ö Schattauer
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ö Schattauer
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C.THOMAS GRUNDLAGEN DER KLINISCHEN MEDIZIN<br />
G. Gebert<br />
C. Thomas<br />
Unter Mitwirkung von<br />
A. Bittinger, K. Joseph,<br />
H.-D. Mennel, K. Neumann<br />
J. Rüschoff und<br />
W-8, Schwerk<br />
Endokrincs<br />
Systom<br />
ANATOMIE . PHYSIOLOGIE . PATHOLOGI E<br />
MIKROBIOLOGIE . KLINIK<br />
<strong>ö</strong> <strong>Schattauer</strong>
C.Thomas (Herausgeber)<br />
Grundlagen der klinischen Medizin<br />
5 Endokrines System
Grundlagen<br />
der klinischen Medizin<br />
Anatomie Physiologie Pathologie Mikrobiologie Klinik<br />
Herausgegeben von C.Thomas
5 Endokrines System<br />
Von<br />
G.Gebert und C.Thomas<br />
Unter Mitwirkung von<br />
A.Bittinger, K. Joseph, H.-D. Mennel,<br />
K. Neumann, J. Rüschoff und W.-B. Schwerk<br />
Mit 105 Abbildungen in 172 Einzeldarstellungen,<br />
davon 148 mehrfarbig<br />
<strong>Schattauer</strong> Stuttgart - New York 1992
Autoren:<br />
Prof. Dr. C.Thomas<br />
Geschäftsführender Direktor des Medizinischen Zentrums für Pathologie der Philipps-Universität Marburg,<br />
Klinikum Lahnberge, D-3550 Marburg<br />
Prof. Dr. G. Gebert<br />
Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen, Große Langgasse 8, D-6500 Mainz 1, apl. Prof.<br />
für Physiologie, Universität Ulm<br />
Dr. A. Bittinger und Doz. Dr. K. Neumann<br />
Medizinisches Zentrum für Pathologie der Philipps-Universität Marburg, Klinikum Lahnberge, D-3550 Marburg<br />
Prof. Dr. K. Joseph<br />
Leiter der Abteilung für Strahlendiagnostik am Medizinischen Zentrum für Radiologie der Philipps-Universität,<br />
D-3550 Marburg<br />
Prof. Dr. H.-D. Mennel<br />
Leiter der Abteilung Neuropathologie am Medizinischen Zentrum für Pathologie der Philipps-Universität,<br />
Klinikum Lahnberge, D-3550 Marburg<br />
Prof. Dr. J. Rüschoff<br />
Pathologisches Institut der Universität, Franz-Josef-Strauß-Allee,<br />
D-8400 Regensburg<br />
Prof.Dr.W.-B.Schwerk<br />
Medizinisches Zentrum für Innere Medizin der Philipps-Universität Marburg, Klinikum Lahnberge,<br />
D-3550 Marburg<br />
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />
Grundlagen der klinischen Medi/.in : Anatomie, Physiologie,<br />
Pathologie, Mikrobiologie, Klinik / hrsg. von C. Thomas. -<br />
Stuttgart ; New York : <strong>Schattauer</strong>.<br />
NE: Thomas. Carlos [Hrsg.J<br />
Bd. 5. Endokrines System / von G. Gebert und C. Thomas.<br />
Unter Mitw. von A. Bittinger... - 1992<br />
ISBN 3-7945-1280-4<br />
NE: Gebert, Gerfried<br />
In diesem Buch sind die Stichw<strong>ö</strong>rter, die zugleich eingetragene Warenzeichen sind, als solche nicht besonders kenntlich<br />
gemacht. Es kann also aus der Bezeichnung der Ware mit dem für diese eingetragenen Warenzeichen nicht geschlossen<br />
werden, daß die Bezeichnung ein freier Warenname ist.<br />
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung in fremde Sprachen,<br />
vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne<br />
schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden.<br />
© 1992 by EK. <strong>Schattauer</strong> Verlagsgesellschaft mbH, I.enzhalde 3, D-7000 Stuttgart 1, Germany<br />
Printed in Germany<br />
Satz, Druck und Einband: Mayr Miesbach, Druckerei und Verlag GmbH, Am Windfeld 15, D-8160 Miesbach. Germany<br />
ISBN 3-7945-1280-4
V<br />
Vorwort zur Reihe<br />
»Grundlagen der klinischen Medizin«<br />
Das Faktenwissen in der Medizin macht eine rasante<br />
Entwicklung durch, die zu einer immer h<strong>ö</strong>heren Spe<br />
zialisierung zwingt. Dabei geht häufiger der Anschluß<br />
an andere Fächer verloren. Dies trifft für die überwie<br />
gend klinischen, aber auch für die klinisch-theoreti<br />
schen Fächer (Pathologie, Mikrobiologie u.a.) zu. Im<br />
Rahmen dieser Spezialisierung geraten auch die<br />
Grundlagen der Medizin (Anatomie und Physiologie)<br />
häufiger in Vergessenheit.<br />
Ziel der Reihe Grundlagen der klinischen Medizin ist<br />
es, ein »Grundwissen« in Anatomie, Physiologie,<br />
Pathologie, Mikrobiologie und Klinik zusammenzustel<br />
len, so daß der Arzt rasch einen Einblick in bestimmte<br />
Fächer der Medizin, die nicht zu seinem unmittelba<br />
ren Wissensgebiet geh<strong>ö</strong>ren, gewinnen kann. Will man<br />
Basiswissen darstellen, dann muß man eine bestimmte<br />
Auswahl des Stoffes vornehmen: Es sind nicht die<br />
neuesten oder modernsten Fakten abzuhandeln, son<br />
dern die, die sich in der Praxis als relevant erwiesen<br />
haben. In der Lehre der Pathologie gilt der Grundsatz,<br />
das Faktenwissen zu lehren, das mit gr<strong>ö</strong>ßter Wahr<br />
scheinlichkeit auch in den nächsten 5 Jahren noch<br />
seine Gültigkeit behalten wird. Diese Richtlinien sollen<br />
in dieser Reihe berücksichtigt werden. Wissenslücken<br />
werden sich nicht vermeiden lassen, denn Darstel<br />
lungsart und Ziel des Werkes (»Minimalwissen«) zwin<br />
gen zu einer knappen Abhandlung.<br />
Der Leser wird sich die Frage stellen, welche Ziel<br />
gruppe mit dieser Reihe angesprochen werden soll. Die<br />
Beantwortung ist im Zusammenhang mit den Untersu<br />
chungen, die wir Anfang der 70er Jahre unter der<br />
Leitung von W Sandritter in Freiburg durchführten, zu<br />
sehen. Damals prüften wir im Auftrag der Volkswagen-<br />
Stiftung die Effektivität verschiedener Lehr- und Lern<br />
methoden (Hauptvorlesung, Gruppenunterricht,<br />
audiovisueller Unterricht und Eigenstudium) in der<br />
Pathologie. Sie wurde am »Kurzzeitgedächtnis« (Über<br />
prüfung des Faktenwissens am Ende des Semesters)<br />
und am »Langzeitgedächtnis« (Überprüfung im Rah<br />
men des Staatsexamens nach der alten Approbations<br />
ordnung) kontrolliert.<br />
Studenten und sicher auch viele Dozenten sind der<br />
Meinung, daß der Gruppenunterricht die einzig rich<br />
tige Unterrichtsmethode in der Medizin sei. Dabei<br />
werden aber in der Regel die Begriffe verwechselt:<br />
Gemeint ist der Unterricht in der kleinen Gruppe (also<br />
der Frontalunterricht vor einer kleinen Studenten<br />
gruppe) und nicht der dynamische Gruppenunter<br />
richt. Dieser setzt voraus, daß sich der Student im<br />
Eigonstudium Faktenwissen aneignet und im Gespräch<br />
m der kleinen Gruppe, unter der Leitung eines erfahre<br />
nen Tutors, praktisch einsetzt. In dieser Form ist der<br />
dynamische Gruppenunterricht ohne Zweifel sehr lei<br />
stungsfähig. Die Praxis zeigt aber, daß sich die Studen<br />
ten nicht regelmäßig und intensiv vorbereiten. Obwohl<br />
es immer wieder bestritten wird, stellen die Kontrollen<br />
(Klausuren und Prüflingen) die wichtigste Lernmotivation<br />
dar. Leider führt aber die derzeitige Prüfungsform<br />
zu einer Vernachlässigung der praktischen Ausbildung<br />
(so z. B. in den Kursen in allgemeiner und spezieller<br />
Pathologie).<br />
Die Freiburger Untersuchungen haben gezeigt, daß es<br />
keine ideale Lehr-Lern-Methode gibt. Die alte, viel<br />
geschmähte Ilauptvorlesung wird immer noch von<br />
einem Drittel aller Studenten bevorzugt. Der Rest des<br />
Studentenkollektivs verteilt sich auf den Unterricht in<br />
der kleinen Gruppe oder auf das Eigensludium.<br />
Bemerkenswert ist, daß 80% der Studenten eine der<br />
oben genannten Lehr-Lern-Methoden durch den<br />
audiovisuellen Unterricht ergänzten. Er nimmt bei<br />
entsprechendem Angebot einen zentralen Stellenwert<br />
ein.<br />
Bei der Überprüfung des »Kurzzeitgedächtnisses«<br />
erzielten die Studenten, die die Hauplvorlesimg regel<br />
mäßig besucht hatten, die besten Ergebnisse, beim<br />
»Langzeitgedächtnis« waren es die Studenten, die das<br />
Eigenstudium bevorzugt hatten. Überraschend war die<br />
Feststellung, daß nur 15% des vermittelten Faktenwis<br />
sens letztlich »übriggeblieben« waren. Aber welcher<br />
Hochschullehrer kennt nicht die Schwierigkeiten, die<br />
die Studenten in den Pathologiekursen mit der norma<br />
len Anatomie und Histologie haben? (Wahrscheinlich<br />
stehen die Kliniker vor ähnlichen Problemen, wenn es<br />
um pathologisch-anatomisches Faktenwissen geht!)<br />
Diese Situation hat den Herausgeber und die Schat<br />
tauer Verlagsgesellschaft dazu bewogen, die Reihe<br />
Grundlagen der klinischen Medizin ins Leben zu<br />
rufen. Sie soll<br />
- den Studenten in der vorklinischen Ausbildung auf<br />
die Bedeutung der Fächer Anatomie, Histologie und<br />
Physiologie aufmerksam machen;<br />
- dem Studenten in den klinischen Studienabschnit<br />
ten (einschließlich praktischem Jahr) sowie dem<br />
approbierten Arzt ein Basiswissen über Anatomie,<br />
Physiologie, Pathologie und Klinik wieder ins<br />
Gedächtnis rufen. Dies trifft besonders für die für<br />
ihn Jachfremden medizinischen Disziplinen zu;<br />
- durch zahlreiche Abbildungen die einschlägigen<br />
Lehrbücher ergänzen, aber nicht ersetzen.
VI<br />
Vorwort<br />
- Ausdrücklich sei hier darauf hingewiesen, daß die<br />
einzelnen Beiträge nicht die jeweiligen Spezialisten<br />
ansprechen sollen. Aus diesem Grunde haben wir<br />
auch auf die Darstellung der Therapie und der<br />
hochspezialisierten, lächspezifischen Untersuchun<br />
gen verzichtet.<br />
In den Rezensionen bereits erschienener Bände aus<br />
dieser Reihe wird eine Kritik regelmäßig geäußert: Zu<br />
viel Pathologie, zu wenig Klinik. Es wird sogar der<br />
Wunsch ausgesprochen, zugunsten der Therapie auf<br />
weite Abschnitte der Anatomie zu verzichten. Der Ruf<br />
nach einer »praxisnahen Ausbildung« weckt in vielen<br />
Studenten den Glauben, auf »spezifisches Faktenwis<br />
sen« verzichten zu k<strong>ö</strong>nnen. So müssen wir heute<br />
feststellen, daß der Weg zum empirischen Lernen uns<br />
immer weiter von der Medizin als Wissenschaft ent<br />
fernt. Das Ziel dieser Reihe ist es aber, nicht diesem<br />
Trend mit einem »Bilderbuch der klinischen Medizin«<br />
zu folgen. Ganz im Gegenteil: Herausgeber und Auto<br />
ren bemühen sich, Faktenwissen zu vermitteln, um<br />
Defizite zu decken, die m<strong>ö</strong>glicherweise während des<br />
Studiums entstanden sind.<br />
So m<strong>ö</strong>chte ich an dieser Stelle erneut darauf hinwei<br />
sen, daß in dieser Reihe die Grundlagen - und nicht die<br />
Klinik - im Vordergrund stehen. Und wenn es heißt,<br />
daß man dem Leser das parallele Herumblättern in<br />
mehreren Büchern gleichzeitig ersparen m<strong>ö</strong>chte, so<br />
trifft dies natürlich nicht für die klinischen Bücher zu.<br />
Ebenso selbstverständlich sollte es sein, daß wir hier<br />
nur eine erste, orientierende Information vermitteln<br />
k<strong>ö</strong>nnen, vertiefen muß der Leser sein Wissen anhand<br />
von Fachbüchern!<br />
Die Gliederung dieser Reihe richtet sich nach der<br />
Organpathologie bzw. den entsprechenden klinischen<br />
Fachrichtungen: Kardiologie, Pulmologie, Neurologie.<br />
Hepatogastroenterologie, Urogenitalsystem u.a. Bei<br />
der Bearbeitung des Themas haben wir uns bevorzugt<br />
auf das Bild (Schema, Mikro-, Makrophotographie,<br />
R<strong>ö</strong>ntgenbild usw.) gestützt und dieses durch einen<br />
kurzen Text erklärt bzw. ergänzt. Für die Schemata<br />
haben wir Vorbilder gesucht oder besonders aussage<br />
kräftige Abbildungen aus eigenen bzw. Werken ande<br />
rer Autoren übernommen (siehe Quellennachweis der<br />
Abbildungen).<br />
Vorwort zum Band 5 (Endokrines System)<br />
An dieser Stelle m<strong>ö</strong>chte ich dem Autor und den Mitwir<br />
kenden für ihre Unterstützung danken. Mein besonde<br />
rer Dank gilt Herrn Prof. Gebert (Mainz) für die<br />
sorgfältige und kritische Darstellung dieses Bandes.<br />
Hervorheben m<strong>ö</strong>chte ich die Unterstützung von Herrn<br />
Prof. Arnold (Leiter der Abteilung für Gastroenterolo<br />
gie der Inneren Medizin der Philipps-Universität) und<br />
der Leiterin seines immunhistochemischen Labors,<br />
Frau Bonorden. Mein Dank gilt auch Herrn Geschäfts<br />
führer I). Bergemann und Herrn W. Krause von der<br />
<strong>Schattauer</strong> Verlagsgesellschaft sowie Herrn Haub von<br />
der Graphischen Kunstanstalt Brend'amour und dem<br />
Zeichner, Herrn IL Tsch<strong>ö</strong>rner.<br />
Marburg, im Herbst 1992<br />
Prof. Dr. C. Thomas
VII<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
A. Einleitung 1<br />
B. Anatomie 2<br />
1 H y p o p h y s e 2<br />
1 . 1 A n a t o m i e - H i s t o l o g i e 2<br />
1.2 Blutversorgung 4<br />
2 Z i r b e l d r ü s e 5<br />
3 S c h i l d d r ü s e 6<br />
4 E p i t h e l k <strong>ö</strong> r p e r c h e n 7<br />
5 N e b e n n i e r e n 8<br />
6 E n d o k r i n e s P a n k r e a s 9<br />
7 N e u r o e n d o k r i n e s S y s t e m 1 1<br />
7 . 1 A d r e n a l e s p a r a g a n g l i o n ä r e s S y s t e m 1 2<br />
7.2 Paraganglion 12<br />
8 G o n a d e n 1 4<br />
8.1 Männliche Gonaden 14<br />
8.2 Weibliche Gonaden 14<br />
C. Physiologie 15<br />
1 P r i n z i p i e n h o r m o n a l e r R e g u l a t i o n 1 5<br />
1 . 1 H o r m o n e a l s B o t e n s t o f f e 1 5<br />
1.2 Hormonelle Regelkreise 19<br />
2 H o r m o n e e n d o k r i n e r D r ü s e n 2 0<br />
2.1 Hypothalamisch-hypophysäre Funktionseinheit 20<br />
2.2 Schilddrüse und Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 24<br />
2.3 Nebenniere 27<br />
2.4 Bauchspeicheldrüse 30<br />
2 . 5 S e x u a l h o r m o n e d e r F r a u 3 1<br />
2 . 6 S e x u a l h o r m o n e d e s M a n n e s 3 4<br />
3 E x t r a g l a n d u l ä r c H o r m o n e 3 6<br />
3.1 Fettsäurederivate 36<br />
3.2 Peptid-Enterohormone 37<br />
3 . 3 R e n i n - A n g i o l e n s i n - S y s t e m 3 7<br />
3 . 4 K i n i n s y s t e m 4 0<br />
3 . 5 A t r i a l e s n a t r i u r e t i s c h e s H o r m o n 4 0<br />
3.6 Wachstunisfaktoren 40<br />
3.7 Endogene Opiate 42<br />
3.8 Peptid-Abwehrhormone 42<br />
3.9 Biogene Amine 43<br />
4 L i p i d s t o f f w e c h s e l 4 4<br />
4 . 1 E i n t e i l u n g d e r L i p i d e 4 4<br />
4.2 Lipoproteine 44<br />
4 . 3 S t o f f w e c h s e l e x o g e n e r L i p i d e 4 5<br />
4 . 4 S t o f f w e c h s e l e n d o g e n e r L i p i d e 4 7<br />
D. Untersuchungsmethoden 49<br />
1 K l i n i s c h e U n t e r s u c h u n g 4 9<br />
2 L a b o r u n t e r s u c h u n g e n 4 9<br />
3 B i l d g e b e n d e V e r f a h r e n 4 9<br />
3.1 Sonographie 49<br />
3.2 Radiologische Verfahren 51<br />
3.3 Nuklearmedizinische Verfahren 52<br />
4 P a t h o l o g i s c h - a n a t o m i s c h e U n t e r s u c h u n g e n 5 4<br />
4.1 Fixierung 54<br />
4.2 Routinefärbungen 54<br />
4.3 Spezialfärbungen 54
VIII<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
4.4 Immunhistochemie 54<br />
4.5 Elektronenmikroskopie 55<br />
5 H i s t o l o g i s c h e D i a g n o s t i k 5 5<br />
5 . 1 F u n k t i o n s d i a g n o s t i k 5 5<br />
5 . 2 D i g n i t ä t e n d o k r i n e r T u m o r e n 5 5<br />
E . E r k r a n k u n g e n d e r H y p o p h y s e 5 8<br />
1 F e h l b i l d u n g e n 5 8<br />
2 K r e i s l a u f s t <strong>ö</strong> r u n g e n 5 8<br />
3 S t o f f w e c h s e l s t <strong>ö</strong> r u n g e n 5 8<br />
4 E n t z ü n d u n g e n 5 8<br />
5 T u m o r e n u n d t u m o r a r t i g e V e r ä n d e r u n g e n 5 8<br />
5.1 Hypophysenadenome 59<br />
5.2 Hypophysenkarzinome 60<br />
5 . 3 K r a n i o p h a r y n g e o m 6 1<br />
5 . 4 M e t a s t a s e n i n d e r H y p o p h y s e 6 1<br />
5.5 Tumorähnliche Ilypophysenveränderungen 61<br />
6 F u n k t i o n s s t <strong>ö</strong> r u n g e n 6 2<br />
6 . 1 H y p o p i l u i t a r i s m u s 6 2<br />
6 . 2 H y p e r p i t u i t a r i s m u s 6 4<br />
6.3 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen des hypothalamisch-neurohypophysären Systems .... 65<br />
F . E r k r a n k u n g e n d e r Z i r b e l d r ü s e 6 7<br />
1 N i c h t t u m o r <strong>ö</strong> s e E r k r a n k u n g e n 6 7<br />
2 T u m o r e n 6 7<br />
2 . 1 G e r m i n o m 6 7<br />
2.2 Pinealzellentumoren 67<br />
2.3 Teratome 67<br />
G . E r k r a n k u n g e n d e r S c h i l d d r ü s e 6 8<br />
1 F e h l b i l d u n g e n 6 8<br />
2 K r e i s l a u f s t <strong>ö</strong> r u n g e n 6 8<br />
3 S t o f f w e c h s e l s t <strong>ö</strong> r u n g e n 6 8<br />
4 E n t z ü n d u n g e n 7 1<br />
4 . 1 Q u e r v a i n - T h y r e o i d i t i s 7 1<br />
4 . 2 C h r o n i s c h l y m p h o z y t ä r e T h y r e o i d i t i s 7 1<br />
4 . 3 I n v a s i v e s k l e r o s i e r e n d e R i e d e l - T h y r e o i d i t i s 7 2<br />
4.4 Spezifische Entzündungen 72<br />
5 T u m o r e n 7 3<br />
5.1 Gutartige Schilddrüsentumoren 77<br />
5 . 2 S c h i l d d r ü s e n k a r z i n o m 7 9<br />
5.3 Nichtepitheliale Neubildungen 83<br />
5.4 Maligne Lymphome 83<br />
5.5 Tumorähnliche Veränderungen 83<br />
6 F u n k t i o n s s t <strong>ö</strong> r u n g e n 8 4<br />
6.1 Hypothyreose 84<br />
6.2 Hyperthyreose 85<br />
7 Z y t o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g 8 8<br />
H . E r k r a n k u n g e n d e r E p i t h e l k <strong>ö</strong> r p e r c h e n 8 9<br />
1 F e h l b i l d u n g e n 8 9<br />
2 E n t z ü n d u n g e n 8 9<br />
3 S t o f f w e c h s e l s t <strong>ö</strong> r u n g e n 8 9<br />
4 T u m o r e n 8 9<br />
4 . 1 A d e n o m 8 9<br />
4 . 2 K a r z i n o m 9 0<br />
4.3 Verschiedene Tumoren 90<br />
4.4 Metastasen 90<br />
4.5 Nichtklassifizierte Tumoren 90
I n h a l t s v e r z e i c h n i s<br />
I X<br />
4.6 Tumorartige Veränderungen 91<br />
5 F u n k t i o n s s t <strong>ö</strong> r u n g e n ( R e g u l a t i o n d e s K a l z i u m h a u s h a l t s ) 9 1<br />
5 . 1 H y p o p a r a t h y r e o i d i s m u s 9 1<br />
5 . 2 I l y p e r p a r a t h y r e o i d i s m u s 9 3<br />
5 . 3 R a c h i t i s u n d O s t e o m a l a z i e 9 4<br />
5.4 Osteoporose 95<br />
6 D i e i n t r a o p e r a t i v e B e u r t e i l u n g d e r E p i t h e l k <strong>ö</strong> r p e r c h e n 9 6<br />
I . E r k r a n k u n g e n d e r N e b e n n i e r e 9 8<br />
1 F e h l b i l d u n g e n 9 8<br />
2 K r e i s l a u f s t <strong>ö</strong> r u n g e n 9 8<br />
3 E n t z ü n d u n g e n 9 9<br />
3.1 Unspezifische Adrenalitiden 99<br />
3 . 2 A u t o i m m u n a d r e n a l i t i s 9 9<br />
3 . 3 S p e z i fi s c h e A d r e n a l i t i s 9 9<br />
4 S t o f f w e c h s e l s t <strong>ö</strong> r u n g e n 9 9<br />
5 T u m o r e n 9 9<br />
5 . 1 T u m o r e n d e r N o b e n n i e r e n r i n d e 9 9<br />
5 . 2 T u m o r e n d e s N e b e n n i e r e n m a r k s 1 0 1<br />
6 F u n k t i o n s s t <strong>ö</strong> r u n g e n d e r N e b e n n i e r e 1 0 3<br />
6 . 1 N e b e n n i e r e n r i n d e n i n s u f fi z i e n z 1 0 3<br />
6.2 Nebennierenrindenüberlüiiktion 105<br />
6 . 3 F u n k t i o n s s t <strong>ö</strong> r u n g e n d e s N e b e n n i e r e n m a r k s 1 0 8<br />
J . E r k r a n k u n g e n d e s e n d o k r i n e n P a n k r e a s 1 0 9<br />
1 D i a b e t e s m e l l i t u s 1 0 9<br />
1 . 1 D i a b e t e s T y p I 1 0 9<br />
1 . 2 D i a b e t e s T y p I I 1 0 9<br />
1 . 3 S e k u n d ä r e r D i a b e t e s m e l l i t u s 1 1 0<br />
2 H y p o g l y k ä m i e — l l y p e r i n s u l i n i s m u s 1 1 4<br />
2.1 Hypoglykämie bei Diabetikern 114<br />
2.2 Hypoglykämie bei Nichtdiabetikern 115<br />
3 E n d o k r i n e P a n k r e a s t u m o r e n 1 1 6<br />
3 . 1 T u m o r e n d e s g a s t r o e n t e r o p a n k r c a t i s c h e n S y s t e m s 11 6<br />
3.2 Undifferenzierte endokrine Pankreastumoren 120<br />
3.3 Tumorähnliche Veränderungen 120<br />
K . E r k r a n k u n g e n d e r G o n a d e n 1 2 1<br />
1 Intersexualität, Hermaphroditismus und Gonadendysgenesie 121<br />
2 F u n k t i o n s s t <strong>ö</strong> r u n g e n d e r H o d e n 1 2 3<br />
2 . 1 K o n g e n i t a l e r p r i m ä r e r H y p o g o n a d i s m u s 1 2 3<br />
2 . 2 E r w o r b e n e r p r i m ä r e r H y p o g o n a d i s m u s 1 2 4<br />
2 . 3 S e k u n d ä r e r H y p o g o n a d i s m u s 1 2 4<br />
2 . 4 T e r t i ä r e r H y p o g o n a d i s m u s 1 2 4<br />
3 F u n k t i o n s s t <strong>ö</strong> r u n g e n d e r O v a r i e n 1 2 5<br />
3 . 1 P r i m ä r e r H y p o g o n a d i s m u s 1 2 5<br />
3 . 2 S e k u n d ä r e r H y p o g o n a d i s m u s 1 2 6<br />
3 . 3 T e r t i ä r e r H y p o g o n a d i s m u s 1 2 6<br />
L . E r k r a n k u n g e n d e s n e u r o e n d o k r i n e n S y s t e m s 1 2 8<br />
1 T u m o r e n d e r P a r a g a n g l i o n 1 2 8<br />
1.1 Neuroendokrine Tumoren 128<br />
1.2 Neurale Tumoren 131<br />
1.3 Gemischte neuroendokrine und neurale Tumoren 132<br />
2 T u m o r e n d e s d i f f u s e n n e u r o e n d o k r i n e n S y s t e m s 1 3 2<br />
2.1 Karzinoid 132<br />
2.2 Mukokarzinoid 135
X<br />
I n h a l t s v e r z e i c h n i s<br />
2 . 3 G e m i s c h t e s K a r z i n o i d u n d A d e n o k a r z i n o m 1 3 5<br />
2.4 Tumorähnliche Veränderungen 135<br />
3 M u l t i p l e e n d o k r i n e N e o p l a s i e n 1 3 6<br />
M. Paraneoplasien 138<br />
1 E n d o k r i n e P a r a n e o p l a s i e n 1 3 8<br />
1 . 1 E k t o p e s A C T H - S y n d r o m 1 3 9<br />
1.2 Extrapankreatische Hypoglykämie 139<br />
1 . 3 P a r a n e o p l a s t i s c h e s H y p e r k a l z ä m i e s y n d r o m 1 4 0<br />
1 . 4 E k t o p e s A D H - S y n d r o m 1 4 0<br />
1 . 5 P a r a n e o p l a s t i s c h e s K a r z i n o i d s y n d r o m 1 4 0<br />
1.6 Gonadotropinproduzierende Lungen- und Lebertumoren 141<br />
1.7 Erythropoetinbildende Tumoren 141<br />
1.8 Seltene endokrine Paraneoplasien 141<br />
1.9 Multiple paraneoplastische Endokrinopathien 142<br />
2 N i c h t e n d o k r i n e P a r a n e o p l a s i e n 1 4 2<br />
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 143<br />
1 A d i p o s i t a s 1 4 3<br />
2 K a c h e x i e 1 4 5<br />
3 L i p i d s t o f f w e c h s e l s t <strong>ö</strong> r u n g e n 1 4 5<br />
3.1 Dyslipidämien 145<br />
3.2 Lipidspeicherkrankheiten 150<br />
3.3 Lipodystrophien 151<br />
4 K o h l e n h y d r a t s p e i c h e r k r a n k h e i t e n 1 5 2<br />
4.1 Mukopolysaccharidosen 152<br />
4.2 Glykogenosen 153<br />
5 G i c h t 1 5 4<br />
0 . S a c h v e r z e i c h n i s 1 5 7
A. Einleitung<br />
A. Einleitung<br />
Hirnanhangsdrüse<br />
Schilddrüse mit<br />
Beischilddrüsen<br />
Nebennieren<br />
Eierst<strong>ö</strong>cke<br />
Hoden<br />
Abb.A-1: Die wichtigsten endokrinen Drüsen und ihre topographische Lage<br />
Die Endokrinologie beschäftigt sich mit Botenst<strong>ö</strong>ffen,<br />
die von spezialisierten Zellen gebildet und über den<br />
Zellzwischenraum in die Blutbahn ausgeschüttet wer<br />
den. Die als Hormone bezeichneten Signalsubstanzen<br />
gelangen mit dem Blutkreislauf zu den vom Produk<br />
tionsort entfernten Zellen, an denen sie ihre Wirkung<br />
entfalten sollen. Hormonproduzierende Zellen, die<br />
gegen die Umgebung einen abgrenzbaren Gewebsverband<br />
bilden, werden als endokrine Drüsen bezeichnet.
