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S T A R W A R S<br />

W H A T L I E S B E N E A T H<br />

<strong>Version</strong> 1.2<br />

von Ihu la Seraphita, 2004-2008<br />

[ihuthiel@web.de] [laseraphita.livejournal.com]<br />

2


KURZBESCHREIBUNG<br />

Die Krise im Meridian-Sektor ist endlich beigelegt und Seti Ashgad<br />

in seine Schranken gewiesen. Für Talon Karrde und seine Schmugglerallianz<br />

jedoch bleiben es turbulente Zeiten. Piraten überfallen<br />

immer wieder Frachtschiffe der Gilde und erbeuten damit wertvolle<br />

Fracht. Um die Verteidigung seiner Schiffe aufzustocken entsendet<br />

Karrde seine Assistentin, Mara Jade, nach Ord Mantell.<br />

Nach und nach wird Mara in ein Netz aus Lügen und Intrigen<br />

gezogen, die bereits viele Jahre zuvor ihren Anfang nahmen – und<br />

sie zurück in ihre eigene Vergangenheit führen…<br />

ZEITLINIE<br />

13 NSY (Neue Republik)<br />

WARNUNGEN<br />

Gewalt, Mord, Szenen mit sexuellem Inhalt<br />

RATING / FREIGABE<br />

PG-13, FSK 12<br />

DISCLAIMER<br />

Dieses Werk basiert auf Figuren und Handlungen von Krieg der<br />

Sterne. Krieg der Sterne, alle Namen und Bilder von Krieg-der-<br />

Sterne-Figuren und alle anderen mit Krieg der Sterne in Verbindung<br />

stehenden Symbole sind einge-tragene Markenzeichen und/oder<br />

unterliegen dem Copyright von Lucasfilm Ltd.<br />

3


DRAMATIS PERSONAE<br />

AVARICE RINZA; Pirat, Pirate of the Perlemian (Mensch)<br />

BITHRAS MARJUMDAR; Kaufmann (Mensch)<br />

CASSEIA MATALE MARJUMDAR; Hausfrau (Mensch)<br />

ENYTH KOSTRYKA; Pirat, Pirate of the Perlemian (Twi'lek)<br />

ELASHIAR SELVA; Jedi-Ritter (Nautolan)<br />

ILYA JADE; Kaufmann (Mensch)<br />

IYLDIC; Bordadministrator, Daybreak (Twi'lek)<br />

KYLE KATARN; Jedi-Ritter (Mensch)<br />

LANDO CALRISSIAN; Geschäftsmann (Mensch)<br />

LAZ CARHIAN; Pirat, Pirate of the Perlemian (Mensch)<br />

LUKE SKYWALKER; Jedi-Meister (Mensch)<br />

MARA JADE; Agentin der Schmugglerallianz (Mensch)<br />

MAY LYNN MONTROSS; Piratin, Pirate of the Perlemian (Mensch)<br />

ORIANNA MATALE; Erbin (Mensch)<br />

RAJASTA DJAE; Captain, Imperialer Agent (Mensch)<br />

SARZAMIN SAIA; Händlerin (Mensch)<br />

SEENA SANDRAL; ein Mädchen (Mensch)<br />

SHIRLEE FAUGHN; Captain, <strong>Star</strong>ry Ice (Mensch)<br />

5


- INHALT -<br />

1: DEEP DRIVE (Prolog) Seite 13<br />

2: MAGICAL MYSTERY Seite 24<br />

3: ARTIFICAL HALLUCINATION Seite 41<br />

4: A DIVE INTO THE HEART Seite 70<br />

5: DEARLY BELOVED Seite 98<br />

6: CRIES IN THE DARK Seite 122<br />

7: A FLOWER OF CARNAGE Seite 158<br />

8: FRAGMENTS OF SORROW Seite 193<br />

9: TREASURED MEMORIES (Epilog) Seite 235<br />

10: NACHWORT Seite 240<br />

11: ANHANG Seite 243<br />

7


ES WAR EINMAL VOR LANGER ZEIT IN<br />

EINER WEIT, WEIT ENTFERNTEN GALAXIS<br />

11


Luke rührte sich nicht vom Fleck. »Ich weiß, dass du dich nicht sehr<br />

gut an deine Vergangenheit erinnerst«, sagte er leise. »Wenn du<br />

mich fragst, ich weiß genau, wie du dich fühlst.«<br />

»Danke«, grollte Mara. »Das ist mir wirklich eine große Hilfe.«<br />

»Möchtest du die Vergangenheit zurück gewinnen?«<br />

Sie sah ihn skeptisch an; plötzlich wallten widerstreitende Gefühle<br />

in ihr auf. »Was willst du damit sagen?«<br />

»Es gibt Techniken, mit denen Jedi verschüttete Erinnerungen<br />

ausgraben können«, erklärte er. »Und du könntest eine Jedi sein,<br />

Mara. Du könntest eine mächtige Jedi sein.«<br />

(Timothy Zahn, »Der Zorn des Admirals«)<br />

13


1: DEEP DRIVE<br />

P r o l o g<br />

RAUCH, DRECK, DÜSTERNIS UND DER ALLES BESTIMMENDE GERUCH VON<br />

Treibstoff. Das waren die vier Stichworte, die ihr als erstes einfielen,<br />

wenn sie eines der vielen Schankhäuser auf Ord Mantell betrat. Und<br />

zu jener Cantina, deren Eingang mit bunten Leuchtreklamen<br />

dekoriert war, passte diese Beschreibung ohne jeden Zweifel. Nur<br />

ein kurzer Blick in die Runde genügte der attraktiven rothaarigen<br />

Frau, um die Situation im Junk Palace zu überschauen: Die Theke<br />

war der Schauplatz eines allgemeinen Saufgelages; wer nicht von<br />

dort wich, war bereits im Suff vergammelt. Wenige hatten es jedoch<br />

eilig wegzukommen, manche davon unauffällige Droiden, die<br />

Getränke aller Art für Spezies aller Art in die kleinen, dunklen und<br />

verschwiegenen Nischen brachten.<br />

Fahle Lichter schimmerten durch den Dunst der Kneipe.<br />

Lichter von Spielkarten.<br />

Sieh mal an, ein kleines, illegales Casino! Wie kuschelig, dachte sie<br />

belustigt. Dennoch war sie nicht besonders überrascht.<br />

Einen Moment blieb sie am Fuß der Treppe vor dem Eingang<br />

stehen und nahm noch einmal einen tiefen Atemzug der von<br />

fremden Düften geschwängerten Luft.<br />

Mara Jade befand sich in einem der Außenbezirke der<br />

Hauptstadt zwischen den ausgedehnten Schrottplätzen des Planeten<br />

und dem Ten Mile Plateau. Der Dunst, der vom Ödland ausging<br />

15


schien sogar bis in die letzte Nische dieser Cantina zu dringen. Doch<br />

Mara gab sich große Mühe, ihn zu ignorieren.<br />

Sie war im Auftrag von Talon Karrde und der Schmugglerallianz<br />

hier und hatte vor weniger als vier Stunden sie ein paar neue<br />

Sensorsysteme für ihre Kampfschiffe auf die Jade’s Fire verladen.<br />

Anschließend hatte ihre Suche nach neuen Abfangsystemen für die<br />

Wild Karrde sie auf dem Schrottplatz, doch der Ärger, den sie in<br />

letzter Zeit immer wieder mit Piratenbanden hatte, machte derartige<br />

Strapazen unvermeidlich.<br />

Ihre Suche war jedoch nicht besonders erfolgreich gewesen. Erst<br />

nach einem längeren HoloCom-Gespräch hatte Karrde ihr<br />

versichert, dass er einen Kontakt zu einem ominösen Subjekt<br />

herstellen konnte, das ihnen in dieser Beziehung sicher weiter helfen<br />

konnte. Er sollte angeblich momentan ein sehr florierendes Geschäft<br />

in diese Richtung betreiben. Das war vor etwa 3 Stunden gewesen.<br />

Einige Zeit später hatte Karrde sie erneut kontaktiert und ihr<br />

mitgeteilt, dass ihr Kontaktmann sich östlich des Schrottplatzes und<br />

dessen Müllverbrennungsanlagen aufhielt und durch die Kneipen<br />

tingelte. Also hatte sich Mara an seine Fersen geheftet und fast<br />

weitere zwei Stunden damit zugebracht, jeden verdächtig<br />

aussehenden Geschäftsmann zu überprüfen, der ihren Weg kreuzte<br />

– jedoch ohne Erfolg. Sie musste gestehen, dass es ihr langsam auf<br />

die Nerven ging, sich in jeder Kneipe umsehen zu müssen, selbst<br />

wenn ihre Jedi-Sinne ihr die Arbeit ein wenig erleichterten.<br />

Und diese Spelunke hier gehört wohl zu den schlechtesten, die<br />

Mara bisher betreten hatte. Sie war wahrscheinlich sogar noch<br />

schlimmer also so manches Lokal, dass sie in den unteren Ebenen<br />

von Coruscant besucht hatte, um ihre Geschäfte abzuwickeln. Aber<br />

es wurde Zeit, sich wieder der Arbeit zu widmen!<br />

Mara brachte unter dem weißen Mantel eine Hand zum<br />

Vorschein und warf einen Blick auf das Chronometer an ihrem<br />

Handgelenk.<br />

22 Uhr, Standardzeit.<br />

Sieht so aus, als käme ich wohl pünktlich zur Prime Time, schoss es<br />

ihr durch den Kopf. Das könnte lustig werden!<br />

16


Sich der Macht bedienend, sah sie sich etwas eingehender in den<br />

Nischen um. Viele menschliche und nichtmenschliche Präsenzen<br />

streiften ihre Sinne, manche davon mehr oder weniger bekannt. Sie<br />

fühlte zum Beispiel die Präsenz der drackmanischen Kriegsherrin<br />

Omogg, einer berühmten und reichen Spielerin. Sie saß am anderen<br />

Ende der Bar und atmete wie üblich Methan durch ihren dichten<br />

Helm. Ihr gegenüber saßen zwei Gotal, ein Bothan und ein<br />

Rodianer. Mehrere Twi'leks gruppierten sich schaulustig um die<br />

Spielerrunde.<br />

Unwillkürlich lächelte Mara und legte ebenso unwillkürlich<br />

unter dem Mantel eine Hand an die Gürteltasche, wo etwa eine<br />

halbe Million Credits ruhten. Die bescheidene Summe, welche sie<br />

für die neuen Abwehrsysteme verwenden würde.<br />

Nein, noch nicht, sagte sie sich. Noch nicht!<br />

Nachdem sie mit ihrer Überprüfung fertig war und ihre Sinne<br />

sich wieder fokussiert hatten, trat sie zu den Menschen und<br />

Nichtmenschen an der Bar, drängelte sich dazwischen und hob die<br />

Hand.<br />

Ein Humanoide mit türkisfarbener Haut tauchte unmittelbar vor<br />

ihr auf. Seine grünbraunen Augen schienen im Dämmerlicht zu<br />

glühen und die schummrige Beleuchtung der Cantina<br />

zurückzuwerfen wie polierter Kristall.<br />

»M-Meine D-D-Dame, wie k-k-k-kann ich Ihnen he-he-helfen?«,<br />

sagte er in gebrochenem Basic und musterte sie eingehend.<br />

Klasse, ein Barkeeper mit Sprachfehler!<br />

»Ein Mal...« Sie warf einen flüchtigen Blick auf eine verschmierte<br />

Tafel über dem Tresen, dann wieder auf den Barkeeper. »Corellianischen<br />

Brandy.«<br />

»Ein sehr st-st-st-starkes Getränk!« sagte der Barkeeper. »Ein D-<br />

d-d-d-doppelter-r?!«<br />

Mara nickte schlicht, sagte aber nichts.<br />

Gerade in diesem Moment drang ein weiterer, sehr betrunkener<br />

Rodianer durch die Menge an der Bar und säuselte eine Bestellung,<br />

bevor er Mara von ihrem Platz verdrängen wollte. Ein grunzte ihr<br />

eine niveaulose Bemerkung entgegen, von der sie nicht ganz sicher<br />

war, ob der Rodianer sie schmeichelhaft meinte oder nicht. Doch<br />

17


Mara machte sich noch nicht einmal die Mühe, ihren Blaster aus<br />

dem Halfter an ihrem Unterarm zu ziehen: gekonnt hob sie einen<br />

Arm und traf mit ihrem Ellbogen die rüsselartige Schnauze des<br />

Rodianers, der ermattet nach hinten sank und verschwand.<br />

Der humanoide Barkeeper pfiff durch seine spitzen Zähne.<br />

»Sie sind wir-wirklich ri-ri-risikofreudig, junge D-D-Dame!«<br />

Dann machte er sich an die Arbeit, goss den Brandy ein und<br />

richtete Maras Getränk her.<br />

Sie lehnte sich lässig gegen die Theke und betrachtete<br />

gelangweilt die blasse Leuchtschrift über der Bar, die Werbung aller<br />

Art darbot. Ihre Gedanken richteten sich mit dem Klirren ihres<br />

Glases, als es vor ihr auf die Theke geknallt wurde, wieder auf den<br />

Barkeeper. Mara öffnete den Mund um etwas zu antworten, als sie<br />

eine dunkelhäutige, menschliche und gepflegte Männerhand auf<br />

ihrer Schulter spürte und jemand rief: „Den bezahle ich!“<br />

Eine Creditmünze flog an Maras Gesicht vorbei zum Barkeeper<br />

und im selben Augenblick wusste sie mit unumstößlicher Sicherheit,<br />

wer ihr Gönner war. Sie wirbelte herum.<br />

»Calrissian!« rief sie aus, als sie sein Gesicht fixierte. »Was, bei<br />

allen Sternen, machen Sie denn hier?«<br />

Mit einem für ihn so typischen charmanten Lächeln hob Lando<br />

Calrissian ihre Hand und küsste diese sanft. »„Ich freue mich auch<br />

Sie zu sehen, Mara«, erwiderte er.<br />

Nach dem ersten Schock beruhigte sich ihre Miene und sie setzte<br />

ein herausforderndes Lächeln auf.<br />

»Sie wollen wohl wieder versuchen mich rumzukriegen, was,<br />

Calrissian?« fragte sie und hob eine Augenbraue. »Na los, sagen Sie<br />

schon, wie Sie mich gefunden haben!«<br />

Calrissian runzelte verwirrt die Stirn und studierte einen<br />

Augenblick ihr Gesicht. »Komisch, irgendwie hatte ich den<br />

Eindruck, Sie hätten mich gefunden!«<br />

Nun war es an Mara, sehr verwirrt drein zu blicken! Doch sie<br />

gewann schnell wieder die Kontrolle. Und dann dämmerte es ihr…<br />

»Sagen Sie bloß nicht, dass Sie Karrdes Kontaktmann sind?«<br />

fragte sie und unterdrückte ihre Frustration. Warum hatte Karrde<br />

18


ihr das nicht sofort gesagt? Ein Mann wie Calrissian war wesentlich<br />

leichter zu finden, als ein großer Unbekannter.<br />

»Nun, ich fürchte, es ist ein wenig schwieriger, aber im Grunde<br />

bin ich ihr Kontaktmann, ja«, begann Calrissian und führte Mara<br />

sanft von der Bar weg. Seine Hand glitt sanft über ihre Schultern<br />

und den Rücken hinab. Doch er blieb höflich. »Allerdings ich bin<br />

eher der Kontaktmann des Kontaktmannes.«<br />

Er machte eine kurze Pause und spähte über seine Schulter, als<br />

wolle er sichergehen, dass ihnen niemand zuhören konnte. Dann<br />

zogen sie sich in eine der hinteren Nischen zurück und Mara sank<br />

auf die Bank, die in die Wand eingearbeitete worden war. Calrissian<br />

stellte gerade ihre Getränke auf dem Tisch ab, als Mara die<br />

Verschlüsse ihres Mantels löste und diesen dann von ihren<br />

Schultern gleiten ließ.<br />

„Einer meiner Arbeiter sollte mich über die Schiffe und deren<br />

Besitzer informieren, die momentan auf Ord Mantell angelegt<br />

haben. Schließlich muss man immer ein Auge auf die Konkurrenz<br />

haben und noch mehr auf seine potentiellen Kunden. Jedenfalls fand<br />

ich auf der Liste in meinem Datapad die Jade’s Fire und da war mir<br />

klar, dass Sie nicht weit sei konnten, oder? Und einen kurzen Anruf<br />

bei Karrde später wusste ich auch, was Sie hier wollen!“<br />

„Und voll ritterlichem Edelmut haben Sie entschlossen, der<br />

hilflosen Maid beizustehen?“ fragte Mara sarkastisch. Gleichwohl<br />

bemerkte Calrissian hinter ihren Worten die Saat des verletzten<br />

Stolzes, doch sein freundliches Lächeln blieb unverändert und seine<br />

weißen Zähne schimmerten im gedämmten Schwarzlicht der Bar.<br />

„Ritterlicher Edelmut?“ fragte er mit einer Spur von Belustigung.<br />

„Unsere Namen beginnen zwar mit dem gleichen Konsonanten, aber<br />

noch haben Lukes Ideale nicht zu sehr auf mich abgefärbt! Nein, ich<br />

habe Karrde selbst ein Geschäft unterbreitet. Nennen wir es einen<br />

Tauschhandel. Die Technologie nach der Sie suchen, ist nicht nur<br />

äußerst effektiv, sondern auch kostspielig und sicher nicht in einem<br />

galaktischen Loch wie Ord Mantell zu finden. Im Allgemeinen<br />

haben nur wenige Auserlesene überhaupt das Wissen über diese<br />

Neuerungen in der Schädlingsbekämpfung, wenn Sie verstehen, was<br />

ich meine. Nicht jeder dahergelaufene Freihändler wird in den Kreis<br />

19


der Eingeweihten aufgenommen. Und mit ihren Marktvoraussetzungen<br />

kann sich M. L. M. Engineering das auch leisten. Es tut mir<br />

außerordentlich leid, dass man Sie nicht zuvor darüber informiert<br />

hat.“<br />

„Ich hoffe nur, dass das, worüber wir jetzt sprechen werden, all<br />

die Unannehmlichkeiten vergessen macht“, kommentierte Mara und<br />

nippte an der bräunlichen Flüssigkeit, die wie Sirup am Glas zu<br />

haften schien. Ihr Gegenüber betrachtete ihr Gesicht über den Rand<br />

seines Bechers hinweg. Mara konnte sehen, wie sich seine<br />

Mundwinkel vage in die Höhe zogen.<br />

„Nun, ich denke, dass wir uns sehr einig sein werden!“<br />

DIE FÄULNIS IN DER SPELUNKE WAR KAUM ZU ERTRAGEN UND ALS EINE<br />

Gruppe dürrer Twi'lek-Mädchen an der rückwärtigen Seite des Junk<br />

Palace zu altmodischer Jizz-Musik zu tanzen begannen, kochten<br />

auch die Körpersäfte der vielen Spezies auf und ließen May<br />

angewidert die Nase rümpfen.<br />

Wie schon so oft an diesem Abend fragte sie sich, wie sie sich<br />

nach den Jahren harter, militärischer Ausbildung und unzähligen,<br />

ehrenvollen Einsätzen an einem Ort wie diesem wieder finden<br />

konnte. Eine imperiale Garnison voller gelangweilter Sturmtruppler<br />

und deren sexistische Vorgesetzte, wäre ihr lieber als der armselige<br />

kleine Mann mit seinen zwei gamorreanischen Leibwachen am<br />

Nebentisch, der nun zum dritten Mal versuchte, sie als Bettgespielin<br />

für eine Nacht zu gewinnen. Laz und Avarice, die beiden Kerle, die<br />

man ihr als Begleitschutz und Tarnung zur Seite gestellt hatte,<br />

erwiesen sich nicht gerade als eine große Hilfe. Beide hatten dem<br />

Gizerbier schon reichlich zugesprochen und zählten mittlerweile<br />

ihre übrigen Credits.<br />

„’Ne gute Runde Sabacc un’ wir könn’n uns vom Gewinn ’ne<br />

Flasche vom gut’n ylesianisch’n Rum kauf’n!“ nuschelte Avarice.<br />

Laz grunzte betrunken eine Erwiderung.<br />

„Den blutrot’n?“<br />

„Jupp, den blutrot’n Rum!“<br />

Flachzangen! dachte sie.<br />

20


May seufze stumm und wandte ihren Blick wieder auf die Bar.<br />

Sie streckte die Beine aus und legte die Füße auf einen Hocker, doch<br />

entspannte sie ihre Muskeln keine Sekunde. Man konnte nie<br />

vorsichtig genug sein. Ihr schwarzer, mit mikroskopisch-feinen<br />

Plastahlfäden durchwirkter Eriadu-Lederanzug schimmerte silbrig<br />

in der dumpfen Beleuchtung und wildes, rabenschwarzes Haar<br />

umrahmte ihr lang gezogenes Gesicht. Ihre blasse Haut, die hohen<br />

Wangenknochen und nicht zuletzt ihre lange dünne Nase verliehen<br />

May einen Ausdruck disziplinarischer Strenge, die schon so<br />

manchen das Fürchten gelehrt hatte. Und wenn ihr Verehrer am<br />

Nebentisch nicht bald Ruhe gab, würde auch er herausfinden wie<br />

tödlich sie sein konnte.<br />

Doch dann wurde all ihre Frustration mit einem Male beiseite<br />

gewischt. Als hätte man ihr pures Adrenalin injiziert, zuckten ihre<br />

Muskeln nervös und voller Energie. Es rang ihr einige Mühe ab,<br />

trotz alledem ruhig sitzen zu bleiben.<br />

Da war sie, voller Stolz und Anmut, wie sie die Cantina betrat<br />

und sich das rotgoldne Haar zurückwarf. Es war mehr als zwölf<br />

Jahre her, dass May sie zuletzt gesehen hatte, aber Mara Jade hatte<br />

sich seither kaum verändert. Zwar vermochte May selbst durch die<br />

trügerischen Schatten zu erkennen, dass Mara an Reife gewonnen,<br />

aber nichts von der würdevollen Eleganz verloren hatte, mit der sie<br />

schon früher auf Coruscant herumgeschlichen war.<br />

Mara sah sich um und als May die Intensität des Blickes beinahe<br />

greifen konnte, bündelte sie ihre Gedanken und richtete sie zu einer<br />

mentalen Barriere nach innen, um ihre Gedanken vor Jades Zugriff<br />

zu schützen. Zur Bewerkstelligung eines solchen Geistestricks<br />

musste man nicht einmal ein Jedi sein.<br />

„Hey, May!“ rief Avarice und wischte sich vergeblich den<br />

Bierschaum aus dem Bart. „Willste das noch trinken?“<br />

Er deutete mit einer verschmutzten Hand auf ein Glas billigen<br />

Wein, das vor May auf dem Tisch stand. Sie hielt sich seit fast 2<br />

Stunden daran fest, verspürte jedoch keinen Durst.<br />

„Nur zu!“ sagte sie leichthin und wedelte abwertend mit einer<br />

behandschuhten Hand. Und kaum, dass sie sich versah, leerten die<br />

beiden auch schon den Becher.<br />

21


Als sie wieder zu Mara sah, hatte diese gerade Gesellschaft<br />

bekommen.<br />

Gut. Calrissian hatte Mara also gefunden. Sehr gut.<br />

Als sich die beiden auf der anderen Seite ebenfalls in eine der<br />

Nischen zurückziehen wollten, befürchtete sie einen flüchtigen<br />

Moment lang, das Warten und die sorgfältige Vorbereitung wären<br />

umsonst gewesen. Von hieraus würde sie niemals erfahren, über<br />

was genau sie nun sprechen würden. Doch dann schob sich die<br />

mäßige Gestalt von Omogg durch ihr Sichtfeld und May hatte eine<br />

Idee.<br />

Wortlos schwang sie die Beine vom Hocker und stand auf,<br />

worauf Avarice und Laz sich überrascht verschluckten.<br />

„Braucht ihr das noch?“ fragte sie und griff im selben Augenblick<br />

schon nach den Credits, die die beiden auf dem Tisch ausgebreitet<br />

hatten. Sprachlos sahen sie zu, wie May sich das Geld nahm,<br />

hinüber ging und sich an einen Tisch direkt neben Maras Nische<br />

setzte.<br />

„Du! Droide!“ rief sie barsch und die gesellige Spielerrunde sah<br />

zu ihr auf, „Ich spiele! Wie hoch ist der Einsatz?“<br />

Sie zog einen Stapel elektronischer Sabacc-Karten aus der Tasche<br />

und legte sie neben das Interferenzfeld des Tisches. Der<br />

Kartengeben-Droide klickte mehrmals und teilte durch einen<br />

elektrischen Impuls die Werte der Karten aus. Und dann wurde<br />

gespielt.<br />

Allerdings versäumte May es keine Sekunde, ein Ohr offen zu<br />

halten und das Gespräch der beiden am Nachbartisch bis in die<br />

späte Nacht zu verfolgen.<br />

IN DIESER NACHT WAR MARA NICHT MEHR ZUR RUHE GEKOMMEN.<br />

Nach dem Treffen mit Calrissian war sie zur Landbucht der Jade’s<br />

Fire zurückgekehrt, immer noch aufgekratzt von den Ereignissen<br />

des Tages. Und anstatt zu schlafen hatte sie ihr Schiff startklar<br />

gemacht und Kontakt zur <strong>Star</strong>ry Ice aufgenommen, die im entfernten<br />

Orbit um einen der Monde von Ord Mantell kreiste.<br />

22


Faughn und der Rest der Crew schienen es zu begrüßen, dass<br />

Mara bald wieder zu ihnen stoßen würde, doch hatte diese ihre<br />

weiteren Pläne noch nicht enthüllt. Sie konnte sich gut vorstellen,<br />

dass alle an Bord darauf spekulierten zur Heimbasis zurück zu<br />

kehren, um danach für die getane Arbeit bezahlten Urlaub zu<br />

bekommen. Aber dem war nicht so. In der Tat war Mara mit<br />

Calrissian übereingekommen, auch wenn sie einige Verhand-lungen<br />

hatten führen müssen.<br />

Lando hatte ihr im Junk Palace enthüllt, dass er gegenwärtig mit<br />

einem kleineren Konvoi von Schiffen im System K11-J17RTS<br />

operierte. Offenbar baute er – ähnlich wie auf Bespin und Nkllon –<br />

ein Metall ab, das sich in diesem entlegenen Outer Rim-System fand.<br />

Nebenbei erwähnte er, dass er dies für ein Projekt auf Coruscant<br />

brauchte, ging jedoch nicht weiter darauf ein. Vielmehr drehte sich<br />

ihr Gespräch um einen gewissen Meelam – denn so hatte er den<br />

Inhabern und leitenden Ingenieur von M.L.M. Engineering betitelt.<br />

"Keine Ahnung, wofür die Initialien stehen. Wahrscheinlich leiten<br />

sie sich einfach aus seinem Namen ab", hatte Lando mit einem<br />

Schulterzucken angefügt. Anscheinend wusste niemand so genau,<br />

wer sich hinter diesem Namen verbarg, Calrissian wusste wohl nur<br />

soviel, dass diese ominöse Person neuerdings an eine Menge Geld<br />

gekommen war und damit die Hardware und Software-Bestände<br />

kleinerer Programmier-Firmen aufgekauft hatte und diverse gängige<br />

Technologien auf so effektive Weise miteinander verknüpfte, dass<br />

ein engmaschiges Verteidigungsnetz entstand. „Ja, ähnliche<br />

Informationen hat man mir auch vorgelegt, aber hat das mit dem<br />

erlesenen Kundenstamm zu tun, den Sie eben erwähnt haben,<br />

Calrissian?“ hatte Mara gefragt.<br />

Es schien wohl eine Firmentradition zu sein, dass sich Meelam<br />

seine Kunden aussuchte, und nicht umgekehrt. Er wollte<br />

offensichtlich genau wissen, wer seine Produkte verwendete,<br />

angeblich, um Nachahmern auf die Schliche zu kommen. Mara war<br />

in diesem Moment klar geworden, dass dieser Auftrag etwas mehr<br />

Zeit in Anspruch nehmen würde, als sie gehofft hatte, doch sie hatte<br />

sich schnell damit abgefunden. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie<br />

einen Umweg in Kauf nehmen musste, um ihren Auftrag zu<br />

23


eenden. Außerdem hatte sie noch niemals jemanden enttäuscht,<br />

weder Palpatine, noch Karrde und sie würde jetzt nicht damit<br />

anfangen.<br />

„Wir haben kürzlich ähnliche Anlagen von ihm erstanden“, hatte<br />

Calrissian mit schicksalsschwerer Stimme erklärt, während er noch<br />

ein Getränk für Mara geordert hatte, „allerdings stellte er<br />

Anforderungen, die nicht immer monetärer Natur sein müssen.<br />

Aber entweder Sie lassen sich auf seine Bedingungen ein oder sie<br />

können wieder nach hause fahren. Seine Kaufverträge laufen nur<br />

nach seinen Regeln.“<br />

„Schön und gut“, sagte Mara und hatte ihn ins Auge gefasst,<br />

„aber wo kommen Sie da ins Spiel?“<br />

Eigentlich hatte sie sich schon denken können, was Calrissian<br />

sagen wollte, aber sie wollte ihm die Illusion lassen, dass er sie noch<br />

mit seinem Wissen beeindrucken konnte.<br />

Calrissian hatte daraufhin ein verschlagenes Grinsen aufgesetzt.<br />

„Nun, ich könnte Karrde und Ihnen den Gefallen tun, und Ihnen<br />

den Kontakt zu M.L.M. Engineering herstellen. Schließlich habe ich<br />

mich als zuverlässiger Kunde herausgestellt!“<br />

„Und was erwarten Sie für eine Gegenleistung?“<br />

Calrissians Grinsen war breiter geworden und seine weißen<br />

Zähne schienen im Dämmerlicht gerade zu leuchten.<br />

„Ein kleines Geschäft. Wie ich schon sagte: Ein Tauschhandel!“<br />

„Mit wem?“ hatte sie nach gehakt. „Karrde?“<br />

„Ich liefere ihm Meelam und im Gegenzug bekomme ich ein<br />

bisschen Rabatt auf einige seiner Waren – und das uneingeschränkte<br />

Recht, Ihrer Zusammenkunft mit Meelam beizuwohnen.“<br />

Mara musste zugeben, dass er sie doch noch verblüffen konnte.<br />

Allerdings war sie sich sicher, dass Calrissian doch einen<br />

Hintergedanken gehabt hatte, denn wenig später hatte er sie<br />

gebeten, mitsamt ihrer Crew sein neues Projekt zu besichtigen und<br />

sein Flaggschiff Daybreak gleichzeitig als neutralen Ort für ein<br />

Treffen mit M.L.M. Engineering zu nutzen. Keine schlechte Idee,<br />

doch wenn sie genauer darüber nachdachte, würde Lando die<br />

gemeinsame Zeit wohl für neuerliche Annäherungsversuche nutzen.<br />

Daher konnte Mara sein privates Flaggschiff kaum als neutralen Ort<br />

24


ezeichnen. Es entlockte ihr ein Lachen, wenn sie sich ausmalte, wie<br />

Calrissian sich um ihr Wohl sorgen würde, aber auch der Gedanke<br />

an die verdutzten Gesichter ihrer Mannschaft amüsierte schon jetzt.<br />

Ein helles Aufleuchten neben dem CommUnit lenkte ihre<br />

Aufmerksamkeit wieder zurück in das Hier und Jetzt. Per<br />

Knopfdruck öffnete sie den Komkanal, durch den auch sogleich die<br />

kratzte Stimme eines Nichtmenschen ächzte, der ganz offensichtlich<br />

Mühe damit hatte, Basic zu sprechen.<br />

„<strong>Star</strong>terlaubnis erteilt“, donnerte und dröhnte die Stimme aus<br />

dem Lautsprecher und verging dann röchelnd, ehe Mara noch etwas<br />

erwidern konnte.<br />

Ihr war es recht, also aktivierte sie die Repulsoren und ließ die<br />

Jade’s Fire sanft vom Boden abheben und dann in den rotbraun<br />

getränkten Morgenhimmel über Ord Mantell aufsteigen.<br />

25


2: MAGICAL MYSTERY<br />

„ICH BIN, IN DER TAT, BEEINDRUCKT!” SAGTE MARA ZU LANDO, NUR<br />

wenige Tage nachdem die Jade’s Fire auf dem Weg zu ihrem<br />

geheimen Treffen zusammen mit der <strong>Star</strong>ry Ice über Ord Mantell in<br />

den Hyperraum gesprungen war.<br />

Auch wenn die Crew Maras Befehlen anfangs nur äußerst<br />

widerwillig Folge geleistet hatte, war das Gejammer schon bald nach<br />

ihrer Ankunft verstummt. Und in jenem Moment, da Mara das<br />

Treiben von Calrissians Privatflotte durch die verstärkten<br />

Plastahlfenster der Brücke betrachtete, erfreuten sich Karrdes<br />

Schmuggler an exotischen Getränken und der amüsanten<br />

Gesellschaft der zweiten Besatzung der Daybreak.<br />

Landos Flotte schwebte zurzeit zwischen drei Sternen dahin,<br />

deren Licht von farbintensiven Nebeln überschattet wurde. Das<br />

leuchtende Rot, Gelb und Grün der fernen Nebel vermischte sich zu<br />

einem Farbenspiel, das beinahe romantisch wirkte. Überall glänzten<br />

und glitzerten Gesteinsbrocken und Felsen wie kleine Sterne, bis sie<br />

von Landos Sammler-Schiffen aufgelesen und stumm davon<br />

getragen wurden. Der dichte Sternenstaub war, wie Lando ihr<br />

erklärt hatte, der Rest einer bereits Jahrhunderte alten Supernova,<br />

deren Nachwirkungen noch immer fortlebten.<br />

Die Strahlung und nicht zuletzt die undurchdringlichen Nebel<br />

ließen das Projekt unter dem Deckmantel der Diskretion<br />

verschwinden. Ohne Landos genaue Anweisungen hätten Karrdes<br />

Schmuggler nicht einmal den einen Pfad zwischen den Systemen<br />

26


gefunden, der sie nach K11-J17RTS geführt hatte. Die Tarnung war<br />

nahezu perfekt!<br />

Auf der Brücke ging es ausgesprochen ruhig zu. Viele von<br />

Calrissians Angestellten waren Nichtmenschen, einer von ihnen der<br />

Twi'lek-Bordverwalter Iyldic, dessen Lekku ständig nervös zuckten,<br />

sobald jemand an seinem Becher Kaffee aus dem Speiseprozessor<br />

schlürfte.<br />

Hastig eilte er von einer Kontrollstation zu nächsten und<br />

speicherte Informationen auf seinem Datapad, als gäbe es nichts<br />

Dringenderes zu tun.<br />

Schlussendlich gesellte er sich zu Lando, den er um fast einen<br />

Kopf überragte, während dieser schweigend neben Mara stand und<br />

hinaus in die farbenerfüllte Leere des Weltalls hinaussah. Als Lando<br />

keine Anstalten machte, auf Iyldics Erscheinen zu reagieren, zog<br />

auch er es vor zu schweigen und Landos Blick zu folgen.<br />

Das Projekt bestand aus mehreren Sammlern, wie Calrissian sie<br />

schon auf Nkllon benutzt hatte, deren Trägerschiffen, mehreren<br />

kleineren Wartungsschiffen, drei mittelgroßen Transportern, die wie<br />

umgebaute und stark modifizierte Sternzerstörer der Victory-Klasse<br />

aussahen, und dem übergroßen Flaggschiff, der Daybreak.<br />

„Ich denke, es ist wohl das Beste für meine Gesundheit, wenn ich<br />

nicht frage, woher Sie schon wieder astronomischen Geldbeträge<br />

haben, um all das hier zu bezahlten, oder?“ fragte Mara und brach<br />

damit die Stille. Sie machte eine ausholende Geste, die das gesamte<br />

Privatprojekt vor den Sichtfenstern der Daybreak umfasste.<br />

„Nun, Sie würden mir auch nicht Ihre Firmengeheimnisse<br />

verraten, oder?“ stellte Lando die Gegenfrage.<br />

„Nein, vermutlich nicht.“<br />

Daraufhin flackerte wieder ein Grinsen über sein Gesicht und das<br />

genügte ihr als Antwort.<br />

Sie wandten sich vom Fenster ab und Lando entschloss Mara die<br />

Steuerungskonsole und die neue Software in Augenschein nehmen<br />

zu lassen, die er selbst von Meelam erstand hatte, um ihr die Zeit bis<br />

zur Ankunft der Nightflight zu verkürzen. Wieder einmal stellte sie<br />

fest, dass sowohl Calrissian, als auch Karrde einen Sinn für Stil<br />

hatten.<br />

27


„Sehr imposant, effektiv und relativ leicht in der Anwendung.<br />

Man muss sich nur erst einmal an die neuen Symbole gewöhnen“,<br />

kommentierte sie, als sie sich aus dem überdimensionalen Sessel<br />

erhob und dem zuständigen Sullustaner wieder seinen Platz<br />

überließ. „Aber ich kann mich nicht erinnern, dass die Installation<br />

von sechs Turbolasern an Bord eines zivilen Schiffes als zulässig<br />

gilt“, fuhr sie scherzhaft fort.<br />

„Nun...“, begann er, „Ich kann wohl von Glück reden, dass wir<br />

hier außerhalb des Restriktionsgebietes der Neuen Republik sind,<br />

vom kläglichen Rest des Imperiums ganz zu schweigen.“<br />

„Calrissian, Sir!“ donnerte Iyldic plötzlich los, die Stimme mit<br />

Entsetzen gefüllt, „Die Nightflight ist soeben aus dem Hyperraum<br />

getreten!“<br />

Verwirrt warfen sich Mara und Lando viel sagende Blicke zu.<br />

„Und?“<br />

„Ich bin mir nicht sicher, aber laut Protokoll sollte die Nightflight<br />

doch alleine kommen, oder?“<br />

Unheil verkündend deutete der Verwalter auf den Sensorschirm.<br />

„Was reden Sie denn da?“ fragte Lando unwirsch, als er sich mit<br />

ungehaltener Miene von der Fensterfront entfernte.<br />

„Transponder-Codes werden abgerufen“, schallte es von Seiten<br />

des Navigationscomputers, als sich der Sullustaner über seine<br />

Konsole beugte und hastig die Tasten anschlug.<br />

Mit zusammen gekniffenen Augen starrte Mara an Calrissians<br />

Schulter vorbei auf den Sensorschirm und versuchte der<br />

andersartigen Darstellung die Fakten zu entlocken.<br />

Wenn sie das richtig sah, dann befanden sich statt einem zwei<br />

Schiffe im parallelen Anflug auf die Daybreak und schienen sich in<br />

einander verkeilen zu wollen.<br />

Calrissian selbst war mitten in der Bewegung erstarrt, als hätte<br />

ihn die Erkenntnis wie ein Blitzschlag getroffen, noch bevor eine<br />

unbekannte Stimme an Maras Ohr drang.<br />

„Die Nightflight wird angegriffen! Anscheinend haben sie schon<br />

mehrere Treffer zu verzeichnen und die Antennen sind ausgefallen.<br />

Wir erhalten von ihnen nur Statik!“<br />

28


Na, herrlich! Es wäre auch wirklich unrealistisch gewesen, wenn einmal<br />

alles nach Plan verläuft! dachte Mara und eilte an Landos Seite, der<br />

eine Monstrosität von Schiff beobachtete, das sich längsseits der<br />

Nightflight genäherte hatte.<br />

„Es ist die Pirate!“ murmelte er konzentriert und strich sich<br />

abwesend mit den Fingerspitzen über seinen Schnauzbart, "Was, bei<br />

allen Sternen, tun die hier?"<br />

„Bitte, wer?“ fragte Mara unverhohlen in die düstere Stille<br />

hinein, die sich langsam über den Raum senkte wie ein giftiger<br />

Vjun-Nebel.<br />

„V-vielleicht“, begann Iyldic und klang dabei so angespannt wie<br />

Lando aussah, „sind sie Meelam gefolgt und wollen ihn erpressen.<br />

Für diesen Abschaum wäre es nicht schwer, einen Funkpeilsender<br />

am Schiff anzubringen, die Signale zu orten und ihnen nach<br />

zufliegen!“<br />

„Das glaube ich nicht! Dafür ist Meelam zu clever“, sagte Lando<br />

kühl.<br />

„Wie können Sie da so sicher sein, Sir?“<br />

„Ich schlage vor, Sie holen unsere Arbeiter und Droiden nach<br />

Hause und fahren die Schilde inklusive der neuen<br />

Abwehrmechanismen hoch. Noch interessiert sich die Pirate nur für<br />

Meelam, aber wer weiß, ob sich das nicht doch noch ändert“, befahl<br />

Lando mit der strengen Stimme eines Generals ohne dabei auf<br />

Iyldics Frage einzugehen. Er wandte sich vom Sichtschirm ab und<br />

sah Mara offen ins Gesicht.<br />

„Das könnte etwas rau werden!“<br />

Völlig verdattert starrte sie ihm nach, als er davon schritt und<br />

gab sich Mühe die aufkeimende Frustration zu verbergen.<br />

„Hätten Sie die Güte mich aufzuklären?“ verlangte sie gereizt,<br />

auch wenn das nicht ihre Absicht gewesen war, „Was passiert da<br />

draußen?“<br />

„Was da vor sich geht muss ich wohl nicht erklären, oder?“<br />

„Sparen Sie sich die Witze, Calrissian!“ mahnte sie, doch dann<br />

klang sie wieder ruhig und unterkühlt.<br />

29


„Bleiben Sie sachlich und geben Sie mir eine Grundlage, um<br />

angemessen zu reagieren. Wenn es wirklich zu einem Angriff auf<br />

Ihre Schiffe kommt, hängen meine Leute da auch mit drin!“<br />

Lando verstummte und sah Mara tief in die smaragdgrünen<br />

Augen, ehe er mit bedachten Worten wieder zu sprechen begann.<br />

„Wir haben nicht viel Zeit, daher müssen Sie sich mit der<br />

Kurzversion begnügen. Bei dem angreifenden Schiff da draußen<br />

handelt es sich um die Pirate of the Perlemian, die ihren Namen<br />

sicherlich nicht grundlos bekommen hat. Seit etwa einem Jahr<br />

plündern, rauben und morden diese Bastarde entlang der perlemianischen<br />

Handelsroute, aber bisher ist wenig über die Besatzung<br />

und Angriffstärke der Pirate bekannt... was wohl auch daran liegt,<br />

dass sich nur wenige ihrem Griff entziehen konnten.“<br />

„Die perlemianische Handelsroute?“ fragte Mara. „Dann sind<br />

diese Burschen entweder sehr weit vom Kurs abgekommen oder sie<br />

hatten Meelam schon länger im Visier. Jemand, der in kürzester Zeit<br />

an eine Menge Geld durch dubiose Machenschaften gelangt und<br />

potentielle Opfer mit einer besseren Verteidigung ausrüstet, würde<br />

mir als Pirat auch sauer aufstoßen.“<br />

Lando nickte.<br />

„Aber ihre Anwesenheit gefährdet mein ganzes Projekt. Noch<br />

scheinen sie nicht auf die Sammlerschiffe aufmerksam geworden zu<br />

sein. Aber wenn...“<br />

„...werden sie es sich alles unter den Nagel reißen“, ergänzte<br />

Mara mit einem kalten Blick aus dem Fenster. „Ich habe schon<br />

verstanden.“<br />

Mit einer fließenden Bewegung zog sie ihr Comlink aus der<br />

Gürteltasche und öffnete die Frequenz zu Corvus, dem<br />

Kommunikationstechniker der <strong>Star</strong>ry Ice. Lautes Gezeter und Fetzen<br />

von Musik ertönten, als er antwortete.<br />

„Was gibt's, Jade?“<br />

„Wir haben Besuch bekommen. Gib den anderen Bescheid und<br />

macht euch auf den Weg zur <strong>Star</strong>ry Ice. Die Daybreak wird jede<br />

Kanone gebrauchen können, die sie kriegen kann.“<br />

Corvus fragte gar nicht erst nach weiteren Instruktionen, sondern<br />

bellte die Nachricht der vergnügten Runde zu.<br />

30


Mit einem Klicken schaltete sie den Comlink aus und verstaute es<br />

wieder an ihrem Gürtel.<br />

„Eigentlich schade, Calrissian, dass keines Ihrer Projekte ohne<br />

einen solchen Zwischenfall auskommt.“<br />

„Ich sollte das wohl zu meiner neuen Firmenphilosphie<br />

ernennen“, erwiderte er trocken.<br />

Sie tauschten noch einen letzten Blick aus, ehe sich Mara auf dem<br />

Absatz herumdrehte und zum Turbolift eilte.<br />

ALS ES SHIRLEE FAUGHN, CAPTAIN DER STARRY ICE, ENDLICH GELANG<br />

mit Corvus, Torve und dem Rest wieder auf ihr Schiff überzusetzen<br />

und die magnetischen Verkabelungen zur Daybreak zu lösen, war die<br />

Jade’s Fire längst im Anflug auf die Angreifer. Mara war klar<br />

gewesen, dass die anderen eine ganze Menge Zeit brauchen würden<br />

die Systeme der Ice komplett hochzufahren und das Schiff in die<br />

Nähe der Pirate of the Perlemian zu bringen. Daher war ihre Aufgabe<br />

ganz klar: Sie musste Zeit schinden, bis sie mit doppelter Feuerkraft<br />

ihren Widersachern entgegen treten konnten.<br />

Erleichtert stellte sie an den vertrauten Kontrollen fest, dass die<br />

Nightflight noch über zwei Laserbatterien verfügte, die auf die<br />

Reflektorschilde der Pirate einhämmerten. Doch der Schaden, den<br />

die Piraten bereits angerichtet hatten, machte Meelams Schiff nicht<br />

gerade manövrierfähiger.<br />

Offenbar musste das Schiff schon vor dem <strong>Star</strong>t sabotiert oder<br />

beschädigt worden sein, denn anders konnte Mara sich nicht<br />

erklären, wie die hoch gelobten Abwehrsysteme von M.L.M.<br />

Engineering versagen konnten.<br />

Hastig band sie ihre Haare zurück, während die Fire der Ice<br />

voraus flog und mit maximaler Geschwindigkeit den Raum<br />

zwischen sich und dem Piratenschiff verkleinerte.<br />

Erst jetzt, da sie allein war und die Anspannung ihre Nerven<br />

zum flirren brachte, fragte sie sich, warum die Macht sie nicht schon<br />

früher gewarnt hatte. Warum hatte sie nicht kommen sehen, dass so<br />

etwas passieren würde?<br />

31


Anscheinend bin ich doch noch keine so gute Jedi, wie Skywalker immer<br />

behauptet, dachte sie bitter, wird wohl wieder Zeit für eingehende<br />

Meditationen, wenn das hier vorbei ist!<br />

Andererseits war dies nicht das erste Mal, dass ihre Jedi-<br />

Ahnungen sie im Stich ließen.<br />

Hastig überprüfte sie die Schilde und leitete zwei Drittel der<br />

verfügbaren Energie in die Waffen. Aus dem Augenwinkel nahm sie<br />

wahr, wie sich Landos Leute in Sicherheit brachten und Schutz im<br />

Schatten der unförmigen Daybreak suchten.<br />

Die Hände fest an den Kontrollen steuerte sie auf die Angreifer<br />

zu und öffnete einen Kommkanal, durch den zunächst nur Statik<br />

prasselte und setzte ein Headset auf. Offenbar störten die Piraten<br />

den gesamten Funkverkehr um die Nightflight.<br />

Es gab keinen Grund für Mara, länger zu warten. Die Finger auf<br />

dem Feuerknopf schoss sie ein paar schwache Salven auf die Pirate<br />

ab, ohne zu erwarten, dass sie wirklich etwas ausrichten würden.<br />

Und genau so geschah es auch, denn die Schüsse prallten an den<br />

Schilden der Pirate ab. Der Feind stellte das Feuer ein und es kam ihr<br />

so vor, als hätte sie einen schlafenden Krayt-Drachen geweckt.<br />

„Los, kommt schon“, flüsterte sie, „Hier bin ich! Kommt und holt<br />

mich doch!“<br />

Wie auf Kommando feuerten die vorderen Turbolaser der Pirate<br />

blindwütig auf die Stelle, an der sich die Jade’s Fire aufgehalten hatte.<br />

Wie eie Eidechse, die durch die mächtigen Massassi-Bäume auf<br />

Yavin 4 sprang, flog Mara Saltos und Überschläge, um den<br />

todbringenden grünen Strahlen zu entgehen, die durch das von<br />

farbenfrohen Nebeln erfüllte Weltall zuckten und lenkte die<br />

Aufmerksamkeit der Pirate weg von der quälend langsamen<br />

Nightflight.<br />

„Verkabel... löst“, vernahm sie Corvus’ raue Stimme aus dem<br />

CommUnit, „60 Proz... Sys... online!“<br />

Auf dem Scanner sah sie, wie die <strong>Star</strong>ry Ice Fahrt aufnahm und<br />

überall an der Außenhülle Lichter aufflackerten. Allerdings blieb die<br />

Daybreak stumm.<br />

Jetzt zeigen Sie mal, was Ihr Kasten auf Lager hat, Calrissian!<br />

32


Aber warum wunderte es sie überhaupt? Für Calrissian war es<br />

klüger einen Angriff bis zum letzten Moment hinauszuzögern. Der<br />

Schaden, den er und sein Projekt davon tragen würden wäre<br />

sicherlich um einiges größer als der, den Meelam verzeichnen<br />

durfte. Wäre sie an seiner Stelle gewesen, hätte sie es wahrscheinlich<br />

genauso gemacht. Trotzdem wünschte sie sich nichts sehnlicher als<br />

ein X-Wing-Geschwader der Neuen Republik oder Solos YT-1800-<br />

Frachter herbei.<br />

Hinter ihr explodierten die Laserstrahlen der Pirate in der<br />

Ionenspur, die Maras Schiff im All zog und rüttelten sie kräftig<br />

durch, aber ihre Schilde hielten Stand. Noch.<br />

„79...“, hörte sie Corvus durch das Knacken und Rauschen aus<br />

dem Kommkanal.<br />

Doch sie hatte keine Zeit darauf zu achten. Unmittelbar vor ihr<br />

verwandelte sich etwas in gleißend blaues Licht. Die Schockwelle<br />

warf Mara hart in die Gurte des Pilotensessels und presste ihr die<br />

Luft aus den Lungen.<br />

Autsch!<br />

Sie riss den Steuerknüppel nach hinten und zwang die Fire in<br />

einen engen Salto, als eine zweite blauweiße Explosion ihre Scanner<br />

überflutete und die Alarmsirenen aufheulen ließ.<br />

Seismische Bomben...<br />

Zum ersten Mal flackerten ihre Schilde. Mara zog sämtliche<br />

Energie von den Waffen ab und brachte die Schildleistung auf 100<br />

Prozent. Sie musste es nur noch ein bis zwei Minuten aushalten und<br />

die Pirate würde die gesamte Feuerkraft der <strong>Star</strong>ry Ice zu spüren<br />

bekommen. Sie durfte sich nur nicht von diesen Bomben erwischen<br />

lassen. Auf kurz oder lang würden die ihren robusten Headhunter<br />

zerlegen.<br />

Wieder einmal hatte Mara das Gefühl mit der Jade’s Fire zu<br />

verschmelzen, während das Schiff all ihren Vorgaben aufs Strengste<br />

Folge leistete und eine Reihe ausgeschmückter Manöver flog.<br />

Verbissen darauf konzentriert keine Treffer einzufahren, bemerkte<br />

sich nicht einmal das kleine Rinnsal kalten Schweißes, der ihr auf die<br />

Stirn trat und den Haaransatz befeuchtete.<br />

Selten waren ihr ein paar Minuten so endlos lang vorgekommen.<br />

33


Dann, endlich, zuckten vier rote Strahlen am Sichtfenster vorbei<br />

und brachten die nächste Bombe zur Detonation ohne die Jade’s Fire<br />

zu behelligen.<br />

Irritiert schreckte Mara auf.<br />

„Schönen Tag auch!“ drang eine neue, vertraute Stimme völlig<br />

frei von jeder Störung durch die Hörer ihres Headsets, „Sieht so aus,<br />

als könnten Sie Hilfe gebrauchen, Jade.“<br />

Perplex starrte Mara auf die Displays und entdeckte zwei<br />

silberne Punkte, die sich langsam grün färbten und pfeilschnell<br />

näher kamen. Die beiden benutzten eine militärische Frequenz, die<br />

nur wenige Schiffe in diesem Sektor entschlüsseln konnten. Damit<br />

erklärte sich auch, warum die Statik so plötzlich erstarb. Ihre<br />

Augenlider senkten sich und sie griff hinaus in die Macht.<br />

Vorsichtig streifte sie das Bewusstsein der beiden Piloten, die sich<br />

ihrem Kampf angeschlossen hatten und ein Lächeln stahl sich auf<br />

ihr Gesicht Anscheinend hatte man ihre Gebete erhört.<br />

„Hallo, Katarn! Hallo, Skywalker“ rief sie heiter, „Ja, ich könnte<br />

tatsächlich ein paar helfende Hände gebrauchen!“<br />

„Dafür sind wir da“, erklang nun Luke Skywalkers beruhigende<br />

Stimme.<br />

„Irgendwelche strategischen Vorschläge, Jade?“ fragte Kyle<br />

Katarn.<br />

„Wichtig ist nur, dass die Pirate von hier verschwindet!“ sagte<br />

Mara, „Sonst nichts!“<br />

„Darin sind sie Weltklasse“, kommentierte Luke, „Wir sind schon<br />

seit Brentaal hinter ihnen her. Aber bisher hatten wir leider nicht<br />

sehr viel Glück.“<br />

„Warum stecken Sie schon wieder in Schwierigkeiten,<br />

Skywalker? Ist die Jagd auf solche verruchten Piraten nicht Aufgabe<br />

der republikanischen Militär-Korps?“ Obwohl Mara sein Gesicht<br />

nicht sah, konnte sie sich sein jungenhaftes Grinsen nur zu gut<br />

vorstellen. „Ich will doch nicht Ihre Erwartungen enttäuschen, Mara.<br />

Aber den Rest erkläre ich Ihnen später!“<br />

Und damit war der Smalltalk vorerst beendet.<br />

34


Mara flog eine Schleife und reihte sich zwischen Katarns und<br />

Skywalkers X-Wing ein, so dass sie wie eine Miniatur-Phalanx auf<br />

die Pirate of the Perlemian zuflogen.<br />

„Leite alle Energie in die Frontdeflektoren“, sagte Skywalker,<br />

„wir müssen erst einmal nahe genug an sie heran kommen, um<br />

kritische Treffer zu erzielen.“<br />

Ohne weiteren Kommentar tat Mara es ihm gleich und über den<br />

Kommkanal hörte sie Kyles Bestätigung. Die Pirate nahm die drei<br />

Schiffe ins Kreuzfeuer, die nun mit synchronisierter Leichtigkeit den<br />

Attacken auswichen.<br />

„Alle Systeme online“, bellte Corvus, der sich nun ebenfalls auf<br />

der Frequenz von Skywalker und Katarn eingeklinkt hatte, um der<br />

Funkstörung zu entgehen. „Wir sind in 57 Sekunden in Reichweite<br />

und bereiten ein paar Protonentorpedos vor.“<br />

„Das wird ein prächtiges Feuerwerk!“ schallte es fröhlich aus<br />

dem CommUnit und Mara erkannte Torves Stimme. „Seismische<br />

Bomben sind 'n Witz dagegen!“<br />

„Halt die Klappe und mach deine Arbeit!“ schrie Faughn und<br />

rief ihre Männer damit zu Ordnung. Obwohl die Lage ernst war und<br />

der Beschuss das Äußerste von der Jade's Fire abverlangte, huschte<br />

ein unwillkürliches Lächeln über Maras Gesicht.<br />

Skywalker und Katarn scherten zu beiden Seiten aus, als eine<br />

breit gefächerte Salve auf sie zukam und Mara zwang ihr Schiff in<br />

einen radikalen Sturzflug.<br />

"Wir kommen näher", sagte Kyle und hielt kurz inne, "Werft mal<br />

einen Blick auf eure Sensoren. Täusche ich mich oder stimmt was<br />

mit der - wie war das? - Nightflight nicht?"<br />

Beunruhigt lenkte Mara ihre Aufmerksamkeit auf die Messgeräte<br />

und schaltete mit einem simplen Knopfdruck durch die<br />

verschiedenen Modi. Was sie selbst am Anfang als Schaden durch<br />

den erheblichen Beschuss interpretiert hatte, welcher die Nightflight<br />

nur minimal vorankommen ließ, erwies sich nun als etwas ganz<br />

anderes. Die starken elektromagnetischen Strömungen zwischen<br />

Meelams Schiff und der Pirate konnten nur eines bedeuten...<br />

„Ein Traktorstrahl“, meinte Luke als hätte er Maras Gedanken<br />

gelesen.<br />

35


„Sie dürfen die Nightflight nicht bekommen!“ sagte sie<br />

entschlossen und steuerte auf die Backbordseite von Meelams Schiff.<br />

Die Schilde waren zusammengebrochen und an der Hülle machten<br />

sich deutlich mehrere Risse bemerkbar, durch die das<br />

Sauerstoffgemisch der Lebenserhaltungssysteme ins All entwich.<br />

Die letzten beiden Geschütze waren zu schwarzen Durastahl-<br />

Klumpen geschmolzen worden und lieferten das Schiff der<br />

Piratenbande schutzlos aus. Hoffentlich hatte Meelam genug<br />

Raumanzüge dabei.<br />

Hinter ihr erhellten die ersten Protonentorpedos der <strong>Star</strong>ry Ice<br />

den Raum, während die beiden X-Wings unaufhörlich rotes Feuer<br />

auf die Pirate nieder regnen ließen. Doch Mara wusste mit<br />

unumstößlicher Sicherheit, dass das nicht genügen würde.<br />

„Jade, warten Sie!“ donnerte Katarn, „Das ist doch Wahnsinn!“<br />

Doch sie hörte ihn nicht mehr. Während die Nightflight immer<br />

näher den Hangartoren ihres Widersachers entgegen driftete, holte<br />

Mara noch einmal alles aus ihren Triebwerken heraus. Wenn die<br />

Piraten das Tor öffnen würden, brauchte sie vielleicht nur ein oder<br />

zwei gezielte Schüsse und würde die Wirkung des Traktorstrahls<br />

aufheben.<br />

„Das werden Sie nicht rechtzeitig schaffen, Mara!“, stimmte<br />

Skywalker mit ein, als er ihre Absicht erkannte, „Der Spalt zwischen<br />

den Schiffen ist zu klein!“<br />

„Ich weiß, was ich tue, Skywalker!“ presste sie hervor.<br />

„Aber Sie könnten die Nightflight treffen und...“<br />

Beiläufig nahm sie mit einer Hand das Headset ab und warf es in<br />

eine Ecke des Cockpits, wo es plärrend liegen blieb. Sie war nicht<br />

umsonst mehrere Standardtage durch den Hyperraum zu diesem<br />

galaktischen Loch geflogen, um sich alles von ein paar jämmerlichen<br />

Piraten vermasseln zu lassen! Sie blendete die blinkenden Dioden<br />

und Displays auf dem Armaturenbrett aus, schottete ihren Geist von<br />

allen Eindrücken ab und starrte verbissen aus dem Sichtfenster.<br />

Völlig in ihren Gefühlen und ihrer Intuition versunken, vergaß sie<br />

Skywalker, Katarn, sogar die <strong>Star</strong>ry Ice.<br />

Mit eiserner Konzentration zwang sie sich selbst zur Ruhe.<br />

36


Ohne es zu registrieren, breitete sich hinter ihr neues, weißblaues<br />

Wetterleuchten aus.<br />

Die sind wahnsinnig, so nah an ihrem Beuteschiff noch wild<br />

herumzuballern! dachte sie und schwenkte nach Backbord, die Hände<br />

so fest um den Steuerknüppel geklammerte, dass ihre Knöchel weiß<br />

hervortraten.<br />

Besessen von dem Gedanken, die Nightflight nicht in<br />

gegnerische Hände fallen zu lassen, machte sie einen ihrer wenigen<br />

Torpedos scharf und senkte den Blick auf das Fadenkreuz.<br />

Bei "Drei" wird geschossen, Jade, also streng dich an!<br />

Sie war nun so dicht an die beiden Schiffe heran geflogen, dass<br />

sie glaubte, das Metall der Nightflight ächzen zu hören. Ihr blieben<br />

nur noch wenige Sekunden.<br />

Eins.. Zwei...<br />

Das Fadenkreuz auf dem Display leuchtete grün auf, als es genau<br />

über der Öffnung des Hangars schwebte.<br />

...Drei!<br />

Wie von Geisterhand betätigte sie die Kontrollen und schickte die<br />

Protonenladung aus. Sie wartete, machte eine rasche Kehrtwende<br />

und verfolgte auf dem Sensor, wie der Torpedo sich durch die<br />

Schilde fräste und die Pirate gewaltig durchrüttelte. Sie selbst konnte<br />

es in ihrer Magengrube spüren.<br />

Doch ehe sie sich dem Gefühl des Triumphes hingab, sah sie<br />

hinüber zur demolierten Nightflight. Schockiert stellte sie fest, dass<br />

die Wirkung des Traktorstrahls nicht aufgehoben worden war.<br />

Verdammt!<br />

Sie kämpfte gegen die aufsteigende Wut. Tief und kontrolliert<br />

ausatmend versuchte sie das Gefühl loszulassen.<br />

Dann, als sie sich derart der Macht geöffnet hatte, spürte sie wie<br />

Bilder in ihren Geist drangen, Bilder, die ihr jemand schickte und die<br />

soviel sagten wie: Kommen Sie zurück! Sie können jetzt nichts mehr tun!<br />

Es konnte nur Skywalker sein, der die Dreistigkeit und<br />

Unverfrorenheit besaß, ihre eigens errichteten Geistesbarrieren<br />

einfach so zu überwinden, sobald sie ein wenig nachgab.<br />

Widerwillig musste sie mit ansehen, wie die Nightflight immer<br />

weiter ihrer Nemesis entgegen gezogen wurde. Die Tore der<br />

37


Hangarbucht standen offen, wie das weit aufgerissene Maul eines<br />

Rancors, der jeden Moment seine Beute verschlucken würde.<br />

Das Feuer wurde von beiden Seiten eingestellt, das Gefecht kam<br />

zu Stillstand.<br />

Und nur wenige Sekunden später verschwand die Pirate of the<br />

Perlemian im Hyperraum mit ihrer wertvollen Fracht an Bord.<br />

MAYS GESICHT WURDE LEDIGLICH VOM BLAUGRÜNEN LICHT DER<br />

Taktik-Konsole erhellt. „Macht die Hangarbucht dicht! Hier sind wir<br />

fertig!“<br />

Draußen hämmerten noch immer die Laserstrahlen der <strong>Star</strong>ry Ice<br />

mit kläglichem Erfolg auf die Schilde der Pirate ein während die<br />

Jade’s Fire wütend aus allen Rohren feuerte. Doch auf der Brücke<br />

blieb alles ruhig.<br />

Mit enormer Gelassenheit richtete sich May auf, rückte ihre<br />

Kleidung zurecht und leckte sich die vollen Lippen - das einzige<br />

Anzeichen ihrer heftigen Erregung. Allein die Gewissheit, dass sie<br />

Mara Jade soeben eine Lektion erteilt hatte, versetzte sie in einen<br />

Zustand geistiger und körperlicher Ekstase. Und du weißt nicht<br />

einmal, dass ich es war, Jade! dachte sie vergnügt. Doch dann zwang<br />

May sich zur Ruhe, damit dieses berauschende Gefühl sie nicht<br />

völlig einnahm und ihre Konzentration gefährdete.<br />

„May!“ rief Laz von seinem Platz aus, „Sprungpunkt ist<br />

berechnet und eingespeist.“<br />

Sie warf einen Blick über die Schulter und starrte den<br />

devorianischen Navigator durch das Halbdunkel der Brücke<br />

hindurch an. Dieser gab eine Reihe unverständlicher Laute von sich.<br />

„Er sagt, dass Schiff ist bereit und willens in den Hyperraum zu<br />

springen!“ dolmetschte ein grüner Twi'lek mit tätowierten Lekku.<br />

May vergaß ständig seinen Namen.<br />

„Dann los!“<br />

Sie winkte Avarice zu, der darauf eine Reihe von Hebeln<br />

umlegte. Vor dem Sichtfenster explodierten die Farben und die<br />

Sterne verformten sich zum bizarren Linienspiel des Hyperraums.<br />

38


„Gut Arbeit, Leute! Schickt mir eine Einheit runter in den<br />

Hangar. Die sollen die Nightflight sichern und alles erschießen, was<br />

sich regt.“ Ihre Absätze klackten laut auf dem Durastahlboden.<br />

„Wo willst’n hin?“ fragte Avarice.<br />

„Irgendjemand muss doch dem Captain Bescheid sagen, oder?“<br />

Er grunze dümmlich und ging nicht weiter darauf ein. Niemand<br />

in der Crew beneidete May um ihren Rang als erster Offizier und<br />

würde freiwillig mit ihr tauschen wollen. Denn der Captain – der<br />

von allen nur ehrfürchtig „der König“ genannt wurde – war ein sehr<br />

reizbarer und exzentrischer Mensch und keiner wollte sich seinem<br />

Zorn aussetzen. May hingegen spürte keine Angst, denn sie hatte in<br />

der Vergangenheit schon größeren Scheusalen ins Gesicht gesehen.<br />

Dagegen wirkte der König fast lahmfromm. Manchmal gab sie sich<br />

sogar der Vorstellung hin, wie der König und Captain Djae, ihr<br />

Mentor an der imperialen Akademie und Vorgesetzter beim I.I.,<br />

aufeinander trafen. Es wäre interessant zu wissen, welcher der<br />

beiden als Sieger hervorgehen würde.<br />

Sie stieg in den Turbolift und nannte die Decknummer und der<br />

Aufzug sank schwerfällig in die Tiefe.<br />

MIT GRIMMIGEM GESICHTSAUSDRUCK ENTSTIEG MARA DER JADE’S Fire<br />

und verriegelte das Schiff. Obwohl sie dagegen ankämpfte, drohte<br />

sie das Gefühl der Niederlage zu übermannen. Lang und tief<br />

einatmend schloss Mara die Augen und erinnerte sich an eine von<br />

Skywalkers Meditationsübungen, die er ihr auf Yavin 4 beigebracht<br />

hatte. Sie versuchte die Macht fließen zu lassen und ihren<br />

aufgewühlten Geist zu beruhigen, doch das Ergebnis war alles<br />

andere als zufrieden stellend.<br />

Mit dem altbekannten Brüllen und Jaulen der Ionentriebwerke<br />

sanken die beiden X-Wing-Jäger auf das Landedeck der Daybreak.<br />

Leise surrend gingen die Repulsoren aus und die Verdeckung der<br />

Pilotenkapsel des Jägers, der Mara am nächsten war, glitt auf. Sie<br />

beobachtete Skywalker, wie er sich dem Helm vom Kopf zog und<br />

langsam aus deinem Cockpit kletterte, während zwei Techniker<br />

herbei eilten, um seiner R2-Einheit aus dem Sockel hinter der<br />

39


Pilotenkanzel zu helfen. Als Luke sich dann in ihre Richtung drehte,<br />

entdeckte sie ein schmales, Verzeihung heischendes Lächeln auf<br />

seinen Lippen.<br />

„Der Notstand wurde wieder aufgehoben“, hörte sie Calrissian<br />

rufen, als dieser mit Kyle auf sie zukam. Mara sah ihnen freudlos<br />

entgegen.<br />

„Wir hätten die Nightflight nicht verlieren dürfen“, sagte sie ohne<br />

Einleitung. Keiner der Männer erwiderte etwas. Es schien mehr, als<br />

würden sie alle drei angestrengt nachdenken.<br />

„War dieser Job denn wirklich so wichtig?“ fragte Kyle und<br />

klemmte sich seinen Helm unter den Arm.<br />

„Er ist wichtig“, korrigierte Mara, „Karrde hat diesem Auftrag<br />

die zweithöchste Priorität eingeräumt. Andernfalls hätte er mich<br />

nicht persönlich geschickt. Aber diese verfluchten Piraten haben<br />

unsere Pläne durchkreuzt und es wird mehr als genug Zeit beanspruchen,<br />

sie zu finden!“<br />

„Keine Sorge“, klinkte sich Luke nun ein und kämmte sich mit<br />

einer Hand das dunkelblonde Haar zurück. Mara schnaubte<br />

angesichts seiner typischen Jedi-Gelassenheit.<br />

„Erfreulich ist jedoch, dass die Daybreak trotz mehrer er<br />

Querschläger und Streifschüsse noch vollkommen intakt ist. Ich<br />

kann nicht glauben, dass Meelams Schiff trotz seiner bewährten<br />

Technologie so leicht geentert werden konnte!“, sprang Lando bei.<br />

„Das Schiff muss vor dem <strong>Star</strong>t sabotiert worden sein“, vermutete<br />

