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Gabriele Laurenz - die mediterrane Periode - Guby Art Gallery

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<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> - <strong>die</strong> <strong>mediterrane</strong> <strong>Periode</strong><br />

<strong>Guby</strong><strong>Art</strong> Vol. 1, 2004


© 2004 by edition Güby <strong>Art</strong> <strong>Gallery</strong> / Transducer-Labor Dr. Fleckenstein<br />

herausgegeben von Dr. Wolfgang Fleckenstein<br />

Verlag <strong>Guby</strong><strong>Art</strong>, D-24357 Güby, Deutschland, www.gubyart.com<br />

Photoreportage im Atelier der Künstlerin: Andreas von Frohreich<br />

Photographie der Werke und Litho: Dr. Wolfgang Fleckenstein<br />

Gesamtherstellung: Güby <strong>Art</strong> <strong>Gallery</strong><br />

ISBN 3-938346-01-9


<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> - <strong>die</strong> <strong>mediterrane</strong> <strong>Periode</strong><br />

geerdete Bilder und aquarellierte Federzeichnungen<br />

1998 - 2004<br />

mit Texten von<br />

Dr. Wolfgang Fleckenstein<br />

Dr. Brigitte Hammer<br />

herausgegeben zur Werkschau der Künstlerin<br />

in der Güby <strong>Art</strong> <strong>Gallery</strong> 2004


<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> hat in über dreißig Jahren ein vielschichtiges malerisches und<br />

grafisches Werk geschaffen, das <strong>die</strong> Beziehung von Mensch und Welt immer<br />

wieder neu und überraschend zu sehen verstand und dabei <strong>die</strong> malerischen<br />

Mittel konsequent weiter entwickelt.<br />

Die ungezähmte Leidenschaft der frühen Bilder, in denen Masken zerstört und<br />

<strong>die</strong> nackten Häute aufgerissen wurden, in denen der Kampf gefeiert und <strong>die</strong><br />

Wunden gezeigt wurden, erscheint in den neuen Bildern zu einer spannungsvollen,<br />

vibrierenden Dynamik gewandelt. Die wilden, wenn auch stummen Schreie,<br />

<strong>die</strong> auf manchem frühen Bild aus den aufgerissenen Mündern quollen, sind leiser<br />

geworden; in den neuen Bildern ihrer <strong>mediterrane</strong>n <strong>Periode</strong> gibt es mehr Flüstern,<br />

Raunen, Wispern oder Murmeln, manchmal sogar gespannte Stille. Temperament<br />

und Intensität haben sich jedoch nicht vermindert und sprechen frisch und<br />

unmittelbar aus jedem Quadratzentimeter bemalter Leinwand.<br />

Berlin, im September 2004 Brigitte Hammer<br />

6


Catwalk IV (2002), Mixed Media auf Leinwand, 150 x 115 cm<br />

7


Geerdete Bilder ?<br />

Betty Carrington, Warnum <strong>Art</strong><br />

Welchen Titel soll Deine Ausstellung haben?<br />

brülle ich gegen den Verkehrslärm<br />

in das Mobiltelephon. <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> hat<br />