Endokrines System<br />
B- Anatomie<br />
1 Hypophyse<br />
Zwischenhirn<br />
(Diencephalon)<br />
Endhirn<br />
(Telencephalon)<br />
Balken des Endhirns<br />
(Corpus callosum)<br />
Zirbeldrüse<br />
(Corpus pineale)<br />
Mittelhim<br />
(Mesencephalon)<br />
Kleinhirn<br />
(Cerebellum)<br />
Hirnanhangsdrüse<br />
(Hypophyse)<br />
Hinterhirn mit Brücke<br />
(Metencephalon mit Pons)<br />
Verlängertes Mark<br />
(Medulla oblongata)<br />
Abb.B-1: Topographie der Hypophyse und Hpiphyse auf einem Sagittalschnitt durch Groß- und Kleinhirn. (Modifiziert nach<br />
Rohen, 1985)<br />
1.1 Anatomie - Histologie<br />
Die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), die übergeord<br />
nete Drüse des gesamten endokrinen Systems, bildet<br />
das Verbindungsglied zwischen zwei inibrmationsübertragenden<br />
Systemen: dem Nervensystem und dem<br />
endokrinen System. Es handelt sich um ein beim Mann<br />
500 bis 600 mg bzw. bei der Frau 600 bis 800 mg<br />
schweres Organ, das in der »Türkensattel« (Sella<br />
turcica) genannten H<strong>ö</strong>hle des Keilbeins plaziert ist.<br />
Nach oben wird dieser Raum durch ein Durablatt<br />
(Diaphragma sellae) abgeschlossen. Hier findet sich<br />
der Durchlaß (Foramen diaphragmatis) für den Hypo<br />
physenstiel, der die Verbindung zwischen Hypophyse<br />
und Zwischenhirn (Hypothalamus) darstellt. Im Boden<br />
des III. Ventrikels liegt eine Einsenkung (Infundibulum),<br />
in der als Trichter der Hypophysenstiel<br />
beginnt. Ventrikelnahe liegen die Nuclei suprqventriculares<br />
und supraopticus, die die Hypophyse beein<br />
flussen.<br />
Die Hypophyse setzt sich aus folgenden Teilen zu<br />
sammen:<br />
- Die Adenohypophyse (Ilypophysenvorderlappen),<br />
die vom Entoderm (Rathke-Täsche) abgeleitet wird.<br />
Der Trichlerlappen (Pars infundibularis) umfaßt<br />
das supraselläre adenohypophysäre Gewebe.<br />
- Die Neurohypophyse, die sich aus dem Neuroektodcrm<br />
entwickelt<br />
- der Hypophysenstiel, der die Hypophyse mit dem<br />
ZNS verbindet<br />
- die Zwischenhypophyse (Intermediärzone).
B. Anatomie<br />
Histologie und Funktion der Zellen der Adenohypophyse*<br />
HE PAS-Orange Immunbistochemie Funktion - Erkrankung<br />
azidophil<br />
azidophil<br />
STH<br />
Prolaktin<br />
Akromegalie/Gigantismus<br />
Galaktorrh<strong>ö</strong> - Amenorrh<strong>ö</strong><br />
chromophob<br />
chromophob<br />
nicht granulierte<br />
kleine Zellen<br />
keine Funktion<br />
ACTII-MSH<br />
M. Cushing, Melanodermie<br />
basophil<br />
mukoid<br />
TSH<br />
Gonadotropin<br />
Thyreotoxikose<br />
Onkozyten Onkozyten Onkozyten keine Funktion<br />
Nach F. D. Williams: Histological typing of endocrine tumours. WHO (1980)<br />
A, * ^<br />
Abb.B-2: Hypophyse im Querschnitt. N = Neurohypophyse.<br />
Masson-Fbg.<br />
Abb.B-3: Drüsengewebe der Adenohypophyse. PAS-<br />
Orange-G-Fbg.<br />
1.1.1 Adenohypophyse<br />
Histologisch besteht die Adenohypophyse aus Strän<br />
gen und Ballen von Epithelzellen, die von Silberfasern<br />
umgeben sind und gemischt oder regional gehäuft<br />
vorkommen. Diese Zellen weisen unterschiedliche fär<br />
berische, immunhistochemische und ultrastrukturelle<br />
Eigenschaften auf, die eine Unterteilung und eine<br />
gewisse Zuordnung zu einer bestimmten Hormonsynthese<br />
erlauben. Man unterscheidet chromophile und<br />
chromophobe Zellen.<br />
Azidophile chromophile Zellen (eosinrote oder<br />
Orange-G-anfärbbare Zellen) stellen die STH- und<br />
die Prolaktinbildner dar. STH-Zellcn machen fast<br />
die Hälfte aller Epithelien der Adenohypophyse aus<br />
und bleiben während des gesamten Lebens zahlen<br />
mäßig weitgehend unverändert. Die inlrazytoplasmatischen<br />
Granula sind 550 nm groß. Die Prolaktin-Zellen<br />
sind diffus verteilt und stellen 3% bis 25%<br />
aller Epithelien dar. Während der Gravidität und<br />
der Stillzeil sind sie hyperplastisch und erh<strong>ö</strong>hen das
Endokrines System<br />
Abb. B-4: Prolaktinomzelle mit großen Sekretgranula im<br />
elektronenmikroskopischen Bild<br />
Abb. B-5: Onkozytomzelle mit vermehrten Mitochondrien<br />
Onset) im elektronenmikroskopischen Bild<br />
Hypophysengewicht um 25%. Die Granula sind bis<br />
900 nm groß.<br />
Mukoide chromophile Zellen sind PAS-positiv und<br />
entsprechen der früheren Bezeichnung »basophil«.<br />
Zu diesen Zellen geh<strong>ö</strong>ren die ACTII-, TSH- (Aldehydlüchsin-positiv)<br />
sowie die gonadotropen Zellen, die<br />
FSH und LH produzieren.<br />
Chromophobe Zellen zeigen keine färberisch dar<br />
stellbaren Granula, k<strong>ö</strong>nnen aber immunhistochemisch<br />
exprimieren (z. B. Prolaktin).<br />
Onkozyten sind mitochondrienreiche Zellen, die in<br />
der Hypophyse häufiger vorkommen und mit dem<br />
Alter mengenmäßig zunehmen. Sie zeichnen sich<br />
durch das eosinrote Zytoplasma und den chromatindichten<br />
Kern aus.<br />
1.1.2 Neurohypophyse<br />
Sie umläßt den intrasellären Hypopliysenhinterlappen<br />
und das supraselläre Infundibulum. Beide bestehen<br />
aus Nervenfasern des Tractus supraopticus hypophyseus<br />
und tuberohypophyseus. Hier sind auch die Pitui<br />
zyten zu finden, die eine modifizierte Glia darstellen.<br />
Normale Glia findet sich erst im Tuber cinereum.<br />
1.1.3 Zwischenhypophyse<br />
Die Zwischenhypophyse ist ein intrasellärer Anteil der<br />
Hypophyse, der zwischen Adeno- und Neurohypophyse<br />
liegt und beim Menschen keinen eigenständigen Lap<br />
pen darstellt. Hier finden sich kleine eosinrote Kolloid<br />
zysten.<br />
1.2 Blutversorgung<br />
Die oberen Hypophysenarterien stammen aus der<br />
Arteria carotis interna oder aus der Arteria communi<br />
cans posterior. In H<strong>ö</strong>he des Hypophysenstiels bilden<br />
sie den Plbrtaderkreislauf, der in das lange Portalvenensyslem<br />
übergeht. Die unteren Hypophysenarterien<br />
entspringen aus der A. carotis interna und versor<br />
gen den Hinterkippen und die Intermediärzone. Sie<br />
bilden in der Grenzzone das kurze Portalvenensy<br />
stem. Der Venenabfluß findet über den Sinus caverno<br />
sus statt.
B. Anatomie<br />
2 Zirbeldrüse<br />
Das Corpus pineale (Epiphyse) ist ein 10 x 5 mm<br />
großes und 160 mg schweres (Gewicht nimmt bis zum<br />
40. Lebensjahr zu, im 6. Dezennium ab und steigt<br />
später - besonders bei Erauen - wieder an), neuroendokrines<br />
Organ, das im Dach des III. Ventri<br />
kels lokalisiert ist. Es bildet den kaudalen Anteil des<br />
Epithalamus und ist mit diesem durch zwei Stiele aus<br />
weißer Substanz (Ilabenulae) verbunden. Die Drüse ist<br />
leicht zu finden, wenn man das Großhirn von hinten<br />
betrachtet und das Kleinhirn nach unten drückt. Das<br />
Corpus pineale zählt zusammen mit der Neurohypo<br />
physe zu den zirkumventrikulären Organen und stellt<br />
einen Abk<strong>ö</strong>mmling des lichtempfindlichen Pinealissystems<br />
der kaltblütigen Wirbeltiere dar. Die Blutver<br />
sorgung erfolgt über die A. cerebri posterior (Äste der<br />
Rr. choroidei posteriores); die Venen münden in die<br />
Vena cerebri magna ein.<br />
/<br />
.- ■"-<br />
Histologisch findet man Parenchym, Pigmenteellen,<br />
Gliafasern und Bindegewebe, das aus der Pia mater<br />
stammt. Das Parenchym besteht aus Pinealzellen<br />
(Pinealozyten) und Interstitialzellen, die in Strängen<br />
oder Ballen angeordnet sind. Die Pinealozyten sind<br />
große helle Zellen mit intrazytoplasmatischen, PASpositiven<br />
Granula (Lipo-Glykoproteid-Gemisch) und<br />
einem großen Kern, der sog. Kernkugeln (Zytoplasmaeinstülpungen)<br />
einschließt. Ferner besitzen sie argenlaffine<br />
Zytoplasmaausläufer, die bis zu den Blutgefäßen<br />
reichen. In jedem Alter findet man konzentrisch<br />
geschichtete Kalkablagerungen (Hirnsand, Acervuli<br />
cerebri, Corpora arenacea), die nicht als Altersphänomen<br />
zu deuten sind. Marklose Nervenfasern durchzie<br />
hen das Organ und k<strong>ö</strong>nnen Adrenalin oder Serotonin<br />
enthalten.<br />
t f *<br />
c1.'.<br />
c1'<br />
I '■ I<br />
b)<br />
* \\<br />
-' g<br />
Das Hormon des Corpus pineale (Melatonin) ist ein<br />
Indolderivat, das dem Serotonin entspricht. Bei Kalt<br />
blütern stimuliert es die Melanophoren und ist somit<br />
ein Antagonist des hypophysären Melanotropins. Fer<br />
ner spielt es eine Rolle bei Mammalicrn, bei denen die<br />
Reproduktionsperiode lichtabhängig ist: Es stimuliert<br />
die Gonaden. Bei geblendeten Tieren kommt es zu<br />
einer Gonadenatrophie. So ist für das Melatonin eine<br />
antigonadotrope Wirkung postuliert worden, eine Deu<br />
tung, die allerdings nicht unwidersprochen geblieben<br />
ist. Für das Vorhandensein von Wechselbeziehungen<br />
zwischen Epiphyse und Sexualhormonen spricht der<br />
Nachweis von Östrogen-, Progesteron- und Androgenrezeptoren.<br />
W#V Je)<br />
Abb.B-6: Corpus pineale. a) Sagittalschnitt durch das Groß<br />
hirn. P = Corpus pineale. B = Balken, b) Histologischer Aufbau<br />
des Corpus pineale. HF-Fbg. c) Pinealisgewebe. GFAP.<br />
d) »Hirnsand« im Corpus pineale. HF-Fbg.
Endokrines System<br />
3 Schilddrüse<br />
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) liegt im vorde<br />
ren und mittleren Ilalsbereich. Sie mißt 6 x 3 x 2 cm<br />
und ist 60 g schwer. Das Organ bestellt aus zwei<br />
Seitenlappen und einem verbindenden Isthmus. In<br />
30% der Fälle entspringt aus diesem ein nach oben<br />
gerichteter Fortsatz (Lobus pyramidalis Lalloutte), der<br />
den Rest des Ductus thyreoglossus (Evagination aus<br />
dem Foramen caecum der Zunge) darstellt.<br />
Die Drüse ist von einer äußeren Easerkapsel umge<br />
ben, die aus der Halsläszie stammt. Innen liegt die<br />
Organkapsel, die die Schilddrüse in kleinere Läppchen<br />
unterteilt. Die arterielle Blutversorgung erfolgt beid<br />
seitig über die A. thyreoidea superior, ein Ast aus der<br />
Carotis externa und über die A. thyreoidea inferior aus<br />
der A. subclavia. Die oberen Venen münden in die<br />
Vena jugularis interna, die unteren in die Vena brachiocephalica<br />
sinistra. Die Nerven stammen aus dem<br />
Nervus vagus. Wegen seiner engen topographischen<br />
Beziehungen zur Schilddrüse ist der Nervus laryngeus<br />
recurrens von besonderer chirurgischer Bedeutung.<br />
Histologisch zeigt die Schilddrüse einen läppchenf<strong>ö</strong>rmigen<br />
Aufbau. Sie besteht aus follikulären und parafollikulären<br />
Zellen sowie aus Stroma. Die 0,1 bis 1 mm<br />
großen Schilddrüsenlbllikel stellen geschlossene<br />
Hohlräume dar, die von einer Basalmembran, fenestrierten<br />
Kapillaren und adrenergen Nervenfasern<br />
umgeben sind. Sie bestehen aus thyroxin- und trijodthyroninproduzierenden<br />
Hauptzellen (Thyreozyten),<br />
die je nach Funktionszustand abgeflacht (Phase der<br />
Sekretanreicherung), kubisch oder hochzylindrisch<br />
(Phasen der Sekretbildung oder -ausschwemmung)<br />
sein k<strong>ö</strong>nnen. In der Eollikellichtung findet man ein<br />
weitgehend homogenes, eosinrotes Kolloid, das<br />
Thyreoglobulin enthält. Hier nachweisbare randstän<br />
dige Vakuolen sprechen für eine verstärkte Resorp<br />
tion.<br />
Parafollikuläre oder C-Zellen sind Abk<strong>ö</strong>mmlinge des<br />
Ultimobranchialk<strong>ö</strong>rpers und bilden Kalzitonin. Sie lie<br />
gen ballenf<strong>ö</strong>rmig angeordnet zwischen den Follikeln<br />
und lassen sich durch den imniunhistochemischen<br />
Nachweis von Kalzitonin-Antik<strong>ö</strong>rpern selektiv dar<br />
stellen.<br />
&^~K& fr '• I<br />
■■*.<br />
£Htfr*.<br />
Abb.B-7: Schilddrüse. Oben: Scbematische Darstellung der<br />
Schilddrüsentopographie. Mitte: Kolloidhaitiger Schilddrü<br />
senlbllikel. HF-Fbg. Unten: Ansammlungen von parafollikulä<br />
ren C-Zellen. Immunhistochenüscher Nachweis von Kalzi<br />
tonin.
B. Anatomie<br />
4 Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
Bei den Epithelk<strong>ö</strong>rperchen (Glandula parathyreoidea.<br />
Bei- oder Nebenschilddrüsen; EK) handelt es sich um<br />
vier Drüsen, die bei ca. 90% der Menschen paarig<br />
angeordnet sind. Das obere Paar liegt an der Dorsal<br />
seite des oberen Schilddrüsendrittels. Das untere Paar<br />
ist zwischen dem unteren Schilddrüsenpol und der<br />
Thymusdrüse lokalisiert. Die EK k<strong>ö</strong>nnen intrathyreoidal,<br />
in der Thymusdrüse sowie im vorderen Media<br />
stinum vorkommen. Die einzelnen Drüsen sind bohnenf<strong>ö</strong>rmig,<br />
von rehbrauner Farbe und jeweils 5 x 3 x<br />
1 mm groß. Das Einzelgewicht nimmt von der Neugeborenenperiode<br />
(5 bis 9 mg) bis zum Erwachsenenal<br />
ter (20 bis 40 mg) stetig zu und erreicht ein Gesamtge<br />
wicht von 100 bis 140 mg. Die Blutversorgung steht in<br />
enger Verbindung mit der der Schilddrüse (A. und<br />
V thyreoidea).<br />
Histologisch sind die EK von einer zarten bindegewe<br />
bigen Kapsel umgeben. Das Parenchym besteht in der<br />
frühen Kindheit aus vorwiegend dunklen Hauptzellen<br />
und vereinzelten hellen Zellen. Mit zunehmendem<br />
Alter kommen in geringer Menge (~5%) auch oxyphile<br />
Zellen vor. Die dunklen Hauptzellen zeigen reichlich<br />
sekretorische Granula, in denen sich Parathormon<br />
befindet. Helle Hauptzellen schließen Glykogen ein,<br />
das nach üblicher Einbettung herausgel<strong>ö</strong>st wird, so<br />
daß der Eindruck eines optisch leeren Zytoplasmas<br />
entsteht. Die oxyphilcn oder chromophilen Hauptzel<br />
len liegen in kleinen Gruppen und enthalten eosinrote,<br />
schollige Granula sowie reichlich Mitochondrien. Gele<br />
gentlich sind die Zellen follikelartig angeordnet und<br />
k<strong>ö</strong>nnen - in kleinen Mengen - ein schilddrüsenähnli<br />
ches, eosinrotes Kolloid enthalten. Im Schnellschnitt<br />
kann es in diesem Fall schwierig sein, Schilddrüsenvon<br />
Nebenschilddrüsengewebe abzugrenzen. Die Dif<br />
ferentialdiagnose gelingt mit immunhistochemischen<br />
Methoden. Die Drüse enthält ein gefäßtragendes<br />
Stroma sowie Fettzellen. Diese nehmen mit dem Alter<br />
mengenmäßig zu: Beim Erwachsenen stellt das Stromafett<br />
30 bis 50% der Drüse dar, im Senium bis 70%.<br />
Abb.B-8: Epithelk<strong>ö</strong>rperchen (EK). Oben: Schematische Dar<br />
stellung der FK-Topographie. Mitte: FK-Gewebe mit Haupt<br />
zellen. HF-Fbg. Unten: Chromogranin-Immunhistochemie.
8 Endokrines System<br />
5 Nebennieren<br />
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b) ililiiii|iiiljlJll|i!<br />
Abb.B-9: Nebenniere, a) Schematische Darstellung der Topographie der Nebennieren, b) Schnitt durch eine Nebenniere. In<br />
der Mitte die Zentralvene (Pfeil), innen das graue Mark, außen die gelbe Rinde, c) Nebennierenrinde mit den drei Schichten:<br />
oben Zona glomerulosa (G), in der Mitte die Zona lasciculata (!•') und unten die Zona reticularis CR), HF-Fbg.<br />
Die Nebennieren (Glandulae adrenales) sind retroperitoneale<br />
Organe, die kappenartig dem oberen Nierenpol<br />
aufsitzen. Die Drüsen sind jeweils 40 x 25 x 9 mm groß<br />
und zusammen ca. 12 g schwer. Das Gewichtsverhältnis<br />
zur Niere beträgt beim Erwachsenen 1:30, beim<br />
Neugeborenen 1:3. Auf der Schnittfläche erkennt man<br />
makroskopisch eine gelbe äußere Schicht (Zona lasci<br />
culata), eine dunkelbraune mittlere Schicht (Z. reticu<br />
laris) und in der Umgebung der Zentralvenen eines<br />
nicht autolytischen Organs das graue Nebcnnierenmark.<br />
Die Blutversorgung erfolgt über Arterien (A. su<br />
prarenales superior, media et inferior), die aus der<br />
A. phrenica inferior, der Aorta abdominalis bzw. aus<br />
der Nierenarterie entspringen.<br />
Histologisch besteht die Nebenniere aus den beiden<br />
embryologisch verschiedenen Anteilen Rinde und<br />
Mark. Die Nebennierenrinde setzt sich aus folgenden<br />
Schichten zusammen:<br />
■ Zona glomerulosa mit kleinen Gruppen von Zellen,<br />
die Aldosteron bilden.<br />
■ Die Zona lasciculata mit strangf<strong>ö</strong>rmig angeordne<br />
ten Zellen ist der Bildungsort der Glukokortikoide.<br />
Diese Zellen enthalten reichlich Lipide und Lipochrome.<br />
Sie werden daher als Spongiozyten<br />
bezeichnet und verleihen der äußeren Rinden<br />
schicht den gelben Farbton.<br />
■ Die Zona reticularis mit netzf<strong>ö</strong>rmiger Gestaltung<br />
bildet Cortison und Cortisol sowie geringe Mengen<br />
von Östrogenen und Androgenen.<br />
Das Nebennierenmark unterliegt nach dem Tode<br />
einem raschen Aulolyseprozcß. Die Zellen stammen<br />
von den Sympathikoblasten der Neuralleiste (sympa<br />
thisches Paraganglion) ab und weisen intrazytoplasmatische<br />
Granula auf, die nach Fixierung mit einem<br />
chromhaltigen Mittel einen braunen Farbton anneh<br />
men. Adrenalinhaltige Zellen zeigen eine positive<br />
Saure-Phosphatase-Reaktion, noradrenalinhaltige Zel<br />
len eine Eigenfluoreszenz.
B. Anatomie<br />
6 Endokrines Pankreas<br />
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Abb. B-10: Endokrines Pankreas, a) Langerhans-Insel nach Versilberung (Grimelius-Fbg.). In der Inselperipherie stellen sich<br />
die A-Zellen dar. b) Insulinproduzierende Inselzellen. Immunhistochemie. c) Chromograninexpression in einer Langerhans-<br />
Insel mit stärker gefärbten A-Zellen in der Peripherie. Immunhistochemie. d) Somatostatinzellen in einer Insel. Diffusion des<br />
Sekretionsprodukts auf benachbarte Zellen. Immunhistochemie.<br />
%<br />
#<br />
d)<br />
Im exokrinen Gewebe des Pankreas eingebettet finden<br />
sich beim Erwachsenen bis 1,5 Millionen endokrin<br />
wirksame Langerhans-Inseln. Dabei handelt es sich<br />
um 50 bis 250 um im Durchmesser große Inseln, die -<br />
als Inselorgan - ein Gesamtgewicht von 1 g erreichen<br />
und ca. 1 bis 2% der gesamten Pankreasmasse ausma<br />
chen. Man unterscheidet Inseln vom kompakten Typ,<br />
die sich deutlich vom exokrinen Pankreasgewebe<br />
abheben und bevorzugt in den K<strong>ö</strong>rper- und Schwanz<br />
regionen vorkommen. Im Kopfbereich sind die Inseln<br />
bandf<strong>ö</strong>rmig angeordnet (Mäander-Typ) und bestehen<br />
überwiegend aus PP-Zellen. Gr<strong>ö</strong>ße, Zahl und Vertei<br />
lung der Inseln unterliegen großen Schwankungen.<br />
Hypertrophische bzw. hyperplastische Inseln sind über<br />
300 um groß, von Rieseninseln spricht man ab einem<br />
Durchmesser von 400 pm.<br />
Die Langerhans-Inseln sind reich an Sinusoiden. Eine<br />
bis drei Arteriolen versorgen jede Insel und enden als<br />
fcncstrierte Kapillaren. Die Transitstrecke zwischen<br />
der Inselzelle und dem Blut besteht aus den Basal<br />
membranen der Zelle und der Kapillare, die ein inter<br />
stitielles Gewebe mit kollagenen Fasern, elastischen<br />
Fasern und Fibroblasten einschließen.<br />
Bei der Differenzierung der verschiedenen Zelltypen<br />
haben immunhistochemische Methoden mit wenigen<br />
Ausnahmen (Grimclius-Färbung) die Spezialfärbungen<br />
(PTAH-Fbg., Aldehyd-Fuchsin-Fbg., Rhodocyan-Fbg.)<br />
und die aufwendige clektronenmikroskopische Unter<br />
suchung weitgehend abgel<strong>ö</strong>st. Man unterscheidet:<br />
■ Alpha-Zellen (A- oder glukagonproduzierende Zel<br />
len), die vorwiegend in der Inselperipherie zu finden<br />
sind und sich durch ihre Argyrophilie in der Grimelius-Färbung<br />
sowie immunhistochemisch selektiv<br />
darstellen lassen. Sie kommen nur in den kompak<br />
ten Inseln vor und machen ca. 20% aller Zellen aus.