Kyle, „Anders kann ich mir diesen Zwischenfall nicht erklären.“<br />

„Allerdings habe ich den Schatten der dunklen Seite gespürt. Das<br />

Ganze ist mir nicht geheuer!“ fügte Skywalker ernst hinzu. „Du<br />

spürst viel, wenn der Tag lang ist, Luke!“ kommentierte Kyle mit<br />

einem humorlosen Lächeln, „Und dieser Tag war verdammt lang.“<br />

Skywalker schürzte die Lippen, offensichtlich nicht sehr angetan<br />

von Katarns Erwiderung.<br />

„Sie denken also, das könnte eine Falle sein?“ fragte Mara an den<br />

Jedi-Meister gewandt. „Ich weiß es nicht“, gab Luke zu, „Vielleicht<br />

ist dieser Meelam von einem seiner Kompanions verraten worden.<br />

Es wäre nicht das erste Mal, dass Freihändler und Piraten<br />

übereinander herfallen wie ein Schwarm Tsac-Fliegen.“<br />

40


Sie nickte stumm. Wenn Skywalker bereits Probleme hatte die<br />

Hintergründe dieses Ereignisses mit Hilfe der Macht zu erspüren,<br />

konnte niemand genau sagen, was dies zu bedeuten hatte.<br />

„Warum seid ihr zwei eigentlich hinter diesen Piraten her?“<br />

fragte Lando und griff damit die Frage auf, die Mara bereits<br />

während des Gefechtes eingeworfen hatte.<br />

„Sagen wir einfach, die Neue Republik ist zu sehr mit anderen<br />

Dingen beschäftigt, um Teile ihrer Flotte im Inneren Rand<br />

abzukommandieren, um eine Piratenbande zu jagen. Entlang der<br />

Grenze zu den Imperialen Restwelten sind in letzter Zeit immer<br />

wieder Kämpfe aufgeflammt und halten die Flotte in Atem. In die<br />

Werften über Obroa-skai werden ständig republikanische Schiffe<br />

angeliefert, die zur Reparatur ins Dock müssen. Die Jedi machten<br />

allerdings das erste mal Bekanntschaft mit der Pirate of the Perlemian,<br />

als sie eines unserer Versorgungsschiffe angegriffen haben, das<br />

Waren von Talasea zur Akademie befördern sollte“, erklärte Luke.<br />

„Ich weiß nicht mehr, wie lange wir gebraucht haben, endlich einen<br />

Unteroffizier zu sprechen, der uns dann mitteilte, dass Wedge und<br />

Admiral Ackbar weder das Geld noch über die Schiffe verfügen,<br />

sich darum zu kümmern. Und so sind wir selber aufgebrochen. Wir<br />

haben auf Brentaal begonnen, waren auf Rhinnal, Rallthir und<br />

verschiedenen anderen Welten, bis die Piraten von ihrem<br />

Territorium abwichen und hierher kamen.“<br />

Maras Augenbraue glitt fragend nach oben: „Und womit habt ihr<br />

sie verfolgt? Die Macht kann dafür nicht ausgereicht haben!“<br />

„Sie würden sich wundern, was alles möglich ist, Mara“, sagte<br />

Luke. Wie oft habe ich mir diesen Satz jetzt schon von ihm angehört?<br />

schoss es ihr durch den Kopf.<br />

„Hiermit“, sagte Kyle und griff mit einer behandschuhten Hand<br />

in eine Tasche am Gürtel seiner Pilotenmontur. Er warf Mara ein<br />

kleines, flaches Datapad zu. Sie klappte den Holoschirm auf und<br />

betrachtete eine schier endlose Aneinanderreihung von Zahlen und<br />

Symbolen, die sich immer wieder erneuerte. Ein gieriges Glimmen<br />

funkelte in Maras Augen.<br />

„Ein Hyperwellen-Sender“, murmelte sie erfreut. Manchmal<br />

schien Erfahrung beim Geheimdienst durchaus hilfreich. „Damit<br />

41


haben Luke und ich die Pirate of the Perlemian verfolgt. Ich habe den<br />

Peilsender einem Crew-Mitglied untergeschoben, als eine kleine<br />

Gruppe auf Esseles Landgang hatte.“<br />

Luke warf Kyle einen wissenden Blick zu.<br />

„Sie können ihn haben, Mara“, begann Luke langsam. „Aber<br />

nur“, er machte eine schwerwiegende Pause, als wähle er seine<br />

Worte mit Bedacht, „wenn ich Sie begleite.“<br />

„Das heißt dann wohl, dass ich zurück zur Akademie fliegen und<br />

dort nach dem Rechten sehen soll, nicht wahr?“ hakte Kyle nach.<br />

Luke nickte bloß.<br />

Mara sah auf und blinzelte irritiert.<br />

„Glauben Sie etwa, ich brauche ein Kindermädchen?“<br />

„Nein“, meinte er mit beschwichtigender Miene, „Aber es ist<br />

doch so, dass auch die Jedi darin verwickelt sind. Außerdem wäre es<br />

viel zu auffällig mitsamt der <strong>Star</strong>ry Ice jedes Sternensystem<br />

abzuklappern. Die Pirate hätte Sie wahrscheinlich bereits erkannt,<br />

bevor sie in die Atmosphäre eintreten.“<br />

Da war etwas Wahres dran, wie Mara zugeben musste.<br />

„In Ordnung!“ sagte sie schließlich, „Wir sind Partner. Aber<br />

wenn Sie irgendwelche Anstalten machen meine Gouvernante zu<br />

spielen, werde ich Sie höchst persönlich aus meinem Schiff werfen –<br />

ohne Raumanzug. Also reißen Sie sich am Riemen!“<br />

Luke schmunzelte. „Ich werde versuchen mich zu benehmen.“<br />

42


3: ARTIFICAL HALLUCINATION<br />

DIE SANFTE MUSIK AUS DEM NEBENZIMMER DRANG DIFFUS AN MARAS<br />

Ohr, als sie langsam aus der Dusche der Erfrischungseinheit stieg<br />

und ihren Körper in ein Handtuch wickelte. Sie schloss die Augen<br />

und konzentrierte sich auf die ruhige, altbekannte Melodie.<br />

Sie liebte dieses Lied. Während ihrer Zeit auf Coruscant, als sie<br />

Palpatine treu ergeben war und als Agentin des Imperiums<br />

gehandelt hatte, hatte sie es das erste Mal bei einem Auftrag in einer<br />

kleinen Cantina gehört. Allerdings war sie erst Jahre später dazu<br />

gekommen, den Titel und den Namen der Band heraus zu finden.<br />

Leise summend trat sie vor den Spiegel und trocknete sich das<br />

rote Haar.<br />

Jetzt, da die Jade’s Fire mit Überlichtgeschwindigkeit durch den<br />

Hyperraum raste, den Piraten auf der Spur, die Meelam in ihrer<br />

Gewalt hatten, war ihre Anspannung mit dem warmen Wasser fort<br />

gespült worden. Mit Hilfe des Funkpeilsenders hatte Skywalkers<br />

Astromech-Droide einen ungefähren Vektor und die Sprungzeit der<br />

Pirate of the Perlemian berechnen können. R2-D2 hatte die Analyse<br />

der Daten auf den Bordcomputer von Maras Schiff überspielt und<br />

die Suche auf den Belderone-Sektor eingegrenzt. Dieser war recht<br />

dünn besiedelt und es gab nur eine Hand voll Sternensysteme, die<br />

dem Abschaum der Piraterie als guter Unterschlupf dienen konnten.<br />

Noch bevor Luke und Mara den Hangar der Daybreak verlassen und<br />

sich auf den Weg gemacht hatten, war die Liste auf lediglich drei<br />

Planeten zusammen geschrumpft.<br />

43


Calrissian hatte die Jade’s Fire auftanken lassen, ihnen noch ein<br />

wenig Proviant mitgegeben und alles Gute gewünscht. Katarn<br />

hingegen hatte genau das getan, worum Skywalker ihn gebeten<br />

hatte und war vermutlich schon auf dem Rückweg nach Yavin 4.<br />

Skywalker hatte sein Schiff an die Außenhülle der Jade’s Fire<br />

gekoppelt und war anschließend in einem Raumanzug an Bord<br />

geklettert. Seitdem saß er in der Messe und meditierte. So wie sie ihn<br />

kannte, war er wahrscheinlich noch immer dort.<br />

Mara hingegen hatte sich ein wenig ausgeruht und sich<br />

anschließend diese lange, äußerst wohltuende Dusche gegönnt.<br />

Mit halb getrocknetem Haar schlüpfte sie in neue Unterwäsche,<br />

dann in eine weite, bequeme Hose und ein eng anliegendes Oberteil<br />

aus ithorianischer Baumwolle, ehe sie ihre Kabine verließ und sich<br />

zu Skywalker in die Messe gesellte. Als sie eintrat ließ seine R2-<br />

Einheit ein kurzes Pfeifen hören, von dem sich Mara nicht sicher<br />

war, ob es sich dabei um eine Begrüßung handelte oder ob er bloß<br />

seinen Meister über ihr Erscheinen in Kenntnis setzen wollte.<br />

So oder so, Mara blieb im Türrahmen stehen und beobachtete<br />

Luke, der im Schneidersitz und mit geschlossenen Augen eine Hand<br />

breit über dem Boden schwebte. Er hatte die Jedi-Tunika, die er<br />

unter seinem orangefarbenen Raumanzug getragen hatte, gegen<br />

einen noch schlichteren, schwarzen Overall eingetauscht. Seine<br />

kniehohen Stiefel standen neben R2.<br />

„Sie meditieren ja immer noch“, stellte sie fest als sie des Wartens<br />

überdrüssig wurde, aber im Grunde war sie nicht wirklich<br />

überrascht. Zuerst schien Luke sich gar nicht zu regen, doch dann<br />

bemerkte sie, wie das Kräuseln in der Macht nachließ und er<br />

langsam zu Boden glitt.<br />

„Und Sie hören bestimmt schon zum hundertsten Mal das selbe<br />

Lied“, konterte er mit einem kleinen Lächeln und schlug die blauen<br />

Augen auf. „Wie kann ich Ihnen helfen, Mara?“<br />

Perplex zog sie die Augenbrauen zusammen.<br />

„Helfen? Wie kommen Sie darauf, dass ich Hilfe bräuchte?“<br />

„Nun ja, weil sie schon seit ungefähr fünf Minuten einfach nur da<br />

stehen und mir zusehen", erwiderte Luke, "Wenn es etwas<br />

Belangloses wäre, hätten Sie sich mit dringlicheren Dingen<br />

44


eschäftigt und wären später zurück gekommen, um mich dann zu<br />

fragen.“<br />

Als sie ihn immer noch fragend anstarrte, fügte er milde lächelnd<br />

hinzu: „Sie sind in dieser Galaxis nicht die einzige Person mit einer<br />

guten Beobachtungsgabe.“<br />

„Scheint wohl so“, gab sie zu und schüttelte den Kopf.<br />

„Also: Sie wollten mich etwas fragen?“ begann Luke von Neuem,<br />

erhob sich vom Boden und sah sie aufmerksam an. Mara hingegen<br />

machte eine wegwerfende Geste der Beiläufigkeit: „Ich mache mir<br />

nur so meine Gedanken über diese Mission, bevor wir auf Belderone<br />

landen.“<br />

Er streckte und dehnte sich, um seine starren Muskeln zu<br />

entspannen.<br />

"Und was für Gedanken sind das?"<br />

"Nun, Katarn hat ein Crew-Mitglied erwähnt, dem sie den<br />

Peilsender untergeschoben haben. Ich frage mich erstens wer und<br />

was er beziehungsweise sie, ist, und zweitens, wie sie sich sicher sein<br />

können, dass die Person den Sender nicht abgenommen hat."<br />

Im Sprechen war sie zu einer Sitznische rechts von ihr gegangen<br />

und hatte sich dort auf der eingearbeiteten Bank niedergelassen. Mit<br />

einem erwartungsvollen Blick wartete sie nun auf ihre Antworten.<br />

Luke kam, immer noch barfuss, zu ihr hinüber und setzte sich ans<br />

andere Ende der Sitzbank.<br />

"Er war ein Twi'lek. Hellgrüne Haut, tätowierte Lekku. Kyle hat<br />

ihn als Enyth Kostryka vorgestellt", erzählte er und sein Blick schien<br />

in die Ferne zu gleiten während er sich die Ereignisse in Erinnerung<br />

rief.<br />

"Enyth Kostryka?" wiederholte Mara den Namen als wolle sie<br />

sich seinen Geschmack auf der Zunge zergehen lassen. "Irgendwie<br />

kommt mir der Name bekannt vor."<br />

"Sollte er auch", stimmte Luke zu, "Soweit wir das<br />

herausgefunden haben, wollte Kostryka früher einmal für Karrde<br />

arbeiten.<br />

"Sie wollen alle für Karrde arbeiten", kommentierte Mara trocken<br />

und verzog den Mund, "Aber wie genau haben Sie nun den Sender<br />

angebracht?"<br />

45


"Nun", begann Luke erneut, "Eigentlich war das allein Kyles<br />

Verdienst. Er hat - woher auch immer, ich habe nicht weiter danach<br />

gefragt - diesen Mikrosender aufgetrieben. Diese Dinger sind etwa<br />

so dick und lang wie eine Bacta-Kapsel, werden in eine Art Injektor<br />

eingespannt und dicht unter die Hautoberfläche der Zielperson<br />

geschossen."<br />

Mara runzelte fragend die Stirn.<br />

"Dann müssen Sie beide auf Esseles ziemlich nah an den Twi'lek<br />

herangekommen sein. Aber eine solche Injektion muss doch<br />

schmerzhaft sein. Wie konnte er da den eindringenden Fremdkörper<br />

nicht bemerken?"<br />

"Ich weiß es nicht genau", gab Luke zu und schüttelte den Kopf,<br />

"aber er schien im Allgemeinen sehr schmerzresistent."<br />

"Vermutlich hatte unser Twi'lek-Freund ein paar Killersticks<br />

zuviel oder was man sich in dieser Branche sonst noch für tödlichen<br />

Mist reinzieht", kommentierte Mara humorlos. Sie erinnerte sich an<br />

einen von Karrdes Söldner auf Mykyr, der eines Abends bei der<br />

Wachablösung meinte, dass Gewürze das Leben erst wirklich<br />

lebenswert machten. Zwei Tage später hatte man ihn tot<br />

aufgefunden, das Röhrchen mit den letzten Resten Glitzerstim noch<br />

in seiner kalten Hand. Sie kannte solche Gestalten wie Kostryka<br />

besser als ihr lieb war, denn sie wusste genau, wo die<br />

Schwachstellen waren und wie man sie angehen konnte, um zu<br />

bekommen, was man haben wollte.<br />

"Was auch immer es war, bisher hat es uns einen Vorteil<br />

verschafft", erwiderte Luke.<br />

"Dennoch wird er unberechenbar sein, so wie alle Süchtigen",<br />

sagte Mara, "Aber mir wird schon noch etwas einfallen."<br />

Luke zog fragend die Braunen zusammen und eine Falte bildete<br />

sich in vertikaler Richtung auf seiner Stirn. "Ihnen wird etwas<br />

einfallen?" hakte er nach.<br />

Mara wedelte mit einer Hand und deutete mit dem Daumen auf<br />

ihre Brust. "Ich bin es gewohnt im Schatten zu agieren, ungesehen<br />

aufzutauchen, meinen Job zu erledigen und genauso wieder zu<br />

verschwinden. Sie hingegen sind so auffällig wie ein bunt<br />

geschecktes Bantha, selbst wenn Sie sich mit Hilfe der Macht tarnen.<br />

46


Außerdem habe ich Kostryka noch nicht von Angesicht zu<br />

Angesicht gegenüber gestanden, was uns einen weiteren Vorteil<br />

verschafft und ich kann im Notfall die Macht einsetzen. Ich habe also<br />

die eindeutig besseren Voraussetzungen für diesen Job."<br />

"Ja, schon", stimmte Luke zu, das Gesicht immer noch<br />

merkwürdig verzerrt, "aber haben Sie schon irgendeine Idee, wie sie<br />

Kostryka auf sich aufmerksam machen wollen?"<br />

Mara grinste ihn herausfordernd an. Die Aufmerksamkeit des<br />

Twi'lek zu erregen, würde sicherlich das kleinste Problem sein.<br />

"Sie werden schon sehen, Skywalker. Sie werden schon sehen."<br />

„SIE... SIE SEHEN AUS WIE EINE...“, STAMMELTE LUKE MIT EINER<br />

Mischung aus Empörung und Fassungslosigkeit in der Stimme. Sein<br />

R2-Astromech stieß gegen sein Bein und gab ein Heulen von sich,<br />

dass schon fast wehleidig klang, während Luke sich mit einer Hand<br />

an den Rahmen des äußeren Schotts der Jade's Fire klammerte. Sein<br />

Mund stand noch immer leicht offen und seinen Augen hatten sich<br />

geweitet, als Mara aus ihrer Kabine getreten war und sich zu ihm<br />

gesellt hatte.<br />

Sie waren vor nicht weniger als drei Standardstunden aus dem<br />

Hyperraum getreten und am äußeren Stadtrand von Beldankhali,<br />

der ehemaligen Hauptstadt des Planeten Belderone, gelandet. Die<br />

Sonne sank bereits dem Horizont entgegen und tauchte die<br />

Landebucht in gelbgoldnes Licht, dass durch das offene Schott<br />

hineinflutete und Maras Haare glänzen ließ wie flüssige Seide.<br />

Nach der Landung hatte sie Skywalker zur Hafenbehörde<br />

geschickt, um dort die Ankunft der Equinox Spirit zu bestätigen –<br />

eine der vielen Decknamen der Jade's Fire, die es Mara gestatteten<br />

ihre Aufträge für Karrde einfacher und effizienter erledigen zu<br />

können. Luke hatte sich dort als der Halter des Schiffes, Mara als<br />

seine Geschäftspartnerin ausgegeben und hatte sie anschließend<br />

beide bei der Behörde unter falschen Namen eingecheckt. Aber auch<br />

Mara war nicht untätig gewesen. Während Skywalker sich der<br />

Macht bediente, um sich zu tarnen, so hatte Mara die vergangenen<br />

47


drei Stunden genutzt, um sich eine sehr viel wirklichere Tarnung zu<br />

verschaffen.<br />

Und so stand sie nun vor ihm: Das rote Haar war unter einer<br />

Schicht dunkelbrauner, fast schwarzer Farbe verschwunden, die sie<br />

sich zu einem komplizierten Dutt nach oben geknotet hatte. Ihren<br />

grünen Augen hatte sie mit blauen Kontaktlinsen eine andere Farbe<br />

verliehen, bevor sie ihr Gesicht mit einer Menge Puder und Make-up<br />

bedeckt hatte. Das dunkelblaue Kleid, das sie am Leib trug, ließ tief<br />

genug blicken, um Lust auf mehr zu machen und bedeckte die<br />

nötigsten Teile ihres Körpers. Als sie am Ende ihrer Verwandlung in<br />

den Spiegel gesehen hatte, hätte sie sich bald selbst nicht erkannt.<br />

"Na los!" rief Mara mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen,<br />

als Luke sie noch immer anstarrte wie eine Erscheinung. Sie schloss<br />

die Finger fester um die schwarze Lederjacke in ihrer Hand "Sagen<br />

Sie's schon, Skywalker!"<br />

Ihr Gegenüber öffnete und schloss seinen Mund mehrere Male,<br />

doch er überlegte sich seine Worte zweimal, ehe er schließlich sagte:<br />

"Sie sehen aus als wären Sie... nun ja... leicht zu haben."<br />

Mara seufzte und schüttelte den Kopf.<br />

"Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob Sie wirklich so naiv sind,<br />

Skywalker."<br />

Lukes Brauen zogen sich zusammen und seine Lippen waren<br />

geschürzt, was Mara als eine Mischung aus Verwirrung und<br />

Missfallen deutete. Doch ansonsten blieb er stumm, ganz so, als<br />

erwarte er von ihr eine Erklärung für ihr neues Erscheinungsbild.<br />

Wieder seufzte sie.<br />

"Wir beide wissen doch, dass Twi'lek - genau wie einige<br />

Menschen - sich bei der Wahl ihrer Sexualpartner nicht nur auf ihre<br />

eigene Spezies beschränken. Männliche Twi'lek würden ebenso mit<br />

einer menschlichen Frau das Bett teilen wie mit einer Twi'lek-Frau.<br />

Ob das an der anatomisch ähnlichen Beschaffenheit der beiden<br />

Spezies oder an der erhöhten Paarungsbereitschaft der Twi'lek liegt,<br />

sei dahin gestellt", erklärte Mara sachlich, "Dennoch bleibt es eine<br />

Tatsache, dass sich mehr als die Hälfte aller Twi'lek auch zu<br />

Menschen hingezogen fühlt."<br />

Sie sah Luke offen in die Augen und er schien zu begreifen.<br />

48


"Das heißt", meinte er langsam, "Sie wollen sich diese Tatsache zu<br />

nutzen machen, und unserem Twi'lek-Freund so ein paar<br />

Informationen entlocken?"<br />

Sie nickte.<br />

"Ganz genau."<br />

"Und welche Rolle wollten Sie mir bei diesem Theater<br />

angedeihen lassen?" fragte er und verschränkte die Arme voller<br />

Erwartung vor der Brust.<br />

"Da ich Sie sowieso nicht davon abhalten kann, können Sie mir<br />

heimlich Deckung geben, falls es wider Erwarten brenzlig werden<br />

sollte", erwiderte sie beinahe gelangweilt, "Allerdings bezweifle ich,<br />

dass mir ein zugedröhnter Pirat großartig gefährlich werden könnte.<br />

Ach ja, und ich bestehe auf einhundert Meter Sicherheitsabstand<br />

ihrerseits, Skywalker."<br />

An seiner vernarbten Wange zuckte ein Muskel und sie konnte<br />

ihm ansehen, dass er damit absolut nicht einverstanden war. "Das<br />

gefällt mir nicht. Sie rennen im knappsten und kürzesten Outfit, das<br />

mir seit langem untergekommen ist durch die Stadt und wollen sich<br />

so an die Fersen eines Verbrechers heften? Ich habe kein gutes<br />

Gefühl bei dieser Sache, Mara."<br />

"Kommen Sie", rief sie mit einem ironischen Lächeln auf den<br />

Lippen, "Ich habe halbnackt für Jabba den Hutten getanzt, nur um<br />

an Sie heranzukommen! Viel schlimmer kann es nicht mehr<br />

kommen!"<br />

Mit diesen Worten drehte sie sich herum und stieg die Rampe<br />

der Jade's Fire hinab, doch ihr entging keineswegs das rote Glühen,<br />

dass schlagartig auf Lukes Wangen brannte, und sie lächelte noch<br />

ein wenig breiter.<br />

"Farmjunge!" murmelte sie amüsiert, als sie ihn stehen ließ und<br />

sich auf den Weg machte.<br />

BELDERONE WAR, WIE MARA FESTSTELLEN MUSSTE, WÄHREND SIE IHREN<br />

Marsch durch die ehemalige Hauptstadt fortsetzte, kein bisschen<br />

anders als Ord Mantell. Obwohl das System einen nicht annähernd<br />

so schlechten Ruf hatte wie die galaktische Schrottpresse Ord<br />

49


Mantell, so war der Planet übersät mit den Zeichen der Zeit. Vor<br />

allem der Angriff der Separatistenarmee vor fast 35 Jahren hatte<br />

einen Großteil der früheren Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt,<br />

als unerbittliche Salven aus rotem und grünen Licht aus dem<br />

Weltraum auf der Planetenoberfläche eingeschlagen waren. Nur<br />

wenige Berichte in den imperialen und republikanischen <strong>Archiv</strong>en<br />

kündeten von den unzähligen Toten. Belderones Einwohner hatten<br />

nicht einmal durch einen Konvoi gerettet werden können.<br />

Wie es schien, hatte sich das System seit diesem Tiefschlag nicht<br />

mehr erholen können.<br />

Nur wer sich auf den weiten Ebenen außerhalb der Städte ein<br />

neues Heim schuf, wurde noch mit Glück und Geld gesegnet. Oder<br />

man machte sich auf, in Beldankhalis alten Stadtkern.<br />

Es reihten sich Spelunken und andere billige Schankhäuser<br />

unaufhörlich aneinander, nur hier und da wurde die Kette von den<br />

verblassten Leuchtbuchstaben vor einem Motel oder einem<br />

Nachtclub unterbrochen. Über die alten Bordsteine torkelten bereits<br />

die betrunkenen Gestalten. Aus dem Augenwinkel sah Mara, wie<br />

drei Devorianer völlig von Sinnen aufeinander eindroschen. Immer<br />

darauf bedacht nicht aufzufallen, nutzte Mara die zunehmende<br />

Dunkelheit als ihre Tarnung und sie zog den Kragen ihrer schwarze<br />

Jacke mit einer Hand enger zusammen. Gelegentlich musste sie<br />

ausweichen und schlüpfte auf ihren hohen Stiefel so schnell es ging<br />

zur Seite, doch die Betrunkenen um sie herum waren nicht das<br />

einzige Problem – wie sie sehr bald feststellte. Am Rinnstein floss<br />

eine schlickige, braune Flüssigkeit ab, in der Fetzen von Flimsiplast<br />

und anderem Abfall schwamm und die einen Geruch zu ihr<br />

aufsteigen ließ, der ihr beinahe die Sinne raubte.<br />

Und in den Sternenkarten wird Belderone als friedlich eingestuft,<br />

dachte Mara mit trockenem Humor.<br />

Nach einer Weile duckte sie sich in eine kleine Seitengasse und<br />

hockte sich zwischen zwei quadratische Müllcontainer, um die<br />

Anzeige auf dem Display des Peilsenders zu überprüfen.<br />

Kostryka konnte nicht mehr allzu weit entfernt sein. Die<br />

Frequenz, mit der der Empfänger die Nähe zum Sender angab, war<br />

nun schneller als noch vor wenigen Minuten. Auf dem Bildschirm<br />

50


zeichnete sich nun ein dichtes Geflecht an Straßen ab und sie<br />

versuchte sich das Bild auf dem Display sehr genau einzuprägen.<br />

Rechts, zweimal links, die Dritte rechts... rechts, zweimal links, die<br />

Dritte rechts, wiederholte sie den Weg in ihren Kopf. Sie schloss die<br />

Augen und atmete tief durch. Rechts, zweimal links, die Dritte rechts.<br />

Dann schlug sie die Augen wieder auf und ließ den Empfänger<br />

mit einer raschen Bewegung wieder in der Innenseite ihrer Jacke<br />

verschwinden, ehe sie wieder auf die belebte Straße hinaustrat.<br />

Zu ihrer Linken bemerkte sie eine flüchtige Bewegung, wie ein<br />

Schatten, der sich nun zwischen zwei Häusern versteckte, in der<br />

Hoffnung nicht gesehen zu werden.<br />

Mara gestattete sich ein Schmunzeln.<br />

Skywalker...<br />

Sie hatte ihn die ganze Zeit über hinter sich gespürt, wie ein<br />

allgegenwärtiger Beschützer, der bereit war, sich auf angreifende<br />

Wildtiere oder andere Ungetüme zu werfen. Allerdings war seine<br />

Präsenz nicht durch körperliche Nähe bestätigt, sondern eher durch<br />

ein diffuses Kribbeln an ihrem Hinterkopf; ein Kribbeln, das ihr<br />

äußerst missfiel. Es erinnerte sie an ihre Zeit als Palpatines Hand.<br />

Wann immer ihr Meister durch die Macht mit ihr in Kontakt<br />

getreten war, hatte sie dasselbe Kribbeln gespürt.<br />

Sie schüttelte den Kopf leicht, um diesen lästigen Gedanken<br />

loszuwerden, wandte sich nach rechts und marschierte weiter die<br />

Straße hinunter.<br />

Einige Straßen weiter fand sie sich vor einem Nachtclub wieder.<br />

Als sie Halt machte, um die mit Leuchtfarbe bemalten Torbögen am<br />

Eingang näher zu betrachten, wandten sich bereits die ersten Köpfe<br />

nach ihr um.<br />

Im Inneren schlug ihr eine Flut süßlich-schwerer Gerüche<br />

entgegen und sie fühlte sich ein wenig benommen, während sie sich<br />

durch die Menge hindurch zur Garderobe drängte und ihre Jacke<br />

abgab, ehe sie sich an der Theke elegant auf den letzten freien<br />

Barhocker hinaufzog. Der Barkeeper nahm ihre Bestellung auf und<br />

Mara unterdrückte einen plötzlichen Würgreflex, als eine besonders<br />

intensive Duftwolke an ihr vorüber schwebte. Sie hustete kurz, doch<br />

das Geräusch wurde von Musik übertönt.<br />

51


Ich muss mich korrigieren, dachte sie, das Junk Palace ist angenehm,<br />

im Gegensatz zu diesem Ort.<br />

In aller Ruhe an ihrem Drink nippend, begann sie den Raum zu<br />

sondieren.<br />

Durch die Schar von Lebewesen, die sich an der Bar, in den<br />

Sitznischen und auf der Tanzfläche drängten, war es schwierig,<br />

einzelne Personen auszumachen. Das gedämpfte, farblich ständig<br />

wechselnde Licht machte es ihr jedenfalls schwerer, etwas zu<br />

erkennen und die Musik verschluckte jedes Geräusch. Es fiel ihr<br />

sogar schwer, den Barkeeper zu verstehen, der irgendwann lautstark<br />

sein Geld einforderte. Mit einem Seufzen ließ sie sich von ihrem<br />

Barhocker gleiten und leerte ihr Glas in einem Rutsch.<br />

Es war wohl das Beste, wenn sie sich ganz diskret in den Nischen<br />

umsah.<br />

Durch die Masse von hin und her wabernden Körpern, drängte<br />

sie auf die rückwärtige Wand und die eindeutig dunkelste Ecke des<br />

Nachtclubs zu. Sich der Macht öffnend, versuchte sie menschliche<br />

und nichtmenschliche Präsenzen zu selektieren und vielleicht einen<br />

Hinweis zu erhalten, der ihr sagen würde, welcher der anwesenden<br />

Twi'lek genau der war, den sie suchte.<br />

Sie hörte ein leises Knallen, dass trotz der Musik an ihr Ohr<br />

drang, und im selben Moment sah sie ein violettes Leuchten, das<br />

durch die Dunkelheit schimmerte...<br />

Der Lichtblitz des Glitzerstims erhellte das Gesicht eines Twi'lek<br />

mit tätowierten Lekku, der sich sogleich begierig über die schwarze<br />

Hülse lehnte und sich einen Faserstrang der knisternden Droge auf<br />

die Zunge legte.<br />

Jackpot, dachte sie mit einem sardonischen Lächeln.<br />

Mara atmete tief durch und rief die Macht erneut zu sich. Die<br />

bewusstseinserweiternde Wirkung des Glitzerstim konnte ihr<br />

gefährlich werden, wenn sie ihren Geist nicht vollkommen von ihm<br />

abschottete. Allerdings würde sie dadurch auch die Fähigkeit,<br />

Kostrykas Absichten zu sondieren, verlieren.<br />

Nun war schauspielerisches Talent gefragt.<br />

Sie trat aus der tanzenden Menge heraus und schritt langsam<br />

einige Stufen zu der Sitzecke aus purpurfarbenem Leder hinauf, wo<br />

52


sich der Twi'lek gemeinsam mit zwei menschlichen Männern<br />

niedergelassen hatte. Alle drei sahen heruntergekommen und<br />

abgehalftert aus. Schmutzige Finger kratzten an einem Glas voll<br />

corellianischem Whiskey, abgetragene Stiefel scharrten über den<br />

Boden und der Geruch von Kühlflüssigkeit lag in der Luft. Einer der<br />

beiden Männer trug eine Weste, wie Mara sie von Solo kannte, doch<br />

diese wies mehrere dunkle Streifen auf, als hätte er das<br />

Kleidungsstück an diesen Stellen verbrannt. Alle drei waren mit<br />

Blaster bewaffnet, die genauso schmutzig und zerkratzt waren, wie<br />

sie selbst.<br />

Kostryka hielt in seinem genüsslichen Kauen inne, als Mara sich<br />

neben ihm auf das weiche Lederpolster sinken ließ, und auch die<br />

beiden Männer starrten sie mit glasigem Blick an.<br />

"Hi", sagte sie und setzte die Maske eines strahlenden Lächelns<br />

auf.<br />

Die Männer sahen sie immer noch dümmlich an, doch Kostryka<br />

grinste und entblößte einen tiefen, vernarbten Riss in seiner<br />

Unterlippe und die verfärbten Zähne eines Glitzerstim-Junkies.<br />

"Hallo, meine Schöne", sagte er mit rauer, kratziger Stimme. "Was<br />

kann ich für ein so zauberhaftes Wesen wie dich tun?"<br />

Mara rutschte näher zu ihm hin, bis sich ihre Knie leicht<br />

berührten, und beugte sich kokett nach vorn.<br />

"Weißt du", sagte sie langsam und strich vorsichtig mit den<br />

Fingerspitzen über Kostrykas bloßen Unterarm, "du bist mir gleich<br />

aufgefallen, als ich herein kam. Die starken Muskeln, diese<br />

verwegene Narbe... und da dachte ich, ich versuche mal dich<br />

anzusprechen."<br />

War das wirklich sie, die all diese zuckersüßen Dinge sagen?<br />

Nach all den Jahren als Palpatines Attentäterin war dies Etwas,<br />

an das sie sich noch nie hatte gewöhnen können. Jedes Mal fühlte sie<br />

sich, als stünde sie neben sich und blickte kopfschüttelnd auf ihren<br />

Körper herab, einen Körper, der sich vollkommen zu<br />

verselbstständigen schien und eine eigene Dynamik entwickelte.<br />

Ihre Lehrmeister hatten immer gesagt, dass es so sein müsste. Man<br />

musste sich von sich selbst entfremden, um die Rolle eines anderen<br />

zu spielen. Und Mara war gut darin, jemand anderes zu sein, und<br />

53


dennoch bereitete es ihr kein Vergnügen, insbesondere nicht, wenn<br />

sie sich in die Rolle eines absoluten Dummchen versetzen musste.<br />

"Es ist dir geglückt, meine Schöne. Mein Name ist Enyth", sagte<br />

Kostryka und lächelte Mara an, als wäre sie sein neues Spielzeug.<br />

"Das hier sind Laz Carhian und Avarice Rinza."<br />

Die beiden Männer nickten knapp und wandten sich wieder dem<br />

Alkohol zu. Offenbar waren sie mit ihren Gedanken ganz woanders.<br />

"Ich bin Derya."<br />

Mit dem schönsten Augenaufschlag, zu dem sie fähig war, sah<br />

Mara zu dem Twi'lek auf und rückte noch ein wenig näher heran. Es<br />

schien ihm nichts auszumachen. Sie beugte sich vor, um in sein Ohr<br />

zu sprechen.<br />

"Stimmt es, was man sich über dich erzählt?" fragte Mara leise,<br />

doch sie wusste, dass er sie hören konnte.<br />

"Was erzählt man sich denn?" fragte er zurück und sie spürte,<br />

wie er versuchte, sie mental zu traktieren.<br />

„Dass...“, sie machte eine kurze Kunstpause, „du ein Pirat bist.“<br />

Seine Lekku zuckten einmal.<br />

„Der König wäre sicherlich nicht sehr erfreut, wenn ich mit dir<br />

darüber sprechen würde.“<br />

Der König? ging es Mara durch den Kopf. Welcher König?<br />

Sie zog eine Schnute: „Schade.“<br />

Wieder entblößte er seine Zähne, schob eine Hand unter Maras<br />

Schultern und presste sie fest an sich. Doch er schien ihr nicht nur<br />

körperlich nahe zu sein. Sie spürte, wie sich seine mentalen Fühler,<br />

die ihm das Glitzerstim verliehen, nach ihr ausstreckten und nach<br />

einem Eingang in ihr Bewusstsein suchten. Zum Glück war sie<br />

besser als das und ihre Schutzbarriere hielt stand.<br />

"Du könntest es herausfinden, Schätzchen", schlug er vor und<br />

platzierte seine freie Hand auf ihrem Oberschenkel. Plötzlich schien<br />

sein forciertes Drängen in der Macht schwächer und Mara sah die<br />

Begierde in seinen Augen aufleuchten.<br />

Das war schon mal nicht schlecht für den Anfang. Der Trick war<br />

es nun nur noch, ihn auf diesem Abstand zu halten.<br />

Sie sahen einander für eine Weile schweigend an und langsam<br />

spürte sie, wie die Wirkung des Glitzerstims nachließ – doch das<br />

54


war sicherlich kein Grund für übermäßige Freude. Irgendetwas<br />

stimmte nicht, doch sie konnte nicht sagen, woran es lag.<br />

Mit einem Nicken in Richtung Ausgang gab Kostryka Laz und<br />

Avarice zu verstehen, dass sie verschwinden sollten und die beiden<br />

wankten davon. Dann wandte sich der Twi'lek wieder Mara zu und<br />

strich mit rauen Fingern über ihr nacktes Knie. Seine Lekku zuckten<br />

immer häufiger.<br />

"Derya, Schätzchen, wie wäre es, wenn wir diesen Ort verlassen",<br />

schlug er vor, "und es uns wo anders gemütlich machen?"<br />

Mara nickte und grinste ihn dümmlich an, ehe er ihr beim<br />

Aufstehen behilflich war und beim Barkeeper seine Rechnung<br />

beglich. Auf dem Weg nach draußen rempelte er einen Rodianer<br />

beiseite und zückte den Blaster aus seinem Hüfthalfter, als dieser<br />

Widerworte gab. Mara zwang sich zu einem Lachen und klammerte<br />

sich an Kostrykas Arm. Sie holten ihre Jacken von der Garderobe<br />

und traten nach draußen auf die belebte Straße.<br />

Kostryka führte Mara nach rechts, die Straße hinunter, und schon<br />

bald wurde die Musik aus den Nachtclubs und Wirtshäusern leiser.<br />

Egal, was er ihr auch erzählte, sie lachte kreischend, um ihm das<br />

Gefühl zu geben, dass er ganz besonders attraktiv war, auch wenn<br />

Mara sich im tiefsten Inneren ihres Wesens gegen die Nähe des<br />

Twi'lek sträubte.<br />

Sie lachte gerade über einen äußerst anzüglichen Witz, als sie<br />

eine Gruppe Menschen passierten, die sich keinen Deut für sie zu<br />

interessieren schien, doch Kostryka warf einen prüfenden Blick über<br />

die Schulter.<br />

Plötzlich blieb er stehen.<br />

"Ehrlich, ich habe noch nie so gelacht", sagte Mara in<br />

glockenhellem Ton und drehte sich zu Kostryka um. Dieser stand da<br />

wie angewurzelt, starrte sie mit einem Blick an, der Carbonit<br />

geschmolzen hätte, eine Hand an seinem Blaster...<br />

...und Mara begriff.<br />

Leider kam ihre Erkenntnis eine halbe Sekunde zu spät.<br />

"Schluss mit diesem Theater, Jade!" rief Kostryka barsch und<br />

schaltete seinen Blaster von Betäuben auf Töten, ehe er ihn auf Mara<br />

richtete. "Hände hoch und langsam umdrehen!"<br />

55


Also wusste Kostryka, wer sie war. Und wenn er das wusste, war<br />

ihm auch klar, warum sie zu ihm gekommen war. Sie verfluchte<br />

sich, dass sie davon abgesehen hatte, ihre BlasTech-Pistole im Ärmel<br />

ihrer Jacke zu verstauen. Adrenalin rauschte durch ihre Blutbahn,<br />

während sie fieberhaft an einer Lösungsstrategie arbeitete. Die<br />

winzige Sekunde, die sie bräuchte, um an das Messer an der<br />

Innenseite ihres Oberschenkels zu kommen, hatte sie nicht, bis dahin<br />

hätte man sie wahrscheinlich längst erschossen. Außerdem war die<br />

Distanz zwischen ihnen zu groß, als das sie eine Nahangriffstechnik<br />

des Teras Käsi hätte anwenden können. Außerdem wollte sie ihn<br />

lebend, nicht tot. Kostryka bewahrte noch zu viele Geheimnisse, die<br />

er Mara preis geben konnte.<br />

Dir wird schon was einfallen, Mara, dachte sie und versuchte ihr<br />

wie wild schlagendes Herz zu beruhigen. Wo war Skywalker, wenn<br />

man ihn brauchte?<br />

Kostryka gestikulierte heftig in Maras Richtung und sie ging mit<br />

erhobenen Händen rückwärts, bis sie mit den Schultern gegen eine<br />

raue Wand stieß. Hinter dem Twi'lek erschienen zwei Silhouetten,<br />

die sich gegen die matte Straßenbeleuchtung absetzten. Laz und<br />

Avarice. Beide trugen Repetier-Blaster bei sich und richteten sie auf<br />

Maras Brust. Es war nur allzu offensichtlich, dass die drei Piraten ihr<br />

eine Falle gestellt hatten und sie schluckte einige wüste<br />

Verfluchungen an sich selbst hinunter, weil sie diesen Hinterhalt<br />

nicht hatte kommen sehen. Sehr töricht und anmaßend.<br />

Der Twi'lek kam auf sie zu, die Mündung des Blasters immer<br />

noch auf ihr Gesicht gerichtet, und fingerte an der Innenseite von<br />

Maras Jacke herum, bis er den Empfänger in einer der Taschen<br />

gefunden hatte. Mit einer abfälligen huttischen Bemerkung steckte<br />

er ihn an seinen Gürtel.<br />

"Wo ist Meelam?" verlangte Mara zu wissen und ließ ihre<br />

Maskerade damit endgültig fallen.<br />

Kostryka rümpfte die Nase und seine Lekku zuckten erneut,<br />

während Laz und Avarice ein gemeinsames Grunz-Lachen von sich<br />

gaben.<br />

"Sind Sie wegen ihm hier?" fragte Kostryka ungläubig. "Sie sind<br />

echt verdammt bescheuert."<br />

56


Zu ihrer Linken huschte eine weitere Männergestalt von<br />

Hauseingang zu Hauseingang und versuchte sich unbemerkt<br />

anzuschleichen – zumindest so unauffällig wie es einem Jedi-Meister<br />

mit einem Lichtschwert möglich war.<br />

Maras Herz machte einen Sprung. Sie hätte nie gedacht, dass sie<br />

sich einmal so über Skywalkers Anwesenheit freuen würde.<br />

"Nichtsdestotrotz war ihre kleine Vorstellung ganz amüsant.<br />

May sagte, dass Sie gut sein würden", erklärte Kostryka, ließ Mara<br />

dabei jedoch keine Sekunde aus den Augen.<br />

May?<br />

Der Name klang Mara in den Ohren nach und ihre Gedanken<br />

begannen sich zu jagen. Sie hatte ihn schon einmal gehört...<br />

"Offensichtlich war ich nicht gut genug", ergänzte sie trocken.<br />

Wieder grunzten die beiden Kerle hinter Kostryka vor<br />

Schadenfreude – Mara wartete nur noch darauf, dass sie sich<br />

gegenseitig dafür gratulierten, dass sie noch gerade stehen konnten<br />

– und auch der Twi'lek gestattete sich ein kehliges, fast hämisches<br />

Lachen.<br />

Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Es gab ein grünes<br />

Aufblitzen und das Summen von Skywalkers Lichtschwert erfüllte<br />

die Luft. Mit dem typischen Zischen, wenn die Energieklinge auf<br />

Durastahl traf, durchschnitt Skywalker die Läufe der Blaster und<br />

entwaffnete Laz und Avarice, ehe sie bemerkten, was geschah.<br />

"Drei gegen Einen, das nenne ich wirkliche Fairness",<br />

kommentierte Skywalker trocken, als die beiden Piraten nach ihren<br />

Stiefelhalftern griffen und jeder eine zweite Waffe zum Vorschein<br />

brachte. Blasterschüsse zischten durch die Nacht und prallten an der<br />

grünen Klinge ab.<br />

Durch Skywalkers Erscheinen abgelenkt, wandte Kostryka seine<br />

Aufmerksamkeit von Mara ab und verschaffte ihr damit die<br />

Sekunde, die sie gebraucht hatte. Mit aller Kraft stieß sie sich von<br />

der Wand hinter ihr ab und stürzte sich auf den Twi'lek. Ein<br />

Handkanten-Schlag und ein gut gezielter Fußtritt raubten Kostryka<br />

den Atem, ließen ihn taumeln. Die BlasTech-Pistole entglitt seinem<br />

Griff und rutschte mit dem dunklen Schlick davon. Er keuchte und<br />

hieb mit beiden Fäusten auf sie ein. Sie duckte sich unter dem ersten<br />

57


Schlag hindurch, spürte dann jedoch etwas, das sie wie ein Stein in<br />

die Magengrube traf. Glitzerstim hin oder her, seine Körperkraft<br />

war kein bisschen geschwächt.<br />

Das Sirren von Skywalkers Lichtschwert, das das rote<br />

Blasterfeuer zurückwarf, erfüllte noch immer die Luft, als sie sich<br />

mit dem Kopf voran auf Kostryka warf und ihn zu Boden rang.<br />

Seine Lekku zuckten wieder nervös, während seine schmutzigen,<br />

Schlamm bespritzen Finger ihren Weg zu Maras Kehle suchten.<br />

Mara warf sich herum, wälzte sie beide durch den dickflüssigen<br />

Schlamm auf der Straße, und drückte Kostryka auf den Permabeton.<br />

Vom Gewicht ihres Körpers auf seiner Brust zu Boden gepresst, gab<br />

der Twi'lek jedoch nicht auf, sondern versuchte sich aus Maras Griff<br />

zu befreien. Zumindest bis er die kühle Klinge des Vibromessers an<br />

seiner Kehle spürte.<br />

"Okay, das reicht jetzt", sagte Mara, der ebenfalls der ölige<br />

Schlick aus dem braun gefärbten Haaren tropfte und über ihr<br />

Gesicht herab lief. "Wo ist Meelam?"<br />

Ein feines Rinnsal Blut sickerte aus der Nase des Twi'lek. Er<br />

atmete heftig ein und aus, als hätte er Angst zu Ersticken, doch der<br />

Ausdruck in seinen Augen blieb unleserlich.<br />

"Was ist? Wo ist er?" wiederholte sie, diesmal strenger, forcierter.<br />

Der Kampf zwischen Skywalker und Kostrykas Kameraden<br />

verklang in Maras Ohren wie fernes Rauschen. Sie blendete alles<br />

andere aus und konzentrierte sich voll und ganz auf den Twi'lek.<br />

Schließlich begann er ganz leise zu sprechen, als fürchtete er, dass<br />

ihnen jemand zuhörte. Mara beugte sich tiefer hinunter, bis ihre<br />

Gesichter nur noch wenige Zentimeter von einander getrennt waren.<br />

"Sie... sollten... sich in Acht nehmen", flüsterte er. "Sonst werden<br />

Sie in noch mehr Fallen tappen."<br />

Mara blinzelte ihn perplex an, sagte jedoch nichts.<br />

"Meelam ist niemand anderes..."<br />

Etwas streifte Maras Wange, nadeldünn und glühend heiß. Sie<br />

zuckte überrascht zurück, die Augen fest geschlossen, und spürte,<br />

wie ihr eigenes, warmes Blut sich mit dem Dreck in ihrem Gesicht<br />

vermischte. Kostrykas gab ein abscheuerregendes Gurgeln von sich<br />

58


und bäumte sich unter Mara auf, dann wurde er still, nahezu Todes<br />

ähnlich ruhig.<br />

Plötzlich erstarb die Kampfhandlung um sie herum. Der einzige,<br />

alles durchdringende Laut schien von Skywalkers Schwert<br />

auszugehen.<br />

Laz und Avarice gaben beide einen erstickten Schrei von sich.<br />

Ihre Blaster landeten geräuschvoll auf dem Straßenbelag und ihre<br />

Schuhe kratzten über den Boden.<br />

"Los, lass uns abhauen!" rief Avarice.<br />

"K-ka-keine schlechte Idee!" stimmte Laz hinzu. Skywalker sah<br />

den beiden nach, wie sie sich eilig aus dem Staub machten, folgte<br />

ihnen jedoch nicht.<br />

Mara hingegen, die das Vibromesser immer noch an Kostrykas<br />

Kehle hielt, starrte fassungslos zu dem Twi'lek hinunter, der mit<br />

aufgerissenen Augen da lag und ins Leere starrte. Seine Atmung<br />

war zum Erliegen gekommen und seine Hände waren plötzlich<br />

erschlafft. Leblos hingen sie an seinen Armen, die wie erlegte<br />

Dewbacks links und rechts von ihm ausgestreckt da lagen.<br />

Ein dünner, silbrig glänzender Pfeil, der etwa so lang war wie<br />

Maras kleiner Finger, hatte zwischen seiner Nase und dem linken<br />

Auge ins Fleisch gebohrt. Zweifelsohne war der Twi'lek vergiftet<br />

worden.<br />

Als sich die Erkenntnis in ihr Gehirn fraß, sprang Mara hastig auf<br />

und berührte den Schnitt in ihrem Gesicht. Mit geschlossenen<br />

Augen ließ sie die Barrieren ihres Geistes so weit fallen, um die<br />

Macht zu sich zu rufen, und ihr Blut von dem Gift zu befreien. Mit<br />

mikro-skopischer Präzision presste sie den winzigen Tropfen, den<br />

sie selbst abbekommen hatte, aus der Wunde und ein neuer, warmes<br />

Schwall der roten Flüssigkeit ergoss sich über ihre Wange.<br />

Sie atmete tief durch. Allerhand Sinneseindrücke kamen zurück<br />

in ihr Bewusstsein und das Herz schlug nun so gewaltsam in ihrer<br />

Brust, als wolle es aus ihrem Körper ausbrechen.<br />

"Skywalker..." begann sie, "lassen Sie uns..."<br />

Doch sie kam mit ihrem Vorschlag nie zu Ende.<br />

Luke starrte über Mara hinweg, den Blick auf die Dächer der<br />

flachen, klotzigen Bauten hinter ihr gerichtet. "Schauen Sie", meinte<br />

59


er dann abwesend und reckte das Kinn. Verwunderte wandte Mara<br />

sich um und folgten seinem Blick.<br />

Da hockte jemand. Am Rand des Daches kauerte eine schwarze,<br />

menschliche Gestalt, von der Mara nicht genau sagen konnte, ob sie<br />

männlich oder weiblich war. Wilde Strähnen schwarzen Haares<br />

fielen der Person ins Gesicht, doch mehr war gegen den<br />

Nachthimmel nicht zu erkennen.<br />

Die Gestalt erhob sich und berührte das rechte Handgelenk.<br />

Mara vermutete, dass sich dort die Abschussvorrichtung für den<br />

vergifteten Pfeil befand.<br />

Ein Schauer kroch Maras Rücken hinab und verteilte sich in<br />

ihrem Gliedern, als sie die schlanke Silhouette über sich mit<br />

prüfenden Blicken bedachte. Ihr war, als empfinge sie<br />

unterschwellig, ganz subtil, eine Botschaft aus der Vergangenheit.<br />

Sie war sich sicher: Sie kannte diese Person.<br />

Die Gestalt richtete sich auf, streckte den anderen Arm nach vorn<br />

und öffnete die Hand. Etwas, das aussah wie schwarze Splitter,<br />

fielen augenblicklich dem Erdboden entgegen.<br />

Als hätte ihn eine seiner Jedi-Ahnungen gewarnt, packte Luke<br />

ihren Oberarm und zerrte Mara einige Schritte zurück. Sie ließ es<br />

geschehen. Jeder Muskel in Maras Körper war angespannt, wartete<br />

auf den Moment des Einschlags.<br />

Es gab ein Geräusch, wie wenn Münzen auf Asphalt auftreffen,<br />

als die schwarzen Splitter einer nach dem anderen zu Boden fielen.<br />

Klirrend verteilten sich um Kostrykas Leiche wie ein Blütenregen<br />

und glitzerten in der Dunkelheit wie herab fallende Sterne. Luke<br />

und Mara drängten beide einen weiteren Schritt zurück. Sie konnte<br />

die Anspannung in ihm spüren als wie ihre eigene.<br />

Doch Sekunden vergingen und nichts geschah.<br />

Eilig wandte Mara ihren Blick wieder zum Dach hinauf, um zu<br />

sehen, was dies zu bedeuten hatte, darauf gefasst ein hämisches<br />

Lachen zu hören oder zu sehen, wie jemand einen Fernzünder<br />

betätigte.<br />

Die schwarze Gestalt war verschwunden.<br />

60


LAZ UND AVARICE WARTETEN BEREITS AM VEREINBARTEN TREFFPUNKT<br />

auf sie und beide sahen ein wenig mitgenommen und aufgekratzt<br />

aus. Offensichtlich unbewaffnet – von zwei Stiefelmessern, einer<br />

Ersatz-Vibroklinge und je einem versteckten Thermaldetonator<br />

einmal abgesehen – standen sie an der Kreuzung unter einer<br />

flimmernden Straßen-laterne, die fahle und verschwommene<br />

Schatten an die Hauswände warf. Sie schenkten jedem, der die<br />

Laterne passierte, einen mürrischen Blick, als hofften sie, dass sich<br />

jemand finden möge, der sich freiwillig von ihnen verprügeln ließ.<br />

May glitt wie eine Kreatur der Nacht ganz lautlos auf die zwei<br />

Nichtsnutze zu und ließ die jüngsten Ereignisse noch einmal Revue<br />

passieren.<br />

Sie war ein wenig überrascht gewesen, als sie Luke Skywalker als<br />

Maras ständigen Begleiter und Schoßhund ausgemacht hatte. Ihr<br />

war bewusst gewesen, dass Enyth dumm genug gewesen war, sich<br />

auf Esseles Jedi-Gesellschaft an die Fersen zu heften, doch sie hatte<br />

nicht erwartet, dass es direkt der Meister des Ordens sein würde,<br />

der dem verlausten, nunmehr toten, Twi'lek hinterher jagte. Doch<br />

letztendlich hatte sich der Jedi-Meister als überaus nützlich<br />

erwiesen. Immerhin hatte er Jade nach Belderone geführt – was er<br />

auch wieder nur Enyths Dummheit verdankte – und war<br />

anschließend brav, jedoch auffällig wie eine leuchtende<br />

Reklametafel, hinter Jade hergelaufen. Er hatte nicht einmal<br />

bemerkt, dass er selbst einen Verfolger hatte, so sehr war er auf Jade<br />

fixiert gewesen. Nur hin und wieder war er für einen kurzen<br />

Augenblick in die Macht abgetaucht und damit aus Mays Blickfeld<br />

verschwunden, doch es hatte nie besonders lange gedauert, bis er<br />

wieder auftauchte. Für einen Moment fragte May sich, ob Skywalker<br />

wohl besondere Gefühle für Jade hatte, doch irgendwie schien ihr<br />

der Gedanke absurd. Wer könnte Mara Jade schon lieben? Jetzt<br />

hoffte May nur, dass ihre Gegenspielerin das nächste Rätsel, dass sie<br />

ihr praktisch vor die Füße geworfen hatte, entziffern und dem<br />

Hinweis nachgehen würde.<br />

May trat in den schummrigen Lichtkegel der Straßenbeleuchtung.<br />

Laz und Avarice strafften im selben Moment die Schultern<br />

und May bemerkte, dass beide wieder einmal nach Alkohol rochen.<br />

61


"Gar nicht mal übel, Jungs.", kommentierte sie humorlos, "Hättet<br />

ihr euch noch ein bisschen mehr in die Hosen gemacht, wärst ihr<br />

von Skywalker filetiert worden."<br />

"Ey, Mann, ey, May, hö' ma', echt, wir ham ja nich' geahnt, dass<br />

sie 'nen Jedi dabei hat!" rief Avarice und hob abwehrend die Hände.<br />

May unterdrückte ihrerseits ein frustriertes Seufzen. Wenn sie nicht<br />

schon Pläne für diese beiden Nichtsnutze hätte, wären sie auf der<br />

Stelle von ihr umgeblastert worden. Dann wäre zumindest ein<br />

Problem gelöst, in diesem Falle gestorben. Aber was nütze es, sich<br />

aufzuregen. May hatte erreicht was sie wollte, und das allein war<br />

wichtig. Abgesehen davon hatte sie nie wirklich erwartet, dass Laz,<br />

Avarice und Kostryka Plan A erfolgreich umsetzen würden.<br />

"Aber muss'est du gleich den arm'n Enyth wegpusten?" fragte<br />

Laz und deutete mit dem Finger auf sie. "Das war nich' nett!"<br />

"Haltet die Klappe", herrschte sie Laz und Avarice an, "Seid froh,<br />

dass ich vor euch stehe und nicht der König. Der hätte Enyth<br />

erschossen und anschließend auf seinem Grab getanzt."<br />

"Du meins', schreiend un' brüllend un' so?" fragte Laz mit<br />

Abscheu in der Stimme.<br />

"Dem hätt' ich in'n Arsch getreten!", meinte Avarice. "Enyth<br />

war'n guter Mann."<br />

"Wie auf immer,", sagte May und machte eine beiläufige Geste,<br />

"Er ist im Dienste der Pirate gestorben. Sehr erstrebenswert. Und<br />

jetzt werden wir den Shuttle nehmen und zurück zum<br />

Sammeltreffpunkt fliegen. Danach erhaltet ihr neue Anweisungen."<br />

Laz und Avarice tauschten nervöse Blicke aus, wagten es aber<br />

nicht, irgendetwas zu erwidern. Immerhin hatten sie gerade den<br />

'König' beleidigt. Und so trotteten sie May hinterher, die das kleine<br />

Trio durch das unübersichtliche Straßengeflecht führte, als wäre sie<br />

hier zuhause.<br />

Sie verließen die Stadt und mittlerweile schimmerten die ersten<br />

Anzeichen des bevorstehenden Sonnenaufgangs am Firmament. Vor<br />

ihnen erstreckte sich eine Landschaft von karger Schönheit. Nur<br />

wenige Schwarzdorn-Akazien säumten den sandigen Boden, aus<br />

dem hier du da ein kleiner Busch emporwuchs. May nahm ihr<br />

62


Fernglas vom Gürtel und überprüfte die Umgebung, fand jedoch<br />

nichts als eine Schlange, die in der Nähe auf einem Felsen döste.<br />

Sie seufzte zufrieden, als der frische Wind durch ihre kinnlangen,<br />

schwarzen Haare strich.<br />

"Es ist nicht mehr weit", informierte sie Laz und Avarice und<br />

ging dann zügig weiter. Die beiden schienen mittlerweile ziemlich<br />

ausgelaugt zu sein, denn sie stützten sich gegenseitig oder rüttelten<br />

den jeweils anderen kräftig durch, wenn er kurz davor war<br />

einzuschlafen.<br />

Schließlich machten sie Halt. Hier war der Sand sprödem,<br />

aufgesprungenem Lehmboden gewichen, der am Tage der Sonne<br />

schutzlos ausgeliefert war.<br />

"Sin' wir endlich da?" fragte Laz träge.<br />

May betätigte ihr Comlink. "Wir sind zurück", sagte sie ein wenig<br />

ungeduldig. Einige Sekunden vergingen, dann erlosch die<br />

Tarnvorrichtung des Shuttles mit einem leisen Surren. May<br />

scheuchte die beiden Piraten hinein – die sich sofort in der Messe<br />

breit machten und laut schnarchend in einen komatösen Zustand<br />

hinüber glitten – und machte sich auf den Weg zum Cockpit. "Wir<br />

können los", verkündete sie ohne Einleitung und ließ sich auf den<br />

Copilotensitz fallen.<br />

Der devorianische Pilot gab eine Reihe unverständlicher Laute<br />

von sich, hämmerte auf die Konsole ein und eine Sekunde später<br />

erwachten die Repulsoren zum Leben.<br />

Zufrieden lehnte May sich zurück, griff in die Brusttasche ihres<br />

Anzugs und zog eine lange, silbrig weiße Kette hervor, an der ein<br />

kreisrundes Geflecht aus selbigem Material hing. Sie drehte den<br />

Anhänger zwischen ihren Fingern und bewunderte die kunstvolle<br />

Fertigung. Haardüne Fäden aus Perlmuttkristall waren so dicht<br />

miteinander verwebt, dass das Geflecht mehr wie eine Medaille oder<br />

eine Münze wirkte. Seltsam, dass etwas so Kleines ein so großes<br />

Geheimnis bewahren kann, dachte sie und strich sanft über das<br />

Medaillon.<br />

Ein kalten Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie daran dachte,<br />

dass Mara Jade eben jenes Geheimnis für sie entschlüsseln würde.<br />

63


Und dann würde sie endlich Rache üben, würde ihre Genugtuung<br />

bekommen, in vielerlei Hinsicht.<br />

Von diesem glücklichen Gedanken erfüllt, schloss May die<br />

Augen, spürte, wie der Shuttle in den Himmel über Belderone<br />

aufstieg, und ließ sich vom Schlaf übermannen.<br />

„HIER, BITTE SCHÖN.“<br />

Mara starrte den dampfenden Becher an, den Skywalker ihr<br />

hinhielt. „Was ist das?“<br />

„Heiße Schokolade", erwiderte er und zog die Augenbrauen<br />

voller Verwunderung nach oben. „Wieso? Haben Sie Angst ich<br />

könnte Sie vergiften?“<br />

Mara verzog ungehalten den Mund, nahm den Becher dann<br />

jedoch schweigsam an und trank einen Schluck. Skywalker ließ sich<br />

mit einem Seufzen neben sie in den Copilotensessel fallen und<br />

starrte gedankenverloren auf die Umrisse der alten Hauptstadt<br />

hinaus. Streifen von Purpur und Lavendel zeigten sich am Horizont<br />

und kündeten den neuen Tag an, während sie schweigend<br />

nebeneinander saßen. Und so blieb es, bis auf R2-D2s mechanisches<br />

Tuten und Gurren, ruhig. Der Astromech hatte sich in die Output-<br />

Buchse des Bordcomputers eingeklinkt und durchsuchte die<br />

öffentlichen <strong>Archiv</strong>e und das HoloNet nach Informationen über die<br />