mich aus Ibiza endlich einmal erreicht,<br />

ungefähr drei Wochen vor der Vernissage.<br />

Nervös bin ich inzwischen, weil von den<br />

avisierten 35 Werken bis jetzt erst zwei in<br />

der Galerie angekommen sind.<br />

E_de_Ildr schnarrt es im Ohrstecker - oh<br />

wunderschönes Digitalzeitalter. Sag’s noch<br />

mal, bitte ... Ge_r_te_bil_r .... noch mal<br />

bitte, brüll ich .... <strong>die</strong> Künstlerin<br />

buchstabiert Dora, Emil ...<br />

Geerdete Bilder<br />

Hörfehler ausgeschlossen,<br />

Ende des Gesprächs, Ratlosigkeit.<br />

Bilder mit Potentialausgleich, <strong>die</strong> sich<br />

elektrostatisch nicht aufladen ? ... eine<br />

abwegige Assoziation. Mir fällt ein, daß<br />

Gabi länger in England, den USA und<br />

Frankreich gelebt hat. Meint sie vielleicht<br />

“grounded”, weil <strong>die</strong> Leinwand grun<strong>die</strong>rt<br />

ist ? ... zu trivial. Mag sie auf “grounded”<br />

anspielen, im Sinn von hausbacken, auf<br />

solidem gedanklichen Fundament und<br />

erdverbunden ? ... das passt nicht zu einer<br />

kreativen Multi-Media-Künstlerin. Dabei<br />

fällt mir das rotbraune Zeug und der Pferdemist<br />

ein, der von den Bildern krümelt,<br />

<strong>die</strong> bereits in der Galerie angekommen<br />

sind. Meint <strong>die</strong> Künstlerin schlicht und<br />

vordergründig, daß ihre Bilder mit Erde<br />

gemacht sind ?<br />

Ein Freund hat kürzlich aus Australien zwei<br />

Bilder von Betty Carrington mitgebracht,<br />

<strong>die</strong> mit Erde gemacht sind. Sie nimmt mit<br />

ihrer Maltechnik <strong>die</strong> urtümliche Stammestradition<br />

der Aborigines auf und entwickelt<br />

<strong>die</strong>se im Warnum-<strong>Art</strong> Künstlerkollektiv<br />

weiter - Warnum, in den Kimberleys, einem<br />

endlosen Outback Nordwest-Australiens.<br />

Ihre Bilder sind ausschließlich mit Erdpigmenten<br />

auf Baumwolle gearbeitet. Hier finden<br />

sich alle Ockerschattierungen der Erde<br />

Australiens in flächigen, ornamentalen<br />

Anordnungen, <strong>die</strong> zumeist von Punktlinien<br />

begrenzt werden.<br />

Weiter schweifen <strong>die</strong> Gedanken ab, nun<br />

zu den ältesten bisher entdeckten geerdeten<br />

Bildern. Diese sollen bis zu 33.000<br />

Jahre alt sein, beispielsweise in der Grotte<br />

von Chauvet, in Südfrankreich. Unsere<br />

europäischen, afrikanischen und<br />

asiatischen Vorfahren trugen geriebene<br />

Eisenoxid - Erdpigmente wie gelben, roten<br />

und braunen Ocker, Ruß und pulverisierte<br />

Holz- oder Knochenkohle, schwarzes<br />

Manganoxid und weißen Ton auf<br />

Felswände auf. Gern nutzten sie als<br />

Malgrund natürlich entstandene<br />

Felsstrukturen, <strong>die</strong> abstrahierten Reliefs der<br />

abgebildeten Tiere und Menschen<br />

entsprachen. Der Felsen wurde vor der<br />

Bemalung teilweise auch mit Steinwerkzeugen<br />

geritzt und behauen, um<br />

Reliefstrukturen in den Malgrund zu formen.<br />

Als Bindemittel wurden organische<br />

Materialien, unter anderem Vogeleier,<br />

Pflanzensäfte und Harze, Blut, Dung und<br />

Speichel verwendet, Wasser und Urin als<br />

Verdünnung. Die Farbe wurde mit den<br />

Fingern, mit Tierhaarpinseln, Stöcken,<br />

Knochensplittern, Flintsteinspateln und<br />

Vogelfedern aufgetragen.<br />

Die Bezeichnung der prähistorischen Felsenkunst<br />

als Höhlenmalerei trägt der<br />

8


analen Tatsache Rechnung, daß <strong>die</strong><br />

Werke nur in abgeschlossenen Höhlen mit<br />

konstanter Temperatur und Luftfeuchte<br />

<strong>die</strong> Unendlichkeit der Jahrzehntausende<br />

überstehen konnten, in Europa an ca. 300<br />

Fundstellen, <strong>die</strong> in Frankreich, Spanien und<br />

Italien liegen. Zwischen 1946 und 1963<br />

alterten <strong>die</strong> Bilder in der Höhle von Lascaux<br />

durch <strong>die</strong> Besichtigungen stärker, als in den<br />

17.000 Jahren seit ihrer Entstehung.<br />

Hierfür war der ständige Luftwechsel verantwortlich,<br />

<strong>die</strong> Zufuhr von frischem<br />

Sauerstoff, von Bakterien- und Pilzsporen<br />

sowie das CO2 in der Ausatmungsluft der<br />

Besucher, das in den Bildern Kohlensäure<br />

entstehen ließ. Es ist nicht abwegig anzunehmen,<br />

daß <strong>die</strong> Steinzeitkünstler nicht<br />

nur <strong>die</strong> langzeitstabilen Metalloxid -Erdfarbenpigmente,<br />

Ruß und Kohle, sondern<br />

auch relativ kurzlebige Pflanzenfarben und<br />

Pigmente tierischen Ursprungs verwandten.<br />

Im südlichen Afrika und in der<br />

Sahara wurden unter Felsvorsprüngen an<br />

regensicheren Felswänden frei liegende<br />

Gemälde besonders lebendiger Farbigkeit<br />

entdeckt, deren Formensprache und Herstellungstechnik<br />

in der Tradition der prähistorischen<br />

Höhlenmalerei steht, <strong>die</strong><br />

jedoch nur wenige Jahrtausende alt sind,<br />

manche nur wenige Jahrhunderte. Diese<br />

enthalten auch bläuliche Partien. Es ist zu<br />

vermuten, daß sich <strong>die</strong> sehr alten Höhlenmalereien<br />

mit den Jahrtausenden ins Rote<br />

verfärbten, weil <strong>die</strong> roten Erden chemisch<br />

stabil sind, während <strong>die</strong> anderen Farben<br />

verblaßten.<br />

Kulturhistoriker gehen davon aus, daß der<br />

kreative Entstehungsprozess der Felsenbilder<br />

ritualisiert war und <strong>die</strong> Bilder spirituellen<br />

Zwecken <strong>die</strong>nten, z.B. der Beschwörung<br />

des Jagdglücks, der Gesundheit, der<br />

Naturgottheiten oder des sozialen Zusammenhalts.<br />

Das künstlerische Niveau der<br />

formalen Abstraktion steht der zeitgenössischen<br />

Kunst nicht nach, trotz der<br />

Löwen, Kohle und Erdfarben, Höhle bei Chauvet an der<br />

Ardèche in Südfrankreich, 30.000 - 33.000 Jahre alt<br />

Handumrißbild, Manganosit auf Felsen in der Höhle von<br />

Altamira in Spanien, ca. 15.000 Jahre alt<br />

Die Herstellung von Handumrissen erinnert an<br />

<strong>Art</strong>-Performances unserer Tage. Hierzu wurde <strong>die</strong> Hand als<br />

abdeckende Schablone auf <strong>die</strong> Felswand gelegt und der<br />

Steinzeitkünstler sprühte durchgekautes, mit Speichel<br />

versetztes rotes oder schwarzes Pigment direkt aus dem<br />

Mund auf Hand und Felswand. Man kann davon ausgehen,<br />

daß <strong>die</strong> Airbrush Künstler in Trance fielen, sobald das<br />

psychotrope Manganosit (MnO) über <strong>die</strong> Mundschleimhaut<br />

resorbiert war oder verschluckt wurde.<br />

9


Felsenbilder aus dem Hoggar-Gebirge inmitten der<br />

Sahara aus dem Großraum Tassili n’Ajjer in Algerien,<br />

je nach Fundstelle zwischen 4.500 und 6.500 Jahren alt<br />

oben: Rinderherde, Fundstelle Jabbaren<br />

mitte: Rinderjagd, Fundstelle Sefar<br />

unten: Fährtenleser, Fundstelle Jabbaren<br />

beschränkten technischen Mittel, <strong>die</strong><br />

unseren prähistorischen Vorfahren zur Verfügung<br />

standen. Andererseits könnte <strong>die</strong><br />

immer noch magische Wirkung der Felsenmalerei<br />

gerade aus der Beschränkung auf<br />

<strong>die</strong> in der freien Natur verfügbaren<br />

Pigmente, Bindemittel, Malgründe und<br />

Malwerkzeuge zurückzuführen sein, <strong>die</strong><br />

keine feine Zeichnung und glatte<br />

Oberfläche hergeben. Und in der Tat, geht<br />

auch von den geerdeten Bildern der<br />

<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> <strong>die</strong> magische Ausstrahlung<br />

und Hintergründigkeit aus, <strong>die</strong><br />

sich in ein prähistorisches spirituelles Ritual<br />

hineindenken ließe, beispielsweise von<br />

dem Bild Mauerblümchen, dem Mann,<br />

dem Schatz wie war ich oder den überlebensgroßen<br />

Figuren des Triptychons<br />

Catwalk. Hier treten uns androgyne<br />

Frauengestalten als attraktive, selbstbewusste<br />

Dämonen entgegen, deren<br />

Bewegungen – trotz der körperlichen<br />

Beschädigungen - grazil und elegant<br />

bleiben.<br />

Bereits 1996 beschwört <strong>die</strong> Künstlerin in<br />

der Installation des Titels “Altar der Leidenschaf(f)t”<br />

das Frau / Mann - Thema in einer<br />

Diktion, <strong>die</strong> - zumindest theoretisch - in allen<br />

Kulturkreisen und (prä)historischen<br />

Epochen mental verstanden werden könnte;<br />

allerdings setzen <strong>die</strong> hier verwendeten<br />

kalten und glatten Industriematerialien,<br />

wie PVC, Silikonkautschuk und Kupferfolie<br />

sowie <strong>die</strong> sehr eindeutigen Formen dem<br />

interkulturellen und zeitlosen Verständnis<br />

Barrieren und Vorurteile entgegen. Mit<br />

ihren geerdeten Bildern aus jüngsten<br />

Jahren erreicht <strong>die</strong> Künstlerin jedoch direkt<br />

<strong>die</strong> Ebene intuitiver Begrifflichkeit - zeitlos,<br />

subtil und interkulturell verbindlich.<br />

Bei <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> beginnt der Herstellungsprozess<br />