10 Endokrines System<br />
■ Beta-Zellen (B- oder insulinproduzierende Zellen)<br />
stellen bis zu 80% der Inselzellen dar, liegen zentral<br />
und produzieren Insulin. In der Aldehyd-Fuchsin-<br />
Färbung stellen sie sich purpurrot dar.<br />
■ Delta-Zellen (D- oder somatostatinproduzierende<br />
Zellen) machen ca. 8% der Inselzellen aus, bilden<br />
Somatostatin und sind schwach argyrophil.<br />
■ Weitere pankreatische Zellen, die Gewebshormone<br />
produzieren, sind: Delta-l-Zellen (VIP = vasoaktives<br />
intestinales Peptid). Als P-Zelle bezeichnet man<br />
bombesinproduzierende Zellen, die nur im fetalen<br />
Pankreas nachgewiesen wurden. PP-Zellen (früher<br />
F-Zellen) bilden das pankreatische Polypeptid (PP).<br />
Sie sind schwach Grimelius-positiv, zeigen 170 nm<br />
große neurosekretorische Granula und sind vorwie<br />
gend im Pankreaskopf der Feten zu finden. Verein<br />
zelt kommen auch EC-Zellen vor.<br />
Die Zellerneuerung der Langerhans-Inseln findet<br />
über eine Replikation (Mitose funktionell differenzier<br />
ter Zellen) statt. Man rechnet mit ca. 10 Mitosen pro<br />
100 Inseln. Als Inselneolbrmation bezeichnet man die<br />
Neubildung einer Insel: Sie geht aus einer umschriebe<br />
nen Proliferation von sog. Stammzellen im Gangepithel<br />
hervor. Diese Zellen kommen m<strong>ö</strong>glicherweise auch in<br />
der Insel vor und sind durch spärliche sekretorische<br />
Granula gekennzeichnet. Bei einer entsprechenden<br />
Stimulierung (z. B. durch Ausfall von Pankreasparenchym)<br />
kommt es zunächst zu einer intrainsulären,<br />
später zu einer extrainsulären Hyperplasie und somit<br />
zur Inselneolbrmation. Unter pathologischen Bedin<br />
gungen entwickelt sich eine multifokale Proliferation<br />
endokrin differenzierter Gangzellen. Dieser Prozeß<br />
wird als Nesidioblastose bezeichnet und ist das mor<br />
phologische Korrelat der idiopathischen Hypoglyk<br />
ämie bei Kleinkindern. Der Inselhypertrophie, bei der<br />
die Inselvergr<strong>ö</strong>ßerung lediglich Folge der Vergr<strong>ö</strong>ße<br />
rung einzelner Inselzellen ist, kommt nur eine unter<br />
geordnete physiologische und physiopathologische<br />
Bedeutung zu.<br />
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Abb. B-ll: Neuroendokrine Zellen (*—) in einem exokrinen<br />
Pankreasgang (P). Grimelius-Vcrsilberung.<br />
*
B. Anatomie 1<br />
7 Neuroendokrines System<br />
Gastroenteropankreatisches Zellsystem (GEP)*<br />
Zelle Lokalisation Sekretion Gr<strong>ö</strong>ße und Form der Granula<br />
A Pankreas, Drüsenmagen Glukagon 200-450 nm, rund<br />
B Pankreas Insulin 200-450 nm. pleomorph<br />
D Pankreas, Magen,<br />
Somatostatin<br />
200-450 nm. rund<br />
Dünn-/Dickdarm<br />
I). Pankreas, Magen, Darm VIP1<br />
EC, Diinn-/Dickdarm Serotonin, Substanz P 350-400 nm, stark pleomorph<br />
EC2 Duodenum, oberes Ileum Motilin, Histamin?<br />
ECn DiinnVDickdarm 5-HT, Kallikrein?, Prostaglandine?<br />
ECL Drüsenmagen 5-HT, Histamin 300-500 nm, rund bis pleomorph<br />
G Magenantrum, Dünn Gastrin<br />
200-400 nm. rund<br />
darm, Pankreas<br />
IG Duodenum, Dünndarm Gastrin 200-400 nm, rund<br />
I Duodenum, Dünndarm CCK{, Pankreozymin 250-350 nm, unregelmäßig<br />
K Dünndarm GIP4 300-350 nm, rund<br />
L Dihin-/Dickdarm Glicentin (glukagonähnliches Peptid) 260 nm, rund<br />
Mo Dünndarm Motilin<br />
N Dünndarm Neurotensin 300 nm, rund<br />
P Magen, Dünndarm Bombesin<br />
100-400 nm, rund<br />
Pankreas2<br />
P Pankreas pankreatisches Polypeptid 150-170 nm, rund<br />
S Dünndarm Sekretin 200 nm, rund<br />
* In Anlehnung an Bloodworth (1988).' VIP = vasoactive intestinal peptide;l bei Feten;A CCK = Cholezystokinin;4 GIP = gastric<br />
inhibitory peptide<br />
Das neuroendokrine System umfaßt<br />
- Zellgruppen, die Organe (Hypophyse, Epithel<br />
k<strong>ö</strong>rperchen, Paraganglion) oder Teile von Organen<br />
(Nebennierenmark, C-Zellen der Schilddrüse, Pan<br />
kreas) bilden. Steroidproduzierende Zellen der<br />
Nebennierenrinde, des Hodens und des Ovars sowie<br />
die Follikelzellen der Schilddrüse werden nicht zu<br />
diesem System gezählt.<br />
- isoliert vorkommende Zellen (»helle, gelbe oder<br />
parakrine Zellen«, enterochromaffine Zellen, basis<br />
granulierte azidophile Zellen, chromaffine Zellen,<br />
argentaffin/argyrophile Zellen), die das diffuse neu<br />
roendokrine System (DNS, diffuses endokrines<br />
Organ [Feyrterl, APUD-System [PearseJ) darstellen.<br />
Sie kommen bevorzugt im Magen-Darm-Trakt und<br />
im Pankreas vor und bilden - zusammen mit dem<br />
endokrinen Pankreas - das gastroenteropankreatische<br />
(GEP) System, das als gr<strong>ö</strong>ßtes endokrines<br />
Organ des Organismus anzusehen ist. Außerdem<br />
lassen sie sich in den Gallenwegen, Atemwegen, in<br />
der Haut und in verschiedenen anderen Organen<br />
(Leber, Niere, Hoden, Ovar, Mamma, Kehlkopf u. a.)<br />
nachweisen. Ihre Bezeichnungen gehen auf ver<br />
schiedene Einteilungsprinzipien zurück: Alphabeti<br />
sche Reihenfolge der Entdeckung, Gr<strong>ö</strong>ße der Densecore-Granula<br />
[L-Zelle = large granulated cells;<br />
S-Zelle = small granulated cells) oder Funktion<br />
(G-Zelle = gastrinproduzierende Zelle im Magen).<br />
Diese Zellen k<strong>ö</strong>nnen Hormone, biologische aktive<br />
Amine oder Substanzen bilden, die als Neurotrans<br />
mitter bzw. parakrin wirksam sind.<br />
Die Zellen des neuroendokrinen Systems lassen sich<br />
durch bestimmte färberische Eigenschaften (Versilbe<br />
rung), immunhistochemische Marker oder elektronen<br />
mikroskopische Befunde erfassen und differenzieren.<br />
Am sichersten gelingt die Identifizierung durch den<br />
immunhistochemischen Nachweis von intrazellulären<br />
Hormonen. Allerdings zeigen einige Zellen mit neuro<br />
endokrinen Eigenschaften (z. B. eine positive NSEoder<br />
Chromograninreaktion) keine Hormonproduktion<br />
bzw. sie ist bis heute nicht identifiziert worden. An<br />
dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, daß die<br />
Annahme eines neuroektodermalcn Ursprungs wahr<br />
scheinlich nicht für alle Zellen zutrifft. Die gastrointestinalen,<br />
endokrin aktiven Zellen sind wahrscheinlich<br />
Abk<strong>ö</strong>mmlinge des Entoderms.
12 Endokrines System<br />
Eigenschaften der neuroendokrinen Zellen<br />
- Versilberung: Verschiedene Zelltypen sowie die aus<br />
ihnen hervorgehenden Tumoren sind Grimeliusbzw.<br />
Masson-Fontana-Färbung-positiv.<br />
- Immunhistochemische Marker: Die neuronspeziflsche<br />
Enolase (NSE, y-Enolase) ist hoch sensitiv, aber<br />
wenig spezifisch. Besonders das Chromogranin A ist<br />
von diagnostischer Bedeutung. Die Zelle.xpression in<br />
einem Tumor ist sehr unterschiedlich. So kann sie<br />
beim kleinzelligen Bronchialkarzinom nur sehr<br />
gering sein oder fehlen. Weitere Marker sind Synaptophysin<br />
und Bombesin.<br />
- Elektronenmikroskopisch lassen sich intrazytoplasmatische<br />
sekretorische Granula (Dense core)<br />
finden, die von einer Membran umgeben sind. Ihre<br />
Gr<strong>ö</strong>ße schwankt zwischen 50 und 400 nm. Form,<br />
Gr<strong>ö</strong>ße und osmiophile Anfärbbarkeit sind von differentialdiagnostischer<br />
Bedeutung.<br />
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Lokalisation: Die Zellen des DNS k<strong>ö</strong>nnen nur in einem<br />
bestimmten Organ bzw. Abschnitt eines Organs<br />
(A- und B-Zellen in der Langerhans-lnsel, S-Zelle im<br />
Dünndarm) oder weit verbreitet (z. B. die somatostalinproduzierende<br />
D-Zelle im Gastrointestinaltrakt, in<br />
Hypothalamus, Schilddrüse, Langerhans-Inseln und<br />
Hypophyse) vorkommen.<br />
7.1 Adrenales paraganglionäres System<br />
Das Nebennierenmark erreicht erst nach der Geburt<br />
die volle Heile. Es besteht aus chromaffinen Zellen<br />
(Phäochromozyten) und aus neural differenzierten Zel<br />
len (Neuroblasten), die sich zu Ganglienzellen differen<br />
zieren.<br />
7.1.1 Phäochromozyten<br />
Diese Zellen bilden solide oder alveoläre Strukturen. In<br />
ihrem eosinroten Zytoplasma schließen sie Granula<br />
ein, die nach Chromierung (z. B. nach Fixierung mit<br />
einer chromhaltigen Flüssigkeit) im ungefärbten<br />
Schnitt einen braunen Farbton annehmen (in der<br />
Giemsa-Eärbung nehmen sie einen grünen bis gelb<br />
grünen Farbton an). Diese Granula bestehen aus den<br />
Katecholaminen Adrenalin (90%) und Noradrenalin<br />
(10%).<br />
7.1.2 Ganglienzellen<br />
Ganglienzellen kommen - als rein neurale Zellen - nur<br />
vereinzelt zwischen den Phäochromozyten vor.<br />
Typisch sind der große Kern mit prominentem Nukleolus<br />
und das reichlich angelegte Zytoplasma.<br />
7.2 Paraganglien<br />
(Extraadrenales paraganglionäres System)<br />
Das paraganglionäre System geht von der Neuralleiste<br />
aus und ist in Form kleiner Zellgruppen in den Kopf-,<br />
Abb. B-12: Neuroendokrine Zellen in der Magenfundus<br />
schleimhaut, die sich in der immunhistochemischen Chromogranin-Heaktion<br />
dunkelbraun darstellen.<br />
Hals-, Mediastinal-, Peritoneal- und Retroperitonoalregionen<br />
vertreten. In den Extremitäten kommt es<br />
dagegen nicht vor.<br />
7.2.1 Parasympathische Paraganglien<br />
Die oberen Paraganglien (Kopf-, Hals- und Brustbe<br />
reich) werden als parasympathisch oder branchiomer<br />
bezeichnet. Da sie kaum Katecholamine bilden, wur<br />
den sie früher zum nichlchromafflnen System gezählt.<br />
Man nahm an, daß sie von der Gefäßwand oder von<br />
den Perizyten abstammten und nannte sie daher »Glo<br />
mus«. Diese Bezeichnung sollte heute durch »Paragan<br />
glion« ersetzt werden. Beim Paraganglion caroticum<br />
handelt es sich um einen Chemorezeptor, der einen<br />
Abfall des pH und des 02-Partialdrucks im arteriellen<br />
Blut anzeigt. Daher wurden die hier entstandenen<br />
Tumoren auch Chemodektome genannt. Zu den wichti<br />
gen Paraganglien zählen:<br />
■ Paraganglion caroticum, ein knapp 1 mm großes<br />
Kn<strong>ö</strong>tchen an der Aufteilungsstelle der A. carotis<br />
communis.
B. Anatomie 13<br />
■ Paraganglion aorticum an der Vorderseite des Aor<br />
tenbogens im Bereich afferenter Nervenfasern des<br />
N. vagus,<br />
■ ferner kommen regelmäßig kleinere Paraganglien<br />
als Paraganglion pulmonale, Paraganglion lympanicum<br />
et jugulare oder als Paraganglia supraclavia,<br />
supracardialia, laryngeum superior et inferior vor.<br />
7.2.2 Sympathische Paraganglien<br />
Die unteren Gruppen werden durch sympathische<br />
extraadrenale Paraganglien gebildet. Sie kommen im<br />
Bereich des Truncus sympathicus bzw. seiner Nerven<br />
vor. Die gr<strong>ö</strong>ßte Zellgruppe in der Umgebung des<br />
Abgangs der A. mesenterica inferior bis zur Biiürkation<br />
der Aorta wird als Zuckerkandl-Organ (Paragan<br />
glion aorticum abdominale) bezeichnet. Diese Para<br />
ganglien bilden sich bis zum zweiten Lebensjahr nach<br />
der Geburt - wenn das Nebennierenmark seine Reife<br />
erreicht hat - zurück, k<strong>ö</strong>nnen aber (selten) als Paragangliome<br />
wieder proliferieren. Da durch diese Neu<br />
bildungen nur kleine Mengen von Katecholaminen<br />
entstehen, entwickelt sich selten eine Hypertonie.<br />
Die extraadrenalen Paraganglien weisen zwei Zell<br />
typen auf:<br />
- Die Hauptzelle (Zelltyp I) mit den hell- und dunkel<br />
zelligen Varianten. Dabei handelt es sich um 15 um<br />
große Zellen, die chromaffine Granula einschließen.<br />
Sie enthalten vorwiegend Noradrenalin und Dopa<br />
min und sind Neuroenolase-positiv.<br />
- Die Sustentakularzelle (gliose Hüllzelle oder Zell<br />
typ II), ein Abk<strong>ö</strong>mmling der Schwann-Zelle, ist<br />
immunhistochemisch SlOO-positiv und isoliert die<br />
Hauptzelle von anderen Zellen und Gefäßen.<br />
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Abb. B-13: Paraganglion. Oben: Paraganglion caroticum. An<br />
der Aufteilungsstelle der A. carotis communis (unten) in<br />
A.c.interna et externa erkennt man ein knapp 2 mm großes<br />
Kn<strong>ö</strong>tchen (Pfeil). Mitte: Ballenl'<strong>ö</strong>rmig angeordnete Hauptzel<br />
len in der Umgebung kleinerer Blutgefäße. FvG-Fbg. Unten:<br />
Dunkelbraun gefärbte Sustentakularzellen in der Umgehung<br />
von Hauptzellen. SlOO-lmmunhistochemie.<br />
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14 Endokrines System<br />
8 Gonaden<br />
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Abb. B-14: Männliche Gonaden. Oben: Insell<strong>ö</strong>rmig hyperpla- Abb.B-15: Weibliche Gonaden. Oben: Granulosazellen aus<br />
stische Leydig-Zellen (L) bei Hodenatrophie. HF-Fbg. Unten: einem Follikel. HF-Fbg. Unten: Zellen der Theca interna et<br />
llodenkanälchen bestehen nur noch aus Sertoli-Zellen (Ser- externa des Corpus luteum. HF-Fbg.<br />
toli-cells only syndrome). HF-Fbg.<br />
8.1 Männliche Gonaden<br />
Zu den endokrin gesteuerten Zellen in der männlichen<br />
Keimdrüse geh<strong>ö</strong>ren<br />
■ die Sertoli-Stützzellen. Sie liegen isoliert an der<br />
Innenwand der Samenkanälchen und besitzen<br />
Rezeptoren für das follikelstimulierende Hypophy<br />
senhormon (FSH).<br />
■ Die Leydig-Zwischenzellen sind für die Produktion<br />
der männlichen Sexualhormone (Androgene) ver<br />
antwortlich. Sie werden durch das luteinisierende<br />
Hypophysenhormon (ICSI! = interstitialzellenstimulierendes<br />
Hormon) gesteuert, das von den Androge<br />
nen gebremst wird.<br />
8.2 Weibliche Gonaden<br />
Zu den wichtigsten Hormonproduzenten im weiblichen<br />
Genitale zählen die Zellen des Ovarialfbllikcls bzw. der<br />
Thcka:<br />
■ In den Follikelepithelzellen (Granulosazellen) wer<br />
den Östrogene synthetisiert. Die Reifimg zum Graaf-<br />
Follikel findet unter der Hinwirkung des follikelsti<br />
mulierenden Hormons (FSH) statt.<br />
■ Nach der Ovulation wird der Follikel - unter Einfluß<br />
von luteinisierendem Hypophysenhormon (LH) - in<br />
den Gelbk<strong>ö</strong>rper umgewandelt. Die Granulosaluteinzellen<br />
sezernieren Progesteron und bilden sich<br />
zurück, wenn das durch Ovulation freigesetzte Ei<br />
nicht befruchtet und in die endometrial Schleim<br />
haut eingebettet wird.
C. Physiologie 15<br />
C. Physiologie<br />
1 Prinzipien hormonaler Regulation<br />
sie bei funktionellen Erkrankungen des Magen-<br />
Darm-Trakts vor: ■/.. IL bei der intestinalen Pseu<br />
doobstruktion, dem irritablen Kolon, der habituellen<br />
Obstipation.<br />
Die autokrine Sekretion stellt eine Sonderform der<br />
parakrinen Sekretion dar, bei der die hormonprodu<br />
zierende Zelle gleichzeitig Zielzelle ist.<br />
Bei einer amphikrinen Sekretion bestehen gleich<br />
zeitig eine endokrine und eine exokrine Punktion.<br />
Sie kann in einem Gewebe bzw. Organ (z. B. Pan<br />
kreas. Magen-Darm-Trakt) vorkommen. Auch in<br />
Tumoren kann ein endo-/exokriner Aufbau vorkom<br />
men. Diese Neubildungen werden als Misch- oder<br />
Kombinationstumoren bezeichnet.<br />
Abb. C-l: Auto-, para- und endokrine llormonsekretion<br />
1.1 Hormone als Botenstoffe<br />
1.1.1 Sekretion von Hormonen<br />
Hormone sind Signalsubstanzen, die von spezialisier<br />
ten Zellen gebildet und an die Umgebung abgegeben<br />
werden. Unter Berücksichtigung des Sekretionsmechanismus<br />
unterscheidet man:<br />
- Endokrine Sekretion: Wenn die Botenstoffe mit<br />
dem Blutkreislauf zu entfernten Zielzellen gelangen<br />
und diese beeinflussen, liegt eine endokrine Sekre<br />
tion vor. Sie trifft für Insulin. Gastrin. Sekretin,<br />
Neurotensin und zahlreiche andere! Hormone zu.<br />
- Parakrine Sekretion: Diffundieren die Hormone<br />
über den interstitiellen Raum zu im Gewebe benach<br />
barten Zielzellen, spricht man von parakriner<br />
Sekretion. Als Beispiel ist das Somatostatin zu nen<br />
nen. Ein ähnlicher Mechanismus gilt auch für das<br />
von Mastzellen freigesetzte Histamin sowie für<br />
einige Prostaglandine.<br />
- Eine neurokrine Sekretion kommt bei einigen<br />
Peptidhormonen (Bombesin, VIP, Substanz P und<br />
Enkephalinen) vor. Sie werden von Nervenzellen<br />
gebildet und im Bereich der Synapsen freigesetzt.<br />
Die klinische Bedeutung einer entsprechenden St<strong>ö</strong><br />
rung ist noch nicht geklärt. M<strong>ö</strong>glicherweise kommt<br />
Von den parakrin sezernierten Hormonen werden die<br />
von Ausläufern von Nervenzellen freigesetzten und<br />
lokal, z.T. über spezielle! Kontaktstellen (Synapsen) auf<br />
die Zielzellen wirkenden Neurotransmitter und Neuromodulatoren<br />
abgegrenzt. Der Übergang zwischen<br />
den beiden Klassen von Botenstoffen ist jedoch flie<br />
ßend, und zahlreiche Hormone k<strong>ö</strong>nnen auch Neuro<br />
transmitter- bzw. Ncuromodulalorfunklionen aus<br />
üben.<br />
Viele Hormone k<strong>ö</strong>nnen von den Drüsenzellen auf<br />
Vorrat synthetisiert und, z.T. in Form von Vorstufen,<br />
in intrazellulären Bläschen, den Granula, gespeichert<br />
werden. Auf Freisetzungssignale reagiert die Drüsen<br />
zelle mit einer Fusion der Granula mit der Zellmem<br />
bran und mit einer Ausschüttung des Inhalts der<br />
Granula (Exozytose). In gebundener Form bevorratete<br />
Hormone müssen vor der Freisetzung von ihrem Trä<br />
germolekül abgespalten werden (z. B. Insulin, Thyr<br />
oxin, Adiuretin). Die Steroidhormone und die aus<br />
Fettsäuren, vor allem Arachidoiisäure, gebildeten Hor<br />
mone werden unmittelbar nach der Synthese abgege<br />
ben, so daß die Sekretionsrate der Produktionsrate<br />
entspricht.<br />
Die Steroidhormone, die Schilddrüsenhormone T., und<br />
T3 und manche Wachstumsfaktoren (z. B. der epithe<br />
liale Wachstumsfaktor EGF und Somatomedin C) wer<br />
den im Plasma an Transportproteine gebunden.<br />
Neben dem global, aber mit niedriger Affinität binden<br />
den Albumin enthält das Plasma geringe Mengen<br />
hochaffiner Transportproteine für Schilddrüsenhor<br />
mone (Präalbumin; thyroxinbindendes Globulin, TBG),<br />
für Sexualhormone (sexualhormonbindendes Globulin,<br />
SHBG) und für Kortikosteroide (Transkortin). Durch<br />
die Proteinbindung wird die lokale Verfügbarkeit des<br />
Hormons erh<strong>ö</strong>ht (Nachlieferung bei lokalem Absinken
16 Endokrines System<br />
des niedrigen Spiegels an freiem Hormon) und die<br />
Halbwertszeit der Hormone verlängert (Schutz der<br />
zirkulierenden Hormone vor Inaktivierung). Außer<br />
dem kann das Bindungsprotein eine bevorzugte Anlie<br />
ferung der gebundenen Hormone an bestimmte<br />
Organe wie die Leber vermitteln.<br />
1.1.2 Stoffliche Natur von Hormonen<br />
Die Bildung der meisten Hormone geht von Aminosäu<br />
ren aus. Durch Modifikation der Aminosäure Tyrosin<br />
werden im Nebennierenmark Dopamin, Noradrenalin<br />
und Adrenalin, in der Schilddrüse Thyroxin (T4) und<br />
Trijodthyronin (TH) gebildet. Aus Histidin kann Hist<br />
amin und aus 5-tIydroxytryplophan k<strong>ö</strong>nnen Serotonin<br />
und Melatonin synthetisiert werden.<br />
Durch Kopplung von mehreren Aminosäuren entste<br />
hen die Peptid- und Proteohormone. Die kürzeste<br />
Kettenlänge weist das aus drei Aminosäuren beste<br />
hende Thyreotropin-Releasing-Hormon (TBH) auf,<br />
gefolgt von den aus fünf Aminosäuren gebildeten<br />
Enkephalinen aus der Gruppe der Opioiden Peptide.<br />
Zur Gruppe der Peptic/hormone mit S bis 12 Aminosäu<br />
ren geh<strong>ö</strong>ren Hormone, die in Nervenzellen des Hypo<br />
thalamus gebildet werden (Oxytocin, Adiuretin, Gonadotropin-Beleasing-Hormon),<br />
Enlero- bzw. Neuropep<br />
tide (Cholezystokinin-8, Substanz P), die Kinine, die<br />
Angiotensine und das Thymushormon Thymulin.<br />
Ebenso heterogen ist die Gruppe der Peptidhormone<br />
mit 17 bis 45 Aminosäuren, zu der die meisten Enterohormone<br />
(u. a. Gastrin, Sekretin, pankreatisches Poly<br />
peptid), das adrenokortikotrope Hormon ACTH, die<br />
hypothalamischen Releasing-Hormone für Somatotro<br />
pin (SRI!) und für ACTH bzw. Corticotropin (CRH), die<br />
Opioiden Peptide Dynorphin und ß-Endorphin, das<br />
atriale natriuretische Hormon (ANH) und das Kalzitonin<br />
der Schilddrüse zu rechnen sind. Peptide mit 50 bis<br />
70 Aminosäuren sind Insulin und die meisten VVachstumsfaktoren<br />
wie Somatomedin C oder der epitheliale<br />
Wachstumsfaktor (EGF). Den Übergang zu den großen<br />
Proteohormonen bildet das Parathormon der Bei<br />
schilddrüsen, dessen aktive Form aus 84 Aminosäuren<br />
besteht. Proteohormone mit 150 bis 200 Aminosäuren<br />
sind u.a. Wachstumshormon (Somatotropin), Prolaktin<br />
und Erythropoietin.<br />
Muttersubstanz der Steroidhormone ist das vom Orga<br />
nismus synthetisierte oder mit der Nahrung aufgenom<br />
mene Cholesterin. Aus ihm k<strong>ö</strong>nnen die Gluko- und<br />
Mineralkortikoide der Nebennierenrinde und die<br />
Sexualhormone gebildet werden. Die Bildung einer<br />
weiteren Gruppe von Botensloffen geht von mehrfach<br />
ungesättigten Fettsäuren mit 20 C-Atomen Ketten<br />
länge, insbesondere der Eikosatetraensäure (Arachidonsäure),<br />
aus. Die Eikosanoide lassen sich in die<br />
Gruppen der Prostaglandine, der Leukotriene und der<br />
Lipoxine unterteilen. In weiterem Sinne k<strong>ö</strong>nnen auch<br />
die als Botenstoffe dienenden Purine, wie Adenosin,<br />
ADP und ATP, zu den Hormonen gerechnet werden.<br />
1.1.3 Hormonrezeptoren<br />
Hormone werden durch für sie hochaffine Eiweißmole<br />
küle der Zielzelle, die als Rezeptoren bezeichnet wer<br />
den, gebunden. Die Rezeptoren der meisten Hormone<br />
sind in die Zellmembran eingebaute Glyko- oder Lipo<br />
proteine, die ständig abgebaut und erneuert werden.<br />
Für ein und dasselbe Hormon kann es unterschiedliche<br />
Membranrezeptoren geben (z. B. u- und ß-Rezeptoren<br />
für Adrenalin), und ein Rezeptor kann verschie<br />
dene strukturell verwandte Signalmoleküle binden<br />
(z.B. ein ß-Adrenozeptor neben Adrenalin auch Nor<br />
adrenalin, Dopamin und künstliche Botenstoffe wie<br />
Isoproterenol). Zum Teil kann die Bindung ohne<br />
gleichzeitige Aktivierung des Rezeptormoleküls erfol<br />
gen (Prinzip der kompelitiven Hemmung der Hormon<br />
wirkung, /.. B. ß-Rezeptoren-BIockade durch Propra<br />
nolol).<br />
Die Rezeptoren der lipophilen, gut membrangängigen<br />
Steroidhormone liegen im Zellinnern, ebenso die<br />
Rezeptoren für Trijodthyronin bzw. Thyroxin. Die Exi<br />
stenz von intrazellulären Rezeptoren schließt ande<br />
rerseits eine Membranwirkung dieser Hormone nicht<br />
aus. Steroidhormone z. B. k<strong>ö</strong>nnen an Nervenzellen und<br />
Leberzellen auch membranvermittelte Effekte aus<br />
l<strong>ö</strong>sen.<br />
1.1.4 Prinzip der Signaltransduktion<br />
Um an der Zielzelle die gewünschte Wirkung auszul<strong>ö</strong><br />
sen, muß (ausgehend vom Rezeptormolekül) eine<br />
Transduktion des hormonellen Signals, d.h. eine<br />
Umsetzung in eine den Zellstoffwechsel beeinflussende<br />
interne Reaktion erfolgen. Zur Vermittlung und nicht<br />
zuletzt auch zur Verstärkung der Botschaft dienen<br />
zelleigene Signalsysteme. Endziel ist eine Verände<br />
rung der Zellfunktion durch Beeinflussung intrazellu<br />
lärer Enzyme, kontraktiler Proteine oder Membran<br />
proteine (z. B. Transport- oder Kanalproteine). M<strong>ö</strong>glich<br />
ist eine solche Beeinflussung durch<br />
- Änderung der Proteinkonformation,<br />
- kovalenle Modifikation von Proteinmolekülen,<br />
- Stimulation von Synthese oder Abbau von Funk<br />
tionsproteinen.<br />
Am raschesten (ggf. innerhalb von Millisekunden)<br />
führt eine Beeinflussung der Proteinkonformation<br />
(z.B. Abdissoziation oder Inaktivierung einer hem<br />
menden Untereinheit eines komplexen Enzymmoleküls<br />
durch Bindung eines Ions oder eines anderen Proteins)<br />
zum Erfolg. Mehr Zeit (Sekunden bis Minuten) ben<strong>ö</strong>tigt<br />
die chemische, kovalente Modifikation von Funktions<br />
proteinen z. B. durch Anlagerung oder Abspaltung von<br />
Phosphatgruppeii durch Proteinkinasen bzw. Phos<br />
phatasen (Interkonversion). Noch länger dauert es, bis<br />
die intrazelluläre Konstellation der Funktionsproteine<br />
durch Produktionsanregung (Induktion) oder -hemmimg<br />
geändert ist.