schwarzen Splitter, die Luke und Mara aufgesammelt hatten.<br />

Beide waren noch immer verwundert darüber, dass die Jade's Fire<br />

bei ihrer Rückkehr absolut unberührt gewesen war. Niemand hatte<br />

während ihrer Abwesenheit besonderes Interesse an dem Schiff<br />

bekundet, noch versucht, sich gewaltsam Zugang zu verschaffen.<br />

Das hatte nicht nur Maras eindringliche Untersuchung ihres<br />

geliebten Schiffes ergeben, auch die Aufzeichnungen der<br />

Hafenbehörde hatten dies bestätigt. Erst nachdem sie sich<br />

einhundertprozentig sicher waren, dass alles in Ordnung war, hatte<br />

Mara einer Dusche zugestimmt.<br />

Und so saßen sie nun da: Sie mit einem Becher heißer Schokolade<br />

und die nassen Haare in ein Handtuch gewickelt, er in seinem<br />

schwarzen Overall, einen Splitter zwischen den Fingern drehend,<br />

64


den Blick in die Ferne gerichtet. Mara hatte immer noch das Gefühl<br />

nach einem Abflussrohr zu riechen, obwohl sie fast eine Stunde lang<br />

den Schlamm von sich herunter geschrubbt hatte.<br />

Immerhin, dachte sie trocken, habe ich so die Tönung wieder aus den<br />

Haaren bekommen.<br />

Mara spürte einen unangenehmen Knoten in ihrem Magen, als<br />

wollte sich etwas darin seinen Weg ins Freie suchen. Ihr war, als<br />

müsste sie etwas zu ihrem grandios misslungenen Plan und zu ihrer<br />

Verteidigung sagen, auch wenn Skywalker weder durch seine<br />

Haltung, noch durch eine einzige Silbe danach verlangt hatte. Aber<br />

vielleicht war es gerade das, was ihr so missfiel. Auf der anderen<br />

Seite wurde sie das Gefühl nicht los, dass dies nicht länger eine<br />

Mission der Schmugglerallianz oder der Jedi war. Irgendetwas<br />

schien sie, Mara persönlich, in diese Ereignisse verstricken zu<br />

wollen, doch sie konnte beim besten Willen nicht sagen was.<br />

Sie nahm einen weiteren Schluck Schokolade. Es war wirklich<br />

frustrierend.<br />

"Ich hoffe, R2s Analyse hilft uns weiter", sagte sie und sie wusste,<br />

es war ein lahmer Versuch Konversation zu machen. Schließlich<br />

mussten sie sich nun beratschlagen, wie diese wilde Banthajagd<br />

weiter gehen sollte. Skywalker brummte eine Zustimmung und<br />

betrachtete weiter den Splitter in seiner Hand, als könnte er dadurch<br />

das Rätsel lösen.<br />

„Ist Ihnen aufgefallen, dass die Splitter nicht aus Metall sind?“<br />

fragte er beinahe beiläufig, als Mara ihren Becher fast ganz geleert<br />

hatte.<br />

„Woraus sollten sie sonst sein, wenn nicht aus Metall?“ fragte sie<br />

und platzierte das Trinkgefäß vorsichtig auf der abgeschalteten<br />

Navigationskonsole neben sich.<br />

Luke zuckte mit den Schultern und sprach ohne sie anzusehen:<br />

„Keine Ahnung, aber es fühlt sich nach keinem Metall und keiner<br />

Legierung an, dass ich kenne.“<br />

„Die Galaxis ist groß, Skywalker“, meinte sie und klang dabei<br />

mürrischer, als sie wollte. Aber das reichte wohl, um seine<br />

Aufmerksamkeit wieder auf sie zu lenken. Er sah sie mit seinen<br />

blauen Augen durchdringend an.<br />

65


„Ich habe Ihnen gleich gesagt, dass ich es für keine gute Idee<br />

halte", meinte er ruhig, "aber was geschehen ist, ist geschehen.“<br />

Sie spürte, wie sich der Knoten in ihrem Magen enger zog und<br />

Zorn in ihr hoch wallte. Und offensichtlich konnte er es auch spüren,<br />

als sie sich ihm plötzlich zuwandte und seinen Blick offen erwiderte.<br />

„Schon gut! Sie hatten Recht, ich Unrecht. Ich hätte auf den<br />

großen, weisen Jedi-Meister hören sollen, anstatt auf mein inneres,<br />

einfältiges, törichtes Stimmchen oder weibliche Intuition. Zufrieden?<br />

Kein Grund mich daran zu erinnern!“, schleuderte sie ihm entgegen.<br />

"Zufrieden?" fragte er und klang weniger beleidigt, als vielmehr<br />

mitfühlend. "Ganz und gar nicht. Ich halte Sie weder für einfältig<br />

oder töricht. In der Tat haben sich ihre Instinkte in der<br />

Vergangenheit als äußerst zuverlässig erwiesen. Dieses Mal haben<br />

Sie sich bloß verschätzt."<br />

"Eine Fehleinschätzung kommt in meiner Branche einem<br />

Todesurteil gleich", kommentierte sie.<br />

"Jeder macht Fehler", beharrte Skywalker.<br />

"Dann häufen sie sich bei mir in letzter Zeit. Und zwar<br />

auffallend."<br />

"Könnten Sie bitte aufhören, sich selber fertig zu machen?"<br />

"Und was ist, wenn ich gerade Lust dazu habe?" konterte Mara,<br />

doch sie wusste in einer entfernten Ecke ihres Bewusstseins, dass sie<br />

sich wie ein bockiges Kind anhörte. Aber im Moment wollte sie<br />

nichts mehr, als ein bisschen Dampf ablassen, und wenn er das nicht<br />

ertragen konnte, stand es ihm frei zu gehen. Sie wäre die Letzte, die<br />

versuchen würde ihn davon abhalten. "Halten Sie lieber die Luft an,<br />

sonst klingen Sie gleich noch wie einer dieser romantisch<br />

unterbelichteten HoloNet-Prediger, die einem weismachen wollen,<br />

sie könnten mit Göttern reden."<br />

Sie hörte, wie er einen tiefen, kontrollierten Atemzug tat und sich<br />

dann wieder schweigend zurück lehnte, um die Landschaft zu<br />

betrachten. Die purpurnen Flecken breiteten sich immer weiter aus<br />

und machten Platz für ein helles, klares Blau, vermischt mit den<br />

ersten, gelbgoldenen Strahlen der Sonne.<br />

Mara folgte seinem Blick, ein wenig enttäuscht, dass er so schnell<br />

nachgegeben hatte, und starrte auf die Stadt hinaus.<br />

66


"Was finden Sie nur an diesem Ausblick?" fragte sie nach einer<br />

Weile. Unter anderen Umständen hatte sie den Sonnenaufgang<br />

vielleicht als hübsch empfunden, aber sie fühlte sich taub, als könnte<br />

sie die Schönheit nicht mehr wahrnehmen.<br />

Er verzog den Mund zu einem sardonischen Lächeln.<br />

"Sie haben wohl nicht viel für Romantik übrig, oder?"<br />

"Ich habe in meinem Leben keine Zeit für Romantik und ich lege<br />

auch keinen besonders großen Wert darauf", sagte sie streng. "Sie<br />

hingegen sind noch zu sehr mit Ihrer Callista beschäftigt, um..."<br />

Sie hielt inne, als sie sah, wie sich seine Miene kaum merklich<br />

verfinsterte, und wusste, dass sie einen empfindlichen Punkt<br />

getroffen hatte.<br />

"Sie halten mich also auch für romantisch unterbelichtet, ja?" fragte<br />

er und die Verärgerung schwang deutlich in seiner Stimme mit.<br />

"Ich sage nur, dass Sie immer noch Ihrem Mädchen nachtrauern,<br />

auch wenn sie nach Nam Chorios was anderes behauptet haben",<br />

konterte sie. "Sie machen sich etwas vor und trösten sich mit<br />

lächerlichen Poesiealbums-Sprüchen darüber hinweg, dass das<br />

Leben nicht fair ist. Vielleicht verbringen Sie deshalb so viel Zeit mit<br />

den Solo-Kindern, weil Sie so Ihre zerstörten Familienträume<br />

kompensieren können. Und vielleicht brauchen Sie sogar das<br />

Praxeum selbst, um ihr Ego zu stärken."<br />

Sie sah, wie sich Fassungslosigkeit auf seinem Gesicht<br />

ausbreitete. Er starrte sie an, als hätte sie ihn soeben geohrfeigt und<br />

seine Wangen röteten sich. Langsam er lehnte sich in seinem Stuhl<br />

vor.<br />

"Passen Sie auf, was Sie sagen, Jade", meinte er hitzig.<br />

Offensichtlich verlangte es ihm gerade all seine Jedi-Geduld ab, um<br />

sein eigenes Temperament im Zaum zu halten.<br />

Ein Funkeln trat in Maras Augen. "Das hier ist doch eine freie<br />

Galaxis, also darf ich ja wohl auch meine Meinung äußern, oder?"<br />

Auf eine nahezu sadistische Art und Weise amüsierte sie seine<br />

Verärgerung. Es war einfach köstlich zu sehen, dass sich Luke<br />

Skywalker immer noch aus der Reserve locken ließ.<br />

"Ja, schon", gab er zu und schob das Kinn trotzig nach vorne,<br />

sichtlich um Diplomatie bemüht. "Aber..."<br />

67


Mara hätte gern noch gehört, welches Gegenargument Skywalker<br />

zu seiner Verteidigung vorzubringen gedachte. Dank R2-D2 kam es<br />

nie dazu.<br />

Der Astromech-Droide war schneller, schob sich mit größter<br />

Beharrlichkeit zwischen die Sitze der beiden Streithähne und<br />

übertönte seinen Meister mit einer Reihe von aufgeregten Piepsern<br />

und Heulern. Skywalker verzog den Mund und legte R2-D2<br />

beruhigend eine Hand auf die blaue Kuppel. "Schon gut, R2."<br />

"Was hat er gesagt?" verlangte Mara zu wissen.<br />

"Das er mit der Analyse fertig ist", erwiderte Skywalker trocken,<br />

doch sie wusste, dass das nicht alles gewesen sein konnte.<br />

"Und weiter?" bohrte sie.<br />

Skywalker warf ihr einen Blick zu. Seine Wut schien wieder<br />

verflogen, was zurück blieb, war bloße Resignation.<br />

"Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie verdammt<br />

anstrengend sein können?" fragte er trocken und wandte sich wieder<br />

R2 zu, wodurch er Maras tödlichem Blick entging. Er beugte sich<br />

vor, löste die Abdeckung des Mainframe-Prozessors und verband<br />

R2 über ein Kabel mit einem der freien Ports.<br />

Mara hingegen presste die Lippen aufeinander. Vielleicht sollte<br />

sie es fürs Erste dabei belassen.<br />

Auf dem Holo-Bildschirm erschien eine exakte, detailgetreue<br />

Abbildung eines Splitters, kurz darauf erschienen die Titel mehrerer<br />

Einträge dazu im HoloNet. Skywalker bat seinem Astromech-<br />

Droiden, den ersten Eintrag aufzurufen.<br />

Die 'Steinerne Blume' (mandalor.: Oriaans, selk.: Xchulthu) zählt zur<br />

Pflanzengattung der Blüten-Gewächse und ist ausschließlich in der<br />

südlichen Steppe des Planeten Dantooine zu finden. Ihren Namen verdankt<br />

sie einer ihr eigenen Fähigkeit bei der Reproduktion. In ihrer Keimzeit<br />

während eines milden Frühlings ist die Blüte ungeöffnet, Stiel und Blätter<br />

erscheinen weiß. Während ihres Wachstums entwickelt sich das<br />

Chlorophyll entlang des Stiels, die Blüte öffnet sich. Die Farbgebung der<br />

Blüte kann unterschiedlich sein, je nachdem, mit welcher Untergattung die<br />

Spender-/Eltern-Generation gekreuzt wurde. Gelbrote und blaugrüne<br />

Verläufe zählen zu den am häufigsten auftretenden Blütenfarben. Am Ende<br />

68


des Herbstes beginnt der Degenerationsprozess und damit die<br />

Reproduktion, bei der Stiel und Blätter eine gelbliche Farbe annehmen. Die<br />

Blüte bleibt geöffnet, verändert jedoch ihre genetische Struktur. Primäre<br />

Merkmale wie die Form bleiben erhalten, jedoch ereignet sich ein spontaner<br />

Wandel in der Decodierung der DNS. Die pflanzeneigenen Proteine<br />

zersetzen die zellularen Membranen und Zellwände und bauen sie neu<br />

zusammen, so dass sich eine wetterresistente, feste Außenhülle bildet. Ist<br />

ein Blütenblatt vollständig umgewandelt, wird es abgeworfen. Im Inneren<br />

ist die Erbinformation sicher abgespeichert.<br />

Bereits während der Mandalorianischen Kriege wurden die gehärteten<br />

Blütenblätter bei zeremoniellen Bestattungsriten, als Schmuck und als<br />

Werkzeugbestandteil verwendet. Durch Plünderer und mandalorianische<br />

Söldner verbreiteten sich einzelne Arten auch auf Mandalore und im<br />

Manaan-System, wo sie jedoch rasch wieder ausstarben. Aufgrund ihrer<br />

außerordentlichen Seltenheit und der schwachen Reproduktion der Pflanze<br />

in der freien Natur von Forschungsbeauftragten und Paläobotanikern der<br />

Neuen Republik als äußerst gefährdet eingestuft...<br />

Als sie beide geendet hatten, warf Skywalker ihr einen fragenden<br />

Blick zu, als warte er darauf, dass sie ihre Meinung kundtat.<br />

Mara biss sich auf die Lippen und dachte angestrengt nach. Also<br />

waren die schwarzen Splitter keine Metallfragmente, sondern<br />

verwelkte Blütenblätter. Aber warum sollte jemand nach einem<br />

Attentat mit Blütenblättern um sich werfen? Sie konnte sich nicht<br />

vorstellen, dass es sich dabei um einen 'zeremoniellen<br />

Bestattungsritus' handelte. Auch hatte die Gestalt keins der<br />

typischen Merkmale eines Mandalorianers gezeigt, was vielleicht<br />

eine andere Verbindung zur Oriaans-Pflanze hergestellt hätte. Nein,<br />

es war etwas anderes.<br />

Sie erinnerte sich an den Schauer, der über ihren Rücken<br />

gekrochen war, als sich ihre Blicke getroffen hatte. Sie kannte diese<br />

Person und sie war hinter Mara her.<br />

"May sagte, dass Sie gut sein würden."<br />

Es durchzuckte sie wie ein heftiger Energiestoß, als sie sich an<br />

Kostrykas Worte erinnerte.<br />

69


Konnte das sein? Die Person auf dem Dach, konnte es sein, dass<br />

es May Lynn Montross gewesen war?<br />

Hatte Kostryka von ihr gesprochen?<br />

Wenn ja, was wollte May Montross von ihr? Welchen Nutzen zog<br />

sie daraus, Meelam in ihrer Gewalt zu haben?<br />

"Was ist los?" hörte sie Skywalker entfernt fragen. Sie blinzelte<br />

und ihr Herz nahm wieder seine Arbeit auf, nachdem es für eine<br />

Sekunde stehen geblieben war.<br />

Luke sah Mara mit einer Mischung aus ernsthafter Sorge und<br />

Verwunderung an.<br />

"Es ist ein Hinweis", meinte sie nur. "Die Blütenblätter sind ein<br />

Hinweis. Wer auch immer Meelam in seine Gewalt gebracht hat, sie<br />

will, dass wir ihr folgen. Sie wusste, dass wir die Splitter analysieren<br />

würden, genauso, wie sie gewusst hat, dass wir hierher kommen<br />

würden. Das bedeutet, sie wollte, dass wir diesen Eintrag finden,<br />

um uns zum nächsten Ziel zu locken."<br />

"Ich weiß nicht, ob das klug ist, immerhin können wir so leicht in<br />

einen Hinterhalt geraten", warf Skywalker ein und studierte noch<br />

einmal den HoloNet-Eintrag. "Andererseits", seufzte er, "haben wir<br />

sowieso keine andere Wahl."<br />

"Das hier ist meine Mission, Skywalker", erklärte Mara. "Sie<br />

müssen mich nicht begleiten."<br />

"Ich habe gesagt ich komme mit Ihnen, also werde ich bleiben",<br />

sagte er ruhig, aber bestimmt.<br />

Sie nickte bloß. Sie konnte ihn nicht zwingen zu bleiben, aber sie<br />

konnte ihn ebenso wenig dazu zwingen zu gehen. Nun, so musste<br />

sie wenigstens nicht allein durch diesen Schlamassel und vier Augen<br />

sahen bekanntlich mehr als zwei.<br />

Mara spürte ein seltsames Kitzeln in ihrer Magengrube. Sie<br />

waren nach Belderone gekommen, um Antworten zu finden, doch<br />

sie hatten stattdessen nur noch mehr Fragen gefunden. Es blieb<br />

ihnen nur übrig dem einzigen, stichhaltigen Beweis nachzugehen:<br />

Dem Herkunftsort der 'Steinernen Blume'.<br />

Also fasste Mara einen Beschluss. Es war egal, was an ihrem Ziel<br />

lauerte oder welches Übel May Montross ihr vielleicht zufügen<br />

wollte, sie durfte jetzt nicht aufgeben. Immerhin musste sie Karrdes<br />

70


Auftrag zu Ende bringen. Und die Antworten würden schon noch<br />

kommen, auf die eine oder andere Weise.<br />

Sie wandte sich der Konsole zu und tippte den Kenncode ein, mit<br />

dem sich die Triebwerke der Jade's Fire starten ließen, wobei Luke<br />

sie aufmerksam beobachtete.<br />

"Dantooine?", fragte er.<br />

Wieder nickte sie. "Dantooine."<br />

71


4: A DIVE INTO THE HEART<br />

SKYWALKER STOCHERTE SCHWEIGSAM IN SEINEM ROHKOSTSALAT AUS<br />

Rupyine-Bohnen und Elion-Paprika herum, die vom Küchenchef in<br />

der einheimischen Variante einer Vinaigrette ertränkt worden<br />

waren. Mara hingegen hatte ihr Nerf-Filet noch nicht einmal<br />

angerührt. Es stand immer noch da und wurde langsam kalt und<br />

Luke hatte es aufgegeben, sie zum Essen zu bewegen.<br />

Sie saßen auf der Dachterrasse eines kleinen, familiär wirkenden<br />

Restaurants ganz in der Nähe ihrer Landebucht. Die Siedlung lag<br />

friedlich zu ihren Füßen da und die Sonne tauchte die Häuser und<br />

Straßen in ein Licht von sanftem Gelb und Rosa. Die Luft war klar<br />

und trug noch die Kühle des vergangenen Winters mit sich. Auf<br />

dem Platz vor dem Restaurant fuhr gelegentlich ein Speeder vorbei<br />

und übertönte damit das leise Stimmengewirr auf der Straße. Der<br />

pastellblaue Himmel über Dantooine wurde nur vom Schleier<br />

kleiner Quellwolken bedeckt. Die Idylle hätte direkt aus einem<br />

Hotelzimmer-Gemälde stammen können.<br />

Mara, ganz versunken in die Lektüre eines Reiseführers, biss sich<br />

konzentriert auf die Unterlippe und versuchte das Szenario auszublenden,<br />

obwohl es angenehm war, nach all den verkommenen<br />

Welten wie Ord Mantell und Belderone solch natürliche Harmonie<br />

zu genießen.<br />

„Und?“, fragte Luke, der gerade eine weitere Gabel Bohnen in<br />

Essig-und-Öl-Sauce herunter geschluckt hatte. „Schon Etwas gefunden,<br />

das uns weiter helfen könnte?“<br />

72


„Nein“, sagte Mara gedankenverloren und wechselte die Karten<br />

in ihrem Datapad.<br />

Vorhin waren sie die einzigen Reisenden in dem winzigen<br />

Hafenbüro gewesen und eigentlich war seit dem alles ruhig und<br />

vollkommen normal verlaufen, auch wenn Skywalkers Erscheinen<br />

bei dem kleinen gedrungenen Mann hinter der Ladentheke fast<br />

einen Herzinfarkt verursacht hatte. Dies war eindeutig zuviel<br />

Prominenz für einen Tag, wie Mara still bei sich gedacht hatte.<br />

Der Hafenleiter selbst – ein schlaksiger Mann zwischen dem<br />

fünfzigsten und sechzigsten Lebensjahr, wie Mara schätzte – war<br />

daraufhin erschienen, um sie in Khoonda City zu begrüßen und sie<br />

mit seiner Ehrerbietung zu überschütten. Nachdem Luke ihm eine<br />

ganze Weile die Hand geschüttelt hatte, war er dann gewillt<br />

gewesen, ihnen einige elektronische Reiseführer und Landkarten der<br />

Umgebung zu verkaufen. „Ich kann Ihnen auch nur herzlichst die<br />

umfangreiche Medienbibliothek unserer Stadtverwaltung<br />

empfehlen. Unsere Geschichte reicht immerhin fast fünftausend<br />

Jahre zurück und selbst die alten Jedi hatten hier einst eine<br />

Enklave!“ hatte er sich, wild gestikulierend, ausgelassen. „Wir<br />

nehmen die hier, danke!“, hatte Mara sich entschlossen eingemischt<br />

und die Credits passend auf die Ladentheke geknallt, ehe Skywalker<br />

sich zu irgendwelchen historischen Ausflügen hinreißen ließ.<br />

Sie hörte, wie Luke seinen Teller leerte und sein Besteck<br />

ordentlich beiseite legte. Der Polsterbezug des Stuhls quietschte, als<br />

er sich zurücklehnte.<br />

„Mein letzter Besuch hier war nicht besonders erfreulich“, sagte<br />

Skywalker mit ernster Miene. „Dabei hatte ich gedacht, dass<br />

Gantoris' Leute hier sicher wären. Kaum zu glauben, wozu Daala<br />

fähig gewesen ist.“<br />

Mara sah von ihrem Datapad auf und zog verwundert die<br />

dünnen Brauen nach oben. Die Unterhaltungen zwischen Luke und<br />

ihr waren seit ihrem Streit auf Belderone genau so unterkühlt<br />

gewesen, wie die Frühlingsbrise, die gerade durch die Gassen<br />

wehte. Sie waren beide höflich, aber distanziert geblieben und<br />

hatten nur miteinander gesprochen, wenn es zwingend notwendig<br />

gewesen war. Die meiste Zeit war Mara ihm aus dem Weg gegangen<br />

73


und hatte sich in ihrer Kabine mit dem Papierkram für die<br />

Schmugglerallianz beschäftigt oder Nachrichten in ihrem Holo-<br />

Postfach beantwortet. Sie hatte es als Vereinbarung mit beidseitigem<br />

Einverständnis aufgefasst, als Skywalker keinerlei Anstalten machte,<br />

das Gespräch mit ihr zu suchen. Offenbar hatte sie falsch gelegen,<br />

denn nichts anderes war diese Äußerung: Der Versuch, ein<br />

Gespräch zu beginnen.<br />

„Wenigstens sind sie für ein paar Tage wirklich glücklich<br />

gewesen“, kommentierte Mara, die sich noch sehr gut an die<br />

Schreckensberichte über die Vernichtung der Eol Sha erinnerte. Sie<br />

selbst hatte vor zwei Jahren die Nachrichten zu Skywalkers Jedi-<br />

Akademie gebracht.<br />

Mara lege das Datapad beiseite und beschloss, ihr nunmehr<br />

lauwarmes Nerf-Filet endlich zu essen. „Vielen Lebewesen ist nicht<br />

einmal das vergönnt. Sie sollten sich deswegen keine Vorwürfe<br />

machen.“<br />

Mara wartete nur auf sein „Das tue ich doch gar nicht!“, doch zu<br />

ihrer Überraschung nickte Skywalker bloß und ließ es dabei<br />

bewenden.<br />

„Wir haben also keine näheren Hinweise?“ hakte er nach.<br />

Mara spülte einen trockenen Bissen Fleisch mit einem Schluck<br />

Wasser hinunter. „Nein, haben wir nicht.“<br />

„Aber es muss doch irgendetwas in diesem Reiseführer gestanden<br />

haben, oder?“<br />

„Ja, das schon", erwiderte Mara und spießte einige<br />

Kartoffelscheiben auf ihre Gabel auf, „zum Beispiel, dass Khoonda<br />

City eine von drei befestigten Siedlungen auf Dantooine ist; dass 67<br />

Prozent der Festlandvegetation aus Steppe besteht und dass<br />

zwischen dem fünften und dem achten Monat die Regenzeit<br />

einsetzt. Ansonsten ist Dantooine hauptsächlich von Nomaden<br />

bevölkert. Die zerstörte Rebellenbasis, die Ruine einer alten Jedi-<br />

Enklave und ein dunkler Hain aus Steinen zählen zum galaktischen<br />

Kulturerbe der Alten Republik und einmal alle vierundzwanzig<br />

Monate findet eine traditionelle Iriaz-Jagd statt. Wollen Sie noch<br />

mehr hören?“<br />

Er blinzelte sie an.<br />

74


„Äh, nein... danke“, sagte er langsam, als müsse er die ganzen<br />

Informationen erst einmal abspeichern. „Haben Sie denn auch schon<br />

eine Idee, was wir als nächstes tun sollen?“<br />

„Zuerst“, antwortete sie zwischen zwei Bissen, „werde ich<br />

aufessen. Dann werden wir unsere Rechnung bezahlen. Und danach<br />

bin ich für jeden Vorschlag offen, den Sie mir anbieten können.“<br />

Seine Mundwinkel zogen sich kaum merklich nach oben.<br />

Und so wartete er geduldig, bis sie ihre Mahlzeit ebenfalls<br />

beendet hatte, dann beglichen sie beim Wirt ihre Rechnung und<br />

traten hinaus auf den kleinen, runden Platz. Einige der Passanten<br />

warfen ihnen prüfende Blicke zu, da sie als Einzige nicht in blass<br />

gefärbten Leinenstoffen gewandet waren wie die Einheimischen.<br />

Skywalker kam mit seiner sandfarbenen Jedi-Robe dem lokalen<br />

Kleidungsstil schon nahe, doch Mara in ihrem schwarzen Bodysuit<br />

fiel völlig aus der Reihe.<br />

Sie wandten sich nach links und bogen in eine breite<br />

Fußgängerzone ein. An kleineren Ständen und in den Läden wurden<br />

importierte Waren von allen Welten des Middle und Outer Rim<br />

angeboten. Gelegentlich stand eine Hand voll Menschen vor einem<br />

der Stände und unterhielt sich angeregt.<br />

„Erinnert mich an Anchorhead“, warf Skywalker beiläufig ein,<br />

„nur nicht ganz so staubig und trocken. Wenn die Ernte auf der<br />

Feuchtfarm vorbei war, sind Onkel Owen und ich immer in die<br />

Stadt gefahren, um Geschäfte zu machen. Das waren in meiner<br />

Jugend die besten Tage des ganzen Jahres.“<br />

„Auf gewisse Weise sind doch alle Hinterwäldler-Systeme<br />

irgendwie ähnlich, oder nicht?“ fragte Mara, blieb stehen und besah<br />

sich einen Korb voll Barabelfrüchte. „Sie sind oft isoliert, haben eine<br />

schwache Infrastruktur und Industrie... aber das gehört wohl zu<br />

ihren Charme.“<br />

„Charme?“ wiederholte Luke ungläubig. „Ich wüsste nicht, was<br />

an Tatooine charmant sein sollte, auch wenn es weit schlimmere Orte<br />

in dieser Galaxis gibt.“<br />

„Sie sind dort aufgewachsen, Sie können das nicht verstehen“,<br />

meinte Mara und zählte ein paar Creditmünzen in die Hand des<br />

Obsthändlers. „Für jemanden, der auf Coruscant groß geworden ist,<br />

75


kann diese Ruhe und Abgeschiedenheit sehr erholsam sein.<br />

Zumindest gelegentlich.“<br />

Sie nahm zwei Barabelfrüchte vom Obsthändler entgegen und<br />

drückte Luke eine davon in die Hand, als sie weitergingen.<br />

„Und ich dachte immer, Sie bräuchten ständig Action und so<br />

weiter“, sagte Skywalker, „schließlich haben Sie es auch nicht lange<br />

auf Yavin 4 ausgehalten.“<br />

„Ich kann es nicht ertragen völlig von der Außenwelt<br />

abgeschnitten zu sein, wenn ich genau weiß, dass ich da draußen<br />

sein sollte, um mit anzupacken. Ich kann nicht tatenlos daneben<br />

stehen, während die gesamte Republik sich in einem politischen<br />

Dilemma verstrickt“, erklärte Mara ruhig und biss ins saftige,<br />

violette Fleisch der Barabelfrucht. „Das ist etwas vollkommen<br />

anderes, als sich in Zeiten des Friedens für ein paar Tage zurück zu<br />

ziehen und seinen Kopf frei zu bekommen.“<br />

„Ich verstehe, was Sie meinen“, stimmte Luke mit einem<br />

humorlosen Lächeln zu, „nur, dass es selten eine Zeit des Friedens<br />

gibt, in der man sich ausruhen könnte.“<br />

Mara nickte: „Das ist das Problem. Und wir sind ja auch nicht<br />

hierher gekommen, um Urlaub zu machen, oder? Auch wenn ich<br />

beim besten Willen nicht sagen kann, was genau wir hier vorfinden<br />

sollen.“<br />

Der Gedanke geisterte ihr schon seit dem Moment, da sie ihr<br />

Schiff verlassen hatte, durch den Kopf.<br />

Welchen Sinn sah May darin, sie hierher zu locken?<br />

Oder machte sich Montross nur einen abgöttischen Spaß daraus,<br />

Mara ohne Sinn und Verstand umherirren zu sehen?<br />

Sie bogen in eine weitere, noch breitere Straße ein. Zwischen den<br />

Häusern waren hier kleine Bäumchen gepflanzt worden, die das<br />

Stadtbild ein wenig auflockerten.<br />

„Scheint die Hauptstraße zu sein“, vermutete Luke und sah nach<br />

oben.<br />

Entlang der Straße waren Girlanden aufgespannt worden, die<br />

über und über mit Blüten besetzt waren. Die Farben und Formen<br />

waren zahllos. Selbst an den Bäumstämmen und an den<br />

Eingangstüren der Läden ringelten sich Blumengirlanden und<br />

76


ergaben ein farbenfrohes, aber dennoch geordnet wirkendes<br />

Durcheinander.<br />

Vor ihnen jagten sich sechs Kinder, drei Jungen und drei<br />

Mädchen, gegenseitig über die Straße und warfen mit Blütenblättern<br />

um sich. Alle Erwachsenen drehten die Köpfe und schauten den<br />

Kindern mit einer Mischung aus Staunen und Wohlwollen hinter.<br />

Mara blieb stehen und sah interessiert dabei zu, wie eines der<br />

Mädchen zu einer älteren Frau hinging und ihr eine einzelne Blume<br />

anbot. „Danke dir, mein Kind“, sagte die Frau mit knarrender<br />

Stimme. „Richte deiner lieben Mutter einen Gruß von mir aus.“<br />

Das Mädchen grinste breit und hüpfte dann weiter die Straße<br />

entlang, kam langsam in Maras und Lukes Richtung.<br />

Erst als sie knappe drei Meter von ihnen entfernt war, blieb das<br />

Mädchen stehen und starrte erst Luke, dann Mara an und taxierte<br />

sie von Kopf bis Fuß. Der Grinsen auf ihrem Gesicht erstarb.<br />

„Euch hab' ich hier aber noch nie gesehen“, stellte das Mädchen<br />

fest. „Seid ihr beide Außenweltler?“<br />

Mara zog die Augenbrauen hoch und warf Skywalker einen<br />

prüfenden Blick zu. Dieser lächelte sanft und ging in Knie, um mit<br />

dem Mädchen auf Augenhöhe zu sein.<br />

„Ja, wir sind nur zu Besuch hier“, bestätigte Luke und bot dem<br />

Mädchen seine Hand an. „Ich bin Luke und das hier ist...“, er<br />

machte eine Pause, als suche er nach der richtigen Bezeichnung, als<br />

was genau er die Frau neben sich vorstellen sollte, „das hier ist<br />

meine Kollegin Mara. Wie ist dein Name?“<br />

Bedächtig musterte sie Luke eingehend, unterzog dann erneut<br />

Mara einer gründlichen Prüfung und schüttelte schließlich Lukes<br />

Hand.<br />

„Ich bin Seena.“<br />

„Hallo, Seena“, antwortete Skywalker und lächelte noch breiter.<br />

„Das ist wirklich ein hübscher Name.“<br />

Mara verzog angesichts von Skywalkers rührigen Worten<br />

belustigt den Mund und verbarg ihre Grinsen hinter einer<br />

vorgehaltenen Hand. Wenn er den Kinderflüsterer spielen wollte<br />

würde sie ihn nicht davon abhalten.<br />

77


Das Mädchen kicherte verlegen und schwang mit dem<br />

Blumenkorb hin und her.<br />

„Kennst du dich gut mit Blumen aus, Seena?“ fragte Luke und<br />

nickte in Richtung Korb.<br />

Seena nickte äußerst enthusiastisch.<br />

„Jedes Jahr nach der Ernte gibt es ein großes Fest und überall<br />

werden Blumen aufgehängt. Das ist viel Arbeit, ich helfe immer.“<br />

„Dann hast du doch sicher schon einmal so etwas hier gesehen,<br />

oder?“ fuhr Skywalker fort und fingerte eins der 'versteinerten'<br />

Blütenblätter aus seiner Gürteltasche. Seena starrte das Blatt eine<br />

Weile an, musterte es genauso intensiv und eindringlich wie Luke<br />

und Mara.<br />

„Wer solche Blumen haben will“, sagte Seena schließlich, „der<br />

muss zu Sarzamin Saia gehen.“<br />

DIE SANDSTEINFARBENE FASSADE UND DIE EINFACHE RUNDE ARCHItektur<br />

ließen das Haus und damit Sarzamin Saias Geschäft<br />

ungewöhnlich klein aussehen, doch als Mara, Skywalker und Seena<br />

den Laden schließlich betraten, blieb sie einen Moment lang voller<br />

Verblüffung stehen. Der Blumenladen entpuppte sich als ein<br />

einziger, riesiger Garten, der viel breiter zu sein schien, als das<br />

Gebäude von außen vermuten ließ. Die Wände waren so voll mit<br />

Blumen, Büschen, Sträuchern, Gestecken und anderen botanischen<br />

Kunstwerken, dass die Regale auf denen sie standen, nicht mehr zu<br />

erkennen waren. Die Luft war nun feuchter und dicker als auf der<br />

Straße und war mit vielen, exotischen Düften geschwängert, die<br />

Mara unentwegt die Nase kitzelten, während das Mädchen sie<br />

zwischen Tischen voller Blumensträuße und Topfpflanzen durch<br />

den Laden führte. Seena schlich durch die Regalreihen, als wären sie<br />

ihr Zuhause.<br />

Skywalker setzte sich in Bewegung und folgte dem Mädchen auf<br />

Schritt und Tritt, Mara schlenderte als Schlusslicht hinter ihnen her.<br />

Sie passierten eine Glastür und fanden sich in einem Gewächshaus<br />

wieder. Flache, breite Tische voll Blumenerde, Dünger und<br />

Kräuterbeete schienen vom Eingang bis zur rückwärtigen Wand zu<br />

78


eichen. Mittendrin hockten drei Frauen und ein älterer Mann und<br />

jäteten Unkraut. Alle vier trugen khakifarbene Tuniken, dicke<br />

Gärtnerhandschuhe und einen Strohhut, der sie vor der künstlichen<br />

Bestrahlung von der Decke schützte.<br />

„Sarza!“ rief das Mädchen und ruderte heftig mit beiden Armen,<br />

um auf sich aufmerksam zu machen. „Sarza, ich hab' Besuch<br />

mitgebracht!“<br />

Die vier fleißigen Gärtner hielten in ihrem Tun inne und richteten<br />

sich langsam, fast mühselig auf. Der Mann rückte sich den Strohhut<br />

zurecht, wodurch seine dichten, buschigen, grauen Augenbrauen<br />

zum Vorschein kamen. Dann flüsterte eine der Frauen – klein und<br />

ein wenig dicklich – den anderen etwas zu, worauf sie ihre Arbeit<br />

mit akribischer Genauigkeit fortsetzten.<br />

Sarzamin Saia wirkte wie eine strahlend schöne Blume, die sich<br />

langsam dem Herbst ihres Lebens näherte. Um die Augen und den<br />

Mund herum, waren die ersten Fältchen zu erkennen und auch<br />

einige silbrig-weiße Strähnen hat sich wie Fäden durch ihren brauen<br />

Schopf gezogen. Doch obwohl sie wie eine Frau wirkte, die in ihrem<br />

Leben viel gelacht hatte, sah sie nun ernst und forschend drein,<br />

während sie sich ihren Weg durch die Beete zu ihnen bahnte.<br />

Anders als die beiden Männer von der Hafenbehörde, schien sie<br />

durch Skywalkers Anwesenheit ganz und gar beeindruckt.<br />

Seenas Laune hingegen schien sich durch nichts trüben zu lassen<br />

und sie herzte Saia heftig, als diese das wartende Grüppchen<br />

erreichte. Mara warf Skywalker einen flüchtigen Seitenblick zu und<br />

wartete darauf, dass er etwas sagte, doch er lächelte nur selig vor<br />

sich hin.<br />

Dann wandte Sarzamin Saia ihre Aufmerksamkeit den beiden<br />

Jedi zu. Mit einer Hand nahm sie den Strohhut ab und zog dabei die<br />

Augenbrauen so heftig zusammen, dass sich auf ihrer Stirn eine<br />

senkrechte Furche bildete. Sie schien nicht besonders erfreut über<br />

ihren Besuch.<br />

„Guten Tag“, sagte Mara schließlich. „Ich hoffe, wir stören Sie<br />

nicht bei der Arbeit. Seena hat uns geraten, uns an Sie zu wenden.<br />

Ich bin…“<br />

79


„Schon gut“, erwiderte Saia und wedelte mit einer behandschuhten<br />

Hand, „ich weiß, wer Sie beide sind. Man hat sie bereits<br />

angekündigt. Kommen Sie, lassen Sie uns in meinem Büro weiter<br />

reden.“<br />

Die Blumenhändlerin wandte sich kurz noch einmal dem<br />

Mädchen zu und flüsterte ihr etwas zu, worauf Seena nickte und zu<br />

den anderen drei Gärtnern im Gewächshaus hinüber hüpfte. Das<br />

Lächeln war von Skywalkers Gesicht verschwunden, als Mara ihm<br />

einen weiteren Blick zuwarf. Man hatte sie angekündigt?<br />

Wenn dem so war, dann gehörten ihre Nachforschungen hier<br />

zum Puzzle, das man für sie angefertigt hatte. Das brauchte sie der<br />

Lösung zwar nicht näher, allerdings wussten sie nun, dass sie auf<br />

dem richtigen Weg waren.<br />

Schweigend folgten sie Saia, die sie nun zurück in den<br />

Geschäftsbereich und dann links einen kleinen Gang hinunter<br />

führte. In ihrem Büro angekommen, welches mit Kisten und<br />

kleineren Frachtcontainern mit Düngemittel voll gestellt war, bat sie<br />

die beiden Jedi vor ihrem Schreibtisch Platz zu nehmen. Hastig<br />

sammelte sie einige Rechnungen und Bestellformulare von der<br />

Schreibtischplatte auf und verstaute sie in einer Kommodenschublade,<br />

ehe auch sie sich mit einem schweren Seufzen auf<br />

den einfachen Holzstuhl hinter ihrem Tisch fallen ließ und ihre<br />

Gärtnerhandschuhe abstreifte. Unruhig leckte Mara sich über die<br />

Lippen und beobachtete Saia sehr genau.<br />

„Nun“, sagte Saia und rieb sich müde die Augen, „ich hatte<br />

eigentlich später mit Ihrem Eintreffen gerechnet, obwohl ich nicht<br />

gedacht habe, dass Sie einen Jedi-Meister dabei haben würden.<br />

Aber, ich schätze, dieser Zeitpunkt ist wohl so gut wie jeder andere<br />

auch, nicht wahr? Ich würde Ihnen ja etwas zu trinken anbieten,<br />

aber unser Lieferant ist spät und wir haben zurzeit nur<br />

Leitungswasser im Angebot. Zwei Jedi wie Sie sind sicherlich<br />

Besseres gewohnt.“<br />

Sie lehnte sie mit den Ellbogen auf die Kante des Schreibtisches<br />

und ließ ihre Blicke von Luke zu Mara und wieder zurück wandert.<br />

„Wie kann ich Ihnen also zu Diensten sein?“<br />

80


Wieder flackerten Maras Blicke zu Skywalker hinüber, der mit<br />

unleserlicher Miene da saß und darauf zu warten schien, dass sie<br />

das Wort ergriff. Wahrscheinlich hatte sie ein wenig zu oft betont,<br />

das dies hier ihre Mission war und nicht seine.<br />

„Da Seena von Ihnen als Expertin für Pflanzenkunde gesprochen<br />

hat“, begann Mara, „möchten wir uns mit ein recht simplen Frage an<br />

Sie wenden. Was wissen Sie über die Steinerne Blume?“<br />

Saia schmunzelte freudlos.<br />

„Ich denke, alles Wissenswerte, das es über Orianna-Blumen zu<br />

wissen gibt, finden Sie sich auch im HoloNet, oder? Immerhin sind<br />

doch Sie diejenigen in diesem Raum, die Bekanntschaften zu den<br />

angesehensten Persönlichkeiten der Galaxis pflegen.“<br />

„Oh, derartige Recherche haben wir bereits hinter uns“,<br />

erwiderte Mara. „Uns locken weniger die Einzelheiten über die<br />

Pflanze hierher, als der Umstand, dass Sie die einzige, in der<br />

Hemisphäre bekannte Exporteurin eben jener Pflanze sind.“<br />

„Dann erhoffen Sie sich also Informationen bezüglicher meiner<br />

Kunden“, sagte Saia. Es war keine Frage. „Dann muss ich Sie<br />

enttäuschen, aber ich werde niemandem, nicht einmal zwei Jedi,<br />

derartige Firmeninterna verraten.“<br />

„Es geht auch nicht um all Ihre Kunden“, beharrte Mara,<br />

„sondern nur um einen, um einen ganz speziell. Die gleiche Person,<br />

die erst vor Kurzem eine Handvoll dieser Blumen – Orianna<br />

nannten Sie sie, ja? – bei Ihnen in Auftrag gegeben hat. Die gleiche<br />

Person, die, wie ich vermute, auch unser Eintreffen angekündigt hat.<br />

Und wenn es so ist, wie ich denke, wird diese Person Sie ebenfalls<br />

angewiesen haben, uns gerade soviel preiszugeben, dass wir wissen,<br />

wohin wir als nächstes gehen müssen, aber nicht, was uns dort<br />

erwartet. Abgesehen davon erwarte ich nicht, dass Ihre Kundenliste<br />

in Bezug auf dieses spezielle Produkt so überlang ist, dafür sind<br />

diese Pflanzen in der restlichen Galaxis zu exotisch und zu<br />

unbekannt.“<br />

Fahrig strich sich die ältere Frau durch den dichten Haar-schopf<br />

und ihre Augenlider begannen vor Nervosität zu flattern.<br />

„Glauben Sie uns“, warf Skywalker mit sanfter und wohl<br />

tönender Stimme ein, „wir sind nicht hier, um Ihnen Schaden<br />

81


zuzufügen. Ganz im Gegenteil, wir sind hier, um ihn zu verhindern.<br />

Diese Person, von der meine Kollegin eben sprach, hat eine Geisel<br />

genommen und zusammen mit einer Gruppe von Piraten bereits<br />

viel Ärgern in den Regionen des Middle Rim gemacht.“<br />

Saia betrachtete ihre Fingernägel und kratzte dann mit der<br />

rechten Hand den Handrücken ihrer linken, ehe sie langsam und<br />

flüsternd zu einer Antwort ansetzte. Sie beugte sich nach vorn und<br />

sah sich noch einmal im Zimmer um, als befürchtete sie belauscht zu<br />

werden.<br />

„Ja, diese Person, von der sie sprechen, war hier. Ich kann nicht<br />

genau sagen, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau<br />

handelte, sie sah irgendwie androgyn aus. Jedenfalls kam sie in<br />

meinen Laden marschiert und machte sich nicht einmal die Mühe,<br />

den Blaster an ihrer Hüfte zu verbergen. Sie orderte ein Dutzend<br />

Orianna. Ich sagte ihr, dass wir erst in drei Wochen zur Ernte hinaus<br />

fahren, was sie ein wenig wütend machte. Sie bestand darauf, dass<br />

wir auf der Stelle diese Blumen besorgen, sie wollte dafür einen<br />

Aufpreis bezahlen. Des Weiteren bestand sie darauf mich zu dem<br />

Feld zu begleiten, wo die Blüten gepflückt werden.“<br />

„Und Sie sind dieser Bitte nachgekommen?“ hakte Mara nach.<br />

„Ja, wenn auch ein bisschen widerwillig. Diese… Person war mir<br />

nicht geheuer. Um ehrlich zu sein habe ich befürchtet, dass sie mir<br />

gleich den Laden in Schutt und Asche legt. Ihre Körpersprache war<br />

sehr beherrscht, aber sie hatte dieses Funkeln in den Augen, wissen<br />

Sie was ich meine?“<br />

Nun lächelte Mara humorlos.<br />

„Sie meinen Blutdurst?“<br />

„Ja, so könnte man es ausdrücken.“<br />

„Was passierte dann?“ fragte Skywalker.<br />

„Ich bat sie, bis zum Ladenschluss zu warten, dann trafen wir<br />

uns am Stadtrand und ich brachte sie zu der Aue, auf der die<br />

Orianna wachsen. Ich sammelte die Blüten und sie bezahlte bar. Sie<br />

sagte, ich würde schon bald Besuch von einer Frau namens Mara<br />

Jade bekommen, die ebenfalls nach den Pflanzen fragen würde.<br />

Dann fuhr sie auf einem Speederbike davon.“<br />

82


Stille trat ein und die Blumenhändlerin stieß erneut ihre<br />

Fingernägel in ihren Handrücken, während Mara als auch Luke<br />

versuchten, aus dem eben Gehörten eine logische Schlussfolger-ung<br />

zu ziehen.<br />

„Wo genau ernten Sie die Blüten?“ fragte Mara.<br />

„Die Aue auf der die Blume wächst, gehört zum alten Anwesen<br />

der Matales.“<br />

„Und Sie haben einen Pachtvertrag, dass Sie das Grundstück<br />

einfach so betreten dürfen?“<br />

„Mir gehört das Grundstück“, antwortete Saia und ihre<br />

Mundwinkel zogen sich für einen kurzen Moment nach oben, als sie<br />

Maras verwunderten Gesichtsausdruck sah. Es lag eine<br />

unterschwellige Traurigkeit in ihrem Lächeln. „Ich war mit der<br />

letzten Erbin der Matale-Familie gut befreundet. Sie hat es mir<br />

vermacht, kurz bevor sie starb.“<br />

Saia seufzte und der Ausdruck in ihren Augen ließ vermuten,<br />

dass ihre Gedanken für eine Sekunde in weite Ferne glitten. „Wie<br />

lange ist das jetzt her? 25, fast 30 Jahre.“<br />

Die Blumenhändlerin schüttelte sachte den Kopf und strich sich<br />

vorsichtig die Haare aus der Stirn, ehe sie sich mit angestrengter<br />

Miene wieder auf ihre Besucher konzentrierte.<br />

„Ich nehme an, dass Sie es sehr begrüßen würden, wenn ich Sie<br />

zu dem Platz führe, an dem ich mit ihrem Verdächtigen war.“<br />

„Da liegen Sie verdammt richtig“, erwiderte Mara mit einem<br />

entschlossenen Nicken, konnte jedoch nicht umhin, die ältere Frau<br />

mit einem gutmütigen Lächeln zu bedenken.<br />

GELBGOLDENES GRAS WIEGTE SICH IN DER LAUWARMEN NORDOST-<br />

Brise, die über die Ebene wehte und durch Maras Haare strich. Die<br />

untergehende Scheibe der Sonne entflammte den Himmel mit allen<br />

Nuancen von violett und dunkelblau, ein scharfer Kontrast zu der<br />

blutroten Erde, die sich unter dem Gelb des Grases verbarg.<br />

„Ich habe selten einen so schönen Sonnenuntergang gesehen“,<br />

murmelte Mara leise und sog erneut die süßliche Luft ein. Es roch<br />

ein bisschen nach frisch gemähtem Gras und frischen Lilien.<br />

83


Inmitten dieses farbengewaltigen Hinterlandes, am Fuß der<br />

Ebene, stand ein alter und ausgebrannter Gebäudekomplex. Doch<br />

selbst die Folgen des verheerenden Brandes, der das Anwesen<br />

heimgesucht hatte, verblassten angesichts des nagenden Zahnes der<br />

Zeit, der im Begriff war, ihr altes Territorium zurück zu erobern.<br />

Selbst Pla- und Durastahl konnte der Macht der Natur nicht<br />

widerstehen. Irgendwann kehrte alles zu der Erde zurück, der es<br />

entstammte.<br />

„Ja, er ist nicht schlecht“, erwiderte Skywalker halb im Scherz,<br />

während er den A-1 Deluxe Speeder sicherte, den sie am Hafen<br />

gemietet hatten. Mara sah in kurz an und verzog den Mund, als sie<br />

sein ironisches Schmunzeln bemerkte.<br />

„Wissen Sie“, meinte Sarzamin Saia, die nun an Maras Seite trat<br />

und einen Blick über die Ebene warf und zuckte nur mit den<br />

Schultern, „wenn man lange genug auf Dantooine war, gewöhnt<br />

man sich daran.“<br />

„Mag sein“, gab Mara zu, „aber so schön das Szenario auch ist,<br />

irgendwie ist es mir hier zu ruhig. Viel zu ruhig.“<br />

„Was meinen Sie?“ fragte Saia.<br />

„Nun, es ist zu ruhig. Die <strong>Star</strong>kstrom-Barrieren waren<br />

vollkommen intakt, kein Zeichen von Manipulation, Beschädigung<br />

oder sonstigen Sabotageakten, das Gleiche gilt für das Aggregat, an<br />

dem wir vor ein paar Minuten vorbei gekommen sind. Nachdem<br />

sich unsere kriminellen Freunde solche Mühe gegeben haben, uns<br />

hierher zu locken, lässt dieser Umstand vermuten, dass sie entweder<br />

noch nicht hier eingetroffen sind – was ich bezweifle – oder sich<br />

noch etwas sehr viel Schlimmeres als eine Sprengladung am<br />

Sicherheitszaun haben einfallen lassen.“<br />

„Nun, dann sollten Sie nicht unbewaffnet in das Haus gehen“,<br />

meinte Saia, „wobei ich mir eher Gedanken darüber machen würde,<br />

dass man die Kath-Hunde heute nicht schon aus der Ferne jaulen<br />

hört. Es ist ungewöhnlich, wenn diese Biester mal Ruhe geben.“<br />

„Glücklicherweise“, betonte Luke, „verlassen wir fast nie das<br />

Haus ohne mindestens eine Waffe am Körper zu tragen.“<br />

84


Wie um seine Worte zu unterstreichen, legte er eine Hand sachte<br />

auf den Griff seines Lichtschwertes, dass wie eh und je an seinem<br />

Gürtel baumelte.<br />

„Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich hier beim Speeder<br />

auf Sie warte und die Gegend im Auge behalte. Für den Fall der<br />

Fälle.“<br />

„Ist mir recht“, kommentierte Mara und überprüfte das Halfter<br />

an ihrem Unterarm. Gut, die Batterien waren voll aufgeladen.<br />

„Skywalker, sind Sie soweit?“<br />

„Bereit und willens“, sagte Luke. „Lassen Sie uns hoffen, dass<br />

das hier nicht so endet wie Belderone.“<br />

„Wollen wir etwas andeuten?“ fragte Mara scharf ohne den Jedi-<br />

Meister anzusehen, was Saia dazu brachte, verwirrt von ihr zu Luke<br />

und wieder zurück zu blicken.<br />

Skywalker ließ ein frustriertes Seufzen hören. „Lassen Sie uns<br />

gehen, Mara.“<br />

Ihren Abstieg hinunter zum alten Anwesen verbrachten sie<br />

schweigend. Gelegentlich nahm Mara ihr Fernglas vom Gürtel und<br />

suchte die Ebene nach potentiellen Bedrohungen ab, fand jedoch<br />

nichts weiter als eine Gruppe kleinerer Nagetiere, die auf ihrem<br />

Erdhügel standen und sich neugierig umsahen.<br />

„Die Aue, von der Sarzamin gesprochen hat, befindet sich auf<br />

der anderen Seite des Anwesens“, stellte Luke schließlich fest. Er<br />

hielt einen Moment inne und seine Lider senkten sich ein kleines<br />

Stück, während er sich nach der Macht ausstreckte und mit seinen<br />

mentalen Fühlern die Gegend erkundete.<br />

„Können Sie etwas spüren?“ fragte Mara mit neutral-professionellem<br />

Geschäftston.<br />

„Ja“, antwortete Skywalker langsam, „zwei menschliche<br />

Präsenzen im Anwesen. Sieht so aus, als warten die beiden Männer,<br />

die Kostryka auf Belderone begleitet haben, in einem der Räume des<br />

Anwesens.“<br />

„Laz und Avarice“, informierte sie ihn und taxierte das mit<br />

dunklem verkohltem Staub bedeckte Gebäude vor ihnen. „Ich hätte<br />

erwarten müssen, dass May mal wieder ihre Sandalenburschen<br />

schickt.“<br />

85


„May?“ fragte Luke verblüfft. „Sie haben diesen Namen auf<br />

Belderone auch schon einmal benutzt. Gibt es irgendetwas, dass ich<br />

wissen sollte?“<br />

Mara winkte ab. „Nicht jetzt.“<br />

In leicht geduckter Haltung schlich Mara die letzten Meter der<br />

grasbewachsenen Anhöhe hinunter, eilte mit katzenhafter Eleganz<br />

zu einem rechteckigen erhöhten Blumenbeet, das etwa zehn Meter<br />

vom Eingang des Anwesens entfernt war, und lauschte in die Stille<br />

der Wildnis hinein. Mit geschlossenen Augen versuchte sie alle<br />

Naturgeräusche herausfiltern, blendete das Rauschen des Windes in<br />

den Grashalmen oder das Knirschen der roten Erde unter ihren<br />

Füßen vollkommen aus. Und da war es, so leise, dass es wie ein<br />

heiseres Flüstern klang. Klick, Klick, Klick.<br />

Blinzend schlug sie die Augen erneut auf und richtete ihre Fokus<br />

auf den Rahmen des alten Eingangs zum Vorgebäude des<br />

Anwesens. Das Material war uneben von vielen verkohlten<br />

Ornamenten, die einst in den Durastahl gearbeitet worden waren.<br />

Vorsichtig suchte sie die mattgraue, schwarz befleckte Oberfläche<br />

ab, bis sie schließlich fand, wonach sie suchte. Direkt oberhalb des<br />

Rahmens, nicht einmal so groß wie ihre geballte Faust, sah sie eine<br />

Ausbuchtung, die nicht zu dem alten Kunstmuster im Rahmen<br />

passen wollte.<br />

„Was sehen Sie?“ hörte sie Skywalker plötzlich hinter ihr sagen.<br />

Er hatte die Stimme zu einem Flüstern gesenkt, als befürchtete er<br />

belauscht zu werden.<br />

„Einen Bewegungssensor“, erklärte Mara angespannt, „mit einer<br />

ziemlich kurzen Reichweite. Sobald wir uns der Tür nähern wird<br />

höchstwahrscheinlich ein Alarm ausgelöst und unsere Kumpels<br />

wissen, dass wir hier sind.“<br />

„Hm“, machte Luke, „das ist, in der Tat, ein Problem. Irgendwelche<br />

Vorschläge?“<br />

„Bis jetzt noch nicht“, erwiderte Mara, ihre Blicke immer noch<br />

starr auf den Sensor oberhalb des Türrahmens gerichtet. „Diese<br />

Dinger sind wirklich schwer zu umgehen.“<br />

Unbehagliches Schweigen trat ein, während sie beide fieberhaft<br />

eine kluge Taktik zu überlegen versuchten, mit der sie in das Haus<br />

86


eindringen konnten, ohne von diesem oder anderen elektronischen<br />

Überwachungsgeräten erfasst zu werden. Und Mara ging davon<br />

aus, dass dies nicht der einzige Sensor war, den die Piraten am<br />

Gebäude angebracht hatten. Vermutlich war jedes einzelne der<br />

zerborstenen Fenster mit einem solchen Detektor versehen.<br />

Doch während sie noch überlegte, wie sie am geschicktesten an<br />

diese Sache heran gingen – sie überlegte sogar, ob Skywalker sie<br />

nicht beide auf das Dach levitieren konnte, damit sie sich ihren Weg<br />

ins Innere mit ihren Lichtschwertern frei schnitten – kamen ihr von<br />

Zweifel erfüllte Gedanken. May wusste, wozu Mara fähig war,<br />

wusste, welche Fähigkeiten sie während ihres Trainings unter<br />

Palpatine erworben hatte. Sie kannte das Schema, nach dem Mara all<br />

ihre Mission erfüllte, egal, ob als Hand des Imperators oder Karrdes<br />

erster Offizier. Es war wie eine Doktrin, die man ihr seit dem Tage<br />

ihrer Geburt anerzogen hatte. Und eben jenes Wissen würde sie<br />

sicherlich zu ihrem Vorteil nutzen. Es war mehr als wahrscheinlich,<br />

dass sie Mara dazu zwingen wollte, nach diesem alt bekannten<br />

Muster zu agieren, um sie wohl möglich in eine sehr tödliche Falle<br />

zu locken.<br />

Rasch wandte sie den Kopf und musterte Skywalkers Gesicht für<br />

einen Moment. Er selbst war so tief in Gedanken versunken, dass<br />

ihm die Konzentration in jeden Gesichtszug geschrieben stand und<br />

einen flüchtigen Moment lang fragte sie sich, was wohl in seinem<br />

Kopf vorgehen mochte. Doch sie hatte sich bereits eine Lösung für<br />

ihr Problem überlegt.<br />

Um dieser Falle zu entgehen, musste sie einfach nur aus ihrem<br />

Muster ausbrechen.<br />

Sie inhalierte die süßliche Luft Dantooines mit einem scharfen<br />

Atemzug und spürte, wie sich die Muskeln in ihrem Körper<br />

anspannten.<br />

Dann trat sie hinter dem Blumenbeet hervor, hinaus auf den<br />

gepflasterten Bereich vor dem Eingangstor.<br />

Wenige Sekunden später hörte sie, wie der Sensor surrend zum<br />

Leben erwachte und die Wärme ihres Körpers und den Schall, den<br />

ihre Schritte erzeugten, berechnete. Nur einen Herzschlag später<br />

87


vernahm sie ein rasches, hoch taktiertes Piepen und eine kleine rote<br />

Diode flammte am oberen Teil des Sensors auf.<br />

Gut, Mays Handlager waren nun gewarnt. Doch dann mischte<br />

sich ein neues Geräusch unter die anderen. Ein tiefes, fast<br />

brummendes Rauschen, wie sie es früher schon oft gehört hatte.<br />

„Mara!“ rief Skywalker, der nun völlig vergaß seine Stimme zu<br />

senken. „Kommen Sie da weg!“<br />

Abrupt hielt sie inne und ließ ihren Fokus von der Diode am<br />

Sensor zu den Rändern des Eingangsschotts wandern. Die Stelle, an<br />

der die Tür in den Rahmen überging, mit ihm verschmolz, schien<br />

mit einem Mal weiß-glühend aufzuleuchten.<br />

Sie hatte weder die Zeit, sich wieder in den Schutz des<br />

Blumenbeetes zu begeben, noch sah sie eine näher liegende<br />

Möglichkeit, um in Deckung zu gehen. Also drehte sie sich hastig<br />

herum, sprang und ließ sich dann flach und mit dem Bauch gen<br />

Erde fallen.<br />

Gerade rechtzeitig, als die Tür in tausend Teile zerbarst.<br />

Schrapnell polterte mit einem Mal über den Vorplatz und der<br />

beißende Geruch von Rauch stieg ihr in die Nase. Das melodische<br />

Surren von Skywalkers Lichtschwert verriet ihr, dass er sein bestes<br />

Tat, die umher segelnden Splitter abzuwehren, während Mara sich<br />

mit verkrampften Muskeln fester gegen den Pflasterstein drückte<br />

und hoffte, von herumfliegenden, scharfkantigen Durastahlstücken<br />

verschont zu werden.<br />

Dann, so plötzlich wie die Explosion gekommen war,<br />

verstummte sie und hinterließ nichts weiter als Stille. Kein<br />

Blasterfeuer, kein aufgeregtes Rufen, kein Drohen. Alles was sie<br />

hörte waren Skywalker ungewöhnlich dumpfe Schritte, als er zu ihr<br />

hinüber eilte.<br />

„Ist alles okay?“ fragte er ernst. „Sie sind Sie unverletzt?“<br />

„Ja“, bestätigte Mara, die nun vor dem Hindernis stand, dass ihre<br />

verkrampften Muskeln ihr nur widerwillig gehorchen wollten, als<br />

sie sich aufsetzte. „Ja, ich bin in Ordnung.“<br />

„Was, bei allen Sternen, haben Sie sich bloß bei dieser Aktion<br />

gedacht?“ fragte Luke und beäugte sie voller Verwirrung, sein<br />

Lichtschwert immer noch einsatzbereit in einer Hand.<br />

88


Doch Mara kam nicht dazu, ihm zu antworten.<br />

Während sie sich in eine sitzende Position kämpfte und sich den<br />

Staub der Detonation von ihrem Bodysuit klopfte, bemerkte sie<br />

unwillkürlich einen schwarzen Schemen, der sich von der maroden<br />

Finsternis im Inneren des Hauses abhob. Erst glaubte Mara, dass die<br />

dunkle Silhouette nichts weiter war als ein Streich, den ihre Sehkraft<br />

ihr spielte, doch dann sah und spürte sie die raschen Bewegungen<br />

des Schattens gleichermaßen.<br />

„Skywalker!“ rief sie und reckte das Kinn in Richtung Tor, als der<br />

Schatten in die Hocke ging und rasch eine Hand ausstreckte. Luke<br />

wirbelte herum, das Lichtschwert in Defensivhaltung erhoben.<br />

Doch wieder erklang kein Blasterfeuer und keine roten<br />

Energiestrahlen ionisierten die Luft um sie herum. Alles, was sie<br />

hörte war das sanfte metallene Klingen als hätte jemand eine<br />

einzelne Creditmünze zu Boden geworfen. Rasch versuchte Mara<br />

die Macht zu sich zu rufen und richtete die mystische Energie auf<br />

den Schemen im Schatten. Doch sie spürte keine Gefahr, erhielt nicht<br />

einmal einen Hinweis auf die Absichten ihres schattenhaften<br />

Gegenübers. Alles was ihr zuteil wurde, war ein kurzes Aufflackern<br />

von Zufriedenheit.<br />

Skywalker, der wohl genau wie sie eine Granate oder ähnliches<br />

erwartete hatte, versteifte sich kurzzeitig, ehe er lossprintete und<br />

wenige Meter vor dem Tor wieder zum Stehen kam. Er streckte eine<br />

Hand aus und rief mit Hilfe der Macht ein glänzendes flaches Objekt<br />

in seine Hand, das für Mara im ersten Augenblick tatsächlich wie<br />

eine Creditmünze aussah.<br />

„Sithspucke“, fluchte sie und stemmte sich wieder auf ihre Füße,<br />

bereit, dem dunklen Schatten im Inneren des Hauses hinterher zu<br />

spurten.<br />

Doch als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Dunkelheit<br />

jenseits des Eingangstors richtete, war er erneut verschwunden.<br />

„WÄREN SIE NUN GEWILLT, MIR ZU ERLÄUTERN, WER MAY IST?“ FRAGTE<br />

Skywalker und bedachte Mara mit einem durchdringenden Blick.<br />

89


„Wenn Sie mir das Amulett geben, verrate ich es Ihnen<br />

vielleicht“, erwiderte Mara leicht gereizt.<br />

„Sie bekommen es, wenn Sie mir gesagt haben was Sie wissen,<br />

Mara.“<br />

Die Nacht war mit einer beinahe abrupten Endgültigkeit über<br />

Khoonda City gefallen und das Licht von drei Monden tauchte nun<br />

die malerische Landschaft in einen silbrigweißen Schein, der die<br />

Idylle Dantooines noch unwirklicher erscheinen ließ. Und das<br />

flache, runde, münzenartige Amulett in Skywalkers Hand schien<br />

das Licht aufzusaugen und wie eine Aureole zurück zu werfen.<br />

Sie saßen auf einer kleinen Veranda hinter Sarzamin Saias Haus,<br />

welche dem Balkon des Restaurants, in dem sie am Mittag gespeist<br />

hatten, sehr ähnlich war. Der kühle Wind, der nun durch die Straßen<br />

und über die Steppe wehte, ließ die Fackeln flackern, die ihre<br />

Gastgeberin im Garten entflammt hatte. Hin und wieder drang das<br />

knisternde Rauschen der Flammen an Maras Ohr und verschaffte<br />

dem Moment eine seltsame deplatzierte Lagerfeueratmosphäre.<br />

Nachdem sie zu ihrem Speeder zurückkehrt waren, hatte die<br />

Blumenhändlerin darauf bestanden, ihnen zumindest für diese<br />

Nacht ein ruhiges Quartier anzubieten. „Kommen Sie. Ich habe so<br />

selten Gäste in meinem Haus. Für mich allein ist es ohnehin zu groß,<br />

daher freue ich mich, wenn es mit ein wenig Leben gefüllt wird“,<br />

hatte Saia gesagt und damit Skywalkers und Maras Aufmerksamkeit<br />

von ihrem neuerlichen Streit fort gelenkt. Denn Luke hatte Mara nur<br />

unter großer Mühe davon überzeugen können, dass es klüger war,<br />

sich diesem neuen Puzzleteil zu widmen, dass er vor dem Tor<br />

aufgelesen hatte, anstand das Anwesen nach den Piraten zu<br />

durchsuchen. Mara, die nun mehr als versessen darauf war, May<br />

Montross zur Rede zu stellen, war von dieser Idee nur wenig<br />

begeistert.<br />

„Womit haben wir nur solche Großzügigkeit verdient?“ hatte<br />

Mara auf Sarzamins Einladung hin gefragt, doch die Worte hatten<br />

bitterer und schärfer geklungen, als sie es beabsichtigt hatte. Doch<br />

Sarzamin Saia hatte Maras Sarkasmus einfach übergangen und so<br />

getan, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Stattdessen hatte sie nur ein<br />

kühles, beinahe herablassendes Lächeln aufgesetzt.<br />

90


„Sie wollen genauso sehr wie ich, dass dieses Gesindel bekommt,<br />

was ihm zusteht.“<br />

Daraufhin war Maras Ärger ein wenig verpufft und sie und<br />

Skywalker hatten einstimmig Sarzamins Einladung angenommen.<br />

Zumindest in diesem Punkt waren sie sich einig gewesen.<br />

Dennoch ließ die friedliche Nacht sie ihren Eifer, endlich hinter<br />

des Rätsels Lösung zu kommen, nicht vergessen. So saßen sie nun<br />

und versuchten einander in diplomatischem Ton die Gedanken des<br />

anderen abzuringen. Doch obschon Skywalkers Gestalt größtenteils<br />

mit dem nächtlichen Schatten um sie herum verschmolz, glitzerten<br />

seine Augen wachsam.<br />

„Nun gut“, seufzte Mara und fügte sich in das Ferienausflugsambiente<br />

um sie herum. Er wollte eine Lagerfeuergeschichte hören,<br />

er würde sie bekommen. „May, beziehungsweise May Lynn<br />

Montross ist… nennen wir es eine alte Bekannte, wobei wir uns nie<br />

besonders nahe standen. Eigentlich weiß ich nicht sehr viel über sie,<br />

nur das, was in ihrer Akte stand. Und selbst die kam mir nur unter<br />

die Augen, weil es in ihrer Abteilung Probleme gegeben hat.“<br />

„In ihrer Abteilung?“, fragte Skywalker und seine Stimme klang<br />

nun wieder weich und weniger fordernd als zuvor. Voll aufrichtigem<br />

Interesse beugte er sich vor und stützte sich mit einem Arm<br />

auf die Tischplatte ohne dabei das Amulett aus der Hand zu legen.<br />

„Sie war eine Spionin beim Geheimdienst, dem Imperial<br />

Intelligence. Allerdings war sie dort nie ein so großes Licht wie Isard<br />

oder Daala.“<br />

Skywalker gestattete sich ein freudloses Lächeln. „Und da soll<br />

noch einmal jemand sagen, dass Imperium hätte nichts für Frauen<br />

im Militärdienst übrig gehabt.“<br />

„Ganz so einfach war ihr Fall leider nicht. Erinnern Sie sich, wie<br />

Sarzamin erwähnte, sie konnte nicht sagen, ob die Person, die in<br />

ihrem Laden war, männlich oder weiblich war, dass sie irgendwie<br />

androgyn wirkte? In der Tat ist es so, dass May Montross die<br />

Akademie nur bestand, weil man sie damals für einen Mann hielt.<br />

Und nicht nur auf der Akademie, auch eine ganze Weile danach hat<br />

sie es geschafft, ihre Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass sie ein<br />

Mann wäre. Allerdings brachte es sie in entsprechend große<br />

91


Probleme, als man ihr Täuschungsmanöver durchschaute. Captain<br />

Djae von der Kommission für Interne Personalprüfung und<br />

Qualitätssicherung hat den Vorfall gemeldet, worauf sie wegen<br />

arglistiger Täuschung vor Gericht gestellt wurde.“<br />

„Was geschah dann?“<br />

„Ich weiß nur noch, dass sie unehrenhaft aus dem Dienst<br />

entlassen wurde, was eine ungewöhnliche milde Strafe ist, wenn<br />

man bedenkt, wie schnell manche Herzblut-Imperiale mit einem<br />

Todesurteil bei der Hand waren. Außerdem war Imperial Intel<br />

schon immer für seinen Blutdurst bekannt. In dieser Beziehung<br />

standen sie dem ISB in nichts nach.“<br />

„Klingt ganz so, als hätte jemand einen schützende Hand über sie<br />

gehalten“, kommentierte Skywalker.<br />

„Ja, das glaube ich auch. Nun, ich für meinen Teil bin ihr nur<br />

einmal begegnet. Ich gehörte zu der kleinen Einheit, die sie in ihrer<br />

Wohnung auf Coruscant festnehmen sollte, was wir auch getan<br />

haben. Von der Gerichtsverhandlung habe ich keine wirkliche<br />

Erinnerung und danach hat man auch nichts mehr von ihr gehört.<br />

Zumindest bis jetzt. Es war mir jedenfalls eine zu belanglose<br />

Angelegenheit, als das ich dieser Sache große Beachtung geschenkt<br />

hätte“, schloss Mara.<br />

Wieder lächelte Skywalker knapp: „Dann ist es ein Wunder, dass<br />

Sie sich nach all diesen Jahren noch an ihren Namen erinnern.“<br />

„Ich vergesse niemals ein Gesicht.“<br />

Halb sah sie, halb spürte sie, wie seine Augenbraue für einen<br />

kurzen Augenblick lang nach oben zuckten. Sicherlich erinnerte er<br />

sich daran, wie versessen Mara darauf gewesen war, ihn zu töten.<br />

Sein Gesicht würde sie wohl ihren Lebtag lang nicht mehr<br />

vergessen.<br />

„Zufrieden?“ fragte sie nach einer Weile und lehnte sich auf dem<br />

spartanischen Holzstuhl zurück, die Arme gebieterisch auf die<br />

Lehnen geschmiegt.<br />

„Absolut“, erwiderte Skywalker, legte die flache Münze auf den<br />

Tisch und schnippte sie quer über die Platte in Maras Richtung. Sie<br />

schlitterte die Zentimeter mühelos zu ihr hinüber, blieb dann jedoch<br />

neben ihrer Tasse Kräutertee liegen.<br />

92


„Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment“, erklärte<br />

Skywalker dann und erhob sich von seinem eigenen Stuhl. „Ich<br />

werde sehen, dass ich R2 auf der Jade’s Fire erreiche. Vielleicht kann<br />

er uns ein paar Informationen darüber beschaffen, was May Lynn<br />

Montross nach ihrer Suspendierung noch so getrieben hat – und<br />

warum sie so versessen darauf ist, mit Ihnen Katz und Maus zu<br />

spielen.“<br />

Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte er sich ab und trat durch<br />

die transparente Tür in das bescheiden eingerichtete Wohnzimmer<br />

von Sarzamin Saias Haus.<br />

„Ja, das wüsste ich auch gern“, murmelte Mara in die Stille,<br />

während ihre Blicke für einige Sekunden an ihm hängen blieben.<br />

Doch der Schein, der auf der Münze lag wie ein milchiger<br />

Nimbus, forderte gleich seinen Tribut und zwang sie dazu, das<br />

Amulett mit fragenden Blicken zu bedenken. Welchen Sinn nur sah<br />

May darin, ihr diesen Nippes zukommen zu lassen?<br />

Sie streckte die Hand nach dem Anhänger aus, konnte das<br />

eingefangene Mondlicht unter ihren Finger spüren, als wäre es ein<br />

lebendes Ding…<br />

… und wurde sogleich von einer Welle der Benommenheit<br />

überrollt, als ihre Haut das Metall berührte. Einen Moment lang<br />

glaube sie sich erbrechen zu müssen, während ihre Sicht immer<br />

weiter davon schwamm und sich farbige Linien in die Dunkelheit<br />

der Nacht mischten. Angestrengt zwang sie ihren Körper dazu, Luft<br />

in ihre Lungen zu pumpen, obgleich ihre Brust wie zugeschnürt<br />

schien. Wenn es sich so anfühlte, wenn Skywalker eine seiner Jedi-<br />

Ahnungen hatte, wollte sie nicht mit ihm tauschen.<br />

Beinahe zwanghaft klammerten sich ihre Finger um das Amulett,<br />

das plötzlich eine ungewöhnliche Hitze auszustrahlen schien. Doch<br />

selbst die Befürchtung, sich an dem Metall zu verbrennen, konnte sie<br />

nicht dazu bringen, die Münze loszulassen.<br />

Bei allen Sternen…, stöhnte sie stumm und schloss ihre Augen so<br />

fest sie konnte, um wieder Herr ihrer Sinne zu werden. Doch die<br />

Farben tanzten immer noch vor ihr, bildeten zunächst abstrakte<br />

Muster, verwoben sich dann miteinander und begannen ein Bild vor<br />

ihr zu malen, wie ein altes alderaanisches Moos-Gemälde. Und ohne<br />

93


zu ahnen, was sie erwartete, ließ sie los, ließ die Macht walten und<br />

gab sie sich der Vision, die ihren Weg aus der Vergessenheit suchte,<br />

voll und ganz hin:<br />

ES WAR KURZ VOR SONNENAUFGANG UND DER ROT STRAHLENDE, MIT<br />

Purpur befleckte Himmel über der weiten Steppe, erweckte den Planeten<br />

zum Leben. Die Luft war erfüllt vom fernen Geheul der Kath-Hunde, als<br />

ein aufgeschrecktes Iriaz sich majestätisch und auf mächtigen Schwingen in<br />

den Himmel erhob. Die Wärme der ersten Sonnenstrahlen streichelte<br />

zärtlich ihr Gesicht, wie aus weiter Ferne. Sie setzte sich langsam auf,<br />

blinzelte gegen das helle Licht an. Dann ließ sie die abdunkelnde Tönung<br />

der Fensterscheiben mit einem Knopfdruck erlöschen, strich sich eine<br />

lockige Strähne aus dem Gesicht und trat ans Fenster, um den neuen Tag<br />

zu begrüßen.<br />

Sie lächelte.<br />

Doch es war ganz so, als wäre sie nicht sie selbst. Maras Seele war nun<br />

gefangen im Inneren eines Gefäßes - eines Körpers - der nicht ihr gehörte.<br />

Jeder Atemzug kam ihr vor, als tät ihn jemand anderes und nicht sie.<br />

„Orianna!”<br />

Die Stimme einer Frau drang an ihr Ohr, gefolgt vom Donnern eiliger<br />

Schritte auf den Treppenstufen.<br />

„Orianna!”<br />

Es war ihre drei Jahre ältere Schwester Casseia, aufgeregt und<br />

stürmisch wie immer. Schwester? dachte Mara, Welche Schwester?<br />

Die Schritte näherten sich, bis die magnetische Versiegelung ihrer<br />

Zimmers klickte und die Tür mit beharrlichen Zischen aufglitt. Casseias<br />

tiefbraunes Haar fiel ihr in voluminösen, fülligen Wellen über die<br />

Schultern und rahmten ihr rundliches Gesicht mit den großen Augen und<br />

den vollen Lippen ein, wie ein antikes Gemälde.<br />

Offenbar war Casseia auch noch nicht lange wach, denn sie trug noch<br />

ihr cremefarbenes Nachtgewand, das im Licht der aufgehenden Sonne<br />

glänzte. Orianna drehte sich zu ihr um, das Lächeln auf ihrem Gesicht<br />

schmolz dahin und erstarb als eine freundliche Maske.<br />

„Orianna!“ keuchte Casseia atemlos, „Oh, wie schön, ich habe dich<br />

nicht geweckt! Ich sage dir, ich konnte kaum schlafen! Ich bin ja so<br />

94


aufgeregt!“ Nach Atem ringend sank sie auf Oriannas Bett, den Blick auf<br />

ein altes Hologramm der beiden Schwestern an der Wand gerichtet.<br />

Casseia hatte erst vor kurzem die Volljährigkeit erlangt, um die<br />

Orianna sie täglich beneidete.<br />

„Bithras ist noch gestern Abend mit Vater auf die Jagd gegangen!“<br />

informierte Casseia ihre kleine Schwester, die nach einem Streit mit ihren<br />

Eltern direkt nach dem Abendessen auf ihr Zimmer geschickt worden war.<br />

„Hoffentlich stimmt Vater der Verlobung zu!“<br />

Orianna konnte sich allzu gut vorstellen, wie ihr Vater den jungen<br />

Bithras mit abschätzigen Blicken bedachte und überlegte, welche Mitgift er<br />

ihm zusammen mit seiner Tochter vermachen sollte – und ob sich das<br />

Geschäft lohnen würde.<br />

Bithras Marjumdar, Casseias potentieller Verlobter, war ein Abkömmling<br />

der alten Sandral-Familie. Als Orianna und Casseia noch sehr kleine<br />

Mädchen gewesen waren, hatte ihre Mutter ihnen jede Nacht die alte<br />

Geschichte von der viertausend Jahre alten Blutfehde der Sandrals mit dem<br />

ebenso vermögenden Clan der Matales erzählen müssen, die durch eine<br />

geheime Romanze ebenso angefacht, aber schließlich beendet wurde.<br />

Aber Orianna wusste, dass die Zeiten mittlerweile sehr geändert hatten.<br />

Heute fürchtete sich der alte Cailetet Matale kaum davor, Casseia in die<br />

Hände eines Sandrals zu geben.<br />

Mara – oder war es Orianna? – betrachtete ihre Schwester, deren<br />

Wangen sich von Aufregung und Anstrengung rosig färbten. Ihre<br />

Mundwinkel zogen sich freudlos noch oben. Wieso konnte sie sich nicht<br />

einfach auf die beinahe sichere Hochzeit ihrer Schwester freuen?<br />

Da musste noch mehr sein! dachte sie und Mara wusste nicht, ob der<br />

Gedanke ihr selbst entsprang oder der jugendlichen Orianna.<br />

„Sieh nur!“ rief Casseia aus, als sie an Orianna vorbei aus dem Fenster<br />

sag. „Die Sonne steht schon so hoch am Himmel! Lass uns hinunter gehen<br />

und die Droiden das Frühstück zubereiten lassen! Vater und Bithras<br />

werden sich sicher freuen, wenn sie wieder nach Hause kommen!“<br />

Orianna nickte und schloss die Augen für einen Moment.<br />

Plötzlich wurde alles stumm und Mara erfuhr nicht, wie der Tag für<br />

das junge Mädchen weiter ging. Erst als sie wieder die Augen auftat<br />

drangen neue Sinneseindrücke auf sie ein. Leichtes Kopfweh plagte sie und<br />

95


wollte einfach nicht weg gehen. Orianna hatte nie viel von Medikamenten<br />

gehalten und würde die Schmerzen tapfer ertragen.<br />

Dumpfes Gemurmel rauschte durch die Korridore, vermischt mit dem<br />

Klang alter Musik. Es klang fast so wie Jizz, aber nicht ganz genau so.<br />

Orianna saß ruhig vor ihrem rahmenlosen Spiegel, das rotblonde<br />

Lockenhaar zu einer komplizierten Frisur aufgesteckt und geschmückt mit<br />

kristallenen Haarnadeln und Perlenketten. Sie war dezent geschminkt, so<br />

zart, dass man es nur erahnen konnte. Viel mehr als das hätten ihre Eltern<br />

ohnehin nicht gestattet.<br />

Prüfend strich sie sich über die Lippen, ihre Finger glitten an ihrem<br />

langen Schwanenhals hinab und berührten das flache Medallion, während<br />

sie ihre kindliche Erscheinung in der spiegelnden Fläche über dem<br />

Schminktisch ihrer Mutter betrachtete.<br />

Sie war schlanker als Casseia und ihr fehlten die rundlichen Züge, die<br />

ihrer Schwester eigen waren. Die weiblichen Rundungen ihrer Taille und<br />

Hüfte ließen sich bisher nur erahnen und ihr Busen würde, wie Orianna<br />

hoffte, in den kommenden Monaten noch ein wenig wachsen. Nur der Ausdruck<br />

in ihren dunklen Augen ließ sie älter wirken, als sie war.<br />

Dennoch, trotz all dieser Dinge, fand sich Orianna in ihrem kobaltblauen<br />

Gewand an jenem Abend vor langer Zeit wirklich schön und<br />

erwachsen. Möglicherweise schöner als ihre frauliche Schwester. Manche<br />

der Gäste mochten sie vielleicht noch immer für ein kleines Kind halten,<br />

doch sie wollte sich nur an die halten, die sie ihrem Alter gebührend<br />

behandelten. Wie töricht, dachte Mara beinahe belustigt, doch Orianna<br />

nahm keine Notiz davon. Die naiven Träume einer Fünfzehnjährigen.<br />

Die schrille Stimme ihrer Mutter rief sie, sie solle endlich heraus<br />

kommen und sich unter die Gesellschaft mischen. Orianna erhob sich,<br />

öffnete die Tür und trat hinaus auf den Flur zu ihrer Mutter.<br />

„Liebes! Geht es dir etwas besser? Los, komm, deine Tante würde dich<br />

gern sehen!“<br />

Mit wachsendem Desinteresse schüttelte sie alternden Freunden ihrer<br />

Eltern und entfernten Verwandten die Hände. Niemand schien ihr große<br />

Aufmerksamkeit zu schenken. Aber was hatte sie auch anderes erwarten<br />

sollen? Alle waren schließlich wegen der lang ersehnten Verlobung von<br />

Casseia Matale mit Bithras Marjumdar aus dem Haus der Sandrals<br />

gekommen.<br />

96


Ihre Schwester strahlte glücklich und ihre pausbackigen Wangen waren<br />

erneut von sanftem Rosa überschattet, während sie ihrem zukünftigen<br />

Gemahl hungrige Blicke zuwarf, die er glühend erwiderte. Doch beide<br />

wahrten höflichen Abstand zu einander und niemand schien die<br />

offensichtliche Liebe zwischen ihnen zu bemerken – außer Orianna.<br />

In ihrem Herzen spürte sie wieder ein diffuses Schmerzen nach dem<br />

Armen eines starken Mannes, der sie beschützte und liebte.<br />

Orianna ahnte nicht, dass eben dieser Mann sie bereits aus den<br />

Augenwinkeln beobachtete. Verzückt von Oriannas lieblicher und<br />

zerbrechlicher Erscheinung wandte er erst den Blick von ihr, als Bithras<br />

ihn mit lautem Gebaren begrüßte.<br />

„Casseia, schau!“ tönte er und führte den Mann hinüber zu seiner<br />

Verlobten, „Das hier ist mein alter Freund Ilya. Wir kennen uns von der<br />

Universität auf Corellia.“<br />

„Ja, und Dantooine ist wahrlich so schön, wie er es mir immer erzählt<br />

hat!“ sagte Ilya mit tiefer, sanfter Stimme, die wie Balsam in Oriannas<br />

Ohren widerklang.<br />

Überrascht sah sie von ihrem Glas Wasser auf, das sie sich gerade an die<br />

Lippen führen wollte, als habe sie der Schlag getroffen.<br />

Sie sah sich um und hörte ihn lachen, als Bithras einen bizarren Scherz<br />

machte und Orianna entdeckte ihn in der Menge,<br />

Er war groß und schlank. Sie reichte ihm vielleicht bis zu Schulter und<br />

sein langes, braunes Haar war schlicht zurück gebunden. Nur eine einzige<br />

Strähne fiel ihm ins Gesicht, im starken Kontrast mit seinen blassgrünen<br />

Augen.<br />

Offenbar bemerkte er Oriannas fasziniertes <strong>Star</strong>ren, denn nun spürte<br />

