr verschiedene Produkte herstellte, sondern daß er gleichzeitig<br />
auch verschiedene Materialien - Marmor, Bronze und Holz - verarbeitete.P'? Durchaus vergleichbar mit<br />
den Läden aufDelos ist bezüglich der Lage, der Größe und der Produktionsverfahren die im Jahre 1969<br />
in Aphrodisias nördlich des Odeion entdeckte Bildhauerwerksran, die durch Funde unfertiger Figuren<br />
299<br />
1014 Manirr1965.163Anm.5 mitZusammenstellung derInschriften.<br />
1015 So waren die Vorsteher des Heiligtums in Eleusis beispielsweise bei dem Transport der Säulentrommeln für das Telesterion<br />
verantwortlich für die Ausbesserung der Straßen, für die Konstruktionder Karren und das Herbeischaffen der entsprechenden<br />
Materialien und Ochsen, wobei sie die einzelnen Aufgaben delegierten, s. Orlandos 1968, 29.<br />
1016 Zur Pantalnos - Bibliorhelc ]. Camp. Tbe Athenian Agma' (I 976) Nr, 47.<br />
1017 Die Söhne von Praxireies arbeiteten in Marmor, Bronze und Holz und fertigten sowohl freistehende Skulpturen als auch<br />
Reliefplastik. umnureinBeispiel zu nennen. V.Coodleu,Collaborarlcn inGreekSculpture. The Lirerary andEpigraphical<br />
Evidence (1989).<br />
e
300<br />
und Werkzeuge sowie durch das Vorhandensein von Marmorsplitt nachgewiesen werden konnte.'?" Diese<br />
in spättömischer Zeit genutzte Werkstatt bestand aus zwei Räumen. die ebenfalls lediglich eine Fläche<br />
von jeweils 30 qm bzw, 40 qm aufwiesen und in denen zahlreiche Skulpturen in unterschiedlichen Fertigungsrechniken<br />
hergestellt wurden.<br />
Allgemein war die Arbeitsweise eines Ateliers sehr zweckmäßig sowohl bezüglich der Fertigungstechniken<br />
als auch der Verwendung der Materialien und Weiterverwertung von Altmaterialien, sei es in Form von<br />
verworfenen Werkstücken oder Marmorabschlägen. Im Hause des Mikion und Menon beispielsweise<br />
fertigten die Bildhauer aus Marmorbecken Statuetten. im Porosgebäude sowie in der Werkstananlage<br />
K lagerten sie den bei der Bearbeitung anfallenden Marmorsplitt. Je nach dem Umfang der Produktion<br />
griffen sie zu arbeitsvereinfachenden oder arbeitsteiligen Verfahren. wie es unter anderem die an den<br />
Skulpturen aus den Läden 103 und 106 und dem Haus des Kerdon abzulesenden technischen Befunde<br />
dokumentieren.<br />
Die permanent genutzten Werkstätten. wie sie beispielsweise in dem Haus des Mikion und Menon oder<br />
auch aufDelos in den Wohnhäusern zu fassen sind, könnten als Stammwerkstatt eines Künstlers gedeuter<br />
werden. In dieser Werkstatt verdiente der Bildhauer seinen Lebensunterhalt mit der Fertigung diverser<br />
Objekte; er konnte sie je nach Auftragslage jedoch auch zeitweise verlassen, wenn entweder ein auswärtiger<br />
Auftraggeber ihm einen Werkplatz zur Verfügung stellte oder aber der Bildhauer selbst eine auswärtig<br />
gelegene Werkstatt anmietete. Der Nachweis permanent genutzter Werkstätten in Athen und aufDeios<br />
ist mit der dortigen Nachfrage nach den Gebrauchs- und Kunstprodukten zu verbinden. Indessen ist die<br />
Mobilität der griechischen Künstler, zumal wenn sie unabhängig von festen Werkstatteinrichtungen waren,<br />
hinlänglich bekannr'P'? und zunäehst in direkter Abhängigkeit von der Aufrragslage, aber auch von<br />
dem Produkrangebor, das von einfachen Gebrauchsgegenständen bis zu hochwertigen Plastiken reichen<br />