C. Physiologie 17<br />
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H R<br />
— i —<br />
Kr)<br />
Zellkern<br />
Boten-RNA<br />
Induktion<br />
Millisekunden<br />
Änderung der Zellfunktion<br />
Sekunden bis Minuten<br />
Stunden bis Tage<br />
Abb.C-2: Intrazelluläre Mechanismen der Vermittlung von Hormonwirkung<br />
Zwischen den Initialprozeß der Rezeptoraktivierung<br />
und die Funktionsänderung der Zelle sind Signalsy<br />
steme eingeschaltet, in denen mit Hilfe von Botenstol<br />
len der zweiten Generation (»second messenger«) die<br />
Information weitergegeben und verstärkt werden<br />
kann. Die wichtigsten Second messenger sind Ca++-<br />
Ionen und die zyklischen Nukleotide 3',5'-Adenosinmonophosphat<br />
(cAMP) und 3',5'-Guanosinmonophosphat<br />
(cGMP).<br />
1.1.5 Kalziumsignalsystem<br />
Erster Schritt der Aktivierung des Kalziumsignalsy<br />
stems ist eine Anhebung der intrazellulären Konzen<br />
tration freier Ca++-lonen, die normalerweise niedriger<br />
als 10~' mmol/l ist. Der Anstieg des intrazellulären<br />
Ca++-Spiegels kann durch vermehrten Ca*'-Einstrom<br />
durch die Zellmembran oder durch Ca++-Freisetzung<br />
aus intrazellulären Speichern herbeigeführt werden.<br />
Ein Hormon kann eine Steigerung des Ca++-Einstroms<br />
durch die Zellmembran bewirken über<br />
- Öffnung von Ca++-Kanälen, deren Kanalprolein eine<br />
Hormonbindungsstclle besitzt (rezeptorgesteuerte<br />
Kanäle),<br />
- Aktivierung von GTP-bindenden Membranproteinen<br />
(sog. G-Proteine) durch den Hormonrezeptor mit<br />
anschließender Öffnung G-Protein-gesteuerter Ca++-<br />
Kanäle,<br />
- Depolarisation der Zellmembran durch Öffnung von<br />
rezeptorgesteuerten Na+-Kanälen oder Schließung<br />
von rezeptorgesteuerten K+-Kanälen mit anschlie<br />
ßender Öffnung membranpotentialsensitiver (span<br />
nungsgesteuerter) Ca++-Kanäle,<br />
- Aktivierung einer Proteinkinase durch den Hormon<br />
rezeptor und Öffnung des Ca++-Kanals durch Phos<br />
phorylierung des Kanalproteins.<br />
Hormone k<strong>ö</strong>nnen nach Bindung an ihren Rezeptor eine<br />
Freisetzung von Ca++ aus intrazellulären Speichern,<br />
insbesondere aus dem endoplasmatischen Retikulum,<br />
ausl<strong>ö</strong>sen, wenn sie in der Zellmembran die Freisetzung<br />
des intrazellulären Botenstoffs Inositoltrisphosphat<br />
(IP3) anregen. Die Bildung von IP3 erfolgt durch Spal<br />
tung des Membranphospholipids Phosphatidylinositol-<br />
4,5-bisphosphat durch eine Phospholipase C, bei deren<br />
Aktivierung durch Hormonrezeptoren wiederum GTPbindende<br />
Membranproteine (G-Proteine) mitwirken.
18 Endokrines System<br />
Der Anstieg der intrazellulären Ca++-Aktivität führt zur<br />
Anlagerung von Ca++ an kalziumbindendc Proteine, die<br />
dadurch ihre Konformation und Funktion ändern.<br />
Häufig sind die Rezeptorproteine für Ca** nicht selbst<br />
die Proteine, deren z. B. enzymatische Funktion beein<br />
flußt werden soll, sondern Steuerproteine, die sich<br />
nach Aufsättigung mit Ca++ an das Funktionsprotein<br />
heften und dessen Aktivität steigern oder hemmen.<br />
Wichtigstes intrazelluläres Vermittlerprolein ist das<br />
ubiquitäre Calmodulin, das nach Bindung von vier<br />
Kalziumionen die Fähigkeit zur Beeinflussung z. B. von<br />
Proteinkinasen gewinnt.<br />
Wirkungsweise von Hormonen<br />
Zellmembran<br />
Steroidhormon<br />
Das bei der Abspaltung von IP3 aus dem Phospholipid<br />
entstehende Diacylglycerol (DAG) wirkt ebenfalls als<br />
Botenstoff. Es lagert sich an ein phosphorylierendes<br />
Enzym, die Proteinkinase C an, die dadurch an der<br />
Zellmembran fixiert und gut Ca++-aktivierbar wird.<br />
Über den C-Kinase-Weg kann das Kalziumsignalsy<br />
stem den Phosphorylierungsgrad und damit die Funk<br />
tion von Enzymproteinen direkt beeinflussen.<br />
Funktions<br />
änderung<br />
Protein<br />
synthese<br />
Zwischen dem cAMP- und dem Ca+1-Signalsystem gibt<br />
es zahlreiche Querverbindungen. Beispielsweise kann<br />
eine Zunahme der intrazellulären cAMP-Konzentration<br />
über cAMP-induzierte Phosphorylierung von Ca++-<br />
Kanälen den transmembranären Ca++-Einslrom stei<br />
gern und dadurch den zytosolischen Ca1 '-Spiegel<br />
anheben (Mechanismus der kontraktionssteigernden<br />
Wirkung von Adrenalin über myokardiale ß-Adreno-<br />
Hormon-<br />
Rezeptor-Komplex<br />
DNA<br />
1.1.6 Zyklische Nukleotide als Second messenger<br />
Die aus den energiereichen Phosphaten ATP und GTP<br />
durch Zyklasen gebildeten zyklischen Nukleotide zykli<br />
sches Adenosinmonophosphat (cAMP) und zyklisches<br />
Guanosinmonophosphal (cGMP) sind Botenstoffe, die<br />
über die Aktivierung von phosphorylicrenden oder<br />
dephosphorylierenden Enzymen eine Reihe verschie<br />
dener Wirkungen auf Zellen ausl<strong>ö</strong>sen k<strong>ö</strong>nnen (z.B.<br />
Steigerung der Parathormonfreisetzung in den Drü<br />
senzellen der Beischilddrüsen, Zunahme der Wasserpermeabililät<br />
in den Wandzellen der distalen Nierenkanälchen,<br />
Erschlaffung glatter Muskelzellcn usw.).<br />
Die membranständigen Adenylat- und Guanylatzyklasen<br />
k<strong>ö</strong>nnen durch Hormonrezeptoren, die durch Hormonbindung<br />
aktiviert wurden, stimuliert oder<br />
gehemmt werden. Als Zwischenstufe sind wie beim<br />
C-Kinase-Weg Guaninnukleotid-bindende sog. G-Pro<br />
teine eingeschaltet, die nach Kontakt mit dem aktivier<br />
ten Hormonrezeptor und Bindung von GTP eine hem<br />
mende Untereinheit abstoßen und danach als Aktivato<br />
ren oder Inhibitoren z. B. der Adenylatzyklase wirksam<br />
werden. Bei der Guanylatzyklase gibt es neben der<br />
membranständigen auch eine in Zytosol gel<strong>ö</strong>ste Form,<br />
die durch ins Zellinnere gelangte Botenstoffe, wie<br />
Stickoxid, die Hauptkomponente des vom Gefäßendothcl<br />
sezornierten Erschlaffiingsläktors für die Gefäßmuskulatur,<br />
stimuliert werden kann.<br />
Zellkern<br />
Boten-RNA<br />
Abb.C-3: Zellulärer VVirkungsmechanisnius der Steroid<br />
hormone<br />
zeptoren). Andererseits kann cAMP über eine Stimulie<br />
rung des Ca++-Rücktransports in intrazelluläre Ca++-<br />
Speicher die Ca++-Konzentration absenken (Erschlaf<br />
fung der glatten Gefäßmuskulatur nach ß-Adrenozeplor-Stimulation).<br />
1.1.7 Tyrosinkinasen<br />
Die Rezeptorproteine mancher Hormone (Insulin und<br />
Wachstumsfaktoren, wie Somatomedin C und epithe<br />
lialer Wachstumsiäktor, EGF) entfalten nach Bindung<br />
ihres Hormons an dem ins Zellinnere reichenden<br />
Abschnitt des Rezeptormoleküls selbst Proteinkinaseaktivität.<br />
Sie phosphorylieren proteingebundene Tyrosinreste,<br />
auch solche, die am Rezeptorprotein selbst<br />
sitzen (Autophosphorylierung).<br />
1.1.8 Induktion von Proteinsynthese<br />
Die Steroidhormone und Schilddrüsenhormone (z. B.<br />
Tg) beeinflussen nach Bindung an intrazelluläre<br />
Rezeptoren über den aktivierten Hormon-Rezeptor-<br />
Komplex die Expression der Gene im Kern der Zelle.<br />
Sie k<strong>ö</strong>nnen über vermehrte Bildung entsprechender<br />
Messenger-RNA die Synthese von Funktionsproteinen<br />
stimulieren.
C. Physiologie 19<br />
Hierarchische<br />
Organisation hormoneller Regelkreise<br />
ZNS<br />
Hypothalamus<br />
RH<br />
0 ! l<br />
+ fc<br />
0<br />
Adenohypophyse<br />
I<br />
GH<br />
i<br />
Ell<br />
+<br />
Effektorische<br />
Hormondrüse<br />
Abb. C-4: Schematische Darstellung der Regelungen<br />
und Rückkopplungsschleifen im hypothalamisch-hypophysär-elTektorisehen<br />
System. III = hypothalamische<br />
Hemmiingsfaktoroti: RH = Freisetzungsfaktoren;<br />
GH = glandotrope Mormone; FII = effektorische Hor<br />
mone.<br />
1.1.9 Inaktivierung von Hormonen<br />
Manche in den Extrazellulärraum freigesetzte Hor<br />
mone k<strong>ö</strong>nnen wieder in die hormonbildenden Zellen<br />
aufgenommen und dadurch aus dem Verkehr gezogen<br />
werden. Diese Art der Inaktivierimg ist nur bei weni<br />
gen kleinen Hormonmolekülen (Serotonin. Noradrena<br />
lin) und normalerweise nur bei parakriner Sekretion<br />
m<strong>ö</strong>glich. Zirkulierende Hormone werden durch Spal<br />
tung (Proteolyse der Peptidhormone) oder durch che<br />
mischen Umbau (Oxydierung, Kopplung mit Sulfat<br />
oder Glucuronid) unwirksam gemacht.<br />
Die Halbwertszeit der Aminosäurederivate (Seroto<br />
nin, Histamin, Adrenalin) und der Eikosanoide liegt bei<br />
Sekunden bis Minuten. Eine Ausnahme bilden die<br />
Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin,<br />
deren Halbwertszeit mehrere Tage beträgt. Die Halb<br />
wertszeit der Peptidhormone im Blut schwankt zwi<br />
schen Minuten (z.B. Kinine, Angiotensin II, Parathor<br />
mon) bis zu mehreren Stunden (follikelstimulierendes<br />
Hormon, FSH). Bei den Steroidhormonen dauert es 30<br />
bis 60 Minuten, bis der Plasmaspiegel auf die Hälfte<br />
des Ausgangswertes abgefallen ist. Die Steroidhor<br />
mone werden vor allem von der Leber inaktiviert, so<br />
daß ihre Halbwertszeit bei Lebererkrankungen anstei<br />
gen kann. Neben der Leber ist die Niere von besonde<br />
rer Bedeutung für die Inaktivierung und Elimination<br />
von Hormonen (z.B. Insulin).<br />
1.2 Hormonelle Regelkreise<br />
1.2.1 Aufbau von Regelkreisen<br />
Ein Regelkreis entstellt dadurch, daß ein Regler (z.B.<br />
eine endokrine Drüse) eine Information über den<br />
Zustand einer zu beeinflussenden Regelgr<strong>ö</strong>ße erhält,<br />
diese mit einem eingespeicherten oder eingegebenen<br />
Sollwert vergleicht und im Falle einer Abweichung<br />
Korrekturmaßnahmen mit Hilfe von Stellgr<strong>ö</strong>ßen (z.B.<br />
Hormonausschüttung) trifft. Als Beispiel eines hormo<br />
nellen Regelkreises kann die Blutzuckerregulation<br />
durch die insulinproduzierenden B-Zellen der Langerhans-Inseln<br />
der Bauchspeicheldrüse dienen. Ein Blut<br />
zuckeranstieg wird von den B-Zellen mit Hilfe von<br />
Glucoserezeptoren erkannt und mit vermehrter Insu<br />
linfreisetzung beantwortet. Insulin steigert die Auf<br />
nahme von Glucose aus dem Blut in die Muskulatur<br />
und das Fettgewebe und bremst die Neubildung von<br />
Glucose in der Leber. Die Glucosekonzentration im<br />
Blut sinkt wieder ab, und parallel zu ihrer Normalisie<br />
rung verringert sich der Reiz für die Insulinausschüt<br />
tung.<br />
Die Eigenschaft eines Regelkreises, auf eine Abwei<br />
chung der Regelgr<strong>ö</strong>ße vom Sollwert mit einer entge<br />
gengesetzt wirkenden Stellgr<strong>ö</strong>ße zu reagieren, wird als<br />
negative Rückkopplung bezeichnet. Durch negative<br />
Rückkopplung wird die Regelgr<strong>ö</strong>ße nahe dem Sollwert<br />
stabilisiert (Halteregelung).
20 Endokrines System<br />
1.2.2 Hierarchische und vernetzte Regelkreise<br />
Eine Besonderheit des Aufbaus hormoneller Regel<br />
kreise besteht darin, daß die Hormonausschüttung<br />
endokriner Drüsen häufig selbst Gegenstand der Rege<br />
lung durch andere Hormone ist. In der hierarchischen<br />
Organisation werden periphere effektorische Hor<br />
mondrüsen (Nebennierenrinde, Schilddrüse, Sexual<br />
organe) von den glandotropen Hormonen des Hypophysenvorderlappens<br />
gesteuert, deren Ausschüttung<br />
wiederum von neurosekretorisch im Hypothalamus<br />
gebildeten Freisetzungshormonen (»releasing hor<br />
mones«) und Hemmungshormonen (»inhibiting hor<br />
mones«) kontrolliert wird. Die effektorischen Hormone<br />
wirken über eine kurze Rückkopplungsschleife auf die<br />
Freisetzung glandotroper Hormone und über eine<br />
lange auf die hypothalamischen Releasing-Hormone<br />
zurück. Ein übergeordneter Einfluß auf das hierarchi<br />
sche System wird durch das Großhirn (insbesondere<br />
das Frontalhirn und das limbische System) ausgeübt,<br />
wobei der nerval beeinflußte Hypothalamus das Binde<br />
glied darstellt.<br />
Die meisten hormonellen Regelkreise sind nicht isoliert<br />
tätig, sondern besitzen Abschnitte, die auch Bestand<br />
teil anderer Regelkreise sind. Der gemeinsame<br />
Bestandteil kann die Regelgr<strong>ö</strong>ße sein. Der Blutzucker<br />
spiegel z. B. wird nicht nur über das Insulin der B-<br />
Zellen der Langerhans-Inseln, sondern auch über das<br />
Glukagon der A-Zellen, das Adrenalin des Nebennie<br />
renmarks und das Somatotropin der Adenohypophyse<br />
geregelt. Die Überschneidung der Regelkreise, die<br />
einem Blutzuckerabiall entgegenwirken, stellt die<br />
Regelung auch bei Ausfall eines Regelkreises (z. B. der<br />
Adrenalinwirkung bei Behandlung mit ß-Rezeptoren-<br />
Blockern) sicher. Andere Regelkreise besitzen gemein<br />
same Stellglieder. Somatostatin z. B. ist hemmendes<br />
Hormon für die Freisetzung sowohl von Somatotropin<br />
als auch von schilddrüsenstimulierendem Thyreotro<br />
pin im Hypophysenvorderlappen und daneben für<br />
Insulin und Glukagon in der Bauchspeicheldrüse.<br />
Durch diese Querverbindungen entstehen komplexe<br />
Regelsysteme, und ein pharmakologischer Eingriff in<br />
einen Bereich kann ungewollte Wirkungen in anderen<br />
Regelkreisen ausl<strong>ö</strong>sen.<br />
2 Hormone endokriner Drüsen<br />
2.1 Hypothalamisch-hypophysäre<br />
Funktionseinheit<br />
2.1.1 Glandotrope Hormone der Adenohypophyse<br />
Als glandotrope Hormone im engeren Sinne werden<br />
die vier Hormone ACTH (adrenokortikotropes Hormon<br />
bzw. Corticotropin), 'FSH (thyreotropes Hormon bzw.<br />
Thyreotropin), LH-ICSH (luteinisierendes und die<br />
interstitiellen Zellen des Hodens stimulierendes Hor<br />
mon, Lutropin) und FSH (follikelstimulierendes Hor<br />
mon, Follitropin) bezeichnet.<br />
Die Ausschüttung der glandotropen Hormone wird<br />
von Freisetzungs- und Hemmungsfaktoren (Releasingund<br />
Inhibiting-Hormone) kontrolliert. Diese werden<br />
von Nervenzellen in der hypophysiotropen Zone des<br />
Hypothalamus (u. a. Area praeoptica) synthetisiert und<br />
gelangen über die Ausläufer der Neurone in die Eminentia<br />
mediana des Hypothalamus, von der der Hypo<br />
physenstiel abgeht. Bei Erregung der neurosekretorischen<br />
Nervenzellen werden die Releasing-Hormone in<br />
der Eminentia mediana freigesetzt, diffundieren in die<br />
Kapillaren und werden mit dem Blut über zwischenge<br />
schaltete Venen in ein zweites Kapillarnetz transpor<br />
tiert, das den Hypophysenvorderlappen durchzieht<br />
(Pfortaderkreislauf der Hypophyse). Zur Aktivierung<br />
der speziellen, jeweils auf die Produktion eines glando<br />
tropen Hormons ausgerichteten Zellen der Adenohypo<br />
physe reichen minimale Mengen (Nanogramm) von<br />
Releasing-IIormonen aus.<br />
Releasing-Hormone für die Freisetzung von ACTH<br />
sind das CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) und<br />
das von denselben hypothalamischen Nervenzellen<br />
gebildete und zusammen mit CRH in den Pfortader<br />
kreislauf der Hypophyse ausgeschüttete ADH (Adiuretin,<br />
Arginiii-Vasopressin), das außerdem als effektori<br />
sches Hormon im Ilypophysenhinterlappen freigesetzt<br />
wird. Ein hypothalamisches Hemmungshormon für die<br />
ACTH-Freisetzung ist noch nicht nachgewiesen wor<br />
den. Die Ausschüttung von CRH und ADH erfolgt<br />
intermittierend (5 bis 8 Pulse pro Tag) und weist<br />
außerdem eine zirkadiane Periodik mit einem Maxi<br />
mum am frühen Vormittag auf. Durch einen Anstieg<br />
der ACTH-abhängig produzierten Glukokortikoide der<br />
Nebennierenrinde wird sowohl die CRH-Freisetzung<br />
als auch die Wirkung von CRH auf die ACTH-Produktion<br />
gehemmt (lange und kurze Schleife der negativen<br />
Rückkopplung im Regelkreis). Diese Hemmung kann<br />
auch durch synthetische Kortikosteroide, wie Dexamethason,<br />
bewirkt werden (Dexamethasonhemmungstest<br />
zur Funktionsprüfung der hypothalamisch-hypophysären<br />
Steuerung der Nebennierenrindenfunktion).
C. Physiologie 21<br />
Sehnervenkreuzung<br />
Arterie<br />
Neurohypophyse<br />
Wasser<br />
resorption<br />
^ «■<br />
Antidiuretisches<br />
Hormon<br />
Niere<br />
Uterus<br />
Oxytocin<br />
Jk<br />
Kontraktion<br />
Brustdrüse<br />
Sekretion<br />
ACTH<br />
V I _ _ ▶<br />
V<br />
TSH<br />
▶<br />
Nebennierenrinde<br />
Schilddrüse<br />
Follikelentwicklung -—r--»<br />
K F S H - ^ O v a r<br />
<<br />
Wachstum<br />
MM«' «.<br />
Prolaktin-<br />
Epiphysenplatte<br />
Wachstumshormon STH<br />
via Somatomedin<br />
><br />
Spermato<br />
genese<br />
LH<br />
Ovulation<br />
<<br />
Hoden<br />
Ovar<br />
Hoden<br />
Abb.C-5: Hypothalamisch-hypophysäre Funktionseinheit mit peripherer Wirkung der in der Hypophyse freigesetzten<br />
Hormone
22 Endokrines System<br />
ACTH liegt intrazellulär als Teil eines gr<strong>ö</strong>ßeren Vorläuferpeptids,<br />
des Proopiomelanocortins (POMC), vor,<br />
aus dem es vor der Sekretion abgespalten wird. Zu den<br />
weiteren Bruchstücken des POMC geh<strong>ö</strong>rt das ß-Endorphin,<br />
das als Opioides Peptid selbst ein Botenstoff ist.<br />
Das ß-Endorphin wirkt hemmend auf die CRH-induzierte<br />
ACTII-Freisetzung in der Hypophyse (ultrakurze<br />
Schleife der negativen Rückkopplung).<br />
Die Ausschüttung des schilddrüsenanregonden TSH<br />
wird durch das stimulierende Thyreotropin-Releasing-Hormon<br />
(TRII) und durch die inhibitorischen<br />
Hormone Dopamin und Somatostatin kontrolliert. Die<br />
effektorischen Schilddrüsenhormone Thyroxin und<br />
Trijodthyronin hemmen die Sekretion von TSH in der<br />
Adenohypophyse und (in geringem Ausmaß) auch die<br />
Produktion von TRII im Hypothalamus. Außerdem<br />
bestellen Querverbindungen zu anderen Ilormonsystemen.<br />
Östrogene f<strong>ö</strong>rdern und Somatotropin hemmt die<br />
TSH-Freisetzung. Im Plasma hat TSH eine Halbwerts<br />
zeit von etwa einer Stunde.<br />
Für die Sexual-Glandotropine LH-ICSII und FSH bil<br />
det der Hypothalamus einen gemeinsamen Freiset<br />
zungsfaktor, das Gonadotropin-Releasing-Hormon<br />
(GnRH). Wegen seiner überwiegenden Wirkung auf<br />
die LH-Sekretion wird GnRH auch als LII-RH bezeich<br />
net. GnRH wird (neben einer geringen basalen Sekre<br />
tion) stoßweise alle 30 bis 120 Minuten ausgeschüttet.<br />
Amplitude und Frequenz der GnRH-Pulse werden<br />
außer durch Rückwirkung der effektorischen Sexual<br />
hormone durch hypothalamische Neurotransmitter<br />
beeinllußt (Katecholamine wie Noradrenalin f<strong>ö</strong>rdern,<br />
Opioide Peptide hemmen).<br />
Der Gonadotropinspiegel im Plasma steigt nach Ein<br />
treffen des GnRH-Pulses in der Adenohypophyse rasch<br />
an und fällt dann langsam wieder ab (Halbwertszeit<br />
von LH 30 Minuten, von FSH 300 Minuten). Wenn die<br />
Frequenz der GnRH-Pulse unphysiologisch gesteigert<br />
wird, kommt es zu einer Wirkungsumkehr mit Hem<br />
mung der Gonadotropinbildung. Die effektorischen<br />
Sexualhormone k<strong>ö</strong>nnen auf die hypothalamisch-hypophysäre<br />
Steuerung ihrer Produktion sowohl im Sinne<br />
negativer als auch positiver Rückkopplung einwirken.<br />
Typisch für den letzteren Fall ist die präovulatorische<br />
Phase im Zyklus der erwachsenen Frau, in der ein<br />
Östrogenanstieg zu einer massiven Stimulation der LH-<br />
Freisetzung und damit zur Ausl<strong>ö</strong>sung der Ovulation<br />
führt. Im Rahmen der normalen negativen Rückkopp<br />
lung hemmen die effektorischen Sexualhormone die<br />
LH- und die FSH-Produktion. An der Rückwärtshem<br />
mung der FSH-Sekretion der Adenohypophyse ist ein<br />
weiteres Hormon beteiligt, das FSH-abhängig in Hoden<br />
und Ovar gebildete Inhibin, welches die Bildung von<br />
FSH in der Adenohypophyse bremst.<br />
2.1.2 Effektorische Hormone der Adenohypophyse<br />
In der Adenohypophyse werden das Wachstumshor<br />
mon Somatotropin [somatotropes Hormon (STH) bzw.<br />
»growth hormone« (GH)| und Prolaktin (PRL) syntheti<br />
siert.<br />
Die Ausschüttung von STH wird wie die der glandotro<br />
pen Hormone von hypothalamischen Freisetzungs<br />
und Hemmungshormonen, die über den Pfortader<br />
kreislauf der Flypophyse zum Vorderlappen gelangen,<br />
kontrolliert. Das Freisetzungshormon, als Somatotropin-Releasing-Hormon<br />
(SRH) oder »growth hormone<br />
releasing hormone« (GH-RH) bezeichnet, wird wie<br />
GnRH oder CRH intermittierend (in Schüben) produ<br />
ziert. Seine Ausschüttung kann durch Noradrenalin<br />
oder Adrenalin über u-Rezeptoren gef<strong>ö</strong>rdert und über<br />
ß-Rezeptoren gehemmt werden. Außerdem unterliegt<br />
sie metabolischen Einflüssen. Niedrige BIut-Glucosekonzentration<br />
(Hypoglykämie) und erh<strong>ö</strong>hter Blutspie<br />
gel an Aminosäuren, wie Arginin, regen die SRH-<br />
Freisetzung an, Hyperglykämie hemmt sie. Das Inhihiting-Hormon<br />
für STH, Somatostatin, wird nicht<br />
nur von speziellen hypothalamischen Nervenzellen,<br />
sondern auch von vielen sensorischen und vegetativen<br />
Neuronen und von ins Gewebe z. B. des Magen-Darm-<br />
Trakts eingestreuten Drüsenzellen produziert. Die<br />
Freisetzung von Somatostatin im Hypothalamus wird<br />
von STH und den unter STII-Einfluß gebildeten Somatomedinen<br />
(s.u.) stimuliert (negative Rückkopplung im<br />
hypolhalamisch-hypophysären Regelkreis). Außerdem<br />
steigt sie mit zunehmendem Plasmaspiegel der Schild<br />
drüsenhormone, denn Somatostatin ist als Hemmungshormon<br />
auch in die negative Rückkopplung von den<br />
effektorischen Schilddrüsenhormonen auf die TSH-<br />
Sekretion eingeschaltet (s. o.).<br />
Im Plasma liegt STH z.T. in freier Form, z.T. als<br />
Komplex mit Bindungsproleinen vor. Seine Halbwerts<br />
zeit beträgt 30 bis 60 Minuten. Die h<strong>ö</strong>chsten STH-<br />
Spiegel werden nachts während der ersten Tiefschlaf<br />
phasen beobachtet. Tagsüber ist ein Anstieg von STH<br />
außer bei Hypoglykämie bei schwerer k<strong>ö</strong>rperlicher<br />
Belastung zu registrieren.<br />
Ilauptlunktion des STH ist die Anregung des Wachs<br />
tums im Kindesalter. Diese Wirkung wird hauptsäch<br />
lich durch unter seinem Einfluß (vor allem in der<br />
Leber) gebildete Peptid-Wachstumsfaktoren, die<br />
Somatomedins vermittelt. Wichtigstes dieser Peptide<br />
ist das Somatomedin C, das identisch mit dem insulin<br />
ähnlichen Wachstumsfaktor I (IGF I) ist. Die Somatomedine<br />
regen das Zellwachstum an und stimulieren<br />
die Vermehrung von Chondrozyten und damit die<br />
encliondrale Knochenbildung. Die Stoffwechselwir<br />
kungen von STH (Steigerung der Lipolyse in den<br />
Fettzellen und Begünstigung der Glukoneogenese in<br />
der Leber) stellen wahrscheinlich direkte STH-Effekte<br />
dar.