sie das ganze Gewicht und die Intensität seines Blicks auf sich. Scheu<br />

wandte sich Orianna ab und nippte am Wasserglas. Sie schloss die Augen<br />

so fest sie konnte, ihre Finger spielten wieder mit dem Anhänger um ihren<br />

Hals.<br />

Wenn sich der Augenblick doch nur für immer in ihr Gedächtnis<br />

brennen würde, so dass sie ihn niemals vergessen konnte. Sie wünschte es<br />

sich so sehr, dass es wehtat...<br />

„Mara!“ hörte sie Skywalker überrascht rufen und spürte seine<br />

Hand auf ihrem Oberarm. Er musste zurückgekommen sein, währ-<br />

97


end sie den machtvollen Bildern erlegen war, die das Medallion<br />

eingegeben hatte. „Mara! Was ist los?!“<br />

Sie riss abrupt die Augen auf und mit einem dumpfen Poltern<br />

fiel der Anhänger aus ihrer Hand rollte klirrend über den Tisch und<br />

fiel schließlich mit einem melodischen Klingen zu Boden. Weder sie,<br />

noch Luke, sahen ihm nach.<br />

„Was ist passiert?“ fragte Luke noch einmal mit milder und<br />

sorgenerfüllter Stimme.<br />

„Ihre Erinnerungen waren so mächtig, dass sie dem Medallion<br />

immer noch anhaften“, sagte Mara ohnmächtig und wunderte sich,<br />

wie schwach ihre eigene Stimme klang. Obwohl sie Oriannas<br />

Gefühle und Erinnerungen wie durch Watte empfunden hatte, war<br />

sie noch immer von den Eindrücken überwältigt.<br />

Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die Benommenheit<br />

verscheuchen, und sah Luke offen an. Noch immer voller Sorge,<br />

blickte Luke sie mit seinen treuen, blauen Augen an und ihr war<br />

bewusst, dass ihre kurze Antwort ihn nicht zufrieden stellte. Doch<br />

Mara wusste, dass er sie nicht dazu zwingen würde, ihm mehr zu<br />

berichten. Zumindest jetzt nicht.<br />

„Schon gut, Skywalker!“<br />

Ihre Beine zitterten wie bei einem Anfall plötzlicher Schwäche,<br />

als sie sich von ihrem Stuhl erhob und sich dabei Halt suchend auf<br />

den Tisch stützte. Für einen kurzen Moment verschwamm alles in<br />

ihrem Blickfeld und färbte sich an den Rändern schwarz. Die Welt<br />

um sie herum schien sich wie auf einem Karussell zu drehen und sie<br />

fühlte sich wie jemand, der zu schnell zu viel Gizerbier getrunken<br />

hatte.<br />

„Ich… bin müde“, sagte sie schlicht und übte sich darin,<br />

Skywalkers fragenden Gesichtsausdruck zu ignorieren, während sie<br />

sich zur Tür hinüber schleppte. Ihr war immer noch ein wenig übel<br />

und sie wurde von plötzlicher Müdigkeit übermannt, als hätten die<br />

Erinnerung der jungen Orianna ihr alle Kraft entzogen.<br />

Was war der Sinn? Sie verstand es nicht. In der Tat wurde das<br />

Rätsel, das May ihr aufgab, immer komplexer, immer<br />

undurchschaubarer. Vielleicht hatte May sie deshalb für diese<br />

Banthajagd ausgesucht, vielleicht hatte sie gewusst, dass dies<br />

98


geschehen würde. Sie musste gewusst haben, dass das Amulett eine<br />

Geschichte in sich trug, eine Geschichte, die sich nur Mara<br />

offenbaren konnte. Doch warum? Zu welchem Zweck?<br />

Und während sie sich auf dem Bett ausstreckte, in dem Zimmer,<br />

dass Sarzamin ihr zur Verfügung gestellt hatte, fühlte sie plötzlich<br />

eine klaffende Leere in ihrem Innern. Eine Leere, die nur darauf<br />

wartete gefüllt zu werden.<br />

Was geschah nur mit ihr?<br />

99


5: DEARLY BELOVED<br />

AM NÄCHSTEN MORGEN FÜHLTE MARA SICH IMMER NOCH EIN WENIG<br />

krank, schwach und von der Vision und der Anstrengung der<br />

Hetzjagd ausgelaugt. Eine Weile blinzelte sie angestrengt gegen das<br />

Sonnenlicht an, das durch die nicht abgetönten Fensterscheiben in<br />

das Gästezimmer flutete. Ihr Kopf fühlte sich seltsam taub an und<br />

die Welt um sie herum schien sich erneut im Kreis zu drehen, als sie<br />

sich mühselig in eine sitzende Position hinauf stemmte. Ruhe, dachte<br />

sie und versuchte ihre Gedanken auf die Macht zu richten, so wie<br />

Skywalker es sie in seinem Praxeum immer wieder gelehrt hatte. Sie<br />

rief die zeitlosen Lebensenergien zu sich und ließ sich von ihnen<br />

durchströmen und reinigen, bis der stumpfsinnige Nebel, der ihre<br />

Wahrnehmung trübte, durch kühle und gläserne Klarheit ersetzt<br />

wurde.<br />

Mit einem langen kontrollierten Atemzug löste sie ihren<br />

mentalen Griff und gestattete es der Macht wieder nach ihrem<br />

eigenen Willen zu fließen, ehe sie an sich hinunter sah und sich<br />

fragte, wann sie in der Nacht ihre Stiefel ausgezogen hatte. Und<br />

während sie so darüber nachdachte, bemerkte sie, dass die<br />

Augenblicke nach ihrer Vision hinter einem dunstigen Schleier<br />

verschwunden waren, der ihr nur wenige, farblose Eindrücke davon<br />

gab, was sie getan hatte.<br />

Zumindest vergewisserten ihr diese kurzen Momentaufnahmen,<br />

dass sie keine allzu großen Dummheiten gemacht hatte.<br />

100


Mit seinem Seufzen schwang Mara ihre Beine über die Bettkante<br />

und spürte den ausgekühlten Keramikboden unter ihren bloßen<br />

Füßen. Vorsichtig betastete sie ihre Schenkel. Die Beinmuskeln<br />

fühlten sich schwer und müde an.<br />

Auf einem Hocker neben dem Nachtisch entdeckte sie ihren<br />

Reisekoffer, von dem sie sich sicher war, ihn an Bord der Jade's Fire<br />

zurück gelassen zu haben, ehe sie am vorherigen Tag zu dieser<br />

neuerlichen Eskapade in der Steppe aufgebrochen waren. Ein<br />

unwillkürliches Lächeln der Dankbarkeit stahl sich auf ihr Gesicht.<br />

Skywalker musste zum Raumhafen zurück gefahren sein, um neue<br />

Kleidung für sie zu holen.<br />

Sie nahm ihren Gürtel samt ihren daran befinden Habseligkeiten<br />

ab und begann sich langsam aus ihrem Bodysuit heraus zu schälen.<br />

Was sie jetzt am dringendsten brauchte, waren Wasser und Seife.<br />

In einen grob gewebten Bademantel gekleidet, den Sarzamin ihr<br />

am Vorabend gegeben hatte, trat Mara aus dem Gästezimmer und<br />

wurde auf dem Flur von dem Geruch gebratener Eier begrüßt, der<br />

sich von der Küche aus im ganzen Haus zu verteilen begann. Sie<br />

hielt inne, lauschte dem leisen Prasseln von Bratfett und schlich<br />

dann beinahe lautlos den Gang hinunter zu einer kleinen<br />

Erfrischungszelle.<br />

Als sie eine Dreiviertelstunde später mit feuchten Haaren zurück<br />

zu ihrem Quartier ging, stieg ihr der rauchig-würzige Duft von<br />

Speck in die Nase und das leise Säuseln eine Entsafters erklang wie<br />

aus weiter Ferne. Interessiert schnupperte sie, sog den appetitlichen<br />

Geruch tief ein und versuchte sich den Geschmack auf ihrer Zunge<br />

vorzustellen. Von ihrem Hunger angetrieben, schlüpfte sie in frische<br />

Unterwäsche, eine dunkelgrüne Hose und streifte anschließend eine<br />

einfache weiße Bluse über.<br />

Dem immer intensiver werden Geruch des Essens folgend,<br />

verließ sie das Gästezimmer, bog am Ende des Ganges nach rechts<br />

ab und durchmaß mit wenigen Schritten die sich dort befindende<br />

Wohneinheit. Als sie schließlich zur Kücheneinheit kam, die<br />

geschickt hinter einen kleinen Durchreiche verborgen lag, entdeckte<br />

sie Sarzamin, die geschäftig in einer Pfanne rührte. Mara musste<br />

101


nicht einmal die Macht einsetzten, um zu spüren, wie sehr sich die<br />

Blumenhändlerin über ihren Besuch freute.<br />

„Guten Morgen“, sagte Mara und schritt zu einer freistehenden<br />

Küchentheke hinüber, vor der zwei Hocker standen. Überrascht<br />

wandte sich Sarzamin nach ihr um, die Stirn vor Verwunderung<br />

gerunzelt.<br />

„Oh, guten Morgen, Miss Jade“, gab sie zurück, „wobei Morgen<br />

in diesem Fall eine gelinde Übertreibung ist.“<br />

Sie deutete mit dem Kinn auf einen digitalen Chronometer, der in<br />

die Wand über der Kocheinheit eingelassen war. Es überraschte<br />

Mara nicht, dass es fast Mittag war.<br />

„Ich hoffe dennoch, dass Sie gut geschlafen haben?“ fuhr<br />

Sarzamin fort und beäugte Mara dabei skeptisch, „Meister Skywalker<br />

meinte, Sie hätten sich gestern Abend auf einmal nicht mehr<br />

besonders wohl gefühlt.“<br />

„Gestern war ein langer Tag“, erwiderte Mara schlicht. Sie sah<br />

keinen Grund, die genaue Ursache für ihre vorübergehende<br />

Erkrankung mit der älteren Frau zu diskutieren.<br />

„Dann können Sie eine Stärkung sicherlich gebrauchen, nicht<br />

wahr?“ meinte Sarzamin und schaufelte aus der Pfanne eine große<br />

Portion Rührei auf einen Teller, welchen sie Mara hinschob. Diese<br />

setzte sich auf einen der beiden Hocker und ließ sich von ihrer<br />

Gastgeberin Messer und Gabel reichen.<br />

„Wo ist Skywalker eigentlich? Haben Sie ihn heute Morgen schon<br />

gesehen?“ fragte Mara zwischen zwei hastigen Bissen. Nun, da sie<br />

vor einem gefüllten Teller saß, spürte sie ihren Hunger immer<br />

deutlicher.<br />

„Er war bereits wach als ich heute bei Morgengrauen<br />

aufgestanden bin“, gab Sarzamin zu „Ich bin mir nicht einmal<br />

sicher, ob er überhaupt geschlafen hat. Jedenfalls sagte er nur, dass<br />

er zum Hafen zurückfährt und noch einmal nach Ihrem Schiff,<br />

seinem X-Wing und seinem Astromech-Droiden sieht. Wollen Sie<br />

ein Glas frischen Barabelfruchtsaft?“<br />

„Ja, sehr gern.“<br />

Sarzamin beeilte sich, ein längliches Glas aus einem der Schränke<br />

zu fischen, ehe sie zum Entsafter eilte und eine tief violette, leicht<br />

102


trübe Flüssigkeit in das Glas laufen ließ. Sobald sie das Getränk vor<br />

Mara abgestellt hatte, sah diese ihrer Gastgeberin direkt in die<br />

Augen und fragte: „Müssen Sie heute nicht in Ihren Laden zurück?“<br />

„Dyue und La'mhak kommen auch einen Tag ohne mich<br />

zurecht.“ Sarzamin schaltete die Kocheinheit manuell ab, zog dann<br />

den zweiten Hocker neben der Theke zu sich heran und setzte sich.<br />

Ihre Blicken schweiften eine Weile im Raum umher, sahen alles an,<br />

nur nicht Mara, als wäre es der älteren Frau unangenehm sie<br />

anzusehen.<br />

„Wissen Sie“, begann sie langsam, „Sie erinnern mich an<br />

jemanden. Jemand, den ich sehr gut kannte und der vor sehr langer<br />

Zeit gestorben ist. Eigentlich haben Sie nicht besonders viel<br />

Ähnlichkeit mit ihr, weder vom Aussehen, noch vom Auftreten, und<br />

doch... Es kommt mir vor als wäre eine Ewigkeit vergangen, seit sie<br />

von uns ging. Die Republik ist gestürzt, ebenso das Imperium. Nun<br />

versucht sich die Neue Republik in die Geschichte einzuschreiben.“<br />

Sarzamin seufzte.<br />

Maras Augenbrauche zogen sich verwundert nach oben. „Darf<br />

ich so kühn sein und fragen, an wen ich Sie erinnere?“<br />

Sarzamin lächelte sie für einen Moment voller Traurigkeit an,<br />

dann sagte sie: „Ich habe sie Ihnen gegenüber bereits erwähnt. Ihr<br />

Name war Orianna Matale.“<br />

In Maras Innerem bereitete sich ein Gefühl aus, als hätte sie sich<br />

soeben einen Eimer voll Eiswasser in den Magen geschüttet.<br />

Orianna-Blüten. Orianna Matale. Das alte Anwesen der Matales,<br />

dass Sarzamin von Orianna geerbt hatte. Konnte es sein, dass<br />

Sarzamin ihre alte Freundin in ihr erkannte, weil sie jene Vision<br />

gesehen hatte? War vielleicht ein Teil von Orianna auf Mara<br />

übertragen worden? Eine Art Abglanz oder Aura? Sie machte sich<br />

im Geiste die Notiz Skywalker danach zu fragen, wenn er wieder<br />

auftauchte.<br />

„Sagen Sie“, fragte da Sarzamin und raubte ihr damit die<br />

Möglichkeit zum Nachdenken, "sind Sie auf Dantooine geboren<br />

worden? Oder vielleicht eines ihrer Elternteile?“<br />

„Ich weiß es nicht“, antwortete Mara wahrheitsgemäß und<br />

erstach einen Streifen Speck mit ihrer Gabel. Dies war eines der<br />

103


Mysterien ihrer Vergangenheit, mit denen sie sich nie befasste. Was<br />

kümmerte es sie, wer sie in die Welt gesetzt hatte? „Wie kommen Sie<br />

darauf?“<br />

„Nun, wie Sie schon bemerkt haben, fühlen sich alle Lebewesen<br />

auf Dantooine sehr mit der Natur verbunden. Deshalb geben Eltern<br />

ihren Kindern hier gerne die Namen von einheimischen Gewächsen<br />

– wie Orianna, zum Beispiel.“<br />

„In Ordnung, aber was hat das mit mir zu tun?“<br />

Mara schluckte den letzten Bissen Rührei hinunter und nippte an<br />

ihrem Glas voll violettem Fruchtsaft. Die Kälte in ihrem Inneren<br />

schien sich nur langsam und beschwerlich zu erwärmen.<br />

„Es gibt hier eine Pflanze, die in der restlichen Galaxis als Suyx<br />

bekannt ist. Hier nennen wir sie Mara, was soviel wie Bitterblüte<br />

bedeutet. Sie ist ein Ausdruck tiefer Traurigkeit und großer<br />

Verbitterung. In vielen volkstümlichen Sagen dieses Sektors heißt es,<br />

dass sie mit Vorliebe auf Blut getränkten Schlachtfeldern wuchs und<br />

sich vom Tod ernährte. Man sagt, wer eine Bitterblüte am Revers<br />

trägt, hat vor Kurzem ein geliebtes Familienmitglied in einer<br />

Schlacht verloren.“<br />

Mara lächelte freudlos. „Das klingt ja nicht besonders<br />

erheiternd.“<br />

Sarzamin machte eine wegwerfende Geste. „Oh, ich wollte Sie<br />

nicht beleidigen. Und keine Sorge, das ist alles bloß metaphorischer<br />

Unsinn, den die Mandalorianer über die Jahrhunderte hinweg<br />

immer weiter aufgeblasen haben, bevor sie Dantooine verließen. Im<br />

Bezug auf Kriegsgeschichten hatten die schon immer die blühendste<br />

Fantasie. Trotzdem hält sich dieser Volksglaube seitdem, daher kam<br />

mir irgendwie der Gedanke, dass Sie auch ein Sprössling Dantooines<br />

sein könnten.“<br />

„Mag sein“, sagte Mara bedächtig und strich sanft mit einem<br />

Finger über den dünnen Rand ihres Glases. Sie musste zugeben,<br />

dass ihr Name, Mara, in der Galaxis nicht besonders verbreitet war.<br />

Andererseits war sie auch noch niemandem begegnet, der ebenfalls<br />

Luke oder Lando hieß.<br />

Ein sanftes, tiefes Klingen erfüllte plötzlich das Haus, nur um<br />

dann erneut wieder abzubrechen.<br />

104


„Wenn Sie mich entschuldigen würden“, sagte Sarzamin, „einer<br />

muss ja die Tür öffnen.“<br />

„Warum haben Sie eigentlich keine Droiden hier, wenn Ihr<br />

Geschäft so gut läuft?“ fragte Mara.<br />

„Ich kann sie nicht ausstehen“, antwortete die Blumenhändlerin,<br />

die bereits auf dem Weg zur Tür war. „Sie erinnern mich irgendwie<br />

an die schrecklichen Taten der Handelsförderation. Diese<br />

verfluchten Neimoidianer!“<br />

Mit diesen Worten überließ sie Mara sich selbst. Entfernt hörte<br />

diese, wie Sarzamin Skywalker begrüßte und diesem seinen Jedi-<br />

Mantel abnahm. R2-D2 ließ sein beinahe vergnügtes Quietschen<br />

vernehmen. Doch Mara blieb stumm sitzen, drehte das Glas mit dem<br />

Barabelfruchtsaft zwischen ihren Fingern und starrte zu einem<br />

Punkt in weiter Ferne, der jenseits der Mauer von Sarzamin Saias<br />

Heim lag. Das Schmerzen ihrer Muskeln lag wie eine Last auf ihr,<br />

die ihr das Atmen schwer werden ließ. Wilde Gedanken und<br />

Erinnerungen drangen an die Oberfläche ihres Bewusstseins.<br />

Sie wurde einfach nicht schlau aus alledem: Meelam, May,<br />

Orianna, Dantooine. Was genau suchte sie an diesem verlassenen<br />

Flecken Galaxis? Alles, was sie gewollt hatte, waren ein paar<br />

Abwehranlagen für die Wild Karrde, mehr nicht! Was für ein<br />

Schlamassel und irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie<br />

selbst daran Schuld war, schließlich ließ sie sich immer wieder<br />

ablenken. Fokus, Konzentration, Präzision, das war es, was sie<br />

brauchte, doch je mehr sie sich bemühte ihre Gedanken zu ordnen<br />

und ihre Emotionen in den Griff zu bekommen, um so mehr schien<br />

sie sich selbst zu entgleiten – zum Leidwesen ihrer Umwelt. Doch es<br />

gab kein Heilmittel für dieses Chaos, nicht einmal die Macht. Ihre<br />

einzige Hoffnung war die Lösung, das Ende dieses Rätsels.<br />

Schritte näherten sich und sie konnte Skywalker voll aufrichtiger<br />

Höflichkeit lachen hören.<br />

„Ich danke Ihnen sehr, aber ich denke nicht, dass dies nötig sein<br />

wird“, betonte er, „wir Jedi haben unsere eigene Art derartige Dinge<br />

zu regeln.“<br />

Doch dann stockte er und seine Schritte erlahmten. Peinliche und<br />

deplazierte Stille trat ein, als Mara sich auf ihrem Hocker halb<br />

105


herumdrehte und Skywalker ein ermattetes Lächeln schenkte. „Ich<br />

habe mich schon gefragte, wo Sie wohl ab geblieben sind.“<br />

Es dauerte eine Weile, bis er in der Lage war, die Begrüßung und<br />

damit Maras Verfassung einzuschätzen und eine Erwiderung zu<br />

formulieren. Sie sah es an der Art, wie er sich bemühte, nicht die<br />

Stirn kraus zu ziehen. „Hallo“, sagte er langsam.<br />

Sarzamin, die halb hinter Skywalker stand, drängte sich nun an<br />

dem Jedi-Meister vorbei und begann das von Mara benutzte<br />

Geschirr beiseite zu räumen, während sie etwas von „das Fleisch<br />

einlegen“ murmelte.<br />

Lukes Blick flackerte einen Moment zu der Blumenhändlerin<br />

hinüber und Mara verstand. Offensichtlich zog er es vor, sich unter<br />

vier Augen mit ihr zu unterhalten, ganz gleich, wie<br />

vertrauenswürdig Sarzamin auch sein mochte.<br />

Mara glitt lautlos von ihrem Hocker herunter, stürzte die Reste<br />

des Fruchtsaftes hinunter und bedeutete Skywalker mit einer Geste<br />

ihr voraus zu gehen. „Ich denke, ein Spaziergang würde mir jetzt<br />

gut tun“, verkündete Mara laut, richtete die Äußerung jedoch nicht<br />

an Skywalker oder Sarzamin persönlich.<br />

Im Wohnbereich war R2 in eine Ecke neben dem CommUnit<br />

gerollt und in einen mechanischen Schlummer gefallen, bis Mara<br />

und Luke ihn auf ihrem Weg passierten. Nun war es Skywalker, der<br />

seinem Astromech mit nur einer Handbewegung mitteilte, dass er<br />

bleiben sollte, wo er war.<br />

Mara fand ihre Stiefel sorgsam neben der Eingangstür aufgestellt<br />

und schlüpfte hinein. Ein Teil von ihr hatte fast schon erwartet, dass<br />

Skywalker die Schuhe auch noch geputzt hatte, doch unter der Sohle<br />

haftete noch immer die rotbraune und fruchtbare Erde Dantooines.<br />

Luke verzichtete darauf, seinen Mantel erneut überzuwerfen,<br />

sondern reichte Mara nur ihre Jacke, ehe sie gemeinsam auf die<br />

Straße vor dem Haus traten. Wobei es sich dabei weniger um eine<br />

Straße, als viel mehr um einen verwilderten Naturpfad handelte.<br />

Steile, fast senkrechte, von Vegetation überfüllte Erdhänge, die<br />

beinahe doppelt so hoch waren wie Mara, begrenzten den Weg<br />

entlang des Südpfades, der zurück in die Stadt führte.<br />

106


Mit großzügigen Schritten marschierten sie durch einen<br />

schmucklosen Vorgarten und traten durch ein einfaches Tor in einer<br />

alten hüfthohen Mauer, die den Garten begrenzte.<br />

„Wie fühlen Sie sich?“ fragte Skywalker behutsam, doch Mara<br />

erahnte, wie lange ihm die Frage wohl schon auf der Zunge gelegen<br />

haben musste.<br />

„Besser“, meinte sie.<br />

„Besser, aber nicht gut, hm?“<br />

Ihre Blicke erforschten Skywalkers Gesicht, das für einen<br />

Augenblick mit einem sehr schmalen und sehr sorgenvollen Lächeln<br />

gezeichnet war. „Ja“, sagte sie mit einem langsamen Nicken.<br />

Ohne genau zu wissen wohin ihre Füße sie trugen, wanderten sie<br />

den Südpfad in Richtung Khoonda City entlang. Die Gegend war<br />

genau so stumm wie am Tag zuvor und nur dass Flüstern der Natur<br />

schien über Fels und Gras zu streichen, wie eine leise behutsame<br />

Melodie. Unter anderen Umständen hätte Mara diesem Lied ewig<br />

lauschen können ohne seiner jemals müde zu werden. Doch ihr<br />

Herz und ihre wirren Gedanken drängten sie weiter, wollten Worte<br />

formen und aus ihr heraus brechen. Wie lange gingen sie nun schon<br />

schweigend nebeneinander her?<br />

„Luke, hören Sie...“<br />

Erst begriff sie nicht, warum er mit einem Male langsamer wurde<br />

und sie mit einem Ausdruck der tiefsten Verblüffung anblinzelte.<br />

Doch dann verstand sie und auch ihre Schritte verlangsamten sich,<br />

bis sie schließlich inne hielt. Mit aller Deutlichkeit konnte sie<br />

beobachten, wie sich ein weiteres Lächeln auf seine Gesichtszüge<br />

stahl, doch dieses Lächeln war warm und gütig. Hatte sich ihr<br />

schlechtes Gewissen bereits ihres Sprachvermögens bemächtigt, dass<br />

sie ihn nun beim Vornamen nannte?<br />

„Offenbar haben wir endlich die feine Grenze zwischen Skywalker<br />

und Luke hinter uns gelassen“, sagte er, während seine Mundwinkel<br />

sich weiter sanft nach oben zogen.<br />

„Provozieren Sie mich nicht!“ raunzte sie, doch sie beide<br />

wussten, dass sie es nicht ernst meinte.<br />

„Entschuldigung“, meinte er vergeblich um ein ernstes Gesicht<br />

bemüht. „Was wollten Sie sagen?“<br />

107


Mara nahm einen langen kontrollierten Atemzug.<br />

„Ich wollte mich bei Ihnen bedanken... und mich entschuldigen.<br />

Ich weiß, wie schwer es Ihnen gefallen ist, sich auf Nam Chorios<br />

endgültig von Callista zu trennen. Nur weil es mir nicht gefällt Herr<br />

der Lage zu sein... Ich wollte Sie nicht kränken.“<br />

Er bedachte sie mit einem fragenden Blick, dann lachte er kurz<br />

und macht eine wegwerfende Geste. „Es gibt nichts zu vergeben.<br />

Immerhin hatten Sie Recht, doch mir geht es wohl nicht anders als<br />

Ihnen: Es ist schwer zu ertragen, wenn einem die eigenen Fehler mit<br />

einem Spiegel vorhalten werden.“<br />

Nun war es an ihr, verwirrt dreinzuschauen: „Was?“<br />

„Lassen Sie uns diese Sache einfach vergessen, in Ordnung?“<br />

wiederholte er und bot ihr eine Hand an.<br />

Zögernd starrte Mara seine behandschuhte rechte Hand an.<br />

„Um des Friedens willen“, sagte Mara und gewährte ihm einen<br />

kurzen Händedruck.<br />

„Um der Freundschaft willen“, korrigierte Luke und seine blauen<br />

Augen glitzerten.<br />

Sie blinzelte perplex, doch das sanfte Lächeln, das seine Lippen<br />

kräuselte, verschwand noch immer nicht.<br />

„Sie irritieren mich, Skywalker“, warf sie ein, doch sie spürte wie<br />

ihre Wangen krampfhaft ein Lächeln zu unterdrücken versuchten.<br />

„Oh, das tut mir leid. Es war keine Absicht“, erwiderte Luke<br />

unverblümt. Die Heiterkeit seines jungenhaften und aufrichtigen<br />

Grinsens ließ die eisige Kälte in ihrem Inneren für einen Augenblick<br />

dahin schmelzen.<br />

Nun gestattete auch Mara sich ein kurzen Lachen, dann entwand<br />

sie ihre Hand vorsichtig seinem Griff.<br />

„Sie sollten häufiger lächeln“, meinte Luke, „das macht Sie<br />

irgendwie aufgeschlossener und freundlicher.“<br />

„Wollen Sie jetzt etwa mit mir flirten?“ fragte Mara ironisch und<br />

stemmte spielerischen die Hände in die Hüften. „Nur, weil ich Sie<br />

einmal Luke genannt habe, heißt das nicht gleich, dass ich Sie<br />

heiraten werde.“<br />

„Das habe ich auch nicht erwartet“, sagte er, doch zu ihrer<br />

Überraschung schlich sich ein Hauch von zarter Röte auf seine<br />

108


Wangen. Es bereitete ihr immer eine diebische Freude, diese peinlich<br />

berührte Miene an ihm zu sehen.<br />

„Was genau ist eigentlich letzte Nacht passiert?“ fragte er dann<br />

sehr beherrscht und lenkte damit ihre Unterhaltung in eine andere<br />

Richtung. „Nachdem ich mit R2 gesprochen hatte und wieder auf<br />

die Veranda kam, waren Sie leichenblass und haben von Kopf bis<br />

Fuß gezittert. Ich dachte, Sie werden gleich ohnmächtig oder<br />

Schlimmeres! Und während der Nacht haben Sie sich ziemlich oft im<br />

Bett herum gewälzt, wie im Fieberwahn gesprochen und...“<br />

„Moment mal“, unterbrach Mara ihn, „soll das heißen, Sie haben<br />

die ganze Nacht neben meinem Bett verbracht?“<br />

„Nicht ganz. Kurz bevor die Sonne aufging, habe ich Ihre<br />

Reisetasche mit der Kleidung geholt und als ich mir später sicher<br />

war, dass Ihre Unpässlichkeit vorüber ist, habe ich R2<br />

eingesammelt.“<br />

Sie beäugte ihn kritisch, doch nichts an seiner Haltung, seiner<br />

Mimik oder seiner schillernden Präsenz in der Macht deutete<br />

daraufhin, dass es nicht so gewesen war, wie er gesagt hatte. Er<br />

hatte also wirklich die ganze Nacht lang über sie gewacht, hatte ihr<br />

die Stiefel und den Gürtel ausgezogen und sie zugedeckt.<br />

„Nun“, begann Mara, „wie viel konnten Sie denn aus dem<br />

schließen, das ich im Schlaf von mir gegeben habe?“<br />

„Nicht besonders viel“, sagte Luke und zuckte mit den Schultern,<br />

„Ilya, das ist das Einzige, das ständig über Ihre Lippen kam. Ist das<br />

ein Name?“<br />

Mara nickte: „Ja, es ist ein Name. Der Name eines Mannes, um<br />

genauer zu sein.“<br />

Skywalkers Augenbrauen zogen sich fragend zusammen.<br />

„Welcher Mann? Hat er etwas mit May Montross zu tun?“<br />

„Nein, leider nicht“, sagte Mara und schüttelte den Kopf, „Ilya ist<br />

Teil einer Erinnerung, einer Vision oder irgendetwas in der Art.“<br />

Und damit begann sie zu erzählen. So gut es ging, versuchte sie<br />

sich aller Details ihrer Vision zu entsinnen und ihm davon zu<br />

berichten, in der Hoffnung, dass er daraus vielleicht schlau werden<br />

würde. Doch sie wurde enttäuscht, denn da war nur ein tiefes<br />

109


Stirnrunzeln auf seinem Gesicht, das nicht gerade Anlass zur<br />

Hoffnung gab.<br />

„Seltsam, dass die Vision sich Ihnen offenbart hat, mir aber<br />

verschlossen blieb, wenn sie doch in dem Amulett abgespeichert<br />

war“, meinte Luke als sie schließlich geendet hatte.<br />

„Das dachte ich auch erst. Nichtsdestotrotz ist es wohl so, dass<br />

May dies gewusst hat. Sie wusste, dass nur ich in der Lage bin die<br />

Erinnerungen zu entschlüsseln und vielleicht will sie, dass ich genau<br />

das tue, damit ihr Plan von Erfolg gekrönt ist. Das Problem ist nur“,<br />

sagte Mara trocken, „dass wir wahrscheinlich diese Erinnerung<br />

entschlüsseln müssen, um ihren Plan zu durchkreuzen.“<br />

„Fühlen Sie sich denn bereit dazu? Würden Sie es noch einmal<br />

versuchen?“<br />

„Ich fürchte, ich habe keine Wahl, oder?“ erwiderte sie mit einem<br />

resignierenden Seufzen.<br />

„Keine Sorge“, meinte Skywalker und zog das silbrige Amulett<br />

aus einer Gürteltasche, „diesmal lass ich Sie nicht damit allein.“<br />

DREI JAHRE LANG HATTE SIE IHN NICHT MEHR GESEHEN UND DAS HERZ<br />

schlug ihr voller Eifer und Aufregung bis zum Hals, als sie am Morgen<br />

hinaus ging und den Flug der Iriaz beobachtete. Drei Jahre erfüllt von<br />

sehnsüchtigem Warten und es war nicht ein Tag vergangen, an dem sie<br />

nicht an Ilya gedacht hatte.<br />

Ob er sich wohl sehr verändert hatte?<br />

Der frische Wind fegte über die weite Steppe hinweg und schob triste<br />

Regenwolken vor die wärmenden Strahlen von Dantooines Sonne, doch<br />

Orianna stand einfach nur da und starrte in den Himmel.<br />

Mara spürte, dass die Zeit Orianna verändert hatte. Nicht nur, dass sie<br />

zu einer jungen Frau geworden war; die tyrannische Herrschaft ihrer<br />

Schwester über das Matale-Anwesen seit dem Tod ihres Vaters hatte sie<br />

härter gemacht und ihr beinahe jedes bisschen kindlicher Naivität geraubt –<br />

beinahe.<br />

Als die ersten Regentropfen zu fallen und das trockene Gras unter ihren<br />

Stiefeln zu tränkten begannen, ging Orianna zurück ins Haus. Bithras saß<br />

im Wohnbereich und hatte sich im Lieblingssessel seines verstorbenen<br />

110


Schwiegervaters breit gemacht, um die neusten Wirtschaftsnachrichten aus<br />

dem HoloNet zu studieren. Auf einem Beistelltisch neben dem Sessel<br />

qualmte eine dünne Zigarre fröhlich vor sich hin - eine lästige<br />

Angewohnheit, die er sich mit der Eröffnung seines eigenen Geschäfts in<br />

Khoonda City zugelegt hatte. Und wie jeden Morgen wunderte sie sich, wie<br />

er an die Datacards kam, die er gerade voller Aufmerksamkeit und<br />

Konzentration las, schließlich hatten die immer noch andauernden<br />

Klonkriege viele Welten des Outer und Middle Rim vom HoloNet<br />

abgeschnitten. „Ich habe halt Beziehungen“, rechtfertigte er sich jedes Mal,<br />

wenn sie ihn danach fragte, und die Art wie er das Wort Beziehung<br />

auseinander zog wie klebrige Kaumasse, machten Orianna nur zu deutlich<br />

klar, dass es bei Bithras' Geschäften nicht immer mit rechten Dingen<br />

zuging.<br />

Casseia scheuchte derweil die Droiden durch die Gänge, um alles für<br />

Ilyas Ankunft vorzubereiten. Orianna konnte ihre Schwester in hektischem<br />

Tonfall herum schreien hören, woraufhin Bithras nur genervt die Augen<br />

verdrehte, an seiner Zigarre zog und sich wieder seinem Studium widmete.<br />

Da ihr Schwager sie ohnehin keines Blickes würdigte, beschloss<br />

Orianna nachzusehen, was ihre Schwester schon wieder in helle Aufregung<br />

versetzte. Als sie die Küche betrat, war Casseia gerade dabei einen der<br />

Haushalts-Droiden beiseite zu schubsen und den Speiseprozessor manuell<br />

zu programmieren.<br />

Auch Casseia hatte sich verändert. Seit dem ersten Jahr ihrer Ehe mit<br />

Bithras, in dem sie allen Anscheins nach glücklich gewesen war, versuchte<br />

Casseia unentwegt schwanger zu werden, doch ihre Bemühungen waren<br />

bisher nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Voller Frustration und immer<br />

neuen Streitigkeiten mit ihrem Ehemann, hatte sich Casseia ihrem Freund,<br />

dem Essen, zugewandt, und seither deutlich an Gewicht zugelegt. Neben<br />

ihr wirkte Orianna mittlerweile noch zerbrechlicher und feingliedriger, als<br />

sie ohnehin schon war.<br />

„Da bist du ja!“ sagte Casseia in schnarrendem Ton, der Orianna<br />

unentwegt an ihre Mutter erinnerte. „Steh' nicht so unnütz herum,<br />

sondern sieh' zu, dass du dich frisch machst. So kann man dich doch<br />

keinesfalls unter Menschen lassen.“ Sie gestikulierte voller Empörung in<br />

Oriannas Richtung. Diese sah an sich herunter und fragte sich, was<br />

111


Casseia an dem cremefarbenen Hosenanzug und den hellbraunen Stiefeln<br />

auszusetzen hatte.<br />

Sie unterdrückte ein genervtes Seufzen und sagte nur: „Mir gefällt es<br />

so.“<br />

Casseia öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch keine der beiden<br />

Schwestern kam dazu einen Streit vom Zaun zu brechen. Mit einem Mal<br />

schlug der Türsummer an und ließ Casseia vor Schreck zusammen zucken.<br />

Einige Sekunden des Schweigens vergingen, dann rief sie Orianna barsch<br />

zu: „Na los, geh' und mach' die Tür auf!“ Diese ließ es sich nicht zweimal<br />

sagen, auch wenn ihr Herz schmerzhaft schnell gegen ihre Rippen schlug.<br />

Der Türmelder summte noch ein zweites Mal, ehe sie die Eingangshalle<br />

durchqueren und ihn mit einem Knopfdruck einlassen konnte.<br />

Ilya hatte sich kaum verändert. Seine Gesichtszüge waren zwar weniger<br />

jungenhaft und weich, sondern von Strenge und Reife gezeichnet, doch<br />

seine grünen Augen waren so schön wie damals. Immer noch stattlich und<br />

hoch gewachsen, sah er verblüfft auf Orianna hinunter und dann, ganz<br />

langsam, zeichnete sich ein Lächeln auf seinen Lippen ab.<br />

„Seid gegrüßt, Mylady“, sagte er und beugte sich vor, um ihre Hand zu<br />

küssen. Ihre Finger kribbelten, als seine Lippen ihre Haut berührten.<br />

„Gleichfalls, Sir“, erwiderte sie ein bisschen zittrig und flatterhaft.<br />

Just in diesem Moment stolperte Casseia um die Ecke und schob sich<br />

unwirsch einige Strähnen ihres Haars aus dem Gesicht. „Hallo, Ilya“,<br />

begrüßte sie ihn im herzlichsten Tonfall, zu dem sie fähig war – was in<br />

Oriannas Ohren immer noch wie eine Verwünschung klang – und<br />

umarmte ihren Gast knapp. „Nur so wenig Gepäck?“ fragte sie und stierte<br />

auf eine gut abgesicherte Aktentasche, die Ilya bei sich trug.<br />

Er lächelte.<br />

„Ich habe mir ein Zimmer in der Stadt gemietet. Ich erwarte heute<br />

Abend selbst noch Besuch.“<br />

„Oh“, machte Casseia mit zerknirschtem Gesichtsausdruck. „Warum<br />

setzt du dich nicht schon mal ins Speisezimmer, Orianna wird dich<br />

hinführen. Ich hole derweil meinen lieben Mann.“<br />

Ilya nickte nur und Casseia verschwand ebenso schnell, wie sie<br />

gekommen war. Schweigend führte Orianna ihn durch die Eingangshalle,<br />

durch den Flur im westlichen Flügel und zum Speisezimmer auf der<br />

Nordwest-Seite des Anwesens mit Blick über die Ebene.<br />

112


„Ein bezaubernder Anblick. Natur ist etwas, dass man auf Coruscant<br />

selten erlebt“, kommentierte er, als er seine Tasche einem Droiden übergab<br />

und den Blick aus dem Fenster wandte. Orianna gesellte sich zu ihm<br />

hinüber.<br />

„Ja, aber leider sind Sie in der Regenzeit hier eingetroffen. Bei<br />

Sonnenschein ist es noch viel schöner.“<br />

Er verzog seine schmalen Lippen zu einem schiefen Lächeln.<br />

„Das kann ich mir denken. Aber tut mir den Gefallen und nennt mich<br />

bei meinem Vornamen, Orianna.“<br />

Sie unterdrückte die plötzliche Hitze auf ihren Wangen. „Gut“,<br />

flüsterte sie. „Wenn du dasselbe für mich tust.“<br />

„Selbstverständlich.“<br />

Wieder verfielen sie in Schweigen und Orianna überlegte fieberhaft, wie<br />

sie die Konversation endlich ins Rollen bringen konnte. Doch es war nicht<br />

sie, die als Erste wieder das Wort ergriff.<br />

„Wie geht es deiner Mutter?“ fragte er mit einer seltsamen<br />

Ernsthaftigkeit. „Ich habe gehört, es ginge ihr seit Cailetets Tod nicht<br />

besonders gut.“<br />

Orianna schüttelte den Kopf. „Wir haben sie in der Siedlung in ein<br />

Med-Zentrum gebracht, wo man sich rund um die Uhr um sie kümmert.<br />

Casseia und ich wären einfach mit ihr überfordert gewesen, mit dem<br />

Haushalt und der Verwaltung des Anwesens. Wir können die Arbeit<br />

gerade so bewältigen und dennoch sieht es nicht gut aus. Ich denke, sie<br />

leidet unter Vaters Tod, immerhin kannten sie sich bereits ein ganzes Leben<br />

lang. Sie waren wie Seelenverwandte.“<br />

„Das sieht man im Tierreich oft. Wenn ein Partner stirbt, wird es der<br />

andere ihm bald nachtun. Solche Dinge sind von niemandem bestimmt, nur<br />

vom Herzen, und dagegen lässt sich leider nichts machen“, erklärte er und<br />

Orianna bewunderte seine weltmännische Art. „Es tut mir leid.“<br />

„Schon gut“, sagte Orianna und machte eine wegwerfende Geste. Auch<br />

wenn sie nie eine besondere Verbindung zu ihrer Mutter gespürt hatte, so<br />

kam sie doch nicht umher Trauer angesichts ihres nahenden Todes zu<br />

empfinden.<br />

Casseias und Bithras' Erscheinen machte weitere Bemerkungen<br />

überflüssig. Ilya half Orianna in den Stuhl und nahm dann links von ihr<br />

am einen Ende der Tafel Platz, direkt gegenüber von Bithras. Casseia setzte<br />

113


sich an die übrig bleibende Längsseite des Tisches und starrte ihrer<br />

jüngeren Schwester unmittelbar ins Gesicht. Diese hielt ihren Blick fixiert<br />

auf das Frühstück, dass von den Droiden aufgetragen wurde.<br />

Sie aßen in schweigsamer Atmosphäre und erst nach einer Tasse frisch<br />

gebrühten Kaffees, den Bithras sich immer von Chandrila importieren ließ,<br />

taute die Stimmung ein wenig auf. Ilya machte höfliche Komplimente über<br />

Casseias Äußeres, die Oriannas dickliche Schwester immer wieder erröten<br />

ließen, ehe sie kichernd rief: „So ein Charmeur!“<br />

Doch Oriannas Blicke hingen immerzu an Ilya, an seinen Augen, an<br />

seinem Mund, an seinen Fingern, die immer wieder rhythmisch gegen den<br />

Pokal seines Trinkkelches trommelten, an seinen breiten Schultern und an<br />

seinem Hals. Nach einer Weile fühlte sie sich ganz benommen und versank<br />

ganz und gar in ihrer Fantasiewelt, in der es nur sie und ihn gab. Mehrere<br />

Male bemerkte sie es nicht einmal, dass Ilya sie tatsächlich angesprochen<br />

hatte. Schamröte brannte wie Feuer auf ihren Wange, doch er grinste nur.<br />

Es war bereits früher Nachmittag, als Bithras beschloss seinen alten<br />

Freund in sein Büro zu führen, um sich ums Geschäft zu kümmern und<br />

Orianna sah ihm mit sehnsüchtigen Blicken hinterher.<br />

„Hoffentlich kann Bithras ihn dazu überreden uns zu helfen“,<br />

philosophierte Casseia herum, während sie beobachtete, wie die Droiden das<br />

restliche Geschirr zusammentrugen. Sie machte eine Pause und erwartete<br />

offensichtlich eine Antwort von Orianna, welche jedoch ausblieb.<br />

„Schlag' ihn dir aus dem Kopf!“ schnaubte Casseia da. „Er ist viel zu<br />

alt für dich. Außerdem will ich nicht, dass du Bithras Karriere ruinierst,<br />

nur weil deine Hormone verrückt spielen!“<br />

Oriannas Geist kehrte schlagartig in die Realität zurück. Erst wusste<br />

sie nicht, was sie empfinden sollte: Scham, weil ihre Schwester und<br />

sicherlich auch Bithras und Ilya sie ertappt hatten oder Wut, weil Casseia<br />

ihre Träume auf so rüde und plumpe Art zunichte machen wollte.<br />

„Was geht dich das denn an? Wäre dein Mann nicht so ein Versager,<br />

müsste er nicht seinen alten Kumpel von der Universität beknien, damit<br />

er ihm hilft. Er selbst verqualmt und versäuft doch ohnehin nur unser<br />

Geld. Und du! Nur weil du noch nicht schwanger bist gibt dir das kein<br />

Recht über mich zu bestimmen oder deine Frustration an mir auszulassen!<br />

Ihr seid beide so erbärmlich“, fauchte Orianna zurück und gab sich nicht<br />

114


einmal Mühe, ihre Stimme zu senken, ehe sie sich erhob und schnellen<br />

Schrittes das Zimmer verließ.<br />

Was für eine Familie, dachte Mara nur.<br />

Orianna wanderte zunächst ziellos durch die Gänge des Anwesens,<br />

ging dann in die Küche, um sich einen Trinkschlauch voll Mineralwasser<br />

aus der Kühlanlage zu nehmen, ehe sie hinaus ging.<br />

Er regnete in Strömen und nach wenigen Minuten war sie bis auf die<br />

Haut durchnässt. Der cremefarbene Anzug färbte sich dunkel, ihre Stiefel<br />

versanken in der aufgeweichten Erde und ihre roten Locken klebten an<br />

ihrem Kopf. Doch sie genoss den Regen und hoffte, dass er einen Teil ihrer<br />

Gefühle fortspülen würde.<br />

Sie entfernte sich immer weiter vom Anwesen, passierte die<br />

elektromagnetische Barriere, die das Grundstück abgrenzte und marschierte<br />

immer weiter in Richtung Stadt. Der Südpfad, wie die Einwohner ihn<br />

nannten, war jedoch verwaist. Nur die kleine Sarzamin, die auf einer<br />

niedrigen Mauer nahe ihres Elternhauses saß, schien sich vom heftigen<br />

Regenschauer nicht beirren zu lassen. Orianna sprach eine ganze Weile mit<br />

dem zehnjährigen Mädchen und begann ihren Kummer zu vergessen, bis<br />

sie jäh vom Jaulen der Kath-Hunde in der Ferne unterbrochen wurden. Mit<br />

verängstigten Blicken schaute Sarzamin sich um, rutschte von der Mauer<br />

hinunter und rannte zurück ins Haus und Orianna sollte es ihr gleich tun.<br />

In letzter Zeit waren die Kath-Hunde wieder besonders aggressiv und<br />

schreckten weniger den je davor zurück, jemanden anzugreifen.<br />

Sie ging den Weg, den sie gegangen war, zurück, doch ein Blick auf das<br />

Chronometer sagte ihr, dass mehr Zeit vergangen war, als sie gedacht hatte.<br />

Die zunehmende Dunkelheit hatte sie den immer stärkeren Regenfällen<br />

zugeschrieben, doch in der Tat neigte sich der Tag bereits dem Ende zu und<br />

der Abend war hereingebrochen. Wenn sie nicht vor Einbruch der Nacht<br />

wieder auf dem Grundstück der Matales war, würde sie in gewaltigen<br />

Schwierigkeiten stecken.<br />

Wieder hörte sie erneut die Kath-Hunde jauten und Angst kroch in ihre<br />

Glieder. Unruhig spielte sie mit dem Medallion und der Kette an ihrem<br />

Hals. Ihre Schritte beschleunigten sich und schließlich rannte sie, bis ihre<br />

Lungen rannten und der Regen die Bilder vor ihren Augen verschwimmen<br />

ließ. Es war nicht mehr weit..<br />

115


Sie rannte immer weiter, bis schließlich das diffuse blaue Leuchten der<br />

Begrenzungsfelder zwischen dem Grau um sie herum auftauchte. Hastig<br />

passierte sie die Barriere und aktivierte die Verteidigungsdroiden entlang<br />

der Anwesendsgrenze. Dann noch ein letzter Spurt und sie hatte es<br />

geschafft. Erschöpft hielt sie eine Sekunde inne und rang nach Atem. Nun<br />

war sie wieder in Sicherheit.<br />

Überall im Haus brannten die Lichter, um die erstickende Dunkelheit<br />

und den tristen Regen abzuhalten. Von Kopf bis Fuß durchnässt, tropfte es<br />

von ihren Haaren, ihrer Nase und den Fingerspitzen, als durch den<br />

Hintereingang schlüpfte und ihre Stiefel aus zog.<br />

„Wo ist sie nur wieder hingegangen?“ hörte sie Casseia in wütendem<br />

Ton fragen. „Es würde mich nicht wundern, wenn sie eines Tages wirklich<br />

von den Kath-Hunden zerfleischt wird!“ Orianna schnaubte und wandte<br />

sich nach links, weg von der Stimme ihrer Schwester und ihres Schwagers.<br />

Diese beiden waren das letzte, was sie heute sehen wollte. Wieder spielte sie<br />

mit ihrem Anhänger und warf einen Blick über ihre Schulter, ehe sie um<br />

die Ecke ging...<br />

... und gegen jemand stieß.<br />

Erschrocken wich sie zurück und erkannte voller Entsetzen, dass es Ilya<br />

war, dessen Anzug sie mit ihrem nassen Haar beschmutzt hatte. Doch sie<br />

brachte keine Entschuldigung hervor, sondern rief überrascht: „Du bist ja<br />

noch da! Hattest du nicht etwas von einem Termin gesagt?“<br />

Er starrte sie verdutzt an und es war ihr unmöglich seine Mimik zu<br />

deuten. Was dachte er wirklich? Das Einzige, was sie mit Sicherheit<br />

wusste, war, dass ihr Puls erneut in die Höhe schnellte und ihr Körper und<br />

ihre Seele, ihr ganzes Sein, sich nach ihm verzehrten.<br />

Plötzlich packte er ihre Schultern, so fest, dass es wehtat, zerrte sie<br />

weiter von Casseias Stimme fort und presste sie plötzlich gegen die nackten<br />

Korridorwand aus Orange gefärbtem Durastahl. Sie spürte seinen Atem<br />

auf ihrem Gesicht, welcher genauso schnell und stoßartig wie ihr eigener<br />

ging.<br />

„Ich konnte nicht…“, sagte er atemlos. „Ich konnte nicht gehen, ehe du<br />

nicht wieder in Sicherheit bist. Was hast du dir nur gedacht?“<br />

Schmerz jagte durch Oriannas Körper, als ihr Herz in ihren Hals zu<br />

springen schien. Sie zweifelte an der Realität des Augenblicks. Ihr Verstand<br />

116


weigerte sich zu glauben, dass dies wirklich passierte, doch der Rest von ihr<br />

wollte nicht, dass dieser Traum endete.<br />

Sie schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken, bot sich ihm an<br />

und lauschte seinem aufgeregten Atmen. Seine Hände zitterten, als er ihre<br />

Schultern losließ und seine Finger über ihren Körper gleiten ließ. Das<br />

Nächste was sie spürte, war, wie seine Arme kraftvoll ihre Taille umfassten<br />

und sich seine Lippen begierig und fordernd auf ihre senkten.<br />

Erst war Skywalkers mentaler Fühler nur ein sanftes Zwicken an<br />

der Oberfläche ihres Geistes, während er sie zurück in das Hier und<br />

Jetzt zu locken versuchte. Ein leises, fast zärtliches Echo aus weiter<br />

Ferne, das sie nach hause rief.<br />

„Ich glaube, Sie brauchen eine Pause, Mara“, hörte sie ihn wie<br />

durch Watte sagen. „Kommen Sie zurück.“<br />

Doch sie konnte nicht. Sie fühlte nur, wie ihr Geist zwischen den<br />

Bildern und Skywalkers Rufen hin und her geworfen wurde wie ein<br />

Boot, das vom Sturmwind erfasst worden war und im Begriff die<br />

Richtung zu verlieren.<br />

Das Zwicken schwoll an zu einem Stechen in ihrem Kopf und<br />

wurde immer lauter und eindringlicher wie ein donnerndes<br />

Stakkato, das unaufhörlich gegen ihre mentalen Barrieren prallte.<br />

„Moment!“ stieß Mara keuchend hervor. Ihr stand Schweiß auf<br />

der Stirn. Sie konnte die Feuchtigkeit an ihren Schläfen spüren.<br />

Atmen, dachte sie, atmen...<br />

Und mit einem Ruck warf sie Oriannas Erinnerung von sich fort,<br />

war sie ab wie einen alten Tarnmantel. Erneut von Schwäche<br />

übermannt, konnte sie an nichts anderes denken, als Luft in ihre<br />

Lungen zu pressen. Hätte Skywalker sie nicht festgehalten, sie wäre<br />

wohl einfach umgefallen. Daher überließ sie sich seinen Armen und<br />

rang einen Moment lang wie eine Ertrinkende um Atem.<br />

„Ganz ruhig“, sagte Skywalker und sie empfand ein warmes<br />

Prickeln als er die Macht um sie herum strömen ließ, damit Mara<br />

sich mit ihrer Kraft stärken konnte.<br />

„Danke“, murmelte Mara, während sich ihre Atemzüge wieder<br />

verlangsamten und der Schweiß auf ihrer Stirn immer kälter wurde.<br />

„Es geht schon wieder.“<br />

117


Langsam und zögerlich lockerte Skywalker den Griff um ihre<br />

Schultern und führte seine Hände zurück zu ihren Schulterblättern,<br />

wo sie anfangs geruht hatten.<br />

„Entspannen Sie sich, Mara“, sagte er von hinter ihr. „Ihr Geist ist<br />

ziemlich... nun ja... unstet.“<br />

„Was meinst Sie mit unstet?“ fragte sie und warf sich die Haare<br />

unwirsch über die Schulter, doch ihre Blicke klebten regelrecht an<br />

dem glänzenden runden Ding, das vor ihr, direkt zwischen ihren<br />

Knien im Gras lag.<br />

„Äußerlich betrachtet sind Sie ruhig, entspannt oder zumindest<br />

weniger angespannt als gewöhnlich. Aber in den Bereichen darunter<br />

spüre ich ein hohes Maß an Verwirrung und mentalen Turbulenzen.<br />

Als wollten ihre Gedanken und Gefühle einfach nicht zur Ruhe<br />

kommen.“, erklärte Luke. „Das ist natürlich nur eine oberflächliche<br />

Feststellung, aber wenn Sie Ihre Barrieren für mich senken würden<br />

und mich…“<br />

„Ah!“ machte sie und schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab,<br />

„die Tiefen meines Geistes sind kein Ort für Sie, Luke. Keine<br />

Diskussion.“<br />

„Aber wohlmöglich ist das der Grund, warum sie so tief in diese<br />

Visionen hinein gesogen werden. Es fehlt Ihnen an der nötigen<br />

inneren Ausgeglichenheit…“<br />

„Erzählen Sie mir nichts über meine innere Ausgeglichenheit.<br />

Wenn ich mich noch mehr entspanne, lösen sich meine Moleküle in<br />

ihre Bestandteile auf“, erwiderte Mara bestimmt, „und jetzt Schluss<br />

damit!“<br />

„Schon gut!“ gab Skywalker hastig zurück und drückte<br />

besänftigend ihre Schultern. „Also, was haben Sie gesehen?“<br />

Es dauerte einen Augenblick, ehe sie ihm antwortete. Stattdessen<br />

nahm sie noch einige köstliche Züge der süßlichen Luft und ließ ihre<br />

Blicke über die Ebene schweifen. Es war kaum zu glauben, dass<br />

Sarzamin Saias Haus direkt hinter dem Hügel vor ihnen lag, so<br />

unbelebt schien ihr die Gegend. Ihre Knie schmerzten ein wenig von<br />

den alten Grashalmen und Stöckchen, die sich dort und in die<br />

Schienbeine drückten, doch sie würde sich nicht vor Skywalker<br />

darüber beklagen.<br />

118


Wieder begann sie zu erzählen und wieder hörte er ihr mit<br />

großer Aufmerksamkeit zu. Es war ihr schon ein bisschen<br />

unheimlich, sogar Karrde lauschte ihr derart angestrengt und<br />

konzentriert.<br />

„Dann war Ilya also Oriannas Geliebter, so weit, so gut“,<br />

wiederholte Luke schließlich. Obwohl sie ihn nicht sah, konnte sie<br />

spüren wie er lächelte. „Ist doch sehr beneidenswert.“<br />

„Wenn Sie meinen“, erwiderte Mara nur, „wir werden ja sehen,<br />

was aus den beiden geworden ist.“<br />

„Was machen Sie denn?“ rief Skywalker als sie sich vorbeugte.<br />

„Mara, ich denke wirklich, dass Sie noch ein wenig Ruhe brauchen.<br />

Wir können später immer noch weiter machen.“<br />

„Versuchen Sie mich aufzuhalten“, meinte sie schnippisch und<br />

streckte die Hand erneut nach dem Amulett aus.<br />

Der Regen prasselte bereits seit Stunden gegen die Scheiben und ließ die<br />

Welt außerhalb des kleinen Herbergszimmers wie einen diffusen Traum<br />

verschwimmen. All das Leid, das die Klonkriege über die Galaxis gebracht<br />

hatten, schienen hier in Raum und Zeit entrückt und Orianna fand es gut<br />

so.<br />

„Sei so gut und schließ das Fenster, ja?“ sagte Ilya mit mürrischer<br />

Stimme. "Dieser Regen macht mich noch wahnsinnig."<br />

Ein wenig widerwillig löste Orianna sich aus seiner Umarmung, warf<br />

die Bettdecke beiseite und eilte, nackt wie sie war, zum Fenster hinüber und<br />

schloss es. Sie beeilte sich, wieder unter die Decke zu huschen und seine<br />

warme Haut an ihrer zu spüren. Begierig kuschelte sie sich an ihn, schlang<br />

einen Arm um seine Brust und Schultern und drückte ihm einen Kuss auf<br />

den Hals.<br />

„In diesem Laden gibt es nicht einmal eine Stimm-Codierung, damit<br />

man die Fenster vom Bett aus schließen kann“, murmelte Ilya genervt und<br />

rieb sich mit zwei Fingern den Schlaf aus den Augen. „Stört dich der<br />

Regen etwa nicht?“<br />

„Nein“, meinte Orianna nur und liebkoste weiter seinen Hals. „Er<br />

erinnert mich immer an den Tag, als wir uns das erste Mal geküsst haben.<br />

Es hat in Strömen geregnet, genau wie heute. Ich war ganz nass, als ich<br />

119


nach Hause kam. Und da hast du gestanden, ganz aufgeregt und hast mich<br />

an dich gepresst und geküsst.“<br />

Er lachte freudlos.<br />

„Du redest, als wäre das eine Ewigkeit her, dabei ist seitdem erst ein<br />

Standardjahr vergangen.“<br />

„Aber seitdem hat sich soviel verändert“, sagte sie. „Dantooine ist von<br />

der Außenwelt abgeschnitten und jeden Tag geht es uns hier schlechter.<br />

Und alles nur, weil sich die Separatisten und die Republik nicht einigen<br />

können.“<br />

„Ich weiß, Orianna, ich weiß“, erwiderte er. „Ich lebe auf Coruscant,<br />

schon vergessen?“<br />

Sie wurde still. „Nein, natürlich nicht.“<br />

Warum hatte er es erwähnen müssen? Wann immer etwas mit<br />

Coruscant zu tun hatte, erinnerte es sie unweigerlich daran, dass Ilya nicht<br />

bleiben würde, dass er zurück in die Hauptstadt musste, zu seinen<br />

Geschäften und seinen Pflichten. Sie wusste, nur so konnte er seinen<br />

Lebensunterhalt verdienen und nur so war es ihm möglich ihren Schwager<br />

Bithras monetär zu unterstützen, und doch fand sie es schreiend ungerecht.<br />

Nur etwa alle drei Monate war es ihr vergönnt in seiner Nähe zu sein und<br />

sich ihrer gemeinsamen Liebe hinzugeben. Und selbst dann schrumpfte ihre<br />

Zeit zu wenigen, kostbaren Momenten zusammen.<br />

Nach ihrem ersten verhängnisvollen Kuss hatte Orianna darauf<br />

bestanden, Bithras und Casseia nichts von alle dem zu erzählen. Ilya hatte<br />

nicht protestiert. Es war besser so, schließlich würde ihre Schwester sich<br />

lediglich mit dem Argument brüsten, dass Ilya zu alt für sie sei.<br />

Vermutlich würde sie sogar, im Namen ihres Vaters, anführen, dass Ilya<br />

gefälligst um ihre Hand anzuhalten hatte, bevor er Orianna berühren<br />

durfte. Es war also das Beste für alle Beteiligten und am Einfachsten für die<br />

beiden Liebenden, wenn sie sich heimlich trafen, ohne die kritischen Blicke<br />

irgendwelcher Anverwandten.<br />

Sie spürte, wie er sich neben ihr bewegte und ihr Kinn mit einer Hand<br />

seinem Gesicht entgegen hob. Willig ließ sie es geschehen, als er sie fest<br />

umarmte und ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen drückte.<br />

„Ich liebe dich“, sagte er dann, als sie bereits mit einem seligen Lächeln<br />

in seinen Armen lag und seinem Herzschlag lauschte. Er strich ihr sanft<br />

durch den dichten Lockenschopf.<br />

120


Orianna wagte nicht, etwas zu erwidern. Ihr war bewusst, dass Ilya<br />

wegen der ernsten Lage in den Kernwelten ziemlich angespannt war und<br />

vielleicht sogar um seine Existenz fürchten musste. Die kritische Lage des<br />

Handels im Middle Rim macht ihm Kopfzerbrechen, wie er ihr immer<br />

wieder in seinen Holonachrichten berichtete. „Es ist nur eine Frage der<br />

Zeit“, hatte er einmal mit ernsthafter Miene gesagt; „bis die Separatisten<br />

Coruscant angreifen. Count Dooku und General Grievous werden sicher<br />

nicht eher ruhen, bis Palpatine und die Republik geschlagen sind. Wenn<br />

das passiert wird meine Firma wahrscheinlich längst pleite sein und ich<br />

werde die Passagen nach Dantooine nicht mehr bezahlen können. Ich<br />

versuche ein paar Credits beiseite zu schaffen, aber es ist nicht einfach.“<br />

Orianna hatte keine weiteren Fragen gestellt, obgleich auch die Zukunft<br />

ihrer eigenen Familie durch den verheerenden Krieg gefährdet war. Wenn<br />

Bithras keine Unterstützung mehr durch Ilya bekam, würde er sein Handel<br />

mit den Kernwelten zum Erliegen kommen. Er würde mit Glanz und<br />

Glorie untergehen und Casseia und Orianna gleich mit. Dennoch galt ihre<br />

ungeteilte Aufmerksamkeit der Aufgabe, Ilya einen Teil seiner Last<br />

abzunehmen oder sie ihn zumindest für ein paar Augenblicke vergessen zu<br />

lassen.<br />

Viele Minuten vergingen, in denen sie bloß schweigend dalagen, den<br />

Körper des anderen zärtlich streichelnd und liebkosend. Erst als es draußen<br />

deutlich dunkler zu werden schien, setzte Orianna sich erneut auf und<br />

blickte auf ihren Chronometer.<br />

„Ich muss gehen“, stellte sie in bedauerndem Ton fest. „Ich habe<br />

Casseia gesagt, ich wäre zum Abendessen wieder zuhause.“<br />

Er rollte sich auf die Seite und spähte über ihre Schulter auf den<br />

Chronometer. Dann schlang sich sein kräftiger Arm um ihre Schultern und<br />

drückte sie zurück in die Kissen. Einen Atemzug später spürte sie das<br />

Gewicht seines Körpers auf ihrem und er küsste sie so lange und intensiv,<br />

als wollte er den Moment anhalten. Seine Hände schienen plötzlich überall<br />

zu sein und sie erwiderte seinen Kuss voll fiebriger Begierde. „Das ist noch<br />

mehr als genug Zeit“, erwiderte er.<br />

Sie wollte ihm widersprechen, wollte ihm sagen, dass sie des Todes<br />

wäre, wenn sie nicht pünktlich käme. All diese Heimlichkeiten wären ganz<br />

umsonst gewesen. Doch sie war völlig machtlos, denn die Bedürfnisse ihres<br />

Körpers ließen keine andere Meinung mehr zu. „Ilya“, keuchte sie atemlos<br />

121


und spreizte die Schenkel, um ihn, wie schon so oft, in ihren Körper<br />

einzulassen...<br />

Mara spürte wie ein unangenehm warmer Schauer ihren Rücken<br />

hinab kroch, während sich ihr Geist erneut mit aller Gewalt zurück<br />

in die Gegenwart kämpfte und die Verbindung zu Skywalker aufs<br />

Neue abbrach. Zitternd drängte sie die Bilder von Orianna und Ilya<br />

zurück und unterdrückte einen Laut der Abscheu, doch sie fühlte<br />

sich nun nicht mehr so schwach und halb erstickt wie eben noch.<br />

„Alles in Ordnung?“ fragte Skywalker, dessen warme Finger<br />

immer noch sacht auf ihren Schultern ruhten.<br />

„Wie man es nimmt", erwiderte Mara und schloss für einen<br />

Moment die Augen, um den Nebel aus Erinnerungen in ihrem Kopf<br />

zu lichten. „Ich glaube, ich muss mich nachher mit Desinfektionsmittel<br />

übergießen.“<br />

„Wieso? Was ist denn passiert?“ fragte Skywalker nun und Mara<br />

konnte sich bildlich vorstellen, wie er sie mit einer Mischung aus<br />

Neugierde und Argwohn ansah. Also schilderte sie ihm, was sie<br />

gesehen hatte, doch obwohl ihr keine Schamesröte auf die Wangen<br />

trat, fühlte sie sich schmutzig, als hätte sie diese intime<br />

Liebesszenerie zwischen Orianna und Ilya wie ein Voyeur<br />

betrachtet. Sie selbst wollte nicht, dass irgendjemand solch private<br />

Details aus ihrem Leben kannte, daher war sie auch nicht darauf<br />

erpicht, die Intimitäten anderer zu erfahren.<br />

„Oh“, sagte Skywalker nur, „das muss, in der Tat unangenehm<br />

gewesen sein.“<br />

„Nicht nur das, ich weiß nicht einmal welche Relevanz diese<br />

Erinnerung hat“, betonte Mara.<br />

„Nun, vielleicht war sie für Orianna etwas Besonderes“,<br />

vermutete Luke, „oder sie signalisiert eine Art Wendepunkt in ihrer<br />

Beziehung. Sie haben doch sicherlich auch derartige Erinnerungen<br />

an einen Mann?“<br />

Die Stirn zur fragenden Grimasse verfurcht, drehte sie sich halb<br />

zu ihm um und starrte ihn an. „Nein, aber wenn es so wäre, würde<br />

ich es Ihnen sicherlich nicht verraten.“<br />

122


Seine blauen Augen schienen einen seltsamen Glanz zu<br />

bekommen. War das etwa Mitleid?<br />

„Das tut mir leid“, sagte er nur.<br />

„Wie auch immer“, sagte Mara düster und strich sich erschöpft<br />

übers Gesicht. „Trotzdem werde ich dieses unglaublich miese<br />

Gefühl nicht los, dass uns das Schlimmste noch bevorsteht…“<br />

123


6: CRIES IN THE DARK<br />

GLEICH EINEM FLEDERHABICHT, DER IN DEN UNENDLICHEN STRAßENschluchten<br />

Coruscants aus vielen Kilometern Höhe mit scharfem<br />

Blick seine Beute erspäht, starrte May wachsam hinunter auf das<br />

hektische Treiben auf der Hauptstraße, auf der Menschen und<br />

Nichtmenschen gleichermaßen ihre Einkäufe für das bevorstehende<br />

Erntefest tätigten. Alle waren so sehr mit ihren Vorbereitungen oder<br />

freundlichem Geplänkel beschäftigt, dass niemand auch nur im<br />

Entferntesten den bohren Blick Mays eisblauer Augen im Nacken<br />

erahnte.<br />

Sie hatte sich bereits vor zwei Tagen in dem kleinen Motel im<br />

Stadtzentrum, dem Solely Inn, eingemietet, einem Etablissement, das<br />

sich ganz und gar nach den kargen Wünschen der wenigen<br />

Handelsreisenden richtete, die sich hin und wieder nach Dantooine<br />

zu verirren schienen. Die Zimmer und Korridore wirkten so steril<br />

und anonym wie eine Med-Station, nur gelegentlich heiterte eine<br />

farbige Holoprojektion – meist nur Kopien berühmter Kunstwerke –<br />

die grau-weiße Tristesse auf. Es erinnerte sie ein wenig an die guten<br />

alten Zeiten beim Imperial Intelligence. Jedes Hallen ihrer Schritte in<br />

den langen Fluren, jedes reservierte Räuspern, wenn zwei Gäste sich<br />

im Gang begegneten, gefolgt von einem knappen Nicken der<br />

Kenntnisnahme: Es war genau wie in ihrem alten Büro in Imperial<br />

City, bloß, dass hier keine Sturmtruppen patrouillierten.<br />

Inmitten all dieser klinischen Sauberkeit wären Laz und Avarice<br />

aufgefallen wie zwei bunt gescheckte Wompratten. Den anständigen<br />

124


und gutbürgerlichen Siedlern, die idyllische Ruhe Dantooines, all<br />

das machte nur zu deutlich klar, das dies kein Ort für zwei solch<br />

raubeinige Gundarks war. Es war allerdings nicht leicht gewesen,<br />

nach dem Einbruch ins Anwesen der Matales und Jades<br />

anschließendem Auftritt, die beiden dazu zu bewegen, einige<br />

Kilometer südlich des Grundstücks ihr Lager aufzuschlagen, anstatt<br />

mir ihr in die Siedlung zurück zu kehren. In der Tat hatte es<br />

ziemlichen Protest gehagelt, warum sie wie vogelfreie Banditen<br />

zwischen Felsen und Bäumen schlafen mussten, während sich May<br />

ein bequemes Zimmer in der Stadt leistete. „Weil ihr Banditen seid“,<br />

hatte sie gesagt, „und ihr werdet gefälligst hier bleiben und euch<br />

sofort mit mir in Verbindung setzen, sollte Jade noch einmal<br />

zurückkommen, um das Haus zu durchsuchen. Das ist ein Befehl!“<br />

Es war ihr von Anfang an klar gewesen, dass die beiden Männer<br />

ihren Plan nicht verstehen würden, dafür fehlte es ihnen an der<br />

nötigen Finesse, dem Fingerspitzengefühl und der Fähigkeit zum<br />

strategischen Denken. Sie waren es zu sehr gewohnt, nach Belieben<br />

ihre Blaster zu zücken und jeden umzupusten, dessen Gesicht ihnen<br />

gerade nicht gefiel. Es war etwa so als würde jemand versuchen ein<br />

filigranes Ornament mit einem Vorschlaghammer in Durastahl zu<br />

meißeln. Im Grunde hatte sie Laz und Avarice nur mitgenommen,<br />

damit sie ihr beim Anbringen der Bewegungssensoren und der<br />

Thermalsprengsätze halfen und diese Aufgabe hatten sie gemäß<br />

ihren Wünschen erfüllt. Außerdem – so hatte May vermutet – würde<br />

die Vertrautheit ihrer Auren in der Macht Jade sicherlich noch<br />

stärker anziehen als die Präsenzen zweier Fremder. Sie kannte die<br />

angeborene Neugierde der Hand des Imperators, die es ihr gebot,<br />

dieser mehr als heißen Spur nachzugehen.<br />

Und Mara Jade war ihr nachgegangen, ganz so, wie May es<br />

geplant hatte.<br />

Das bewusste Auslösen des Alarms durch den Bewegungssensor<br />

und die anschließende Zündung der Sprengsätze, hatte ihr ganz von<br />

allein verraten, wo Jade genau war und May damit die perfekte<br />

Gelegenheit gegeben, ihr Orianna Matales Amulett in die Hände zu<br />

spielen.<br />

125


Der Gedanke, dass Palpatines gefürchtete Agentin nun im<br />

Beisein von Luke Skywalker und ihrer neuen Freundin Sarzamin<br />

Saia dasaß und mehr und mehr an Mays Geisteszustand zu zweifeln<br />

begann, brachte ihre Lippen zum Kräuseln. Ich bin nicht verrückt,<br />

dachte sie bitter, aber wenn das alles hier vorbei ist, wirst du es sein, Jade.<br />

Dafür werde ich schon sorgen.<br />

Ein Prickeln rann wie ein warmer Schauer ihren Rücken hinab,<br />

während ihre eigenen Gedanken in ihrem Kopf widerhallten und<br />

sich ewig fortzusetzen schienen. Sie schloss die Augen, sperrte das<br />

Licht des Tages und die Stimmen der Lebenden aus und versuchte<br />

die Empfindungen zu erkunden, die plötzlich über sie hinweg zogen<br />

wie eine gewaltige Woge des Ozeans.<br />

Da war wieder diese Erregung. Eine fiebrige heiße Erregung, die<br />

sie immer überkam, wenn sie sich dem Sieg und der Rache so nahe<br />

fühlte. Aber da war auch Furcht, eine elementare Angst vor dem<br />

Versagen und dem Verlust, auch wenn es für sie nichts mehr zu<br />

verlieren gab. Sie war tiefer gesunken als ein Imperialer Agent<br />

jemals hätte sinken können. Sie hatte die tiefen schwarzen Abgründe<br />

ihrer eigenen Seele erblickt und sich ihnen gestellt. Doch wohin<br />

hatte sie dies gebracht? Sie umgab sich mit Abschaum, wertlosem<br />

Piratenpack. Sie selbst war eine Piratin geworden. Und von allen<br />

Emotionen, die nun für den Bruchteil einer Sekunde die Oberhand<br />

über ihr Sein gewannen, war die Sehnsucht nach der Vergebung für<br />

ihre unwürdigen Taten die stärkste. Und mit der Sehnsucht kam die<br />

Bitterkeit und mit ihr wiederum der Schmerz und die Wut... Sein<br />

Gesicht, wie es geisterhaft durch die Dunkelheit ihres Geistes<br />

aufblitzte.<br />

„Nein!“ keuchte sie und riss die Augen auf. Das Sonnenlicht<br />

schlug sie einen Augenblick mit Blindheit, doch sie begrüßte den<br />

Schmerz, der über ihre Sehnerven wie eine Vibroklinge in ihren<br />

Kopf vordrang, denn er vertrieb alle zehrenden Gedanken und<br />

brachte ihre Gefühle zum Schweigen. Sie schluckte, entließ die Luft<br />

in ihren Lungen mit einem langen und kontrollierten Atemzug.<br />

Erinnerungen durften nicht so real und lebendig sein wie die<br />

Wirklichkeit! Und doch war sie wegen eben jener Erinnerungen an<br />

diesen Ort gelangt. Dabei wollte sie nichts weiter, als einen einzigen<br />

126


Moment des Triumphes. Ein Triumph, dessen glückseliger Nachhall<br />

andauern würde, bis sie eines Tages starb. Einen Sieg, denn sie als<br />

May Lynn, nicht als Meelam errungen hätte.<br />

„Manchmal bist du wirklich ein erbärmliches Geschöpf, May<br />

Montross“, ermahnte sie sich selbst und ließ die Anspannung mit<br />

einem freudlosen Lachen ihrer Kehle entweichen.<br />

Ein durchdringendes Zirpen, welches von dem Nachttisch zu ihr<br />

hinüber hallte, tat ein Übriges, um ihre düsteren Gedanken zu<br />

verbannen. Ohne Umschweife trat sie neben das Bett, nahm ihr<br />

persönliches Comlink vom Nachttisch und öffnete die Frequenz.<br />

„Montross“, antwortete sie und zu ihrer Zufriedenheit klang sie<br />

so militärisch-streng wie man es ihr all die Jahre an der Akademie<br />

gezeigt hatte.<br />

„Wir sind im System“, meldete sich eine fiebrig klingende<br />

Männerstimme. „Ich habe gerade alle Daten der Hafenbehörde auf<br />

meinem Schirm.“<br />

„Bist du sicher, dass die Leitung sauber ist?“<br />

„Absolut. Nicht mal der GNR würde die Spur verfolgen können.<br />

Oder das ISB.“<br />

„Gut“, sagte sie und strich sich mit einer Hand den kurzen<br />

schwarzen Schopf zurück, „es reicht mir schon einen Jedi in meine<br />

Planungen mit einzurechnen. Check' alle Landeplätze nach der<br />

Jade's Fire und entriegele die <strong>Star</strong>trampe, damit wir freien Zugriff<br />

auf das Schiff haben.“<br />

„Nichts leichter als das. Aber was ist mit den internen<br />

Sicherheitsmechanismen? Nicht mal ein tölpelhafter Hinterwäldler<br />

würde hier sein Schiff einfach so stehen lassen.“<br />

„Entriegle die <strong>Star</strong>trampe der Landebucht und lass' den Rest<br />

meine Sorge sein. Ich will, dass ich ungestört an ihr Schiff komme,<br />

wenn ich beim Raumhafen eintreffe.“ May durchquerte das Zimmer<br />

mit wenigen Schritten, hinüber zu einer Kommode, über der ein<br />

Spiegel in äußerst simplem Design angebracht worden war und<br />

starrte für einen Moment ihr blasses Ebenbild an. „Danach will ich,<br />

dass du auf die Aufzeichnungen der Landungen und <strong>Star</strong>ts der<br />

letzten zwei Wochen zurückgreifst. Irgendwo in den Einträgen ist<br />

die Ankunft der Pride of Vengeance verzeichnet.“<br />

127


Es vergingen einige Momente der vollkommenen Ruhe, dann<br />

gluckste der Mann eine Bestätigung. „Hab' sie gefunden.“<br />

„In Ordnung. In exakt einer Stunde löschst du die<br />

Transpondercodes, die wir von der Pirate aus eingespeist haben.<br />

Zwei Standardstunden später fährst du einen Reset und setzt die<br />

Einstellungen des Transponders zurück.“<br />

„Wie bitte? Aber dann wird der...“<br />

„Tu’ es einfach!“<br />

„J-ja. Verstanden.“<br />

May unterdrückte ein Seufzen. Natürlich wusste sie, was dann<br />

passieren würde. Wenn die gefälschten Transpondercodes des<br />

Schiffes gelöscht wurden, wäre die Pride of Vengeance zwei Stunden<br />

lang ohne Identität. Wenn die Daten des Schiffs das nächste Mal<br />

überprüft wurden – und selbst die Großrechner einer drittklassigen<br />

Hafenbehörde taten dies etwa alle halbe Stunde – würde dies für<br />

genug Verwirrung sorgen, um ihr unbemerkten Zugang zu Jades<br />

Schiff zu verschaffen.<br />

„Sonst noch irgendwelche Anweisungen, May?“<br />

„Bringt die Pirate außerhalb dieses Sektors und wartet bei<br />

Aquilae auf meine Rückkehr“, sagte sie. „Und kümmert euch um<br />

Ersatz für den Twi'lek.“<br />

„Ja, selbstverständlich.“<br />

„Montross, Ende.“<br />

Sie wartete gar nicht auf eine weitere Erwiderung, sondern<br />

schaltete ihr Comlink ab und hakte es wieder in die Halterung an<br />

ihrem Gürtel, dann schritt sie zur Garderobe neben der Zimmertür<br />

und schlüpfte in einen aschgrauen Mantel. Während sie den Kragen<br />

umschlug und ein paar eingeklemmte Strähnen nach außen warf –<br />

sie ermahnte sich, bald wieder ihre Haare kürzen zu lassen – starrte<br />

sie ein kleines rechteckiges Päckchen an, welches auf der Kommode<br />

lag. Sie nahm es in die Hand, starrte es eine Weile gedankenverloren<br />

an, ehe sie es in eine Tasche ihres Mantels gleiten ließ und zur Tür<br />

ging.<br />

Es wurde Zeit, dass Mara Jade erfuhr, wer sich hinter Mays<br />

Geißel Meelam in Wahrheit verbarg.<br />

128


SIE KAM GERADE AUS DER STADT ZURÜCK, ALS ES PASSIERTE.<br />

Droiden halfen Orianna die Einkäufe vom Skipper zu laden und ins<br />

Haus zu bringen. Voller Frohsinn blickte sie auf den vergangenen Tag<br />

zurück, während sie eine Tüte mit neuen Kleidern aus dem Laderaum des<br />

Skippers hob und zum Haupteingang hinüber schlenderte. Nachdem sie<br />

früh am Morgen zum Med-Zentrum gefahren war, um nach ihrer Mutter<br />

zu sehen, mit ihr gemeinsam zu frühstücken und den Medis dabei zu<br />

helfen, sie zu waschen und anzukleiden, hatte sie sich am Mittag mit der<br />

mittlerweile dreizehnjährigen Sarzamin nahe der alten Jedi-Enklave<br />

getroffen. Während sie über die belebte Hauptstraße gewandert und sich die<br />

Auslagen der Händler an den Ständen angesehen hatten, hatten sie sich<br />

über dies und das unterhalten und kindliche Scherze gemacht. Es war für<br />

Orianna eine willkommene Abwechslung gewesen. Keine wilden<br />

Streitereien zwischen Bithras und Casseia, keine angespannten Mienen<br />

wegen neuer Kriegsmeldungen oder abgesprungenen Kunden. Nein, mit<br />

Sarzamin konnte sie vollkommen unbeschwert ihren Tagträumen<br />

nachhängen. Hin und wieder sah Orianna in ihr die Schwester, die Casseia<br />

niemals gewesen war und dank ihr konnte sie sogar ihre Sorge um Ilya<br />

einen Moment lang vergessen.<br />

Sechs Monate waren vergangen seit sie Ilya das letzte Mal gesehen<br />

hatte. Zwar hatte er, um die Zeit und die Distanz zwischen ihnen zu<br />

überbrücken, immer wieder Holonachrichten geschickt, doch seit zwei<br />

Standardwochen fehlte jede Spur von ihm. Er war unerreichbar für sie<br />

geworden, antwortete weder auf ihre, noch auf Bithras' Nachrichten und<br />

Orianna träumte jede Nacht aufs Neue, dass sie ihn nie wieder sehen<br />

würde.<br />

Selbst Casseia und Bithras spürten ihren wachsenden Unmut, auch<br />

wenn sie den Grund dafür nicht kannten. Vielleicht lag es daran, dass sie<br />

ebenfalls in Sorge um Bithras' alten Freund waren, doch vielleicht waren<br />

sie auch einfach selbst in so niedergedrückter Stimmung, weil ihr<br />

gemeinsames Leben nicht den Kurs genommen hatte, den sie sich<br />

gewünscht hatten.<br />

Orianna brachte die Tüte mit den Kleidern in ihr Zimmer, schlüpfte in<br />

ihre Hausschuhe und machte sich auf den Weg in die Küche. Der lange<br />

Einkaufsbummel hatte sie hungrig gemacht. Auf dem Weg dorthin konnte<br />

129


sie eine laute Stimme aus dem Wohnzimmer vernehmen. Einen flüchtigen<br />

Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, Bithras zu fragen, ob er<br />

langsam schwerhörig wurde, dass er das HoloVid so laut abspielen musste.<br />

Doch dann hörte sie Worte, die ihr wie ein Faustschlag in die Magengrube<br />

schmerzten.<br />

°... sollen Truppen der Separatisten unter dem Kommando des Cyborg<br />

Generals Grievous in die Hauptstadt eingedrungen und den Obersten<br />

Kanzler entführt haben. Das Senatsviertel, Republica 500 und East Port<br />

wurden durch das gewaltsame Eindringen und den Beschuss durch<br />

Kanonenboote teilweise zerstört und unterliegen dem Ausnahmezustand.<br />

Im Orbit bieten sich die planetarischen Streitkräfte eine unerbittliche<br />

Schlacht, während die Armee der Rupublik auf Verstärkung aus dem<br />

Inneren Rand wartet. Die Jedi...°<br />

Weiter konnte sie dem Bericht nicht folgen. Erstarrt stand sie im<br />

Korridor und spürte förmlich, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. Ihre<br />

Knie fühlten sich an, als würden sie das Gewicht ihres Körpers nicht mehr<br />

lange tragen können.<br />

Coruscant stand unter Beschuss. East Port war den Schergen der<br />

Separatisten zum Opfer gefallen. Ilya arbeitete in East Port!<br />

Wie ein Geist, ein Schatten ihrer selbst, folgte sie der Stimme, die weiter<br />

über die Zerstörungen in der Hauptstadt berichtete. Bithras saß vor dem<br />

HoloVid im Sessel ihres Vaters und war ebenso kalkweiß wie sie. Seine<br />

Lippen zitterten und er strich sich fahrig mit den Fingerspitzen übers<br />

Kinn. Erst als Orianna neben ihm stand, bemerkte er ihre Anwesenheit.<br />

„Das... das ist schrecklich...“, brachte sie hervor ohne den Blick von dem<br />

farbigen Hologramm zu nehmen, dass nun über die Peripherie des<br />

Senatsviertels schwenkte und mächtige Rauchsäulen zeigte, zwischen<br />

denen todbringendes Blasterfeuer aufflammte.<br />

Bithras nickte knapp. „Ich habe viele Berichte über die bisherigen<br />

Krisengebiete gelesen, derentwegen die Handelsrouten verlegt wurden,<br />

doch dieser Stich ins Herz der Republik.“ Er seufzte. „Entweder wird der<br />

Senat alle Handelsstraßen in den Kern umleiten oder aber das Chaos, dass<br />

ohne Palpatines Führung entstehen würde, bringt die Wirtschaft außerhalb<br />

der Kernwelten völlig zum Erliegen.“<br />

130


Orianna presste die Lippen zusammen. War das alles, woran er dachte?<br />

Wirtschaft und Geld? Was war mit all dem Leben, dass auf Coruscant<br />

ausgelöscht worden war? Was war mit Ilya?<br />

„Wo ist Casseia?“ fragte sie dann, um sich selbst, als auch Bithras vom<br />

Thema des Krieges weg zu locken.<br />

„Schlafzimmer“, brummte ihr Schwager ohne sie anzusehen. „Offenbar<br />

hat es wieder nicht geklappt mit dem Baby.“<br />

Orianna wusste nicht recht, was sie schlimmer finden sollte: Dass er<br />

keinen Gedanken an Ilya, seinen Partner, verschwendete oder dass es ihm<br />

egal war, ob seine Frau traurig war oder nicht. Wie viele Male hatte<br />

Casseia nun schon versucht Bithras’ Kind zu empfangen? Sie wusste es<br />

nicht mehr. Und obwohl sie keine allzu sanften Gefühle für ihre Schwester<br />

hegte, so bedauerte sie Casseia doch für ihre Kinderlosigkeit, wo sie sich<br />

doch so sehr danach sehnte.<br />

Als Bithras schließlich wieder in Schweigen verfiel, wandte Orianna<br />

sich von ihm ab und verließ das Wohnzimmer. Ihr Hunger war nun<br />

vollkommen verflogen, also beschleunigte sie ihre Schritte, bis sie<br />

schließlich die letzten Meter des Flurs bis zu ihrem Gemach rannte. Sie<br />

verriegelte die Tür hinter sich, stieß die Tüte mit ihren Einkäufen von einer<br />