konnte, zu sehen. Nicht unerheblich war sicher auch die Person des Bildhauers, dessen Berühmtheit<br />
generell bei der Auftragsvergabe von aufwendigen Kunstwerken. besonders aber bei der Auftragserteilung<br />
durch betuchte Personen oder Personengruppen. ausschlaggebend gewesen sein dürfte. Denn diese<br />
wollten zumeist einen bekannten Künstler engagieren. So traten die Koer mit dem Wunsch nach einer<br />
Kultstatue an Praxiteles heran, wie es Plinius überliefert.'?" Auch wird der karische Dynast Maussollos<br />
für die skulprurelle Ausstattung seines Grabbaus den Bildhauern Skopas aus Paros, Leocharis aus Athen<br />
und Bryaxis aus Karien sicher eine lukrative Beschäftigung in Aussicht gestellt haben, um diese für die<br />
Ausführung seines Projektes zu gewinnen. 1021<br />
10lB s. K. T Erim in: MdangesManselII (1974)767fI Taf.257ff.; ders.,Aphrodisias (1986)65fI; P.RockweIl in: R. R. Smirh<br />
- K.T Erim(Hrsg.),Aphrodisias Papers 2 (1991) I 27ff.; s.auchzu Läden und Werkstärren in Pergamon in römischer Zeic<br />
W Radt, Pergarnon. Vom Leben in der antiken Stadt, AW 9, 1978, 3ff.j s. auch die unfertige Kleinplastik aus Pergamont<br />
Reliefplane aus Marmor mit unausgeführter Skizze: F. Wimer, AvP VII, 2 (1908) 288 Nr. 366; Unterteil einer Statuette<br />
aus Kalkstein, deren erh. H 15,5 cm beträgt: Winter a. O. 194 NT. 201 mit Abb.; 33 cm hohe Statuette eines Herakles aus<br />
grauem Marmor: Winter a. O. 291 Abb. 378. Zu Werksrätten und Läden in Pompeji s. beispielsweiseW. Gaitzsch, Leben<br />
und Handwerk in Pompeji, Av,,' 14, 1983, 3ff.; s. auch zu einer allerdings noch unpublizierten Bildhauerwerkstarr des 2. Jhs.<br />
n. Chr. in Chalkisauf EuboiaH. W. Catling, ARepLan29, 1983, 11.<br />
1019 s. Coodletra. O. (Anm.I017);s. beispielsweise auchT S, Kawami, GreekAn and Persien Taste, AJA 90, 1989.259fI<br />
1020 Plin.Nat. HisL36, 20.<br />
1021 G. B. Waywell, The Free-Standing Sculptures of the Mausoleum at Halikamassus in the British Museum(1978)79ff.; F.<br />
Öczanin:K. Sremmer(Hrsg.),Standorte.Kontext und FunktionantikerSkulptur. Ausstellungskatalog Berlin(1995)60fT.<br />
mir Lit.<br />
Die Auftragsvergabe wird wohl in der Regel in der Stammwerkstatt erfolgt sein, obgleich die Übernahme<br />
eines Auftrages vielseitig vorstellbar ist und hierbei das zu fertigende Objekt eine Rolle spielte. Neben dem<br />
direkten Engagement eines Bildhauers sei an das Verfahren öffentlicher Ausschteibungen oder allgemein<br />
an Künstlerwettbewerbe erinncrr.l?" Denn ein Sieg in einem Wettbewerb konnte die Vergabe des Auftrages<br />
nach sich ziehen. Aus der Basisinschrift der Nike, die Paionios von Mende für die Messenier und<br />
Naupaktier in Olympia fertigte, erfahren wir, daß er nach einem siegreichen Wettbewerb die Akrotere des<br />
Zeustempels schuf. lo" Auch ist zu erwägen, daß sich die Bildhauer in die Heiligtümer begaben, um dort<br />
Aufträge zu erlangen. Die Aufträge für die Herstellung der Siegerstatuen in Olympia wurden wahrscheinlich<br />
vor Ort an die anwesenden Künstler vergeben. 1021<br />
Generell wird man angesichts mangelnder finanzieller Kapazität eines einfachen Bildhauerbetriebes davon<br />
ausgehen dürfen, daß nach Auftragserteilung eines größeren Werkes die für den gesamten Fertigungsprozeß<br />
erforderlichen finanziellen Mittel vom Auftraggeber vorgelegt wurden. 1025 Doch waren berühmte<br />
Bildhauer wie Praxiteles selbst so finanzstark, daß sie unabhängig von einer Bestellung Skulpturen schaffen<br />