C. Physiologie 23<br />
Die Sekretionsrate von Prolaktin, dem zweiten effektorischen<br />
Hormon der Adenohypophyse, steht im Gegen<br />
satz zu der anderer Hormone unter vorwiegend inhibitorischer<br />
Kontrolle durch den Hypothalamus. Ilaupthemmungshormon<br />
der Prolaktinbildung ist das (auch<br />
als TSII-IH wirkende) Dopamin. Hemmend wirkt<br />
daneben Somatostatin. Die Funktion des Freisetzungs<br />
hormons wird vom Thyreotropin-Releasing-Hormon<br />
(TRII) und von Neuropeptiden wie VIP, Cholezystokinin<br />
und Substanz P (s. Abschn. 3.2) übernommen. Außer<br />
dem kann die Prolaktinbildung durch Östrogene<br />
gesteigert werden.<br />
Prolaktin stimuliert (im Zusammenwirken mit ande<br />
ren Hormonen) das Wachstum der weiblichen Brust in<br />
Pubertät und Schwangerschaft. Spezifischer Effekt von<br />
Prolaktin ist die Anregung der Milchproduktion der<br />
laktierenden Mamma. Der Saugreiz an der Mamille<br />
führt reflektorisch zu vermehrter Prolaktinproduktion.<br />
2.1.3 Effektorische Hormone der Neurohypophyse<br />
In der Neurohypophyse werden antidiuretisches Hor<br />
mon (ADH) (Adiuretin, Arginin-Vasopressin) und Oxy<br />
tocin sezerniert. Beides sind Neurohormone (Neuro<br />
peptide), deren Vorläuferproteine von Nervenzellen im<br />
Hypothalamus (Nucleus supraopticus und Nucleus<br />
paraventricularis) synthetisiert werden. Die Ausgangs<br />
proteine gelangen unter stufenweiser Aufarbeitung<br />
über die Axone dieser Nervenzellen durch den Hypo<br />
physenstiel in den Hypophysenhintcrlappen. Dort wer<br />
den die Vorläuferproleine gespeichert, die aus dem<br />
Neurohormon und den als Neurophysine bezeichneten<br />
Peptiden bestehen. Bei Erregung der Nervenzelle wird<br />
die Bindung zwischen Neurophysin und Hormon<br />
gespalten, und die Bruchstücke werden freigesetzt. Die<br />
Axone von speziellen, neben ADH auch CRH bildenden<br />
Neuronen enden bereits in der Emincntia mediana des<br />
Hypothalamus, und die dort ausgeschütteten Mormone<br />
erreichen über den Plbrtaderkreislauf der Hypophyse<br />
den Hypophysenvorderlappen (s. Abschn. 2-. 1.1).<br />
ADH und Oxytocin sind auch in Nervenzellen außer<br />
halb des Hypothalamus, in endokrinen Zellen des<br />
Thymus und (vor allem Oxytocin) in den Ovarien<br />
nachgewiesen worden. Vermutlich k<strong>ö</strong>nnen diese Pep<br />
tide auch als Neurotransmitter bzw. Neuromodulatoren<br />
fungieren.<br />
Das antidiuretische Hormon wirkt auf seine Zielzellen<br />
nach Bindung an Vi- oder V2-Rezeptoren der Zellmem<br />
bran (V nach dem zweiten Namen von ADH, Vasopres<br />
sin) über unterschiedliche Mechanismen. Der Vr<br />
Rezeptor leitet die Aktivierung der Zelle über den C-<br />
Kinase-Weg und IP3 ein. Bindung von ADD an den V2-<br />
Rezeptor führt zur Aktivierung der Adenylatzyklase<br />
und Bildung des »second messenger« cAMP. Zum<br />
breiten Wirkungsspektrum von ADH (neben seiner<br />
Wirkung als.Releasing-Hormon) geh<strong>ö</strong>ren<br />
über VpRezeptoren:<br />
Konstriktion der glatten Gefäßmuskulatur, u.a. Ver<br />
minderung der Durchblutung des Splanchnikusgebiets<br />
und auch des Nierenmarks,<br />
Anregung der Reninsekrelion.<br />
■ über Vz-Rezeptoren:<br />
Erh<strong>ö</strong>hung der Wasserdurchlässigkeit der luminalen<br />
Membran von Zellen des distalen Tubulus und des<br />
Sammelrohrs in der Niere, dadurch Konzentrierung<br />
des Urins mit Verminderung der Wasserausschei<br />
dung,<br />
Erh<strong>ö</strong>hung der Permeabilität des Endabschnitts des<br />
Sammelrohrs für Harnstoff (Unterstützung der Urin<br />
konzentrierung durch Aufbau eines Harnstoffgegen<br />
stromsystems im Nierenmark),<br />
F<strong>ö</strong>rderung der Reabsorption von Elektrolyten im<br />
dicken 'Teil des aufsteigenden Schenkels der Henle-<br />
Schleife (bisher nur bei Ratte, Maus und Kaninchen<br />
nachgewiesen),<br />
Hemmung der Reninsekretion im juxtaglomerulärcn<br />
Apparat des Glomerulus,<br />
Stimulation der Synthese von Gerinnungsfaktor VIII<br />
und von-Willebrand-Protein (Thrombozytenadhäsionsprotein<br />
des Subendothels),<br />
Verbesserung der Merkfähigkeit und Gedächtnislei<br />
stung,<br />
Erweiterung der Widerstandsgefäße, Blutdrucksen<br />
kung.<br />
Die Vi-Rezeptoren-Wirkung dominiert im Gefäßsy<br />
stem, die V2-Rczeptoren-Wirkung bei der Beeinflus<br />
sung der Funktion der Nierentubuli (antidiuretische<br />
Hauptlünktion) und der Reninproduktion. Die Wirkung<br />
über die jeweils entgegengesetzte Effekte ausl<strong>ö</strong>senden<br />
Rezeptoren tritt erst bei selektiver Hemmung des<br />
dominanten Rezeptortyps oder bei Einsatz künstlich<br />
hergestellter, Vr oder V2-selektiver Agonisten in Er<br />
scheinung.<br />
Die ADH-Ausschüttung wird vor allem durch die<br />
extrazelluläre Osmolalität gesteuert. Ein Anstieg der<br />
Plasmaosmolalität führt über Erregung von hypothala<br />
mischen Neuronen zu ADII-Freisetzung. Die Schwelle<br />
liegt bei einer Plasmaosmolalität von 285 mosmol/kg.<br />
Bei der normalen Plasmaosmolalität von ca. 290 mosmol/1<br />
besteht demnach ein anhaltender Sekretionsreiz<br />
für ADH. Die Schwelle kann z. B. durch Ethylalkohol<br />
angehoben werden (diuretische Wirkung des Alko<br />
hols). Zur maximalen Aktivierung der ADH-Sekretion<br />
mit Anstieg der Plasmakonzentration von normal ca.<br />
l,5pmoI/I bzw. pg/ml auf ca. 5 pmol/l reicht bereits<br />
eine Zunahme der Osmolalität um 3% (auf ca.<br />
300 mosmol/1) aus. Die Halbwertszeit von ADH im<br />
Plasma liegt bei 25 Minuten.<br />
Die Freisetzung von ADH wird außer durch einen<br />
Osmolalitätsanstieg auch durch eine Abnahme des<br />
extrazellulären Volumens (Hypovolämie) angeregt. Die<br />
Schwelle für die hypovolämische Stimulation liegt rela-
24 Endokrines System<br />
tiv hoch (Abnahme des extrazellulären Volumens um<br />
5 bis 10%). Bei hypovolämisch oder orthostatisch<br />
bedingtem Abfall des arteriellen Drucks kommt es zu<br />
einer reflektorischen Stimulation der ADH-Sekretion,<br />
die von den Pressorezeptoren der A. carotis und der<br />
Aorta ausgeht. Wenn bei hypoosmolalem Plasma die<br />
osmotische Anregung fehlt, kann eine Steigerung der<br />
ADH-Sekretion nur durch Hypovolämie mit erhebli<br />
cher arterieller Hypotonie (Volumenmangelschock)<br />
erzwungen werden. Bei Blutdruckabfall kann die ADH-<br />
Sekretion über das bei Osmolalitätsstcigerung beob<br />
achtete Maß hinaus zunehmen. Bei entsprechend<br />
hoher Plasmakonzcntration kommt die vasokonstriktorische<br />
Wirkung von ADH, die im Rahmen der norma<br />
len Blutdruckregulation eine untergeordnete Rolle<br />
spielt, als wesentlicher Mechanismus für die Zentrali<br />
sation des Kreislaufs (starke Reduktion der Durchblu<br />
tung im Splanchnikusbereich bei geringer Auswirkung<br />
auf den Hirn- und Nierenkreislauf) zum Tragen.<br />
Eine Steigerung des zentralen Blutvolumens (Aufdeh<br />
nung der Lungenstrombahn und der Herzvorh<strong>ö</strong>fe) l<strong>ö</strong>st<br />
beim Hund eine reflektorische Hemmung der ADH-<br />
Ausschüttung aus (Gauer-Henry-Reflex). Beim Men<br />
schen scheinen die kardialen Niederdruckrezeptoren<br />
im Gegensatz zu den arteriellen Pressorezeptoren<br />
keine wesentliche Bedeutung für die Steuerung der<br />
ADH-Sekretion zu haben.<br />
Die Ausschüttung von ADH wird wie die anderer<br />
hypothalamischer Hormone durch Einflüsse des über<br />
geordneten Zentralnervensystems modifiziert. Emotio<br />
naler Streß und starker Schmerz wirken über eine<br />
Stimulation der ADH-Sekretion antidiuretisch. Im<br />
Schlaf ist die ADH-Sekretion erh<strong>ö</strong>ht und entsprechend<br />
die Harnllußrate vermindert. Nikotin und Barbiturate<br />
wirken ebenfalls sekretionsstimulierend. Eine quanti<br />
tativ noch nicht geklärte Bedeutung hat die Anregung<br />
der ADH-Sekretion durch Angiotensin II.<br />
Die einzige gesicherte periphere Wirkung des zweiten<br />
in der Neurohypophyse sezernierten Hormons, des<br />
Oxytocins, ist die Ausl<strong>ö</strong>sung der Milchejektion bei der<br />
laktierenden Mamma durch Konstriktion der myoepi<br />
thelial Zellen der Milchgänge. Oxytocin l<strong>ö</strong>st auch<br />
eine Kontraktion der glatten Muskulatur des graviden<br />
(nicht des nichtgraviden) Uterus aus und kann als<br />
wehenforderndes Mittel eingesetzt werden. Ob jedoch<br />
die maternale oder die letale Oxytocinproduktion eine<br />
wesentliche Rolle für die normale Induktion der<br />
Geburtswehen spielt, ist noch unklar.<br />
2.2 Schilddrüse und Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
2.2.1 Bildung und Sekretion von Jodthyroninen<br />
Die beiden Schilddrüscnhormone Thyroxin (Tetrajodthyronin,<br />
T4) und Irijodthyronin (T:1) entstehen in der<br />
Schilddrüse durch Jodierung von an das Protein Thy<br />
reoglobulin gebundenen Tyrosinresten. Zur Sicherstellung<br />
der Schilddrüsenhormonproduktion sollte die<br />
Nahrung täglich 100 bis 300 ug Jod enthalten. Die<br />
Schilddrüsenzellen nehmen Jod in Form von Jodid<br />
durch aktiven, von ATP-Spaltung mit Energie versorg<br />
ten Transport aus dem Blut auf. Der Jodid-Einwärtstransport<br />
kann durch Überangebot von anderen Anionen,<br />
wie von Perchlorat (HCIO4"), blockiert werden. In<br />
der Schilddrüsenzelle wird Jodid oxidiert, und das<br />
entstehende kurzlebige elementare Jod bzw. J3~ wird<br />
an das Schilddrüsenkolloid im Inneren der Schilddrüsenfollikel<br />
abgegeben. Im Kolloid befindet sich das von<br />
den Schilddrüsenzellen synthetisierte Thyreoglobulin,<br />
das auf seiner Oberfläche über 100 Tyrosylreste pro<br />
Molekül aufweist. Im Prozeß der Jodisation entsteht<br />
aus thyreoglobulingebundenem Tyrosin über 3-Monojodtyrosin<br />
3,5-Dijodtyrosin und durch Kopplung von<br />
zwei jodierten Tyrosinmolekülen proteingebundenes<br />
3,5,3',5'-Tetrajodthyronin (Thyroxin, T4). Bei ausrei<br />
chender Jodzufuhr enthält das Kolloid so viel thyreoglobulingebundenes<br />
Thyroxin, daß der Bedarf für etwa<br />
zwei Monate ohne Neusynthese gedeckt werden kann<br />
(Überbrückung von Phasen unzureichender Jodzufuhr).<br />
Eine Hemmung der Schilddrüsenhormonsynthese<br />
führt daher erst nach längerer Zeit zu einem<br />
Abfall des Plasma-T4-Spiegels.<br />
Die von TSH angeregte Freisetzung von Schilddrüsenhormon<br />
(ca. 100 pg/Tag) wird durch Wiederaufnahme<br />
von Thyreoglobulin aus dem Kolloid in die Zelle und<br />
Abspaltung der gebundenen Jodthyronine durch lyso<br />
somal Proteasen eingeleitet. Die ebenfalls freiwer<br />
denden Zwischenstufen (Mono- und Dijodtyrosin) wer<br />
den in der Schilddrüsenzelle dejodiert, und das Jodid<br />
wird zu weiterer Verwendung wieder oxidiert. Die<br />
ausgeschütteten Jodthyronine bestehen zu 70 bis 90%<br />
aus T4 und zu 10 bis 30% aus 3,5,3'-Trijodthyr()nin,<br />
das hauptsächlich sekundär aus T4 durch enzymatische<br />
Monodejodierung in den Schilddrüsenzellen ent<br />
stellt. Die TSH-stimulierle Freisetzung von Schilddrüsenhormon<br />
kann pharmakologisch durch hohe Jodidkonzentration<br />
im Extrazellulärraum gehemmt<br />
werden.<br />
Bildung und Sekretion der Jodthyronine werden auf<br />
allen Stufen (von der Jodidaufnahme in die Zelle über<br />
die Hormonsynthese bis zur Abgabe von Thyroxin) von<br />
dem Thyreotropin (TSH) der Adenohypophyse stimu<br />
liert. Die TSII-Abgabe wiederum wird durch negative<br />
Rückkopplung im hypothalamisch-hypophysär-thyreoidalen<br />
System kontrolliert. Die Rückkopplungshemmung<br />
geht dabei von 'TSH selbst und von den freien,<br />
nicht proteingebundenen Schilddrüsenhormonen (FT3<br />
bzw. FT4) aus. Erst bei erheblicher Abnahme der<br />
Schilddrüsenhormonkonzentration (Abfall um über<br />
30%) läßt die Rückkopplungshemmung mit dem<br />
Ergebnis von zunehmender TSH-Sekretion nach. Bei<br />
anormal hoher FT4- bzw. F'IVKonzentration wird die<br />
TSH-Produktion in der Adenohypophyse so intensiv<br />
gehemmt, daß auch exogen zugeführtes Thyreotropin-<br />
Releasing-Hormon (TRII) nicht zu einer TSH-Freisetzung<br />
führt.
C. Physiologie 25<br />
HOOC-CH-CH2--OH<br />
hJH2 —|<br />
Abb.C-6: Jodumsatz (Pfeile) und Weg der Schilddrüsenhormone im K<strong>ö</strong>rper<br />
2.2.2 Periphere Kinetik der Jodthyronine<br />
Im Plasma sind T4 (ca. 100 ug/l) zu ca. 99,97% und T3<br />
(ca. 1 ug/l) zu etwa 99,7% an Transportproteine [T4:<br />
vor allem an das thyroxinbindende Globulin (TBG) und<br />
Präalbumin, T3: insbesondere an Albumin] gebunden,<br />
und entsprechend liegt nur ein geringer Anteil der<br />
zirkulierenden Hormone in freier Form als FT4 bzw.<br />
FT3 vor. Die Gesamtkonzentration der Hormone hängt<br />
von der Konzentration der Transportproteine ab und<br />
steigt (bei annähernd gleichbleibender freier Konzen<br />
tration) an, wenn z. B. TBG von der Leber unter dem<br />
Einfluß von Östrogenen (kontrazeptive Medikamente,<br />
Schwangerschaft) vermehrt gebildet wird.<br />
T4 hat eine Halbwertszeit von etwa sieben Tagen und<br />
damit eine etwa zehnmal längere Verweildauer im<br />
Plasma als T3. T3 wird von den Zellen leichter und<br />
rascher aufgenommen als T4. Das im Plasma enthal<br />
tene T3 stammt überwiegend nicht aus der Schild<br />
drüse, sondern aus den peripheren Geweben, vor<br />
allem aus der Leber und den Nieren, deren Zellen das<br />
aufgenommene T4 monodejodieren. Dabei entsteht<br />
neben dem hochwirksamen Trijodthyronin in minde<br />
stens gleicher Menge das inaktive reverse 3,3\5'-<br />
Trijodthyronin (rT:{). Ein Teil des intrazellulär gebilde<br />
ten T3 wird an Hormonrezeptoren im Zellkern gebun<br />
den und l<strong>ö</strong>st Funktionsänderungen der Zelle aus, und<br />
das übrige T3 wird in den Blutkreislauf abgegeben. Da<br />
das T3 die wirksamste Form der natürlichen Schilddrü<br />
senhormone darstellt und erheblich besser in die<br />
Zellen eindringen kann als T4, hängt die Versorgung<br />
der Gewebe mit Schilddrüsenhormon außer von der<br />
Hormonfreisetzung der Schilddrüse von dem Verhält<br />
nis ab, in dem peripher T4 zu T3 und rT3 umgesetzt<br />
wird. Bei verminderter Intensität des Gesamtumsatzes<br />
im Stoffwechsel (z. B. bei Gewichtsreduktion durch<br />
entsprechende Diät) wird die periphere Konversion in<br />
Richtung des unwirksamen rT3 gelenkt, und im Plasma<br />
kommt es zu einer Abnahme von T3 bei gleichzeitigem<br />
Anstieg der r'T3-Konzentration. Bei geringer ^-Frei<br />
setzung und Schilddrüsenhormonproduktion domi<br />
niert die Umsetzung in Richtung T3. Dieser Mechanis<br />
mus erlaubt eine zusätzlich zur Regelung über die<br />
hypothalamisch-hypophysär-thyreoidale Achse wirk<br />
same Abstufimg der Schilddrüsenhormonversorgung<br />
der Gewebe.
26 Endokrines System<br />
©<br />
Parathormon<br />
0<br />
©<br />
e<br />
fp04<br />
© ©<br />
^4®<br />
D-Hormon<br />
0<br />
© ©<br />
©<br />
©<br />
©<br />
Ca++]<br />
0<br />
Kalzitonin<br />
©<br />
Abb. C-7: Parathornion - D-Hormon - Kalzitonin:<br />
Zusammenhang und Wechselwirkungen zwischen<br />
der Plasmakonzentration von Ca** und P04~ und<br />
den Steuerhormonen des Kalzium- und Phosphathaushalts<br />
2.2.3 Wirkungen der Jodthyronine<br />
Die Schilddrüsenhormone regen eine vermehrte Bil<br />
dung von cnergieverbrauchenden Funktionsproteinen,<br />
wie der Na7K+-ATPase (Natriumpumpe der Zellmem<br />
bran), an und steigern dadurch den Sauerstoffver<br />
brauch und die Wärmebildung des Organismus. Ent<br />
sprechend führt eine erh<strong>ö</strong>hte Freisetzung von Jodthyroninen<br />
zu einer Grundumsatzsteigerung. Nor<br />
male Schilddrüsenhormonkonzentrationen wirken -<br />
wahrscheinlich über eine Anregung des Einbaus von<br />
Rezeptoren für Wachstumslaktoren - anabol (wachs<br />
tumsf<strong>ö</strong>rdernd), während stark überh<strong>ö</strong>hte Hormonspie<br />
gel einen katabolen Effekt (vermehrter Gewebsabbau<br />
mit negativer Stickstoffbilanz) haben. Im frühen Kin<br />
desalter sind die Schilddrüsenhormone essentiell für<br />
normales Wachstum und normale Entwicklung, insbe<br />
sondere für die Ausreifung des Zentralnervensystems.<br />
Der auch beim Erwachsenen vorhandene Einfluß auf<br />
das Nervensystem zeigt sich u. a. an erh<strong>ö</strong>hter Erreg<br />
barkeit und einer Verkürzung der Reflexzeit von phasi<br />
schen Muskeldehnungsreflexen (z. B. Achillessehnenreflex)<br />
mit zunehmendem Schilddrüsenhormonspiegel.<br />
Die Jodthyronine erh<strong>ö</strong>hen die Empfindlichkeit der<br />
peripheren Gewebe gegenüber dem Einfluß des<br />
sympathischen Nervensystems bzw. des vom Neben<br />
nierenmark ausgeschütteten Adrenalins. Grundlage<br />
dafür ist u. a. eine Anregung der Bildung von ß-<br />
Adrenozeptor-Proteinen. Über eine Sensibilisierung<br />
gegenüber dem Sympathikus, z.T. aber auch direkt,<br />
steigert Schilddrüsenhormon die Herzfrequenz und<br />
das Herzzeitvolumen. Im Stoffwechsel wird u.a. die<br />
Glukoneogenese der Leber gef<strong>ö</strong>rdert.<br />
2.2.4 Kalzitonin und Parathormon<br />
Das von den C-Zellen der Schilddrüse und von endokri<br />
nen Zellen u. a. im Verdauungstrakt gebildete Kalzito<br />
nin und das Parathornion der Beischilddrüsen regeln<br />
zusammen mit dem aktivierten Vitamin D3 (1,25-Dihydroxycholecalcilerol,<br />
D-Hormon) den Kalzium- und<br />
Phosphathaushalt des Organismus.<br />
Die normalerweise geringe Sekretion von Kalzitonin<br />
wird angeregt, wenn der Ca++-Spiegel im Plasma<br />
ansteigt. Sekretionssteigernd (zumindest in pharmako<br />
logischen Dosen) wirken daneben Gastrin, Glukagon,<br />
Östrogene und Adrenalin. Hauptwirkung des Kalzitonins<br />
ist eine Hemmung des Knochenabbaus und damit<br />
eine Absenkung der Plasmakonzentrationen von Kal<br />
zium und Phosphat. In die gleiche Richtung wirkt eine<br />
Steigerung der renalen Kalzium- und Phosphatexkretion<br />
(Hemmung der Reabsorption dieser Ionen in den<br />
Nierentubuli), die aber erst bei sehr hohen Kalzitoninkonzentrationen<br />
zum Tragen kommt. Außerdem f<strong>ö</strong>r<br />
dert Kalzitonin in der Niere die Bildung von D-Hormon<br />
aus 25-Ilydroxycholccalciferol. Welche Bedeutung<br />
Kalzitonin für die physiologische Regulation des Kal<br />
zium- und Phosphatumsatz.es hat, ist noch unklar.<br />
Weder bei starker Abnahme der Kalzitoninproduktion<br />
infolge Thyreoidektomie noch bei Überproduktion<br />
durch einen C-Zellen-Tumor der Schilddrüse kommt es<br />
zu pathologischen Veränderungen des Plasma-Kal<br />
ziums oder der Knochenmasse. Außer auf den Mine<br />
ralhaushalt wirkt Kalzitonin auf die Drüsen im Ver<br />
dauungstrakt. Es hemmt die Sekretion von Magensaft<br />
und Bauchspeichel.