Kante des Bettes und ließ sich auf die weiche Matratze fallen. Bittere<br />

Tränen überkamen sie, Tränen der Trauer und des Verlustes, und sie gab<br />

sich ihnen willenlos hin. Der Gedanke, dass sie ihren Liebsten wohlmöglich<br />

während der Kämpfe auf Coruscant gefallen war und sie nie mehr<br />

wiedersehen würde, raubte ihr alle Kraft, alle Hoffnung, wenn nicht sogar<br />

ihren Verstand. Und so lag sie auf ihrem Bett, weinte und schrie den<br />

Schmerz in ihrem Inneren heraus, bis irgendwann eine kühle Dunkelheit<br />

Besitz von ihr ergriff...<br />

MIT EINEM SEUFZEN VERSUCHTE MARA SICH ZU ENTSPANNEN UND DIE<br />

ferne Realität der Erinnerung loszulassen. Wie ein stechender<br />

Schmerz hatten sich Oriannas Tränen in ihre eigenes Sein gebrannt,<br />

um dort eine Narbe zu hinterlassen und während die Bilder erneut<br />

an ihrem geistigen Auge vorbeizogen, ließ die Pein Mara zuckend<br />

zusammen fahren. Hastig schloss sie die Augen, konzentrierte sich,<br />

131


lichtete den Nebel, drängte den Schmerz zurück, bis sie ihn fast<br />

gänzlich abgeschüttelt hatte.<br />

Das Gesicht mit einer Hand bedeckend, lehnte sich Mara auf der<br />

Couch zurück und ruhte einen Moment ihre Augen aus. Sie<br />

versuchte sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren, auf das Hier<br />

und Jetzt. So sehr Orianna auch nicht vergessen werden wollte,<br />

Mara konnte es sich nicht leisten, in der Vergangenheit zu<br />

verweilen. Und sie wollte es auch gar nicht.<br />

Langsam wurden die mannigfaltigen Eindrücke der Gegenwart<br />

intensiver. Die alte Couch roch nach abgewetztem Leder, ein<br />

lauwarmer Luftstrom strich über die Härchen an ihren Armen und<br />

auch ohne die geräuschverstärkenden Machttechniken, die Palpatine<br />

sie gelehrt hatte, konnte sie Skywalkers R2-Einheit hören, wie sie in<br />

einer Ecke des Zimmers vor sich hin tutete.<br />

Dann hörte sie Skywalker, wie er barfuss ins Zimmer zu<br />

schleichen versuchte. Doch es blieb auch bei dem Versuch.<br />

„Bitte entschuldigen Sie die Kargheit des Frühstücks“, meinte<br />

Skywalker und stellte einen Teller voll belegter Brotscheiben auf den<br />

Couchtisch, „aber ich wollte Sarzamins Vorratskammer nicht wie<br />

ein dreister Dieb plündern.“<br />

Mara warf dem Teller einen fragenden Blick zu. Deshalb war er<br />

also die letzten zwanzig Minuten verschwunden gewesen.<br />

„Wissen Sie noch, was ich Ihnen bezüglich des Verhaltens als<br />

Gouvernante gesagt habe?“ fragte sie, richtete ihre Aufmerksamkeit<br />

wieder auf den Jedi-Meister und schob dabei fragend eine<br />

Augenbraue nach oben. Skywalker zuckte kaum merklich und setzte<br />

sich langsam und mit Bedacht in einen Sessel, den Blick stur<br />

geradeaus gerichtet, wie ein Kind, dass man gerade bei einem<br />

Streich ertappt hatte.<br />

„Ja.“<br />

„Gut. Gleiches gilt jetzt nämlich auch für jede weitere karitative<br />

Handlungen im Bezug auf meine Person“, gab Mara zurück. Dann<br />

beugte sie sich vor und fischte sich eines der Sandwichs vom Teller.<br />

„Trotzdem danke.“<br />

„Keine Ursache.“<br />

Dann verstummte Skywalker erneut.<br />

132


Oh, da ist es wieder, dieses angenehme Schweigen, dachte Mara<br />

ironisch. Warum schien nur immerzu etwas Ungesagtes zwischen<br />

ihnen in der Luft zu hängen?<br />

„Irgendwie fühle ich mich auch nicht wohl dabei, Sarzamins<br />

Mildtätigkeit zu missbrauchen“, knüpfte Mara an seine anfängliche<br />

Bemerkung an, biss in das Sandwich und kaute für eine Weile<br />

genüsslich. „Wobei ich mich immer wieder frage, warum eine so<br />

sanftmütige Frau völlig allein am Rande der Wildnis in diesem<br />

riesigen Haus lebt. Muss ziemlich trostlos sein.“<br />

Skywalker bedachte sie mit einem durchdringenden Blick und<br />

machte ein Gesicht, als läge ihm eine Bemerkung auf der Zunge, die<br />

er nicht wagte auszusprechen. Mara schluckte ihren Bissen hinunter,<br />

hielt dann jedoch inne und sah ihn prüfend an.<br />

„Spucken Sie's aus, Luke“, sagte sie, „bevor Sie noch daran<br />

ersticken.“<br />

Er schluckte, beugte sich dann im Sessel vor und stützte die<br />

Ellbogen auf die Knie. Für einen weiteren Moment studierte er ihr<br />

Gesicht, als legte er sich die richtigen Worte zurecht.<br />

„Finden Sie nicht, dass wir Sarzamin zumindest befragen sollten?<br />

Vielleicht kann sie uns Auskunft darüber geben, was jeweils<br />

zwischen den Erinnerungen passiert ist, die Sie gesehen haben“,<br />

erwiderte er dann. „Immerhin war Orianna ihre beste Freundin.<br />

Eine beste Freundin, die ihr einfach so ein riesiges Anwesen<br />

hinterlassen hat.“<br />

„Damit würden wir sie nur unnötiger Gefahr aussetzen. Denn<br />

wenn wir sie befragen würden, würde sie uns wiederum fragen,<br />

woher wir derart intime Details aus dem Leben ihrer verstorbenen<br />

Freundin kennen. Und damit müssten wir sie auch über May<br />

Montross einweihen und ich möchte nicht das Risiko eingehen, dass<br />

sie das Opfer einer gescheiterten Imperialen Agentin wird, nur weil<br />

sie hilfsbereit war. Diese Leute vom Imperial Intel wollten von jeher<br />

selbst bestimmen, wer ihre wahre Identität kannte und wer nicht.<br />

Außerdem war May schon einmal in ihrem Laden, es wäre also es<br />

leichtes für sie, Sarzamin ausfindig und unschädlich zu machen.“<br />

„Aber...“<br />

133


„Skywalker“, schnitt sie ihm das Wort ab, „ich mag mir zwar in<br />

letzter Zeit einige Fehleinschätzung geleistet haben, aber ich kenne<br />

den Imperial Intelligence und seine Methoden besser, als mir lieb ist.<br />

Vertrauen Sie mir.“<br />

Während er sich über die Lippen leckte und Schweigen einer<br />

Erwiderung vorzog, widmete Mara sich erneut ihrem Frühstück.<br />

Obwohl sie in der vergangenen Nacht sehr lange geschlafen hatte,<br />

fühlte sie sich nicht ausgeruht. Ihre Visionen entzogen ihr mehr<br />

Kraft, als sie in einer Nacht zurück gewinnen konnte. Doch sie<br />

konnte sich nur schwer der Kraft des Medaillons entziehen. Als sie<br />

sich in der Nacht im Bett hin und her gewälzt hatte, war ihr sogar<br />

gelegentlich der Gedanke gekommen, sie würde von einer Art Sog<br />

oder Bann beeinflusst. Und diese Vorstellung missfiel ihr<br />

außerordentlich.<br />

Sie fühlte sich die Stirn, spürte jedoch keinerlei unnatürliche<br />

Wärme, keinen Fieberschub, nur eine unendliche Schwere. Je eher<br />

sie May in die Finger bekam, umso besser.<br />

„Sagen Sie, Luke, was ist aus den Untersuchungen geworden, die<br />

Sie Ihrer R2-Einheit aufgetragen haben? Die über May?“<br />

„Oh“, machte Skywalker und nickte R2-D2 zu, der sogleich an<br />

die Seite seines Sessels gerollt kam. Er öffnete eine kleine,<br />

unscheinbare Klappe an der Kuppel des Droiden und brachte zwei<br />

Datenkarten zum Vorschein. „Die sind hier.“<br />

Er reichte sie ihr, stand erneut auf und eilte aus dem Zimmer, um<br />

ein Datapad zu holen. Wenige Augenblicke später kam er wieder<br />

und übergab ihr auch dies. „Ich habe die Daten nur kurz überflogen,<br />

während sie geschlafen haben. Allerdings war nicht besonders viel<br />

zu finden.“<br />

„Das war zu erwarten. May ist immerhin eine Imperiale Agentin.<br />

Wir sind alle darin ausgebildet worden, wie ein Schatten<br />

aufzutauchen, unsere Arbeit zu erledigen und ohne Spuren zu<br />

hinterlassen wieder zu verschwinden. So waren wir in diesem<br />

Wirken am effizientesten“, erklärte Mara und schob die erste<br />

Datenkarte in das Pad. Dieses erwachte mit einem kurzer Summen<br />

und einem Aufflackern zum Leben. Skywalkers Astromech-Droide<br />

hatte lediglich drei offizielle Einträge in den ihnen zugänglichen<br />

134


Ressourcen finden können, allesamt Überbleibsel der alten<br />

imperialen <strong>Archiv</strong>e auf Coruscant. Auch dies war zu erwarten<br />

gewesen. May Montross war zu unbedeutend, um in die Annalen<br />

der Neuen Republik übernommen zu werden.<br />

Mit einem schnellen Tastendruck öffnete sie den ersten Eintrag,<br />

einen Artikel, der vom Imperialen Nachrichtendienst verfasst<br />

worden war. Es genügte ihr, den Artikel nur kurz zu überfliegen, da<br />

er nur vor Propaganda des ISB gegen die Rekrutierungsmethoden<br />

des Imperial Intel voll gestopft war. Eine eher enttäuschende<br />

Ausbeute. Ein paar Klicks später bauten sich die Daten des zweiten<br />

Eintrags vor ihr auf. Dabei handelte es sich offensichtlich um eine<br />

Art Aktennotiz des Imperial Intelligence, die einige Monate vor dem<br />

Artikel des ISB verfasst worden war.<br />

„Das Subjekt May Lynn Montross ist unverzüglich der Imperialen<br />

Gerichtsbarkeit zu überstellen“, las Mara gedankenverloren vor und<br />

studierte das Kürzel unterhalb der Notiz. „Gezeichnet von Ysanne<br />

Isard.“<br />

Auch die nächsten drei Einträge waren nicht weiter hilfreich. Die<br />

einzige Spur, die May in dieser Galaxis hinterlassen hatte, war ihr<br />

recht kurzer Prozess vor dem Imperialen Gericht auf Coruscant. Ihre<br />

gnädige Bestrafung, die sie erhalten hatte, schien jedoch vor der<br />

Öffentlichkeit geschützt und unter den Teppich gekehrt worden zu<br />

sein. In all dieser spärlichen Ausbeute gab es nicht einmal ihre alte<br />

Dienstnummer, das wäre durchaus hilfreich gewesen.<br />

„Dank der Dienstnummer hätte ich vielleicht über die<br />

Schmuggler Allianz an die alten Imperialen <strong>Archiv</strong>e gelangen<br />

können“, erklärte sie Skywalker, als sie das Datapad abschaltete und<br />

es neben den nun leeren Teller auf den Tisch stellte. Es fiel er<br />

schwer, ihre Enttäuschung zu verbergen.<br />

„Wäre dies ein einfacherer Weg?“<br />

„Einfacher, als Sie zurück nach Coruscant zu schicken, um dort<br />

Ihren Status in Waagschale zu werfen, um von den örtlichen<br />

Behörden autorisiert zu werden.“<br />

Skywalker nickte zustimmend und seufzte. „Wo Sie Recht haben,<br />

haben Sie Recht.“<br />

135


Dies war der Moment, da ein leises Zirpen die restliche Stille im<br />

Raum unterbrach. Beide blinkten sie sich mit gerunzelter Stirn an,<br />

dann sagte Mara: „Mein Comlink?“<br />

Sie erhob sich und durchquerte das Zimmer, wo auf einer<br />

Kommode ihr Comlink und all die anderen Habseligkeiten lagen,<br />

die sie gewöhnlich am Gürtel trug.<br />

„Mara Jade?“, meldete sie sich, einen fragenden Unterton in der<br />

Stimme.<br />

„Miss Jade“, begrüßte sie eine nervös klingende Männerstimme.<br />

„Hier spricht Captain B’laqua von der örtlichen Sicherheit von<br />

Solely City. Entschuldigen Sie die Störung, doch es hat hier… äh…<br />

einen kleinen Zwischenfall gegeben. Der Leiter der Hafenbehörde<br />

hat mich gebeten Sie zu kontaktieren.“<br />

Ihre Blicke flogen hinüber zu Skywalker, der auf die Kante des<br />

Sessels gerutscht war und sie aufmerksam ansah. Seine Miene<br />

spiegelte ihre eigene Skepsis und Sorge wider.<br />

„Ein Zwischenfall?“<br />

„Ja. Es sieht so aus, als hätte sich jemand unbefugt Zugriff auf Ihr<br />

Schiff verschafft.“<br />

WÄHREND SIE FUHREN VERDUNKELTE SICH DER HIMMEL ZUSEHENDS<br />

und schließlich begann es zu nieseln, als Luke und Mara mit dem<br />

Speeder in Solely City ankamen. Ohne Umschweife steuerte<br />

Skywalker das Fahrzeug durch die engen Gassen der Siedlung. Sie<br />

hatte ihm freiwillig das Steuer überlassen. Nicht nur, dass sie<br />

körperlich ausgelaugt war, nun mischte sich in ihre Frustration auch<br />

noch eine züngelnde Flamme der Wut. War es nicht genug der<br />

Hetzjagd, musste Montross nun auch noch ihr Eigentum<br />

beschmutzen? Damit war ihre Gegnerin eindeutig zu weit gegangen.<br />

Als sie schließlich beim Raumhafen ankamen, herrschte unter<br />

den anwesenden Sicherheitskräften und den Beamten der<br />

Hafenbehörde helle Aufregung. Auf ihrem Weg zum Büro des<br />

Hafenleiters passierten sie einige Zivilisten, die sich mit den<br />

Beamten stritten, während die Polizisten eine Landebucht nach der<br />

anderen untersuchten, ob auch diese von dem Überfall betroffen<br />

136


waren. Handelsvertreter verlangten, wieder zu ihren Schiffen<br />

gelassen zu werden oder über die genaue Lage informiert zu<br />

werden.<br />

„Sir, in diesem Augenblick können wir Ihnen noch nichts<br />

Genaueres sagen.“<br />

„Seien Sie unbesorgt, die Landebuchten werden so rasch wie nur<br />

möglich wieder freigegeben.“<br />

„Ich bedauere, doch ich bin nicht befugt…“<br />

Der Hafenleiter selbst schien nun weniger erfreut, als Skywalker<br />

und sie in das Büro eintraten. Er warf ihnen nur einen raschen,<br />

fahrigen Blick zu, während drei Männer über eine Konsole gebeugt<br />

standen und angeregt über etwas diskutierten. Schließlich drehte<br />

sich einer von ihnen um, ein kleiner, etwas untersetzter Mann, der<br />

bereits im Herbst seines Lebens angekommen war. Seine fliehende<br />

Stirn wurde von einem äußerst hohen Haaransatz abgeschlossen<br />

und sein Haar selbst schien ausgedünnt und verblichen.<br />

„Captain B’laqua, nehme ich an“, sagte Mara, als sie den Mann<br />

erreichte. „Mara Jade.“<br />

„Vollkommen korrekt“, erwiderte der Captain und schüttelte zu<br />

erst ihre, dann Skywalkers Hand. „Ich muss mich bei Ihnen für<br />

diesen Vorfall entschuldigen. Seit Jahren haben wir hier nicht mehr<br />

solche Unannehmlichkeiten gehabt.“<br />

„Das kann ich mir vorstellen.“ Die Kühle in ihrer Stimme wurde<br />

von Skywalker mit einem befremdeten Blick belohnt. „Was ist nun<br />

mit meinem Schiff?“<br />

B’laqua räusperte sich ausgiebig und strich sich dann sein<br />

dünnes Haar zurück. Dann erläuterte in knappen Worten, was den<br />

Aufruhr verursacht hatte: Ein Schiff, dessen Kennung und Daten<br />

einfach so vom Bildschirm und aus dem Sicherheitssystem des<br />

Raumhafens verschwunden war. Dieses ungewöhnliche Ereignis<br />

war zwar vom Computer gemeldet und an die örtliche Polizei<br />

weitergeleitet worden, weil ein Diebstahl oder ähnliches zu<br />

befürchten war.<br />

„Doch erst später, nachdem wir das betroffene Schiff überprüft<br />

hatten, machte sich eine Person auf den Schirmen verdächtigt. Der<br />

Eindringling betrat die von Ihnen angemietete Landebucht, wie wir<br />

137


vermuten ohne Ihre Befugnis. Als wir unsere Männer dorthin<br />

schickten, um den Eindringling zu stellen. Wir konnten jedoch an<br />

keinem der beiden Schiffe einen Schaden entdecken. Natürlich<br />

müssten Sie selbst den Innenraum Ihres Schiffes checken, aber wir<br />

konnten keine Anzeichen für gewaltsames Eindringen von Außen<br />

feststellen. Im Nachhinein zeigte sich dann, dass die Sperre für Ihre<br />

Landebucht durch einen Hacker manipuliert worden war. Man<br />

könnte sagen, die Tür stand sperrangelweit offen“, erklärte er. Mara<br />

starrte ihn einige Atemzüge lang an, ehe er sich zum Hafenleiter<br />

umwandte und diesen heran winkte. Die Männer tauschten etwas<br />

aus. Aus dem Augenwinkel sah es aus wie eine kleine, weiße Karte<br />

aus Flimsiplast.<br />

„Ein Täuschungsmanöver?“, vermutete Luke im Flüsterton.<br />

„Wenn ja, dann ein sehr schlechtes“, meinte Mara trocken. „Hätte<br />

May uns täuschen und über ihre Identität im Unklaren lassen<br />

wollen, hätte sie ihre Schergen angewiesen, sämtliche Landebuchten<br />

zu öffnen. Wahrscheinlich hätte sie auch einige Doppelgänger<br />

angeheuert, um die Aufmerksamkeit von sich fort zu lenken. Sie<br />

wollte, dass wir beide, Sie und ich, sehr wohl wissen, dass sie es<br />

war.“<br />

„Woher wollen Sie das so genau wissen?“ fragte Luke, die Stirn<br />

argwöhnisch in Falten gelegt.<br />

„Imperiale Standardprozedur.“ Sie wandte sich erneut an den<br />

Captain der Hafenaufsicht. „Haben Sie eine Ahnung, wo der<br />

Eindringling sich momentan aufhält?“<br />

„Nein, das wissen wir nicht“, sagte er peinlich berührt. „Als wir<br />

die Landebucht durchsuchten war keine Spur mehr zu sehen. Alles<br />

war wie ausgestorben.“<br />

Mara unterdrückt ein frustriertes Seufzen. Natürlich, die alte<br />

Imperial Intel-Masche. Eigentlich war es nicht verwunderlich, dass<br />

May den Sicherheitsleuten entkommen war, sie war für diese Leute<br />

zu gut ausgebildet. Wenn sie wollte, konnte sie nicht gesehen<br />

werden – zu einem formlosen Schatten werden.<br />

„Allerdings“, betonte er, „fanden wir das hier. Es war an die<br />

Außenhülle des Schiffs geklebt und das nicht einmal sehr<br />

professionell.“<br />

138


Mara zögerte einen Augenblick, dann nahm sie das Kärtchen von<br />

ihm entgegen. Es war auf einer Seite sehr kunstvoll beschrieben<br />

worden. Eine aalglatte Schönschrift, die nichts über die<br />

Persönlichkeit des Schreibenden ausgesagt hätte.<br />

Geboren am Morgen,<br />

Nur Leiden und Sorgen.<br />

Nachmittagskind,<br />

Im Leiden geschwind.<br />

Abends entbunden,<br />

Das Leiden schlägt Wunden.<br />

Geboren zur Nacht,<br />

Wird's wie morgens gemacht.*<br />

_______________<br />

(* aus Gregory Maguires Wicked – die Hexen von Oz)<br />

Mit zusammen gezogenen Augenbrauen starrte sie das Gedicht<br />

an und fragte sich, was May damit wohl wieder bezwecken wollte.<br />

Erquickende Poesie als Ausgleich für die Nerven, die sie Mara<br />

bereits gekostet hatte? Dann drehte sie das Kärtchen und fand zu<br />

ihrem Erstaunen auch auf der Rückseite eine Notiz.<br />

Café „Irinari“, 16 Uhr am morgigen Tag.<br />

IIBS-61 661<br />

„Wenigstens war sie so freundlich, uns ihre Dienstnummer zu<br />

geben“, murmelte Skywalker. Mara war sich nicht ganz sicher, ob er<br />

sie damit aufzuheitern versuchte.<br />

„Wie hieß das Schiff, dessen Kennung der Computer als<br />

fehlerhaft meldete?“ fragte sie aus einer Eingebung heraus.<br />

Daraufhin eilte der Captain hinüber zu einem Datapad und kam<br />

damit zurück zu ihnen.<br />

„Wollen sie den alten oder den aktuellen Namen?“<br />

Sie runzelte die Stirn und wusste, ohne hinzusehen, dass<br />

Skywalker dasselbe tat.<br />

„Wie bitte?“<br />

139


„Nun, vor einer halben Stunde wurden die Daten des Schiffes,<br />

das von unserem Eindringling wohl als Tarnmanöver verwendet<br />

wurde, wieder in das System eingetragen. Vor dieser temporären<br />

Löschung war das Schiff als die Pride of Vengeance registriert.“ Er<br />

machte eine vielsagende Pause. „Nun ist das gleiche Schiff unter<br />

dem Namen Nightflight eingetragen.“<br />

Augenblicklich spürte sie Skywalkers Hand in ihrem Rücken, als<br />

wollte er sie vor einem Sturz bewahren. Doch sie kämpfte gegen das<br />

gefährliche Schwanken an und sprach mit fester Stimme weiter.<br />

„Ich danke Ihnen“, sagte sie zu B’laqua, der den Kopf vor ihr<br />

neigte und sich abwandte. Er bellte bereits zwei junge Polizisten an,<br />

die etwas unkoordiniert in der Gegend umherstreiften, während<br />

Mara erneut das Kärtchen anstarrte und gegen den bitteren<br />

Geschmack in ihrem Mund ankämpfte.<br />

May war schon sehr gerissen, dass musste sie zugeben. Gerissen<br />

und allen Anscheins nach war auch eine Spur wahnsinnig. Der<br />

subtile Hinweis an ihrem Schiff, der Tumult im Hafenbüro, all das<br />

war eine regelrechte Einladung, eine Aufforderung zum Spiel zweier<br />

Schatten. Den Schatten des Imperiums.<br />

Gedankenverloren wandte sie den Blick ab, ließ ihn hinüber zu<br />

einem Fenster auf der anderen Seite des Büros wandern. Die<br />

Peripherie des kleinen Raumhafens und die Welt dahinter war nun<br />

vollständig durch einen grauen Schleier verhüllt. Einen Schleier, wie<br />

sie ihn aus Oriannas Erinnerungen kannte. Der Regen fiel<br />

unbarmherzig in großen Tropfen auf die Erde und schien alle<br />

anderen Geräusche zu ersticken. Als gäbe es auf Dantooine nichts<br />

weiter als den Regen und das satte Rot und Grün der Natur...<br />

„Und was jetzt?“ fragte Luke schließlich.<br />

„Was wohl?“, gab Mara zurück, „ich nehme ihre Einladung an.“<br />

ES REGNETE BEREITS SEIT TAGEN, BESTÄNDIG, UNAUFHÖRLICH, UNUNTERbrochen,<br />

als würde der Himmel über Dantooine all die Tränen weinen, zu<br />

den Orianna nicht mehr fähig war. Der graue Regenschleier schien die<br />

Leere in ihrem Inneren wie ein bleierner Vorhang zu bedecken.<br />

140


Es war für sie kaum vorstellbar, dass erst vor wenigen Wochen ein<br />

Krieg zu Ende gegangen war, der sie und ihre Familie nicht nur in eine<br />

finanzielle, sondern auch viele Monate lang in eine emotionale Krise<br />

gestürzt hatte. Wenig hatte sich seitdem in Solely City geändert, außer,<br />

dass man nun an jeder Straßenecke von den Neuerungen sprach, die<br />

Palpatine für sein Galaktisches Imperium vorgesehen hatte. Viele der<br />

Händler, deren Geschäfte ebenso schlecht gelaufen waren wie Bithras',<br />

waren deswegen schon in heller Aufregung.<br />

Eine dieser Neuerungen war der neue Ausweis, der in diesem<br />

Augenblick auf Oriannas Schoß ruhte. Ein langweiliges graues Ding, nicht<br />

einmal groß genug, um ihren Handteller auszufüllen und kaum dicker als<br />

ein einfaches Stück Flimsiplast. Gelangweilt betrachtete sie die kleine Karte<br />

und versuchte sich die Markierungen am oberen Rand genau einzuprägen,<br />

was ihr allerdings nicht wirklich gelang. Seit dem Tag, als die Separatisten<br />

über Coruscant hergefallen waren, fiel es ihr schwer, sich auf irgendetwas<br />

zu konzentrieren. Oft bemerkte sie weder das Kommen und Gehen ihrer<br />

Mitmenschen, noch Sonnenauf- oder Sonnenuntergang. Es konnte regnen,<br />

so wie heute, und es war ihr egal.<br />

Mit einem sanften Ruck ließ Bithras den Speeder nach rechts in eine<br />

Seitenstraße abbiegen, während Casseia auf dem Beifahrersitz<br />

gedankenverloren aus dem Sichtfenster in den Regen starrte. Orianna<br />

stemmte sich auf ihrem Sitz hinter Bithras kurz in die Höhe, um ihr<br />

Gewicht zu verlagern. Wenig später wurden sie langsamer und hielten<br />

schließlich an.<br />

„Wir sind da“, informierte er die beiden Schwestern und klang dabei,<br />

als würde er sich nicht ganz trauen, überhaupt etwas zu sagen. Orianna<br />

verübelte es ihm nicht; Casseia konnte in letzter Zeit öfters der<br />

Geduldsfaden reißen.<br />

Ohne große Eile löste sie die Sicherheitsgurte und stieg aus dem<br />

Speeder, das Gesicht unter einer schützenden Kapuze verborgen. Auf der<br />

anderen Seite tauchte Casseias Kopf auf. Auch sie beeilte sich, ihre Kapuze<br />

überzustreifen, um nicht weiter durchnässt zu werden. Ausdruckslos<br />

starrte Orianna die dicken Regentropfen an, die vom Wasser abweisenden<br />

Mantel ihrer Schwester perlten. Bithras sicherte das Fahrzeug, während die<br />

beiden Schwestern bereits die Treppenstufen vor dem Haupttor des Med-<br />

141


Zentrum empor klommen. Es war kein fröhlicher Tag, selbst wenn Ilya<br />

daheim auf die Rückkehr der Familie gewartet hätte.<br />

Denn endlich, nach mehr als vier langen Jahren des Leidens, war ihre<br />

Mutter auf die andere Seite der Macht übergetreten. Anfangs hatte<br />

Orianna sich gefragt, was sie wohl nun mit all der freien Zeit anstellen<br />

sollte. Sie war bereits so sehr daran gewöhnt jeden zweiten Tag – immer im<br />

ständigen Wechsel mit Casseia – in die Siedlung zu fahren, um ihrer<br />

Mutter dabei zuzusehen, wie sie langsam vor sich hin gestorben war, dass<br />

es ihr abwegig vorkam, die alte Frau könnte wirklich aus dem Leben<br />

geschieden sein. Nun gab es für Orianna nichts mehr, um das sie sich<br />

scheren musste. Das Anwesen – und damit ihr ganzes Leben – war nun so<br />

gut wie sicher in Bithras und Casseias Händen. Alles was ihr blieb waren<br />

wohl Sarzamins Besuche, wenn sie mit ihrem Vater am Ende der Woche<br />

zum Anwesen kam, um den Garten zu pflegen. Sie war ihre einzige<br />

Verbindung zu den Dingen außerhalb ihrer beschränkten kleinen Welt.<br />

Sarzamin schien manchmal aus einem anderen Universum zu stammen,<br />

aus einer wunderlichen Galaxis weit jenseits der blauen Energiebarrieren,<br />

die das Anwesen schützten.<br />

Und doch glaubte Orianna bereits das Getuschel der Siedler hören zu<br />

können, wie sie sich beim Einkaufen darüber unterhielten, was aus dem<br />

Hause Matale geworden war, der stolzen Familie, die sich seit mehr als<br />

4000 Jahren in die Geschichte Dantooines einschrieb.<br />

„Die Marjumdars sind nur ganz entfernt mit den Sandrals verwandt",<br />

hörte sie die Leute sagen. „Eine ganz dünne und schwache Blutlinie. Frex<br />

Sandral wird alles von seinem Vater erben, die Marjumdars sehen von dem<br />

Geld kein Stück.“<br />

„Natürlich nicht, darum haben sie ja auch den alten Cailetet dazu<br />

überredet, mit der älteren Matale-Tochter anzubandeln.“<br />

„Ja, und jetzt kann sie keine Kinder kriegen und wirft das Geld ihres<br />

toten Vaters zum Fenster raus. Erst neulich hat sie eine Bestellung für<br />

sündhaft-teure Rinkenseide bei uns in Auftrag gegeben. So treiben sie sich<br />

langsam in den Ruin.“<br />

„Nun, die Jüngere ist mir auch nicht geheuer. Die wandelt umher wie<br />

ein lebendiger Geist.“<br />

Voll Bitterkeit dachte Orianna daran, welches Loblied die Siedler von<br />

Solely City noch auf die Heirat zwischen Bithras und Casseia gesungen<br />

142


hatten. Wie sie alle angekrochen waren, die Kusinen dritten Grades oder die<br />

um viele Ecke angeheirateten Tanten und Onkel. Wie viele Siedler hatten<br />

sich vor 7 Jahren noch an eine alte, entfernte und längst vergessene<br />

Verwandtschaft erinnert, nur um als Gast zur Hochzeitsfeier eingeladen zu<br />

werden?<br />

Andererseits kam Orianna nicht umhin ihnen zuzustimmen, was<br />

Casseias Betragen betraf. Nachdem sie sich vom Essen abgewandt hatte, um<br />

nicht die Maße eines Hutts anzunehmen, war sie stattdessen dazu<br />

übergegangen, ihrem Unglück mit teuren Kleidern, Schmuck und<br />

sonstigen Luxusgütern entgegenzuwirken. Ganz gleich, ob ihr Mann<br />

angesichts der eingehenden Rechnungen kalkweiß im Gesicht wurde und<br />

zu überlegen begann, welches Erbstück sie am besten versetzen sollten, um<br />

nicht durch Casseias Konsum dem Bankrott anheim zufallen. Sie hatte eine<br />

Sucht durch eine andere ersetzt.<br />

Orianna hatte selbstverständlich keinen Einfluss auf derartige Dinge.<br />

Der Kampf um das Erbe, das Anwesen, das Geld, einfach alles war schon<br />

vor ihrer Geburt beigelegt worden. Casseia war nun einmal als Erste<br />

geboren worden und hatte stets das Wohlwollen und die Aufmerksamkeit<br />

der Eltern ganz für sich allein beansprucht. Schon früh hatte Orianna<br />

keinen Sinn darin gesehen, mit Casseia um die Gunst von Vater und<br />

Mutter zu wetteifern. Und nun war es ohnehin zu spät dafür...<br />

Im Inneren des Med-Zentrums schloss Bithras wieder zu ihnen auf, wo<br />

sie vom kühlen Durastahl und dem Geruch von Desinfektionsmittel<br />

begrüßt wurden. Überall in der Eingangshalle strömten Reinigungsdroiden<br />

umher und polierten den weißen Boden auf Hochglanz; der verzweifelte<br />

Versuch, die ärmliche Ausstattung der Behandlungsräume und den<br />

Mangel an Medikamenten und qualifizierten Arbeitskräften zu vertuschen.<br />

Würde Orianna hier nicht ein und ausgehen, hätte sie vielleicht noch einen<br />

Gedanken für diese sinnlose Effekthascherei übrig gehabt.<br />

Ihre Füße trugen sie beinahe automatisch zu den Turboliften hinüber.<br />

Bithras hielt Casseias Hand, sagte jedoch nichts. Auch die Schwestern<br />

schwiegen, während der Lift zur fünften Ebene aufstieg. In der Abteilung<br />

für Innere Medizin wurden sie sogleich von einer kleinwüchsigen<br />

Pflegerein empfangen und in das Büro des leitenden Arztes geführt. „Der<br />

Leichnam ihrer Mutter befindet sich im Augenblick noch in der Pathologie.<br />

143


Aber wir können Ihnen versichern, dass Sie nicht gelitten hat“, sagte die<br />

Pflegerin.<br />

Bei dem Wort „Leichnam“ ließ Casseia ein zunächst trockenes<br />

Schluchzen hören, als bräche ihre Trauer endlich aus ihr heraus, und sank<br />

dann ermattet auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch des Arztes. Doch<br />

während Bithras sich beeilte, die Hand seiner Frau zu drücken und ihr<br />

beruhigende Worte ins Ohr zu flüstern, damit sie nicht in einen<br />

hysterischen Weinkrampf ausbrach, stand Orianna am Fenster und starrte<br />

teilnahmslos aus dem Fenster. Casseia weinte zu oft, um noch glaubhaftes<br />

Mitleid in ihr erwecken zu können.<br />

Die Pflegerin verließ das Zimmer. Wenig später erschien dann der<br />

behandelnde Arzt und begrüßte die Familie. Kaum hatte er das Wort an<br />

Casseia gewandt, gab es für diese kein Halten mehr. Hemmungslos<br />

schluchzend warf sie sich in die Arme ihres Ehemannes und ließ ihren<br />

Verstand mit ihren Tränen davon schwimmen. Bithras und der Arzt<br />

wechselten verdatterte Blicke. Mit einem „Vielleicht wäre es besser,<br />

wenn...“ schob der Arzt das Ehepaar langsam zurück zur Tür und riet<br />

ihnen, sich an die Pflegerin zu wenden, damit sie Casseia ein<br />

Beruhigungsmittel verabreiche. Er würde sich inzwischen mit Orianna<br />

unterhalten.<br />

Diese stand noch immer ungerührt am Fenster und starrte in den<br />

Regennebel, als der Mann schließlich zurückkam. Dennoch entging ihr<br />

nicht die Erleichterung auf seinem Gesicht, als er sich hinter seinen<br />

Schreibtisch setzte und ein paar Tasten an der Konsole bediente.<br />

„Möchten Sie etwas trinken?“ fragte er.<br />

„Nein, danke.“<br />

„Möchten Sie sich nicht setzen?“<br />

Orianna antwortete nicht.<br />

„Eigentlich ist es ganz gut, dass Ihre Schwester nicht hier ist“, gestand<br />

der Arzt und überging damit Oriannas Mangel an Reaktion, „immerhin ist<br />

manches von dem, was ich Ihnen nun anvertrauen werde, nicht gerade<br />

leicht zu verdauen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Es wäre ihrem<br />

seelischen Zustand nicht zuträglich.“<br />

„Sie ist ein schwacher Mensch“, sagte Orianna schlicht.<br />

„Vielleicht“, erwiderte der Arzt. Seine Finger huschten flink über ein<br />

Flüssigkristalldisplay, das in die Tischplatte eingelassen war. Aus dem<br />

144


Augenwinkel entdeckte sie einige Akteneinträge und Befunde. „Wie dem<br />

auch sei, Ihre Mutter ist in der vergangenen Nacht zwischen 1.15 und 1.30<br />

Uhr gestorben. Ihr Herz hat einfach aufgehört zu schlagen, während sie<br />

geschlafen hat. Ein sehr gnädiger Tod, wenn man bedenkt, wie lange sie<br />

nun schon bei uns war.“<br />

„Warum sollte dies meine Schwester so sehr entsetzen? Uns war klar,<br />

dass sie eines Tages stirbt“, sagte Orianna sachlich.<br />

„Das schon. Allerdings war nicht ihr Herzkreislaufsystem belastet,<br />

sondern ihre Nervenleitbahnen. Hätte sie einen Schlaganfall gehabt oder<br />

eine andere Störung im Zentralen Nervensystem, wäre sie eine<br />

schockartigen, schmerzhaften Tod gestorben. Sie waren ja dabei, als sie<br />

ihren ersten Anfall hatte.“ Er berührte einige Elemente auf dem Display<br />

mit einem dünnen Stift und blätterte durch die Patientenakte, die man für<br />

Oriannas Mutter angelegt hatte. Es dauerte eine Minute, ehe er langsam<br />

weiter sprach. „Das Besondere an ihrem Tod ist, dass sie eben nicht ihrer<br />

Krankheit erlag.“<br />

„Worauf wollen Sie hinaus?“<br />

„Wissen Sie“, sagte er langsam, „ich habe in den vergangenen 4 Jahren<br />

einige Theorien über den Zustand ihrer Mutter aufgestellt. Die meisten<br />

davon musste ich wieder verwerfen, weil ihre Beschwerden sich einfach<br />

nicht damit in Einklang bringen ließen. Eines machte mich immer stutzig.<br />

Ich glaube, Ihre Mutter war im Inneren zerrissen. Einerseits sehnte sie<br />

sich nach der Wiedervereinigung mit ihrem Ehemann, andererseits<br />

klammerte sie sich an einen Gedanken, der sie aufrecht hielt, der sie davor<br />

bewahrte zu sterben. Das allein ist, denke ich, der Grund dafür, dass sie<br />

einerseits so bald nach dem Tod ihres Mannes erkrankte und doch so lange<br />

weiterleben konnte.“<br />

Langsam drehte der Arzt den dünnen Stift zwischen den Finger und<br />

starrte ihn an, damit er Orianna nicht ansehen musste, welche nun ihre<br />

Blicke vom Regen jenseits des Zimmers abwandte.<br />

„Ihre Schwester selbst hat mir den Beweis dafür geliefert, wissen Sie.<br />

Als sie vor kurzem hier war wegen einer Untersuchung. Als man ihre<br />

Unfruchtbarkeit diagnostizierte, muss das irgendwie seinen Weg in das<br />

Krankenzimmer Ihrer Mutter gefunden haben. Zumindest würde es mit<br />

einem zusammenpassen.“<br />

„Und was soll das sein?“ fragte Orianna, die nun aufmerksam zuhörte.<br />

145


„In ihren klaren Momenten sprach Ihre Mutter oft von Casseia und<br />

Bithras. Sie sprach sogar ungewöhnlich oft davon, wie sehr sie sich einen<br />

Enkel wünsche und manchmal – so haben es mir zumindest die Pfleger<br />

gesagt – beschimpfte sie Casseia, dass sie sich nicht genug anstrenge, um<br />

ein Kind zu bekommen.“<br />

„Und als sie dann erfuhr, dass meine Schwester aus medizinischer<br />

Hinsicht keine eigenen Kinder empfangen kann...“, führte Orianna finster<br />

fort. „Ich verstehe schon.“<br />

„Und leider haben wir hier auf Dantooine oder in den umliegenden<br />

Systeme nicht die medizinischen Fähigkeiten, um ihre Schwester zu heilen,<br />

dafür ist ihr Problem zu selten und zu speziell. Eigentlich ist der ganze<br />

Sektor medizinisch unterentwickelt. Die wenigen modernen Einrichtungen,<br />

die wir haben, wurden entweder durch separatistische Streitkräfte zerstört<br />

oder werden weiterhin von den Kernwelten beansprucht. Ganz zu<br />

schweigen davon, dass dort exorbitante Behandlungskosten erhoben<br />

werden“, bemerkte er mit einem freudlosen Lächeln. „Daran merkt man<br />

wieder einmal, wie zurück geblieben dieser Planet eigentlich wirklich ist.“<br />

Orianna nickte bloß. Was sollte sie dazu schon sagen? So, wie er es<br />

dargelegt hatte, ergab es durchaus Sinn. Manches hatte sie sich selbst<br />

bereits gedacht, jedoch nicht so konkret in Worte fassen können.<br />

Es vergingen einige Augenblicke voll unbehaglichem Schweigen, bis<br />

Orianna sich von ihm abwandte und langsam zur Tür hinüber ging.<br />

„Wenn das alles ist, bitte ich Sie, mich zu entschuldigen. Ich muss nach<br />

meiner Schwester sehen und dann die weiteren Formalitäten in Angriff<br />

nehmen.“<br />

„Warten Sie!“ Er stand so schnell aus seinem Sessel auf, dass er schon<br />

ein wenig hektisch wirkte. „Da ist noch etwas!“<br />

Mit fragendem Blick kehrte Orianna noch einmal der Tür den Rücken<br />

zu. „Wie bitte?“<br />

„Vor einer Woche kam ein Versorgungsschiff von Garos IV nach<br />

Dantooine. Abgesehen von den Medikamenten, die wir bestellt hatten,<br />

brachten sie auch einen neuen Patienten, einen Mann. Menschlich, 31<br />

Standardjahre alt“, begann er zu erklären und berührte mit dem Stift<br />

erneut die interaktive Fläche seines Schreibtischs. „Seine Verletzung waren<br />

wohl recht arglistiger Natur, nun ja..“ Bei seiner Einlieferung wurde uns<br />

mitgeteilt, dass er vehement darauf bestanden hatte, nach Dantooine<br />

146


verlegt zu werden. Er war wohl fast einen Monat auf Aquilae im<br />

Bactatank, hat zwei weitere in der stationären Behandlung verbracht und<br />

wurde dann erst nach Garos IV und anschließend hierher verlegt. Er wäre<br />

sicherlich schon früher zu uns überwiesen worden, aber der lästige<br />

Papierkrieg dank Palpatines 'Neuer Ordnung'... Sie wissen schon...“<br />

„Worauf wollen Sie hinaus?“ fragte Orianna, die Augenbrauen so dicht<br />

und konzentriert zusammen gezogen, dass sich auf ihrer Stirn eine<br />

senkrechte Falte bildete.<br />

„Ich wollte Sie fragen, ob Sie ihn kennen. Er ist leider noch nicht<br />

vollständig mobil, deswegen konnte ich ihn von der chirurgischen<br />

Abteilung nicht herbestellen. Aber er hat nach Ihnen gefragt.“<br />

Der Arzt deutete mit dem Kinn auf das Flüssigkristalldisplay seines<br />

Tisches, auf dem nun das Bild eines Mannes zu sehen war. Während<br />

Orianna sich langsam dem Tisch näherte, schien ihr Herz mit jedem Schritt<br />

ein bisschen lauter zu schlagen.<br />

„Er hatte keinen Ausweis bei sich. Meinte, er hätte ihn bei den Kämpfen<br />

auf Coruscant verloren.“<br />

„Ilya“, flüsterte Orianna atemlos. „Sein Name ist Ilya.“<br />

„Dann kennen Sie ihn wirklich?“<br />

Es fiel ihr schwer, ihre Blicke, die hypnotisch auf der Projektion auf dem<br />

Display hafteten, auf den Arzt zu lenken.<br />

„Wo, sagten Sie, wird er behandelt?“<br />

„Chirurgische Abteilung“, antwortete der Arzt knapp und starr vor<br />

Verwunderung. „Ebene 1.“<br />

Aufregung pulsierte durch ihre Adern, heiß, brennend, wie damals, als<br />

sie vor den Kath-Hunden davon gelaufen war. Wie damals, als sie in seinen<br />

Armen geendet hatte.<br />

„Entschuldigen Sie mich“, rief sie auf dem Weg zur Tür. Sie entfernte<br />

sich so schnell, dass sie nicht mehr seine Entgegnung hörte.<br />

Vor dem Büro saßen Bithras und Casseia auf zwei Schalensitzen aus<br />

Spritzgussplastik. Sie hatte den Kopf in seiner Schulter vergraben und<br />

schluchzte noch immer herzerweichend, während er weiterhin scheu ihr<br />

Haar und ihre Schultern tätschelte. Erst als Orianna im Laufschritt an<br />

ihnen vorbeihastete und die Absätze ihrer Schule ein donnerndes Traben<br />

von den Wänden hallen ließen, schreckten sie auf und sahen ihr bestürzt<br />

nach. „Orianna?“<br />

147


Sie war bereits bei den Turboliften und wartete auf den Aufzug, als sie<br />

hörte, wie die beiden sich erhoben und ihr langsam folgten.<br />

“Orianna, was ist los? Was hat man dir gesagt? Orianna!?“<br />

Der Lift kam und sie schlüpfte hinein. Sie konnte noch für einen<br />

Augenblick Bithras und Casseia erspähen, ehe sich die Türen wieder<br />

schlossen. Sie beschleunigten nun ihre Schritte, erreichten den Turbolift<br />

jedoch nicht mehr rechtzeitig. „Orianna!“<br />

Ihre Sicht verschwamm. Ihre Erinnerung zerbrach in matt graue<br />

Scherben, die wie ein Nebel die Wirklichkeit verschleierten. Nur ihre<br />

Lungen brannten, doch es störte sie nicht. Sie lief nur, stieß Tür um Tür<br />

auf, suchte ihren Weg zu ihrem Liebsten – und fand ihn schließlich.<br />

Das Zimmer war karg, noch leerer als das, in dem ihre Mutter die Jahre<br />

der Krankheit verbracht hatte. Das matte Licht des Regens fing sich auf den<br />

weißen Wänden und schien sie erdrücken zu wollen. Und doch blühte sie,<br />

so wie es die Blumen taten, nach denen man sie benannt hatte. Sie war kalt<br />

und hart wie Stein gewesen, nur um nun wieder zu kehren, als ein neuer<br />

Mensch.<br />

Ilya lag auf einer Pritsche unterhalb des Fensters, den rechten Arm in<br />

einer provisorischen Schlinge. Narben musterten seine Wangen; eine strich<br />

scharf über seine Nasenwurzel, direkt unterhalb seiner Augen. Und zu<br />

ihrem Bedauern hatte man sein Haar geschoren, denn es war kaum länger<br />

als ein paar Millimeter. Doch er lebte, atmete und starrte fragend in den<br />

endlosen Regen.<br />

Orianna ließ die Woge aus Gefühlen über sich hinweg ziehen, rief<br />

seinen Namen, warf sich in weinend in seine Arme.<br />

„Gib' acht!“, rief er und verzog das Gesicht vor Schmerz. „Die Prothese<br />

ist noch nicht ganz angewachsen.“<br />

Sie hielt inne, starrte ihn an. Trotz des Schmerzes lächelte er, seine<br />

grünen Augen schimmerten freundlich und warm.<br />

„Orianna! Du dumme Kinrath, wirst du wohl...“, hörte sie Casseia nun<br />

auf dem Gang schimpfen. Ihre Stimme kam näher, ebenso ihre Schritte und<br />

kaum einen Atemzug später, erschienen ihre Schwester und ihr Schwager<br />

im Patientenzimmer. Wie vom Donner gerührt stand das Ehepaar da,<br />

starrte Ilya und Orianna mit großen Augen an.<br />

„Bei allen Sternen...“, flüsterte Bithras atemlos.<br />

148


Was auch immer sie nun sagten, Orianna hörte es nicht mehr. Alles,<br />

was nun noch zählte war, dass ihr Liebster am Leben und zu ihr<br />

zurückgekehrt war. Immer wieder küsste sie seinen Mund, seine Wangen,<br />

seine Augenlider, vergaß ihre Schwester und ihren Schwager, vergaß sogar<br />

ganz, warum sie heute eigentlich hergekommen war. Ihr und Ilya war eine<br />

zweite Chance geschenkt worden und dieses Mal würde sie ihn nicht wieder<br />

gehen lassen. Sie lachte und weinte gleichzeitig. Sie war endlich frei.<br />

Als eine Standardwoche später das Testament eröffnet wurde, schien es<br />

ihr fast so, als würde ihre lieblose alte Mutter das ähnlich sehen.<br />

„Hiermit übertrage ich, Timara Jhar Matale, allen Besitz, einschließlich<br />

der Wertpapiere, Grundstücksurkunden, Guthaben bei der Bank von<br />

Chandrila und alle anderen Hinterlassenschaften meines Mannes, Cailetet<br />

Matale, die Eigentum der Matales sind, auf meine Tochter“, sagte die<br />

Hologramm-Aufnahme ihrer Mutter mit sachlicher Stimme und man<br />

konnte hören, wie Bithras und Casseia den Atem anhielten, „Orianna<br />

Matale.“<br />

„FAUGHN? HIER IST JADE. ICH KÖNNTE EINE HELFENDE HAND<br />

gebrauchen“, meldete sich Mara, als der Bursche an der Comm-<br />

Einheit der <strong>Star</strong>ry Ice sie endlich zu seinem Captain durchgestellt<br />

hatte. Sie saß allein im Cockpit der Jade's Fire und wartete darauf,<br />

dass ihre Kollegin sich meldete.<br />

„Jade?“ Shirlee Faughn klang verblüfft. „Mit Ihrem Anruf habe<br />

ich nicht gerechnet. Wo stecken Sie? Wir haben seit Tagen nichts<br />

mehr von Ihnen gehört.“<br />

„Dantooine“, antwortete Mara schlicht. „Unser kleiner Ausflug<br />

nach Ord Mantell hat sich mittlerweile zu einer Art Kreuzzug<br />

ausgedehnt.“<br />

„Was machen Sie denn die ganze Zeit?“ fragte Faughn irritiert.<br />

„Ich meine, Sie sind der Boss, aber Karrde fängt schon an seltsame<br />

Fragen zu stellen.“<br />

„Sagen Sie ihm, ich bin wäre bald fertig, aber ich müsse vorher<br />

noch ein paar Quälgeister aus dem Weg schaffen.“<br />

„Mit der Antwort wird er sich wohl kaum zufrieden geben,<br />

Jade.“<br />

149


„Er wird es müssen“, sagte sie ruhig, aber bestimmt.<br />

Mit einem Seufzen fragte ihre Gesprächspartnerin dann: „Und<br />

wie kann ich Ihnen helfen?“<br />

Mara zeichnete ihr die Ereignisse so grob wie nur möglich nach,<br />

nannte ihr die Dienstnummer, die May auf ihrem Poesiekärtchen<br />

hinterlassen hatte und bat sie, über die geheimen Kanäle der<br />

Schmugglerallianz auf die alten Imperialen <strong>Archiv</strong>e zuzugreifen.<br />

„Verstanden“, bestätigte Faughn. „Aber versprechen kann ich<br />

nichts.“<br />

Es dauerte einige Stunden, ehe sie sich wieder meldete.<br />

Skywalker hatte sich die Zeit damit vertrieben, in der Messe der<br />

Jade's Fire Meditationsübungen abzuhalten, während Mara Oriannas<br />

Amulett immer wieder kritisch beäugte und sich auf den nächsten<br />

Schwächeanfall gefasst machte.<br />

„Das ist alles, was wir rausholen konnten“, sagte Faughn in<br />

entschuldigendem Tonfall. „Ich hoffe, es hilft Ihnen weiter.“<br />

„Danke, das wird es“, antwortete Mara. „Guten Flug.“<br />

„Ja, Ihnen auch.“<br />

Mara machte es sich im Pilotensessel bequem, als Skywalker ins<br />

Cockpit kam und sich zu ihr gesellte. „Gute Neuigkeiten?“<br />

„Das werden wir gleich sehen“, murmelte Mara hoch<br />

konzentriert und wühlte sich durch die codierte Datenmenge, die<br />

Faughn ihr geschickt hatte. „Eine Sekunde noch.“<br />

Die bizarren Codes entpuppten sich als eine weitere Aktennotiz<br />

des Imperial Intelligence, doch eine viel informativere als die erste.<br />

Sie war laut Datum wenige Wochen nach der Schlacht um Yavin<br />

angelegt worden.<br />

°INTERNE FAHNDUNGSMELDUNG<br />

Dienst-Nr: IIBS-61 661<br />

Name: Meelam Montross<br />

Spezies: Mensch<br />

Heimatwelt: Sulon<br />

Alter: 25 Standardjahre<br />

Letzter bekannter Aufenthaltsort: Imperial City, Imperiales Zentrum<br />

150


„Meelam! Meelam Montross!“, ereiferte sie sich und starrte auf<br />

die Zeile, in der Name eingetragen war. Ihr war, als hätte man ihr<br />

einen Faustschlag in die Magengrube versetzt. „Diese Frau hat nicht<br />

nur das Imperium zum Narren gehalten, sondern die<br />

Schmugglerallianz noch obendrein!“<br />

Und ganz besonders mich, fügte sie in Gedanken hinzu.<br />

Skywalker schien ähnlich verblüfft, zog jedoch nur die Stirn<br />

kraus und sah ungläubig auf das Dokument, während Mara wütend<br />

auf ihre Armlehne einhieb.<br />

„Aber natürlich! M.L.M. Engineering... Ich habe mich schon die<br />

ganze Zeit gefragt, wofür die Abkürzung steht. So einfach, so<br />

simpel, so unglaublich plump! Und ich bin auch noch drauf<br />

reingefallen! Es hat nie einen Ingenieur namens Meelam gegeben,<br />

das war allein sie.“<br />

„Was ist mit dem Mann, den Lando getroffen hat? Was ist mit<br />

dem Verteidigungsnetzwerk, dass man ihm verkauft hat?“<br />

„Vielleicht ein Prototyp, den May mit ihrer Piratenbande auf<br />

ihren Streifzügen über die perlemianische Handelsroute abgegriffen<br />

hat. Es würde mich nicht wundern, wenn nicht sogar sie die<br />

Überfälle auf die Transporter der Schmugglerallianz befohlen hat,<br />

die es nötig gemacht haben, dass Karrde mich überhaupt auf die<br />

Jagd nach neuen Abwehrsystemen schickt. Calrissian hat sie schon<br />

vorher als Kontaktperson in Stellung gebracht und siehe da...“, Mara<br />

fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, um einen<br />

Trommelwirbel anzudeuten, „... hat sie mich am Nackenfell!“<br />

„Ganz schön viel Aufwand, um nur einer Person eine Falle zu<br />

stellen, finden Sie nicht?“<br />

„Wer sagt denn, dass May Montross in den Maßstäben eines<br />

Normalsterblichen denkt? Außerdem war Lord Vader auch nicht<br />

gerade klein kariert, als er sein Netz nach Ihnen ausgeworfen hat,<br />

Skywalker.“<br />

Er schürzte die Lippen und eine Spur von Verlegenheit huschte<br />

über sein Gesicht. „Wo Sie Recht haben...“<br />

„Und ich falle auch noch darauf herein!“<br />

151


„Sie konnten ja nicht ahnen, dass Montross noch am Leben war,<br />

geschweige denn, dass sie Ihnen nach dem Leben trachtet oder<br />

warum“, versuchte Luke sie zu beruhigen.<br />

„Es ist trotzdem frustrierend“, grollte sie, ehe sie sich wieder<br />

dem Fahndungsvermerk zuwandte. Sie konnte Skywalkers prüfende<br />

Blicke im Nacken spüren und wünschte sich, er würde stattdessen<br />

verträumt in der Gegend herum schauen oder den Himmel<br />

begutachten. Auf Belderone hatte er das noch so gut gekonnt!<br />

„’Das verdächtige Subjekt ist unverzüglich festzunehmen und<br />

der Gerichtsbarkeit des Imperial Intelligence zu überstellen. Jedem<br />

Agenten ist es gestattet, ihr bei diesem Unterfangen soviel Schaden<br />

wie nötig zuzufügen. Das Subjekt ist lebend in Gewahrsam zu<br />

nehmen. Gezeichnet von Captain Rajasta Djae’“, las Mara vor, deren<br />

Verstand bereits fieberhaft zu arbeiten begann. „Im Auftrag der<br />

Oberkommandantin Ysanne Isard... Rajasta Djae...“<br />

„Kennen Sie ihn?“<br />

„Er hat Montross bei der Leitung des Imperial Intel gemeldet<br />

und war, soweit ich mich erinnern kann, einer der Zeugen in ihrer<br />

Verhandlung. Nicht, dass es ihr irgendetwas genutzt hätte.“ Mara<br />

starrte die Buchstaben auf dem Display konzentriert an.<br />

„Anscheinend war er ihr direkter Vorgesetzter.“<br />

„Sonst noch etwas?“<br />

„Ja, er ist tot.“<br />

Luke runzelte in einer Mischung von Verwirrung und<br />

Verblüffung die Stirn. Wie gut sie diesen schafsköpfigen Blick doch<br />

kannte!<br />

„Ich habe ihn getötet“, fügte Mara mit einem freudlosen Lächeln<br />

hinzu. „Auf Palpatines Befehl hin. Er hat direkte Befehle verweigert<br />

und einige der unbedeutenderen Agenten an die Schwarze Sonne<br />

oder das ISB verkauft, was zu ein paar sehr hässlichen Problemen<br />

nach der Krise auf Teardrop geführt hat.“<br />

„Ich verstehe", sagte Luke schlicht. „Glauben Sie, dass May an<br />

ihm Rache nehmen wollte? Dafür, dass er sie vor das Imperiale<br />

Gericht gezerrt hat?“<br />

„Wozu ich ihr leider die Chance raubte, als ich ihn für Seine<br />

Majestät aus dem Weg geräumt habe?“ führte sie seinen Gedanken<br />

152


weiter vor und gestattete sich ein kurzes Kichern. „Möglich wär's.<br />

Mehr als wahrscheinlich sogar.“<br />

Mara rieb sich mit dem Finger über das Nasenbein und massierte<br />

die inneren Winkel ihrer Augen. Die seltsame Schlaffheit, die sie seit<br />

ihrer Ankunft auf Dantooine, seit den Visionen über Orianna Matale<br />

immer wieder befiel, kam diesmal sehr plötzlich. Ihre Muskeln<br />

schienen mit Gewichten beschwert worden zu sein, als sie sich im<br />

Pilotensessel aufrichtete und aufstand.<br />

„Morgen, wenn ich zurückkomme“, begann sie, „werden wir mit<br />

Sarzamin darüber sprechen. Vielleicht weiß sie mehr.“<br />

Luke sah überrascht auf. „Aber Sie haben doch gesagt…“<br />

„Ich weiß, was ich gesagt habe!“ fauchte sie. „Aber die Dinge haben<br />

sich geändert. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum May es auf mich<br />

abgesehen hat. Was ich jedoch noch nicht weiß ist, welche die<br />

Verbindung zwischen ihr und Orianna besteht. Und Sarzamin ist<br />

vielleicht die Einzige, die mir das sagen kann.“<br />

Sie begann ihren Mantel und den Gürtel abzunehmen und ihre<br />

Habseligkeiten sorgsam auf einem Regal zu platzieren. „Und nun<br />

brauche ich etwas Schlaf. Diese Mission ist anstrengender als ich<br />

dachte.“<br />

„Sie werden May doch nicht ernsthaft allein gegenüber treten<br />

wollen?“ fragte Skywalker skeptisch.<br />

„Darauf können Sie Gift nehmen!“<br />

„Aber in Ihrer derzeitigen Verfassung...“<br />

Mara schnitt ihm mit einer heftigen Geste das Wort ab. "Meine<br />

derzeitige Verfassung könnte nicht besser sein!“ beharrte sie und das<br />

Funkeln in ihren Augen verriet ihm, dass die Diskussion damit für<br />

sie beendet war.<br />

Mit müden Knochen und schlaffen Glieder schleppte Mara sich<br />

zu ihrer Kabine und verriegelte die Tür hinter sich. Jede Faser in<br />

ihrem Körper schien erneut nach Schlaf zu schreien. Ihre Augen<br />

brannten, wirkten ein bisschen verquollen, und ihr Kopf lastete<br />

schwer auf ihren Schultern. Selten war ihr die Matratze auf der<br />

einfachen Pritsche so sanft und weich erschienen.<br />

Mara zog die Decke eng um sich, rollte sich wie ein schutzloses<br />

Kind darunter zusammen. Ihr Gesicht, ihre Haut, ihr ganzer Körper<br />

153


war vor Kälte fast erstarrt. Sie fühlte sich halb erfroren, wie von<br />

einer undurchdringlichen Schneedecke eingehüllt, dem ewigen,<br />

eisigen Winter des Herzens.<br />

ES WAR KALT, BITTERKALT. JEDER EINZELNE KNOCHEN IN IHREM LEIB<br />

schien bereits zu Eis gefroren zu sein. Hastig warf sich Orianna einen<br />

Mantel aus dünner Wolle über und drapierte ihre Stola so elegant, dass sie<br />

ihre Schultern zusätzlich wärmte.<br />

Überall im Haus verbreiteten die neuen Droiden Geschäftigkeit und<br />

Lärm, doch auch einen Hauch von Luxus und Dekadenz. Sie hatten die<br />

Familie zwar ein kleines Vermögen gekostet, doch die Ausgaben schmerzten<br />

nicht mehr so sehr im Geldbeutel wie zu Kriegszeiten. Wohlstand kehrte<br />

langsam zurück auf das Anwesen und Orianna sonnte sich ein ums andere<br />

Mal in ihrem Glanz als Gutsherrin. Natürlich war sie nicht ungnädig und<br />

überließ Bithras mehr als genug Credits, um sich weiter seinen Geschäften<br />

zu widmen und damit wiederum den Reichtum der Matales zu mehren.<br />

Doch sie musste zugeben, dass sie diese Entscheidung nicht ganz ohne<br />

Hintergedanken getroffen hatte.<br />

Sie fand Casseia im Wohnzimmer, wo sie von der HoloCom-Einheit<br />

hockte und den erloschenen Bildschirm anstarrte. Ihre Schwester war in<br />

Seide und Brokat gehüllt und hatte ihre dunklen, fülligen Locken<br />

kunstfertig nach oben gesteckt. Dennoch waren ihre dunklen Augen leer<br />

und sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. Der Ehrgeiz und<br />

die vielen kleinen Süchte, mit denen Casseia sich die Zeit vertrieben hatte,<br />

waren versandet, wie ein Fluss, dem man urplötzlich das Wasser<br />

genommen hatte. Mit einiger Befriedigung stellte Orianna jeden Tag aufs<br />

Neue fest, dass Casseia zum ausdruckslosen Schatten ihres früheren Selbst<br />

zusammengeschrumpft war.<br />

„Irgendwelche Nachrichten?“ erkundigte sie sich sachlich und sank in<br />

den alten Sessel ihres Vaters, in dem sich ihr Schwager sonst so gern<br />

niedergelassen hatte.<br />

„Bithras lässt dir Grüße von Ilya ausrichten. Bisher laufen die<br />

Verhandlungen besser als geplant und sie rechnen damit, mehr als das<br />

Doppelte absetzen zu können. Allerdings zeigen sich die Eriadu wohl nicht<br />

154


sehr entgegenkommend, wenn es um die Aushandlung der genauen<br />

Vertragsbedingungen geht.“<br />

„Wann werden sie zurück sein?“<br />

„Er meinte, in drei Tagen. Vielleicht früher.“<br />

Orianna nickte und lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzen zurück.<br />

Der Sessel war so groß und sie selbst so zierlich, dass sie sich genüsslich<br />

darin herumräkeln konnte wie in einem Bett.<br />

„Ich kann es kaum erwarten, dass Ilya zurückkommt.“<br />

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Casseias Miene seltsam<br />

verzerrte und ihre Kiefer sich fest aufeinander pressten, als läge ihr wieder<br />

eine ihrer boshaften Bemerkungen auf der Zunge. Das mühsam beherrschte<br />

Missfallen im Gesicht ihrer Schwester bereitete ihr königliches Vergnügen.<br />

„Vielleicht heiraten wir ja schon bald. Wenn die Beziehungen wieder<br />

hergestellt, die Blutkirschen und Perlfrüchte geerntet sind und er und<br />

Bithras nicht ständig quer durch den Sektor reisen müssen, was würde ihn<br />

dann noch davon abhalten.“<br />

Sie formulierte es gezielt nicht als Frage, denn so waren ihre<br />

Provokationen stets am erfolgreichsten. Ganz davon abgesehen hegte sie<br />

keinen Zweifel, dass er sie schon bald fragen würde. Sie hatte schließlich all<br />

die Jahre zu ihm gehalten. Egal, was man ihr sagte, sie wusste, er würde<br />

sie zur Frau nehmen.<br />

„Und wer weiß, in ein oder zwei Jahren, wenn wir uns wieder alles<br />

erlauben können, werden wir süßen, kleinen Matale-Nachwuchs<br />

bekommen.“<br />

„Oh bitte!“ fauchte Casseia. „Kannst du auch an etwas anderes denken,<br />

als daran, ständig mit ihm zu schlafen?“<br />

„Wieso sollte ich?“ Orianna funkelte sie herausfordernd an. „Der Krieg<br />

ist vorbei, ich habe ein Dach über dem Kopf, Essen auf meinem Teller und<br />

Kleidung, die mehr gekostet hat, als sich die meisten Siedler hier im<br />

Standardjahr verdienen. Jetzt sehne ich mich nur noch nach dem Mann in<br />

meinem Bett.“<br />

Casseia erhob sich steif. „Du widerst mich an.“<br />

Die jüngere Schwester richtete sich im Sessel ihres Vaters auf und<br />

beobachtete mit scharfem Blick, wie Casseia wutentbrannt an ihr vorbei<br />

stürmen wollte. Damit bescherte sie ihr keine Heiterkeit, nur Unmut und<br />

155


Missfallen. Eine derart heftige Reaktion hatte sie von ihr gar nicht<br />

erwartet. „Was ist denn?“<br />

„Lass mich in Frieden mit deinen Perversionen!“<br />

Nun flammte echte Wut in Orianna auf und sie erhob sich aus dem<br />

Sessel, Mantel und Stola immer noch eng um ihren Körper geschlungen.<br />

„Wie kannst du es wagen...“<br />

„Nein, Orianna, wie kannst du es wagen?" rief Casseia mit verzerrter<br />

Stimme und deutete mit dem Finger auf sie. "Bei allen Sternen und bei der<br />

Macht, wenn Vater dich nun sehen könnte, das kleine verzogene Gör, das<br />

du geworden bist, dass sich älteren Männern hingibt. Und wenn Mutter<br />

gewusst hätte, dass du Ilyas Loyalität für uns gekauft hast, in dem du in<br />

sein Bett gekrochen bist; sie hätte dir niemals das gesamte Erbe unserer<br />

Familie anvertraut.“<br />

„Ilya hat sich selbst dazu entschieden Bithras zu helfen. Er tut es<br />

bestimmt nicht, weil ich es so wollte. Unsere Liebe hat mit alledem nichts<br />

zu tun.“<br />

„Oh, du bist so unglaublich naiv! Ilya ist ein Geschäftsmann. Glaubst<br />

du ernsthaft, er hätte sich einfach so Hals über Kopf in ein kleines,<br />

unbesonnenes Mädchen wie dich verliebt? Wohl kaum! Die Matales sind<br />

wohlhabend. Vielleicht nicht nach dem Maßstab der Kernwelten, doch in<br />

unserem Sektor sind wir eine reiche Familie, Orianna, sind es schon immer<br />

gewesen. Und wir genossen Einfluss, trotz aller Krisen. Doch letzten Endes<br />

hätte der Krieg deinen Liebsten und damit auch uns beinahe ruiniert! Nun<br />

sind wir der letzte Strohhalm, nach dem er noch greifen konnte, nachdem er<br />

von Coruscant geflohen ist. Es würde mich nicht wundern, wenn er<br />

weniger dich, als vielmehr dein Geld lieben würde.“<br />

„Du! Du bist doch nur verbittert, weil du unfruchtbar bist und dein<br />

Mann nicht mehr mit dir schlafen will!“ Orianna vergaß nun jede<br />

Zurückhaltung und ihr Gesicht war vom Zorn verhärtet. „Das ist der<br />

Grund, warum Mutter mich als Erbin eingesetzt hat, weil ich die Blutlinie<br />

fortführen werde. Und nun kannst du den Gedanken nicht ertragen, dass,<br />

obwohl du immer Mutters Liebling warst, sie am Ende mich ausgewählt<br />

hat. Deine Niederträchtigkeit und dein Selbstwertgefühl verbieten es dir,<br />

mir auch nur einen Hauch von Glück zu gönnen! Nur weil du nicht<br />

glücklich bist, willst du, dass ich es auch nicht bin. Aber du wirst nicht<br />

länger über mein Schicksal bestimmen, Casseia, weder über meines, noch<br />

156


über das meiner Kinder! Und nun kannst du dich damit abfinden oder auch<br />

nicht. Die Entscheidung liegt bei dir. Aber verschone mich und uns alle<br />

bitte mit deiner erbärmlichen Selbstgefälligkeit!“<br />

Darauf wusste ihre Schwester nicht mehr zu erwidern. Doch trotz ihrer<br />

Sprachlosigkeit blieb ihre Miene unleserlich, eine Maske aus Kälte.<br />

Den Rest des Tages trafen die Schwestern nicht mehr aufeinander. Als<br />

Orianna am Nachmittag eine kleine, kalte Mahlzeit im Esszimmer zu sich<br />

nahm, teilten ihr die Droiden mit, dass Casseia kurz zuvor das Haus<br />

verlassen hatte. Angeblich wollte sie sich die Pflanzung der neuen<br />

Perlfruchtbäume auf dem Osthang ansehen.<br />

„Selbstverständlich“, sagte Orianna glatt und widmete sich wieder<br />

ihrer Komposition aus Käse, Früchten und Brot. Während sie einen Bissen<br />

Brot in die Sauce tunkte und darauf herumkaute, war sie sich jedoch nicht<br />

sicher, ob sie verärgert oder besorgt sein sollte.<br />

Bald wurde es dunkel, die Droiden beendeten ihre Arbeit und kehrten in<br />

ihre Depots zurück. Nur zwei Service-Droiden blieben aktiv und brachten<br />

ihr eine Flasche saccorrianischen Blauwein. Den Abend vertrieb sie sich<br />

mit alten HoloVids, das meiste davon schlechte Seifenopern. Früher hatten<br />

diese Filme einen viel stärkeren Reiz gehabt, doch mittlerweile wurden sie<br />

ihr öde und plump. Und so sehr sie sich auch auf die Geschichten<br />

konzentrierte, sie konnten nicht die Leere aus dem großen Haus verbannen.<br />

Es war fast Mitternacht, als sie nach einer neuen Flasche Wein<br />

verlangte und ihr Nachtgewand anzog. Einer der Droiden brachte ihr einen<br />

dicken Kamm, damit sie ihre roten Locken entwirren konnte, nachdem sie<br />

ihre Haare so lange am Polster des Sessels platt gedrückt hatte.<br />

„Wo ist meine Schwester?“ erkundigte sie sich aus einer Laune heraus.<br />

„Dies ist uns nicht bekannt, Miss“, antwortete der Droide steif und<br />

wippte mit seinem steifgliedrigen Metallkörper ein wenig vor und zurück.<br />

„Wir sahen nur, wie sie am Nachmittag das Haus verließ, nicht wie sie<br />

zurück gekommen ist.“<br />

Alarmiert sah sie auf.<br />

„Sie ist immer noch da draußen?“ fragte sie entsetzt. „Bist du sicher?<br />

Vielleicht hat sie sich auch nur in ihrem Zimmer eingeschlossen.“<br />

„Nein, Miss“, antwortete der Droide. „Meine Sensoren nehmen keine<br />

Wärmeabstrahlung wahr außer Ihrer.“<br />

„Bring mir meinen Mantel und die Schuhe“, befahl sie. „Schnell!“<br />

157


Eilig rannte sie den Korridor entlang, stolperte um eine Ecke und<br />

schließlich in Bithras' Arbeitszimmer hinein, wo sie aus einem gesicherten<br />

Kästchen eine BlasTech-Pistole nahm. Auf dem Weg zum Haupteingang<br />

stopfte sie die Waffe provisorisch in ihren Hosenbund.<br />

„Miss, es ist kalt draußen, vielleicht...“<br />

„Ich weiß!“ fauchte Orianna den Droiden an, während sie sich ihren<br />

Mantel überwarf und in ihre Stiefel schlüpfte. „Überprüfe die<br />

Sicherheitssysteme des Zauns. Ich will da draußen auf keinen Kath-Hund<br />

oder Dantari treffen. Und schicke zwei Wachdroiden her, sie sollen mir<br />

leuchten und den Rücken decken.“<br />

Draußen erwartete sie ein schneidender Wind, der durch das hohe Gras<br />

strich und es rascheln ließ. Sie unterdrückte das Zittern ihrer Glieder und<br />

wunderte sich, warum es zu dieser Jahreszeit so kalt war. Wenig später<br />

tauchten zwei Wachdroiden aus der Finsternis auf. Es waren zwei ältere<br />

Modelle, die noch von der Technologie Union und der Handelsföderation<br />

vertrieben und den frühen Kampfdroiden nachempfunden worden waren.<br />

Sie folgten Orianna mit ein paar Schritten Abstand, warfen jedoch mit<br />

ihren Glühstäben Licht auf den Weg vor ihrer Herrin, damit sie sich nicht<br />

verirrte oder verletzte.<br />

Orianna lauschte angestrengt in die Nacht hinein und wagte es kaum<br />

zu atmen. Sehr bald spürte sie kalten Schweiß, der ihren Haaransatz<br />

befeuchtete oder zwischen ihren Brüsten zusammenlief. Es war still, viel zu<br />

still. Man hörte nichts außer dem Rascheln des Grases und dem Heulen des<br />

Windes. Keine Kinrath-Spinnen, keine Kath-Hunde, keine Dantari.<br />

Das Gelände stieg stetig an und Orianna wusste, dass sie den Osthang<br />

erreicht hatten. Durch den matten Schein der Glühstäbe zeichneten sich die<br />

Umrisse der Setzlinge, die hier gepflanzt worden waren, gegen den dunklen<br />

Himmel ab. Sie atmete tief durch, und spürte, wie ihr das Herz vor Furcht<br />

gegen die Rippen klopfte.<br />

„Casseia?“ rief sie unsicher in die Stille hinein. „Casseia? Kannst du<br />

mich hören?“<br />

Sie stiegen noch einige Meter weiter auf, erreichten die Hügelkuppe, wo<br />

die Perlfruchtbäume bereits Zeit zum Wachsen und Gedeihen gehabt<br />

hatten. Manche trugen bereits kleine Triebe an den schlanken, weißen<br />

Ästen.<br />

158


Und da lag sie, unter dem größten und majestätischsten Baum. Sie<br />

hatten ihn nach dem Ende des Krieges alle zusammen auf die Hügelkuppe<br />

gepflanzt, als Symbol für ihren gemeinsamen Neuanfang. Casseias Kopf<br />

ruhte auf einer ausgewucherten Wurzel und ihr braunes Haar schien über<br />

die Rinde zu fließen wie dunkles Wasser. Ihre Augen waren geschlossen,<br />

ihre Haltung entspannt und ruhig.<br />

„Casseia?“ rief Orianna nun lauter, um die Aufmerksamkeit ihrer<br />

Schwester zu erregen. Sie war ganz schön töricht, einfach so hier draußen<br />

einzuschlafen!<br />

Ihre Schritte beschleunigten sich, als sie keine Antwort erhielt.<br />

Vielleicht schlief sie so fest, dass man sie wachrütteln musste? Hinter ihr<br />

beeilten sich auf die Droiden, ihrer Herrin zu folgen und ihr den Weg zu<br />

leuchten.<br />

„Casseia, komm schon, wach auf!“ rief sie, als sie nur noch ein paar<br />

Schritte entfernt war. Sie bemühte sich, schnippisch zu klingen, doch in<br />

ihrer Magengrube braute sich ein Übelkeit erregendes Gefühl zusammen.<br />

Das Gesicht ihrer Schwester erschien ihr ungewöhnlich farblos und blass,<br />

als sie neben ihr auf die Knie sank. „Hey! Das ist wirklich nicht mehr<br />

witzig!“<br />

Ungehalten stieß sie Casseia mit einer Hand in die Seite, doch es ging<br />

nur ein Ruck durch ihren Körper und dann rührte sie sich nicht mehr. Ihr<br />

Blick fiel auf ein Glitzern, das sie in der Finsternis bisher übersehen hatte.<br />