des Bildes mit Streifzügen<br />

in <strong>die</strong> Berge Ibizas. Sie sucht nach charakteristischen<br />

Felsformationen, Verwitterungsstrukturen<br />

und Fossilien, <strong>die</strong> eine<br />

reichhaltige und farbkräftige Pigmentausbeute<br />

erwarten lassen.<br />

10


Ibiza ist ein Teil der Betischen Kordillere,<br />

den Pityusen, <strong>die</strong> sich vor 65 Millionen<br />

Jahren in der Kompressionszone zwischen<br />

der europäischen und afrikanischen Kontinentalscholle<br />

erstmals auffalteten. Dadurch<br />

erhielten <strong>die</strong> bis zu 225 Millionen<br />

Jahre alten mineralischen und tierischen<br />

Sedimente am Meeresboden der Thetys<br />

(ein Urmeer, dessen kleiner Rest das<br />

heutige Mittelmeer ist) erstmals Kontakt<br />

mit dem Luftsauerstoff, der zur Erdfarbenbildung<br />

beiträgt. Seit dem ersten<br />

Auftauchen der Pityusen versank Ibiza<br />

mehrfach wieder im Meer und tauchte<br />

nach Einbrüchen, Faltungen und Überschiebungen<br />

wieder auf - zuletzt vor ca.<br />

15 Millionen Jahren. Vor ca. 6 Millionen<br />

Jahren verlor das Mittelmeer seine Verbindung<br />

zum indischen Ozean und zum<br />

Atlantik. Das Mittelmeer trocknete dadurch<br />

nahezu aus und <strong>die</strong> Berge Ibizas<br />

überragten <strong>die</strong> umgebenden Salzsümpfe<br />

um bis zu 4000 m. Schließlich bildeten sich<br />

Landverbindungen nach Afrika und zum<br />

europäischen Festland. Mit dem Einbruch<br />

der Barriere von Gibraltar füllte sich das<br />

Mittelmeerbecken vor 5 Millionen Jahren<br />

schlagartig wieder mit Wasser und Ibiza<br />

erlangte ungefähr seine heutige Größe.<br />

Seitdem schwankt der Meeresspiegel nur<br />

noch um wenige 100 m. Sintflutartige<br />

Regenfälle trugen <strong>die</strong> höchsten Berge ab,<br />

rundeten <strong>die</strong> Hügel, gruben tiefe Schluchten<br />

in älteste, tief liegende Gesteinsformationen<br />

ein und lagerten Erden und<br />

Geröll in Tälern und Binnenseen ab.<br />

Deshalb bietet Ibiza heute eine Fülle<br />

unterschiedlichster Gesteinsarten und<br />

Mineralien in engster Nachbarschaft,<br />

besonders an der schroffen Nordküste und<br />

den vorgelagerten Inseln, <strong>die</strong> viele<br />

metallische Mineralien enthalten. Und<br />

genau hier hat <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> an der<br />

Punta Grossa in San Vincente ihr Atelier<br />

hoch über den Klippen.<br />

rechter Flügel des Triptychons Catwalk (2002)<br />

von <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong>,<br />

Mixed Media auf Leinwand, 210 x 86 cm<br />

11


Vergleich zweier sehr alter südafrikanischer Höhlenbilder<br />

von der Fundstelle bei der Linton Farm am Ostkap, deren<br />

Alter auf 20.000 Jahre geschätzt wird, mit einem Felsenbild<br />

von einer Fundstelle im südlichen Drachengebirge, das<br />

wahrscheinlich “nur” einige hundert Jahre alt ist..<br />

Gibt es zeitlose Ästhetik ?<br />

oben: Jäger und Sammler, Linton Farm<br />

mitte: Medizinmann in Trance, Linton Farm<br />

unten: Rinderherde, südliches Drachengebirge<br />

12<br />

Rottöne aller Abstufungen, Grautöne und<br />

Braun findet <strong>die</strong> Künstlerin mit Schaufel,<br />

Hammer, Handharke und Sieb in der Erde<br />

flacher Hochtäler. Die Erde ist hier bereits<br />

pulverartig fein und wird nur noch gesiebt<br />

und in flachen Schalen fraktioniert aufgeschlemmt,<br />

um mit einfachsten Mitteln homogene<br />

Pigmente zu gewinnen. So gewinnt<br />

<strong>die</strong> Künstlerin auch ein intensives,<br />

nahezu glühendes Terrakottarot.<br />

Die ibizenken Glasbläser und Töpfer des<br />

Mittelalters brannten <strong>die</strong>se Eisenoxid-<br />

Pigmente, um <strong>die</strong> Farbintensität, Langzeitstabilität<br />

und Leuchtkraft des Farbauftrags,<br />

beispielsweise in Lasuren, zu<br />

erhöhen sowie zur Herstellung von Rötelkreide.<br />

Früheste ägyptische Berichte über<br />

das Brennen von Farbpigmenten reichen<br />

5000 Jahre zurück.<br />

An Felsabbrüchen der Steilküste findet<br />

<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> in den verwitterten<br />

Spalten ihre reichhaltige Farbpalette, an<br />

guten Tagen mehrere hundert Gramm<br />

jeweils reiner Farberden, z.B. gelben, braunen<br />

oder roten Ocker, rostrote, terrakottarote<br />

oder rotviolette Erde. Sie siebt, stößt<br />

und mahlt <strong>die</strong>se Schätze, um daraus pulverförmige<br />

Pigmente herzustellen. Champagnerfarbene<br />

Pigmente sind schwerer zu finden<br />

und meist von grobkörniger Konsistenz.<br />

Funkelnd weiße, kristalline Mineralien<br />

sind wesentlich schwerer zu finden als kreidige<br />

und lehmige Weiß- und Beigetöne,<br />

<strong>die</strong> den kalkhaltigen Sedimenten entstammen.<br />

An wenigen, best gehüteten, Fundstellen<br />

holt sich <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> kräftig<br />

grüne Erde. Hellere Grautöne und Anthrazit<br />

finden sich in schönster Reinheit am<br />

tiefer gelegenen Felsufer, in der Nähe der<br />

Brandungszone, eine Schatzkammer unterschiedlichster<br />

<strong>Art</strong>en von Sand.<br />

Bei ihren Streifzügen durch <strong>die</strong> Insel trägt<br />

<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> unzählige organische<br />