C. Physiologie 27<br />
Die Bildung von Parathornion (PTH) in don Beischilddrüsen<br />
(Epithelk<strong>ö</strong>rperchen) wird durch ein Absinken<br />
der Kalziumkonzentration und durch einen Anstieg<br />
des Phosphatspiegels im Blut angeregt. Zur maximalen<br />
Stimulation reicht bereits eine Verminderung der<br />
Plasma-Kalziumkonzentration um ca. 10%<br />
(0,25 mmol/1) aus. Sowohl die basale als auch die<br />
hypokalzämiebodingte PTH-Sekretion werden durch<br />
Katecholamine (Adrenalin, Dopamin) gef<strong>ö</strong>rdert.<br />
Parathornion steigert die Plasma-Kalziumkonzentra<br />
tion, indem es<br />
- Kalzium aus dem Knochen mobilisiert,<br />
- die renale Kalziumexkretion durch Stimulation der<br />
Reabsorption in den Nierentubuli reduziert,<br />
- die Resorptionsquote des Nahrungskalziums im Ver<br />
dauungstrakt erh<strong>ö</strong>ht.<br />
Bei der Beeinflussung von Knochen, Niere und Darm<br />
wirkt Parathornion mit 1,25-Dihydroxycholecalciferol<br />
(D-Hormon) zusammen bzw. über eine Anregung der<br />
Aktivierung von Vitamin D zum D-Hormon, die in der<br />
Niere durch lu-IIydroxylierung des in der Leber an<br />
Position 25 hydroxylierten Vitamin D3 erfolgt. D-Hor<br />
mon seinerseits bremst bei Konzentrationsanstieg<br />
seine eigene Bildung und die Freisetzung von Para<br />
thormon in den Beischilddrüsen.<br />
Parathormon hemmt die Reabsorption von Phosphat in<br />
der Niere und regelt dadurch den Phosphathaushalt,<br />
der eng mit dem Kalziumhaushalt verknüpft ist (ein<br />
Anstieg der Phosphatkonzentration im Plasma führt<br />
infolge Überschreitung des L<strong>ö</strong>slichkeitsprodukts für<br />
Kalziumphosphat zu einem Abfall des Kalziumspiegels).<br />
Darüber hinaus steigert es die renale Exkretion<br />
von Wasser, Ionen (Na+. K+, Cl~ usw.) und organischen<br />
Substanzen (Glucose, Aminosäuren). Die renale Aus<br />
scheidung von H* und NH4+ dagegen wird durch<br />
Parathormon reduziert.<br />
2.3 Nebenniere<br />
Die Nebenniere bestellt aus zwei funktionell und entwicklungsgeschichtlich<br />
unterschiedlichen Anteilen,<br />
dem die Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin und<br />
Dopamin sezernierenden Nebennierenmark und der<br />
Nebennierenrinde. Die Nebennierenrinde produziert<br />
vier Klassen von Steroidhormonen: die Glukokorti<br />
koide mit dem Hauptvertreter Cortisol, die Mineralokortikoide<br />
(hauptsächlich Aldosteron), Androgene und<br />
geringe Mengen an Östrogenen.<br />
2.3.1 Hormone des Nebennierenmarks<br />
Die endokrinen Zellen des Nebennierenmarks sind<br />
ausläuferlose sympathische Ganglienzellen, die von<br />
präganglionären Fasern aus dem sympathischen Ple<br />
xus coeliacus über Synapsen erregt und zur llormonausschüttung<br />
angeregt werden k<strong>ö</strong>nnen. Daß das<br />
Nebennierenmark als eine Art sympathisches Ganglion<br />
im Inneren der ansonsten Steroidhormone produzie<br />
renden Nebenniere liegt, läßt sich teleologisch erklä<br />
ren. Eine ausreichende Bildung der zur Synthese von<br />
Adrenalin aus Noradrenalin notwendigen N-Methyltransferase<br />
bedarf der Induktion durch Glukokorti<br />
koide. Das Blut, das das in der Nebennierenrinde<br />
sezernierte Cortisol aufnimmt, gelangt über die ablei<br />
tenden Venen, die sich im Ncbennicrenmark erneut in<br />
ein Kapillarnetz verzweigen, direkt zu den dortigen<br />
hormonproduzierenden, nach der Anlärbbarkeit als<br />
chromaffin bezeichneten Zellen. Die sonstigen sympa<br />
thischen Ganglien k<strong>ö</strong>nnen (mit Ausnahme weniger<br />
Zellgruppen in retroperitoneal gelegenen Paragan<br />
glien) nur Noradrenalin als sympathischen Überträ<br />
gerstoff synthetisieren, weil ihnen die N-Methyltransferase<br />
fehlt.<br />
Die basale, im ruhigen Liegen gemessene Plasmakon<br />
zentration von Adrenalin beträgt 0,01 bis 0,8 nmol/I.<br />
Das Noradrenalin im Plasma (0,15 bis 3,5 nmol/1 unter<br />
Ruhebedingungen) stammt überwiegend aus der Frei<br />
setzung durch periphere postganglionäre sympathi<br />
sche Nervenendigungen. Das von den chromaffinen<br />
Zellen des Nebennierenmarks zusammen mit Adrena<br />
lin und Noradrenalin in geringer Menge freigesetzte<br />
Dopamin findet sich im Plasma nur in Spuren. Bei<br />
Aktivierung des Sympathikus durch Stroßläktoren<br />
(z.B. orthostatische Belastung beim Aufstehen aus<br />
dem Liegen) steigt im Plasma die bereits basal h<strong>ö</strong>here<br />
Noradrenalinkonzentration stärker an als die Adrena<br />
linkonzentration. Exogen zugeführtes Adrenalin hat<br />
im Blut eine Halbwertszeit von 3 bis 4 Minuten. Ein<br />
Teil des Adrenalins (und Noradrenalins) wird nach<br />
Aufnahme in Zellen durch die Catechol-O-Methyltransferase<br />
(COM'T) und Monoaminoxydase (MAO) zum<br />
Hauptmetabolit Vanillinmandelsäure umgesetzt. Die<br />
renale Ausscheidung dieses Metaboliten kann zur<br />
Beurteilung der Katecholaminproduktionsrate heran<br />
gezogen werden.<br />
Die Zielzellen besitzen für Adrenalin und Noradrenalin<br />
funktionell unterschiedliche Membranrezeptoren, die<br />
nach ihrer Affinität für sie blockierende oder erre<br />
gende Pharmaka in u- und ß-Rezeptoren mit den<br />
Unterklassen 04 bzw. ßi und u2 bzw. ß2 eingeteilt<br />
werden. Die ß-Rezeptoren l<strong>ö</strong>sen in den Zielzellen über<br />
stimulierende G-Proteine eine Aktivierung der membranständigen<br />
Adenylatzyklase und damit einen<br />
Anstieg der intrazellulären Konzentration des Boten<br />
stoffs cAMP aus. Bei Bindung von Adrenalin oder<br />
Noradrenalin an «2-Rezeptoren dagegen wird der<br />
cAMP-Spiegel über inhibitorische G-Proteine und eine<br />
Hemmung der Adenylatzyklase abgesenkt. Die ai-<br />
Rezeptoren wirken auf die Zelle über das Kalzium<br />
signalsystem, denn sie führen durch Aktivierung von<br />
Phospholipase C zur Bildung der Botenstoffe Inositoltrisphosphat<br />
(IP3) und Diacylglycerol (DAG. Starter des<br />
C-Kinase-Wegs). Die Nebennierenmarkhormone Adre<br />
nalin und Noradrenalin wirken auf beide Klassen von
28 Endokrines System<br />
a-Rezeptoren und auf die (vorwiegend kardialen) ß,-<br />
Rezeptoren vergleichbar gut. Dagegen reagieren die<br />
ß2-Rezeptoren z. B. der glatten Gefäßmuskulatur auf<br />
Adrenalin sehr viel empfindlicher als auf Noradrena<br />
lin. Ihre Erregungsschwelle für Adrenalin liegt niedri<br />
ger als die der (an der Gefäßmuskulatur funktionell<br />
dominanten) a-Rezeptoren, so daß es bei steigendem<br />
Adrenalinspiegel in Organstrombahnen wie der Ske<br />
lettmuskulatur zunächst zu einer ß2-rezeptorvermittelten<br />
Gefäßerweiterung und dann zu einer U]-rezeptorinduzierten<br />
Vasokonstriktion kommt (sog. Adrenalinumkehr).<br />
Die Aktivierung des sympathoadrenalen Systems<br />
bereitet den Organismus auf die Bewältigung von<br />
gr<strong>ö</strong>ßeren Anforderungen wie schweren k<strong>ö</strong>rperlichen<br />
Belastungen vor. Das Adrenalin der Nebennierenrinde<br />
gilt daher als Streßhormon. Am Herzen wirkt Adrena<br />
lin positiv chrono-, ino- und dromotrop, d. h., es erh<strong>ö</strong>ht<br />
die Herzfrequenz, die Kontraktionskraft und die Überleitungsgeschwindigkeit<br />
der Herzerregung. Dem unter<br />
Adrenalineiniluß gesteigerten Herzzeitvolumen steht<br />
ein (bei physiologischen Adrenalinkonzentrationen)<br />
erniedrigter peripherer Kreislaufwiderstand gegen<br />
über. Daß die Adrenalinausschüttung des Nebennie<br />
renmarks als Stellglied an der Blutdruckregulation<br />
beteiligt ist, ergibt sich aus ihrer Beeinflussung durch<br />
die Pressorezeptoren des Karotissinus. Bei Anstieg des<br />
arteriellen Drucks wird die Adrenalinausschüttung<br />
reflektorisch gehemmt.<br />
Adrenalin setzt den Atemwegswiderstand durch Rela<br />
xation der Bronchialmuskulatur herab, und es bewirkt<br />
eine Hemmung der Motorik von Magen-Darm-Trakt<br />
und Urogenitaltrakt (Harnblase und Uterus). Adrena<br />
lin mobilisiert die Energiereserven durch Stimulation<br />
der Lipolyse im Fettgewebe, der Glykogenolyse in<br />
Leber und Skelettmuskeln und der hepatischen Glukoneogenese.<br />
Zusammen mit dem in den Langerhans-<br />
Inseln der Bauchspeicheldrüse gebildeten Glukagon<br />
sorgt es dafür, daß einem Abfall des Blutzuckers durch<br />
vermehrte Glucoseabgabe der Leber an das Blut entge<br />
gengewirkt wird. Zudem hemmt Adrenalin die Sekre<br />
tion des blulzuckersenkenden Insulins. In den Wasserund<br />
Elektrolythaushalt greift Adrenalin indirekt durch<br />
eine Stimulation des Renin-Angiotensin-Systems<br />
(Anregung der Reninfreisetzung in der Niere) und<br />
direkt u.a. durch eine Steigerung der K+-Aufnahme in<br />
die Skelettmuskulatur ein. Dem Charakter als Streßhormon<br />
entsprechen die Wirkungen auf das Zentral<br />
nervensystem (Änderung der Stimmungslage in Rich<br />
tung Unruhe und Erwartungshaltung, Pupillenerweite<br />
rung durch Stimulation des M. dilatator pupillae). Da<br />
Adrenalin (wie auch Noradrenalin) über die verschie<br />
denen Rezeptorentypen häufig entgegengesetzte Wir<br />
kungen ausl<strong>ö</strong>st (z. B. wird die Insulinsekrelion über a2-<br />
Rezeptoren gehemmt und über ß2-Rezeptoren gef<strong>ö</strong>r<br />
dert), k<strong>ö</strong>nnen bei selektiver pharmakologischer Blokkade<br />
unerwünschte Nebeneffekte in anderen Berei<br />
chen auftreten. Wenn z. B. ß-Rezeptoren zur Senkung<br />
des Herzstoffwechsels blockiert werden, nimmt die<br />
Gefahr einer Entstehung von Hypoglykämie und<br />
Hyperkaliämie zu, denn über ß-Rezeptoren steigert<br />
Adrenalin auch die Glucoseabgabe aus der Leber und<br />
die Kaliumaufnahme in die Skelettmuskeln.<br />
2.3.2 Glukokortikoide<br />
Pro Tag werden normalerweise 10 bis 30 mg Cortisol<br />
sezerniert. Wie die anderen Steroidhormone kann<br />
Cortisol von der Nebennierenrinde nicht auf Vorrat<br />
gebildet und gespeichert werden, so daß die Sekre<br />
tionsrate der Produktionsrate entspricht. Die Sekretion<br />
von Cortisol wird über den hypothalamisch-hypophysären<br />
Regelkreis durch das adrenokortikotrope Hor<br />
mon des Hypophysenvorderlappens (ACTH) einge<br />
stellt. Der Plasmaspiegel zeigt eine ausgeprägte<br />
Tagesrhythmik mit einem morgendlichen Maximum.<br />
Unter der Einwirkung von Streß (k<strong>ö</strong>rperliche oder<br />
emotionale Belastung, Hypoglykämie) kommt es zu<br />
einem Anstieg der Cortisolproduktion. Im Plasma ist<br />
Cortisol zu über 90% an das Transportprotein Transkortin<br />
gebunden. Seine Halbwertszeit beträgt 60 bis<br />
90 Minuten.<br />
Cortisol als Steroidhormon wirkt nach Bindung an<br />
intrazelluläre Rezeptoren über eine Beeinflussung der<br />
Proteinsynthese der Zellen. Sein Effekt setzt daher erst<br />
nach längerer Latenz (Stunden) ein, überdauert dafür<br />
aber die Anwesenheit von Cortisol im Plasma. Das<br />
Wirkungsspektrum von Cortisol bzw. Glukokortikoiden<br />
umfaßt<br />
- Anhebung des Blutzuckerspiegels durch Stimulation<br />
der Glukoneogenese und Hemmung der Glucoseverwertung<br />
im Stoffwechsel<br />
- Anregung der Lipolyse im Fettgewebe (vor allem<br />
durch permissiven Effekt auf die lipolytische Wir<br />
kung von Adrenalin und ACTH) mit Anstieg der<br />
freien Fettsäuren im Plasma<br />
- Steigerung des extrahepatischen Proteinabbaus<br />
(katabole Wirkung), erkennbar u.a. an einer<br />
Zunahme des Plasmaspiegels der Aminosäuren und<br />
an vermehrter Harnstoffausscheidung (negative<br />
Stiekstoflbilanz)<br />
- Hemmung entzündlicher Reaktionen (Schwellung,<br />
R<strong>ö</strong>tung, Erwärmung, Kapillarproliferation) vor<br />
allem durch St<strong>ö</strong>rung der botenstoffvermittelten<br />
Kommunikation zwischen den Zellen der unspezilischen<br />
Abwehr<br />
- Unterdrückung von Immunreaktionen einschließlich<br />
allergischer Überreaktionen, wahrscheinlich durch<br />
ähnliche Mechanismen wie beim antiinflammatori<br />
schen Effekt<br />
- Anstieg der Neutrophilen bei Erniedrigung der Zahl<br />
der anderen weißen Blutzellen (Lymphozyten,<br />
Monozyten, eosinophile und basophile Granulo<br />
zyten)<br />
- Begünstigung der Erythropoese<br />
- Beeinflussung der Nierenfunktion mit Steigerung<br />
der glomcrulären Filtrationsrate und der Ammoniakproduktion<br />
im proximalen Tiibulus, Verminde<br />
rung der Wasserpermeabilität im distalen Tubulus,
C. Physiologie 29<br />
Cholesterin :<br />
CH-, i<br />
c=o<br />
CH,<br />
I<br />
c=o<br />
v-OH<br />
HO<br />
CH2OH<br />
c=o<br />
rOH<br />
Progesteron<br />
HO<br />
i<br />
<br />
CHjOH<br />
c=o<br />
O " - 5 ' v o<br />
17-a-Hydroxyprogesteron Androsten- 3.17- dion<br />
Cortisol Corticosteron Testosteron<br />
HO<br />
HC<br />
OH<br />
Ostradiol<br />
Abb. C-8: Synthesewege der<br />
Steroidhormone aus der Muttersubstanz<br />
Cholesterin<br />
außerdem geringe mineralokortikoide Wirkung<br />
(etwa 1/1000 der von Aldosteron)<br />
- Verstärkung der Sympathikuswirkung auf Kreislauf<br />
und Herz durch Sensibilisierung der Muskelzellen in<br />
den Widerstandsgefäßen und im Myokard gegen<br />
über den vasokonstriktorischen und positiv inotropen<br />
Wirkungen der Katecholamine (permissive Wir<br />
kung).<br />
Die Vielfalt und Bedeutung seiner Wirkungen kenn<br />
zeichnet Cortisol als lebensnotwendiges Hormon.<br />
2.3.3 Mineralokortikoide<br />
Das Mineralkortikoid Aldosteron wird von der<br />
Nebennierenrinde in wesentlich geringeren Mengen<br />
(40 bis 160 ug/Tag) gebildet als Cortisol. Seine Sekre<br />
tion unterliegt nicht der Kontrolle durch die glandotro<br />
pen Hormone der Hypophyse, wenn auch ACTII-Ausschüttung<br />
zu (vorübergehender) Sekretionssteigerung<br />
führt. Die Aldosteronproduktion wird durch das Renin-<br />
Angiotensin-System (vgl. Abschn. 3.3), das atriale<br />
natriuretische Hormon (vgl. Abschn. 3.4) und die Plas<br />
makonzentrationen von K+ und Na+ gesteuert. Anre<br />
gend wirken vor allem Angiotensin II und ein Anstieg<br />
der K+-Konzentration im Extrazellulärraum, während<br />
Änderungen der vom Adiuretin der Hypophyse in<br />
engen Grenzen geregelten Na'-Konzentration norma<br />
lerweise keine wesentliche Rolle für die Steuerung der<br />
Aldosteronproduktion spielen. Durch das bei Volumen<br />
anstieg im Kreislauf und entsprechender Dehnung der<br />
Herzvorh<strong>ö</strong>fe vermehrt gebildete atriale natriuretische<br />
Hormon (ANH) wird die Synthese von Aldosteron in der<br />
Nebennierenrinde u. a. durch Blockierung des stimu<br />
lierenden Effekts von Angiotensin II gehemmt.<br />
Im Plasma liegt ein h<strong>ö</strong>herer Anteil von Aldosteron (ca.<br />
40%) als von Cortisol in freier, nicht proteingebunde<br />
ner Form vor. Die Halbwertszeit von Aldosteron im<br />
Plasma beträgt etwa 30 Minuten. Aldosteron steigert<br />
die transepitheliale Natriumresorption und die Sekre<br />
tion von Kalium und Wasserstoffionen in den Nierentu<br />
buli und an den Epithelien des Verdauungstrakts, der<br />
Speichel- und der Schweißdrüsen. Es kontrolliert den<br />
Natriumhaushalt über die Steuerung der renalen Na+-<br />
Exkretion. Ohne Aldosteron kann die Niere h<strong>ö</strong>chstens<br />
98,5% statt der zum Ausgleich der Nalriumbilanz<br />
normalerweise erforderlichen 99,5% des mit dem Pri<br />
märharn abfiltrierten Na+ reabsorbieren. Ein Verlust<br />
von 1% der pro Tag glomerular filtrierten 25 mol Na+<br />
bedeutet eine Verringerung des Natriumbestands um<br />
mehr als 5% täglich, so daß bei Ausfall der Aldosteron<br />
produktion der Verlust von Kochsalz und Wasser über<br />
die Niere rasch ein lebensgefährliches Ausmaß<br />
erreicht. Aldosteron wirkt auch an der Regelung des<br />
Säure-Basen- und des Kaliumhaushalts mit. Es f<strong>ö</strong>rdert<br />
die renale Exkretion sowohl von K' als auch von H+.
30 Endokrines System<br />
2.3.4 Sexualhormone der Nebennierenrinde<br />
Als Androgene werden in der Nebennierenrinde (NNR)<br />
hauptsächlich die Zwischenstufen Dehydroepiandosteron<br />
und Androstendion sezerniert, die im Orga<br />
nismus in Testosteron und dessen Metabolit Dihydro<br />
testosteron umgewandelt werden. Die Androgenproduktion<br />
der NNR steht nicht unter Kontrolle der Gona<br />
dotropine, wird aber von ACTH gesteigert. Beim Mann<br />
liefert die Nebenniere weniger als 10% des Plasmatestosterons,<br />
bei der Frau dagegen über die Hälfte<br />
(Konversion der von der NNR sezernierten Vorstufen).<br />
Beim weiblichen Geschlecht steuert die in der Pubertät<br />
zunehmende Produktion adrenaler Androgene die<br />
Ausbildung der Achsel- und Schambehaarung (Adrenarche)<br />
und regt das Wachstum der großen Schamlip<br />
pen und der Klitoris an. Die Synthese von Östrogenen<br />
als weiblichen Geschlechtshormonen in der NNR ist<br />
normalerweise ohne funktionelle Bedeutung.<br />
2.4 Bauchspeicheldrüse<br />
Die in der Bauchspeicheldrüse regellos verstreuten<br />
(Langerhans-)Inseln endokrinen Gewebes bestehen<br />
hauptsächlich aus drei Zelltypen: den A-, B- und D-<br />
Zellcn. Die zahlenmäßig (ca. 80%) überwiegenden B-<br />
Zellen synthetisieren, speichern und sezernieren Insu<br />
lin. In den A-Zellen wird Glukagon und in den D-Zellen<br />
(wie in denen der Schleimhaut von Magen und Darm)<br />
Somatostatin gebildet. Neben diesen drei Haupttypen<br />
kommen Zellen vor, die pankreatisches Polypeptid<br />
(PP), vasoaktives intestinales Peptid (VIP), Serotonin<br />
oder Gastrin freisetzen.<br />
2.4.1 Insulin<br />
Insulin besteht aus zwei über Disulfidbrücken verbun<br />
denen Peptidkctten, der Kette A aus 21 und der Ket<br />
te B aus 30 Aminosäuren. Es ist speziesspezifisch,<br />
wenn auch speziesübergreifend wirksam. Bei der Syn<br />
these wird ein Vorläufermolekül gebildet, das die A-<br />
und B-Ketten und eine dazwischenliegende C-Kette<br />
enthält (Proinsulin). Bei der Konfektionierung des Hor<br />
monmoleküls wird die C-Kette herausgeschnitten und<br />
zusammen mit dem Insulin als C-Peptid in Speichervesikeln<br />
gelagert. Bei der Sekretion werden äquimolare<br />
Mengen an Insulin und C-Peptid freigesetzt. Die Halb<br />
wertszeit von Insulin im Plasma liegt bei 10 Minuten.<br />
Die Insulinkonzentration steigt nacli der Nahrungsauf<br />
nahme von einem Nüchternwert von 5 bis 25 uU/1 auf<br />
etwa das Zehnfache an. Wichtigster Stimulus für eine<br />
Freisetzung von Insulin aus den B-Zellen ist ein<br />
Anstieg der Glucosekonzentration im Plasma. Bei aku<br />
ter Hyperglykämie setzt die Insulinausschüttung<br />
bereits innerhalb einer Minute ein. Bei gleichem Blut<br />
spiegel l<strong>ö</strong>st die über den Verdauungstrakt aufgenom<br />
mene Glucose eine stärkere Sekretionssteigerung aus<br />
als in die Blulbahn infundierte Glucose. Dies läßt auf<br />
eine Beteiligung von im Magen-Darm-Trakt gebildeten<br />
Enterohormonen an der Regulation der Insulinaus<br />
schüttung schließen. Fun sekretionsf<strong>ö</strong>rdernder Effekt<br />
ist vor allem für das gastrische inhibitorische Polypep<br />
tid (GIP) nachgewiesen, aber auch Cholezyslokinin und<br />
Gastrin f<strong>ö</strong>rdern die Insulinsekretion. Der Plasma-Insulinspiegel<br />
steigt nicht nur nach kohlenhydratreicher,<br />
sondern auch nach proteinreicher Mahlzeit an. Ausl<strong>ö</strong><br />
ser dieses Effekts ist eine Zunahme der Aminosäure<br />
konzentration im Plasma, z. T. auch die Wirkung von<br />
im Verdauungstrakt durch Proteinspaltprodukte frei<br />
gesetzten Enterohormonen. Hemmend auf die Insulin<br />
sekretion wirken Somatostatin, das Sekretionsprodukt<br />
der den B-Zellen benachbarten D-Zellen (parakrine<br />
Hemmung) und der D-Zellen des Verdauungstrakts<br />
(endokrine Hemmung), außerdem Prostaglandin E<br />
(vgl. Abschn. 3.1.2). Von Seiten des vegetativen Ner<br />
vensystems wirkt eine Aktivierung des Parasympathi<br />
kus stimulierend auf die Insulinfreisetzung, während<br />
beim Sympathikus die a-Rezeptoren-vermittelte<br />
Ilcmmwirkung über die mittels ß-Rezeptoren wir<br />
kende F<strong>ö</strong>rderung dominiert.<br />
Das von der Bauchspeicheldrüse in den Pfortaderkreislauf<br />
ausgeschüttete Insulin wird, vor allem bei<br />
geringer Menge, zum überwiegenden 'Teil bei der<br />
Passage des Pfortaderbluts durch die Leber an die<br />
Leberzellen gebunden. In der Resorptionsphase des<br />
Nahrungszuckers übernimmt die Leber zusammen mit<br />
der Skelettmuskulatur unter dem kombinierten Ein<br />
fluß von Insulin und Hyperglykämie die Hauptlast der<br />
Eliminierung von Glucose zur Verhinderung eines<br />
übermäßigen Blutzuckeranstiegs.<br />
Insulin ist von entscheidender Bedeutung für die Regu<br />
lation des Betriebsstoffwechsels. Es<br />
- stimuliert die Glykogenbildung und hemmt den Gigkogenabbau<br />
und die Glukoneogenese in der Leber,<br />
- steigert die Aufnahme von Glucose in Muskel- und<br />
Fettzellen (nicht in Erythrozyten oder Nervenzellen),<br />
- regt die Glykogenbildung im Muskel an,<br />
- erh<strong>ö</strong>ht die Lipogenese aus Glucose im Fettgewebe,<br />
- hemmt die Lipolyse im Fettgewebe (Abnahme der<br />
freien Fettsäuren im Plasma).<br />
Neben den Wirkungen auf den Kohlenhydrat- und<br />
Fettstoffwechsel hat Insulin einen anabolen Effekt. Es<br />
f<strong>ö</strong>rdert die Proteinsynthese und hemmt den Proteinab<br />
bau. Es ist essentiell für Wachstum und Reifung des<br />
Organismus.<br />
2.4.2 Glukagon<br />
Die Sekretion des 29 Aminosäuren langen Polypeptids<br />
Glukagon durch die A-Zellen der Langerhans-Inseln<br />
wird durch Hypoglykämie, aber auch durch Aminoazidämie<br />
stimuliert. Schwere k<strong>ö</strong>rperliche Belastung,<br />
Aktivierung sowohl des Sympathikus als auch des<br />
Parasympathikus und Anstieg des Cortisols im Plasma<br />
steigern die Glukagonfreisetzung. Hemmend wirkt wie<br />
bei Insulin das D-Zcllen-Hormon Somatostatin, dane<br />
ben hemmen Insulin und Serotonin. Der Plasmaspiegel
C. Physiologie 31<br />
pmol/min<br />
600-,<br />
mg/dl<br />
150-,<br />
-8<br />
400-<br />
200-<br />
130-<br />
-7<br />
Insulinsekretion<br />
J I I I I I I I L<br />
Blutglucose<br />
Hormon hemmt para- und endokrin die Sekretion der<br />
endokrinen und der exokrinen Drüsenzellen sowie die<br />
Motorik im Verdauungstrakt. Somatostatin wird<br />
außerdem als Neurotransmitter von den Endverzwei<br />
gungen sympathischer Fasern (zusammen mit Nor<br />
adrenalin) und anderen Nervenfasern freigesetzt. Auf<br />
grund seiner kurzen Halbwertszeit im Plasma (2 bis<br />
3 min) wirkt Somatostatin vor allem lokal (parakrin).<br />
Die Somatostatinproduktion in den Langerhans-Inseln<br />
wird durch Glukagon, Hyperglykämie und Insulinman<br />
gel gesteigert.<br />
2.5 Sexualhormone der Frau<br />
110-_6<br />
90--5<br />
n<br />
6<br />
Mahlzeiten<br />
12 18 24<br />
1<br />
6 Uhr<br />
Abb.C-9: Durchschnittlicher Tagesverlauf von Insulinse<br />
kretion und Blutzuckerspiegel bei normalgewichtigen<br />
gesunden Probanden. Durch die Mittelung wird der sowohl im<br />
resorptiven als auch im postrosorptiven Stadium pulsatile<br />
Charakter der Insulinausschüttung verdeckt. (Nach Daten von<br />
K. S. Polonsky et al. .1 Clin Invest 1988; 81: 442)<br />
des normalerweise nur in geringen Mengen sezernierten<br />
Glukagons zeigt einen weitgehend gleichmäßigen<br />
Tagesverlauf.<br />
Glukagon wirkt auf den GlucosestolTwechsel der Leber<br />
als Gegenspieler von Insulin. Wenn im postrosorptiven<br />
Stadium der Glucosenachschiib aus dem Verdauungs<br />
trakt ausbleibt, sorgt es durch Stimulation der hepati<br />
schen Glucosefreisetzung (zusammen mit Adrenalin)<br />
für die Aufrechterhaltimg des Bliit-Glueosespiegels.<br />
Nach einer eiweißreichen Mahlzeit wird durch die<br />
gleichzeitige Stimulation der Insulin- und Glukagonsekretion<br />
bei Zunahme der Aminosäurekonzentration im<br />
Plasma die Entstehung einer Hypoglykämie vermie<br />
den. Da sich Glukagon die Aulgabe der Stabilisierung<br />
des Blut-Glucosespiegels auf ausreichend hohem<br />
Niveau mit mehreren anderen Hormonen (Adrenalin,<br />
Somatotropin) teilt und seine Funktion von diesen<br />
ersetzt werden kann, führt ein Ausfall der Glukagonproduktion<br />
normalerweise nicht zur Hypoglykämie.<br />
2.4.3 Somatostatin<br />
Das von den D-Zellen der Bauchspeicheldrüse und der<br />
Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts produzierte<br />
2.5.1 Bildung und Wirkung von Sexualhormonen<br />
Die effektorischen Sexualhormone der Frau werden<br />
eingeteilt in<br />
- Östrogene feminisierende I lormone<br />
- Gestagene Schwangerschaftsschutzhormone<br />
- Androgene virilisierende Ilormone<br />
- Peptide Prolaktin, Oxytocin.<br />
Bei der Frau werden die Östrogene und Gestagene<br />
hauptsächlich in den Follikeln der Ovarien gebildet, die<br />
unter dem Einfluß des gonadotropen Hormons FSH<br />
ausreifen. Bei Stimulation durch das zweite Gonado<br />
tropin LH produzieren die Granulosazellen der Follikel<br />
Östrogene und die Thcca-interna-Zollen Androgene<br />
(als Vorstufe der Östrogene). Der nach der Ovulation<br />
aus dem Follikel entstehende Gelbk<strong>ö</strong>rper synthetisiert<br />
Gestagene (Progesteron) und Östrogene. In geringen<br />
Mengen bilden die Ovarien auch Oxytocin.<br />
Im Plasma sind die effektorischen Sexualhormone<br />
überwiegend an Proteine gebunden. Albumin bindet<br />
mit geringer Affinität und hoher Kapazität, ein speziel<br />
les sexualhormonbindendes Globulin (SHBG) mit hoher<br />
Affinität und geringer Kapazität. Die Halbwertszeit der<br />
Sexualhormone im Plasma beträgt 20 bis 70 Minuten.<br />
Der Abbau erfolgt vor allem in der Leber, und die<br />
inaktiven, mit Glucuronsäure oder Sulfat gekoppelten<br />
Metabolite werden über die Niere als 17-IIydroxysteroide<br />
ausgeschieden.<br />
Die Östrogene sind für die Ausbildung der geschlechts<br />
typischen K<strong>ö</strong>rperform den- Frau verantwortlich. Im<br />
Menstruationszyklus stimulieren sie die Proliferation<br />
des Endometriums in diu- follikulären Phase (s.u.). Am<br />
Vaginalepithel bewirken sie Zellvermehrung und Glykogeneiniagerung<br />
in die Epithelzellen. Zu den extra<br />
genitalen Ostrogenwirkungen zählen<br />
- Retention von Natrium und Wasser im Extrazellu<br />
larraum (Gewichtszunahme),<br />
- Senkung der K<strong>ö</strong>rperkerntemperatur.<br />
- Begünstigung der Mineralisierung des Knochens,<br />
- Erniedrigung des IIDIJI.Dl.-Quotienten bei den<br />
Plasma-Lipoproteinen.