Es umschmeichelte Casseia Hals, benetzte ihre Brust, das Gras und die<br />

Baumrinde, ihre Kleidung war voll davon. Sie konnte sehen, wo die letzten<br />

Tropfen der lebensspendenden Flüssigkeit aus einem tiefen Schnitt an ihrer<br />

Kehle gequollen und geronnen waren. Eine Hand umklammerte noch die<br />

Vibroklinge, mit der sie ihr Ende herbeigeführt hatte.<br />

Schrecken ließen die Farbe aus Oriannas Gesicht weichen und einen<br />

Moment lang glaubte sie sich übergeben zu müssen, als sie blauen Lippen<br />

ihrer Schwester sah.<br />

„Casseia“, sagte sie leise und nahm die kalte, leblose Hand ihrer<br />

Schwester in ihre eigene. „Casseia, was hast du nur getan?“<br />

Sie wandte sich ab, doch weniger um ihre Tränen, als viel mehr ihre<br />

Tränenlosigkeit zu verbergen. Ihre Schwester war tot und sie konnte nichts<br />

tun, konnte nicht atmen, konnte nicht weinen.<br />

Nur ihr Schrei zerriss die Dunkelheit.<br />

159


7: A FLOWER OF CARNAGE<br />

DIE NACHT ÜBER DANTOOINE HIELT NOCH IMMER AN, ALS MARA SICH,<br />

den Hals von Husten und Galle bereits wund, über das Waschbecken<br />

ihrer Erfrischungszelle beugte, um sich den Mund auszuspülen.<br />

Doch jedes Mal, wenn Casseias blasser, toter Körper vor<br />

ihrem geistigen Auge erschien und ihr den beißenden Geruch<br />

geronnenen Blutes in die Nase stieg, zermarterte ihr ein stechender<br />

Schmerz den Kopf. Und jedes Mal übergab sie sich von neuem, auch<br />

wenn ihr Magen inzwischen völlig leer war.<br />

Mit zitternden Händen trank sie einen Schluck Wasser und<br />

unterdrückte einen neuerlichen Hustenreiz. Wenn doch bloß die<br />

Magensäure ihren Hals nicht so sehr reizen würde! Und der<br />

Gallengeschmack trug nicht gerade dazu bei, dass sie sich besser<br />

fühlte. Es würde in diesem Sektor sicherlich nicht annähernd<br />

genügend Pflegeprodukte und Duschzellen geben, damit sie sich je<br />

wieder sauber fühlte. Zu ihrem Glück schien Skywalker zur<br />

Abwechslung einmal zu schlafen und ersparte ihr damit ein weiteres<br />

Übel, denn er hätte sicherlich mit höchst besorgtem Blick hinter ihr<br />

gestanden und ihr das Haar zurück gehalten.<br />

Sie wusste nicht, wie lange sie noch über dem Waschbecken<br />

stand und sich immer wieder mit kaltem Wasser übers Gesicht und<br />

durch die Haare fuhr; jegliches Zeitgefühl war ihr wieder einmal<br />

abhanden gekommen. Ihr nach Erholung schreiender Körper und<br />

das Pochen in ihren Schläfen erinnerten sie fortwährend daran, dass<br />

160


ihr Schlaf seit ihrer Ankunft auf Dantooine nicht besonders gut<br />

gewesen war.<br />

Erst als sich der nachtblaue Mantel über der Steppe hob und die<br />

ersten violetten und roséfarbenen Strahlen wie sanfte Schleier den<br />

Horizont bedeckten, ging sie vorsichtig zurück in ihre Kabine und<br />

schlüpfte in frische Kleidung. Sie wollte das Risiko nicht eingehen,<br />

noch einer dieser auszehrenden Visionen zum Opfer zu fallen, auch<br />

wenn sie noch zwischen dem Streben nach Erkenntnis und dem<br />

Streben nach Frieden hin und her gerissen war. Ihr war klar, dass sie<br />

in dieser Nacht keine weiteren Traumbilder mehr ertragen würde.<br />

Stattdessen schlich sie beinahe lautlos aus ihrem Quartier und<br />

den Hauptkorridor der Jade's Fire entlang zur Messe. Dort hatte<br />

Skywalker sich, der Gewohnheit zum Trotz, ein Nachtlager bereitet<br />

und schlief. Und es schien ihr nicht wie eine seiner kurzzeitigen<br />

Jedi-Trancen, sondern wie ein sehr tiefer, natürlicher Schlaf. Sein<br />

Kopf ruhte auf einer zusammen gerollten Jacke und er hatte seinen<br />

braunen Jedi-Mantel wie ein Laken auf dem kühlen Metallboden<br />

unter sich ausgebreitet. Sein Haar war zerzaust, während er einen<br />

Arm um seine eigene Taille gelegt und den anderen zur Seite von<br />

sich gestreckt hatte. Neben seinem provisorischen Kissen lagen noch<br />

ihr Datapad und mehrere DataCards. Allein die Macht wusste, wie<br />

lange er noch die Berichte studiert hatte, die Faughn ihnen<br />

übermittelt hatte.<br />

Sie kniete sich neben ihn und betrachtete die Umrisse seines<br />

Farmjungengesichts im abwechselnd blauen und roten Licht von<br />

R2s Dioden. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken ihn<br />

zu wecken und ihm von Oriannas letzter Erinnerung zu erzählen,<br />

aber sie ließ es bleiben. Wenn schon sie nicht genügend Schlaf<br />

bekam, dann sollte dieses Vergnügen zumindest ihm vergönnt sein.<br />

Er würde ohnehin schneller wieder zu Kräften kommen als sie.<br />

Nach einer Weile riss sie sich von seinem ungewohnten Anblick<br />

ab und trat im Cockpit an ein kleines Geheimfach, dass sie nach der<br />

Thrawn-Krise hatte installieren lassen. Sie öffnete es und zog einen<br />

länglichen, silbernen Zylinder heraus. Das Lichtschwert wog<br />

ungewohnt schwer, als sie fest mit der rechten Hand packte. Seit sie<br />

Skywalkers Jedi-Akademie frühzeitig verlassen hatte, war es in<br />

161


diesem Fach verschwunden und in Vergessenheit geraten. Erst May<br />

Lynn Montross hatte ihre Gedanken wieder auf das Schwert von<br />

Anakin Skywalker gelenkt.<br />

Früher, als sie noch die glorreiche Hand des Imperators gewesen<br />

war, hatte sie nicht mehr als ein Lichtschwert gebraucht, um eine<br />

ganze Piratenbasis auseinander zu nehmen. Es war ein nützliches<br />

Werkzeug gewesen, genau wie die Macht, und sie hatte ihre Talente<br />

im Umgang mit diesen Waffen in Palpatines Dienst gestellt. Aber<br />

Palpatine war tot, sein letzter Befehl ausgeführt. Nun benutzte sie<br />

die Macht oder Skywalkers Lichtschwert kaum noch. Der Gedanke,<br />

das Schwert bei sich zu tragen widerstrebte ihr. Sie war keine Jedi.<br />

Doch das bruchstückhafte Wissen, dass man ihr vor langer Zeit<br />

eingetrichtert hatte, mochte sie heute vielleicht schützen.<br />

Behutsam hakte sie das Lichtschwert an ihren Gürtel, versiegelte<br />

das Geheimfach und griff nach ihrer Jacke.<br />

Bei all den Geschichten über Blumen und Gedichtzetteln, die an<br />

ihrem Schiff klebten, begann sie langsam wirklich zu glauben, dass<br />

May Montross genügend Schaltkreise durchgebrannt waren, um<br />

ihre unkontrollierte Wut gegen Mara zu richten, weil sie ihr die<br />

Rache an ihrem Kommandanten geraubt hatte. Ihr Durst nach<br />

Vergeltung war nicht gestillt worden und nun hatte sich der Strom<br />

aus Hass und Verzweiflung einen neuen Weg durch den Stein<br />

gefunden und gelangte endlich ans Tageslicht. Mara erinnerte sich<br />

daran, wie es gewesen war, als die Worte „Du wirst Luke Skywalker<br />

töten!“ sie jede Nacht im Schlaf begleitet und jeden ihrer Schritte<br />

gelenkt hatten. Was hätte sie vor neun Jahren nicht für die<br />

Genugtuung gegeben auf Skywalkers toten Körper herabzublicken<br />

und zu wissen, dass dies ihr Werk war! Alles Denken war im Herzen<br />

auf diese eine Tat bestrebt gewesen und was danach sein würde war<br />

nicht weiter von Belang. Doch vielleicht gab es für May keine<br />

Erlösung, keine Heilung, so wie für sie.<br />

Mit einem sanften Zischen schloss sich die Rampe hinter ihr und<br />

versiegelte das Schiff von außen. Unbeeindruckt entfernte Mara sich<br />

Schritt für Schritt von der Jade's Fire, schloss ihre Jacke und blickte<br />

nicht zurück.<br />

Sie würde es bald herausfinden.<br />

162


OBWOHL ER NOCH VOR DEM ERWACHEN WUSSTE, DASS IRGENDETWAS<br />

nicht stimmte, war es R2-D2, der Maras Verschwinden als Erster<br />

bemerkte. Mit einer langen Reihe trillernder Töne, die sämtliche<br />

bekannten Oktaven durchliefen, riss der Astromech seinen Meister<br />

aus dem Schlaf.<br />

Ein wenig orientierungslos setzte Luke sich auf und strich sich<br />

den Schlaf aus den Augen. Nach und nach stellten sich Gehör,<br />

Geruch und Sehen wieder ein, doch ganz anders als bei einer<br />

Trance. Alle Empfindungen waren wie mit Watte gedämpft. Es war<br />

schon sehr lange her, dass er aus schlichter Müdigkeit eingeschlafen<br />

war.<br />

„Was ist los, R2?“ fragte er, während der Droide aufgeregt aus<br />

seinen Rollen hin und her zu tänzelte. „Warum die Aufregung?“<br />

Wieder sang R2 Tonleitern rauf und runter. Luke nahm einen<br />

tiefen Atemzug und rief die Macht zu sich, um seine Wahrnehmung<br />

zu schärfen und die Aufmerksamkeit auf den Astromech zu richten.<br />

„Deine Sensoren nehmen keine Wärmeabstrahlung war?“<br />

wiederholte er ungläubig. „Du meinst in der näheren Umgebung<br />

des Schiffes?“<br />

R2s Kuppelkopf schwenkte mit einem leisen Hu-hu nach links<br />

und rechts, die Andeutung eines Kopfschüttelns.<br />

„Auch keine biologische Wärmeabstrahlung an Bord der Jade's<br />

Fire – außer meiner?“, korrigierte Luke. „Bist du sicher, dass Mara<br />

ihre Kabine nicht einfach versiegelt und von innen isoliert hat?“<br />

Wieder verneinte der Droide. Er erklärte seinem Meister, dass er<br />

die Kabine schon überprüft, sie jedoch verlassen vorgefunden.<br />

Allerdings waren die Laken in der Koje bereits kalt, was darauf<br />

hindeutete, dass Mara schon eine ganze Weile nicht mehr da war<br />

und Oriannas Kette hatte unnachsichtig auf dem Fußboden neben<br />

ihrer Koje gelegen. Langsam fuhr R2 seinen Greifarm aus und hielt<br />

Luke das Schmuckstück entgegen.<br />

„Ich verstehe.“ Luke legte R2 eine Hand auf den Kuppelkopf und<br />

nahm mit der anderen das Medallion. „Danke, R2.“<br />

163


Er atmete noch einmal tief ein und streckte seine Sinne aus,<br />

tastete überall nach Maras Geist in der Macht. Doch er fand nichts,<br />

sie schien wie vom Erdboden verschwunden. Es war mehr als<br />

wahrscheinlich, dass sie sich wieder hinter ihren mentalen Mauern<br />

versteckte, mit denen sie ihn schon früher abgehalten hatte.<br />

Seine Resignation unterdrückend strich Luke sich mit einer Hand<br />

über das Gesicht und blieb noch einen Moment auf dem Boden der<br />

Messe sitzen. Offensichtlich war Mara zu der Einsicht gekommen,<br />

dass sie dieses Rätsel doch im Alleingang lösen wollte. Er konnte<br />

allerdings nicht abstreiten, dass er dies noch immer für keine gute<br />

Idee hielt. Doch was sollte er tun, er musste Maras Entscheidung<br />

respektieren und den Impuls, ihr zu Hilfe zu eilen, unterdrücken. Es<br />

blieb ihm nichts anderes übrig, als auf Maras Rückkehr zu warten...<br />

Falls sie überhaupt zurückkehrte.<br />

DAS IRINARI LAG NEBEN EINEM GEBÄUDE, DAS WIE EINE BUCHHANDlung<br />

aussah, mitten im Zentrum der Siedlung. Es war ein war<br />

kleines, verträumtes Café, dessen Dekor und Mobiliar mit sehr viel<br />

Sorgfalt und Fürsorge ausgesucht worden waren, auch wenn es ein<br />

wenig kitschig wirkte.<br />

Trotz des ungewöhnlich regen Treibens der Siedler in dem Café,<br />

fiel es Mara nicht schwer, ihre Nemesis auszumachen.<br />

May Montross hatte sich an einem der hinteren Tische<br />

niedergelassen und trank mit großer Ruhe einen Becher Klimmenkaffee.<br />

Ihre Blicke streiften Mara beinahe zufällig, als sie zur Tür<br />

herein kam, und wanderten dann mit geheucheltem Interesse über<br />

die einheimischen Kunstwerke an den Wänden.<br />

„Sicherheitslevel K-12“, sagte Mara mit gesenkter, doch gefasster<br />

Stimme, als sie an ihren Tisch trat. Mit einer knappen, unauffälligen<br />

Geste tastete sie nach dem Lichtschwert, um sicher zu sein, dass es<br />

noch da war. „Kenncode Hapspir Barrini.”<br />

Mays eisblaue Augen hoben sich und ein fremdartiges Glitzern<br />

spiegelte sich in ihnen. Die dünnen Lippen verzogen sich zu einem<br />

steifen Lächeln.<br />

164


„Willkommen, Hand des Imperators. IIBS-61 661. Wie schön,<br />

dass Sie noch immer diese schicklich-imperiale Art der Vorstellung<br />

beherrschen. Ich fürchte, Etikette ist in den letzten Jahren immer<br />

mehr aus der Mode gekommen.“<br />

Mara wartete nicht auf eine Aufforderung sich zu setzen und<br />

überging auch Mays höfliches, nichts sagendes Geplänkel. Mit<br />

flirrenden Nerven nahm sie Platz und fasste ihr Gegenüber fest ins<br />

Auge.<br />

„Wie schön, dass Sie sich für mich Zeit genommen haben,<br />

Montross“, erwiderte sie und ihr Ton triefte vor Sarkasmus. „Ich<br />

dachte schon, ich müsse noch eine Weile auf ein paar Antworten<br />

warten.“<br />

„Keine Sorge, die Antworten werden sich Ihnen schon noch<br />

erschließen“, sagte May kryptisch. „Kaffee?“<br />

Die schwarzhaarige Frau winkte den Kellner heran und bat ihn,<br />

Mara ebenfalls einen Becher zu bringen. Dieser studierte Mays<br />

blasse, kantige und äußerst maskulinen Gesichtszüge für einen<br />

Moment mit größter Sorgfalt.<br />

Nachdem der Kellner schließlich davon geeilt war, um der<br />

Bestellung nachzukommen, erwiderte May ihren prüfenden Blick.<br />

Sie schwiegen und versuchten, das Gesicht, die Augen und den<br />

Geist des jeweils anderen zu lesen. Ohne Erfolg.<br />

Sie sprachen kein Wort, bis schließlich der Kellner mit der<br />

Bestellung zurückkehrte. Ihm schien die eisige Stille zwischen den<br />

beiden Frauen unheimlich, denn sein Gesicht wirkte blass und<br />

beunruhigt, als er sich einem anderen Tisch zuwandte.<br />

„Was wollen Sie, Montross?“ fragte Mara schließlich. Sie sprach<br />

langsam, beinahe gedehnt, um ihrer Frage Nachdruck zu verleihen.<br />

„Was wollen Sie von mir?“<br />

May schmunzelte. „Oh, kommen Sie, Jade, das können Sie doch<br />

sicherlich besser! Beweisen Sie mir, dass all die Jahre, in denen man<br />

Sie als Palpatines kleines Schoßhündchen dressiert hat, nicht ganz<br />

umsonst gewesen sind. Beim Imperial Intel hieß es, dass Sie immer<br />

bekämen, was Sie wollten.“<br />

„Schluss jetzt“, fauchte Mara und beugte sie nach vorne. Woher<br />

kam nur Mays Gelassenheit, die Ruhe? Warum war sie selbst so<br />

165


aufgewühlt? „Ich habe keine Lust mehr auf Ihre kleinen Spielchen,<br />

Montross! Bizarre Beerdigungsriten, Gedichtzettel, verloren<br />

geglaubte Schmuckstücke irgendwelcher toter Frauen, was darf man<br />

als nächstes erwarten?“<br />

Mays Stimme war plötzlich wie gefrorenes Eis. „Wie wäre es<br />

damit?“<br />

Ihre Bewegung war schnell. So schnell, dass Mara gerade noch<br />

genug Zeit hatte, ihre Augen zu schließen und den Kopf zur Seite zu<br />

drehen. Klebriger Speichel klatschte gegen ihre linke Schläfe, tropfte<br />

von ihrer Wange und ihrem Kinn.<br />

Mara schluckte und versuchte, den in ihr aufwallenden Zorn mit<br />

einem kontrollierten Atemzug loszulassen.<br />

„Reizend“, sagte sie ironisch und wischte sich mit einem Ärmel<br />

Mays Speichel aus dem Gesicht. „Sehr reizend.“<br />

„Oh, das war nur ein kleiner Vorgeschmack“, säuselte May mit<br />

einer Unverfrorenheit, die es Mara schwer machten, sich auf die<br />

Gefühle und Gedanken hinter dieser kühlen, unnahbaren Maske<br />

verbargen.<br />

„Sehen wir es doch so“, fuhr May schließlich fort, nachdem sie an<br />

ihrem Kaffee genippt hatte, „Sie haben etwas, das ich will; ich habe<br />

etwas, das Sie wollen.“<br />

„Alles, was ich im Moment von Ihnen will, Montross“, sagte<br />

Mara mit zu Schlitzen verengten Augen, „sind ein paar verflucht<br />

gute Gründe für dieses Theater.“<br />

„Dann bleibt wohl nur noch die Frage“, begann May gedehnt<br />

und nahm noch einen Schluck Kaffee, ehe sie weiter sprach, „wie<br />

viel Ihnen die Antworten auf Ihre Fragen wert sind. Wären Sie bereit<br />

Ihr Leben dafür zu opfern?“<br />

Mara gab sich Mühe, nicht verwirrt zu blinzeln. War die andere<br />

Frau wirklich so sehr von sich selbst überzeugt oder spielte sie ihr<br />

gerade eine gründlich einstudierte Rolle vor? Selbst in der Macht<br />

konnte sie nichts wahrnehmen. Doch vielleicht konzentrierte sie sich<br />

auch nur nicht stark genug auf die Macht, um derartig feine Signale<br />

wahrzunehmen.<br />

„Haben Sie es bei sich?“ fragte May beinahe beiläufig. Als Mara<br />

jedoch nicht antwortete, sagte sie: „Natürlich nicht. Nicht bei dem<br />

166


Effekt, den das Amulett auf Sie hat, nicht wahr? Sicher haben Sie es<br />

bei Skywalker gelassen.“<br />

Mara beobachtete, wie ihr Gegenüber seelenruhig einen weiteren<br />

Schluck Klimmenkaffee nahm und sich diesen auf der Zunge<br />

zergehen ließ. Das Unbehagen in ihr wuchs und ihr Magen begann<br />

zu rebellieren.<br />

„Wissen Sie, es geht hier nicht um Orianna Matale“, fuhr May<br />

mit einem dünnlippigen Lächeln fort. Entweder hatte sie Maras<br />

Gedanken gelesen – was sie für äußerst unwahrscheinlich hielt –<br />

oder sie war so gut über die Mysterien des Amuletts informiert, dass<br />

sie das Thema von ganz allein anschnitt. „Es ging nie um sie. Sie ist<br />

nur ein weiteres Bindeglied zwischen Ihnen und mir. Sie hat mit<br />

ihrem kurzen, bedeutungslosen Leben lediglich ihren Zweck für den<br />

weiteren Verlauf der Geschichte erfüllt. Und wenn Sarzamin Saia<br />

eines Tages das Zeitliche segnet, wird ihr Andenken für immer<br />

vergessen sein. Aber meines nicht.“<br />

„Um wen geht es dann?“ verlangte Mara zu wissen. Es gelang ihr<br />

kaum die Frustration aus ihrer Stimme zu verbannen.<br />

„Strengen Sie Ihr Köpfchen an, Jade. Sie sind ihm schon<br />

begegnet.“ Mays Stimme senkte sich zu einem prophetischen<br />

Flüstern. „In Ihrem Träumen.“<br />

„Lassen Sie doch bitte die kryptischen Sprüche! Oder ist das ein<br />

Hobby, das sie sich beim Imperial Intel zugelegt haben? Vielleicht ist<br />

das ja eine perfide Vorliebe, die Sie sich angewöhnen mussten, als<br />

Sie sich der Galaxis als Mann verkauft haben.“<br />

Mays Züge verfinsterten sich. „Nicht alle von uns sind so<br />

privilegiert geboren wie Sie, Jade!“<br />

„Privilegiert?“ rief sie empört. „Sie finden, mein Leben war<br />

privilegiert? Haben Sie eine Ahnung…“<br />

„Beleidigen Sie mich nicht, Jade!“ May warf ihren Stuhl um, als<br />

sie aufsprang und mit einer Hand nach dem Blaster an ihrer Hüfte<br />

griff. Die beiden Keramiplast-Becher auf dem Tisch kippten um und<br />

verschütteten ihren brühenden Inhalt.<br />

May Montross’ Gesichtszüge waren zu einer grimmigen Maske<br />

erstarrt und ihre eisblauen Augen wirkten plötzlich eher tot als<br />

lebendig.<br />

167


Erst jetzt bemerkte Mara, wie still es in dem Café geworden war.<br />

Keiner der Gäste rührte sich. Manche starrten erschrocken zu ihnen<br />

hinüber, andere bemühten sich desinteressiert dreinzublicken. Das<br />

Personal verschanzte sich hinter der Theke und beäugte die<br />

Kontrahentinnen mit ängstlichen Blicken.<br />

„Na los, worauf warten Sie denn? Kommen Sie schon, blastern<br />

Sie mich doch einfach um“, sagte sie schnippisch und ignorierte die<br />

Mündung des Blasters, den May nun direkt auf ihr Gesicht gerichtet<br />

hielt. „Dann hätten wir es endlich hinter uns.“<br />

Doch May zögert, scheinbar hin und her gerissen zwischen dem<br />

Gedanken an Vergeltung und dem an den Nutzen, den sie vielleicht<br />

noch aus Maras Überleben ziehen würde. Vielleicht konnte sie ihre<br />

perfide Rache noch ein paar Tage mehr auskosten und damit das<br />

Leiden ihrer Feindin verlängern. Doch ihre Hände zitterten nicht<br />

und ihre Miene war noch immer wie in Stein gemeißelt. Würde sie<br />

jetzt abdrücken, würde sie ihr Ziel sicher nicht verfehlen.<br />

Maras Mund fühlte sich trocken an und ihre Lippen waren<br />

spröde. Sie rief die Macht zur Hilfe, formte mit ihrer Hilfe ein<br />

luftiges Kissen, mit dem sie das Lichtschwert vom Haken an ihrem<br />

Gürtel hol und langsam in Richtung ihrer linken Hand wandern<br />

ließ.<br />

„Ich werde Sie vernichten, Jade“, flüsterte May schließlich ohne<br />

zu blinzeln. „Ich weiß es und Sie wissen es.“<br />

„Aber nicht heute“, erwiderte Mara. Sie packte das Heft des<br />

Lichtschwertes so fest sie konnte, weil sie fürchtete, es könnte ihr<br />

aus der Hand gleiten.<br />

Ein Laut des Entsetzens durchfuhr die Gäste. Viele tauchten nach<br />

Schutz suchend unter ihre Tische. Andere starrten ehrfürchtig auf<br />

die blaue Klinge, die plötzlich aus dem silbernen Schaft in Maras<br />

Hand sprang und das Café mit einem geheimnisvollen Licht erfüllte.<br />

Mit einer katzenartigen Bewegung hatte Mara sich erhoben und<br />

auf die Platte des Tisches gesprungen, das Lichtschwert zur<br />

Verteidigung erhoben. Mit einem kleinen Ausfallschritt hoffte sie,<br />

den Lauf von Mays Blaster abzutrennen.<br />

168


Vergebens. Die andere Frau sprang, beinahe zeitgleich, über<br />

ihren umgeworfenen Stuhl hinweg, ließ sich rücklings fallen und<br />

rollte sich ab.<br />

Als sie außerhalb von Maras Reichweite wieder zum Stehen kam,<br />

eröffnete sie das Feuer. Mit hoher Konzentration griff Mara nach der<br />

Macht und überließ ihr die Führung. Zischend prallten die Schüsse,<br />

trotz ihrer tödlichen Präzision, von der Klinge ab und schlugen in<br />

die Decke ein, wo sie keinen Schaden anrichten konnten.<br />

May blinzelte verwirrt. Vielleicht hatte sie Mara doch<br />

unterschätzt.<br />

„Oh, kommen Sie“, sagte Mara spöttelnd. „Das können Sie doch<br />

sicher besser!“<br />

Wut flammte in den Augen ihres Gegenübers auf. Wilde<br />

Entschlossenheit plötzlich aus ihrer Miene.<br />

„Sie werden mich nicht noch einmal brechen!“ rief sie.<br />

Dann geschah etwas, das Mara nicht vorhergesehen hatte: Statt<br />

erneut ihren Blaster zu gebrauchen, griff May an den Gürtel ihres<br />

Anzugs aus Plastahlfaser. Und noch ehe jemand erkennen konnte,<br />

welches Utensil sie sich zur Hilfe nahm, warf eine Detonation Mara<br />

zu Boden. Das Lichtschwert glitt ihr aus der Hand, rollte ein paar<br />

Meter, bis es gegen ein Tischbein prallte und sich selbst deaktivierte.<br />

Überall im Café pressten die Leute ihre Hände auf die Ohren, in<br />

der Hoffnung, das unliebsame Klingeln abzuschirmen. Zwecklos.<br />

Ein hoher, schriller Laut dröhnte Mara plötzlich in den Ohren und<br />

sie wusste, ihr Trommelfeld würde noch eine Weile schmerzen. Als<br />

das schrille Kreischen langsam abklang, sie die Kraft fand sich<br />

aufzurappeln und nach May Ausschau zu halten, nur um<br />

herauszufinden, dass die ehemalige Imperiale Agentin wieder<br />

einmal die Flucht ergriffen hatte.<br />

„Dieser verfluchte Feigling!“ presste sie zwischen zusammen<br />

gebissenen Zähnen hervor. „Das sieht dir ähnlich, Montross.“<br />

Mit Hilfe der Macht befahl sie das Lichtschwert zurück in ihre<br />

rechte Hand, während sie mit der linken nach dem Comlink an<br />

ihrem Gürtel tastete. Sie musste Skywalker verständigen; er sollte<br />

sofort zu Sarzamins Haus kommen.<br />

169


Sie sind ihm bereits begegnet, hörte Mara ihre Stimme in ihrem<br />

Kopf. In ihren Träumen.<br />

SARZAMIN ÖFFNETE DAS EINMACHGLAS UND FISCHTE EINE DER BLAUgrünen<br />

Gurken heraus. „Sind die nicht ganz schön sauer?“ fragte sie voller<br />

Skepsis, als sie Orianna die Gurke reichte und dabei zusah, wie ihre beste<br />

Freundin sie mit süßem Murkhana-Nougat bestrich.<br />

„Ganz und gar nicht“, antwortete diese und biss genüsslich ein Ende<br />

der Gurke ab. „Das ist jetzt genau das was ich brauche!“<br />

Verwunderung stand Sarzamin ins Gesicht geschrieben, während<br />

Orianna sich eine Scheibe Wurst nahm und die Gurke darin einwickelte.<br />

Oder vielleicht ist es der Ekel, angesichts dieser seltsamen Kombination,<br />

dachte Orianna kurz.<br />

„Nochmals danke, dass du diese Samen für mich besorgt hast“, meinte<br />

Orianna und kaute auf ihrer kleinen Zwischenmahlzeit herum. „Wenn es<br />

jetzt schnell geht, könnten wir vielleicht nächstes Jahr schon die ersten<br />

Früchte ernten.“<br />

Als sie keine Antwort mehr bekam, stubste sie Sarzamin am Arm.<br />

„Hey! Alles in Ordnung?“<br />

„Ich denke schon“, sagte sie langsam, starrte aber immer noch<br />

entgeistert auf die ungewöhnlich garnierte Gurke in Oriannas Hand. „Es<br />

ist bloß, wenn ich deine Essgewohnheiten so sehe, dann hoffe ich, dass ich<br />

niemals schwanger werde.“<br />

Das entlockte Orianna ein heiteres Lachen. „Glaub mir, so schlimm ist<br />

es nicht“, rief sie amüsiert. „Ich habe auch erst gedacht, es wäre eine<br />

Katastrophe, aber ist man erst einmal schwanger, bekommen die<br />

seltsamsten Gerichte dieser Galaxis einen unvergesslichen Geschmack, von<br />

dem man nicht genug bekommen kann. Heute sind es Gurken mit<br />

Murkhana-Nougat, morgen ist es der Izzy-Schimmel wie ihn die Twi'leks<br />

zubereiten.“<br />

Sarzamin nickte und ihr Ekel wich einer ruhigen Ernsthaftigkeit. „Weiß<br />

Ilya es eigentlich schon?“ fragte sie. „Ich meine, dass du guter Hoffnung<br />

bist?“<br />

„Dass ich guter Hoffnung bin? Du liebe Güte, Sarza, wie alt bist du?<br />

Du klingst ja fast wie meine Mutter!“ kicherte Orianna. Doch die Miene<br />

170


ihrer Freundin blieb unbewegt, daher schlug auch sie nun einen ernsteren<br />

Ton an. „Nein, er weiß es noch nicht. Er ist seit drei Wochen in den<br />

Kernwelten unterwegs und versucht, seine alten Stammkunden zurück zu<br />

erobern oder zumindest was davon noch übrig ist. Dafür braucht er einen<br />

klaren Kopf. Außerdem wollte ich es ihm persönlich sagen, wenn er wieder<br />

heim kommt.“<br />

„Und wann wird das sein?“ fragte Sarzamin und klang dabei schon ein<br />

wenig entnervt, als hielte sie die Gründe für Oriannas Schweigen für<br />

fadenscheinig.<br />

„Heute Abend“, erwiderte diese kühl. „Außerdem habe ich keinen<br />

Grund zur Eile. Ich bin erst in der sechsten Woche und wer weiß, ob mir<br />

nicht das gleich passiert wie Casseia.“<br />

„Verstehe“, sagte Sarzamin entschuldigend. „Tut mir leid, ich wollte<br />

dich nicht kränken.“<br />

„Ah, schon gut“, lächelte Orianna und berührte die Jüngere sanft am<br />

Arm. „Das ist auch so eine Begleiterscheinung: Neben ständigem<br />

Heißhunger ist man nun auch nicht mehr Herr seiner Gefühle. Mach dir<br />

also nichts aus meinem spontanen Stimmungsschwankungen.“<br />

„Bring mir mein Datapad, du verfluchter Droide!“ polterte plötzlich<br />

jemand am anderen Ende des Korridors.<br />

„Oh weh“, machte Orianna und seufzte theatralisch, „da ist aber<br />

jemand mal wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden.“<br />

„Was denn, er ist jetzt erst aufgestanden?“ fragte Sarzamin verblüfft<br />

und kontrollierte die Uhrzeit auf ihrem Chronometer.<br />

Orianna nickte knapp. „Er verschläft den halben Tag, bleibt jedoch bis<br />

spät in der Nacht auf. Bisher habe ich aber noch nicht rausgefunden, was er<br />

da treibt. Jedenfalls ist er in letzter Zeit immer ziemlich fies gelaunt, wenn<br />

er dann mal aufsteht. Das geht jetzt schon seit seinem Überfall auf Garlex<br />

Med so.“<br />

„Die Verletzung macht ihm wohl ziemlich zu schaffen, was?“<br />

erkundigte sich Sarzamin mit einem verlegenen Lächeln.<br />

„Nicht mehr als Casseias Tod“, erwiderte Orianna ungerührt.<br />

„DU SOLLST MIR ENDLICH MEIN DATAPAD BRINGEN!“<br />

donnerte Bithras in der Ferne und es folgte ein metallenes Scheppern, als<br />

hätte er den Servicedroiden soeben gegen die Zimmerwand geschmettert.<br />

171


„Es ist wohl besser, wenn ich gehe“, sagte Sarzamin und schlüpfte in<br />

ihre Jacke. „Ich hab sowieso noch zutun. Vater will, dass ich noch beim<br />

Umbau des Vivariums helfe.“<br />

Orianna nickte und rutschte von ihrem Hocker hinunter, um sich von<br />

ihr zu verabschieden. Die beiden Frauen schlossen einander in die Arme,<br />

dann drückte Orianna ihrer Freundin noch einen kurzen Abschiedskuss auf<br />

die Lippen.<br />

„Komm gut heim. Gib auf dich Acht.“<br />

„Danke. Du auch.“<br />

Nachdem Sarzamins Silhouette hinter der Hügelkuppe verschwunden<br />

war, beschloss sie ihrem Schwager ein wenig Gesellschaft zu leisten.<br />

Vielleicht würde ihn das auf andere Gedanken bringen.<br />

Sie fand ihn im Wohnzimmer, wo er wieder einmal im Sessel ihres<br />

Vaters saß. Doch diesmal wirkte er weniger wie ein motivierter,<br />

aufstrebender Geschäftsmann, den nur der Geldbeutel ein wenig drückte.<br />

Er saß zusammen gesunken da, hatte das linke Bein auf einem gepolsterten<br />

Schemel ausgestreckt und massierte mit verbitterter Miene seine schlaffe<br />

Oberschenkelmuskulatur.<br />

Seit seinem Unfall auf Garlex Med war sein Bein lahm, doch Bacta und<br />

andere Medikamente behoben diesen Zustand nur temporär. Manchmal<br />

glaubte Orianna, dass Etwas tief in seinem Inneren sich vehement weigerte<br />

zu verheilen. Ein Schatten war auf ihn und die ganze Familie gefallen und<br />

ihr blieb nur zu hoffen, dass er eines Tages vorüber ziehen würde. Der<br />

Gedanke, Casseias Tod markiere den Anfang des Endes, versetzt sie in<br />

panische Angst.<br />

Seit man Bithras aus dem Med-Zentrum entlassen hatte, war er dicker<br />

geworden, ließ sich manchmal wochenlang einen Bart stehen und verendete<br />

vor den HoloNet-Nachrichten, bis Orianna ihn schließlich dazu drängte,<br />

sich ein Bad und eine Rasur zu gönnen. Aber selbst dann, wenn er wieder<br />

wie ein Mensch aussah und nicht mehr wie ein muffiges Iriaz roch, so war<br />

er doch niemals mehr wirklich glücklich.<br />

„Ich hab Ilya gesagt, wir sollten lieber mit den Hutts Geschäfte<br />

machen“, sagte Bithras mit einem bitteren Lächeln und massierte weiter<br />

sein lahmes Bein. „Sie sind vielleicht hässlich und raffgierig, aber das<br />

Imperium hat weit weniger Skrupel.“<br />

172


Er schnalzte verächtlich mit der Zunge. „Palpatine und sein Kampf<br />

gegen die Korruption, dass ich nicht lache. Das Imperium ist nicht weniger<br />

korrupt als die Schwarze Sonne.“<br />

Orianna ließ sich vor der HoloCom-Einheit nieder und betrachtete<br />

Bithras' verhärmtes Gesicht. Alles, was sie sagte, erschien ihr in seiner<br />

Gegenwart bedeutungslos. Wann immer sie bei ihm saß, sei es nur, um ihm<br />

schweigend Gesellschaft zu leisten, fühlte sie sich schrecklich leer und<br />

einsam.<br />

Bithras schenkte ihr einen durchdringenden Blick, als wären seine<br />

Augen ein Durchleuchtungsgerät, das erfassen konnte, was Orianna in<br />

diesem Moment dachte.<br />

„Was nützt es am Leben zu sein, wenn man niemanden hatte, mit dem<br />

man dieses Leben teilen kann, nicht wahr?“ fragte er und seine Miene<br />

verzerrte sich zu einem gequälten Lächeln.<br />

Ilya kehrte erst nach Einbruch der Nacht zurück. Wie ein Dieb schlich<br />

er sich ins Haus, da fast alle Lichter gelöscht waren und eine geisterhafte<br />

Stille über dem Anwesen lag. Nur Orianna, die bei stark gedämpfter<br />

Zimmerbeleuchtung wach gelegen und auf ihn gewartet hatte, bemerkte<br />

sein Kommen. Rasch setzte sie sich auf und legte eine Hand auf ihren<br />

Unterleib.<br />

„Das ist dein Papa“, sagte sie mit einem vergnügten Lächeln.<br />

Sie stand auf und kämmte sich mit den Fingern durch die Haare, als die<br />

Tür zum Schlafzimmer aufglitt und Ilya herein trottete. Er sah müde und<br />

erschöpft aus und ließ seine Reisetasche unwirsch neben seine Seite des<br />

Bettes fallen.<br />

Orianna flog in seine Arme und bedeckte seinen Mund mit<br />

sehnsüchtigen Küssen. „Endlich bist du wieder da. Oh, ich hab dich<br />

schrecklich vermisst.“<br />

„Ich war doch bloß drei Wochen weg“, wandte Ilya ein und schob sie<br />

auf Armeslänge von sich. „Kein Grund nachts wach zuliegen und wie ein<br />

brunftiges Iriaz auf mich zu warten.“<br />

Langsam, als täten ihm alle Glieder weh, schälte Ilya sich aus seiner<br />

Kleidung, während Orianna ihn verletzt und wütend anstarrte. Ein<br />

brunftiges Iriaz? Hielt er sie etwa für promisk, so wie Casseia? Und wenn<br />

ja, seit wann störte er sich daran? Wenn sie sich recht erinnerte, hatte es<br />

genügend Gelegenheiten gegeben, bei denen er es nicht hatte erwarten<br />

173


können, ihr seine Manneskraft zu beweisen. Unwillkürlich glitt ihre Hand<br />

erneut zu ihrem Unterleib, der sich ungewöhnlich warm anfühlte, und sie<br />

warf ihm einen wütenden Blick zu.<br />

„Entschuldige“, sagte Ilya mit einem schlaffen Lächeln, als er ihren<br />

Gesichtsausdruck bemerkte. „Es ist anders heraus gekommen, als wie ich es<br />

sagen wollte.“<br />

„Oh, ich glaube, es ist genauso heraus gekommen, wie du wolltest“,<br />

schnappte Orianna beleidigt und sah mit einiger Zufriedenheit, wie sich<br />

seine Miene verfinsterte.<br />

„Hör zu!“ befahl Ilya streng. „Ich habe drei sehr anstrengende Wochen<br />

hinter mir und ich habe noch viel aufzuarbeiten. Eigentlich hatte ich mich<br />

darauf gefreut, friedlich neben meiner Frau einzuschlafen und noch zwei<br />

schöne und entspannte Tage zu verleben, bevor ich nach Carida fliege, aber<br />

anscheinend wird daraus ja nichts!“<br />

Ein Knoten schien sich in ihrer Kehle zu bilden bei diesen Worten. In<br />

zwei Tagen wollte er schon wieder von hier weg? Am liebsten hätte sie ihm<br />

an den Kopf geworfen, dass er mehr Zeit mit seinen Kunden verbrachte als<br />

mit ihr, dass er häufiger auf außerplanetarischen Reisen war als auf<br />

Dantooine. Doch stattdessen stapfte sie zurück zu ihrer Seite des Bettes.<br />

„Ich bin ja nicht mal deine Frau“, würgte sie hervor und schlüpfte<br />

erneut unter die Laken.<br />

Ilya seufzte frustriert und pfefferte sein Hemd in den Schrank. „Es ist<br />

nur zu unserem Besten“, beharrte er eisig.<br />

„Dann versuch wenigstens zur Geburt unseres Kindes da zu sein“,<br />

sagte Orianna ebenso kühl und zog die Decke bis zu den Schultern herauf.<br />

„Das wird ja nicht zuviel verlangt sein.“<br />

Ilya hielt erschrocken inne. „Wie bitte?“<br />

„Ach, nichts", murmelte sie und drehte sich zur Wand.<br />

LANGSAM ABER SICHER KAM ER ZU DER ERKENNTNIS, DASS SÄMTLICHE<br />

Ausrüstungsgegenstände, die sie bei sich trugen, der reinste Schrott<br />

waren. Hundert Jahre alter, abgenutzter Müll, den irgendein<br />

Imperialer vor der Schrottpresse bewahrt hatte, nur um ihnen jetzt<br />

das Leben schwer zu machen.<br />

174


Kaum etwas funktionierte noch. Die kleinen Kühleinheiten, in<br />

der sie ihre Proteinriegel und sonstige Verpflegung aufbewahrten,<br />

war in der vergangenen Nacht einfach ausgefallen und der Großteil<br />

des Essen inzwischen verdorben. Der Feldgenerator, der sowohl die<br />

im Kreis um ihr Lager aufgestellten Energieschilde als auch den<br />

Frequenzverstärker versorgte, war kurz davor zu verrecken. Drei<br />

der fünf Energiezellen waren einfach so durchgeschmort und hatten<br />

mit ihrem beißenden Ozon-Geruch die Tiere wie magisch<br />

angezogen. Da sie aber nur noch vier, äußerst schwache Schilde im<br />

näheren Umkreis mit Strom versorgen konnten, waren besonders<br />

die Karnivoren gefährlich nah herangepirscht. Es war nur eine Frage<br />

der Zeit, bis die Niederenergieschilde ganz versagten und ihr<br />

einziger Schutz gegen Dantooines Fauna ihre Blaster blieben.<br />

Spätestens seit letzter Nacht hatte er die Schnauze endgültig voll<br />

von diesem Planeten.<br />

„Dieses Zeug war zu Zeiten des Bürgerkriegs nicht mal mehr<br />

aktuell“, moserte Laz und beugte sich über den kniehohen,<br />

rechteckigen Frequenzverstärker, mit dem sie Mays Comlink, als<br />

auch die Pirate selbst anfunken konnten. Oder vielmehr können<br />

sollten. Weniger Energie bedeutete auch weniger Reichweite. "Ganz<br />

offensichtlich hat das Imperiale Militär an den falschen Ecken und<br />

Enden gespart."<br />

„Mach einfach, dass dieses verfluchte Ding wieder funktioniert“,<br />

gab Avarice zurück. „Wenn ich noch einen Tag länger auf diesem<br />

Brocken verbringe...“<br />

Einige sehr unschöne Verwünschungen ausstoßend, wandte Laz<br />

sich seiner Arbeit zu und begann den Verstärker mit dem<br />

Hydrospanner zu malträtieren. Hin und wieder schmetterte er das<br />

Werkzeug wütend ins Gras, wo es dann erst mal mit einem<br />

dumpfen Klonk liegen blieb, während Laz immer wüstere Flüchje<br />

ausspuckte.<br />

Avarice saß auf einem umgestürzten, mit dichten gelbgoldenen<br />

Flechten bedeckten Blba-Baum und reinigte sein Blastergewehr.<br />

Nachdem der Jedi seinen eigenen Repetierblaster auf Belderone mit<br />

dem Lichtschwert zerstört hatte, war er auf dieses – wie sollte es<br />

anders sein – abgehalfterte Modell angewiesen, das er sich aus der<br />

175


Waffenkammer der Pirate of the Perlemian geholt hatte. Überall war<br />

der schwarze Tarnlack abgekratzt und kleine Dellen zierten den<br />

Lauf des Gewehrs. Aber es war das Beste, das er hatte kriegen<br />

können. In den vergangenen zwei Tagen hatte er damit mindestens<br />

zehn Kath-Hunde geschossen, die sich zu nah an ihre Schilde<br />

herangewagt hatten. Nun musste er es allerdings reinigen, weil er<br />

nicht das Risiko einer spontanen Ladehemmung eingehen wollte. In<br />

ihrer derzeitigen Situation wäre das äußerst ungünstig.<br />

„Weißt du“, sagte Avarice gedehnt, während er die Gaspatrone<br />

im Gewehr auffüllte, „langsam frage ich mich, was May getan hat,<br />

dass der König ihr diese Sondermission überhaupt genehmigt hat.<br />

Mir kann keiner erzählen, wir würden hier nicht nach Mays<br />

Gutdünken operieren.“<br />

„Du weißt doch wie Frauen sind – sie und ihre schlagfertigen<br />

Argumente“, erwiderte Laz und widmete sich widerwillig einem<br />

Kabelbündel, welches aus dem Verstärker baumelte. „Vielleicht hat<br />

sie ihn mit ihren weiblichen Attributen überzeugt.“<br />

„Pff, das glaubst du doch selbst nicht“, spöttelte Avarice. „May<br />

hat mit einer Frau soviel gemeinsam wie ein Gundark.“<br />

„Was soll sie denn sonst gemacht haben? Ihn gefangen nehmen<br />

und foltern?“<br />

„Zum Beispiel.“<br />

Laz hielt inne und legte den Kopf ein wenig schief, während er<br />

über die unausgesprochene Vermutung seines Kompanions<br />

nachdachte.<br />

„Das ist der größte Haufen Banthamist, den ich je gehört habe“,<br />

sagte er schließlich und fuchelte unwirsch mit dem Hydrospanner<br />

herum.<br />

„Willst du's nicht begreifen?“ blaffte Avarice. „Denk doch mal<br />

nach, hast du den König jemals gesehen? Oder mit ihm persönlich<br />

gesprochen? Oder über den Komkanal? Nein. Man muss doch nur<br />

eins und eins zusammenzählen, Kumpel. Wer richtet uns sämtliche<br />

Befehle aus? Wer bekommt das Kommando im Gefecht<br />

zugesprochen? Wer hat bisher sämtliche Mitglieder der Crew im<br />

Auftrag des Königs rekrutiert? Und wer ist die einzige Person an<br />

Bord der Pirate, die den König jemals gesehen haben soll?“<br />

176


Verstehen dämmerte in Laz' Augen. „Ich glaube, mir gefällt<br />

nicht, was du damit sagen willst...“<br />

„Was ist“, fuhr Avarice unbeirrt fort, „wenn es gar keinen König<br />

gibt? Was ist, wenn das alles May war, die uns die ganze Zeit nach<br />

ihrer Pfeife tanzen lässt? Es macht alles Sinn! Und dieses alte,<br />

imperiale Equipment... was ist, wenn May was mit dem Imperium<br />

zu schaffen hat? Die Frau könnte uns alle in große Schwierigkeiten<br />

bringen.“<br />

Nun, da er diesen unausgegorenen Gedanken, der ihm seit<br />

einigen Tagen im Kopf herumspukte, zum ersten Mal in Worte<br />

kleidete, fühlte er sich um so mehr von May Montross benutzt. Er,<br />

Avarice Rinza, war von einer Frau, vielleicht sogar einer Imperialen,<br />

benutzt worden!<br />

„Ich konnte sie sowieso noch nie leiden“, sagte Laz gleichmütig.<br />

„Hätt' man sich eigentlich denken können, dass an der was faul ist.<br />

Obwohl du keine Beweise für deine Anschuldigung hast.“<br />

„Wir sind Piraten! Seit wann brauchen wir einen Grund, um<br />

jemanden abzuknallen?“ Avarice stand auf, schob eine neue<br />

Energiezelle in den Schaft des Gewehrs und entsicherte es mit einem<br />

Klicken, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.<br />

„Ey, Mann!“ brachte Laz in beschwichtigendem Ton hervor.<br />

„Hältst du das für eine kluge Aktion? Denk' dran, was sie mit Enyth<br />

gemacht hat!“<br />

„Ein Grund mehr das alte Miststück abzuknallen. Ich werde mich<br />

bestimmt nicht mehr von ihr herumschubsen lassen und sinnlos in<br />

der Wildnis Wache halten. So was Schwachsinniges. Ich bin nicht<br />

Pirat geworden, um mich von so einer falschen Schlange<br />

herumkommandieren zu lassen, da hätte ich gleich bei meiner Frau<br />

bleiben können. Von so einer werde ich mir meine Freiheit nicht<br />

mehr rauben lassen. May Montross hat uns lang genug für dumm<br />

verkauft.“<br />

Laz schwieg, doch es war schwer zu übersehen, wie angestrengt<br />

er über das soeben Gesagte nachdachte. Fest stand, dass sie es beide<br />

satt hatten, auf dem am meisten zurückgebliebenen Planeten des<br />

Sektors festzusitzen und auf die Befehle ihres ersten Maats zu<br />

warten.<br />

177


Ihres vermeintlichen ersten Maats.<br />

Schließlich stahl sich ein öliges Lächeln auf Laz' Gesicht und<br />

Avarice wusste, dass bald wieder jemand durch ihre Hand sterben<br />

würde.<br />

SKYWALKER HOLTE MARA EIN, ALS SIE GERADE DIE ALTEN,<br />

grasbewachsenen Landstraße zu Sarzamins Haus hinunter trottete.<br />

Er hatte noch einmal den A1-Deluxe beim Hafenbüro ausgeliehen<br />

und brache den Speeder einige Meter vor ihr am Straßenrand zum<br />

Stehen. Die Tür auf der Beifahrerseite sprang auf, als sie sich<br />

näherte.<br />

Sie sprachen nicht, wagten es nicht das Wort an den jeweils<br />

anderen zu richten, obgleich sie Skywalker seine Bemühung ansah,<br />

sie nicht mit Fragen zu löchern. Ein Teil von ihr hätte ihm gerne für<br />

seine Nachsicht gedankt, doch sie brachte die Worte nicht heraus.<br />

In Schweigen gehüllt stiegen sie schließlich aus, öffneten das<br />

Gartentor und durchquerten den Vorgarten. Ihre Ungeduld<br />

unterdrückend betätigte Mara den Summer.<br />

Es dauerte einige Sekunden, ehe sie die Verriegelung der Tür<br />

klicken hörten und die Schlossmechanismen aufschnappten. Mit<br />

einem leisen Surren öffnete sich die Tür und gab den Blick frei auf<br />

eine offensichtlich sehr verblüffte Sarzamin.<br />

Mara fühlte sich, als würde sie die ältere Frau nun auf einer ganz<br />

anderen Ebene wahrnehmen. Mit anderen Augen sehen.<br />

Unwillkürlich kehrten Oriannas Erinnerungen an ihre Freundin<br />

zurück in Maras Bewusstsein und sie war sich eine Sekunde lang<br />

nicht sicher, ob sie die jugendliche oder die gealterte Sarzamin vor<br />

sich sah.<br />

„Ich dachte schon, Sie wären abgehauen, ohne Auf Wiedersehen<br />

zu sagen“, meinte Sarzamin in dem Versuch, einen Scherz zu<br />

machen. „Nicht gerade die feine Old Core-Art.“<br />

„Wir müssen mit Ihnen sprechen“, sagte Mara gerade heraus.<br />

Sarzamins Stirn kräuselte sich. „Mit mir? Ich wüsste nicht, was<br />

ich Ihnen noch zu erzählen hätte, so gerne ich Ihnen helfen würde.“<br />

„Sie können“, korrigierte Mara. „Es geht um Orianna Matale.“<br />

178


Der Name schien einen emotionalen Schalter im Kopf der<br />

Blumenhändlerin umzulegen. Ihr Blick wirkte ein wenig verklärt<br />

und sie starrte Mara an wie eine Erscheinung.<br />

„Orianna?“ fragte sie.<br />

„Dürften wir eintreten?“ warf Skywalker ein. „Wir sollten dies<br />

vielleicht nicht zwischen Tür und Angel besprechen. Zur<br />

Sicherheit.“<br />

„Oh ja, natürlich. Bitte kommen Sie rein.“<br />

Sarzamin trat beiseite, um sie einzulassen. Da ihre Gäste<br />

inzwischen gut genug mit den Räumlichkeiten vertraut waren,<br />

verzichtete sie darauf, sie in die Wohneinheit zu führen, sondern<br />

verriegelte die Tür hinter ihnen und folgte ihnen anschließend.<br />

Mara nahm erneut auf dem Sofa Platz, Skywalker ließ sich in den<br />

Sessel sinken, indem er schon am Vortag gesessen hatte. Ihre<br />

Gastgeberin nahm Vorlieb mit dem zweiten Sessel, der Luke<br />

gegenüber auf der anderen Seite des Couchtisches stand.<br />

„Nun“, sagte Sarzamin gedehnt und verschränkte die Finger fest<br />

in einander, „wie kann ich Ihnen helfen? Was sind das für Fragen,<br />

die sie Orianna haben?“<br />

Mara warf Skywalker einen Blick zu, den er einen Augenblick<br />

lang erwidert. In ihren Eingeweiden schien sich ein unangenehmer<br />

Knoten zu bilder, der zu zuvor noch nicht da gewesen war.<br />

„Haben Sie es bei sich, Skywalker?“ fragte sie den Jedi-Meister.<br />

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Sarzamins Augenbrauen<br />

fragend nach oben schoben.<br />

Luke nickte, öffnete eine der Taschen an seinem Gürtel und zog<br />

einen kleinen, schwarzen Beutel hervor, aus welchem er dann das<br />

silbrig-weiße Amulett hervor zog, das Mara in letzter Zeit solche<br />

Alpträume bereitete. Er beugte sich vor und legte das<br />

Schmuckstück, das einst Sarzamins bester Freundin gehört hatte, auf<br />

den Couchtisch und schob es in Richtung der Blumenhändlerin.<br />

„Woher“, hauchte diese atemlos, „woher haben Sie das?“<br />

„Das ist nicht weiter wichtig“, sagte Mara. „Sie erkennen es<br />

wieder?“<br />

179


„Selbstverständlich erkenne ich es wieder“, gab Sarzamin<br />

zurück. „Es gab nicht einen Tag, an dem Orianna es nicht getragen<br />

hat. Vom Tag ihres Todes einmal abgesehen.“<br />

Mara runzelte die Stirn. „Damals trug sie es nicht?“<br />

„Zumindest fand man es nicht, als man die Überreste des<br />

Anwesens nach Überlebenden durchsuchte“, sagte Sarzamin und in<br />

ihren Augen hatte einen traurigen Ausdruck angenommen. „Nicht,<br />

dass viel übrig geblieben wäre, das man hätte durchsuchen<br />

können.“<br />

„Wodurch haben Sie von ihrem Tod erfahren?“<br />

„Durch die Feuer auf den Feldern. Als die Angreifer abzogen,<br />

steckten sie das gesamte Anwesen in Brand. Es blieb nichts erhalten,<br />

selbst das kultivierte Ackerland und die Obstplantagen waren<br />

unbrauchbar. Alles, das auch nur den Anschein machte, noch ein<br />

paar Credits wert zu sein, wurde von den Nomaden, den Siedlern<br />

oder den Dantari geplündert.“<br />

„Ist das der Grund, warum sie nie wirklichen Anspruch auf das<br />

Anwesen oder die Ländereien erhoben haben?“ fragte Mara. „Außer<br />

um dort Pflanzen anzubauen?“<br />

„Nach Oriannas Tod gab es dort nichts mehr für mich.“ Ein<br />

Schatten huschte über Sarzamins Gesicht. „Es war nichts weiter, als<br />

ein verlassenes, totes Stück Land.“<br />

Mara schluckte. Es war ihr zuwider, die ältere Frau an diese<br />

tragischen Ereignisse zu erinnern und alte Erinnerung hervor zu<br />

locken, die die Händlerin vermutlich tief in sich vergraben hatte.<br />

„Hören Sie“, begann sie langsam. „Die Frau, die damals in Ihren<br />

Laden kam, damit sie Sie zum Anwesen der Matales führen, hatte<br />

das Medallion bei sich. Sie hat mir… uns mehr als genügen<br />

Hinweise hinterlassen, damit auch wir den Weg hierher finden. Sie<br />

hat uns das Medallion wissentlich in die Hände gespielt. Sie wollte,<br />

das wir es finden und es irgendwie benutzen.“<br />

„Benutzen?“ fragte Sarzamin verblüfft. „Wozu sollte es gut sein?<br />

Es ist nichts weiter als eine Kette mit einem teuren Schmuckstück<br />

daran. Und für manche hat es vielleicht einen sentimentalen Wert,<br />

aber mehr nicht.“<br />

180


„Das stimmt nicht ganz“, sprang Skywalker bei. „Es ist so, dass…<br />

nun ja… Oriannas Geist eine Art Spur auf dem Amulett hinterlassen<br />

hat. Eine Spur, die nur durch ein machtsensitives Wesen gelesen<br />

werden kann.“<br />

„Tatsächlich?“ Offensichtlich wallten in Sarzamin<br />

widerstreitende Gefühle auf, als wisse sie nicht so recht, was sie von<br />

dieser seltsamen Entwicklung der Ereignisse halten sollte. „Und was<br />

hat es ihnen so erzählt?“<br />

„Einiges“, sagte Mara und lenkte die Aufmerksamkeit der<br />

Händlerin damit wieder auf sich. „Zum Beispiel, dass Bithras<br />

Marjumdar, Oriannas Schwager, das Geschäft der Matales<br />

übernahm, nachdem Cailetet verstorben war. Dass Orianna nur<br />

durch die Unfruchtbarkeit ihrer Schwester zur Erbin des Anwesens<br />

wurde. Dass ihre Schwester Casseia sich das Leben nahm, weil sie<br />

kinderlos blieb, ein Jahr, nachdem ihre Mutter gestorben war. Soll<br />

ich noch mehr Details hervor graben?“<br />

Mara konnte sehen, wie der anderen Frau ein Schauer über den<br />

Rücken lief. „Nein, schon gut.“<br />

„Besaß Orianna Fähigkeiten in der Macht, von denen die übrigen<br />

Farmern oder ihre Familie nichts wussten?“<br />

„Nein“, sagte Sarzamin. Sie sah aus, als würde sie angestrengt<br />

nachdenken und jeden Moment, den sie mit ihrer Freundin geteilt<br />

hatte, noch einmal durchleben. Verwirrung machte sich auf ihrem<br />

Gesicht breit. „Nein. Und wenn, dann sprach sie jedenfalls niemals<br />

darüber. Obwohl… Vielleicht…“<br />

„Vielleicht was?“ fragte Mara. Ihre grünen Augen versuchten die<br />

äußere Hülle der anderen Frau zu durchdringen und ihre Gedanken<br />

zu lesen, doch ihr eigener Geist war dafür in zu großem Aufruhr.<br />

„Es war so, dass Bithras, ihr Schwager, eines Tages jemand in ihr<br />

Haus brachte“, erklärte die Blumenhändlerin langsam und rutschte<br />

auf dem Polster ihres Sessels herum. „Einen Jedi.“<br />

Wieder wechselten Mara und Luke eilige Blicke. Diese Tatsache<br />

war ihnen bisher verborgen.<br />

„Einen Jedi?“<br />

„Ja. Ein Überlebender der Order 66, glaube ich. Keine Ahnung,<br />

wie und wann Bithras ihn aufgelesen hat, er war eines Tages<br />

181


plötzlich da. Seit dem sah ich Orianna nicht mehr so oft, sie verbat<br />

mir, das Haus zu betreten. Zu meiner eigenen Sicherheit, wie sie<br />

immer wieder betonte.“<br />

„Das ist einleuchtend“, meinte Skywalker. „Selbst in diesem<br />

Sektor fürchtete man die Konsequenzen, die mit einem Verrat an der<br />

Neuen Ordnung des Imperators einhergingen.“<br />

„Das weiß ich!“ rief Sarzamin und durchbohrte Luke mit einem<br />

raschen Blick. „Das hat mir durchaus eingeleuchtet. Dennoch, ich<br />

begann mir Sorgen zu machen. Wir hatten uns zuvor fast jeden Tag<br />

gesehen, zusammen gekocht, ein wenig in der Stadt eingekauft und<br />

die Besorgungen für unsere Haushalte getätigt. Doch als sie sich so<br />

plötzlich zurück zog und den Kontakt nach außen zu scheuen<br />

begann, spätestens da wusste ich, dass etwas nicht stimmte.<br />

Orianna war seit dem Tod ihrer Schwester sehr verändert. Es war<br />

nicht so, als ob sie sich je besonders nah gestanden hätten, wo sie<br />

doch viele Jahre lang wie Rivalinnen gelebt hatten. Und dennoch<br />

hatte Casseias Selbstmord seine Spuren an ihr hinterlassen. Als hätte<br />

es eine Saite in ihr zum klingen gebracht, von der sie selbst nicht<br />

gewusst hatte, das sie existierte. Ich glaube, sie begann zu<br />

realisieren, wie einsam sie wirklich war, wie verlassen. Alle, ihre<br />

gesamte Familie, war inzwischen gestorben und alle die ihr blieben<br />

war Bithras und ein leeres Haus.“<br />

„Was ist mit Ilya?“ fragte Mara. „Sie hat ihn geliebt und er hat sie<br />

auch geliebt. Hat er jemals mit Ihnen über Orianna gesprochen?. “<br />

Sarzamins Augen funkelten. „Also wissen Sie auch über Ilya<br />

Bescheid?“ fragte sie argwöhnisch.<br />

„All ihre Erinnerungen sind in Oriannas Amulett gespeichert“,<br />

erklärte Mara. Sie wollte schon ein „Fragen Sie mich nicht, warum“<br />

hinzufügen, doch sie verkniff sich diesen Ausspruch. Stattdessen<br />

fixierte sie nun Skywalker mit festen Blicken. „Ich denke, Sie können<br />

das am besten erklären.“<br />

Luke blinzelte, schien um eine Antwort verlegen. Es dauerte eine<br />

Weile, eher er seine Worte gewählt und zu einer vernünftigen<br />

Antwort umgewandelt hatte.<br />

„Es gibt Techniken, mit denen die Jedi Erinnerung versiegeln<br />

können, ja“, sagte er langsam. „Sie können entweder in Objekten<br />

182


oder in Personen verborgen werden und sie bleiben solange<br />

verschollen, bis Derjenige kommt, dem es bestimmt ist, sie zu<br />

finden. Und vielleicht hat der Jedi, den Bithras und Orianna zu<br />

retten versuchten, dafür gesorgt, dass das Amulett die Erinnerungen<br />

speichert. Warum wissen wir nicht.“<br />

Es gibt so einiges, das wir nicht wissen, dachte Mara frustriert.<br />

„Und Miss Jade hier sollte bestimmt gewesen sein, Oriannas<br />

Erinnerungen zu entdecken?“ hakte Sarzamin nach. „Warum das?“<br />

„Das wüssten wir selbst zu gerne“, sagte Mara. „Deswegen sind<br />

wir zu Ihnen gekommen. Sie sind vielleicht die Einzige, die uns<br />

sagen kann, welche Verbindungen Orianna noch gehabt haben<br />

kann, kurz bevor sie starb. Vielleicht hat der Jedi, den sie erwähnten,<br />

etwas damit zu tun. Wir wissen es nicht.“<br />

„Und jetzt erhoffen Sie sich von mir eine Antwort?“<br />

„Nein.“ Mara schüttelte langsam den Kopf. „Keine Antwort. Nur<br />

ein paar Informationen, die nur eine beste Freundin wissen kann.<br />

Immerhin waren sie Oriannas engste Vertraute.“<br />

„So eng scheinbar auch wieder nicht.“ Sarzamin lehnte sich mit<br />

einem Seufzen in ihrem Sessel zurück.<br />

„Gibt es denn noch irgendetwas Ungewöhnliches, an das Sie sich<br />

erinnern?“ warf Skywalker ein und versuchte somit, die Händlerin<br />

sanft aber bestimmt in die richtige Richtung zu stoßen. „Wer war<br />

der Jedi? Haben Sie ihn je gesehen.“<br />

„Nur einmal“, erwiderte Sarzamin, die plötzlich ziemlich müde<br />

wirkte. „Ich weiß nur noch, wie er ausgesehen hat. Ein Nautolan mit<br />

einer Haut so grün wie die Blätter der Blba-Bäume. Er schien<br />

Orianna sehr zugetan, umschwirrte sie wie eine Motte das Licht.“<br />

Mara biss sich auf die Unterlippe. Konnte May den Nautolan<br />

gemeint haben, der das fehlende Bindeglied zwischen ihr und Mara<br />

darstellte? Es war unwahrscheinlich. Sie haben ihn bereits gesehen,<br />

in ihrem Träumen, wiederholte sie im Kopf die Worte der<br />

Imperialen Agentin. Der Nautolan jedoch war bisher in keiner ihrer<br />

Visionen aufgetaucht. Er musste tatsächlich er kurz vor Oriannas<br />

Tod in ihr Leben getreten sein, war für ihren Tod vielleicht sogar<br />

maßgeblich verantwortlich.<br />

183


„Das Anwesen wurde niedergebrannt, sagen Sie?“ wiederholte<br />

Mara. „Wissen Sie von wem?“<br />

„Nicht genau“, antwortete Sarzamin. „Doch ich glaube, es waren<br />

Imperiale Sturmtruppen.“<br />

Hatte jemand Wind von Oriannas und Bithras geheimen Gast<br />

bekommen und war mit dieser Information an die Imperialen<br />

Behörden heran getreten? Wieder einmal überschlugen sich Maras<br />

Gedanken, bis ihr schwindlig wurde.<br />

Nein, nicht ihre Gedanken verursachten den Schwindel. Es war<br />

etwas Anderes, etwas, das sich weiter übernatürlicherer Kräfte<br />

bediente.<br />

Ihre Sicht schwamm mit einem Male und die Welt war von<br />

schwarzen Schatten umrandet. Eine Ahnung bemächtigte sich ihrer,<br />

eine Ahnung, die ihr die Macht selbst einzugeben schien. Denn,<br />

ohne dass sie das Amulett berührte, zeichneten sich vor ihren Augen<br />

plötzlich die Umrisse des Matale-Anwesens ab. Sie konnte den<br />

Sessel sehen, in dem Bithras so gern zu sitzen pflegte, konnte sehen,<br />

wie Casseia an der HoloComm-Einheit saß und ihrer jüngeren<br />

Schwester vernichtende Blicke zuwarf.<br />

Das Anwesen, dachte Mara und kämpfte gegen die plötzliche<br />

<strong>Star</strong>re ihrer Glieder an. Dort wird sich alles aufklären.<br />

„Ich danke Ihnen“, würgte sie mit belegter Stimme hervor. Sie<br />

bot alle Konzentration, zu der sie fähig war, auf, um Vision zurück<br />

zudrängen. Ihre Arme und Beine fühlten sich jedoch schwer wie Blei<br />

an, als sie sich von der Couch erhob. Mit Hilfe eines kleinen<br />

Machtstoßes bugsierte sie das Amulett zurück in das Säckchen,<br />

indem Skywalker es hergebracht hatte, und schob dieses dann in<br />

eine ihrer eigenen Gürteltaschen. „Vielleicht kommen wir jetzt<br />

weiter mit unserem Rätsel.“<br />

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen und Sarzamin<br />

betrachtete sie prüfend und mit großen Augen. „Ist alles in<br />

Ordnung?“<br />

„Ja“, nickte Mara. „Schon gut. Ich denke, ich sollte jetzt gehen.“<br />

Mit einem Blinzeln erwachte Luke aus dem verwunderten<br />

<strong>Star</strong>ren, mit dem auch er sie bedacht hatte. Mara hatte die<br />

184


Eingangstür schon fast erreicht, bis er ihr eiligen Schrittes<br />

nachfolgte.<br />

„Wo wollen Sie hin?“ fragte Skywalker entgeistert.<br />

„Weg.“<br />

„Was meinen Sie mit weg? Mara!“<br />

„Ich brauche Zeit zum Nachdenken!“ fauchte sie ohne ihn<br />

anzusehen. „Ich muss zurück zum Anwesen der Matales. Allein!"<br />

Sie konnte hören, wie er scharf einatmete und einen Widerspruch<br />

mühselig herunter schluckte.<br />

Im Türrahmen hielt sie inne und wandte sich noch einmal zu<br />

ihm, ein bitteres Lächeln auf den Lippen. Ihr war klar, dass sie ihm<br />

Unrecht tat. Doch sie wusste, das Anwesen barg das letzte<br />

Geheimnis, das Puzzleteil, das ihr zur Lösung des Rätsels noch<br />

fehlte. Dort würde sie es ganz sicher finden, das letzte Bindeglied<br />

zwischen ihr und May Montross.<br />

„So unähnlich sind Montross und ich uns gar nicht“, sagte sie<br />

leise und gedankenverloren. „Beide waren wir Agentinnen des<br />

Imperiums und führten ein Leben im Schatten eines größeren<br />

Mannes. Wir hatten uns einer Sache verschrieben, die weit größer<br />

war als wir selbst. Und am Ende sind wir beide vom Imperium<br />

verraten worden.“<br />

DÜNNE WOLKEN LEGTEN SICH WIE EIN WEICHER SCHLEIER ÜBER DAS BLAU<br />

des Himmels an dem Tag, an dem Casseias Tod sich das zweite Mal jährte.<br />

Es lag der Duft von gemähtem Gras in der Luft und hier und da tanzten<br />

die Pollen der Blba-Bäume in der Luft.<br />

Das schwül-stickige Klima kam Orianna allerdings kaum zu gute. Es<br />

machte ihr das Atmen schwer und ließ sie bei der kleinsten körperlichen<br />

Anstrengung bereits in Schweiß ausbrechen. Selbst wenn sie sich,<br />

kugelrund wie sie inzwischen war, am Morgen aus dem Bett erhob, war ihr<br />

Haaransatz bereits feucht und ihr Hemd durchnässt. Und ihre Laune<br />

wurde damit zusehends zwischen euphorischer Vorfreude und missmutigem<br />

Klagen hin und her geworfen.<br />

Seit sich das Baby zum ersten Mal in ihrem Leib gerührt hatte, beschlich<br />

sie jedoch noch ein anderes, unbekanntes Gefühl. Oft schien die Welt um sie<br />

185


herum wesentlich intensiver, ihre Eindrücke kräftiger. An dem Tag, als es<br />

in der Siedlungen zu Krawallen wegen ausgebliebener Versorgungs-<br />

Frachter gekommen war, hatte sie den brodelnden Zorn förmlich spüren<br />

können. Doch nicht nur das, ihre Intuition war seither mehr als verlässlich,<br />

manchmal wusste sie noch vor dem Erwachen, ob es ein guter oder ein<br />

schlechter Tag werden würde, ob die Sonne schien oder Regen fiel oder wie<br />

viele erlegte Iriaz der Schützenkönig in diesem Jahr nachhause bringen<br />

würde.<br />

Nach dem Frühstück nahm sie sich die Zeit, den Droiden ihre Aufgaben<br />

für den Tag zuzuteilen und sich danach ausgiebig zu duschen. Das<br />

Ankleiden nahm inzwischen sehr viel Zeit in Anspruch, da sie etwa so<br />

beweglich war wie ein vollgefressener Hutt – und sie fühlte sich auch<br />

genauso. Das Kind war zu einer undenkbaren Last geworden.<br />

„Wie fühlt Ihr Euch heute, Mylady?“ fragte Eliashar, als Orianna sich<br />

schließlich in der Wohneinheit in den Sessel sinken ließ, eine Hand auf<br />

ihrem geschwollenen Bauch ruhend. Seine hochgesprossene, breitschultrige<br />

Gestalt zeichnete sich wie ein Schemen gegen das Sonnenlicht ab. Seine<br />

grüne Haut wirkte matt, seine schwarzen Amphibienaugen ausdruckslos.<br />

„Dick und fett“, brachte Orianna hervor. „Langsam kann dieses Kind<br />

zusehen, dass es den Weg in diese Galaxis findet. Ich bin es leid, schwanger<br />

zu sein. Sagt, schläft Bithras noch?“<br />

„Ich habe ihn heute noch nicht gesehen“, antwortete Eliashar. „Offenbar<br />

war er wieder sehr lang wach. Ich habe ihn vor dem Schlafengehen wieder<br />

vor der HoloComm-Einheit sitzen sehen.“<br />

„Mit wem er wohl diesmal gesprochen hat“, fragte Orianna, adressierte<br />

die Frage allerdings nicht direkt an den Jedi. Die Luft um Eliashar herum<br />

schien stets zu vibrieren, als wäre er von einer unsichtbaren, warmen Aura<br />

umgeben, und das jagte Orianna Ehrfurcht und Angst gleichermaßen ein.<br />

Bithras sagte immer, er spüre nichts dergleichen, vielleicht bildete sie sich<br />

dies auch nur aufgrund der vielen Heldenmythen ein, die man immerzu um<br />

die Jedi gesponnen hatte. Doch Orianna weigerte sich zu glauben, dass es<br />

bloße Einbildung war. Ein Teil von ihr konnte Eliashar spüren, streckte<br />

sich nach seiner einnehmenden Präsenz aus, ohne dass sie es kontrollieren<br />

konnte.<br />

Gedankenverloren kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Sie und Bithras<br />

würden in Malaks Küche geraten, sobald Ilya eintraf. Es würde ihn<br />

186


sicherlich nicht erfreuen, dass Orianna es Bithras gestattet hatte, einen<br />

flüchtigen Jedi, einen der letzten, in ihrem Haus aufzunehmen. Eliashar<br />

würde ihm anhaften wie ein unheilbarer Makel, der alles zunichte machen<br />

würde, alle Verträge mit dem Imperium, für die er so hart gearbeitet hatte.<br />