konnten.'?" Diese standen mitunter als fertige Werke in der Werkstatt und konnten von diversen<br />
Abnehmern erworben werden.'?" Gleiches dürfte für die Massenprodnktion von Grabskulpturen in der<br />
Spätklassik und Kleinplastiken im Späthellenismus gelten, für die eine Fertignng aufVorrat anzunehmen<br />
ist. 1028 Auch die Weihgeschenke der Künstler, die zwar nicht sehr zahlreich auf uns gekommen, aber in<br />
jeder Epoche nachzuweisen sind, erfolgten sicher unabhängig von Aufträgen und verlangten eine ausreichende<br />
wirtschaftliche Grundlage.'?" So meißelte der naxische Bildhauer Euthykartides im 7. Jh. v,<br />
Chr, eine Marmorstatue und weihte diese in das Apollonheiligtum auf Delos.10 30 Dem im 3. ]h. v. Chr.<br />
tätigen Telesinos Arhenaios, der von den Deliern beauftragt wurde, eine Bronzefigur des Asklepios und<br />
eine Marmorsratue der Königin Stratonike herzustellen, wurden große Ehrungen zuteil, als er ihnen die<br />
1022 s. beispielsweise zu dem Vergabeverfahren öffentlicher Aufträge F.G. Maier, Griechische Mauerbauinschriften 11(1961) 17ff.<br />
40fI s. zu Bildhauerwettbewerben Plin.Nat. Hist. 34, 53; 36, 17.<br />
1023 SIG' 80;s, auch Paus. V, 26. I; zur Nike:T Hclscher. Idl 84, 1974, 70fT.<br />
1024 W _D. Heilmeyer, JdI 84, 1969. 21fI; zu den Siegerstatuen von Olympias. H. V.Herrmann, NikephorosI, 1988, 119fT.<br />
Die Siegerstaruen waren wohl fast ausnahmslos aus Bronze gefertigt. Hierzu s. Herrmann a. O. 121 Anm. 17. Coodlett<br />
nimmt an, daß die Siegerstatuen von in Olympia permanent ansässigen Bildhauern, so beispielsweise von einem gewissen<br />
Pandas, vor Ort hergestellt wurden, s. V. Goodlett, Collaboration in Creek Sculpture. The Lirerary and Epigraphical Evidence<br />
(1989)76. 82[[<br />
1025 Lauter 1974, 12. 15;G. Zimmer,Griechische Bronzegußwerkstärten (1990) 164.<br />
1026 J. K. Davies, AthenianProperried Families 600- 300B.c. (1977)286fT. Nr. 8334;H. Laucer, ZurwinschaftlichenSituation<br />
der praxitdes - Familie, AA 1980, 525ff.; s. auch die Ausführungen von E. Thornas über den in späthellenistischer Zeit tätigen<br />
KünstlerDemerrios, SohndesGlaukos: E.Themas, L'.HMHTPIOL MIAHLIOLrAAYKOY. Bemerkungen zurPerson<br />
und zumWerkeinesspäthellenistischen Bildhauers, IstMirr33 (1983) 124fT.<br />
1027 Dieshat H. Lauter, AA 1980, 529f. überzeugend aus zweibei Plinius(Plin.Nar, Hisr. 36, 20) und bei Pausanlas (Paus.I,<br />
20, 1) überlieferten Anekdoten erschlossen.<br />
1028 s. S. 143;217.<br />
1029 H. Philipp,TekrononDaidala(1968) 113ff.; M. Guarduccl,Epigraphia GrecaIII (1974) 552IT.; M. L. Lazzarini, Leformule<br />
delle dedichevotive nellaGrecaarchaica (1976) Nr. 820, 824 - 826; A. F.Srewarr, Attika. Studiesin AthenianSculpture<br />
of the Hellenisrio Age(1979) 106fT.; I. Scheibier, Griechische Künstlervotive der archaischen Zeit, MüJb 30, 1979,7ff.;A.<br />
Burford,Künstler und Handwerker in Griechenland und Rom (1985) 197fT. 206; H. Philipp in: Polyklet. Der Bildhauet<br />
der griechischen Klassik. Ausstellungskatalog Frankfurt(1990)90fI<br />
1030 A. Plassan,Inscriprions de Dolos(1950)Nr. I mit alt. Lir.:J. H. Jeffery, The LocalScriprsofArehaieGreece(1961)291.<br />
304 Nr. 3; Guarducci:. O. 553f.;Lazzarini a. O. Nr. 820. Diesist dasältesteBeispiel einer Bildhauerweihung und bisher<br />
einzigartigfür dieseZelt.<br />
301<br />
e<br />
..