Materialien zur Gestaltung ihrer Bilder


zusammen, beispielsweise Holzasche, Holzkohle,<br />

Piniennadeln, Palmwedel, Baumrinden,<br />

Blüten, Blätter, Pollen von Mimosen,<br />

Gräser, Stroh, verwitterte Hölzer und<br />

objets trouvés wie Fischernetze oder Stofffetzen.<br />

Die mittelalterlichen Techniken der Grünspanherstellung<br />

auf Kupferfolien im essigsauren<br />

Kompost haben <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong><br />

vermutlich dazu angeregt, eine forcierte<br />

Alterung von Natur- und Industrieprodukten<br />

im Erdreich zu steuern und für ihre Bildgestaltung<br />

nutzbar zu machen. So bekommt<br />

vergrabene, zuvor langweilig<br />

weiße Fallschirmseide aus Polyester nach<br />

einigen Monaten im Kompost eine rötliche,<br />

seidig schimmernde, weich fließende Oberflächenstruktur,<br />

wie Naturseide, <strong>die</strong> an den<br />

graved salmon der Norweger erinnert ...<br />

graved silk eben. Die Künstlerin zaubert in<br />

ihrer geheimnisvollen ibizenken Gartenerde<br />

mit der Gießkanne – weiß der Teufel,<br />

was da drin ist - wunderschön schimmernde<br />

oxidische Passivierungsschichten auf<br />

Metallfolien, alle Regenbogenfarben auf<br />

Titanfolien, variantenreichen Gold- und<br />

Silberglanz auf Aluminiumfolien sowie alle<br />

Schattenfarben vom mattem Bleiglanz bis<br />

zu Anthrazit und Schwarz in warmer oder<br />

kalter Abtönung auf Bleifolien.<br />

Die Pigmente und Gestaltungsmaterialien<br />

bringt <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> bevorzugt auf<br />

selbst entwickelte Substrate auf. Für <strong>die</strong><br />

großen Formate verwendet sie eine grob<br />

gewebte, derbe und nahezu unzerreißliche<br />

Leinwand mit einer siebartigen Textur. Die<br />

dickflüssige, kreidige Grun<strong>die</strong>rung,<br />

aufgenommen in einem zäh-elastisch<br />

aushärtenden Kunststoffbindemittel, fließt<br />

durch <strong>die</strong>se Siebstruktur hindurch und<br />

schließt sich auf beiden Seiten der Leinwand<br />

zu einem geschlossenen Film. Diese<br />

Substrate bilden einen ungewöhnlich<br />

robusten Malgrund, so daß <strong>die</strong> Bilder auch<br />

Mann, aus dem Zyklus Mann - Frau (1995)<br />

von <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong>,<br />

Mixed Media auf Karton, 118 x 80 cm<br />

Bison, Kohle und Erdfarben auf Felsen in der Höhle von<br />

Cosquer am Cap Morgiou in den Calanques bei Marseille,<br />

Alter minimal 19.000 Jahre, maximal 27.000 Jahre. Der<br />

Eingang zur Höhle liegt 37 m unter Wasser im Mittelmeer.<br />

13


grüne Erde, Glauconit<br />

gelber Ocker, Eisenoxid-Hydrat<br />

Grünspan, Kupferacetat<br />

Ägyptisch Blau<br />

Calcium-Kupfer-Silikat<br />

Preussich Blau, Pariser Blau<br />

Eisen-Hexacyanoferrat<br />

14<br />

roter Ocker, Rötel<br />

brauner Ocker<br />

Kobaltgrün<br />

Kobaltoxid - Zinkoxid<br />

Realgar, Arsensulfid<br />

Schmalte<br />

Kobaltglas<br />

Beinschwarz<br />

ohne Keilrahmen gehängt und transportiert<br />

werden können. Bei mittleren Formaten<br />

setzt sie auch dicht texturierte Baumwollstoffe<br />

ein, <strong>die</strong> ebenfalls pastös grun<strong>die</strong>rt<br />

werden. Für Arrangements mit Palmwedeln,<br />

Fischernetzen, objets trouvés oder<br />

Holz- und Metallteilen werden besonders<br />

tragfähige Substrate benötigt. Hierzu stellt<br />

<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> mit einer selbst gemachten<br />

Presse nach einem eigenen Rezept aus<br />

einer Papiermaische einen 2 bis 3 mm<br />

dicken, sehr festen grauen Malkarton her,<br />

den sie grun<strong>die</strong>rt und auf Holzplatten<br />

aufzieht. Für ihre Aquarelle, Federzeichnungen,<br />

Collagen, Computer<strong>Art</strong> und<br />

andere Mischtechniken verwendet sie<br />

hochwertige Industrieprodukte, beispielsweise<br />

moderne Büttenpapiere, Aquarellkarton,<br />

Archivpapiere oder dreischichtigen<br />

Water Color Radiant White–Druckkarton.<br />

Mit den archaischen und mittelalterlichen<br />

Techniken der Pigmentgewinnung gelang<br />

es der Künstlerin, ihre Ausdrucksmöglichkeiten<br />

zu erweitern und zu vertiefen.<br />

Hinter der Adaptation <strong>die</strong>ser Mittel stehen<br />

bei <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> keine generalisierenden<br />

philosophischen Gedankengänge.<br />

Mit dem kreativen Pragmatismus einer<br />

modern denkenden Multi-Media-Künstlerin<br />

kombiniert sie wertvolles Altes mit bewährtem<br />

Neuem. Eine prozeßgetreue Übernahme<br />

alter Techniken erscheint ihr ineffizient.<br />

So nutzt sie keine traditionellen<br />

Binde- und Malmittel, wie beispielsweise<br />

Kasein, Gummi Arabicum, Leim, Naturharze<br />

und Öle, Gelatine, Schellack, Latex,<br />

Wasserglas, Vogelei oder mit den Füßen<br />

durchgekneteten Kuhmist - wie Frazine<br />

Ndimande - sondern ihre eigenen Rezepturen<br />

aus synthetischen polymerisierenden<br />

Kunststoffen, Dispersionen und Verdünnungen,<br />

deren Zusammensetzung und<br />

Nutzung sie uns nicht preisgibt.