Orianna hingegen hatte den Jedi nicht abweisen können. Etwas in ihrem<br />

Inneren hatte es nicht über sich bringen können, den Nautolaner dem Tod<br />

zu überlassen, und sie fühlte sich ohnehin so schrecklich einsam. Wenn nur<br />

endlich ihr Kind geboren würde...<br />

Eliashar bedachte sie mit einem langen, jedoch unleserlichen Blick. Nicht<br />

einmal seine Kopftentakel rührten sich. Er stand einfach in seiner<br />

schlichten Tunika da, die Hände vor der Brust gefaltet, als würde er gerade<br />

sehr intensiv nachdenken.<br />

„Was ist denn?“ fragte Orianna und lehnte sich zurück. Ihr war, als<br />

hätte sie ein entferntes Flimmern seiner Gedanken aufgefangen.<br />

„Mylady...“, begann Eliashar langsam, als hätte er sie die Worte sorgsam<br />

zurecht gelegt. „Wir Jedi waren noch nie die Meister der Geheimniskrämerei,<br />

deswegen verzeiht bitte, falls ich etwas zu forsch erscheine. Als<br />

ich hier ankam, war ich dankbar, eine sichere Zuflucht gefunden zu haben,<br />

zumindest für den Moment. Ich wollte nur lang genug bleiben, bis ich<br />

einen anderen Ort gefunden hätte, an dem ich mich für ein oder zwei<br />

Monate durchschlagen könnte. Die Tage vergingen rasend schnell, aber ich<br />

hatte das Gefühl, dass ich nicht weiterziehen konnte, zumindest jetzt noch<br />

nicht, und als ich die Macht um Rat ersuchte, wurde mir klar, dass hier<br />

eine bedeutende Aufgabe auf mich wartet.“<br />

„Eine bedeutende Aufgabe?“ fragte Orianna und versuchte ihren Hohn<br />

zu verbergen. „Auf Dantooine gibt es nur die Ernte und den ewigen<br />

Wechsel der Jahreszeiten. Das hier ist nicht Coruscant. Was also sollte es<br />

für einen Jedi hier zu tun geben? Weswegen sollte die Macht Euch<br />

ausgerechnet hierher geführt haben?“<br />

„Euretwegen, Mylady“, sagte Eliashar, „oder vielmehr wegen Eures<br />

Kindes.“<br />

Oriannas Augenbrauen hoben sich skeptisch, also beeilte der<br />

Nautolaner sich seine Gedanken weiter auszuführen. „Der Tag, an dem<br />

mich Euer Schwager in dieses Haus brachte, wird mir wohl ewig im<br />

Gedächtnis bleiben und damit auch Euer Anblick. Ihr ward, wie sagt man<br />

hier noch, 'eine Blume, die in voller Blüte steht'? Die Einsamkeit und<br />

187


die Schwangerschaft machten euch längst nicht so zuschaffen wie heute,<br />

doch je länger ich Euch beobachtete, umso mehr fiel mir eine Veränderung<br />

an Euch auf. Nicht körperlich, sondern mental. Die Spur, die Ihr in der<br />

Macht hinterließt, wurde verschwommener und gleichzeitig auch<br />

intensiver. Auch jetzt spüre ich dieses Pulsieren in der Macht, das von<br />

Euch ausgeht... und doch seid nicht Ihr es, die plötzlich in der Macht<br />

gewachsen ist.“<br />

„Ihr meint“, sagte sie und ihre Kehle war mit einem Mal unendlich<br />

trocken, „dass mein Baby in der Macht begabt ist?“<br />

Der Nautolaner nickte langsam. „Möglich wäre es. Es würde<br />

zumindest den Zustand eines erweiterten Bewusstseins erklären, der Euch<br />

dann und wann zu überkommen scheint. Aber erst nach der Geburt kann<br />

ich Genaueres sagen. Erst dann lässt sich die Midichlorian-Zahl eines<br />

Menschen genau testen.“<br />

„Nein!“ Orianna spürte einen schmerzhaften Kloß, der sich in ihrer<br />

Kehle verdichtete und ihr die Luft abzuschnüren drohte. „Das kann nicht<br />

sein! Es darf nicht sein! Ich will nicht...“<br />

Sie brach ab, wagte es nicht die Befürchtung, die ihr auf der Zunge lag,<br />

auszusprechen, so sehr ängstigte sie der Gedanke. Für die Macht empfänglich<br />

zu sein war in diesen Zeiten, selbst an diesem Ort, keine gute Sache!<br />

Doch auch dies hatte der Nautolaner offenbar schon voraus gesehen und er<br />

zwang sich zu einem Lächeln.<br />

„Ihr solltet jetzt das Andenken Eurer Schwester ehren, Mylady“, sagte<br />

er leise. „Sonst wäre Eure harte Arbeit an dem Blumengesteck völlig<br />

umsonst gewesen.“<br />

„Ja, Ihr habt Recht“, murmelte Orianna benommen. „Würdet Ihr mir<br />

den Gefallen tun mich zu begleiten? Ich möchte nicht allein sein.“<br />

„Es wäre mir ein Vergnügen.“<br />

Gemeinsam gingen sie zu dem Hügel und lehnten einen Kranz aus<br />

Bitterblüten und Steinblumen an den Stamm des Perlfruchtbaumes, unter<br />

dem Casseia vor zwei Jahren ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte. Die Leere,<br />

die sie beim Anblick ihres Leichnams verspürt hatte, kehrte mit nur<br />

langsam verblassender Deutlichkeit zurück und Orianna stand neben<br />

Eliashar, vom traurigen Andenken ihrer Schwester völlig taub und<br />

benommen.<br />

188


„Manchmal vermisse ich sie“, sagte sie leise und lauschte dem Rascheln<br />

des Windes in den jungen Baumkronen. „Es gibt vieles, das ihr hätte sagen<br />

sollen.“<br />

„Wir alle kennen das.“ Der Nautolaner legte ihr besänftigend eine<br />

Hand auf die Schulter. „Worte, die wir nie über die Lippen gebracht haben.<br />

Jedes Lebewesen weiß um diese unausgesprochenen Wahrheiten, nur leider<br />

erkennen wir sie erst, wenn es bereits zu spät. Alles was dann noch bleibt<br />

ist Bedauern.“<br />

Sie blinzelte überrascht und legte behutsam eine Hand auf ihren runden<br />

Leib. „Und was tut Ihr gegen diesen Schrecken? Wie haltet Ihr das<br />

Bedauern und die Verzweiflung in Schach?“<br />

„Ich finde meinen Trost in der Macht. Sie ist der Ursprung und das<br />

Ende, die Quelle und die Mündung, und alles fließt wieder in sie zurück.<br />

Angesichts dessen haben Worte und Taten keine Bedeutung mehr.“<br />

Mehr sagte Eliashar nicht und Orianna fragte sich, wie schon so oft seit<br />

dem Abend, an dem Bithras den Jedi ins Haus geholt hatte, was er wohl<br />

wirklich über sie denken mochte. Über sie und Ilya. Über sie und ihr Baby.<br />

Über das Leben, dass sie sich ausgesucht und in das ihr Jedi-Kind<br />

hineingeboren werden würde. Sie hatte sich die Geburt eines neuen Jedi<br />

immer dramatisch und schicksalhaft vorgestellt, nicht einsam und<br />

verlassen, nur mit Mutter und Onkel als Gesellschaft und einem Vater, der<br />

sich nur gelegentlich versicherte, dass sein Heim noch stand. Warum sollte<br />

die Macht ihre Gabe einem solchen Kind schenken, das nie mehr kennen<br />

würde als die Felder und Wiesen Dantooines?<br />

„Es gibt für alles einen Grund“, sagte Eliashar mit einem angedeuteten<br />

Lächeln, als er sie trotz der Hitze frösteln sah. „Nichts geschieht zufällig.“<br />

Drei weitere Tage kamen und gingen, doch der Fluss der Zeit schien zu<br />

dickflüssigem Schlick geworden zu sein, so unerträglich lang war das<br />

Warten. Zur Abenddämmerung des vierten Tages dann setzte ein<br />

stechender, alles beherrschender Schmerz ein und Orianna wusste, dass der<br />

Zeitpunkt endlich gekommen war.<br />

Die ersten Sterne der Unbekannten Regionen schimmerten bereits am<br />

Firmament, als man der erschöpften, in Schweiß gebadeten, jungen Matale<br />

ein warmes, strampelndes Bündel in die Arme legte und ihr klar wurde,<br />

wie unvorbereitet sie wirklich war. Doch obgleich sie der Gedanke an die<br />

Zukunft noch immer ängstigte, der Anblick ihrer Tochter war ein einziges,<br />

189


helles Strahlen, das alles Unheil zu bannen vermochte. Was auch immer<br />

nun kommen sollte, es war ihr gleich, solange sie das Mädchen nur fest im<br />

Arm hielt. Denn es war ihr Mädchen und sie war bereits jetzt<br />

wunderschön und vollkommen, mit ihrem weichen Haarflaum und den<br />

schillernd grünen Augen. Und würde Orianna morgen verarmen, Hunger<br />

leiden oder durch Tod und Krankheit gezeichnet werden – sie hätte ihre<br />

kleine Blume gegen nichts in der Galaxis eingetauscht.<br />

ES DAUERTE NICHT LANGE, BIS SIE DIE BLAU SCHIMMERNDE ENERgiebarriere<br />

erreichte, die die Grenze zum Land der Familie Matale<br />

darstellte, und eine Schwachstelle in dem veralteten Zaun fand, die<br />

es ihr leicht machte, die Ländereien zu betreten.<br />

Ihre Beine trugen sie wie auf Befehl eines anderen den flachen<br />

Abhang hinunter und auf das gebrandmarkte Haus zu, das noch<br />

immer mit der stillen Beständigkeit einer Ruine da lag. Seit diese<br />

Jedi-Ahnung über sie gekommen war, fühlten sich ihre Sinne wie<br />

betäubt an. Sie war dafür in gewisser Weise sogar dankbar, denn so<br />

zwang sie keine Müdigkeit und keine Benommenheit dazu über die<br />

letzten Visionen nachzudenken, die Orianna ihr beschert hatte.<br />

Sie wählte den gleichen Weg, den Skywalker und sie schon<br />

einmal zum Haupteingang des Hauses genommen hatte. Noch<br />

immer lag Schrapnell umher, das der von May installierte<br />

Bewegungssensor nach seiner Explosion hinterlassen hatte, doch<br />

Mara störte sich nicht daran, sondern berat nun ohne umschweife<br />

die Eingangshalle des Hauses.<br />

Die verkohlten Überreste von Perlfruchtbäumen zierten sowohl<br />

die Diele, als auch einige der Korridore. Gelbgoldene Moosflechten<br />

wucherten an ihren Wurzel und eroberten langsam die Fugen<br />

zwischen den Durastahlpaneelen, mit denen die Korridore<br />

verkleidet waren. Auch daran störte Mara sich nicht, die sich wie in<br />

einen neuen Traum zurück versetzt sah. Das ramponierte Antlitz<br />

des Hauses vermischte sich mit den Bildern, die sie mit Oriannas<br />

Augen gesehen hatte, und sie hatte das Gefühl, noch die<br />

Anwesenheit der ehemaligen Bewohner zu spüren.<br />

190


Ihr Weg führte sie ohne Umwege in die alte Wohneinheit, wo<br />

Orianna viele Tage ihres Lebens verbrachte hatte. Trotz des<br />

Schadens, den die Einrichtung bei dem Brand genommen hatte,<br />

konnte sie sehen, wie Orianna sich im alten Sessel ihres Vaters<br />

niederließ und gedankenverloren aus dem Fenster sah. Die alte<br />

HoloComm-Einheit in der Ecke war fast vollständig zerstört.<br />

Kabelbündel ragten aus der zertrümmerten Tastatur. Alles war von<br />

einer jahrzehnte alten Staubschicht bedeckt, selbst die großzügig<br />

angelegten Panoramafenster, die einst Ausblick auf eine fruchtbare<br />

Plantage geboten hatten.<br />

Ein Seufzen entkam ihren Lippen, während sie sich in dem<br />

Zimmer umsah und sich vorzustellen versuchte, wie es hier<br />

aussehen mochte, hätte Oriannas Leben nicht ein so unseligen Ende<br />

genommen. Es war seltsam, doch sie spürte eine seltsame<br />

Verbundenheit zu jedem Ding, dass sie in diesem Raum sah, als<br />

würde sie das Grab eines alten Freundes besuchen.<br />

Aber was genau glaubte sie nur hier zu finden? Warum hatte die<br />

Macht sie hierher geführt?<br />

Mit einer Hand brachte sie das Säckchen mit dem Amulett zum<br />

Vorschein und betrachtete es eine Weile.<br />

Sie war fast am Ende angelangt. Nicht mehr viel und alles würde<br />

endlich einen Sinn ergeben.<br />

EIN LETZTES MAL TAUCHTE MARA IN DAS LEBEN ORIANNAS EIN. EIN<br />

Leben, dessen letzte Stunden halb im Dunkel des Vergessens und der<br />

Verdrängung lagen. Und die Dunkelheit war erfüllt von Schreien, von<br />

Schmerz, von Angst und Hass.<br />

Der Hass, der aus Ilyas Augen sprach, als er die Wahrheit über den<br />

Nautolan herausfand. Die Angst, die Orianna lähmte. Der Schmerz, als er<br />

sie packte und seine Wut wie sauren Regen auf sie nieder regnen ließ.<br />

„Wie konntest du es wagen, diese Person ins Haus zu lassen?“<br />

herrschte er sie an. „Willst du uns alle umbringen?“<br />

Oriannas Mund war trocken, ihre Kehle wie zugeschnürt. „Ich... ich...“<br />

191


„Hast du eine Ahnung, was das Imperium mit Verrätern anstellt?<br />

Hm? Hast du irgendeine Ahnung, was du getan hast?“ Sein Griff<br />

schloss sich fester um ihren Oberarm.<br />

„Ilya, du tust mir weh!“<br />

„HÖRST DU, WAS ICH SAGE?“<br />

Tränen verschleierten ihre Sicht. Panik schien ihre Innereien zu<br />

verflüssigen. Sie fürchtete sich zu Tode vor dem Mann, den sie liebte.<br />

„LASST SIE GEHEN!“ rief Eliashar und zerrte Orianna vom Vater<br />

ihrer Tochter fort. Entfernt spürte sie, wie Bithras schützend einen Arm<br />

um sie legte.<br />

„EURETWEGEN SIND WIR DEM UNTERGANG GEWEIHT!“<br />

brüllte Ilya ohne seine Wut länger zu zügeln, doch Orianna war sich nicht<br />

sicher, ob er damit sie oder den Jedi meinte. „ICH HABE DIESER FRAU<br />

MEIN LEBEN GEOPFERT. UND WOZU? NICHT, DAMIT SIE ES<br />

EINFACH SO WEGWIRFT! FÜR EINEN JEDI!“<br />

„Du bist doch nicht ganz bei Trost!“ sagte Bithras entgeistert.<br />

„Was weißt du schon, du NICHTSNUTZ!“ blaffte Ilya, der seinen<br />

Zorn nun gegen seinen ehemaligen Freund wandte. „Die letzten zwei Jahre<br />

habe ich damit verbracht, unsere Position innerhalb des Imperiums zu<br />

festigen. Und als Dank fallt ihr beide mir in den Rücken!“<br />

„Oh, natürlich, Geschäfte mit Mördern und Kriegstreibern zu machen<br />

ist ja auch so eine noble Sache!“ gab Bithras zurück.<br />

Selbst durch ihre Tränen hindurch sah Orianna, wie die verzerrte,<br />

wutentbrannte Grimasse auf Ilyas Gesicht erstarrte. Ihr Herz setzte einen<br />

Schlag lang aus. Sie wagte es nicht zu atmen.<br />

Ilya kehrte in dieser Nacht nicht zurück, ganz gleich, dass Orianna<br />

Stunde um Stunde wach lag und auf ihn wartete, so, wie sie es immer<br />

getan hatte. Ihre Tränen kamen und gingen wie der Wechsel von Trockenund<br />

Regenzeit in einem Zeitraffer.<br />

„Er wird wiederkommen“, hörte sie jemanden sanft in ihr Ohr flüstern.<br />

„Er wird sich schon wieder beruhigen. Und dann kriegen wir das geregelt.“<br />

Der nächste Tag brach an, immer mehr Zeit verstrich und die Sonne<br />

stand schließlich fast auf dem Zenit, aber Orianna verspürte nicht genug<br />

Kraft in ihren Gliedern, um sich von ihrem Bett zu erheben. Sie wusste, so<br />

musste sich Casseia gefühlt haben. Sie hatte ihren Liebsten noch nie so<br />

192


wutentbrannt gesehen. Sein Zorn war noch heftiger gewesen, als selbst sie<br />

und Bithras hatten vorhersehen können.<br />

Immer wieder wurde sie von der Erschöpfung übermannt und fiel in<br />

unruhigen Schlaf. Irgendwann, als sie gerade genug bei Sinnen war, hörte<br />

sie auf dem Flur leises Raschen und Fußgetrappel, während Bithras und<br />

Eliashar eilige Reisevorbereitungen trafen.<br />

„Der alte Dúlamen ist einer der treusten Freunde der Matales“, hörte<br />

sie ihren Schwager irgendwann einmal flüstern. „Er wird Euch an Bord<br />

der Fortune Weaver bringen. Der nächste Halt ist dann Garlex Med.“<br />

„Wann können wir aufbrechen?“ fragte der Jedi.<br />

„Nicht vor der Abenddämmerung. Nautolaner sind keine oft gesehene<br />

Spezies auf Dantooine. Das allein würde mehr Aufmerksamkeit auf Euch<br />

lenken als gesund ist, Meister Jedi.“<br />

Dann fiel Orianna erneut in die Dunkelheit, die durchzogen war von<br />

grausamen Visionen der Verwüstung und Zerstörung. Die Welt um sie<br />

herum zerfiel, alles lag in Trümmern, und das Schreien eines Kindes<br />

erfüllte die interstellare Nacht.<br />

Das Schreien eines Kindes...<br />

In Angstschweiß gebadet kämpfte sie sich ins Bewusstsein zurück. Das<br />

Schreien hörte nicht auf. Es war laut und schrill. Es war ganz nah.<br />

„Oh Nein!“ stöhnte sie.<br />

Unter Aufbietung aller verbleibenden Kräfte stemmte Orianna sich in<br />

die Höhe, stürzte aus dem Zimmer und rannte den Korridor entlang zum<br />

Kinderzimmer. Die Tür stand offen und sie konnte Bithras' Stimme durch<br />

das gequälte Jammern ihrer Tochter hindurch hören. Die Luft brannte in<br />

ihren Lungen.<br />

Der Jedi hielt das schreiende Mädchen auf den Arm, eine amphibische<br />

Hand auf ihrem Schopf platziert und Bithras beobachtete ihn ungeduldig.<br />

Ihr Atem beschleunigte sich, je mehr sie gegen die erneut aufwallende<br />

Panik ankämpfte.<br />

„Was tut ihr da?“ fragte sie entsetzt.<br />

Sie sah, wie Bithras zusammen zuckte. Offenbar hatte er nicht damit<br />

gerechnet, dass sie aus ihrem Dämmerzustand erwachen könnte.<br />

„Orianna!“ keuchte er, fing sich dann aber. Er kämmte sein Haar<br />

zurück und bemühte sich, einen erklärenden Tonfall anzuschlagen.<br />

193


„Orianna, sie hat sich aus ihrer Wiege hinaus levitiert. Ich habe es selbst<br />

gesehen, wie sie schwebend in der Luft hing...“<br />

„Was?“<br />

„Das sollte Beweis genug für Euch sein, Mylady, dass dieses Mädchen<br />

über die Macht gebieten kann“, sagte Eliashar ruhig, aber bestimmt. Seine<br />

schwarzen Augen schienen sie bis zum Kern ihres Wesens zu<br />

durchleuchten.<br />

„Ich... ich kann nicht denken...“, sagte sie und sank auf einen Hocker<br />

neben der Wiege. Ihr Kopf warf wie leer gefegt. Sie war es müde, sich selbst<br />

einzureden, dass ihr Kind niemand besonderes war.<br />

„Gebt sie mir“, murmelte Orianna schließlich und der Jedi legte das<br />

Mädchen in die Armen seiner Mutter. Diese küsste es auf die Stirn und<br />

flüsterte beruhigende Worte, obwohl ihr eigenes Herz noch immer aufgeregt<br />

pochte. „Hab keine Angst...“, murmelte Orianna leise. Bithras und<br />

Eliashar warteten schweigend.<br />

Der Knall einer Explosion zeriss die Luft. Schreckerfüllt sprang<br />

Orianna auf, ihre Tochter immer noch fest an ihre Brust gedrückt. "Was<br />

war das?" fragte sie die beiden Männer ängstlich. Bithras war jedoch selbst<br />

zu erschrocken, um eine Antwort hervorzubringen.<br />

„Großes Unheil!“ rief Eliashar. „Uns bleibt keine Zeit.“<br />

Das Klappern vieler Fußschritte hallte durch den Korridor.<br />

Mechanische Stimmen, wie von einem Helm gefiltert, rauschten durch die<br />

Gänge des Anwesens. Konnte sie dort etwa hören, wie jemand einen Blaster<br />

aus dem Halfter zog und auflud?<br />

„Sturmtruppen“, bestätigte Eliashar ihre Gedanken.<br />

„Ilya wird doch nicht...?“, hauchte Orianna mit zitternden Lippen. „Er<br />

kann unmöglich...“<br />

„Orianna?“ hörte sie plötzlich jemanden eindringlich rufen. Es klang,<br />

als käme es aus der Wohneinheit. „Orianna?!“<br />

Eliashar schlich vorsichtig zur immer noch offenstehenden Tür hinüber,<br />

presste sich gegen die Wand und spähte vorsichtig um die Ecke. Orianna<br />

warf ihrem Schwager einen Blick zu, während das Mädchen in ihren<br />

Armen unruhig strampelte. Er sah genauso schlecht aus, wie sie sich im<br />

Moment fühlte.<br />

„ORIANNA!“<br />

„Antwortet ihm“, zischte Eliashar leise. „Rasch!“<br />

194


„Ich bin im Kinderzimmer!“ rief sie, das Zittern in ihrer Stimme<br />

unterdrückend.<br />

Sofort rückte das Fußgetrappel näher. Vor ihrem geistigen Auge sah sie<br />

bereits, wie die Sturmtruppler die Korridore sicherten und ihre Waffen zum<br />

Anschlag brachten, bereit alles und jeden zu erschießen. Eliashar zog sich<br />

langsam von der Tür zurück und trat an Oriannas Seite. Bithras beeilte<br />

sich, es ihm gleich zu tun.<br />

Schließlich lösten sich die Geräusche von zwei paar Stiefeln. Das<br />

Geräusch, welches die Sohlen auf dem gefliesten Boden erzeugten, erschien<br />

ihr bereits wie ein Pistolenschuss.<br />

Dann trat Ilya ein, aber er war nicht allein. Neben ihm stand ein<br />

hochgewachsener Mann mit einem kantigen, beinahe grobschlächtigen<br />

Gesicht und kurz geschorenem Haar. Auf seinem grauen Kampfanzug<br />

glänzten mehrere, Imperiale Abzeichen. Der Mann trug eine Miene zur<br />

Schau, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Hinter ihnen bezogen<br />

drei Sturmtruppler Position.<br />

„Ist er das?“ fragte der Mann mit rauer Stimme. „Der Nautolan?“<br />

Ilya nickte. Es war Orianna unmöglich, seinen Gesichtsausdruck zu<br />

deuten. Wenn sie ihn ansah, sah sie einfach nichts; sie erkannte ihn nicht<br />

wieder. „Ja, das ist der Jedi.“<br />

Multiples Klicken erfüllte den Raum, als die Sturmtruppler ihre<br />

Blastergewehre auf Eliashar richteten. Auch der Mann zog eine BlasTech-<br />

Pistole hervor und überprüfte die Energiezellen.<br />

„Nein!“ keuchte Orianna. Das Kind auf ihrem Arm gab ein gequältes<br />

Quietschen von sich.<br />

„Nimm das Kind da weg“, blaffte der Imperiale Agent ungehalten in<br />

Ilyas Richtung. „Und nimm dein Frauchen gleich mit. Sie steht eh nur<br />

unnütz in der Gegend herum.“<br />

Orianna kämpfte gegen den Knoten in ihrer Kehle an und Tränen<br />

verschleierten erneut ihre Sicht. Ilya trat vor, legte eine Hand auf Oriannas<br />

Oberarm und führte sie langsam in Richtung Tür. Ihre Beine wurden<br />

weich und sie war so kraftlos und verwirrt, dass sie ihm ohne Widerstand<br />

folgte.<br />

Er führte sie mit großen Schritten auf den Korridor, wo sich zu beiden<br />

Seiten Sturmsoldaten gegen die Wände pressten und abwarteten, ob der<br />

Jedi einen unüberlegten Fluchtversuch wagen würde.<br />

195


„Alles wird gut“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Vertrau mir.“<br />

Orianna sah ihn verwirrt an und eine neue Emotion mischte sich unter<br />

ihre Angst: Unbändiger, ungezügelter Zorn.<br />

Wie konnte er sich noch erdreisten von Vertrauen zu sprechen?<br />

Blasterschüsse tauchten den Korridor immer wieder rotes, todbringendes<br />

Licht. Bithras' und Eliashars Todesschreie jagten ihr kalte Schauer<br />

über den Rücken, während sie mit zusammen gepressten Lippen lauschte.<br />

Einer der beiden versuchte ein paar letzte Worte hervorzupressen, doch<br />

über den Lärm des Schüsse hinweg konnte sie nicht verstehen, was gesagt<br />

wurde.<br />

Ilya zerrte sie in die Wohneinheit und schloss die Tür hinter ihnen. Die<br />

Geräusche erstarben abrupt. Noch immer wusste sie nicht, ob ihm klar war,<br />

was er soeben getan hatte oder ob er es bereute.<br />

„Sag, wann bist du zu einem Mörder geworden?“ fragte sie kühl. Eine<br />

Sekunde lang wunderte sie sich, welche Intensität die Abscheu ihrer<br />

Stimme verlieh. „Was haben deine neuen Freunde getan, um dich so zu<br />

verderben?“<br />

Eine Ohrfeige war die Antwort.<br />

„Halt den Mund!" fauchte er. „Du hast ja keine Ahnung!“<br />

„Dann erkläre mir doch, wovon ich keine Ahnung habe!“ blaffte sie<br />

zurück, den Schmerz in ihrer Wange ignorierend.<br />

„Ich wollte euch beschützen!“<br />

Für einen Augenblick hing nur das Schreien des Kindes zwischen ihnen<br />

in der Luft.<br />

„Und du erwartest jetzt von mir, dass ich dir glaube und Verständnis<br />

für dich habe?“ fragte Orianna eisig, ehe sie beruhigend den Schopf ihrer<br />

Tochter zurückstrich. Irgendetwas sagte Orianna, dass das Mädchen sehr<br />

genau wusste, was um sie herum passierte. „Tut mir leid, damit kann ich<br />

nicht dienen!“<br />

Mit einem Zischen glitt die Tür auf und der Imperiale Agent trat ein.<br />

Etwas Rötliches schimmerte am Ärmel seines Kampfanzuges,<br />

wahrscheinlich Blut. Orianna wollte sich die Gräuel nicht ausmalen, die er<br />

ihrem Schwager und dem Jedi zugefügt hatte. Seine Pistole hielt er noch<br />

immer fest umklammert und hinter ihm versammelten sich einige<br />

Sturmtruppler auf dem Gang.<br />

196


„Der Jedi hat noch ein paar sehr interessante Dinge erzählt“, begann er,<br />

richtete seine Worte dabei jedoch eher an Ilya, als an Orianna, „bevor er<br />

schließlich abgedankt hat.“<br />

Eine entsetzliche Vorahnung ließ Orianna erzittern.<br />

„Das kleine Mädchen dort“, der Agent nickte in ihre Richtung, „er<br />

schien großes Interesse daran zu haben, dass wir sie nicht in die Finger<br />

kriegen.“<br />

„Wie bitte?“ fragte Ilya verständnislos.<br />

„Wenn ein Jedi Interesse an einem Neugeborenen zeigt“, führte der<br />

Agent weiter aus, ohne auf eines der Elternteile zu achten, „dann beweist<br />

das nur eins: Das Kind hat einen besonderen Wert für den sterbenden<br />

Orden der Jedi. Einen Wert, den andere Kinder nicht haben...“<br />

Jeder Muskel in Oriannas Körper schien wie gelähmt, sie konnte sich<br />

einfach nicht von der Stelle rühren. Nur ihre Augen folgten gebannt, wie<br />

der Mann lässig durch die Wohneinheit schritt und sich in aller Seelenruhe<br />

umschaute. Er nahm die Holoprojektionen an der Wand in Augenschein,<br />

strich mit den Fingern über die Tastatur an der HoloComm-Einheit, seine<br />

BlasTech-Pistole weiterhin fest umschlossen.<br />

„An deiner Stelle würde ich ihr das Kind abnehmen“, sagte er<br />

schließlich an Ilya gewandt. Ein dämonisches Glitzern war in seine Augen<br />

getreten.<br />

Ohne weitere Umschweife – ohne auch nur einmal die Motive des<br />

Imperialen Agenten zu hinterfragen – packte Ilya Oriannas Arm und wand<br />

das Mädchen aus der Umarmung seiner Mutter.<br />

Orianna hätte ihn am liebsten angespukt, doch sie war zu sehr damit<br />

beschäftigt, sich ihre Tochter nicht wegnehmen zu lassen. Er war viel<br />

stärker als sie...<br />

Ein einziger Schuss setzte dem Kampf zwischen Mutter und Vater ein<br />

Ende. Finsternis verschluckte alle Empfindungen.<br />

Einen Moment lang glaubte Mara, sie könnte nicht mehr atmen, würde<br />

in die alles verschlingende Dunkelheit hinab gezogen werden. Doch dann<br />

gab es eine Verzerrung, ein Wechsel in der Perspektive. Und plötzlich sah<br />

sie nicht mehr mit Oriannas Augen, sondern starrte auf sie hinab und sah,<br />

wie die junge Matale regungslos am Boden lag. Der kleine Teil von Mara,<br />

der sich noch nicht ganz den machtvollen Erinnerungen ergeben hatte,<br />

197


wand sich, begehrte auf, sträubte sich gegen die Erkenntnis. Dies waren<br />

nicht länger Oriannas Erinnerungen.<br />

Es waren ihre eigenen.<br />

Rajasta Djae beugte sich über Oriannas Leichnam und warf Ilya die<br />

Kette mit dem Amulett zu. „Hier, nimm’s als Erinnerung an deine kleine<br />

Farmlady. Besser du suchst dir deine Frauen in Zukunft sorgfältiger aus.“<br />

Dann winkte er einem Soldaten zu, der Ilya das schreiende Kind abnahm.<br />

„Man wird sich für diesen Dienst am Imperium noch bei dir erkenntlich<br />

zeigen."<br />

„Was habt ihr mit ihr vor?" fragte Ilya entgeistert und vor Schreck<br />

ganz leichenblass. „Wo bringt ihr sie hin?“<br />

Als Antwort erhielt er das Klicken von Blastergewehren, die von Töten<br />

auf Betäuben umgeschaltet wurden. „Los, Bewegung“, befahl der<br />

Kommandant der Sturmtruppe barsch und stieß Ilya mit der Mündung<br />

seines Gewehrs in den Rücken.<br />

„Was tut ihr mit meiner Tochter?“ verlangte er erneut zu wissen,<br />

diesmal mit mehr Nachdruck und Verzweiflung in der Stimme.<br />

„Wenn sie wirklich in der Macht begabt ist, so wie der Jedi gesagt hat,<br />

dann wird der Imperator ein Auge auf sie werfen wollen“, erklärte Rajasta<br />

kühl. „Und falls sie seine Prüfung übersteht, darf sie weiterleben, anstatt<br />

der Order 66 gemäß exekutiert zu werden. Vielleicht wird Palpatine sogar<br />

Nutzen aus ihr ziehen können. Du selbst wirst Nutzen aus ihr ziehen<br />

können.“<br />

Der imperiale Agent sah auf das strampelnde Bündel auf dem Arm des<br />

Sturmsoldaten hinab und lächelte eiskalt. „Ihre Exekution wäre aber auch<br />

ein Jammer. Sie wird sicher eine Schönheit wie ihre Mutter. Das kupferrote<br />

Haar hat sie jedenfalls schon.“<br />

MIT ALLER KRAFT, DIE SIE NOCH AUFZUBRINGEN VERMOCHTE, SCHLEUderte<br />

Mara das Amulett ihrer Mutter von sich. Lautes Klingen<br />

erfüllte das Wohnzimmer, als das Schmuckstück von der Wand<br />

abprallte und irgendwo liegen blieb, doch sie weigerte sich<br />

hinzusehen.<br />

Hier war es passiert. Hier in diesem Zimmer war Orianna Matale<br />

von Rajasta Djae kaltblütig ermordet worden. Hier hatte man ihre<br />

198


Familie endgültig entzwei gerissen. Und nun – endlich – schloss<br />

sich der Kreis.<br />

Dennoch spürte sie keine Wut, nur Verzweiflung. Verzweiflung,<br />

und eine seltsame Traurigkeit, die ihr gewaltsam die Kehle<br />

zuschnürte. Ihr ganzer Körper zitterte und bebte unkontrollierbar.<br />

Mit zusammen gepressten Kiefern und noch fester zusammen<br />

gebissenen Zähnen klang ihr unregelmäßiger, stoßweise gehender<br />

Atem wie ein trockenes Schluchzen.<br />

Mara ballte eine Hand zu Faust und suchte in ihrem Inneren<br />

nach einem Fokus, so wie Skywalker ihr es immer gepredigt hatte.<br />

Es gibt keine Leidenschaft, es gibt Frieden, rezitierte sie in Gedanken<br />

den alten Jedi-Kodex. Denn alles was sie wollte, war ihr eigener<br />

Seelenfrieden, nicht die quälende Erinnerung an die Vergangenheit.<br />

Dort gab es keine Wahrheit zu finden, nur Leid und Schmerz. Vor<br />

neun Jahren hatte sie sich geschworen, diesen Schmerz hinter sich<br />

zu lassen, während der Imperial Intel sie quer durch die Galaxis<br />

gejagt hatte.<br />

Doch nun hatte sie keine Wahl mehr. Sie musste sich der<br />

Vergangenheit erneut stellen, so wie sie sich C'boath, Thrawn und<br />

Palpatines letztem Befehl gestellt hatte. Und sie würde diesem<br />

Wahnsinn ein Ende bereiten, selbst wenn es ihren Tod bedeutete.<br />

Plötzlich hörte sie etwas. Ein leises Scharren auf die Korridor und<br />

ein kaum vernehmbares Atmen. Schritte wirbelten den jahrzehnte<br />

alten Staub auf und zerstörten damit den Zauber der Vergangenheit.<br />

Sie war nicht mehr allein.<br />

199


8: FRAGMENTS OF SORROW<br />

WIEDER WAR SIE FORT UND IHM BLIEB ERNEUT NICHTS ANDERES ÜBRIG,<br />

als mit einem Seufzen zurück ins Haus zu gehen, nachdem sie mit<br />

dem Landspeeder hinter einer Biegung des Pfades verschwunden<br />

war. Langsam begann sich Maras Frustration auch auf ihn<br />

auszuwirken, denn nichts anderes rief ihr Verhalten in ihm hervor.<br />

Sie war störrischer als ein Bantha und er konnte sich nicht erklären,<br />

warum sie seine Hilfe nicht annehmen wollte. Es war ihm ein Rätsel.<br />

Sarzamin saß noch genau da, wo sie vor Maras überstürztem<br />

Abgang gesessen hatte, und wartete geduldig. Ihm entging jedoch<br />

nicht die Nachdenklichkeit, die sich ihrer Gesichtszüge bemächtigt<br />

hatte. Ihre Augen hatten diesen seltsamen Schimmer angenommen,<br />

den menschliche Augen immer bekamen, wenn man mit seinen<br />

Gedanken in weiter Ferne schweifte. Erst, als Luke sich setzte,<br />

erwachte sie aus ihrer Trance.<br />

„Ist sie fort?“ fragte sie ruhig.<br />

„Ja“, war die knappe Antwort. Er biss sich auf die Unterlippe<br />

und strich mit den Fingerspitzen über sein Kinn. Im Augenblick<br />

wusste er nicht, was er sonst noch hätte sagen sollen.<br />

„Ich muss Sie etwas fragen, Master Skywalker“, sagte Sarzamin<br />

und betrachtete ihn mit ernster Miene, „über etwas, das soeben<br />

gesagt wurde.“<br />

„Fragen Sie“, meinte Luke müde.<br />

200


„Sie sagten vorhin, dass nur Miss Jade die Erinnerungen in<br />

Oriannas Amulett wachrufen kann, nicht? Dass sie wie eine Art<br />

Schlüssel funktioniert.“<br />

„Richtig.“<br />

„Und sie vermuten, dass es vielleicht der Jedi gewesen sein<br />

könnte, der Oriannas Erinnerungen speziell für Miss Jade<br />

abgespeichert hat?“<br />

„Möglicherweise, wobei ich das für recht unwahrscheinlich halte.<br />

Erinnerungen in Objekten einzuspeisen ist selbst für einen Jedi eine<br />

schwierige Aufgabe, doch die Informationen dann auch noch so zu<br />

codieren, dass sie von nur einer bestimmen Person gelesen werden<br />

können, die – nebenbei bemerkt – zu diesem Zeitpunkt vermutlich<br />

nicht einmal geboren war, ist eine noch viel größere<br />

Herausforderung“, erklärte Luke.<br />

„Und sehen Sie“, meinte Sarzamin und beugte sich in ihrem<br />

Sessel leicht nach vor, „da glaube ich, irren Sie. Vielleicht ist nicht<br />

Mara der Schlüssel, sondern das Amulett. Vielleicht funktioniert<br />

dieses ganze Modell genau anders herum.“<br />

„Sie meinen, Mara trägt die Erinnerung und das Amulett fördert<br />

sie zutage?“ hakte Luke mit gerunzelter Stirn nach.<br />

„Ganz genau.“<br />

„Wie hätte der Jedi das anstellen sollen? Sie sagten selbst, dass er<br />

am gleichen Tag starb wie Orianna, dass er Dantooine also nie<br />

wieder verlassen hat. Er und Mara hätten zuvor in Kontakt treten<br />

müssen, damit diese <strong>Version</strong> der Geschichte funktionieren kann.“<br />

Sarzamin setzte ein trauriges Lächeln auf. „Es gibt da eine<br />

Möglichkeit. Eine, die ich für äußerst wahrscheinlich halte.“<br />

Luke warf ihr einen fragenden Blick zu. Er war sich nicht sicher,<br />

worauf sie hinauswollte. „Und die wäre?“<br />

„Sie ist Oriannas Tochter.“<br />

Das Herz sank ihm in der Brust und er konnte spüren, wie ihm<br />

die Farbe für einen kurzen Augenblick aus dem Gesicht wich. Wenn<br />

dem so war, wollte er nicht wissen, was geschah, wenn Mara dies<br />

erfuhr.<br />

„Es würde zumindest erklären, warum sie mich von Anfang an<br />

an Orianna erinnert hat“, fügte die Händlerin mit einem weiteren,<br />

201


traurigen Lächeln hinzu. „Charakterlich sind sie einander wohl<br />

kaum ähnlich, außer dass beide stur wie eine Kinrath sind, aber<br />

manchmal erinnerte mich die Art, wie sie sich bewegte an meine alte<br />

Freundin. Zumal Teint und Haarfarbe sich bis ins Detail gleichen.“<br />

„Das kann nicht sein“, erwiderte Luke, dessen Stimme sich<br />

plötzlich rau und belegt anhörte.<br />

„Anders kann ich es mir nicht erklären“, gab Sarzamin zurück.<br />

Ihre Haltung und Stimme vermittelten eine Sicherheit, an der es<br />

Luke im Augenblick mangelte. „Und Orianna hatte ein Mädchen zur<br />

Welt gebracht, wenige Monate vor ihrem Mord. Ich dachte, man<br />

hätte das Kind ebenfalls exekutiert, bloß, um an dieser Familie ein<br />

Exempel zu statuieren. Anscheinend habe ich mir geirrt...“<br />

Nun, da er darüber nachdachte, ergab Sarzamins Theorie<br />

durchaus Sinn. Es war die bislang schlüssigste Erklärung, die sie zur<br />

Hand hatten, für all die seltsamen Dinge, die mit Mara geschahen.<br />

Es erklärte sogar die tiefen Wunden, die Oriannas Erinnerungen an<br />

ihr hinterlassen hatten. Der ganze Prozess des Schmerzes rief in ihm<br />

die Bilder dessen wach, was einst mit ihm selbst auf Dagobah und<br />

auf Bespin geschehen war, als man ihm eröffnet hatte, wer Darth<br />

Vader wirklich war. Er war damals genauso unvorbereitet gewesen<br />

wie Mara jetzt, doch hatte es einen bezeichnenden Unterschied<br />

gegeben. Seine ganze Jugend hindurch hatte es ihn danach verlangt<br />

zu wissen, wer sein Vater gewesen war. Mara hingegen hatte nie<br />

nach einer Antwort auf die Frage ihrer Herkunft gesucht. Ihr Leben<br />

fing als Hand des Imperators an. Was davor gewesen sein mochte,<br />

war nicht weiter von Belang. Er hatte, im Gegensatz zu Mara, alles<br />

wissen wollen und deshalb traf sie die Wahrheit vermutlich um ein<br />

vielfaches tiefer als ihn.<br />

Seine Frustration wich schlagartig einer tiefschürfenden Sorge.<br />

Ob Mara eine derartige Verbindung zwischen sich und Orianna<br />

Matale bereits erahnte?<br />

„Ich... ich bin sprachlos“, sagte Luke und schüttelte dabei<br />

langsam den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“<br />

„Also stimmen Sie mir zu?“<br />

„Ich muss Ihnen wohl zustimmen, weil dies die wohl<br />

plausibelste Erklärung ist, die wir bisher haben“, erwiderte Luke<br />

202


und biss sich erneut auf die Unterlippe. Es fiel ihm schwer, sich auf<br />

Sarzamin zu konzentrieren und ihrem abwartenden Blick zu<br />

begegnen. Seine Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an, als<br />

seine Gedanken von dem Hier und Jetzt fort schweiften. Einen<br />

Moment dachte er daran, was wohl gewesen wäre, hätte Sarzamin<br />

ihre Vermutung schon in Maras Beisein vorgebracht. Hätte Mara ihr<br />

Glauben geschenkt? Das Thema war so überaus heikel und sensibel,<br />

dass er selbst es nur ein einziges Mal anzuschneiden versucht hatte,<br />

nur um auf die vehementeste Gegenwehr zu stoßen, die er je bei<br />

einem Menschen erlebt hatte. Daher hatte er es – bis jetzt – vergessen<br />

und diese Dinge sich selbst überlassen, so wie Mara es auch tat.<br />

Doch nun...<br />

„Ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen“, murmelte er mehr zu<br />

sich selbst und sobald er diese Worte ausgesprochen hatte, breitete<br />

sich eine Unruhe in ihm auf, die selbst mit Hilfe der Macht nur<br />

schwer zu besänftigen war. „Ich hätte ahnen müssen, dass so etwas<br />

mit ihr passieren würde. Wenn sie doch bloß mit mir darüber<br />

gesprochen hätte. Über alles.“<br />

„Manche Frauen lassen sich nicht so leicht bändigen“, sagte<br />

Sarzamin, „und Jade machte auf mich nicht den Eindruck auf mich,<br />

als ob irgendetwas die Naturgewalten in ihrem Innern zähmen<br />

könnte. Nicht einmal ein Jedi-Meister.“<br />

„Vielleicht“, brummte Luke. „Doch wenn sie wirklich einen<br />

Partner will, dann sollte sie endlich aufhören, solo zu fliegen.“<br />

„Sie ist eine erwachsene, vernunftbegabte Frau. Denken Sie nicht,<br />

dass sie für sich selbst entscheiden kann?“<br />

Luke hielt inne, unterdrückte ein Seufzen. „Eigentlich ja, Mara ist<br />

eine starke Frau. Aber diesmal ist sie an ihre Grenzen gelangt und<br />

hat ihre körperlichen und mentalen Kräfte über die Maßen<br />

strapaziert.“<br />

„Wie meinen Sie das?“<br />

„Sie ist nicht mehr sie selbst. Oriannas Erinnerungen haben sie<br />

verändert, wühlen sie im Innersten auf, bringen ihr mentales<br />

Gleichgewicht vollkommen durcheinander. Ihre Sinneseindrücke<br />

sind von Schmerz überschattet und rauben ihr den Fokus, den sie<br />

203


äuchte, um ihre Fähigkeiten voll zu entfalten. Ich fürchte, dass sie<br />

diesmal ohne Hilfe nicht gewinnen kann.“<br />

ADRENALIN BREITETE SICH MIT ÜBERLICHTGESCHWINDIGKEIT IN IHREM<br />

Körper aus und ließ ihr Blut durch ihre Adern pulsieren wie die<br />

Lavaflüsse von Mustafar. Sie wagte es kaum zu atmen, damit das<br />

Geräusch nicht die Laute um sie herum übertönte. Das Herz schien<br />

ihr mit einem Ruck in den Hals gesprungen zu sein und pochte<br />

heftig gegen ihren Kehlkopf.<br />

Ihre Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt, während sie in<br />

leicht geduckter Haltung zur noch immer offen stehenden Tür der<br />

Wohneinheit hinüber schlich und sich unmittelbar neben dem<br />

Türrahmen mit dem Rücken gegen die staubige Wand drückte. Sie<br />

lauschte angestrengt in die Stille hinein, eine Hand bereits fest auf<br />

dem Griff des Lichtschwerts an ihrem Gürtel.<br />

Wieder hörte sie ein Scharren, als wenn jemand über Kies oder<br />

Glas ginge und dann unwirsch etwas mit dem Fuß beiseite schob.<br />

Der Moder und der Dreck kratzte über den Durastahl.<br />

Mit Hilfe der Macht versuchte sie das wilde Pochen ihres Herzes<br />

zu beruhigen und ihre Sinneswahrnehmung zu schärfen, doch es<br />

gelang ihr nicht ganz, den notwendigen Fokus zu finden. Ihr Puls<br />

flaute zwar langsam ab, doch sie spürte noch immer das Adrenalin<br />

wie eine Droge durch ihren Körper rauschen. Jede Faser ihres Seins<br />

war in höchster Alarmbereitschaft. Doch die Macht verklärte sich zu<br />

einem verschwommenen Nebel, der ihre Wahrnehmung umgab.<br />

Die ächzenden Schritte wurden lauter, zeichneten sich jedoch<br />

auch durch eine Leichtfüßigkeit aus, die Mara nur einer Person auf<br />

diesem Planeten zutrauen würde, außer sich selbst.<br />

„Machen Sie es sich doch gemütlich, Montross“; sprach sie mit<br />

fester Stimme in die Stille hinein, „und fühlen Sie sich wie daheim.<br />

Schließlich waren Sie ja schon mal hier.“<br />

„Zu gütig“, gab May zurück, „aber warum empfängt mich die<br />

Hausherrin nicht persönlich? Das ist ganz schön unhöflich.“<br />

„Ich erwidere nur die Höflichkeit, die Sie mir vorhin in dem Café<br />

erwiesen haben. Das werden Sie mir wohl kaum verübeln können.“<br />

204


„Ach ja“, säuselte Montross und Mara konnte förmlich sehen,<br />

wie die andere Frau ein aalglattes Lächeln aufsetzte, „das Prinzip<br />

der ausgleichenden Gerechtigkeit. Ich sehe, jetzt wir auf einem<br />

Level, Jade.“<br />

Mara hörte, wie Montross sich im Flur seufzend gegen eben jene<br />

Wand lehnte, auf deren anderer Seite sie selbst sich befand. Von<br />

außen betrachtet, musste die Szenerie den klischeehaften Anklang<br />

eines HoloVids haben: Die beiden Kontrahentinnen, deren Kampf<br />

kurz bevor stand und die nur durch eine einzige Durastahlwand<br />

voneinander getrennt waren. Blieb nur noch die Frage, wer von<br />

beiden den ersten Schritt machen würde.<br />

„Sagen wir, ich sehe die Dinge jetzt klarer“, sagte Mara. „Dafür<br />

haben Sie ja Sorge getragen.“<br />

„Also hat Orianna endlich ihr jämmerliches Leben bis zum<br />

bitteren Ende offenbart?“ fragte May. „Bedanken Sie sich nicht bei<br />

mir für diese segenvolle Erleuchtung. Auch Eliashar Selva und vor<br />

allem Sie selbst haben dazu beigetragen, dass die Geschichte diesen<br />

Lauf genommen hat. Sie hätten nach den Ereignissen auf Belderone<br />

genauso gut zurück nach Ord Mantell oder sonst wo hin fliegen<br />

können, wo sich Talon Karrde und sein Gesindel üblicherweise<br />

herumtreiben. Sie hätten einfach umkehren und die Sache vergessen<br />

können. Niemand hat Sie gezwungen meiner Spur zu folgen. Außer<br />

Sie selbst natürlich.“<br />

Mara knirschte mit den Zähnen. „Ich glaube kaum, dass Sie mich<br />

so einfach hätten gehen lassen, nicht wahr, Montross?“<br />

„Diese Frage habe ich mir gar nicht gestellt“, gab die andere Frau<br />

zurück. „Ich habe Sie studiert, Jade, lange bevor Sie kamen, um mich<br />

im Namen des Imperiums zu verhaften. Ihre Gewohnheiten waren<br />

leicht zu durchschauen, wenn man gewillt war auf Palpatines<br />

pompösen Empfängen einmal genauer hinzusehen. Gouverneure<br />

und einfältige Muftis konnte Sie vielleicht davon überzeugen, dass<br />

Sie eine Mätresse des Imperators waren, doch mich nicht. Mein<br />

Interesse an Ihnen ging weit über das vernünftige Maß hinaus, will<br />

ich meinen, und doch hat es mir bislang nur zum Vorteil gereicht.<br />

Ich konnte Ihre scheinbar angeborene Neugierde und Ihren<br />

Übereifer, der Sie immer weiter antreibt, nach meinem Belieben<br />

205


manipulieren. Sie würden mir folgen, egal wie abstrus meine<br />

Hinweise auch sein mögen, dessen war ich mir sicher.“<br />

„Ich fühle mich geschmeichelt“, brachte Mara in sarkastischem<br />

Ton hervor. „Womit hatte ich nur all die Aufmerksamkeit verdient?“<br />

Sie hörte, wie May verächtlich schnaubte. „Sie sind Ilyas<br />

Tochter.“<br />

„Und womit hatte er Ihr Augenmerk auf sich gelenkt? Waren Sie<br />

sein Schützling, den er in den Imperial Intel hinein geschleust hat,<br />

damit Rajasta Djae ja nicht vergas, dass er ihm noch einen Gefallen<br />

schuldig war?“<br />

„Weit gefehlt“, erwiderte Montross kalt und hielt dann inne.<br />

Traurigkeit und Bedauern verzerrten ihre Worte. „Woher nehmen<br />

Sie sich bloß die Dreistigkeit, ihn für so herzlos zu halten?“<br />

Plötzlich dämmerte es Mara.<br />

„Sie haben ihn auch geliebt, nicht wahr?“ Eine Spur von Mitleid<br />

mischte sich in ihre Stimme. May schwieg, was einer Zustimmung<br />

oder vielmehr einem Bekenntnis gleichkam.<br />

„Dann waren Sie ebenso töricht wie Orianna Matale. Sie hielt ihn<br />

auch für das Zentrum ihres Universums und Sie wissen ja, was es<br />

ihr genützt hat. Offenbar scheint Ilya Jade seinen Frauen kein Glück<br />

zu bringen.“<br />

Obwohl ihre Wahrnehmung in der Macht gedämpft war, so<br />

spürte sie doch die brennende Wut, die in May Montross aufstieg<br />

und an die Oberfläche ihres Bewusstseins kochte. Mara konnte<br />

kaum verstehen, wie sich eine Frau nach all den Jahren des Mühsals<br />

noch solche Illusionen machen konnte.<br />

„Ich war dabei, als er Sie das erste Mal sah“, fuhr May fort. „Er<br />

hatte nie genau gewusst, was mit Ihnen passiert war, nachdem man<br />

Sie an Palpatine übergeben hatte. Vermutlich hoffte er insgeheim,<br />

dass seine letzte Verbindung zu Orianna Matale nicht durchtrennt<br />

worden war, da er auch sonst alles wie einen Schatz hütete, das ihn<br />

an sein altes Leben erinnerte. Vielleicht hoffe er auch auf eine<br />

Chance zur Wiedergutmachung. Ilya sprach niemals über den Tag,<br />

an dem Sie praktisch von den Toten wieder auferstanden sind. Doch<br />

ich wusste genug über ihn und auch über seine erste Geliebte, um<br />

zu wissen, welchen Schaden Sie anrichten konnten.<br />

206


Ziemlich quicklebendig und munter stolzierten Sie eines Tages<br />

einfach so in das Büro des Imperial Intel, als gehörte Ihnen der<br />

ganze Laden. Sie kamen herein, fünf Kohorten von Palpatines besten<br />

Sturmtruppen im Schlepptau, um irgendeinen kleinen Wicht zu<br />

verhören, den wir im Shelsha-Sektor aufgegriffen hatten. Ihre<br />

Selbstsicherheit und ihr Stolz waren Übelkeit erregend.“<br />

„Ich habe aber noch nie von einem Agenten Jade beim Imperial<br />

Intel gehört“, sagte Mara langsam und wälzte in ihrem Gedächtnis.<br />

Kein Gesicht, an das sie sich noch erinnerte, wollte passen. „Was<br />

also hatte er mit dem Geheimdienst zu schaffen?“<br />

„Oh, er war kein Imperialer Agent“, informierte May sie. „Nein,<br />

Sie fortzugeben hat ihm weit mehr eingebracht als einen<br />

militärischen Dienstgrad. Er wurde zu einem anderen Mann mit<br />

einem anderen Namen.“<br />

„Wenigstens hatten Sie darin was gemein“, sagte Mara, die sich<br />

den bissigen Kommentar nicht hatte verkneifen können.<br />

Eine neue Weller der Wut und der Frustration ging über May<br />

hinweg. „Ihnen“, fuhr sie mit beherrschter Stimme fort, „ist er wohl<br />

besser als Fermor Fingal bekannt.“<br />

Mara fühlte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht strömte. Ja, diesen<br />

Namen kannte sie tatsächlich. Zur Zeit des Galaktischen<br />

Bürgerkriegs hatte es nur wenige gegeben, die ihn nicht kannten.<br />

„Der Besitzer der Corleil Corporation?“ hauchte Mara. „Das war<br />

also der Preis für mich?“<br />

„Jedi sind schon eine Menge wert, nicht?“ Schadenfreude verlieh<br />

Mays Stimme neue Kraft. „Djae verschaffte ihm die Aktienmehrheit<br />

über die Firma, und er lebte damit viele Jahre nicht schlecht. Er<br />

zählte zu den reichsten Männern des Inneren Randes und konnte es<br />

auch mit den Tycoons der Kernwelten aufnehmen. Allerdings durfte<br />

er nie wieder er selbst sein.<br />

Doch selbst wenn Sie gewusst hätten, wer er war und was Sie ihm<br />

bedeuteten, Sie hätten vermutlich nicht einmal einen Blick für ihn<br />

übrig gehabt. Er hingegen ließ sie nie wieder aus den Augen. Da<br />

wusste ich, dass Orianna noch immer Macht über ihn hatte... und<br />

dass er nie ganz mein sein würde, solange er sich an sie erinnerte.“<br />

„Das ist doch krank!“ spuckte Mara.<br />

207


„Ihretwegen ließ Djae ihn hinrichten. Ilya wollte Sie wieder<br />

haben, wollte seine kleine Tochter aus den Klauen des Imperiums<br />

entreißen und einen Teil seines alten Lebens zurück gewinnen. Was<br />

für ein törichter Gedanke und er war besessen davon!“ Mays eigener<br />

Zorn nahm ihr den Atem und sie presste die Worte mühsam hervor.<br />

„Djae brauchte nur eine Entschuldigung für Kommandantin Isard,<br />

um einen ihrer wichtigsten Geschäftsfreunde ermorden zulassen.“<br />

„Und den fand er in Ihnen“, vollendete Mara, „weil Sie nicht die<br />

Person waren, die Sie vorgaben zu sein.“<br />

„Oh, ich war genau die Person, die ich vorgab zu sein!“ Ein<br />

bedrohliches, mechanisches Klicken drang an Maras Ohr. Eine<br />

Vorahnung, wie ein eisiger Windhauch, aktivierte ihre Reflexe. „Ich<br />

war nur kein Mann.“<br />

In eben jenem Moment, da May Montross ihren Blaster zückte<br />

und herumwirbelte, drückte Mara sich von der Wand ab und warf<br />

sich Cailetet Matales altem Sessel entgegen. Sie sprang darüber<br />

hinweg und ging Schutz suchend in die Hocke. Tod bringende rote<br />

Laserstrahlen zuckten durch den Raum auf sie zu, schlugen in die<br />

Rückenlehne des Sessel ein und ließen Asche aus dem alten<br />

Polsterbezug bröckeln. Ozon stach ihr in die Nase.<br />

Mara tastete nach dem Lichtschwert. Es würde in dieser Situation<br />

wenig bringen, ihren Blaster aus dem Halfter an ihrem Unterarm zu<br />

ziehen. Beide Frauen waren mit viel zu guten Reflexen ausgestattet,<br />

um mit einem jämmerlichen Fernschuss erledigt zu werden. Es<br />

musste ihr gelingen, so nah wie möglich an ihre Gegnerin<br />

heranzukommen. Montross wäre zwar sicherlich nicht dumm<br />

genug, sich auf einen Nahkampf mit einem Lichtschwertträger<br />

einzulassen. Dennoch musste sich Mara auf den einen<br />

unschätzbaren Vorteil stützen, den sie hatte: Die Macht.<br />

Immer wieder perforierten Blasterschüsse den Sessel und die<br />

Überreste des Teppichs. Für die ehemalige Hand des Imperators<br />

war es nicht schwer, anhand der Streuung der Schüsse und deren<br />

Einschlagwinkel Mays genaue Position zu bestimmen. Montross<br />

stand immer noch im Türrahmen, hinter dem sie zur Sicherheit<br />

verschwinden konnte. Sie wartete nur darauf, Mara mit ihrer<br />

Schießerei endlich hinter dem Möbelstück hervor zu locken. Zum<br />

208


Glück war Montross nie in den Genuss gekommen, Mara während<br />

ihrer Missionen zu studieren, sonst hätte sie vielleicht geahnt, was<br />

nun auf sie zukam.<br />

Unbeirrt vom Jaulen des Blasters, konzentrierte sich Mara auf die<br />

zerstörte HoloCom-Einheit. Mit Hilfe der Macht rüttelte sie an<br />

einem scharfkantigen Stück Metall, das an einer Seite der Konsole<br />

herunter baumelte. Sie versuchte, ihre körperliche und mentale<br />

Erschöpfung beiseite zu schieben. Das kleine Stückchen Durastahl,<br />

das einmal Teil der Tastatur gewesen war, musste zum Zentrum<br />

ihres Universums werden.<br />

Maras Muskeln zitterten, als sich das Bruchstück endlich von der<br />

Konsole trennte. Doch sie gestattete sich keine Erleichterung,<br />

sondern lenkte den Fluss der Macht um, richtete all ihr Denken auf<br />

May, die jenseits des Sessels immer noch wie eine Besessene feuerte.<br />

Sie hatte vermutlich nur einen Versuch.<br />

Mit größtmöglicher Präzision steuerte sie das Bruchstück und<br />

malte vor ihrem geistigen Auge ein genaues Abbild der Flugbahn<br />

aus. Als sie sich ihres Ziels sicher war, schleuderte sie es quer durch<br />

den Raum, direkt auf Mays Kehle zu.<br />

Sie hörte, wie Stoff zerfetzte und May einen spitzen Schrei<br />

ausstieß. Das Blasterfeuer verstummte. Mit Schweiß auf der Stirn<br />

und an den Schläfen gestattete sich Mara einen Blick über die Lehne<br />

des Sessels hinweg, das Lichtschwert mit einer Hand fest<br />

umklammert.<br />

Fluchend griff May nach einem langen Riss in ihrer glänzenden<br />

Jacke knapp unterhalb ihres Schlüsselbeins. Der schwarze Stoff<br />

entlang des Risses nahm in Sekunden eine eher bräunliche Farbe an<br />

und dunkles, dickflüssiges Blut ergoss sich über Mays Hand, als sie<br />

Maras provisorisches Geschoss aus ihrem Fleisch zog.<br />

Mara lag ein Fluch auf den Lippen. Sie hatte sich nur um wenige<br />

Zenitmeter verschätzt. Wenige, jedoch entscheidende Zentimeter.<br />

Plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie May wirklich<br />

besiegen konnte.<br />

„Nicht schlecht, Jade“, keuchte diese zwischen zusammengebissenen<br />

Zähnen hervor. Ihr Gesicht hatte sich zu einer Grimasse der<br />

209


Abscheu verzerrt, während sie aufmerksam die Verletzung untersuchte.<br />

„Wirklich nicht schlecht.“<br />

Mara tauchte wieder in Deckung. Ihre Gedanken überschlugen<br />

sind. Es wäre das Klügste, sich auf das Raubtier zu werfen, solange<br />

es frisch verwundet war. Doch hatte nicht einst einer ihrer Trainer<br />

zu ihr gesagt, dass der Vorsk, der sein Ende nahen sah, stets der<br />

gefährlichste war?<br />

Ihre Hand umschloss das Heft des Lichtschwertes so fest, dass<br />

ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie musste es versuchen.<br />