302<br />
Plastiken als Geschenk überreichte und darüber hinaus unentgeltlich die Restaurierung anderer, im Heiligtum<br />
aufgestellter Skulpturen übernahm. tOll Diese Beispiele mögen als Hinweis daraufgenügen, daß die<br />
Bildhauer keineswegs durchweg mittellose Handwerker waren, obgleich wir insgesamt nur ungenügend<br />
über die Entlohnung der griechischen Bildhauer unterrichtet sind. tOll Denn gerade die für die Fertigung<br />
einer Skulptur notwendigen, teilweise sehr arbeits-, zeit- und kostenaufwendigen Prozesse - angefangen<br />
von der Tätigkeit im Steinbruch über den Transport bis hin zur Aufstellung am Bestimmungsort - deuten<br />
daraufhin, über welche Mittel an Finanzen und Arbeitskräften, aber auch über welchen Grad an Orgamsation<br />
und Kontakten zu anderen Handwerkern ein Bildhauer verfügen mußte, der Skulpturen im großen<br />
Stil schuf<br />
VI.Ausblick<br />
Ziel des Forschungsvorhabens war es, einen Beitrag zum Verständnis der Herstellungsvorgänge griechischer<br />
Sreinskulpturen zu liefern und darauf aufbauend den Aufbau und die Organisation der Bildhauerwerkstätten<br />
zu beleuchten. Die vorliegende Arbeit kann nur ein erster Schritt aufdiesem Forschungsgebiet<br />
sein. Auch handelt es sich um eine archäologische, nicht aber um eine sozial- und wirrschaftshistorische<br />
Untersuchung. So verspricht in Zukunft die Einbindung der auf archäologischem Wege gewonnenen<br />
Ergebnisse in einen wirtschafi:shistorischen Kontext weiterführende Erkenntnisse. Besondere Berücksichrigung<br />
sollten hierbei die Fragen nach den Auftraggebern, den Absatzmärkten und dem Umfang der Produktionen<br />
erfahren, denn aufdiesem Wege ließe sich nicht nur die Größe der Werkstätten, sondern auch<br />
deren Organisation differenzierter beschreiben. Gerade die Frage nach den Auftraggebern, der Art der<br />
Aufi:räge oder der Kontinuität der Auftragsvergabe von einer Person oder einer Personengruppe an einen<br />
Bildhauer könnte ausgehend von epigraphisch - prosopographischen Studien äußerst aufschlußreich sein.<br />
Denn die Ergebnisse dieser Analysen würden dazu beitragen, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />
Status der Bildhauer und somit die Grundlagen ihres Kunstschaffens exakter zu fassen. Auch vermag eine<br />
stärkere chronologische und topographische Scheidung der bildhauerischen Tätigkeit in den hellenistischen<br />
Kunstzentren unter den in dieser Arbeit verfolgten Fragestellungen und unter besonderer Berücksichtigung<br />
der jeweilig vorhandenen wirtschafis- und sozialhistorischen Gegebenheiten das bisherige Bild<br />
erheblich zu bereichern.<br />
Bei der Bearbeitung diverser Themen ergaben sich naturgemäß zahlreiche weitere Fragestellungen, zu<br />
deren Klärung entweder gesondette Studien oder die Anwendung naturwissenschaftlicher und experimenteller<br />
Methoden notwendig gewesen wären. Aus diesem Grunde muß deren Beantwortung zukünftigen<br />
Forschungen überlassen sein. In Bezug aufdas rationelle Arbeiten, wohl oberstes Gebot eines jeden<br />
Ateliers, wurde aufdas seit archaischer Zeit zu beobachtende Phänomen der Herstellung von Duplikaten<br />