32 Endokrines System<br />
— Steigerung der Produktion von Gerinnungsfaktoren,<br />
Angiotensinogen und plasmatischen Bindungspro<br />
teinen (Transkortin, SBIIG, TBG usw.) in der Leber.<br />
Progesteron induziert den sekretorischen Umbau des<br />
Endometriums in der zweiten Hälfte des Monatszyklus<br />
der Frau (s. u.) und verhindert die Ausreilüng weiterer<br />
Follikel in den Ovarien. Unter seinem Einlluß sinkt die<br />
Spontanaktivität der Uterusmuskulatur und ihre<br />
Beeinflußbarkeit durch kontraktionsf<strong>ö</strong>rdernde Sub<br />
stanzen. Systemische Wirkungen des Progesterons<br />
sind<br />
— Anhebung der K<strong>ö</strong>rperkerntemperatur<br />
— vorübergehende Zunahme der renalen Natrium- und<br />
Wasserausscheidung<br />
— Erh<strong>ö</strong>hung des zentralen Atemantriebs (Hyperventi<br />
lation).<br />
2.5.2 Weibliche Hormone in Kindheit und Pubertät<br />
Während der intrauterinen Entwicklung wird die<br />
Gonadotropinsekretion des Kindes durch den hohen,<br />
von der Plazenta erzeugten Östrogenspiegel (s. u.)<br />
gehemmt. Diese Hemmung fällt mit der Geburt schlag<br />
artig weg, und es kommt zu einem starken Anstieg der<br />
Gonadotropine mit Anregung der Produktion effektorischer<br />
Sexualhormone. Nach einem Maximum, das 4<br />
bis 6 Monate nach der Geburt erreicht wird, setzt beim<br />
weiblichen Säugling ein erneuter Abfall der Gonadotropinsynthcse<br />
ein, und der pulsatile Charakter der<br />
Hormonfreisetzung geht verloren. Im 2. bis 3. Lebens<br />
jahr wird ein sehr niedriges Niveau der Sexualhormon<br />
produktion erreicht und durch negative Rückkopplung<br />
im hypothalamisch-hypophysären Regelkreis (Hem<br />
mung der Gonadotropinsekretion der Hypophyse<br />
durch das von den Ovarien gebildete Östrogen) stabili<br />
siert.<br />
Mit Beginn der Pubertät setzt eine zunächst fluktu<br />
ierende und schließlich pulsatile hypothalamische<br />
GnRII-Sekretion mit entsprechender Anregung der<br />
Gonadotropinsekretion ein. Die Rückkopplimgshemmung<br />
durch die Östrogene wird geringer, und die<br />
ansteigende Östrogenkonzenlration im Organismus<br />
führt zur Verweiblichung der K<strong>ö</strong>rperformen, u.a. (im<br />
Zusammenwirken mit Prolaktin) zur Ausbildung der<br />
weiblichen Brust (Thelarche). Im weiteren Verlauf der<br />
Pubertät wird die hypophysäre LH-Produktion emp<br />
findlich gegenüber dem stimulierenden Östrogeneffekt<br />
(Entwicklung der positiven Rückkopplung). Der<br />
Monatszyklus bildet sich aus, und es kommt zur ersten<br />
Regelblutung (Menarche). Die Ausreilüng und Stabili<br />
sierung des Monatszyklus ist allerdings erst 2 bis<br />
6 Jahre nach der Menarche abgeschlossen.<br />
2.5.3 Monatszyklus der Frau<br />
Zu Beginn des Monatszyklus steigt die Östrogenproduktion<br />
langsam an. Der erh<strong>ö</strong>hte Östrogenspiegel<br />
induziert eine Proliferation des Endometriums. Etwa<br />
24 Stunden vor der Ovulation kommt es zu einem<br />
starken Anstieg der Östrogensekretion. Durch positive<br />
Rückkopplung im hypophysär-hypothalamischen<br />
Regelkreis wird eine massive Ausschüttung des luteini<br />
sierenden Hormons (LH) in der Hypophyse ausgel<strong>ö</strong>st,<br />
und unter der LII-Einwirkung kommt es zur Ovulation.<br />
Danach nimmt die Sekretion der gonadotropen Hor<br />
mone stark ab. Die verbleibende LH-Restsekretion<br />
reicht jedoch aus, um die Progesteron- und Östrogen<br />
produktion im aus dem Follikel entstehenden Gelbk<strong>ö</strong>r<br />
per zu stimulieren. Wenn eine Konzeption ausbleibt,<br />
wird der Gelbk<strong>ö</strong>rper atretisch. Die Konzentrationen<br />
von Progesteron und Östrogen sinken aufwerte ab, die<br />
zur Stabilisierung des sekretorisch umgebauten Endo<br />
metriums nicht mehr ausreichen. Die Uterusschleimhaut<br />
wird demarkiert und abgestoßen (Monatsblutung).<br />
Mit der Aufnahme der Östrogenproduktion<br />
durch den nächsten unter FSH-Einfluß zur Dominanz<br />
heranreifenden Follikel startet ein neuer Zyklus.<br />
Der mit der Ovulation verbundene Übergang von einer<br />
<strong>ö</strong>strogendominierten zu einer progesterondominierten<br />
Phase ist an einer Zunahme der K<strong>ö</strong>rpertemperatur zu<br />
erkennen. Die morgens vor dem Aufstehen gemessene<br />
Rektaltemperatur (Basaltemperatur) steigt bei ovulatorischen<br />
Zyklen in der Zyklusmitte um 0,2° C bis<br />
0,6° C an. Mit dem Abfall des Progesteronspiegels am<br />
Ende des Zyklus (Eintritt der Menses) geht die Tempe<br />
ratur wieder auf den Ausgangswert zurück. Kommt es<br />
nach einer Konzeption zu einem Wiederanstieg der<br />
Progesteronkonzentration, bleibt die Temperatur er<br />
h<strong>ö</strong>ht.<br />
2.5.4 Hormonproduktion in der Schwangerschaft<br />
Wenn das bei der Ovulation freigesetzte Ei befruchtet<br />
worden ist und die entstehende Blastozyste sich im<br />
Endometrium einnistet, persistiert der Gelbk<strong>ö</strong>rper und<br />
steigert seine Progesteron- und Östrogensekretion. Ab<br />
der 7. Schwangerschaftswoche macht sich eine zuneh<br />
mende Progesteron- und Östrogenproduktion der Pla<br />
zenta bemerkbar. Ab der 12. Schwangerschaftswoche<br />
liefert die Plazenta die Hauptmenge der Östrogene und<br />
Gestagene. Durch den Anstieg der Hormonproduktion<br />
der Plazenta wird die des Gelbk<strong>ö</strong>rpers ab dem 4. bis<br />
5. Schwangerschaftsmonat bedeutungslos. Gegen<br />
Ende der Schwangerschaft liegen die Östrogen- und<br />
Progesteronkonzentrationen im Plasma der Mutter bis<br />
1 OOmal h<strong>ö</strong>her als während des normalen Zyklus. Nach<br />
der Entbindung und Ausstoßung der Plazenta fallen<br />
die Hormonspiegel rasch auf die Normalwerte zurück.<br />
Neben den Steroidhormonen sezerniert die Plazenta<br />
mehrere schwangerschaftsspezifische Hormone. Am<br />
wichtigsten ist das humane Choriongonadotropin<br />
(IICG), das in seiner biologischen Wirkung dem LH der<br />
Adenohypophyse entspricht. Seine Bildung beginnt<br />
bereits eine Woche nach der Konzeption, und es sorgt<br />
für die zur Persistenz notwendige Stimulation des<br />
Gelbk<strong>ö</strong>rpers. Die renale Ausscheidung des im Blut der<br />
Mutter zirkulierenden IICG kann mit empfindlichen<br />
immunologischen Methoden (Radioimmunoassay, RIA)
C. Physiologie 33<br />
Menses<br />
T 1 1 1 r<br />
10 12 14 16 11<br />
Ovulation<br />
1 1 1 1 T<br />
20 22 24 26 28<br />
Menses<br />
Abb.C-10 Monats/.yklische Schwan<br />
kungen der Iiasmakon/.entration<br />
von LH, FSH, Östrogenen (Ö) und<br />
Gestagen (P = Progesteron) bei der<br />
geschlechtsreifen Frau. (Mod. nach<br />
H.-D. Taubert. In: II. Schmidt-<br />
Matthiesen: Gynäkologie und Ge<br />
burtshilfe, 8. Aufl. Stuttgart, New<br />
York: <strong>Schattauer</strong>, 1992)<br />
bereits etwa 7 Tage nach der Befruchtung nachgewie<br />
sen werden (Schwangerschaftstest). Als weiteres<br />
schwangerschaftsspezilisches Hormon bildet die Pla<br />
zenta humanes Chorion-Somatomammotropin (IICS),<br />
auch humanes plazentares Laktogen (HPL) genannt.<br />
IICS ist in der chemischen Struktur und in der biologi<br />
schen Wirkung mit dem Wachstumshormon (STH)<br />
verwandt.<br />
Die hormonellen Mechanismen, über die am Ende der<br />
Schwangerschaft die Wehentätigkeit des Uterus und<br />
die Geburt ausgel<strong>ö</strong>st werden, sind noch nicht eindeutig<br />
geklärt. Nach Befunden am Tier wird gegen Ende der<br />
Tragzeit die Geburtsbereitschaft des Uterus durch<br />
einen Anstieg der Glukokortikoidproduktion der feta<br />
len Nebennierenrindc herbeigeführt. Die Induktion<br />
von Wehen kommt wahrscheinlich über eine Freiset<br />
zung von Prostaglandinen und über eine Sensibilisie<br />
rung der Uterusmuskulatur gegenüber vom Feten,<br />
m<strong>ö</strong>glicherweise auch von der Mutter gebildetem Oxy<br />
tocin zustande.<br />
2.5.5 Pharmakologische Konzeptionsverhütung<br />
Durch exogen applizierte Sexualhormone kann der<br />
Ablauf des Monatszyklus beeinilußt werden. Durch<br />
Östrogenzufuhr mit Anstieg des Plasma-Östrogenspiegels<br />
wird die FSH-Sekretion und damit die Follikelreifung<br />
gehemmt. Östrogene und Gestagene bremsen die<br />
LH-Freisetzung und verhindern dadurch die Ovulation.<br />
Die regelmäßige Einnahme von Östrogen-Gestagen-<br />
Kombinationspräparaten, wobei Gestagene z.T. erst<br />
während der zweiten Zyklusphase zugesetzt werden,<br />
ist eine sichere und derzeit die am häufigsten ange<br />
wandte Methode der Empfängnisverhütung. Weniger<br />
sicher ist die alleinige Einnahme eines Gestagens zur<br />
Unterdrückung der Ovulation (»Minipille«). Wenn die<br />
Einnahme der Hormonpräparate nach Ablauf der nor<br />
malen Zykluszeit gestoppt wird, kommt es zu einer<br />
Hormonentzugsblutung ähnlich der normalen Men<br />
struation.<br />
Durch kurzzeitige, hochdosierte Gabe von Östrogen<br />
kann die Nidation der aus einer befruchteten Eizelle<br />
entstehenden Blastozyste verhindert werden. Bei die<br />
ser nach einer vermuteten Konzeption angewandten<br />
Verhütungsmethode (»Pille danach«) kommt es nach<br />
dem Abbruch der hochdosierten Zufuhr von Hormon<br />
(in der Regel eine Kombination von Östrogenen und<br />
Gestagenen) zur Abstoßung des Endometriums (Hor<br />
monentzugsblutung). Die erforderlichen hohen Hor<br />
monmengen führen zu erheblichen Nebenwirkungen.
34 Endokrines System<br />
Ovulation<br />
Gelbk<strong>ö</strong>rper<br />
f<strong>ö</strong>^^^V^<br />
Zyklustage<br />
28 42<br />
Menstruationszyklus<br />
Schwangerschaft<br />
Abb.C-11: FoIIikelreifung, Ovulation und Gelbk<strong>ö</strong>rperbildung (oben) sowie Proliferation, sekretorischer Umbau und<br />
Abstoßung der Gebärmutterschleinihaut (unten) hei Menstruationszyklen ohne (links) und mit Fintritt einer Schwangerschart<br />
(rechts). (Nach A. B. McNaught & R. Callander: Nurses' Illustrated Physiology. Edinburgh: Churchill Livingstone, 1983)<br />
Neuerdings kann auch mit Antigestagen die Schwan<br />
gerschaftsschutzwirkung des Progesterons aufgeho<br />
ben und ein Schwangerschaftsabbruch herbeigeführt<br />
werden.<br />
2.5.6 Produktion weiblicher Hormone im Alter<br />
Mit zunehmendem Lebensalter sinken die Zahl und die<br />
FSH-Sensitivität der Follikel in den Ovarien. Gegen<br />
Ende des fünften Lebensjahrzehnts ersch<strong>ö</strong>pft sich die<br />
Menge der stimulierbaren Follikel, die ovulatorischen<br />
Zyklen werden unregelmäßig und h<strong>ö</strong>ren schließlich<br />
auf. Die letzte reguläre Regelblutung wird als Meno<br />
pause (Menopause ist kein Zeitabschnitt!), die prä- und<br />
poslmenopausale Übergangsphase als Klimakterium<br />
bezeichnet.<br />
Mit dem Erl<strong>ö</strong>schen der ovulatorischen Zyklen sistiert<br />
die ovarielle Ilormonproduktion nahezu vollständig.<br />
Die Kontrolle der Gonadotropinsekretion wird von der<br />
kurzen Rückkopplungsschleife der Regelkreise (Rückwärtshemmung<br />
der GnRII-Freisetzung durch die<br />
Gonadotropine) übernommen, und die LH-Konzentration<br />
und insbesondere die FSH-Konzentration stellen<br />
sich für den Rest des Lebens auf ein deutlich h<strong>ö</strong>heres<br />
Niveau ein. Die verbleibende geringe Östrogenkonzentration<br />
im Plasma stammt zu über 95% aus der<br />
Konversion von in der Nebennierenrinde gebildeten<br />
Androgenen, insbesondere dem Androstendion.<br />
Mit dem Eintritt des Klimakteriums sind eine Reihe von<br />
psychischen und vegetativen Symptomen (u. a. »Hitzewalhmgen«)<br />
verbunden. Das Absinken der Östrogenkonzentration<br />
nach der Menopause führt zu einer<br />
Abnahme der Mineralisierung des Skeletts (Osteo<br />
porose).<br />
2.6 Sexualhormone des Mannes<br />
2.6.1 Bildung und Wirkung von Androgenen<br />
Die effektorischen Sexualhormone (Androgene) wer<br />
den beim Mann weit überwiegend von den Leydigschen<br />
Zwischenzellen des Hodens gebildet. Neben<br />
Testosteron wird in geringer Menge dessen aktiver<br />
Metabolit Dihydrotestosteron sezerniert. In einigen<br />
Geweben (Prostata, Samenblasen, Nebenhoden) wird<br />
Testosteron intrazellulär vor der Bindung an Rezepto<br />
ren zur Wirkform Dihydrotestosteron reduziert.<br />
Die Testosteronproduktion ist auf eine Stimulierung<br />
durch LH angewiesen. Testosteron beeinflußt seiner<br />
seits die LH-Sekretion bei niedriger Konzentration im<br />
Sinne positiver, und bei hoher Konzentration im Sinne<br />
negativer Rückkopplung. Das zweite Gonadotropin
C. Physiologie 35<br />
Hypothalamus<br />
GnRH<br />
Hypophyse<br />
Testosteron<br />
Abb. C-12: Hormonelle Hegelkreise<br />
der Androgenproduktion und der<br />
Spermatogenese. Melle und gestrichel<br />
te Pfeile: F<strong>ö</strong>rderung; dunkle Pfeile:<br />
Hemmung. (Nach 11. Wartenberg)<br />
F'SH hat beim Mann keine endokrin glandotrope Funk<br />
tion (abgesehen von der Anregung der Inhibinsckrction),<br />
wird aber für die Spermiogenese ben<strong>ö</strong>tigt. FSH<br />
(und auch Testosteron) f<strong>ö</strong>rdern in den Sertoli-Zellen<br />
des Hodens die Produktion eines androgenbindenden<br />
Proteins, das bei der Sicherstellung eines hohen Testosteronangebots<br />
an die Zellen der Samenkanälchen<br />
mitwirkt.<br />
Testosteron steuert außer der Spermiogenese und der<br />
Ausbildung der männlichen K<strong>ö</strong>rperbaumerkmale das<br />
Sexualverhalten (Libido). Zu den extragenitalen<br />
Effekten von Testosteron geh<strong>ö</strong>ren<br />
- Begünstigung der Mineralisierung des Skeletts,<br />
- Steigerung der Erythropoese,<br />
- anabole Wirkung mit Steigerung des Skelettmuskel<br />
wachstums.<br />
Der anabole Effekt von Testosteron oder chemisch<br />
ähnlichen, weniger virilisierenden Verbindungen<br />
(Anabolika) kann (verbotenerweise) zur Verbesserung<br />
des Effekts von Krafttraining eingesetzt werden. Die<br />
Anregung der Erythropoese durch Testosteron, die als<br />
Ursache des beim Mann im Vergleich zur Frau h<strong>ö</strong>he<br />
ren Hämatokrits gilt, kann zur Therapie bei Anämie<br />
genutzt werden.<br />
2.6.2 Altersentwicklung der Androgenproduktion<br />
Vom männlichen Feten wird Testosteron bereits ab<br />
dem dritten Schwangerschaftsmonat gebildet. Zusam-
36 Endokrines System<br />
men mit dem ebenfalls in den Hoden synthetisierten<br />
Anti-Müller-Hormon, das in der Fetalentwicklung die<br />
Rückbildung der Müllerschen Gänge erzwingt, sorgt<br />
Testosteron für die intrauterine Ausbildung der männ<br />
lichen Geschlechtsorgane. Wenn beim männlichen<br />
Feten die Testosteronsekretion ausbleibt oder Testo<br />
steron infolge angeborenen Fehlens von Testosteronrezeptoren<br />
nicht zur Wirkung kommen kann, ent<br />
wickelt sich ein weibliches Genitale.<br />
Nach der Geburt kommt es beim männlichen (wie<br />
beim weiblichen) Säugling zur Enthemmung der Gonadotropinproduktion<br />
der Hypophyse infolge Wegfalls<br />
der Wirkung der plazentaren Hormone und damit zu<br />
einer verstärkten Testosteronbildung. Nach Erreichen<br />
eines Maximums im 4. Lebensmonat sinkt die Gonado<br />
tropinsekretion wieder ab, weil sich die Rückkopp<br />
lungshemmung durch Testosteron im hypothalamischhypophysären<br />
Regelkreis verstärkt. Beim Kleinkind ist<br />
der Testosteronspiegel durch intensive negative Rück<br />
kopplung im Regelkreis auf sehr niedrigem Niveau<br />
stabilisiert.<br />
Mit dem Einsetzen der Pubertät wird die Empfindlich<br />
keit von Hypothalamus und Hypophyse für die Hem<br />
mung durch Testosteron schwächer. Die GnRH- und<br />
damit die Gonadotropinsekretion steigt an und wird<br />
pulsatil. Die zunehmenden Konzentrationen von Testo<br />
steron und FSH regen das Wachstum der Hoden an,<br />
deren Volumen von 2 auf 16 ml zunimmt, und bringen<br />
die Spermatogenese in Gang. Der K<strong>ö</strong>rperbau wird<br />
vermännlicht (u. a. Ausbildung des männlichen Behaa<br />
rungstyps). Die in der Pubertät ansteigende Testosteronkonzentration<br />
f<strong>ö</strong>rdert einerseits das Wachstum,<br />
andererseits beendigt eine hohe Testostoronkonzentration<br />
die Wachstumsperiode, indem sie einen Schluß<br />
der Epiphysenfugen ausl<strong>ö</strong>st.<br />
Im Verlauf des Lebens brechen beim Mann die Hor<br />
monproduktion und die reproduktive Funktion nicht so<br />
abrupt ab wie bei der Frau. Mit dem Alter kommt es zu<br />
einer individuell unterschiedlichen Abnahme der<br />
Testosteronsekretion, der Spermatogenese, der Potenz<br />
und der Libido.<br />
3 Extraglanduläre Hormone<br />
3.1 Fettsäurederivate<br />
3.1.1 Bildung von Eikosanoiden<br />
Unter dem Begriff Eikosanoide werden Botenstoffe<br />
zusammengefaßt, die durch Oxidation von mehrfach<br />
ungesättigten C20-Fettsäuren, insbesondere der Eico-<br />
satetraensäure (Arachidonsäure), gebildet werden.<br />
Die Arachidonsäure kann aus Membranphospholipiden<br />
durch Phospolipase A2 freigesetzt werden. Der<br />
erste Schritt der Synthese von Prostaglandinen und<br />
Thromboxanen aus Arachidonsäure ist in der Zell<br />
membran lokalisiert, in der unter dem Einfluß von<br />
Zyklooxygenase zunächst das instabile Zwischenpro<br />
dukt Prostaglandin G2 entsteht. Die Synthese von<br />
Leukotrienen erfolgt im Zytosol, in dem Arachidon<br />
säure durch 5-Lipoxygenase in das Zwischenprodukt<br />
5-IIydroxyperoxyeicosatetraensäure (5-HPETE) umge<br />
setzt wird, aus dem z.T. unter Einbau von Aminosäu<br />
ren die Leukotriene entstehen. Unter der Einwirkung<br />
von 15-Lipoxygenase wird 15-HPETE gebildet, die Aus<br />
gangssubstanz für Lipoxine. Sowohl Zyklo- als auch<br />
Lipoxygenasen k<strong>ö</strong>nnen nur auf freie Arachidonsäure<br />
wirken, so daß die (u.a. auch rezeptorgesteuerte)<br />
Aktivierung der Phospholipase A2 als wesentlicher<br />
Schritt in der Regulation der Eikosanoidsynthese anzu<br />
sehen ist.<br />
3.1.2 Wirkung von Eikosanoiden<br />
Prostaglandine haben eine Vielzahl von teilweise<br />
gegensätzlichen Wirkungen. Bei einer Halbwertszeit<br />
von Sekunden bis Minuten wirken sie hauptsächlich<br />
lokal. Außer als Hormone k<strong>ö</strong>nnen sie als intrazelluläre<br />
Botenstoffe (»second messenger«) tätig werden. Wenn<br />
Membranrezeptoren nach Bindung entsprechender<br />
Hormone die Spaltung von Membranphospholipid zur<br />
Bildung von IP3 und Diacylglycerol (C-Kinase-Weg)<br />
anregen, wird aus dem Diacylglycerol durch Diglyceridlipase<br />
auch Arachidonsäure freigesetzt und als Sub<br />
strat für die Zyklooxygenase zur Verfügung gestellt. Die<br />
entstehenden Prostaglandine k<strong>ö</strong>nnen nach außen oder<br />
ins Zellinnere abgegeben werden.<br />
Bekannteste Wirkung der Thromboxane ist die An<br />
regung der Thrombozytenaggregation durch TXA2.<br />
Daneben wirken Thromboxane konstriktorisch auf die<br />
glatte Muskulatur von Gefäßen, die Bronchien und den<br />
Verdauungstrakt.<br />
Die Hemmung der Zyklooxygenase und damit der<br />
Synthese von Prostaglandinen und Thromboxanen ist<br />
die Grundlage der analgetischen (schmerzlindernden)<br />
und antiphlogistischen (entzündungshemmenden)<br />
Wirkung zahlreicher Pharmaka, von denen die Azetyl<br />
salizylsäure (u.a. Aspirin®) am bekanntesten ist. Durch<br />
die blockierende Wirkung auf die Thromboxanbildung<br />
in den Blutplättchen kann Azetylsalizylsäure als<br />
Thrombozytenaggregationshemmer zur Prophylaxe<br />
intravasaler Gerinnselbildung (Herzinfarkt) eingesetzt<br />
werden. Wesentliche Nebenwirkung der unspezifi<br />
schen Hemmung der Prostaglandinsynthese ist die<br />
Verminderung der zytoprotektiv wirkenden Schleim<br />
und Bikarbonatsekretion der Magenmukosa mit dem<br />
Risiko der Säureschädigung und Geschwürsbildung.