„Es gibt noch Nachschlag, wenn Sie wollen!“ rief Mara und<br />

hoffte, dass die Drohung nicht so leer war, wie sie klang.<br />

Mit einem Schrei sprang sie auf und wirbelte herum. Wie ein<br />

gleißender Blitz erwachte die Klinge des Schwerts zum Leben. Der<br />

Staub in der Luft verteilte das blaue Licht wie einen Schleier. Sie<br />

sprang behände über den Sessel hinweg, direkt auf die blasse<br />

Gestalt Mays zu. Diese riss ihren Blaster wieder in die Höhe, aber es<br />

war zu spät. Mit nur einen Hieb trennte Mara den Lauf der Waffe<br />

ab, so dass er qualmend zu Boden viel.<br />

Erschrocken warf May die nun nutzlosen Reste des Blasters von<br />

sich und machte einen Satz nach hinten. Ihre rechte Hand zuckte zu<br />

ihrem linken Ärmel hinüber. In dem Moment, da sie mit den Rücken<br />

gegen die vom Ruß geschwärzte Wand des Korridors prallte, zog sie<br />

ein Vibromesser hervor.<br />

Mara hielt inne, starrte erst die makellos polierte Klinge des<br />

Messers an, dann die entschlossene Miene ihrer Gegnerin. Das<br />

Lichtschwert hielt sie in einer niedrigen Standardkampfpose vor<br />

sich.<br />

„Wollen Sie mich etwa mit dem Zahnstocher da ernsthaft<br />

bedrohen?“ fragte Mara ungläubig. Und sie hatte Skywalker immer<br />

für naiv gehalten.<br />

„An Ihrer Stelle würde ich nicht so eine dicke Lippe riskieren,<br />

Jade“, versetzte May ätzend.<br />

Dann kam der Gegenangriff. Jedoch nicht von oben, wie Mara<br />

vermutet hatte. Zu spät sah sie Montross’ Bein hervorschießen. Der<br />

Tritt traf ihr Schienbein so heftig, dass es sie in die Knie zwang. Sie<br />

hatte ihren sicheren Stand aus lauter Arroganz geopfert.<br />

210


Der nächste Tritt traf die Wurzel von Maras Handgelenk und<br />

schickte einen stechenden Schmerz ihren Arm hinauf. Das<br />

Lichtschwert entglitt ihrem Griff und rollte davon. Die Klinge<br />

deaktivierte sich selbst und hinterließ nichts als schummrige<br />

Dunkelheit.<br />

Staub wurde aufgewirbelt, als Mara mit beiden Händen ihren<br />

Sturz abzufangen versuchte. Glücklicherweise entging sie damit<br />

einem Hieb, den May ihr mit dem Vibromesser versetzen wollte. In<br />

einer fließenden Bewegung drückte sie sich erneut vom Boden hoch<br />

und warf sich mit ausgestreckten Gliedern auf ihre Kontrahentin. Sie<br />

konnte Mays Blut riechen, das noch immer ungehindert aus dem<br />

Schnitt in ihrer Brust quoll.<br />

Sie prallten wieder gegen die Wand und tänzelten dann in einem<br />

bizarren Faustkampf den Korridor hinab. Einzig ihr keuchender,<br />

angestrengter Atem lag in der Luft.<br />

Es gelang Mara ihrer Feindin einige Schläge gegen Bauch und<br />

Brust zu versetzen, kassierte allerdings ebenfalls schmerzhafte<br />

Treffer. Ein Fausthieb traf sie in die Magengegend, ein anderer im<br />

Gesicht und riss ein Stück Haut von ihrer Unterlippe. Heißes Blut<br />

benetzte ihren Mund und rann über ihr Kinn hinab. Das<br />

Vibromesser streifte ihren Ärmel und schlitzte den Stoff ihrer Jacke<br />

auf. Ein Prickeln an ihrem Oberarm wies sie darauf hin, dass May<br />

sie auch dort getroffen hatte.<br />

Von Kopf bis Fuß mit Staub und Blut bedeckt gelang es May<br />

Mara erneut gegen die alten Durastahlpaneelen der Wand zu<br />

schmettern. Schmerz marterte von deren Schulterblättern abwärts<br />

durch ihr Rückgrat bis zum Steißbein und trieb ihr den Atem aus<br />

den Lungen. Diese eine Sekunde der Kampfunfähigkeit genügte<br />

May, um in diesem Kampf die Oberhand zu gewinnen. Mit einem<br />

tiefen Schlag schickte sie Mara zu Boden und warf sich dann mit all<br />

ihrem Körpergewicht auf sie.<br />

Mara hatte keine Zeit sich mit der einer Lähmung<br />

gleichkommenden Pein zu beschäftigen. Der Staub, der ihr plötzlich<br />

in die Atemwege geriet, ließ sie heftig husten. Dann spürte sie schon<br />

kühles Metall an ihrer Kehle, als May das Vibromesser gegen Maras<br />

211


Hals drückte. Finger versenkten sich in ihrem Schopf und krallten<br />

sich daran fest. Ihr war, als wollte man ihr den Schädel spalten.<br />

„Na los, kommen Sie schon, Montross“, brachte Mara hervor und<br />

rang mit ihrem Hustenanfall. „Das hier ist es doch was Sie wollten,<br />

oder? Jetzt bringen Sie’s endlich zuende.“<br />

Es folgte ein Ruck, der jeden Haarfollikel bis zum Zerreißen<br />

spannte. Unwillkürlich stellte Mara sich vor, wie May ihr die<br />

Kopfhaut vom Schädel trennte. Dem Stechen und Ziehen in ihrem<br />

Kopf nach zu urteilen konnte es nicht mehr lange dauern, bis May<br />

sie skalpierte.<br />

„Ich entscheide, wann Sie den Löffel abgeben“, zischte diese,<br />

„und noch ist nicht der geeignete Zeitpunkt dafür gekommen.“<br />

„Sie haben mein Leid wohl noch nicht zu genüge ausgekostet,<br />

was?“<br />

„Nicht einmal annähernd, Jade. Nicht einmal annähernd.“<br />

ER SCHALTETE DAS GETRIEBE DES SPEEDERBIKES AUF DIE HÖCHSTE STUFE<br />

und hörte, wie die Repulsoren widerspenstig aufjaulten. Auch der<br />

Motor ächzte sorgenerregend. Hoffentlich würde er noch lange<br />

genug durchhalten. Sarzamin hatte ihm das überholungsbedürftige<br />

Bike angeboten, denn selbst für einen Jedi-Meister war es eine lange<br />

Strecke bis zum Anwesen der Matales. „Wenn Sie es zu Schrott<br />

fahren, soll’s mir auch egal sein“, hatte sie gesagt. „Was will ich<br />

schon mit diesem alten Ding.“<br />

Lukes düstere Vorahnungen verdichteten sich mehr und mehr<br />

und nahmen langsam die Form einer schrecklichen Gewissheit an.<br />

Seine den Lehren der Jedi geschuldete Ruhe konnte er nur mit<br />

größter Anstrengung aufrecht erhalten.<br />

Also donnerte das Speederbike über die Steppe Dantooines<br />

hinweg. Der Wind schnitt ihm hart ins Gesicht und bauschte seine<br />

Jedi-Tunika auf, Luke nahm jedoch keine Notiz davon. Alles was<br />

zählte, war Mara zu helfen. Vielleicht konnte er dann noch das<br />

Schlimmste verhindern, obgleich er noch keine genaue Vorstellung<br />

davon hatte, was dies sein sollte. Er fühlte sich an seine eigene<br />

Machtlosigkeit im Kampf gegen den Geist Exar Kuns erinnert.<br />

212


Das Herz sank ihm in der Brust, als er das Speederbike um eine<br />

Biegung des Pfades steuerte und die Überreste des Energiefelds vor<br />

ihm auftauchte. Er brachte das Bike nahe dem Zaun zum Stehen,<br />

stieg ab und warf einen flüchtigen Blick auf die verwüstete<br />

Energiekupplung des Feldes, die jemand mutwillig mit einem<br />

Blaster zerschossen hatte.<br />

Mara war es jedenfalls nicht gewesen. Sie hatte den Landspeeder<br />

hier zurückgelassen und dann ihren Weg wohl zu Fuß fortgesetzt.<br />

Der Motor war inzwischen völlig erkaltet und hatte sie nichts<br />

Nennenswertes zurück gelassen.<br />

Luke ging neben dem Speeder in die Hocke und untersuchte ihn<br />

auf etwaige Sabotage, die nach Maras Verschwinden an dem<br />

Vehikel vorgenommen worden war. Doch weder so noch mit Hilfe<br />

der Macht ließ sich eine Gefahr ausmachen. Das Einzige, das ihm ins<br />

Auge fiel, als er aufstand, war eine diffuse Spur im Gras. Der<br />

Rückstoß eines Repulsors, wie sie beispielsweise in den alten,<br />

Imperialen Düsenschlitten verwendet wurden, hatte die Halme<br />

unter sich zu Boden gedrückt und eine schmale Schneise<br />

hinterlassen. Aber es war mehr als das. Mit seinen Jedi-Sinnen nahm<br />

er auch die Rückstände einer Präsenz wahr. Einer schrecklich<br />

vertrauten Präsenz...<br />

Hastig wirbelte er herum und sprang zurück auf das<br />

Speederbike. Stotternd kam das Getriebe wieder in Gang und mit<br />

einem Satz nahm das Bike wieder Fahrt auf.<br />

MARAS GEDANKEN ÜBERSCHLUGEN SICH IN SEKUNDENSCHNELLE.<br />

Fieberhaft spielte sie ihm Geiste alle möglichen Szenarien durch, alle<br />

möglichen Wendungen, die dieser Kampf nehmen konnte. Wenn sie<br />

jedoch nicht bald etwas unternahm, tendierten ihre Chancen auf<br />

einen Sieg gegen Null.<br />

Die Klinge des Vibromesser schnitt sauber durch die oberste<br />

Schicht ihrer Haut. Sie konnte spüren, wie ein schmales Rinnsal Blut<br />

langsam ihren Hals hinab lief und lautlos zu Boden tropfte. Mays<br />

heißer Atem strich unangenehm über ihre Wange.<br />

213


Sie leckte sich über die blutigen Lippen. Ihr war klar, sie musste<br />

ihre Gegnerin abschütteln. Es musste ihr gelingen, May abzuwerfen,<br />

zu entwaffnen und unschädlich zu machen. Aber wie?<br />

Immer hübsch der Reihe nach, schalt Mara sich. Ihre Hände<br />

zitterten, während sie sie mit gespreizten Fingern wenige Millimeter<br />

über dem Boden schweben ließ.<br />

„Was meinen Sie, womit sollte ich anfangen?“ fragte May, deren<br />

Stimme ebenso sadistisch klang wie sie sich aufführte. „Einen<br />

sauberen Schnitt durch die Luftröhre, und dann? Vielleicht sollte ich<br />

Ihnen die Daumen abschneiden und noch ein paar andere<br />

unwichtige Körperteile, während ich dabei zusehe, wie Sie langsam<br />

ersticken.“<br />

„Lassen Sie mich raten“, begann Mara mit rauher Stimme. Sie<br />

versuchte so gelassen wie möglich zu klingen, während sie sich zum<br />

Sprung bereitmachte. „Sie haben den Folter-Workshop auf Carida<br />

damals als Klassenbeste abgeschlossen, oder?“<br />

„Mit Auszeichnung“, fügte May hinzu.<br />

Mit dem Rest an Körperkraft, die Mara noch aufbieten konnte,<br />

stemmte sie sich plötzlich in die Höhe. Ehe May sich mit beiden<br />

Armen an ihr festklammern konnte, ließ sie eine Hand in die Höhe<br />

schnellen. Sie schob Mays Hand, welche das Messer hielt, von ihrem<br />

Hals fort. Mit dem Ellbogen hieb sie nach Mays Solarplexus und<br />

versetzte dem Knie ihrer Kontrahentin einen Tritt mit dem Absatz<br />

ihres Stiefels. Montross heulte auf und auch Mara war übel zumute,<br />

als Mays Kniescheibe mit einem Nacken heraussprang.<br />

May war sich auf den Rücken, die blutbespritzten Hände um ihr<br />

Kniegelenk geschlungen. Dies war Maras Gelegenheit und sie nutzte<br />

sie. Ihre Beine schienen weich wie Butter, doch sie hatte genug Zeit<br />

wieder auf die Füße zu kommen und sich mit einem kleinen Sprung<br />

in Sicherheit zu begeben. Ein weiteres, Übelkeit erregendes Knacken<br />

kam ihr zu Ohren, als May die Luxation ihrer Kniescheibe behob<br />

und der Knochen zurück an seine richtige Position schnappte. Bis<br />

May genügend Kraft gesammelte hatte, um sich vom Boden zu<br />

erheben, hielt Mara ihren eigenen Blaster bereits fest in einer Hand.<br />

Mit der anderen wischte sie das kribbelnde Rinnsal an ihrer Kehle<br />

fort.<br />

214


„Okay, jetzt herrscht wieder Chancengleichheit“, sagte sie und<br />

entsicherte die Waffe. May rührte sich nicht, sondern starrte Mara<br />

nur mit regungsloser Miene an.<br />

„Ganz so würde ich das nicht bezeichnen“, schallte plötzlich eine<br />

raue Männerstimme von der rechten Seite her. Das glucksendes<br />

Kichern eines anderen Mannes stimmte ein.<br />

Das Herz rutschte Mara in die linke Stiefelspitze. Sie hatte Mays<br />

Schergen Laz und Avarice ganz vergessen. Verflucht! Wie hatte ihr<br />

nur ein derartigen Fehler unterlaufen können?<br />

Ein selbstgefälliges und selbstsicheres Lächeln umspielte Mays<br />

Mundwinkel, während die beiden Piraten schlurfend näher kamen.<br />

Nur aus dem Augenwinkel erkannte Mara zwei imperiale<br />

Blastergewehre, entsichert und geladen. Vielleicht hatte sie es ja<br />

verdient wie ein reudiges Bantha abgeknallt zu werden, so dumm<br />

wie sie war. May stand geschmeidig wie eine Raubkatze auf und<br />

richtete erneut die Vibroklinge auf Mara.<br />

„Waffe fallen lassen“, bellte Avarice und hob das Gewehr<br />

schussbereit an seine Brust.<br />

Widerwillig ließ Mara ihren Blaster zu Boden fallen und nahm<br />

die Hände hoch. Selbst sie musste es einsehen, wenn eine Situation<br />

ausweglos war.<br />

„Ich sagte Waffe fallen lassen!“ wiederholte Avarice barsch. „Und<br />

zwar alle beide.“<br />

Es war eine Freude zu sehen, wie die Farbe plötzlich aus Mays<br />

Gesicht wich und ihre Selbstsicherheit durch eine Mischung aus<br />

Verblüffung und Verärgerung ersetzt wurde. „Wie bitte?“ blaffte sie.<br />

„Los, runter mit dem Messer!“ brüllte Avarice zurück. „Na,<br />

wird’s bald?“<br />

„Schluss mit dem Unsinn!“ keifte May. „Habt ihr zwei zuviel<br />

Gewürz durch die Nase gezogen und euch dabei das Gehirn<br />

verbrannt oder was?“<br />

Avarice lächelte grimmig. Seine Miene sah im Halbdunkel sogar<br />

für Mara bedrohlich aus. „Wir haben keinen Bock mehr uns von dir<br />

für dumm verkaufen zu lassen, May“, sagte er. „Such dir wen<br />

anderes, den du verarschen kannst.“<br />

215


Verblüffung wurde zu blankem Entsetzen. „Wie könnt ihr es<br />

wagen?“<br />

Avarice deutete mit seinem Kinn in Richtung Mara, woraufhin<br />

Laz sich in Bewegung setzte und sie mit seinem Gewehr ins Visier<br />

nahm. „Lass uns vorgehen, Missy“, sagte er mit einem öligen<br />

Grinsen und drückte die Mündung des Blastergewehrs gegen ihre<br />

Brust.<br />

Mara wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu erwidern, als<br />

wider Erwarten helles, grünes Licht hinter ihr mit einem vertrauten<br />

Summen aufflammte. Ihr Herz machte vor schlagartiger<br />

Erleichterung einen noch größeren Sprung.<br />

„Ich habe da eine bessere Idee“, sagte Skywalker mit hoch<br />

erhobenem Lichtschwert. In den Schein der glühenden Klinge<br />

getaucht sah er wie eine äußerst machtvolle Erscheinung aus. Mit<br />

langen, entschlossenen Schritten kam er zu Maras Linken den Gang<br />

herunter.<br />

„Oh, nee“, stöhnte Laz. „Nicht der schon wieder.“<br />

„Ey, Typ“, fügte Avarice hinzu, „langsam fängst du echt an, mich<br />

zu nerven. Gibt’s nichts anderes, in das du dich einmischen kannst?”<br />

„Ich fürchte nein“, erwiderte Skywalker ruhig. „Aber wir können<br />

diese Angelegenheit auch ohne einen Kampf beenden.“<br />

„Ach ja? Was willst du?“ fragte der Pirat unfreundlich.<br />

„Lassen Sie Mara frei“, erklärte Luke, „dann verschwinden wir<br />

und Sie können tun, wonach Ihnen der Sinn steht. Ich werde Sie<br />

nicht aufhalten.“<br />

Laz und Avarice tauschen einige verwirrte Blicke aus. Dann<br />

zuckte beide nacheinander mit den Schultern. „Von uns aus“,<br />

meinte Laz.<br />

„Nein!“ kreischte May dazwischen. „Noch hab ich das<br />

Kommando, ihr verfluchten Eidechsenaffen! Wenn ihr sie an den<br />

Jedi übergebt, bringe ich euch beide um.“<br />

„Ach, halt doch die Klappe!“ fluchte Avarice.<br />

„Schein so, als gäbe es zwei Interessenten für dich, Missy“, sagte<br />

Laz an Mara gewandt und presste die Mündung des Gewehrs so fest<br />

gegen ihre Rippen, dass es schmerzte. „Mal sehen, wer bereit ist<br />

mehr zu zahlen. Momentan hat der Jedi das höhere Gebot getätigt.“<br />

216


Unkontrollierter Zorn entstellte Mays Gesichtszüge. „Ihr kleinen,<br />

widerlichen...“<br />

„Tja, May, hättest du uns mal unseren Anteil von der Beute<br />

ausbezahlt, als dieser ganze Job losging“, meinte Avarice. „Und<br />

hättest du mal Enyth nicht einfach so umgeblastert.“<br />

„Oh, bitte!“ sagte May. „Ihr seid Piraten. Seit wann schert ihr<br />

euch denn darum, was mit anderen Piraten passiert? Ihr seid nichts<br />

weiter als ehrlose kleine Würmer, die nur auf ihren eigenen Vorteil<br />

bedacht sind.“<br />

„Richtig erkannt, Schätzchen. Und so wie ich das sehe“, fuhr<br />

Avarice fort, „ist Jade hier die einzige Beute, die uns noch geblieben<br />

ist.“<br />

„Ich bin niemandes Beute“, warf Mara ein. „Noch bin ich der<br />

Preis für irgendetwas.“<br />

„Natürlich nicht, Missy.“<br />

Sie spürte Skywalkers durchdringenden Blick auf sich ruhen, wie<br />

er ihre Emotionen behutsam zu ergründen versuchte.<br />

Es war May, die das Handgemenge begann. Wie eine Furie, die<br />

man entfesselt hatte, stürzte sie sich auf Laz und versuchte ihm das<br />

Gewehr zu entreißen. Skywalker als auch Avarice zuckten<br />

zusammen und gingen beinahe automatisch in eine Kampfhaltung<br />

über. Mara duckte sich und ballte die Hände zu Fäusten.<br />

Ein Schuss löste sich und Laz heulte auf, als ihn der rote<br />

Laserstrahl in den Oberschenkel traf. Das Gewehr entglitt seinem<br />

Griff und May bekam es endlich in die Finger. Avarice hob sein<br />

eigenes Gewehr an begann drauf los zuschießen. Die Querschläger<br />

wurden von Skywalkers Lichtschwert abgelenkt und brannten<br />

weitere schwarze Löcher in die Wand, richteten aber ansonsten<br />

keinen Schaden an. Mit dem Griff des Gewehrs versetzte May dem<br />

verwundeten Piraten einen Schlag gegen die Schulter. Laz ließ sich<br />

unvorteilhaft fallen und rammte Mara von der Seite. Sie taumelte.<br />

Auch der nächste Schlag verfehlte sein Ziel nicht. Weißes Licht<br />

schien vor Maras Augen zu explorieren, als May das Gewehr gegen<br />

ihre Schläfe stieß. Allumfassender Schmerz zermarterte ihr das Hirn.<br />

Das nächste, was sie spürte, war, wie sie mit Laz gemeinsam zu<br />

Boden ging. Übelkeit überkaml sie und die Ränder ihres Sichtfelds<br />

217


verschwammen, wurden langsam dunkler. Sie sah nur halb, wie<br />

Skywalker einen Satz auf sie zu machte und dabei Avarices<br />

Blasterfeuer zurückwarf. Dann schmeckte sie nur noch Galle in<br />

ihrem Mund und erbrach sich.<br />

Ein Schrei ließ sie ein letztes Mal aufblicken. Sie sah nur noch,<br />

wie May Montross‘ Gesichtszüge sich plötzlich entspannten und<br />

ihre Augen einen seltsam leeren Ausdruck annahmen, dann wurde<br />

sie von vollkommener Dunkelheit übermannt.<br />

ALLE GERÄUSCHE SCHIENEN SCHLAGARTIG ZUM ERLIEGEN ZU KOMMEN,<br />

als Avarices Schuss May direkt in den Rücken traf. Selbst der<br />

verwundete Laz, der vor Schmerzen gezetert hatte, verstummte.<br />

Dann fiel die ehemalige Agentin des Imperial Intel auf die Knie und<br />

ihr Körper sackte zur Seite weg. Luke spürte, wie ihre Lebensenergie<br />

in der Macht dahin schwand und schließlich vollends versiegte.<br />

Alles war so schnell gegangen, dass er für einen Augenblick lang<br />

vergessen hatte zu atmen.<br />

Avarice starrte Mays tote Gestalt mit einiger Zufriedenheit an,<br />

während Laz sich langsam wieder aufrappelte. Keuchend hielt er<br />

seinen Oberschenkel umklammert und humpelte auf seinen<br />

Kumpan zu.<br />

„Nehmen Sie Ihr Mädchen“, sagte Avarice nur und sicherte sein<br />

Gewehr. „Wir haben, was wir wollten.“ Damit drehte er sich um<br />

und die beiden Piraten marschierten in die Richtung davon, aus der<br />

er und Laz soeben gekommen waren.<br />

Luke hatte keine Zeit, sich über ihre Motive Gedanken zu<br />

machen. Er deaktivierte die pulsierende Klinge in seiner Hand und<br />

hackte das Lichtschwert zurück an seinen Gürtel. Mit nur zwei<br />

Schritten war er bei Mara.<br />

Ihre Stirn war heiß, glühte wie bei einem Fieber. Die Augenlider<br />

waren geschlossen, flatterten jedoch unruhig. Blut tropfte von ihrem<br />

Kinn und rann aus der frischen Platzwunde an ihrer Schläfe.<br />

Vorsichtig rollte er sie zu einer Seite und strich eine blutige Strähne<br />

beiseite, die an ihrer Wange klebte. Alles in allem schien sie nicht<br />

stark verletzt, doch sie war schwach und krank. Ihre Präsenz war<br />

218


nur noch ein dahinschwindendes Flimmern in der Macht. Er musste<br />

sich beeilen.<br />

„BEI ALLEN STERNEN!“ RIEF SARZAMIN AUS UND SCHLUG BEIDE HÄNDE<br />

über dem Mund zusammen, als sie Luke die Tür geöffnet hatte. Der<br />

Anblick von Maras über und über mit Blut und Dreck<br />

beschmutztem Gesicht trieb ihr die Farbe aus dem Gesicht. „Was ist<br />

passiert?“<br />

„Keine Zeit für Erklärungen“, erwiderte Luke kurz angebunden<br />

und drängte an ihr vorbei ins Haus. Beinahe im Laufschritt trug er<br />

Mara zu dem Zimmer, in dem sie in den vergangenen Nächten<br />

geschlafen hatte und legte sie auf das Bett. „Haben Sie ein Medset<br />

im Haus?“ fragte er an Sarzamin gewandt, während der Maras<br />

Verletzungen noch einmal untersuchte. „Wir müssen die Wunden<br />

reinigen.“<br />

Die Händlerin protestierte nicht, sondern verschwand in der<br />

Kücheneinheit, um dann wenige Augenblicke später mit einem<br />

kleinen weißen Kasten zurückzukehren. Gemeinsam desinfizierten<br />

sie die Platzwunde an Maras Schläfe und den Schnitt an ihrem<br />

rechten Oberarm. Die rote Flüssigkeit an ihrer Unterlippe war<br />

inzwischen geronnen.<br />

„Sie ist ganz bleich“, stellte Sarzamin fest und wusch den<br />

Schmutz mit einem feuchten Tuch von Maras Gesicht. „Wir sollten<br />

einen Arzt aus der Siedlung holen.“<br />

Luke schüttelte langsam den Kopf. „Es sind nicht die<br />

Verletzungen, die ihr schaffen machen.“<br />

„Sie meinen“, sagte Sarzamin gedehnt, „es hat was mit diesen<br />

Erinnerungen zu tun?“<br />

„Ich fürchte ja.“<br />

„Und was sollen wir jetzt tun?“<br />

Er wünschte, er wüsste die Antwort auf diese Frage. Was sollte er<br />

schon tun? Der Kampf gegen Montross, diese auslaugende<br />

Schnitzeljagd durch die halbe Galaxis und die ungewollten<br />

Erkenntnisse, die Mara hier auf Dantooine gewonnen hatte, all das<br />

hatte ihrem Geist großen Schaden zugefügt. Es hatte sie für immer<br />

219


verändert. Um den zugefügten Schaden zu reparieren hätte er die<br />

Zeit zurück drehen und all diese Geschehnisse verhindern müssen.<br />

Doch das konnte er nicht. Die Erinnerungen waren in sie<br />

eingebrannt.<br />

Plötzlich rastete ein neuer Gedanke ein. Ihre Erinnerungen…<br />

Vor langer Zeit hatte Palpatine die dunkle Seite benutzt, um<br />

Maras Erinnerung an ihre Kindheit und ihre Herkunft aus ihrem<br />

Gedächtnis zu tilgen. Seine Motive waren damals alles andere als<br />

edel gewesen. Damals hatte der Imperator die Macht benutzt, um<br />

Mara zu seiner loyalen Dienerin zu machen, die ihm allein ergeben<br />

war.<br />

Doch was wäre, wenn er die Macht benutzt, um die jüngsten<br />

Ereignisse in ihrem Gedächtnis zu verwischen? Wenn er Orianna<br />

und Ilya und all die anderen auslöschen würde, wie man mit einem<br />

Kauter eine Wunde ausbrannte? Die Vorstellung jagte ihm ein<br />

eisiges Frösteln den Rücken hinab.<br />

Aber er war nicht Palpatine. Er tat es nicht, um Mara zu<br />

manipulieren oder zu seiner Marionette zu machen. Er wollte bloß<br />

den Schmerz eindämmen, die Erinnerungen wieder in ihr<br />

verschließen, so wie früher. Wenn er es nicht tat, würde sie wohl<br />

möglich nie wieder zu der Stärke zurück finden, die sie sich in all<br />

den Jahren seit dem Fall des Imperiums so hart erkämpft hatte. Es<br />

war ihre einzige Chance.<br />

Vorsichtig ließ er sich auf der Bettkante nieder und berührte mit<br />

den Fingerspitzen seiner linken Hand Maras glühend heiße Stirn.<br />

Ein neuer Schauer ließ ihn frösteln.<br />

„Wenn irgendetwas schief geht“, informierte er Sarzamin, die ihn<br />

mit weit aufgerissenen Augen beobachtete, „rufen Sie einen Arzt.“<br />

Sie nickte nur stumm, und er schloss die Augen. Behutsam<br />

tastete er mit seinen Jedi-Sinnen nach Maras Bewusstsein. Die<br />

granitartigen Barrieren, die ihren Geist sonst so gut abschirmten,<br />

schienen zusammen gestürzt. Keinerlei Widerstand hielt ihn davon<br />

ab in sie einzudringen. Vor einem Monat noch hätte er sich über<br />

diesen Umstand gefreut, doch nun beunruhigte es ihn nur noch<br />

mehr. Also versengte er sich tiefer in die Überreste ihrer Präsenz,<br />

220


stieß immer weiter vor, bis sich seine eigene Bindung zur Realität<br />

vollkommen aufgelöst hatte.<br />

Sein Geist wanderte durch dichten weißen Nebel, der<br />

empfindlichen Grenze zwischen dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein.<br />

Ihre Gedanken waren formlos geworden und hallten<br />

nur noch als gedämpftes Echo durch den Äther. Eine seltsame<br />

Beklommenheit lastete ihm schwer auf der Brust und raubte ihm<br />

den Atem. Dennoch setzte er einen Fuß vor den anderen, wanderte<br />

als mentales Abbild seiner selbst durch den Nebel und ließ ihn sanft<br />

zwischen seinen Fingern hindurch gleiten.<br />

Dann – endlich! – klärte sich die Luft, hinterließ nichts als<br />

unbeflecktes Weiß und gab den Blick frei auf etwas, das unendlich<br />

und unergründlich war.<br />

Ein Schritt und dann noch einen. Trockenes ersticktes Schluchzen<br />

lag in der Luft. Es war ein Laut, der ihm sehr vertraut und<br />

gleichzeitig beängstigend fremd vorkam. Hastig blickte er umher,<br />

suchte im unendlichen Weiß um sich herum nach einem Hinweis.<br />

Schließlich entdeckte er die Quelle des Klagens: ein kleines<br />

Mädchen, das sich in weiter Ferne zusammen gekauerte und die<br />

Arme schützend um ihren kleinen Leib geschlungen hatte. Sie<br />

konnte nicht älter als seine Nichte und Neffen sein, vielleicht 5 oder<br />

6 Jahre alt.<br />

Er beschleunigte seine Schritte und lief schließlich so schnell er<br />

konnte auf das weinende Mädchen zu, um die Distanz zwischen<br />

ihnen zu überwinden. Doch obwohl sie seine Gegenwart sehr wohl<br />

spürte, wagte sie es nicht aufzusehen oder sich gar zu bewegen. Das<br />

würde nur noch mehr Schmerz verursachen.<br />

Voller Mitgefühl sank er neben ihr auf die Knie, doch er zögerte<br />

die Hand nach ihren bebenden Schultern auszustrecken oder ihr<br />

kupferfarbenes Haar beruhigend zurückzustreichen.<br />

Dies war der Kern ihrer Seele und der eine Teil von ihr, der dank<br />

Palpatine niemals den Weg an die Oberfläche ihres Bewusstseins<br />

gefunden hatte.<br />

„Mara…“, flüsterte er behutsam. Er wagte es nicht lauter zu<br />

sprechen. „Lass mich dir helfen.“<br />

221


Sie haben mich immer davor gewarnt, hörte er ihre Stimme wie die<br />

eines körperlosen Geistes durch den Äther hallen. Erinnerungen sind<br />

nur Leid und Schmerz, haben sie gesagt. Blicke niemals zurück in die<br />

Vergangenheit, haben sie gesagt. Aber ich hab nicht auf sie gehört…<br />

„Ja, manchmal ist das so“, antwortete Luke. „Aber nicht alle<br />

Erinnerungen sind böse. Wenn wir niemals gelitten hätten, woher<br />

sollten wir dann wissen, wann wir glücklich sind?“<br />

Kannst du machen, dass es aufhört?<br />

„Ich werde tun, was ich kann“, sagte Luke und seine Brust war<br />

wie zugeschnürt, „aber du musst mir den Weg zeigen, Mara. Den<br />

Weg zum Ursprung.“<br />

Stille senkte sich auf sie wie ein Leichentuch. Nur ihr gequältes<br />

Schluchzen hing in der Luft und rührte an sein Herz.<br />

„Mara!“ sagte er noch einmal, lauter diesmal. Und diesmal<br />

blickte das kleine hilflose Kind mit zitternden Lippen zu ihm auf,<br />

während es seine Tränen zurückdrängte.<br />

„Hier“, sagte sie und reichte ihm eine Hand.<br />

Eine überwältigende Energie trieb ihm den Atem aus den<br />

Lungen. Die weißte Leere wurde überflutet mit Bildern, Stimmen<br />

und Empfindungen, die zu lange verschlossen gewesen waren und<br />

brachen über ihm zusammen wie ein Sturzbach. Das Wissen lastete<br />

als bleierne Schwere auf ihm und drückte ihn zu Boden.<br />

„Warte!“<br />

Oriannas Erinnerungen regneten auf ihn herab, entfalteten sich<br />

vor seinen Augen zu voller Blüte, mit all dem Glück und dem Leid,<br />

das sie enthielten.<br />

„Warte!“<br />

Er schloss die Augen und suchte nach einem Fokus. Er musste<br />

den Mahlstrom ordnen und kanalisieren. Er musste eine Ordnung<br />

aus dem Chaos schaffen, um es von Mara fortzulenken. Sie hatte<br />

keine Kraft mehr dazu es selbst zu tun.<br />

Genau da! Er hatte ihn!<br />

Er fand sich selbst wieder, wie er den Strom begradigte und in<br />

eine stetige Bahn lenkte. Dann folgte er dem Fluss aus Bildern bis zu<br />

ihrer Quelle, dem Ort in Maras Geist, dem sie entsprangen. Sie<br />

222


leistete keinen Widerstand, als er die Quelle wie einen Stausee<br />

zurückdrängte und in ihre Schranken wies.<br />

Nach Atem ringend kämpfte er sich zurück in die Wirklichkeit,<br />

bevor er die Verbindung mit Maras Geist nicht mehr lösen konnte<br />

und sie wohl beide wohlmöglich für immer in einer Trance gefangen<br />

blieben. Sarzamins Haus erschien ihm plötzlich grell und laut und er<br />

blinzelte gegen die Sinneseindrücke an. Schweiß stand ihm auf der<br />

Stirn, sammelte sich an seinen Schläfen, rann seinen Nacken hinab.<br />

„Was haben Sie gemacht?“ fragte Sarzamin erschrocken. Sie<br />

stand noch immer am fernen Ende des Bettes und beobachtete den<br />

Jedi-Meister mit großer Furcht.<br />

Es dauerte einige Atemzüge lang, ehe Luke ihr zu antworten<br />

vermochte. „Ich habe die Erinnerungen an Orianna isoliert und tief<br />

in ihrem Inneren verborgen. Sie werden dort verschlossen und<br />

verschüttet sein, bis Mara die Stärke und vor allem den Willen<br />

erworben hat, sie wieder zu entdecken.“<br />

„Aber...“, begann Sarzamin, als wagte sie nicht, ihm diese Frage<br />

zu stellen. „Woran wird sie sich dann erinnern?"<br />

„An eine Rivalin, die Himmel und Hölle in Bewegung versetzen<br />

wollte, um an ihr Rache zu üben. Dafür, dass sie auf Palpatines<br />

Befehl hin den Mörder ihres Liebsten aus dem Weg geräumt hat“,<br />

erklärte Luke und strich sich den Schweiß von der Stirn. Nun hatte<br />

er eine Ahnung davon, wie müde Mara sich durch Oriannas<br />

Erinnerungen gefühlt haben musste. „An mehr braucht sie sich nicht<br />

zu erinnern.“<br />

„Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun.“<br />

Das hoffte er auch. Er hatte gesehen, wie viel Schaden Maras<br />

Geist bereits genommen hatte. Nicht nur wegen May Montross und<br />

all der Dinge, die sie ihr gezeigt hatte. Als er in ihren Geist<br />

eingedrungen war, hatte er auch die entbehrungsreichen Jahre nach<br />

Palpatines Sturz gesehen. Sie hatte einen Überlebenskampf geführt,<br />

ehe Karrde sie gefunden hatte, und sie war siegreich daraus hervor<br />

gegangen.<br />

Nein, Mara brauchte das Wissen um ihre Herkunft nicht, um die<br />

zu sein, die sie war, dessen war er sich sicher. Niemand würde je<br />

erfahren, wer sie hätte sein können, und das war vermutlich besser<br />

223


so. Sie hatte selbst einen Weg gefunden, ein Leben, das sie selbst<br />

gestaltet hatte und das sie ausfüllte. Sie war zu einer besonderen<br />

Persönlichkeit geworden, auch ohne das Wissen über Ilya und<br />

Orianna. Es hatte keinen Sinn in einer Welt des Was wäre, wenn zu<br />

verweilen. Dies war eine der Lektionen, die sie ihn gelehrt hatte.<br />

Trotzdem würde die Zeit allein zeigen, ob er das Richtige getan<br />

hatte.<br />

Mit einem Seufzen ließ Luke der plötzlichen Erschöpfung ihren<br />

Lauf und sank neben dem Bett zu Boden. Voller Mitgefühl sah er,<br />

wie Flüssigkeit unter ihren geschlossenen Lidern hervor perlte und<br />

die silbernen Tränen der Erlösung ihre Wangen benetzten.<br />

ES DAUERTE ZWEI VOLLE TAGE, EHE MARA ZUM ERSTEN MAL AUFwachte.<br />

Es kostete sie einiges an Kraft ihre schweren Lider zu öffnen<br />

und sich blinzelnd im taghellen Zimmer umzusehen. Nach und nach<br />

kehrte das Gefühl in ihren Gliedern und in ihrem Kopf zurück. Sie<br />

fühlte sich, als hätte sie wie eine Tote geschlafen. Ihr ganzer Körper<br />

schien und geheuer Schwer, drückte sie in die Kissen und machte es<br />

ihr unmöglich sich zu bewegen. Und dennoch fühlte sie sich von<br />

einer ungeheuren Last befreit, auch wenn ihr nicht einfallen wollte,<br />

um welche Last es sich dabei handeln mochte. Schon bald glitt sie in<br />

einen Dämmerzustand zwischen Erwachen und Schlafen. Sie hörte<br />

entfernt, wie hin und wieder jemand ins Zimmer kam, um nach ihr<br />

zu sehen.<br />

Als sie das nächste Mal die Augen aufschlug, hatten sich die<br />

Lichtverhältnisse im Zimmer verändert. Das grelle Licht der<br />

Mittagssonne war einem sanften Abendrot gewichen, das ihr nicht<br />

so sehr in die Augen stach. Vorsichtig stützte sie sich auf die<br />

Ellbogen und drückte sich in eine sitzende Position hoch.<br />

Es dauerte nicht lange und Skywalker erschien ihm Raum. Er<br />

brachte eine Flasche Wasser und ein Glas und trug eine Miene der<br />

Erleichterung zur Schau, als er diese auf den Nachttisch neben<br />

Maras Bett abstellte.<br />

„Wie fühlen Sie sich?“ fragte er sanft und füllte das Glas mit dem<br />

Wasser. „Besser?“<br />

224


Sie nahm das Getränk und nickte vorsichtig. Ihr Nacken war vom<br />

Liegen ein wenig steif. Vorsichtig führte sie das Glas an die Lippen<br />

und ließ einige Tropfen Wasser in ihren ausgetrockneten Mund<br />

rinnen. „Ich habe bestimmt schon mal besser ausgesehen“, kommentierte<br />

sie, „aber ich werde schon wieder.“<br />

„May muss Sie ziemlich erwischt haben“, meinte Skywalker und<br />

deutete auf die Schwellung über ihrer Braue. Unwillkürlich hob sie<br />

eine Hand zu ihrem Gesicht und befühlte die Platzwunde.<br />

Ja, richtig. Das war die Stelle, an der May sie mit dem Griff des<br />

Blastergewehrs getroffen hatte. Plötzlich kam ihr das ganze groteske<br />

Szenario wieder in den Sinn.<br />

„Was ist passiert?“ fragte sie und sah Skywalker durchdringend<br />

an. „Ich erinnere mich nur noch, wie es mich erwischt hat und dass<br />

dieser Avarice wie ein Schwachsinniger um sich gefeuert hat.“ Und<br />

da war noch der seltsam leere Ausdruck auf May Montross’ Gesicht,<br />

kurz bevor Mara die Besinnung verloren hatte. „Ist sie tot?“<br />

„Ja“, bestätigte Skywalker. „Einer der Blasterstrahlen traf sie in<br />

den Rücken.“<br />

Was für ein jämmerliches Ende für eine Frau mit solch ambitionierten<br />

Plänen, dachte Mara. Andererseits würde sie die andere Agentin<br />

sicherlich nicht vermissen. Sie hatte Mara lediglich in einen Haufen<br />

unnötiger Probleme verwickelt, die sich letzten Endes in einer<br />

Rauchwolke aufgelöst hatten. Sie freute sich nicht gerade auf den<br />

Moment, da sie Karrde erzählen musste, dass er keine neuen<br />

Verteidigungsanlagen bekommen würde und seine beste<br />

Mitarbeiterin ihre Zeit mit einer sinnlosen Banthajagd vergeudet<br />

hatte.<br />

„Sie sollten sich noch etwas ausruhen“, schlug Skywalker vor.<br />

„Sie sind immer noch ein wenig blass um die Nase.“<br />

„Kein Wunder!“ rief Mara. „Immerhin liege ich seit Stunden,<br />

wenn nicht sogar seit Tagen in diesem Bett und bekomme die Sonne<br />

nicht zu Gesicht. Es wird Zeit, dass ich aufstehe und mich nützlich<br />

machte.“<br />

Skywalker lächelte mild. „Dann machen Sie aber halblang.<br />

Frische Kleidung liegt dort drüben auf der Anrichte. Ich werde dann<br />

in der Zwischenzeit alles für unsere Abreise vorbereiten. Sarzamin<br />

225


wird es sich aber wahrscheinlich nicht nehmen lassen, Ihnen noch<br />

eine vernünftige Mahlzeit zu servieren, ehe wir aufbrechen.“<br />

Sarzamin Saia. Mara musste daran denken, sich bei der älteren<br />

Frau in aller Form und Demut zu bedanken.<br />

„Ja, danke“, sagte sie und schlug die Bettdecke beiseite. Kühle<br />

Luft strich über ihre nackten Beine. Behutsam stellte sie einen Fuß<br />

nach dem anderen auf den Boden und bewegte alle Zehen, um<br />

sicher zu sein, dass sie noch alle vorhanden und funktionstüchtig<br />

waren. „Ich werde duschen und mich anziehen. Ich fühle mich, als<br />

hätte man mich mit Öl übergossen.“<br />

„Sie sind der Boss“, sagte Skywalker. „Sagen Sie einfach<br />

Bescheid, wenn Sie soweit sind und wir brechen auf. Ich werde<br />

Sarzamin bitten uns in die Siedlung zu fahren, da ich den<br />

Landspeeder gestern zurückgebracht habe. Aber es dürfte nicht<br />

allzu lange dauern, die Formalitäten am Raumhafen abzuwickeln<br />

und aus diesem System zu verschwinden.“<br />

„Klingt gut“, stimmte sie zu und rang sich zu einem Lächeln<br />

durch. „So schön es hier auch sein mag, langsam habe ich genug von<br />

diesem Planeten.“<br />

SKYWALKER BEHIELT MIT SEINER VERMUTUNG NICHT GANZ UNRECHT.<br />

Die Unruhe wegen des von May angezettelten Vorfalls am Vortag<br />

hatte sich zwar noch nicht gänzlich gelegt – kleinere Gruppen von<br />

Technikern huschten geschäftig umher und überprüften alle<br />

möglichen Sicherheitslücken im System – doch es gab niemand<br />

behinderte sie auf ihrem Weg zum Büro des Hafenverwalters.<br />

Sarzamin wartete geduldig vor der Tür und hüllte sich in<br />

Schweigen. Seit Maras Erwachen am späten Nachmittag hatte sie<br />

kaum ein Wort gesprochen, sondern lediglich vieldeutige Blicke mit<br />

Skywalker gewechselt. Was auch immer in der älteren Frau<br />

vorgehen mochte, sie wollte es für sich behalten, und Mara war dies<br />

nur Recht.<br />

„Miss Jade! Master Skywalker!“ wurden sie voller Überschwang<br />

begrüßt. „Ich hoffe, Sie sind nicht hier um Anzeige gegen uns zu<br />

erstatten?“<br />

226


Mara warf Luke einen fragenden Blick zu. „Wie kommen Sie<br />

darauf?“ fragte sie.<br />

„Nun, wegen der Unannehmlichkeit, die Sie gestern erdulden<br />

mussten“, sagte der Verwalter mit Entschuldigung heischender<br />

Miene. „Ich bedauere dies zutiefst.“<br />

Mara winkte ab. „Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Wir<br />

sind nur hier, um eine <strong>Star</strong>terlaubnis einzuholen.“<br />

„Selbstverständlich.“ Er beugte sich über eine der Konsolen und<br />

bediente einige Tasten. „Wissen Sie, gestern ist das Schiff<br />

verschwunden, dessen Transpondercodes verändert worden sind.<br />

Wie vom Erdboden verschluckt! Ich kann nur hoffen, dass dieser<br />

Fall bald aufgeklärt wird. Ich schwöre Ihnen, in den achtundzwanzig<br />

Jahren, die ich hier schon tätig bin, ist mir ein derartigen<br />

Vorfall noch nie untergekommen.“<br />

„Ich bin mir sicher, das wird er“, versicherte Mara dem Mann.<br />

„Da würde ich mir nicht allzu viele Gedanken machen.“<br />

Wenige Minuten später verließen sie das Büro mit den besten<br />

Wünschen und weiteren Entschuldigen des Hafenverwalters, sowie<br />

einer gültigen <strong>Star</strong>terlaubnis. Schweigend begleiteten Sarzamin und<br />

Mara Skywalker zu der Landebucht, in der sein X-Flügler<br />

untergebracht war. Seine R2-Einheit wurde soeben von zwei<br />

Technikern des Raumhafens auf den Sockel hinter der Pilotenkanzel<br />

gehoben.<br />

„Das war’s dann wohl“, sagte Skywalker langsam und drehte<br />

sich zu den beiden Frauen um. Er reichte der Händlerin eine Hand<br />

und schüttelte sie beherzt. „Ich danke Ihnen nochmals für die<br />

Gastfreundschaft.“<br />

„Keine Ursache“, erwiderte Sarzamin. „Jetzt habe ich wenigstens<br />

etwas zu erzählen. Man trifft ja nicht alle Tage einen Jedi-Meister.“<br />

Luke lächelte verschmitzt. „Mir fällt immer wieder auf, wie<br />

ähnlich sich Dantooine und Tatooine doch sind“, stelle er fest.<br />

„Nicht nur des Namens wegen.“<br />

„Passen Sie auf sich auf“, sagte Sarzamin.<br />

„In Ordnung“, nickte Skywalker und warf Mara einen Blick zu.<br />

„Wir sehen uns im Orbit, nehme ich an?“<br />

„Ja, ich werde mich gleich auch auf den Weg machen.“<br />

227


Der Jedi nickte noch einmal, wandte sie dann um und ging in<br />

Richtung seines X-Flüglers fort. R2 begann aufgeregt zu trillern, als<br />

er seinen Herren entdeckte.<br />

„Kommen Sie“, sagte Sarzamin. „Ich begleite Sie auch noch zu<br />

Ihrem Schiff.“<br />

„Nicht nötig“, antwortete Mara. „Sie haben in der vergangenen<br />

Woche schon genug gute Taten für ein ganzes Leben vollbracht –<br />

wofür auch ich Ihnen meine Dankbarkeit aussprechen möchte.“<br />

„Wie schon gesagt, es war nichts“, gab Sarzamin zurück und<br />

machte eine wegwerfende Geste. „Wenn Sie mich fragen, so sollte<br />

man seine Mitmenschen immer so behandeln, wie man selbst von<br />

ihnen behandelt werden möchte.“<br />

„Ein ziemlich noble Einstellung“, meinte Mara mit einem<br />

sardonischen Lächeln. „Ich fürchte, solche Ideale sind inzwischen<br />

aus der Mode gekommen.“<br />

Sarzamin tätschelte Maras Schulter. „Ich hatte noch nie viel für<br />

Mode übrig. Das ist was für die Reichen und Schönen von<br />

Coruscant, nicht für eine kleine Händlerin von Dantooine.“<br />

„Wo Sie gerade von Handel sprechen“, begann Mara und griff<br />

nach einer Tasche an ihrem Gürtel. Sie zog ein kleines Stück<br />

Flimsiplast hervor und reichte es an die ältere Frau weiter. „Dies<br />

hier wollte ich Ihnen noch geben.“<br />

Die Händlerin nahm das Stück Flimsi mit zusammen gezogenen<br />

Augenbrauen an sich und warf einen Blick darauf. „Was ist das?“<br />

„Nur ein paar Adressen, die Sie Ihrem Kundenstamm<br />

hinzufügen sollten“, erklärte Mara. „Diese Herrschaften haben einen<br />

ziemlich extravaganten Geschmack und werden Ihre Dienste<br />

sicherlich ausreichend zu würdigen wissen. Nennen Sie einfach<br />

meinen Namen, wenn Sie anrufen.“<br />

„Herzlichen Dank“, sagte Sarzamin und verstaute das Flimsi in<br />

der Brusttasche ihres einfachen Overalls. „Aber das wäre nicht nötig<br />

gewesen.“<br />

„Ich glaube doch“, entgegnete Mara und nickte in Richtung<br />

Ausgang. „Wollen wir? Die Maschinen er Jade’s Fire brauchen ein<br />

wenig länger zum Hochfahren als Skywalkers kleiner Sternenjäger<br />

und ich will ihn ja nicht im Orbit versauern lassen.“<br />

228


Sarzamin lachte. „Wo Jedi doch einen bekanntermaßen so kurzen<br />

Geduldsfaden haben“, sagte sie ironisch und sie setzen sich in<br />

Bewegung..<br />

„Sie wissen doch was ich meine.“<br />

„Ja, natürlich“, meinte die Händlerin. „Geben Sie gut auf<br />

Skywalker Acht. Er hat ziemlich viel für Sie übrig.“<br />

„Das will jetzt überhört haben!“ rief Mara.<br />

Den Rest der Strecke bis zur Andockbucht der Jade’s Fire legten<br />

sie wieder schweigend zurück. Mit vor der Brust verschränkten<br />

Armen schaute Sarzamin dabei zu, wie Mara noch einmal das Schiff<br />

von außen untersuchte und sich vergewisserte, dass sich seit ihrem<br />

letzten Besuch am Vortag niemand daran zu schaffen gemacht hatte.<br />

„Scheint soweit alles in Ordnung zu sein“, sagte sie, als sie ihre<br />

Inspektion beendet hatte und sich die Rampe des Schiffs langsam<br />

senkte, um sie einzulassen.<br />

„Passen Sie auf sich auf, Jade“, sagte Sarzamin.<br />

„Keine Sorge, das werde ich.“<br />

Mit einem Lächeln wandte Mara sich ab und marschierte die<br />

Rampe hinauf. Gebannt beobachtete Sarzamin, wie die Repulsoren<br />

der Jade’s Fire zum Leben erwachten, die Rampe sich schloss und das<br />

Schiff sanft wie eine Feder vom Boden der Andockbucht abhob. Es<br />

gewann gleichmäßig an Höhe, stieg immer weiter und verschmolz<br />

schließlich mit dem violett schimmernden Abendhimmel über<br />

Dantooine.<br />

„Es ist alles in Ordnung, Orianna“, flüsterte Sarzamin in die Stille<br />

der hereinbrechenden Nacht. „Deinem Mädchen geht es gut.“<br />

ALLEIN IN DER COCKPITKANZEL SEINES X-FLÜGEL-JÄGERS ERSCHIEN<br />

Luke die unendliche Schwärze des Weltalls plötzlich trist und leer.<br />

Es war schon seltsam, wie schnell man sich an die pastellfarbene<br />

Schönheit Dantooines gewöhnen konnte. Und auch an die<br />

Gegenwart einer anderen Person. Auf die ein oder andere Weise<br />

würde er Maras Gesellschaft bestimmt vermissen.<br />

Nun, er war ja nicht ganz allein. R2 war ja noch immer da, um<br />

die Einsamkeit des Fluges zur Jedi-Akademie zu vertreiben.<br />

229


Wie auf Kommando gab er Droide ein Trillern von sich und die<br />

Übersetzung flimmerte in roten Buchstaben über das Display.<br />

„Leg das Gespräch auf den Hauptkanal“, befahl er ihm. „Das ist<br />

nur Mara.“<br />

Knisternd öffnete sich der Komkanal und Maras Stimme drang<br />

durch aus dem mikroskopischen Lautsprecher in seinem Helm. „So,<br />

da bin ich“, sagte sie in beiläufigem Ton. „Wollte nur schnell Auf<br />

Wiedersehen sagen.“<br />

„Das dachte ich mir schon“, erwiderte er. „Vermutlich ist Ihr<br />

Holo-Postfach bereits mit wütenden Nachrichten von Karrde<br />

überschwemmt, wo Sie abgeblieben sind.“<br />

„Ja, so in etwa“, stimmte sie zu. „Aber wollen Sie mal etwas<br />

Interessantes hören?“<br />

„Nur zu.“<br />

„Nach der letzten Übertragung hat Faughn noch einmal etwas<br />

tiefer in die Trickkiste gegriffen und versucht, weitere Informationen<br />

über May Montross zu beschaffen“, informierte sie ihn. „Und raten<br />

Sie mal, was sie dabei entdeckt hat?“<br />

„Eine Auflistungen ihrer Aktivitäten, ehe sie die Pirate of the<br />

Perlemian unter ihre Kontrolle brachte?“ riet Luke.<br />

„So was in der Art, aber Sie waren schon nah dran“, sagte Mara.<br />

„Halten Sie sich fest, das wird ihnen gefallen. Sie hat mehrere<br />

Arztrechnungen und Pharmarezepte gefunden. Einige sind schon<br />

etwas älter und reichen bis zur Schlacht von Yavin zurück. Andere<br />

sind erst vor wenigen Wochen eingelöst worden, eine davon sogar<br />

auf Belderone. Sieht so aus, als wäre Montross medikamentenabhängig<br />

gewesen.“<br />

Luke runzelte unwillkürlich die Stirn. „Das ist in der Tat mal was<br />

Neues.“<br />

„Das können Sie laut sagen. Hier mal ein kleiner Abriss ihrer<br />

Hausapotheke: Vicodin, Trilozitin, Lenilium… Das ganze Sortiment<br />

der Corleil Corporation.“<br />

„Das sind alles ziemlich starke Psychopharmaka“, stellte Luke<br />

fest.<br />

230


„Ganz genau“, erwiderte Mara. „Sie litt wohl schon eine ganze<br />

Weile unter Depressionen. Kein Wunder, dass sie irgendwann den<br />

Verstand verloren hat.“<br />

„Die wird sie jetzt wohl kaum noch brauchen“, schloss er.<br />

„Ja, den Sternen sei dank.“<br />

„Es tut mir leid, dass ich Ihnen während dieser Unternehmung<br />

nicht gerade eine große Hilfe war“, gestand Luke. „Ich hätte schon<br />

viel eher eingreifen sollen.“<br />

„Ach, halten Sie die Klappe!“ schalt Mara ihn. „Wären Sie nicht<br />

gewesen, hätte Montross mich vermutlich kalt gemacht. Und Sie<br />

haben dafür gesorgt, dass sich Mays Schläger verzogen haben ohne<br />

weitere Schwierigkeiten zu machen. Dafür schulde ich Ihnen wohl<br />

jetzt etwas. Aber anscheinend stehen Sie ja darauf, dass Ihnen<br />

ständig etwas leid tun muss.“<br />

Ein knappes Lächeln huschte über Lukes Gesicht. „Kann sein.<br />

Aber wenn Sie mir jetzt einen Gefallen schuldig sind, würde ich ihn<br />

auch gerne sofort einlösen.“<br />

„Aha“, machte Mara. „Und was für ein Gefallen soll das sein?“<br />

„Mir wäre es ganz recht, wenn wir endlich einmal zum du<br />

übergehen könnten“, sagte er.<br />

Einen Augenblick lang blieb der Komkanal stumm.<br />

„Wenn das dein Wunsch ist“, erwiderte sie schließlich, „dann<br />

kann ich ihn dir wohl kaum abschlagen.“<br />

„Ich danke dir.“<br />

„Und wohin fliegst du jetzt?“<br />

„Nach Yavin. Zurück zu meinen Pflichten, zurück zu meinen<br />

Schülern und zurück zu einer verlassenen Schlafkammer.“ Er<br />

unterdrückte ein trauriges Lachen. „Ich werde bald sicherlich<br />

wieder genug Zeit für eingehende Meditationen und Schwertkampfübungen<br />

haben.“<br />

Selbst durch den Kopfhörer konnte er hören, wie sie sich ein<br />

entnervtes Aufstöhnen verkniff. „Ich kann es nicht oft genug sagen,<br />

Luke: trag die Erinnerung an Callista nicht mit dir herum wie ein<br />

Seelenstigma“, sagte Mara. „Andere Mütter haben auch schöne<br />

Töchter.“<br />

231


Luke lächelte wehmütig. Interessant, dass sie gerade diese Redewendung<br />

benutzte. „Ich werde bei Gelegenheit daran denken“,<br />

erwiderte er sanft.<br />

Für eine Weile blieb der Komkanal stumm. „Nichts zu danken“,<br />

erwiderte sie schließlich. Ihre Stimme klang nun anders – weicher,<br />

beinahe zärtlich. „Schließlich sind wir doch so etwas wie Freunde,<br />

nicht wahr? Auch wenn dies wohl die seltsamste und verrückteste<br />

Freundschaft ist, von der ich je gehört habe. Die Ex-Imperiale und<br />

ihr Rebellenfreund.“ Über den Lautsprecher ließ sich ein vages<br />

Kichern vernehmen.<br />

Luke spürte eine sanfte Wärme in seinem Inneren aufsteigen. Es<br />

tat gut wieder ihre Sticheleien zu hören. Das bedeutete, dass es ihr<br />

gut ging und dass sie sich in ihrer Haut wohlfühlte. Sie war nicht<br />

länger der blasse, dem Fieberwahn erlegene Schatten ihrer selbst.<br />

Und er würde lügen, würde er behaupten, dass er nicht erleichtert<br />

war. Es tat gut, die alte Mara Jade wieder zu haben.<br />

„Wirst du mich auf Yavin 4 besuchen?“ fragte er.<br />

„Dich oder die Jedi-Akademie?“ erwiderte sie scharfsinnig.<br />

„Beides, um ehrlich zu sein.“<br />

Er konnte ihr Lächeln in der Macht spüren. „Wer weiß solche<br />

Dinge schon, Skywalker? Wenn es der Wille der Macht ist, wird<br />

mich mein Weg vielleicht des Öfteren mal ins Yavin-System führen.<br />

Und nun sieh zu, dass du zurück zu deinen eifrigen Schülern<br />

kommst. Es liegt noch eine Menge Arbeit vor dir. Und vor mir<br />

auch.“<br />

Nachdem sie ihr Gespräch beendet und sich von einander<br />

verabschiedet hatten, beobachtete Mara, wie Skywalkers X-Flügler<br />

Geschwindigkeit aufnahm und schließlich mit einem kurzen<br />

Aufblitzen in den Hyperraum sprang. Sie ließ den Navcomputer der<br />

Jade’s Fire durch die Astrogationskarten wälzen und die kürzeste<br />

Route in Richtung Coruscant berechnen. Eine Hand um den<br />

Steuerknüppel gelenkt, gab sie Schub auf die Backbordtriebwerke<br />

und brachte das Schiff weiter von Dantooine weg, weiter auf den<br />

Tiefraum zu. Dann wandte sie sich erneut den Nachrichten in ihrem<br />

232


Holo-Postfach zu, die immer noch auf einem Display der<br />

Hauptkonsole angezeigt wurden.<br />

Neben den Informationen von Faughn fanden sich noch einige<br />

andere Nachrichten in dem Postfach. Einige davon waren nichts<br />

weiter als Zwischenberichte einiger Einheiten der<br />

Schmugglerallianz, die irgendwo im Inneren und Mittleren Rand<br />

unterwegs waren. Andere kamen aus Karrdes Büro und zeigen eine<br />

höhere Prioritätskennung an.<br />

Sie wusste, sie sollte sich eine gute Erklärung für Karrde<br />

überlegen, warum sie so lange verschollen gewesen war. Immerhin<br />

hatte sie sich seit ihrem Aufbruch von Ord Mantell nicht mehr bei<br />

ihm gemeldet und das war nun schon fast einen vollen Monat her.<br />

War denn wirklich soviel Zeit vergangen, seit Calrissian sie als Gast<br />

auf die Daybreak eingeladen hatte?<br />

Mit einem Piepen beendete der Navcomputer seine<br />

Berechnungen. Mit nur einem Tastendruck speiste sie die<br />

Information in den Hauptrechner ein und steuerte das Schiff auf den<br />

berechneten Sprungpunkt zu. Der Hyperantrieb erwachte mit einem<br />

schwachen Jaulen zum Leben und die Sterne um sie herum<br />

verschwammen zu Linien und wurden schließlich zu der<br />

strahlenden surrealen Welt des Hyperraums. Mit einem zufriedenen<br />

Seufzen lehnte sie sich im Pilotensessel zurück, verschränkte die<br />

Arme hinter ihrem Kopf und betrachtete das abstrakte Farbenspiel<br />

jenseits des Cockpitfensters.<br />

Karrde würde noch ein paar Stunden warten müssen. Sie würde<br />

erst einmal aus diesem Sektor springen und sich danach um neue<br />

Vorräte und eine Ladung Treibstoff kümmern. Bis dahin würde sie<br />

sich in der Messe ein wenig körperlich ertüchtigen.<br />

Sie absolvierte gerade eine Reihe komplexer Dehnübungen, als<br />

der Bordcomputer ein Gespräch über den Hyperwellensender<br />

meldete. Eilig trocknete sie den Schweiß auf ihrer Stirn mit einem<br />

Handtuch und nahm den Anruf dann in ihrem Quartier entgegen.<br />

„Na, endlich“, begrüßte sie die vertraute Stimme Lando<br />

Calrissians. „Ich habe mich schon gefragt, wo Sie wieder stecken.“<br />

„Ich freue mich auch von Ihnen zu hören“, erwiderte Mara<br />

sarkastisch. Gut, dass es sich bei dem Gespräch lediglich um eine<br />

233


Audio-Übertragung handelte, sonst hätte ihr schelmisches Grinsen<br />

sie wohl verraten. „Was kann ich für Sie tun?“<br />

„In erster Linie wollte ich nur nachfragen, ob Sie und Luke bei<br />

ihrer Suche inzwischen Erfolg gehabt haben“, begann Lando. „Man<br />

hat eine ganze Weile nichts mehr von Ihnen gehört.“<br />

„Lassen Sie mich raten“, sagte Mara, „Karrde hat Sie angerufen<br />

und sich über meinen Verbleib erkundigt, nicht wahr?“<br />

„Erkundigen würde ich das nicht nennen“, meinte er. „Aufregen<br />

wäre wohl der bessere Ausdruck dafür. Also hat er mich beauftragt,<br />

weiter nach Ihnen zu forschen und Ihnen ihren nächsten, äh,<br />

Auftrag zu übermitteln. Sie sollen sich aber trotzdem so bald wie<br />

möglich bei ihm melden.“<br />

„Auftrag?“ hakte Mara nach.<br />

„Erinnern Sie sich an die Fernbedienung, die Luke während der<br />

Thrawn-Krise auf Dagobah gefunden hat?“<br />

„Ja, wieso?“<br />

„Es hat neue Entwicklungen in dieser Sache gegeben“, erwiderte<br />

er. „Möglicherweise lässt sich herausfinden, woher die<br />

Fernbedienung stammte und wofür sie bestimmt war. Und die Spur<br />

ist noch heiß, man sollte also keine Zeit verlieren und die<br />

Verfolgung aufnehmen.“<br />

„Interessant“, murmelte Mara. „Und woher hat Karrde diese<br />

Infomation?“<br />

„Von einem meiner Geschäftspartner auf Kalarba“, erklärte<br />

Calrissian. „Das ist auch der Grund, warum er mich ebenfalls in<br />

diese Mission einbeziehen möchte.“<br />

„Und ich dachte schon, Karrde wollte sie als mein neues<br />

Kindermädchen abkommandieren“, versetzte sie. „Kalarba sagten<br />

Sie?“<br />

„Ja, genau.“<br />

„Wann könnten Sie im Doldur-Sektor sein?“<br />

„Wenn ich hier alles stehen und liegen lasse, in drei<br />

Standardtagen“, erwiderte Calrissian. „Was ist mit Karrde? Sollten<br />

Sie sich nicht zuerst einmal bei ihm melden?“<br />

234


„Er hat die ganze Zeit lang gewartet, da kann er sich noch ein<br />

paar Tage länger gedulden. Außerdem weiß er, dass ich am besten<br />

funktioniere, wenn ich dort draußen bin und mich nützlich mache.“<br />

„Verstehe.“ Calrissian war offensichtlich zwischen seinem<br />

geschäftlichen und persönlichen Interesse hin und her gerissen.<br />

„Nun, ich bin immer für ein Abenteuer zu haben, das wissen Sie.“<br />

„Dann schlage ich vor, Sie machen die Lady Luck startbereit und<br />

machen sich auf den Weg in den Doldur-Sektor. Ich werde meine<br />

Vorräte auf Bandomeer auffüllen und komme dann umgehen nach.“<br />

Calrissian schwieg einen Augenblick lang. „In Ordnung“, sagte<br />

er langsam. „Ich werde mich dann bei Ihnen melden und Ihnen<br />

meine genauen Koordinaten geben, damit wir auf dem Planeten<br />

nicht an einander vorbei rennen.“<br />

„Gute Idee“, antwortete sie. „Wir sehen uns dann in ein paar<br />

Tagen, Calrissian.“<br />

„Sehr gerne. Ich freue mich schon darauf.“<br />

Mit einem leisen Knistern riss die Verbindung ab und die<br />

Komkonsole verstummte. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück,<br />

legte eine Hand in ihren Nacken und drehte den Kopf um etwaigen<br />

Verspannungen vorzubeugen.<br />

Damit ist die Dantooine-Episode wohl endgültig abgeschlossen, dachte<br />

sie. Nun war Schluss mit der sinnlosen Zeitverschwendung.<br />

Sie erhob sich und kehrte ins Cockpit zurück, um den<br />

Navcomputer die neue Route berechnen zu lassen.<br />

235


9: TREASURED MEMORIES<br />

E p i l o g<br />

8 Jahre später…<br />

SIE KAMEN. AM HORIZONT KONNTE SIE BEREITS DIE ZÜNGELNDEN<br />

Flammen sehen, die der Trupp nach sich zog, während er alles nieder<br />

brannte, das einmal für sie von Bedeutung gewesen war.<br />

Jemand schrie um sein Leben, flehte vergeblich um Gnade. Getrieben<br />

von unendlicher Angst lief sie los. Das Senffarbene Gras und die blutrote<br />

Erde glitten unter ihr hinweg.<br />

„Ich komme!“ schrie sie aus vollem Halse, aber kein Laut kam über ihre<br />

Lippen. Ihre Stimme versagt ihr den Dienst.<br />

„Ich komme!“ versuchte sie es erneut, doch wieder geschah nichts<br />

Die Flammen kamen immer näher, hatten sie schon fast erreicht. Sie<br />

konnte bereits die Hitze des Feuers auf ihrer Haut spüren.<br />

Wieder hörte sie jemanden schreien. Es war die Stimme einer Frau.<br />

„Nein! Nein, nicht sie!“ kreischte die Frau verzweifelt. „Ihr dürft sie<br />

mir nicht wegnehmen! NEIN!“<br />

Lauf, Mara.<br />

„NEIN! BITTE NICHT!“<br />

Lauf, Mara!<br />

Sie konnte nicht laufen. Die Kraft verließ sie, wurde von dem<br />

vernichtenden Feuer aufgesogen, das über die einst so fruchtbaren<br />

Ländereien wütete. Ihre Knie wurden weich und sie stolperte.<br />

Ihre Beine gaben nach. Sie landete mit dem Gesicht im Gras. An der<br />

Wange spürte sie versteinerte Blütenblätter.<br />

236


Das Feuer kam immer näher. Sie waren unaufhaltsam.<br />

Lauf weg, Mara!<br />

„Ich kann nicht!“ würgte sie hervor. Tränen sammelten sich in ihren<br />

Augen und rannen unaufhaltsam über ihre Wangen. „Ich kann nicht<br />

mehr.“<br />

Unbeschreiblicher Schmerz stach von ihren Füßen an ihren Körper<br />

hinauf, als die Flammen über sie hinweg gingen. Ein irres Lachen mischte<br />

sich mit dem Knistern des Feuers.<br />

„Habt ihr mein Leid noch nicht zu genüge ausgekostet?“ presste sie<br />

mühsam hervor, aber es war kaum laut als ein zaghaftes Flüstern.<br />

„Nicht einmal annähernd, Jade. Nicht einmal annähernd…“<br />

MIT EINEM ERSTICKTEN SCHREI AUF DEN LIPPEN UND VON KALTEM<br />

Schweiß überströmt, kämpfte Mara Jade Skywalker sich zurück ins<br />

Bewusstsein. Anfangs spürte sie nur fiebrige Hitze, die ihren Körper<br />

erfasst hatte. Erst nach und nach schärften sich die matten Konturen<br />

im fahlen Licht der coruscantischen Nacht.<br />

Erleichterung ließ einen Großteil ihres Entsetzens augenblicklich<br />

von ihr abfallen. Mit einem leisen Seufzen sank sie zurück in ihr<br />

Kissen und starrte zur Decke hinauf. Die Macht half ihr dabei, isch<br />

zu beruhigen und das Chaos in ihrem Kopf vollends zu vertreiben.<br />

Es war nur ein Traum gewesen. Sie war daheim. Sie lag in ihrem<br />

Bett und war sicher. Der verheerende Brand war nur Einbildung<br />

gewesen, nichts weiter.<br />

Mit einem Blick zur Seite vergewisserte sie sich, dass Luke nicht<br />

aufgewacht war. Völlig ungerührt lag er neben ihr und schlief, das<br />

Gesicht vollkommen entspannt. Eine Weile beobachtete sie, wie sich<br />

sein Brustkorb langsam hob und senkte, und lauschte dem Geräusch<br />

seines friedlichen, ruhigen Atmens.<br />

Was für ein Traum, dachte sie.<br />

Offensichtlich war die Nacht für sie nun zu Ende, denn es wollte<br />

ihr einfach nicht gelingen, erneut einzuschlafen. Selbstverständlich<br />

hätte sie sich durch die Macht in eine Trance zwingen können, so<br />

wie Luke es immer machte, doch sie war in solchen Dingen<br />

237


sicherlich pragmatischer veranlagt als ihr Mann. Also schlug sie die<br />

Bettdecke beiseite und stand auf.<br />

In der Erfrischungszelle beugte sie sich über das Waschbecken<br />

und wusch den Schweiß mit kaltem Wasser von ihrem Gesicht. Sie<br />

nahm sich die Zeit, ihre Erscheinung genau im Spiegel zu<br />

betrachten. Zum ersten Mal fielen ihr die kleine Fältchen, die sich<br />

langsam um ihre Augen und die Mundwinkel herum bildeten,<br />

wirklich auf.<br />

Warum hatte sie gerade heute von Dantooine geträumt? Seit<br />

vielen Jahren hatte sie nicht daran gedacht. Sie hatte niemals wieder<br />

darauf zurück geblickt oder einen Gedanken an die Frau<br />

verschwendet, die damals das Leben zur Hölle machen wollte.<br />

Warum also kehrte die Erinnerung an May Lynn Montross<br />

ausgerechnet in dieser Nacht zurück? Lag es an ihrer Erschöpfung?<br />

Immerhin war dies der erste Abend seit langer Zeit gewesen, den sie<br />

und Luke allein verbracht hatten, ohne irgendwelche Würdenträger<br />

oder Bittsteller, die sie ihm einen Gefallen ersuchten. Noch waren sie<br />

durch ein Problem an der Akademie behelligt worden.<br />

Mit diesem Gedanken schlenderte sie in die Wohneinheit des<br />

Apartments, welches sie und Luke für ihre eher unregelmäßigen<br />

Aufenthalte auf Coruscant gemietet hatten. Auf dem Couchtisch<br />

standen noch zwei halbvolle Gläser Wein, die sie vor dem<br />

Schlafengehen getrunken hatten.<br />

Sie trat an das großzügige Panoramafenster, welches einen<br />

atemberaubenden Blick auf Coruscants Skyline darbot, und<br />

verschränkte die Arme vor der Brust. Endlose Straßenzüge von<br />

Frachtern und Lufttaxen zogen daran vorbei. Und mit einem<br />

wehmütigen Seufzen betrachtete sie die Milliarden Lichter, die die<br />

Nacht erhellten. Sie hörte nur halb, wie Luke sich mit leise<br />

tapsenden Schritten näherte.<br />

„Was ist los?“ fragte er leise in die Stille hinein, als er ins Zimmer<br />

kam. „Ist irgendwas passiert?“<br />

„Es war nichts“, gab Mara zurück ohne den Blick von der<br />

bizarren Schönheit Coruscants abzuwenden. „Nur ein böser<br />

Traum.“<br />

238


Mit nur wenigen Schritten war Luke bei ihr, trat hinter sie und<br />

legte vorsichtig die Hände auf ihre Schultern. „Möchtest du darüber<br />

reden?“ fragte er, während er ihrem Blick mit seinem folgte.<br />

„Ich weiß nicht“, sagte Mara. „Der Traum war ziemlich…<br />

merkwürdig. So voller Schmerz. Ich weiß auch nicht…“<br />

Luke schlang seine Arme fest um ihre Schultern und zog sie<br />

näher an sich. Sie konnte spüren, wie er sein Gesicht in ihrem Haar<br />

versenkte und tief einatmete. Ihr war, als wollte er sie mit seinem<br />

ganzen Sein umfangen und Mara empfand Trost und Erleichterung<br />

in seiner Gegenwart.<br />

„Weißt du noch, was damals auf Dantooine war, Skywalker?“<br />

fragte sie ihn. „Als May Montross es auf mich abgesehen hatte?“<br />

Luke hielt einen Moment inne. „Ja, ich erinnere mich“, sagte er<br />

angespannt. „Hast du etwa von ihr geträumt.“<br />

Mara nickte langsam. „Es ist seltsam. Für gewöhnlich habe ich<br />

ein ausgezeichnetes Gedächtnis, aber in Bezug auf die Zeit auf<br />

Dantooine tun sich vor mir einige Lücken auf. Wie schwarze Löcher,<br />

die alles aufgesogen haben“, sagte sie nachdenklich.<br />

Mara fühlte, wie er ihre Haare küsste und sie sanft an sich<br />

drückte.<br />

„Wenn ich als Jedi eines gelernt habe“, sagte er, „dann, dass man<br />

Träumen nicht immer eine Bedeutung beimessen sollte. Nur wenige<br />

bergen Einsichten oder Wahrheiten in sich. Meist sind es nur kleine<br />

Regungen in der Macht selbst, die einen in eine bestimmte Richtung<br />

zu schubsen versuchen.“<br />

„So wie deine Vision von mir auf Nirauan?“ fragte sie.<br />

„Ja, so in etwa.“<br />

„Aber was sagt mir, dass dieser Traum nichts weiter als ein<br />

Hirngespinst war?“ fuhr Mara fort. „Was ist, wenn da noch mehr ist.<br />

Etwas wichtig. Etwas, das ich tief vergraben liegt und das ich<br />

vergessen habe?“<br />

Luke versuchte zu lächeln, sagte jedoch nichts. Sie wusste<br />

ohnehin, wie er über diese Sache dachte.<br />

„Ach, weißt du was?“ rief seine Frau da und schüttelte energisch<br />

den Kopf. Sie wandte sich in seinen Armen herum und sah ihn offen<br />

239


an. „Ich will es gar nicht wissen. Soll die Vergangenheit doch zum<br />

Teufel gehen.“<br />

Ihr Ehemann blinzelte verblüfft. „Wenn das dein Wunsch ist...“,<br />

erwiderte er vorsichtig, „werde ich nicht versuchen, dich vom<br />

Gegenteil zu überzeugen.“<br />

Mara grinste. „Ah, sieh an, der Meister ist noch lernfähig“, sagte<br />

sie in neckischem Ton und stubste mit ihrem Zeigefinger an seine<br />

Nasenspitze. „Du weißt endlich, was gut für dich ist, Skywalker.“<br />

„Ich hatte eine gute Lehrerin“, gab er milde lächelnd zurück.<br />

Sie legte die Arme um seine Schultern und erwiderte sein<br />

Lächeln. Dann hob sie ihr Gesicht dem seinen entgegen und schloss<br />

die Augen.<br />

Luke akzeptierte die Einladung und küsste sie zärtlich. Fest<br />

umschlungen standen sie da und ließen einander die Zeit vergessen.<br />

Für einen wertvollen Moment lang gab es in diesem Universum nur<br />

sie beide.<br />

Dies waren die Momente, die sie in Erinnerung behalten wollte.<br />

Und wenn sie ihm tief in die Augen sah, wusste sie, dass er Dinge in<br />

den Tiefen ihres Herzens gesehen hatte, von denen sie nicht einmal<br />

selbst Kenntnis hatte. Doch durch die Liebe und all die anderen<br />

kleinen Dinge, die er sie gelehrt hatte, hatte sie erkannt, dass es<br />

keinen Grund gab, die Vergangenheit zu fürchten. Es gab nichts,<br />

weswegen sie sich schämen oder schuldig fühlen musste. Sie war,<br />

wer sie war und die Vergangenheit würde keine Macht mehr über<br />

sie haben.<br />

Nie wieder.<br />

~ ENDE ~<br />

240


~ NACHWORT ~<br />

A FEW WORDS FROM THE AUTHOR<br />

Endlich ist es vollbracht! »What Lies Beneath« hat noch vier endlos<br />

langen Jahren ein Ende gefunden. Erstaunlich, wie sehr sich doch<br />

die Geschichte verselbstständigt und ein eigenes Leben entwickelt<br />

hat. Umso erstaunlicher, dass ich es doch noch zu einem Ende<br />

gebracht habe! Nach der ganzen Arbeit am Plot und dem vielen<br />

Schreiben erscheint es mir noch ein bisschen surreal, am Ziel<br />

angekommen zu sein. Als ich 2004 die ersten Worte für die<br />

Geschichte schrieb – damals noch unter dem Titel »Jade Sabacc«, in<br />

Anlehnung an eine Kurzgeschichte von Maras Schöpfer Timothy<br />

Zahn – hatte ich wirklich nicht geahnt, was einmal für ein Monstrum<br />

aus »What Lies Beneath« werden würde. Und bis zum Schluss hatte<br />

ich nicht wirklich eine Ahnung davon, was genau ich da eigentlich<br />

tue.<br />

Aber ich hatte meinen Spaß und ich liebe die Geschichte, bis hin<br />

zu allerletzten Zeile. Meine Arbeit wird wohl nie ganz beendet sein,<br />

da ich bereits jetzt die erste verbesserungswürdige Passagen in den<br />

Kapiteln 1 bis 4 ausmachen kann, doch alles in allem empfinde ich in<br />

diesem Augenblick nichts weiter als reine Freude.<br />

Gegen Ende der Schreibarbeit kam ich langsam zu dem<br />

Eindruck, dass die ganze Story vielleicht nicht mehr mitreißend und<br />

gut war, wie ich mir das selber ausgemalt hatte. Oriannas Charakter<br />

schien sich mehr und mehr zu verselbstständigen und damit auch<br />

ihre Sidestory. Mir war von Anfang an klar, sie würde nicht zum<br />

Sympathieträger in dieser Geschichte werden, und doch übte sie<br />

eine ungeheure Faszination auf mich aus. Das soll nicht heißen, dass<br />

ich sie als Figur mochte, aber vielleicht war es gerade das, was mich<br />

so ungeheuer fesselte. Ich wollte aus ihr keinen durch und durch<br />

liebenswürdigen Charakter machen, möglicherweise damit Mara<br />

noch besser und positiver zu Geltung kommt. Andererseits auch,<br />

um mich von einfältigen Stereotypen zu entfernen, ich weiß es nicht<br />

mehr. Letzten Endes war ich jedenfalls glücklich, als ich sie<br />

241


umbringen durfte. Das hat mir eine tiefe, innere Befriedigung<br />

verschafft.<br />

Ilya hingegen sah ich als Mischung aus Dorian Gray, J.R. Ewing<br />

und Sweeney Todd (womit May in etwa die Rolle der Mrs. Lovett<br />

zufallen dürfte), leider kam das nicht wirklich zum tragen, wo doch<br />

er und Mara die Dreh- und Angelpunke für das gesamte<br />

Handlungsgefüge sind. Das mag wohl daran liegen, dass ich ihn<br />

stets aus Oriannas oder Mays Sicht charakterisierte, ihn aber niemals<br />

für sich selbst sprechen ließ. Und auch jetzt bin ich mir noch uneinig<br />

darüber, ob ich dies nachträglich tun sollte. Immerhin ist auch May,<br />

genau wie Ilya, für mich eine weit tragischere Figur als Orianna, was<br />

sie um ein vielfaches interessanter macht. Die Skizzierungen und<br />

Notizen zu »A Murder and its Afterlife« (Ein Mord und seine<br />

Folgen) liegen zurzeit sicher verstaut, während ich mit mir selbst<br />

noch im Widerstreit bin, ob ich diese Geschichte ebenfalls erzählen<br />

sollte.<br />

Was Mara angeht, so wird sie auf jeden Fall zur Protagonistin<br />

einer weiteren Story mit dem Titel »Schattenspiele«. Dort gibt es<br />

keinen Luke Skywalker, keine May Montross (?) und ganz<br />

besonders keine Orianna Matale. Nein, mit dieser Geschichte<br />

möchte ich zurück zu dem, was sich in den ersten vier Kapiteln von<br />

»What Lies Beneath« abgezeichnet hat: Etwas mehr Action, etwas<br />

weniger Drama. Stilistische Vorlage und Auslöser für diese<br />

Entscheidung ist der EU-Roman »Treueschwur« von Timothy Zahn.<br />

Demnach ist die neue <strong>Fanfiction</strong> auch in der Ära der Rebellion<br />

angesiedelt und präsentiert Mara erneut in der Rolle als Hand des<br />

Imperators.<br />

Ein letzter Dank geht an<br />

Sol Deande, meine wundervolle Betaleserin, die sich mit so viel<br />

Hingabe durch die Geschichte gekämpft und mich mit ihren<br />

aufmunternden Kommentaren immer weiter vorangetrieben hat.<br />

Benjamin, für seine Kommentare, die mir ebenfalls gezeigt haben,<br />

dass die Geschichte doch nicht der Unsinn ist, für den ich sie hielt.<br />

Hoffentlich es das bis zum Schluss auch so geblieben.<br />

242


Ayu the Messiah, die zwar nicht so viel für das <strong>Star</strong> <strong>Wars</strong>-Fandom<br />

übrig hat wie ich, sich aber trotzdem immer wieder meine<br />

überschwänglichen Ausbrüche zu »What Lies Beneath« angetan hat.<br />

So, und jetzt ist Schluss. Genug Selbstbeweihräucherung, genug<br />

eigennützige Werbung. Ich bin raus aus der Nummer. Vielleicht liest<br />

man sich bei einer der neuen Geschichten, die darauf warten, aus<br />

meinem Kopf und ins nächstbeste Word-Dokument hineinzufließen.<br />

Ich hoffe, ihr hattet genauso viel Spaß wie ich.<br />

Ihu la Seraphita, 12. Oktober 2008<br />

243


~ ANHANG ~<br />

D I E C H A R A K T E R E<br />

Name: Mara Jade<br />

Geburtsdatum: 18:4:27 [NRS]<br />

Geburtsort: Khoonda City, Dantooine<br />

Heimatwelt: Coruscant<br />

Haarfarbe: Rot<br />

Augenfarbe: Grün<br />

Körpergröße: 160 cm<br />

Sprachen: Basic I, Basic II (Huttisch)<br />

Name: Luke Skywalker<br />

Geburtsdatum: 16:5:26 [NRS]<br />

Geburtsort: Polis Massa (Asteroidenkolonie)<br />

Heimatwelt: Tatooine, Coruscant, Yavin 4<br />

Haarfarbe: Dunkelblond<br />

Augenfarbe: Blau<br />

Körpergröße: 172 cm<br />

Sprachen: Basic I, Basic II (Huttisch)<br />

244


Name: May Lynn (Meelam) Montross<br />

Geburtsdatum: 8:10:35 [NRS]<br />

Geburtsort: Abbusyn, Sulon<br />

Heimatwelt: Carida<br />

Haarfarbe: Schwarz<br />

Augenfarbe: Eisblau<br />

Körpergröße: 159 cm<br />

Sprachen: Basic I<br />

Name: Orianna Matale<br />

Geburtsdatum: 958:9:25 [NRR]<br />

Geburtsort: Khoonda City, Dantooine<br />

Heimatwelt: Dantooine<br />

Haarfarbe: Rotblond<br />

Augenfarbe: Braun<br />

Körpergröße: 157 cm<br />

Sprachen: Basic I<br />

Name: Sarzamin Saia<br />

Geburtsdatum: 1:5:11 [NRS]<br />

Geburtsort: Khoonda City, Dantooine<br />

Heimatwelt: Dantooine<br />

Haarfarbe: Dunkelblond<br />

Augenfarbe: Braun<br />

Körpergröße: 162 cm<br />

Sprachen: Basic I, Grundkenntnisse Mandalorianisch<br />

Name: Casseia Matale Marjumdar<br />

Geburtsdatum: 955:3:11 [NRR]<br />

Geburtsort: Khoonda City, Dantooine<br />

Heimatwelt: Dantooine<br />

Haarfarbe: Braun<br />

Augenfarbe: Braun<br />

Körpergröße: 156 cm<br />

Sprachen: Basic I<br />

245


Name: Bithras Marjumdar<br />

Geburtsdatum: 949:5:3 [NRR]<br />

Geburtsort: Östl. Ebene von Khoonda, Dantooine<br />

Heimatwelt: Dantooine<br />

Haarfarbe: Braun<br />

Augenfarbe: Blaugrau<br />

Körpergröße: 175 cm<br />

Sprachen: Basic I, Grundkenntnisse Basic II (Huttisch),<br />

Grundkenntnisse Mandalorianisch<br />

Name: Ilya Fermor Jade / Fermor Fingal<br />

Geburtsdatum: 947:5:9 [NRR]<br />

Geburtsort: Coronet, Corellia<br />

Heimatwelt: Coruscant<br />

Haarfarbe: Dunkelblond<br />

Augenfarbe: Grün<br />

Körpergröße: 180 cm<br />

Sprachen: Basic I, Basic II (Huttisch)<br />

[NRR] = Republikanische Zeitrechnung (Ruusan Reformation)<br />

[NSR] = Republikanische Zeitrechnung (ReSynchronisation)<br />

[NSY] = Zeitrechnung der Neuen Republik (Schlacht von Yavin)<br />

246


Anmerkungen zur Zeitrechnung und Datierung:<br />

Für die Gliederung des <strong>Star</strong> <strong>Wars</strong>-Universums in die verschiedenen<br />

Ären hat sich, nachdem eine Weile die Schlacht von Endor der Drehund<br />

Angelpunkt aller zeitlicher Berechnung war, die Schlacht von<br />

Yavin – genauer gesagt <strong>Star</strong> <strong>Wars</strong> Episode IV: Eine Neue Hoffnung – als<br />

Nullpunkt für die Einteilung der Zeitalter eingebürgert. Daher wird<br />

dort der Einfachheit halber auf die Jahre VSY und NSY datiert (genau<br />

wie v.Chr. und n.Chr.). Diese leicht verständliche und übersichtliche<br />

Einteilung wurde auch für die nachfolgende Timeline beibehalten.<br />

Innerhalb des Universums, betrachtete man dieses so, wie wir unsere<br />

Zeitrechnung betrachten, so ist die genaue Bestimmung eines Datums<br />

nicht ganz so simpel. Zwischen der Zeitrechnung der Alten Republik<br />

und der des Imperiums kann es zu Differenzen bezüglich der<br />

jeweiligen Daten kommen, da die Republik zunächst alle Geschehnisse<br />

auf das Jahr der Ruusan Reformation (1.000 VSY) zurück datierte, bis<br />

im Jahre 35 VSY eine Resynchronisation des Galaktiktischen Standard-<br />

Kalenders durchgeführt wurde. Die Gründung des Imperiums fand<br />

daher im Jahre 16 NRS (Nach der ReSychronisation) statt.<br />

Das Imperium setzte jedoch in weiten Teilen der Galaxis die Datierung<br />

am Tag seiner Gründung komplett auf Null zurück. Die Ausrufung des<br />

Imperiums fällt damit auf den Tag 0:1:1 (JJ:MM:TT) der Imperialen<br />

Zeitrechnung. Dennoch ließ sich das Kalendersystem der Republik<br />

nicht ganz ausmerzen, da es weiterhin für die Datierung historischer<br />

Ereignisse in Gebrauch war.<br />

Die Neue Republik übernahm 25 NSY schließlich den laufenden<br />

Kalender, datierte fortan allerdings ab dem Jahr, in dem der erste<br />

Todesstern bei der Schlacht von Yavin vernichtet wurde (Nach der<br />

Schlacht von Yavin). Daher ist es nötig, dass eine Datierung nach der<br />

vorangegangenen Zeitrechnung zugelassen wird. Aller Ereignisse, die<br />

demnach vor der Schlacht von Yavin (VSY) stattfanden, wurden, genau<br />

wie während der Imperialen Herrschaft, auf die republikanische<br />

ReSynchronisation (NRS) zurückdatiert.<br />

247


D I E T I M E L I NE<br />

248


249


250


Quellen:<br />

251


252


Knights of the Old Republic, Knights of the Old Republic: The Sith Lords, The<br />

New Essential Chronology, Wookieepedia, Jedipedia.de<br />

253


WEITERE WERKE DER AUTORIN<br />

~ STAR WARS ~<br />

Onehundred <strong>Star</strong>s & Skies*<br />

A Murder and its Afterlife*<br />

Days of Calamity*<br />

No Good Deed*<br />

Schattenspiele*<br />

~ WICKED – DIE HEXEN VON OZ ~<br />

In Memoriam<br />

Silent Requiem<br />

Bittersweet Symphony<br />

~ VAMPIRE THE MASQUERADE ~<br />

(BLOODLINES)<br />

Born To Darkness<br />

~ QUEER AS FOLK (US) ~<br />

10 Dinge über Brian Kinney<br />

~ HARRY POTTER ~<br />

D.A.: Dumbledore’s Army*<br />

In Zeiten wie diesen<br />

* work in progress<br />

254


255

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