und Serien verwiesen. Die Aufnahme und Zusammenstellung aller bisher bekannten Plastiken sowie<br />
deren Untersuchung vor allem unter dem Aspekt der Kopiergenauigkeit dürfi:e das Herstellungsverfahren<br />
in Hinblick auf das technische Vorgehen zusätzlich beleuchten. Gleichsam wäre ein genaues Vermessen<br />
der unvollendeten Skulpturen, insbesondere der archaischen, für die Entschlüsselung der zugrundeliegenden<br />
Proportions- bzw. Maßregeln innerhalb des Gesraltungsprozesses von besonderem Interesse, da<br />
sie ersraunlicherweise noch nicht unter diesem Gesichtspunkt ausgewertet wurden. Des weiteren dürfte<br />
eine systematische Erforschung der Verwendung von verschiedenen Materialien für die Fertigung einer<br />
einzigen Skulptur, wie es bei den hellenistischen delischen Skulpturen angesprochen wurde, weitere Aufschlüsse<br />
über die Beschaffung und Verwendung der Rohmaterialien in einem Atelier liefern. Allgemein<br />
könnten sich aus den Marmoranalysen der in dieser Arbeit aufgenommenen Plastiken, besonders aber<br />
der delischen Skulpturen, soweit es die heute zur Verfügung stehenden Techniken gestatten, konkretere<br />
Aussagemöglichkeiten über die Materialbeschaffung der dortigen Ateliers und deren Verhältnis zu den<br />
Rohstoffquellen ergeben. Bei der FÜlle der dort aus einer Werkstatt stammenden Exemplare sind interessante<br />
Ergebnisse zu erwarten. Ebenfalls auf naturwissenschafi:lichem Wege ist die Verwendung des<br />
naxischen Marmors aus den verschiedenen Bruchgebieten in antiker und nachantiker Zeit sowohl für<br />
Architekturprojekte als auch für Skulpturen zu erforschen, so daß sich die Ausbeutungsgeschichte der<br />
einzelnen Steinbrüche deutlicher aufzeigen läßt.<br />
Da die uns zur Verfügung stehenden Aussagemöglichkeiten hinsichtlich Arbeits- und ZeitaufWand sowie<br />
Praktikabilität der einzelnen Produktionsverfahren erschöpft sind, würden experimentelle Versuche, wie<br />
beispielsweise die Fertigung einer Einzelskulptur mit antiken Verfahrensweisen, neue Anhaltspunkte<br />
liefern. Sehr ergiebig wären des weiteren logistische Untersuchungen zu dem erforderlichen Arbeits-,<br />
Zeit- und Marerialaufwand bei der Ausführung größerer Projekte, wie der Giebeiskulpturen von Olympia<br />
und Epidauros oder auch der vielflgllrigen Gruppenanatheme, wie der Geneleosgruppe oder des<br />
Daochosweihmonumentes. Denn hieraus können weitere Erkenntnisse über die Organisation von Gemeinschafuarbeiten<br />
gewonnen werden. Im Falle der Giebelskulpturen des Asklepiostempels in Epidauros<br />
erweist sich die archäologische und epigraphische Evidenz als besonders günstig für eine Rekonstruktion<br />
des produktionsprozesses ausgehend von der Arbeit in den pentelischen Steinbrüchen bis hin zur Vollendung<br />
der letzten Details am Aufstellungsort in Epidauros.<br />
Eine zweifelsohne interessante Frage ist ferner die nach den mit den Bildhauerateliers zusammenarbeitenden<br />
Zuliefet- und Sekundärbetrieben, welche die für den gesamten Produktionsablauf erforderlichen<br />