In den <strong>mediterrane</strong>n Werken von <strong>Gabriele</strong><br />

<strong>Laurenz</strong> spielt <strong>die</strong> Farbe Blau eine zentrale<br />

Rolle. Allerdings kommen <strong>die</strong> blauen<br />

Mineralien Lapislazuli, Azurit und Türkis in<br />

Ibiza nicht vor, auch nicht in anderen<br />

Regionen des Mittelmeers und Europas,<br />

abgesehen von geringen alpinen Azuritvorkommen.<br />

In der Felsenmalerei der Steinzeit<br />

finden sich deshalb auch keine Blautöne.<br />

Blauer Schmuck wurde erstmals vor<br />

6000 Jahren im Osten Irans aus Lapislazuli<br />

hergestellt, der seit Beginn der historischen<br />

Epoche als Edelstein obsessiv begehrt wird.<br />

Archäologische und historische Quellen<br />

belegen <strong>die</strong> herausragende Bedeutung der<br />

Farbe Blau und des Lapislazuli in den<br />

frühen Hochkulturen im Iran, In<strong>die</strong>n,<br />

Mesopotamien und Ägypten für <strong>die</strong><br />

Herstellung von Intarsien, Mosaik, Statuen<br />

sowie Pracht-, Tempel- und Grabschmuck.<br />

Seitdem lebten und starben unzählige<br />

Bergleute, Mineraliensucher, Farbenreiber,<br />

Schmuckhandwerker, Händler und Soldaten<br />

für Lapislazuli. Das natürlich vorkommende<br />

blaue Lapislazuli–Mineral, Lazurit,<br />

ist von weißen Kalk- und goldenen Pyrit-<br />

Einlagerungen durchzogen. Reines, intensiv<br />

färbendes Ultramarinblaupigment wird<br />

erst seit dem Mittelalter in einem extrem<br />

aufwendigen Verfahren aus Lapislazuli-<br />

Mineral extrahiert und in der Malkunst<br />

eingesetzt. Schließlich wurde das Ultramarinblau<br />

erstmals 1828 aus billigen Ausgangsmaterialien<br />

synthetisiert. Nur 4 Jahre<br />

später baute Leverkus <strong>die</strong> erste deutsche<br />

Ultramarinfabrik, <strong>die</strong> wirtschaftlich großen<br />

Erfolg hatte.<br />

Die Ägypter und Babylonier verstanden es<br />

bereits vor 5000 Jahren, blaue und grüne<br />

Pigmente im Glühofen synthetisch herzustellen.<br />

Diese Pigmente waren sehr viel<br />

billiger und für <strong>die</strong> Malerei besser geeignet,<br />

als gemahlene Lapislazuli-, Azurit oder<br />

Türkis-Mineralien. Azurit war für <strong>die</strong><br />

Malerei zu kostbar und wurde in Ägypten<br />

Lapislazuli<br />

Azurit<br />

Kupfercarbonat<br />

Malachit<br />

Kupfercarbonat<br />

15


Ägyptisch Blau<br />

Calcium-Kupfer-Silikat<br />

Schmalte<br />

Kobaltglas<br />

Lapislazuli wurde im Altertum allein in einem tief<br />

eingeschnittenen Hochtal (zwischen 1500 und 5000 m<br />

Höhe) in den Bergen von Badakhshan (im heutigen<br />

Afghanistan) in abbauwürdigen Mengen gefunden. Alte<br />

sumerische Texte belegen, daß <strong>die</strong> Stadt Aratta in Ostiran<br />

mit Verarbeitung und Handel von Lapislazuli sagenhaft<br />

reich wurde. Auch religiöse Mythen rankten sich um<br />

<strong>die</strong>ses Gestein und <strong>die</strong> daraus hergestellten Produkte,<br />

<strong>die</strong> seit 5500 Jahren in Persien, Mesopotamien, Ägypten<br />

und Palästina mit Gold aufgewogen wurden – je nach<br />

Aufbereitung, Handelsweg und Marktsituation sogar<br />

mehrfach. Das reine blaue Gebirge gehörte nach Ansicht<br />

der Sumerer der Gottheit Martu. Der Herrscher von Uruk,<br />

Enmerkar, machte es sich zur Aufgabe, der Göttin der<br />

Liebe, Inanna, einen blauen Tempel aus Lapislazuli zu<br />

bauen. Bereits vor 5400 Jahren, noch vor der ersten<br />

Dynastie, wurden in Ägypten Statuetten und Schmuck<br />

aus Lapislazuli im Totenkult verwendet. Die Farbe Blau<br />

symbolisierte in Ägypten <strong>die</strong> Erneuerungsfähigkeit des<br />

Lebens und – in Kombination mit Gold – den Herrschaftsanspruch<br />

der Götter und Pharaonen. Abgesehen von einer<br />

kurzen Unterbrechung von 2600 bis 2400 v.Chr., während<br />

derer <strong>die</strong> Lapislazuli-Gewinnung im Iran unterbrochen<br />

war, importierten und raubten <strong>die</strong> Pharaonen begierig alle<br />

Lapislazuli-Produkte für ihre Mosaike, Gemälde, Paläste<br />

und Tempel sowie <strong>die</strong> Schmuckherstellung und Bildhauerei.<br />

Beispielsweise baute der Pharao Amenemhet I.<br />

um 1970 v.Chr. einen Palast, dessen Wände und Decken<br />

gänzlich aus Lapislazuli bestanden. Tutmosis III., Amenophis<br />

II., Sethos I., Ramses II. und III. ließen ihre<br />

Lapislazuli-Beutezüge als ewige Ruhmestaten in Stein<br />

meißeln. Allein Tutmosis III. führte 17 derartige Kriege.<br />

In Babylon wurde vor 5000 Jahren aus Quarzsand,<br />

Calciumkarbonat und Kupferoxid erstmals im Ofen ein<br />

blaues Pigment synthetisiert, das <strong>die</strong> Ägypter als<br />

Lapislazuli aus dem Ofen bezeichneten, wir nennen es<br />

heute ägyptisch Blau. Dieses wurde seit 2600 v.Chr.<br />

zuerst in der ägyptischen Malerei und später im gesamten<br />

Mittelmeerraum allgemein genutzt. Als Malgrund kommen<br />

Gips, Stein, Holz, Leder und Papyrus in Frage. Zur Mitte<br />

des 2. Jahrtausends v. Chr gelang in Ägypten auch <strong>die</strong><br />

Herstellung blauen Kobaltglases, von sogenanntem<br />

Smalte, das auch zu Pigment zerrieben werden konnte.<br />

vorwiegend zur Herstellung von Schminkfarbe<br />

und Schmuckstücken verwendet.<br />

<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> nutzt blaue Pigmentpulver<br />

aus der Farbenfabrik: Ultramarinblau,<br />

Preußischblau, Kobaltblau und<br />

Indigo. Auch bei Grüntönen greift <strong>die</strong><br />

Künstlerin auf Industrieprodukte zurück,<br />

weil ihre Ausbeute der seltenen Fundstellen<br />

in Ibiza <strong>die</strong> benötigten Mengen und<br />

Tonwerte nicht hergibt. Die Industriepulverpigmente<br />

verarbeitet sie selbst zu<br />

den Farbansätzen.<br />

Zur Helligkeitsabstufung setzt <strong>die</strong> Künstlerin<br />

ihren Farbansätzen auch leuchtendes<br />

Titanweiß und verschiedene schwarze<br />

Pigmente industrieller Provenienz behutsam<br />

und ausgewogen zu. Ein physika-<br />

16


lisches Charakteristikum der geerdeten<br />

Bilder von <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> ist <strong>die</strong><br />