Rohstoffe, beispielsweise Hölzer oder Metalle, lieferten und verarbeiteten. Eine derartige Studie verspricht<br />
ein differenzierteres Bild des hier behandelten Kunstzweiges. Auch wäre eine spezielle Untersuchung<br />
der Prodllktionsumstände von Skulpturen aus anderen Gesteinsmaterialien, so beispielweise der<br />
Kaiksteinplastiken, eine lohnenswerte und sicher erkenntnisträchtige Aufgabe. Denn diese Frage fand in<br />
der archäologischen Forschung so gut wie keine Beachtung.<br />
Jede dieser Einzeluntersuchungen vermag gleichsam als weiterer Baustein das Kunstschaffen griechischer<br />
Bildhauer zusätzlich zu erh.elle~. Zu dessen um~assen?em Verständnis im Sinne einer Einordnung in Kulrur-,<br />
Wirtschafi:s- und Sozialhistorie ist noch ein weiter Weg zurückzulegen. Vorliegende Arbeit versteht<br />
sich als kleiner Mosaikstein und als Anregung zu weiteren Studien aufdiesem großen Forschungsgebiet.<br />
303<br />
1031 IG XI 4, 514; zu Telesinos: Overbeck, Schriftquellen Ne. 1371:]. Mareade. Receuil des signatures de sculpreurs grecs 11<br />
(1957) 124; Mareade 1969, 73f.; Srewart a. O. 10Sf.<br />
IOl2]. H. Randall, AJA 57.1953. 199fT.;H. Philipp, Tektonon Daldala (I%S) S7ff.; N. Himmdmann, Zur Entlohnung künstlerischer<br />
Tätigkeit in klassischen Bauinschrifien, [dl 94, 1979, 127ff.; J. Bousquet, BCH lOS. 1984. 695ff.; A. Burford,<br />
Künstler und Handwerker in Griechenland und Rom (1985) 171ft".; B. Wesenberg, Kunst und Lohn nm Erechtheionfries.<br />
AA 1985. 55fT.; H. Philipp in:Polykler. DerBildhauer dergriechischen Klassik. Ausstellungskatalog Frankfurt (1990) 93fT.<br />
s.auch Blümel 1927, 13ff.; s.generell zur Entlohnung A. Burford, The Creek Temple Builders at Epidauros (1966) 106.<br />
111f. 140f. 147. 165f. 167. 189f. 192f. 197.<br />
r*
Verzeichnis der Tafeln mit Ahhildungsnachweisen<br />
Taf. 1 a. b. c<br />
Kouros, Athen, Nat. Mus. Inv, Nr. 14 (Kat. Nr. 1)<br />
FotosVerf.<br />
Tat:2 a, b<br />
a<br />
Kouros, Athen, Nat. Mus. ohne Inv, Nr. (Kat. Nt. 2)<br />
Blürne11943, Abb. 10<br />
b<br />
Kopfeines Kouros, Eretria, Mus. Inv, Nr. 596 (Kat. Nr. 6)<br />
E. Touloupa in: Archaische und klassische griechische Plastik I (1986) Taf. 65, 4<br />
Tat:3 a, b, c<br />
a<br />
Kopfeines Kouros, Athen, Agora Mus. Inv, S. 30 (Kat. Nr. 3)<br />
Foto, American School of Classieal Studies, Athen<br />
b.c<br />
Kopfeiner Kourosstatuette, Athen, Agota Mus. Inv, Nr. S 1185 (Kat. Nr. 4)<br />
Foto, American School ofClassical Studies, Athen Neg. Nr. LXVII - 17, 18<br />
Taf. 4 a. b. c, d<br />
Kouros, Delos, Mus. Inv, Nr. A 4083 (Kat. Nr. 5)<br />
Fotos Verf.<br />
Taf. 5 a. b<br />
a<br />
Statuette eines Kouros, Istanbul, Mus. Inv, Nr, 2336 (Kat. Nr. 7)<br />
Blüme! 1943, Abb. 13<br />
b<br />
Statuette eines Kouros, London, Brit. Mus. B 472 (Kat. Nr, 8)<br />
Blüme! 1943, Abb. 11<br />
Taf. 6 a. b, c, d<br />
Kouros, Naxos, Mus. Inv, Nr. 4130 (Kat. Nr. 9)<br />
Foto, DA! - Athen, Neg. Nr. 90 /1374,1375,1376,1377<br />
Taf. 7a. b.c<br />
a. b<br />
Bekleideter Kouros, Naxos, Mus. ohne Inv. N r. (Kat. N r, 17)<br />