glockenförmig symmetrische Verteilung<br />

der Helligkeitswerte. Die entsprechenden<br />

Histogramme zeigen eine nahezu ideale<br />

Gauß-Verteilung, <strong>die</strong> ich bei anderen<br />

Künstlern noch nicht gesehen habe.<br />

Erstaunlicherweise gilt <strong>die</strong>ses auch für <strong>die</strong><br />

einzelnen Farbkomponenten. Offenbar hat<br />

<strong>die</strong> Künstlerin ein “absolutes Auge” und<br />

sucht <strong>die</strong> Ästhetik einer ausgewogenen,<br />

fein abgestuften Helligkeit und Farbigkeit.<br />

Mit feingliedrigen, überraschend kräftigen<br />

Fingern formt <strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> mit der<br />

späteren Arbeitsgängen steht <strong>die</strong> Künstlerin<br />

mit den Pinseln und Werkzeugen aufrecht<br />

vor ihrem Bild, das dann auf einer<br />

Staffelei steht oder bereits im Atelier an<br />

der Wand hängt.<br />

<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> lebt seit 1998 in ihrem<br />

Atelier inmitten der Natur und genießt auf<br />

Ibiza den <strong>mediterrane</strong>n Jahreszeitenwechsel<br />

und Lebensrhythmus. Im Winter<br />

entstehen bevorzugt Aquarelle und Federzeichnungen<br />

in ihrer Glasveranda, <strong>die</strong><br />

hoch über den Klippen der Nordküste<br />

Schutz gegen den Nordwind bietet. In der<br />

<strong>mediterrane</strong>n Umgebung hat das quick-<br />

bloßen Hand <strong>die</strong> Material- und Farbstrukturen<br />

ihrer großformatigen Werke.<br />

Zum Farb- und Materialauftrag nutzt sie<br />

alle <strong>Art</strong>en Hilfsmittel, beispielsweise ihre<br />

Fingerkuppen, Spatel, Messer, Parfümzerstäuber,<br />

Nudelpressen, allerlei Küchenund<br />

Gartengerät, Hammer, Nagel, Draht,<br />

Tacker, Klebstoff und was ihr sonst noch<br />

in <strong>die</strong> Quere kommt. Das Bildsubstrat liegt<br />

hierbei meistens flach auf dem Boden ihrer<br />

Gartenterrasse und <strong>die</strong> Künstlerin kniet<br />

oder kauert, eingehüllt in einen OP-Kittel,<br />

neben oder auf dem Bild. Erst bei den<br />

lebendige, scharfzüngige und aggressive<br />

Berliner Gewächs an Humor, Konzilianz<br />

und subtiler Überzeugungskraft gewonnen.<br />

Die Erfahrungen, Verletzungen und<br />

Siege ihres intensiven Lebens durchströmen<br />

ihre Kunst - <strong>die</strong> Suche nach Glück<br />

und ein kompromißloser Wille zu Selbstbestimmung<br />

und Unabhängigkeit: Aufgewachsen<br />

als ausgebombtes Flüchtlingskind<br />

in Berlin, dann Kindfrau und Gemahlin<br />

eines traditionsbewußten und mächtigen<br />

Textilbarons, dann ambitionierte Jungkünstlerin<br />

in London und Paris als Lebens-<br />

17


Landscape (2002), Mixed Media auf Leinwand, 100 x 130 cm<br />

gefährtin eines weltbekannten Jazzpianisten,<br />

zwischendurch Mannequin und<br />

Photomodel, dann eine Künstlerin, <strong>die</strong><br />

ihren internationalen Platz erkämpft und<br />

Ateliers in Kiel, Hamburg und Berlin<br />

betreibt; während <strong>die</strong>ser Zeit hat sie einen<br />

genialischen und Talente fördernden<br />

Galeristen zum Partner. Heute ist sie mit<br />

Leib und Seele eine lebensbejahende<br />

Künstlerin zeitloser Schönheit, <strong>die</strong><br />

zusammen mit einem liebevollen Partner<br />

ihr Atelierhaus und den Garten in einen<br />

Traum verwandelt. Sie straft das<br />

verbreitete Vorurteil Lügen, daß künstlerische<br />

Kreativität und Produktivität nur<br />

gedeihe, wenn der Künstler arm, krank,<br />

problembeladen oder unglücklich sei.<br />

<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong> ist seit 1998 in ihren<br />

Ateliers in Ibiza und Berlin produktiv und<br />

kreativ wie selten zuvor.<br />

Güby, September 2004<br />

Wolfgang Fleckenstein<br />

18


Während in früheren Bildern <strong>die</strong> menschlichen Figuren oft in fast klaustrophobisch enge, sich<br />

perspektivisch verkürzende Räume gesetzt wurden, in denen nur kleine Fensteröffnungen<br />

einen Blick in eine ferne Weite erlaubten, sind in der letzten Zeit mehrere Bilder entstanden,<br />

in denen das Auge des Betrachters in großräumigen Landschaften geradezu schwelgen kann.<br />

In „Vamos al mar” (2003) entwickeln sich Tiefe und Weite sogar in alle Richtungen - nicht nur<br />

auf der Bildfläche, sondern auch in <strong>die</strong> Tiefe der Farbschichtungen.<br />

Eine vom linken Bildrand her hineinschwingende blaue Linie, drängt mit vehementer<br />

Eindringlichkeit entlang der gewohnten Leserichtung nach rechts. Licht- und Schattenflächen<br />

lassen eine voluminöse Berglandschaft entstehen, in der das Auge in ein heftiges Auf- und<br />

Ab der Formen gestürzt wird. Ein helles Lichtsegment oberhalb der Horizontlinie läßt ein<br />

imaginäres Licht erstrahlen wie ein Wiederschein aus einem unendlichen Raum - hintergründig,<br />

verheißungsvoll, magisch. Die Farbpigmente werden grobkörnig aufgetragen, sodaß eine<br />

belebte Oberfläche mit einem flachen Relief entsteht, das <strong>die</strong> Lichtbrechungen verstärkt. Mit<br />

Spatel und Pinselstiel hineingekratze Spuren und Lineamente lassen <strong>die</strong> tieferliegenden<br />

Farbschichten hervortreten und rufen eine frappierende Plastizität hervor, <strong>die</strong> wie ein<br />

malerisches Echo jene tiefe Erschütterung gestaltet, <strong>die</strong> einen ergreifen kann, wenn man sich<br />

wie <strong>die</strong> Malerin von der Endlosigkeit eines Meerblicks und einer grandiosen <strong>mediterrane</strong>n<br />