Foto, DA! - Athen, Neg. Nr. 77 /623. 624<br />
c<br />
Kouros, Naxos, Mus. ohne Inv, Nr. (Kat. Nr. 10)<br />
Foto Verf.<br />
•
.... - .~==-------------------~=~~~~~=~"""""'=~;<br />
306<br />
307<br />
Tat 8 a. b, c<br />
Kouros, Naxos, Mus, ohne Inv. Nr, (Kat. Nr. 10)<br />
Foto, DA! -Athen, Neg. Nt. 90/1389,1387,1389<br />
Tat 9 a, b. c<br />
Kouras im Steinbruchgebiet von Melanes (Kat. Nt. 11)<br />
Fotos Verf.<br />
Tat 10 a, b. c<br />
Kouros im Steinbruchgebiet von Melanes (Kat. Nr. 12)<br />
Foros Verf.<br />
Tat 11 a, b, c<br />
Kouros, Polygiras, Mus. ohne lnv. Nr. (Kat. Nr. 13)<br />
Fotos Verf.<br />
Taf. 12 a. b. c<br />
Widderträger, Thasos Mus. Inv. Nr. 1 (Kat. Nr. 16)<br />
Blümell943. Abb. 6 - 8<br />
Taf. 13 a. b. c<br />
Kore, Balat, Mus. ohne Inv, Nr. (Kat. Nr. 19)<br />
V.v, Graeve, MüJB 34, 1983,Abb. 12 -14<br />
Taf. 17 a. b. c, d<br />
a. b<br />
Kore, Knidos, Grabungskampagne 1972 (Kat. Nr. 21)<br />
1. C. Love, TürkAD 21, 1974, Abb. 123. 124<br />
c<br />
Sitzfigur, Pemelikon, Spiliasbruch (Kat. Nr. 27)<br />
KorresI994,Abb.17,3<br />
cl<br />
Löwe, Piräus, Mus. lnv. Nr. 5790 (Kat. Nr. 29)<br />
M. Korres, Vom Penteli zum Parthenon, Ausstellung 10. April- 12. Mai 1995. Berlin (1995)<br />
Abb.33<br />
Taf.18 a, b<br />
a<br />
Löwe, Samos, Vathy Mus. ohne lnv. Nr. (Kat. Nr. 30)<br />
Freyer-Schauenburg, Samos XITaf. 69<br />
b<br />
Löwe, Berlin, Antikensammlung Inv. Nr. 1790 (Kat. Nr. 28)<br />
C. Blümel, Die archaisch-griechischen Skulpturen der Staatlichen Museen zu Berlin (1963) Abb. 180<br />
Taf. 19 a. b<br />
Sphinx, Naxos, Mus, Inv, Nr. 6259 (Kat. Nr. 31)<br />
Foto, DA! - Athen, Neg. Nr. 77 / 625, 626<br />
Taf. 14 a, b. c<br />
a<br />
Kore, Eretria, Mus. Inv. Nr. 1809 (Kat. Nr. 22)<br />
E. Touloupa in: Archaische und klassische griechische Plastik I (1986) Taf. 64, ;;<br />
b.c<br />
Kopfeiner Kore, verschollen, ehemals Berlin Antikensammlung Inv. Nr. 1875 (Kat. Nr. 20)<br />
Freyer-Schauenburg, Samos XI Taf. 10<br />
Taf. 15 a, b. Co d<br />
Kopfeiner Kore, München, Glyptotheklnv. Nr. 170 (Kat. Nr. 23)<br />
Pfanner 1988, Abb. 2<br />
Tat 16 a. b. c. d<br />
Kore, Tarent, Mus. Nazianale Inv, Nr. 20923 (Kat. Nr. 24)<br />
G. M. A. Richter, Korai (1968) Abb. 541 - 544<br />
Taf. 20 a. b, c<br />
a<br />
Grabstele, Paras, Mus. Inv, Nr. 760 (Kat. Nr. 35)<br />
N. Zapheiropoulos, ADelt 16,1%0, Taf. 215<br />
b.c<br />
Fußfragment einer männlichen Figur Athen, Akroplismus, Inv, Nr. 415 (Kat. Nr, 36)<br />
Fotos Verf.<br />
Taf. 21 a. b<br />
a<br />
Reiterstatuette, London, Brit, Mus, Inv. B 476 (Kat. Nr. 37)<br />
Blümel 1943, Abb. 9<br />
b<br />
Platte mit zwei eingeritzten Schiffen, ehemals Samos, Mus. lnv. Nt. I 80 (Kat. Nr. 39)<br />
Freyer-Schauenburg, Samos XI Taf. 77, 105
Tafel 6<br />
Tafel 7<br />
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Tafel 8<br />
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Tafel 32<br />
Tafel33<br />
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Tafel34<br />
Tafel35<br />
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Tafel90<br />
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