Landschaft berühren lässt.<br />

Brigitte Hammer<br />

20


Vamos al mar (2003), Mixed Media auf Leinwand, 100 x 130 cm<br />

21


Feinste Abstufungen von Grautönen, wolkig ineinander verschwimmend über den hauchfein<br />

aufgetragenen Farbschichten des Bildgrundes bilden den Fond für <strong>die</strong> mittig gesetzte hoch<br />

aufragende Profilansicht einer weiblichen Gestalt. Zarte Linien fügen sich zu einem Geflecht<br />

von Zweigen mit duftigen Blüten, das <strong>die</strong> untere Bildhälfte beherrscht, sich optisch mit seiner<br />

bewegten Struktur dem Betrachter entgegendrängt, einen Teil des Frauenkörpers bedeckt<br />

und schemenhaft verschwinden lässt. Durch sanfte Schatten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Figur umschweben,<br />

wird der Körper zum Leuchten gebracht, eine rote Aura umgibt den Kopf, setzt einen starken<br />

Kontrast und lenkt den Blick in den oberen Bildteil.<br />

Diese Frau in Landschaft (2003) steht mit ihrer in sich ruhenden Haltung beispielhaft für <strong>die</strong><br />

jüngste Phase im Schaffen der Malerin, <strong>die</strong> durch ihre technisch ausgereifte Brillanz und<br />

einen poetisch-heiteren, gleichwohl kraftvoll-vitalen Ausdruck überzeugt. Die Frauengestalt<br />

beherrscht in ihrer strahlenden Gelassenheit das Zentrum des Bildes; sie wartet - vielleicht<br />

aufmerksam beobachtend, vielleicht träumend, ist verbunden mit ihrem flimmernden Umfeld,<br />

gehalten von einem Gefüge lebhafter Pinselschwünge, <strong>die</strong> der denkende Blick als Astwerk<br />

mit flirrenden Blättern identifiziert und als spannungsvolle Beziehung zwischen Mensch und<br />

Natur versteht.<br />

Brigitte Hammer<br />

22


Frau in Landschaft (2003), Mixed Media auf Leinwand, 121 x 97 cm<br />

23


Frühlingsspaziergang (2004), Mixed Media auf Leinwand, 113 x 73 cm<br />

24


Mauerblümchen (2004), Mixed Media auf Leinwand, 130 x 98 cm<br />

25


Living shadow (2004), Mixed Media auf Leinwand, 130 x 100 cm<br />

26


Wie war ich ? (2004), Mixed Media auf Leinwand, 113 x 73 cm<br />

27


Landscape in Space (2000), Mixed Media auf Leinwand, 120 x 100 cm<br />

28


Der General (2003), Mixed Media auf Leinwand, 130 x 100 cm<br />

29


Mann, aus dem Zyklus Mann - Frau (1995), Mixed Media auf Karton, 118 x 80 cm<br />

Von ganz anderer Ausstrahlung und Eigenart erscheinen<br />

jene Bilder, <strong>die</strong> in den neunziger Jahren<br />

entstanden und noch ganz von einer Auseinandersetzung<br />

mit Figur und Raum geprägt sind. Die<br />

Künstlerin praktizierte seinerzeit ein spezielles, sehr<br />

materialbetontes Malverfahren, in dem sie Stoffetzen,<br />

geriebene Erden, Gräser und Fasern mit<br />

dicken Bindemittelschichten verarbeitete und <strong>die</strong><br />

30


Frau, aus dem Zyklus Mann - Frau (1995), Mixed Media auf Karton, 118 x 80 cm<br />

menschliche Figur bis zur Grenze der Abstraktion<br />

fragmentierte und auflöste, immer aber in einem<br />

komplexen Bildaufbau und raffinierten Kompositionen<br />

Figur und Grund so miteinander verwob,<br />

daß ein lebhaft strukturiertes Gefüge entstand und<br />

vom Schmerz über <strong>die</strong> Vergänglichkeit alles<br />

Gewordenen erzählte.<br />

Brigitte Hammer<br />

31


Mit dem Triptychon „Catwalk” (2002) wird eine<br />

allmähliche Veränderung der Arbeitsweise<br />

bemerkbar: Die Farben werden leuchtender, <strong>die</strong><br />

Kontraste schärfer, <strong>die</strong> Komposition dynamischer.<br />

Alle drei Bilder sind auf grob gewebter Leinwand<br />

gearbeitet und zeigen eine vollständige Frauenfigur<br />

in einer mehr oder weniger stark ausgearbeiteten<br />

Raumsituation und in unterschiedlichen Bewegungspositionen.<br />

Der rechte Flügel des Triptychons setzt den schmalen<br />

Körper mit seinen übertrieben gelängten<br />

Oberschenkeln zeichenhaft flächig vor einen<br />

schimmernd gelben Untergrund, mit stumpfer,<br />

pudrig aufgetragener Farbe. Das Licht fällt frontal<br />

von vorne auf <strong>die</strong> Figur, <strong>die</strong> mit leicht auseinander<br />

gestellten Füßen eine „standfeste” Haltung einnimmt.<br />

Diagonal gesetzte Pinselstriche stürmen auf den<br />

Körper ein und wirken wie spitze Pfeile. Schwarze<br />

und rote Farbflecken erinnern an <strong>die</strong> Farben von<br />

Asche und Blut, sodaß sich bald <strong>die</strong> Erinnerung an<br />

mittelalterliche Darstellungen des heiligen Sebastian<br />

einstellt.<br />

Der mittlere Flügel zeigt eine schreitende Figur auf<br />

blauem Grund, deren vorgesetztes rechtes Bein und<br />

der nach vorne geschobenen linken Schulter eine<br />

Diagonale ins Bild bringt, <strong>die</strong> sich in anderen<br />

diagonalen Linien im Bildraum fortsetzen. Verstärkt<br />

wird <strong>die</strong> Bewegung durch ein Bündel schwungvoller<br />

Pinselstriche, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Figur wie einen Schleier<br />

umspielen und ihr eine selbstbewußte Eleganz<br />

verleihen. Die Frauenfigur im linken Flügel steht vor<br />

einem roten Hintergrund mit einer hinter dem<br />

verdrehten Körper gesetzten Lichtquelle, deren in<br />

den Raum blitzende Reflexe sich als weiße<br />

Schraffuren in der Bildfläche wiederfinden.<br />

Auch wenn der Titel „Catwalk” auf <strong>die</strong> Modeschauen<br />

der Haute Couture verweist, treten <strong>die</strong> drei<br />

Protagonistinnen in den Bildern unbekleidet den<br />

Blicken der Welt entgegen. Doch wirken sie nicht<br />

eigentlich nackt - sie sind zwar ausgeliefert, aber nicht<br />

entblößt. Sie wissen ihr Eigenes zu wahren, mal unter<br />

märtyrerhaften Qualen, mal mit selbstgewissem<br />

Eigensinn. Sie sind zart und kraftvoll, voller Vitalität,<br />

aber verletztlich, schweben linear-zeichenhaft vor den<br />

Bildgründen und sind doch von praller Körperlichkeit.<br />

Brigitte Hammer<br />

32


Catwalk, Triptychon (2002), Mixed Media auf Leinwand, ohne Keilrahmen gehängt, 210 x 260 cm<br />

33


Stadtimpressionen I (2001), aquarellierte Federzeichnung, 33 x 23 cm<br />

34


Stadtimpressionen II (2001), aquarellierte Federzeichnung, 33 x 23 cm<br />

35


Stadtimpressionen IV (2001), aquarellierte Federzeichnung, 33 x 23 cm<br />

36


Stadtlandschaft (2003), aquarellierte Federzeichnung, 50 x 68 cm<br />

37


Statt Traum (2001), Mixed Media auf Karton und Holz, 64 x 75 cm<br />

38


Haus am Meer (2001), Mixed Media auf Karton und Holz, 76 x 72 cm<br />

39


Palmen im Sturm (2001), Mixed Media auf Karton und Holz, 68 x 70 cm<br />

41


Esperanza (2001), Mixed Media auf Holz, 88 x 68 cm<br />

42


Puente (2001), Mixed Media auf Holz, 88 x 68 cm<br />

43


Figur I (2002), aquarellierte Federzeichnung, 46 x 33 cm<br />

44


Figur II (2002), aquarellierte Federzeichnung, 46 x 33 cm<br />

45


Landschaft I (2002), aquarellierte Federzeichnung, 46 x 33 cm<br />

46


Landschaft II (2002), aquarellierte Federzeichnung, 46 x 33 cm<br />

47


Momentaufnahme I (2003), aquarellierte Federzeichnung, 46 x 33 cm<br />

48


Momentaufnahme II (2003), aquarellierte Federzeichnung, 46 x 33 cm<br />

49


Eintänzer (2003), aquarellierte Federzeichnung, 69 x 49 cm<br />

50


Nachtseitenschatten (1999), aquarellierte Federzeichnung, 69 x 49 cm<br />

51


Tagebuch I (2003), aquarellierte Federzeichnung, 69 x 50 cm<br />

52


Tagebuch II (2003), aquarellierte Federzeichnung, 69 x 50 cm<br />

53


<strong>Gabriele</strong> <strong>Laurenz</strong><br />

geboren in Breslau,<br />

aufgewachsen im Berlin der unmittelbaren Nachkriegszeit,<br />

heiratet sie einen niederdeutschen Textil-Fabrikanten<br />

und schenkt zwei Söhnen und einer Tochter das Leben,<br />

stu<strong>die</strong>rt sie an der Meisterschule für Kunsthandwerk in Berlin,<br />

sammelt sie bis 1975 künstlerische Erfahrung in London (2 Jahre) und Paris (3 Jahre).<br />

Von 1975 bis 1995<br />

lebt und arbeitet sie in Kiel, unterbrochen von zahlreichen, jeweils mehrmonatigen<br />

Arbeitsstipen<strong>die</strong>n und Stu<strong>die</strong>nreisen, u.a. USSR (1985), New York und Los Angeles (1988),<br />

Spanien (1995) und Rostock (1996). Zu dem Kieler Atelier kommen ein Atelier in<br />

Berlin (1991) und Hamburg (1995) hinzu.<br />

Seit 1998<br />

lebt und arbeitet sie <strong>die</strong> meiste Zeit auf Ibiza und in Berlin.<br />

www.gabrielelaurenz.de<br />

54


Projektarbeiten<br />

1995 bis 1997<br />

Entwicklung und Realisierung des<br />

Kulturprojektes<br />

auf dem Strich – Arbeiten zur<br />

Prostitution,<br />

in Zusammenarbeit mit zahlreichen<br />

Künstlerinnen,<br />

unterstützt von den Kultusministerinnen<br />

von Schleswig Holstein und Mecklenburg<br />

Vorpommern sowie Kulturstiftungen und<br />

kommunalen Einrichtungen,<br />

mit Projekt-Ausstellungen in<br />

- Kiel (Sophienhof)<br />

- Schwerin (Schleswig-Holstein Haus)<br />

- Pinneberg (Landdrostei)<br />

- Rostock (Galerie am Alten Markt)<br />

- Wismar (Stadtgeschichtliches Museum)<br />

- Lübeck (Burgkloster)<br />

(Ausstellungskatalog* ISBN 3-927979-45-7).<br />

1976 bis 1986<br />

Konzeptionelle Gestaltung,<br />

Regieassistenz und Darstellerin in<br />

Kurzspielfilmen, u.a. in Zusammenarbeit<br />

mit Fritz Gilow, Holger Henze und<br />

Raffael Rheinsberg:<br />

- Der Objektivist (1976)<br />

- Bildmontagen (1980)<br />

- Der vierte Gesang (1986)<br />

Einzelausstellungen (Auswahl)<br />

1985 Galerie Club 68, Kiel<br />

<strong>Art</strong> <strong>Gallery</strong>, Luxemburg<br />

Alter Weserhof, Bevern Forst<br />

1986 Galerie Peschken, Krefeld<br />

Kulturverein Wolkenstein,<br />

Minden<br />

1987 Künstlerhaus, Kiel<br />

1988 Galerie Peschken, Krefeld<br />

1989 Universitätskirche, Kiel<br />

1990 Sender Freies Berlin<br />

1992 Referat für Frauen, Kiel<br />

Petruskirche Lichterfelde, Berlin<br />

1993 Städtische Galerie “<strong>die</strong> Welle”,<br />

Iserlohn<br />

1994 Performance Die schöne Müllerin<br />

im Sophienhof, Kiel<br />

1995 Fachhochschule für Sozialarbeit,<br />

im Rahmen der<br />

Frauenhochschulwoche, Kiel<br />

1996 Galerie K1, Hamburg<br />

1998 Künstlerhaus, Kiel<br />

Galerie Libro Azul, Ibiza<br />

2002 Referat für Frauen, Kiel<br />

2004 Güby <strong>Art</strong> <strong>Gallery</strong>**, Güby<br />

Gruppenausstellungen (Auswahl)<br />

1987 Frauen sehen Männer:<br />

- Villa Ichon, Bremen<br />

- Frauenmuseum, Bonn<br />

- Ateliergemeinschaft 15 Künstler,<br />

Lübeck<br />

1988 Kulturzentrum Gasteig, München<br />

1992 Weekend – Galerie, Berlin<br />

1993 Kunst in der Staatsanwaltschaft,<br />

Lübeck<br />

1997 Auf dem Strich, Ausstellungen in<br />

6 Städten (siehe Projektarbeiten)<br />

1998 CAP, Kiel<br />

2001 Neue Schule Wasserkoog,<br />

Wasserkoog / Eiderstedt<br />

2002 Noche Del <strong>Art</strong>e, Ibiza<br />

2003 El Centre Cultural De San Juan,<br />

Ibiza<br />

2004 Noche Del <strong>Art</strong>e, Ibiza<br />

*kann auch über Güby <strong>Art</strong> <strong>Gallery</strong> bezogen werden<br />

**www.gubyart.com<br />

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