C. Physiologie 37<br />
Leukotriene sind als Botenstoffe an Abwehrreaktionen<br />
beteiligt. Das von neutrophilen Granulozyten und<br />
Makrophagen sezernierte LTB4 lockt andere Neutrophile<br />
an (Chemotaxis). Die von Gewebsmastzellen und<br />
basophilen Granulozyten gebildeten Leukotriene<br />
LTC,, LTD4 und LTE4 rufen als »slow reacting sub<br />
stance of anaphylaxis« (SRS-A) Bronchokonstriktion<br />
und entzündliche Reaktionen bei allergischer Über<br />
reaktion des Immunsystems hervor. Die Leukotriene<br />
steigern den Atemwegswiderstand sowohl durch Bron<br />
chokonstriktion als auch Anregung der Schleimpro<br />
duktion der Bronchialdrüsen (Asthmainduktion).<br />
Außerdem wirken sie vasokonstriktorisch und erh<strong>ö</strong>hen<br />
die Gefäßpermeabilität (Ödembildung bei Entzündun<br />
gen). Durch Leukotriene kann die Freisetzung von<br />
Abwehrstoffen (z.B. Lysozym) aus Leukozyten stimu<br />
liert werden.<br />
Lipoxine wirken bronchokonstriktorisch und gefäß<br />
erweiternd. Im Rahmen der Abwehrreaktion k<strong>ö</strong>nnen<br />
sie die Aktivität von natürlichen Killerzellen hemmen.<br />
Prostaglandine und ihre Effekte<br />
PGD2: Vasodilatation. Bronchokonstriktion, Hemmung<br />
der Wasser- und Elektrolytresorption in der Darmmukosa,<br />
Steigerung der renalen Na*- und H^O-Ausscheidung<br />
P(jF2: Vasodilatation (bei Lungengefäßen Konstriktion),<br />
Bronchodilatation, Steigerung dor intestinalen Sekretion<br />
von Wässer und Flektrolyten, Steigerung der renalen \'a'-<br />
und Wasserausscheidung, Hemmung der Magensäureund<br />
Pankreassekretion, Steigerung der Schleim- und Bikarhonatbildung<br />
in der Magenniukosa (Zytoprolektion).<br />
Kontraktion der Uterusmuskulatur, Anregung der Freiset<br />
zung von STH, PHI. und ACTH in der Hypophyse, Hem<br />
mung der glucoseindii/ierten Insulinsekretion im Pan<br />
kreas, Anregung der Frythropoetinproduktion in der Nie<br />
re, Frzeugung von lieber im Hypothalamus, periphere<br />
Verstärkung der Sehnierzempfindung<br />
PGF&,: Väsokonstriktion, Bronchokonstriktion, Kontrak<br />
tion der Darm- und Uterusmuskulatur, Anregung der<br />
Freisetzung von STH, Pill, und ACTH in der Hypophyse<br />
PGI2 bzw. Prostazyklin: Vasodilatation, Hemmung der<br />
Magensäuresekretion, Hemmung der Wässer- und Elek<br />
trolytsekretion in Pankreas und Darm, Steigerung der<br />
renalen Na+- und Wasserausscheidung, Anregung der<br />
Heninfreiselzung in der Niere, Fieberinduktion im Hypo<br />
thalamus, Verstärkung der Schmerzempfindung<br />
Bei seiner Synthese wird aus Glycerophosphorylcholin<br />
zunächst die Fettsäure in Position 2 durch eine Phospholipase<br />
A2 abgespalten, wodurch der noch inaktive<br />
lyso-PAF entsteht. Die aktive Form wird durch eine<br />
Azetyltransferase gebildet, die einen Azetylrest auf die<br />
Position 2 des Glyzerins überträgt. Bei der Inaktivie<br />
rung wird dieser Azetylrest wieder abgespalten.<br />
Der PAF ist ein humoraler Mediator von Entzündung<br />
und Schock, der in Reaktion auf verschiedene Stimuli<br />
(Immunglobulin E bei Mastzellen und Makrophagen,<br />
Thrombin bei Blutplättchen) freigesetzt wird. Er l<strong>ö</strong>st<br />
Thrombozytenaggregation mit intravasaler Gerinnsel<br />
bildung aus. Durch Steigerung der Gefäßpermeabilität<br />
kommt es zum Austritt von Blutflüssigkeit mit Hypovolämie<br />
und Ilämokonzentration. Der PAF führt zu Väso<br />
konstriktion mit Anstieg des Drucks im Pulmonalkreislauf,<br />
während der systemarterielle Druck auf<br />
grund verschlechterter Herzleistung und reduziertem<br />
Herzzeitvolumen absinkt (Schock). Er steigert durch<br />
Bronchokonstriktion den Atemwegswiderstand und<br />
verstärkt direkt und indirekt (durch Ausl<strong>ö</strong>sung der<br />
Freisetzung von Leukotrienen und Intcrlcukin 1, s.u.)<br />
entzündliche Reaktionen. H<strong>ö</strong>here PAF-Konzentrationen<br />
k<strong>ö</strong>nnen zur Entstehung von Magen- und Darmulzera<br />
führen. Im Rahmen der spezifischen Abwehr<br />
wirkt der PAF an der Transplantatabstoßung mit.<br />
3.2 Peptid-Enterohormone<br />
Enterohormone sind Botenstoffe, die von den in die<br />
Schleimhaut des Verdauungstrakts eingestreuten,<br />
endokrin bzw. parakrin tätigen Zellen gebildet wer<br />
den. Als ihre Hauptaufgabe wird die Anpassung der<br />
Motorik des Magen-Darm-Trakts und der Sekretion<br />
der Verdauungsdrüsen an die Bedürfnisse der Nah<br />
rungsverwertung angesehen. Viele Enterohormone<br />
sind auch in Neuronen des Zentralnervensystems und<br />
peripheren Nervenzellen nachgewiesen worden. Der<br />
Cholezystokiningehalt des Gehirns z.B. ist in manchen<br />
Bereichen h<strong>ö</strong>her als der der Darmwand. Die als<br />
Neuropeptide bezeichneten Substanzen werden bei<br />
Nerverregung (z.T. zusammen mit klassischen Neuro<br />
transmittern, wie Noradrenalin oder Glutamat) freige<br />
setzt. Die physiologische Bedeutung der Neuropeptidfreisetzung<br />
ist bisher nur für wenige Mechanismen<br />
bekannt (z.B. Substanz P als Transmitter der periphe<br />
ren Nozizcplion oder Cholezystokinin als hypothalamischer<br />
Mediator der Appetithemmung).<br />
3.3 Renin-Angiotensin-System<br />
3.1.3 Plättchenaktivationsfaktor (PAF)<br />
Der Plättchenaktivationsfaktor ist ein parakrin und<br />
endokrin wirkender Botenstoff, der in der Membran<br />
verschiedener Zellen (Thrombozyten. Monozyten bzw.<br />
Makrophagen, Granulozyten, Gefäßendothelzellen,<br />
Gewebemastzellen) aus Phospholipiden gebildet wird.<br />
3.3.1 Aufbau<br />
Als Renin-Angiotensin-System (RAS) wird ein mehrstu<br />
figer, in sich rückgekoppelter hormoneller Regelme<br />
chanismus bezeichnet, der an der Kontrolle des arte<br />
riellen Blutdrucks und des Salz- und Wasserhaushalts<br />
beteiligt ist. Als RAS zusammengefaßt werden die
38 Endokrines System<br />
Peptid-Enterohormone<br />
und ihre Wirkungen<br />
Gastrin: Steigerung der Magensaftsekretion, Hemmung<br />
des Tonus des Magenfundiis bei F<strong>ö</strong>rderung der antraten<br />
Peristaltik<br />
ChoIezystokinin-Pankreo/yinin: Gallenhlasenkontraktion,<br />
aber Frschlafiung des Sphincter Oddi, Hemmung des<br />
Tonus des Magenfundus und des unteren Ösophagus-<br />
Sphinkters, Konstriktion des Pylorus, Anregung der FnzymsekretiOD<br />
des Pankreas, F<strong>ö</strong>rderung der glucoseinduzierten<br />
Insulinfreisetzung<br />
Sekretin: Steigerung der Wässer- und Bikarbonatsekre<br />
tion des Pankreas, Anregung der Gallensekretion der<br />
Leber, Hemmung der Magensaftsekretion, Hemmung von<br />
Tonus und Peristaltik des Magens<br />
Fnteroglukagon: Hemmung der Magen- und Darm<br />
motorik<br />
GIP (»gastric inhibitory polypeptide«): Hemmung der<br />
Magensaflsekretion, Anregung der Insulinsekretion<br />
VIP (»vasoactive releasing polypeptide«): Gefäß- und<br />
Bronchienerweiterung, Anregung der Abgabe von Wasser<br />
und Elektrolyten ins Darmlumen<br />
GRP (»gastrin releasing peptide«) weitgehend identisch<br />
mit Bombesin vom Frosch: Anregung der Sekretion von<br />
Gastrin (Gegenspieler des Somatostatins), Hemmung der<br />
Magenperistaltik, Kontraktion der Gallenblase<br />
Somatostatin: Hemmung (U'.r endokrinen und exokrinen<br />
Sekretion der Verdauungsdrüsen, Hemmung der Magen<br />
peristaltik<br />
Motilin: Anregung der Motorik von Magen und Darm<br />
PP (»pancreatic polypeptide«): Beschleunigung der<br />
Magenentleerung, Steigerung der Darmmotorik<br />
Substanz P: Über Histaniinfreisetzung Steigerung der<br />
Magensaftsekretion<br />
Neurotensin: Gefäßerweiterung, Blutdruckabfall, Hem<br />
mung der Magensäuresekretion<br />
Peptid YY: Yäsokonstriktion. Hemmung der Darmmotorik<br />
Substrate, Enzyme und Produkte einer Reaktionskas<br />
kade, in deren Verlauf der Hauptwirkstoff Angiotensin<br />
II gebildet und wieder zerst<strong>ö</strong>rt wird. Im einzelnen<br />
werden zum Renin-Angiotensin-System gerechnet:<br />
- Angiotensinogen (Reninsubstrat), ein vorwiegend in<br />
der Leber, aber auch in anderen Geweben wie dem<br />
Gehirn gebildetes Og-Globulin<br />
- Renin, eine nahezu ubiquitär (wenn auch weit über<br />
wiegend in der Niere) gebildete Protease, die aus<br />
Angiotensinogen das Dekapeptid Angiotensin I ab<br />
spaltet<br />
- Angiotensin I, im Plasma zirkulierendes und auch<br />
im Liquor cerebrospinalis vorhandenes Substrat des<br />
Konversionsenzyms<br />
- Konversionsenzym (»converting enzyme«), ein an<br />
der Innenseite des Gefäßendothels insbesondere der<br />
Lungenkapillaren, aber auch im Plasma und in den<br />
Zellen der proximalen Nierentubuli lokalisiertes<br />
Enzym, das aus Angiotensin I durch Abspaltung von<br />
zwei Aminosäuren das Oktapeptid Angiotensin II<br />
bildet. Das Konversionsenzym ist identisch mit der<br />
Kininase II, die das gefäßerweiternde Bradykinin<br />
durch Spaltung inaktiviert<br />
- Angiotensin II als Hauptwirkstoff des RAS (und das<br />
um eine Aminosäure kürzere Peptid Angiotensin III,<br />
das etwas weniger wirksam ist)<br />
- Angiotensinasen, Sammelbegriff für eine Reihe pro<br />
teolytischer Enzyme, die Angiotensin II durch Spal<br />
tung rasch inaktivieren (Halbwertszeit für Angioten<br />
sin II im Plasma 1 bis 2 min).<br />
Das RAS wird nach den Bildungsorten für Renin in<br />
einen renalen Anteil, der manchmal wegen der quan<br />
titativ überwiegenden Reninproduktion in der Niere<br />
allein als RAS bezeichnet wird, und einen extrarena<br />
len Teil gegliedert. Eine extrarenale Produktion von<br />
Renin bzw. von spezifisch Angiotensinogen spaltenden<br />
Enzymen ist in fast allen Geweben, vor allem in der<br />
Glandula submaxillaris, der Nebennierenrinde und<br />
den Blutgefäßwänden, nachgewiesen worden. Im<br />
Gehirn sind alle Komponenten des RAS vorhanden.<br />
Die reninproduzierenden Zellen der Niere sind<br />
besondere glatte Muskelzellen (myoepitheliale Zellen,<br />
auch Epitheloidzellen genannt) hauptsächlich des Vas<br />
ailerons der Nierenglomeruli, die zusammen mit<br />
einem speziellen Anteil des zum Nephron geh<strong>ö</strong>renden<br />
distalen Tubulus (Macula densa) den juxtaglomerulären<br />
Apparat bilden. Die reninproduzierenden Zellen<br />
weisen eine dichte sympathische Innervation auf.<br />
Noradrenalin stimuliert über ß-Rezeptoren die Reninsekretion.<br />
Unterschreitet der Mitteldruck in der A. re<br />
nalis einen kritischen Wert (ca. 85 mmHg), steigt die<br />
Reninfreisetzung unabhängig von der renalen Innerva<br />
tion drastisch an. Die diesen Effekt bewirkenden intra<br />
renalen Pressorezeptoren sind wahrscheinlich in der<br />
Wand des Vas afferens lokalisiert.<br />
Eine humorale Hemmung der Reninsekretion wird<br />
durch Angiotensin II bewirkt (negative Rückkopplung<br />
im RAS). Hemmend wirken auch das im Hypophysenhinterlappen<br />
freigesetzte Vasopressin (antidiureti<br />
sches Hormon, ADH) und das im Herzvorhof gebildete<br />
atriale natriuretische Hormon (ANH). Zu den humoral<br />
stimulierenden Faktoren des RAS geh<strong>ö</strong>ren Prosta<br />
glandine, Histamin und Dopamin.<br />
Die Aktivität des RAS hängt nicht nur von der renalen<br />
Reninsekretion bzw. dem Plasma-Reninspiegel, son-
C. Physiologie 39<br />
Renin-Angiotensin-System<br />
Sympathikus<br />
Niere<br />
äff.<br />
Arteriole<br />
Macula<br />
densa<br />
Konversionsenzym<br />
—nimiiun<br />
Kapillare<br />
Abb.C-13: Aulbau des renalen Uenin-Angiotensin-Systems. (RPZ = reninproduzierende Zelle; |5 = ß-Adrenozeptor)<br />
dem auch von dem Angebot an Reninsubstrat (Angio<br />
tensinogen) ab. Die normale Plasmakonzentration von<br />
Angiotensinogen liegt in der Nähe von KM (Michaelis-<br />
Konstante) für die Abspaltung von Angiotensin I, so<br />
daß die Reaktion mit etwa halbmaximaler Geschwin<br />
digkeit abläuft. Bei zunehmender Angiotensinogenkonzentration<br />
(vermehrte Bildung in der Leber z.B.<br />
unter dem Einfluß von Östrogenen) wird mehr Angio<br />
tensin I gebildet und zu Angiotensin II umgesetzt. Die<br />
Aktivität des RAS steigt, obwohl die Reninkonzentration<br />
eher abnimmt, denn das erh<strong>ö</strong>hte Angiotensin II<br />
bremst die Reninausschüttung in der Niere (negative<br />
Rückkopplung, s.o.). Auf eine RAS-Aktivierung durch<br />
vermehrte Angiotensinogenproduktion wird u.a. der<br />
Blutdruckanstieg zurückgeführt, der bei Einnahme<br />
synthetischer Östrogene (z. B. bei hormonaler Kontra<br />
zeption) beobachtet werden kann.<br />
Eine Verbindung zwischen dem renalen und dem<br />
extrarenalen RAS wird dadurch hergestellt, daß die<br />
Epitheloidzellen des juxtaglomerulären Apparats der<br />
Niere neben aktivem Renin auch inaktives Prorenin<br />
ausschütten. Dieses Prorenin, dessen Plasmakonzen<br />
tration die des aktiven Renins etwa um den Faktor 10<br />
übersteigt, kann z.B. von Gefäßendothelzellen auf-<br />
Wirkungen von Angiotensin II<br />
VViderstandsgefäße: Konstriktion der glatten Gefäßmus<br />
kulatur, Verstärkung der Wirkung endogen freigeset/en<br />
oder exogen zugeführten Noradrenalins, Wachstumsfak<br />
tor für die Proliferation glatter Geläßmuskelzellen<br />
Herz: Steigerung der Kontraktilitäl, Induktion von Hyper<br />
trophie<br />
Sympathisches Nervensystem: Verbesserung der ganglionären<br />
Transmission, Steigerung von Synthese und<br />
Freisetzung sowie Hemmung der Bückbindung von Nor<br />
adrenalin an den Endverzweigungen der postganglionä<br />
ren Sympathikusfasern<br />
Gehirn: Über zentralnerv<strong>ö</strong>se Angriffspunkte Aktivierung<br />
exzitatorischer Bereiche des bulbären Kreislaufzentrums,<br />
Ausl<strong>ö</strong>sung von Hurst im Hypothalamus<br />
Hypophyse: Stimulation der ACTH-Freisetzung im Hypo<br />
physenvorderlappen und der ADI (-Freisetzung im Hypophysenhinterlappen<br />
Nebennierenrinde: Anregung der Ausschüttung des<br />
Mineralkortikoids Aldosteron<br />
Niere: Stimulation der Natriumrückresorption in den<br />
Nierenkanälchen, Hemmung der Beninsekretion
40 Endokrines System<br />
genommen und in aktives Renin umgesetzt werden.<br />
Durch das lokale RAS kann z.B. der Tonus von Wider<br />
standsgefäßen parakrin und ggf. auch aulokrin beein<br />
flußt werden.<br />
3.3.2 Angiotensin II<br />
Der Haupteffektor des RAS, das Angiotensin II, hat im<br />
Rahmen der Regulation von Kreislauf, Wasser- und<br />
Elektrolythaushalt ein umfangreiches Wirkungsspek<br />
trum.<br />
3.4 Kininsystem<br />
Kinine werden aus Kininogenen (hochmolekulares<br />
HMW-Kininogen und niedermolekulares LMW-Kininogen)<br />
durch die Proteinase Kallikrein abgespalten. Kallikrein<br />
wird aus Präkallikrein über partielle Proteolyse<br />
z.B. durch Trypsin oder aktivierten Gerinnungsfaktor<br />
Xlla (Hageman-Faktor) gebildet.<br />
Im Plasma entsteht vor allem Bradykinin (9 Aminosäu<br />
ren-Kettenlänge), im Gewebe das eine Aminosäure<br />
mehr enthaltende Kall id in (Kinin-10) und Methionyl-<br />
Kallidin (Kinin-11). Die Kinine werden innerhalb<br />
weniger Sekunden durch Spaltung inaktiviert. Als<br />
Kininase wirkt u.a. das Angiqtensin-Konversionsenzym<br />
(s. u.), so daß die Kininwirkung bei Behandlung<br />
z.B. von Hochdruck-Patienten mit Konversionsenzym<br />
hemmern verlängert ist.<br />
Kinine kontrahieren die glatte Muskulatur der Bron<br />
chien und steigern die Darmmotilität. Die glatten<br />
Muskeln der Blutgefäße werden dagegen relaxiert, so<br />
daß es unter Kinineinfluß zu Gefäßerweiterung mit<br />
Blutdruckabläll kommt. Bradykinin ist Mediator bei<br />
der die Schweißsekretion begleitenden Mauthyper<br />
ämie. Es ist wahrscheinlich auch an der Ausl<strong>ö</strong>sung der<br />
Arbeitshyperämie des Skelettmuskcls beteiligt. Kinine<br />
erh<strong>ö</strong>hen die Kapillarwandpermeabilität und f<strong>ö</strong>rdern<br />
die Ödembildung. Sie reizen nozizeptive Nervenendi<br />
gungen (Schmerzausl<strong>ö</strong>sung). Diese Wirkungen kenn<br />
zeichnen sie (zusammen mit den Eikosanoiden, Kom<br />
plementfaktoren und Histamin) als Mediatoren ent<br />
zündlicher Vorgänge.<br />
Bei schweren Entzündungen (z. B. akute Pankreatitis)<br />
und Traumen scheint eine Übcraktivierung der Kininbildung<br />
zu erfolgen. Diese Annahme ist Grundlage des<br />
therapeutischen Einsatzes des Proteinascnhemmers<br />
Aprotinin (Trasylol®), der durch Hemmung der proteo<br />
lytischen Wirkung von Kallikrein und Trypsin die<br />
Kininsynthese bremst.<br />
3.5 Atriales natriuretisches Hormon (ANH)<br />
In spezialisierten, zahlreiche Granula enthaltenden<br />
Vorhofmyokardzellen wird aus einem Vorläuiermolekül,<br />
das aus 151 Aminosäuren besteht, die 126 Amino<br />
säuren lange Speicherform des ANH gebildet. Aus<br />
dieser Speicherform werden aktive Peptide mit 23 bis<br />
33 Aminosäuren, beim Menschen als ANH-28 mit 28<br />
Aminosäuren, abgespalten. Die Sekretion von ANH<br />
wird durch eine Volumenbelastung des Kreislaufs mit<br />
Aufdehnung der Vorhole ausgel<strong>ö</strong>st.<br />
Das ANH ist nach seiner Hauptwirkung, der Steigerung<br />
der Natriumausscheidung durch die Niere (die ver<br />
mehrte Wasserausscheidung zur Folge hat), benannt.<br />
Es wirkt entgegengesetzt zum Angiotensin II, das die<br />
Natriurese und damit die Wasserdiurese direkt und<br />
indirekt über Aldosteronfreisetzung vermindert. Das<br />
ANH wirkt auch auf anderen Ebenen als Gegenspieler<br />
des Renin-Angiotensin-Systems. Es hemmt die renale<br />
Reninfreisetzung und blockiert in der Nebennieren<br />
rinde die Steigerung der Aldosteronsekretion durch<br />
Angiotensin II. Am Gefäßbett hemmt ANH die vasokonstriktorische<br />
Wirkung von Angiotensin II und, wenn<br />
auch weniger, die von Noradrenalin. Darüber hinaus<br />
wirkt es direkt vasodilatatorisch. Die Infusion von ANH<br />
führt zumindest beim Gesunden zum Abfall des arte<br />
riellen Syslemdrucks.<br />
3.6 Wachstumsfaktoren<br />
Wachstum, Proliferation und Differenzierung von Zel<br />
len werden außer von den klassischen Hormonen, wie<br />
Somatotropin, Insulin, Thyroxin, und den anabolen<br />
Steroiden von Peptid-Signalsubstanzen beeinflußt, die<br />
im Gewebe gebildet werden und endo-, para- oder<br />
autokrin wirken. Diese Botenstoffe (»growth factors«,<br />
GF) sind nach dem Gewebe, in dem sie wirksam sind<br />
bzw. gefunden wurden, nach ihrer Funktion oder nach<br />
struktureller Verwandtschaft benannt.<br />
3.6.1 Insulinähnliche Wachstumsfaktoren<br />
Die insulinähnlichen Wachstumsfaktoren IGF I und<br />
IGF II entsprechen in der Aminosäuresequenz zu ca.<br />
40% dem Proinsulinmolekül. IGF I ist das vor allem von<br />
Leberzellen unter dem Einfluß von Somatotropin pro<br />
duzierte Somatomedin C. Somatomedin A, das früher<br />
als eigenständiges Peptidhormon gewertet wurde, ist<br />
eine deamidierte Form von Somatomedin C. Die Syn<br />
these von IGF I kann auch durch Insulin oder Thyroxin<br />
angeregt werden. Im Plasma ist es zu ca. 80% protein<br />
gebunden, und die Halbwertszeit von exogen zugeführteni<br />
IGF I liegt bei 20 Minuten. Wesentliche endo<br />
krine Wirkung der IGF ist eine Stimulation des Knor<br />
pel- und Knochenwachstums. Die Beeinflussung des<br />
Glucosestoffwechsels durch IGF I (Wirkungsstärke an<br />
Insulinrezeptoren ca. 6% von der des Insulins) ist im<br />
physiologischen Konzentrationsbereich ohne Bedeu<br />
tung. Welche Rolle dem IGF II in der physiologischen<br />
Steuerung des Zellwachstums zukommt, ist noch un<br />
klar.
C. Physiologie 41<br />
0<br />
0<br />
Natrium- und Wasser<br />
ausscheidung der Niere<br />
©<br />
Interstitium<br />
0.<br />
Blut<br />
volumen<br />
NNK<br />
Aldosteron<br />
e ®<br />
® ©<br />
Gefäß<br />
tonus<br />
Zentraler<br />
RAS<br />
'0<br />
0<br />
ANH<br />
©<br />
Abb. C-14: Regelung der Füllung des kapazitiven Geläßbetts über das vom Vorhofmyokard sezernierte atriale natriuretische<br />
Hormon (ANH). RAS = Itenin-Angiotensin-System; zentraler PV = Druck in den herznahen Venen bzw. im rechten Vorhofals<br />
Maß der Kreislauffüllung.<br />
3.6.2 Nervenwachstumsfaktoren<br />
Hauptvertreter der neurotropen Wachstumsfaktoren<br />
ist der Nervenwachstumsfaktor NGF. NGF wird von<br />
den Zielzellen sensorischer und sympathischer Neu<br />
rone des peripheren Nervensystems, aber auch von<br />
Neuronen des zentralen Nervensystems (Hippokam<br />
pus) gebildet. Er ist für die Proliferation der sensorischen<br />
und sympathischen Neurone während der Fetal<br />
phase und für die Herstellung der Axonverbindungen<br />
zu den Ziclzellen essentiell. Darüber hinaus stimuliert<br />
er die Proliferation von Gewebsmastzellen.<br />
3.6.3 Epitheliale und transformierende Faktoren<br />
Das Wachstum von Epithelzellen wird von dem epidermalen<br />
Wachstumsfaktor EGF kontrolliert. Der das<br />
Wachstum u.a. der Basalzellen der Haut stimulierende<br />
EGF ist zum Teil identisch aufgebaut wie der transfor<br />
mierende Wachstumsfaktor a (TGFa), der wahrschein<br />
lich die in der Fetalentwicklung gebildete Form des<br />
EGF darstellt und in der Zellkultur die maligne Entar<br />
tung von Zellen (Transformation) begünstigt. Der ähn<br />
lich wie TGFa wirkende TGFß ist ein strukturell und in<br />
den übrigen Funktionen vollständig andersartiges Pep<br />
tid, das aus Nieren-, Plazenta- und Knochengewebe<br />
isoliert werden kann. TGFß ist Mitglied einer Familie<br />
von Peptid-Botenstoffen, zu der das FSH-hemmendc<br />
Hormon Inhibin und das beim männlichen Feten<br />
zusammen mit Testosteron wirksame Anti-Müller-<br />
Hormon geh<strong>ö</strong>ren. Beide TGF wirken an der Regulation<br />
der Regeneration von Leber- und wahrscheinlich auch<br />
von Darmepithel mit.<br />
3.6.4 Wachstumsfaktor der Blutplättchen<br />
Der Thrombozyten-Wachstumsfaktor (»plateletderived<br />
growth factor«, PDGF) wird auch von glatten<br />
Muskelzellen, Fibroblasten, Endothelzellen und<br />
Makrophagen gebildet. Bei kurzer Halbwertszeit im<br />
Plasma (ca. 2 min) bleibt seine Wirkung weitgehend<br />
lokal beschränkt. PDGF stimuliert, das Wachstum von<br />
vom Mesenchym abgeleiteten Zellinien (Fibroblasten,<br />
glatte Muskelzellen, Gliazellen). Dieser Wachstumsfak<br />
tor ist vor allem für die Wundheilung wichtig.
42 Endokrines System<br />
3.6.5 Fibroblasten-Wachstumsfaktoren<br />
Die Gruppe der Fibroblasten-Wachstumsfaktoren<br />
(FGF) ist in zahlreichen Geweben (Gehirn, Niere, Pro<br />
stata, Knochen usw.) nachgewiesen worden. Die FGF<br />
sind für die Steuerung der Embryonalentwicklung des<br />
Mesoderms und beim ausdifferenzierten Organismus<br />
zusammen mit PDGF für die Wundheilung von Bedeu<br />
tung. Die besonders intensive Anregung von Wachs<br />
tum und Wanderung von Gefäßendothelzellen kenn<br />
zeichnen die FGF als Angiogeneseiäktoren.<br />
3.6.6 Wachstumsfaktoren für Blutzellen<br />
Regeneration und Ausdifferenzierung von Blutzellen<br />
werden von zahlreichen Wachstumsfaktoren reguliert,<br />
die meist nach ihrer Fälligkeit, in vitro das Kolonie<br />
wachstum teildifferenzierter Blutstammzellen anzu<br />
regen, als »colony stimulating factors« (CSF) klassifi<br />
ziert werden. Der Wachstumsfaktor, der die gemein<br />
same Stammzelle für Granulozyten, Erythrozyten,<br />
Monozyten bzw. Makrophagen und Megakaryozyten<br />
bzw. Thrombozyten stimuliert, heißt entsprechend<br />
CSF-GEMM, der für die weiterdifferenzierte gemein<br />
same Stammzelle von Granulozyten und Makrophagen<br />
CSF-GM. Diese Wachstumsfaktoren k<strong>ö</strong>nnen von Leu<br />
kozyten, Gefäßendothelzellen und Fibroblasten sezerniert<br />
werden. Der wichtigste Wachstumsfaktor für die<br />
rote Blutzellreihe ist Erythropoetin, ein hauptsächlich<br />
in der Niere gebildetes Glykoprotein.<br />
3.7 Endogene Opiate<br />
Nachdem verschiedene spezifische Rezeptoren für die<br />
seit Jahrhunderten angewandten Opiate (u.a. Morphin<br />
und Heroin) gefunden wurden, konnten auch endo<br />
gene Botenstoffe identifiziert werden, die ihre Wirkung<br />
über Bindung an die Opiatrezeptoren ausl<strong>ö</strong>sen. Die<br />
endogenen Opiate k<strong>ö</strong>nnen in drei Gruppen unterteilt<br />
werden: die Enkephaline (Methionin- und Leucinenkephaline<br />
als Pentapeptide), die Endorphine (Hauptvertreter<br />
ß-Endorphin aus 31 Aminosäuren) und die<br />
Dynorphine (Dynorphiniy mit 17 Aminosäuren). Die<br />
drei Gruppen werden aus unterschiedlichen Vorläufer<br />
molekülen gebildet (Proenkephalin, Proopiomelano<br />
cortin und Prodynorphin). Enkephalin wirkt vor allem<br />
auf Opioide Rezeptoren vom 6-Typ, Dynorphin auf<br />
solche vom ic-Typ. Die Endorphine sind wahrscheinlich<br />
die biologischen Liganden für die p-Opioid-Rezeptoren<br />
(Rezeptoren, auf die Morphin besonders gut wirkt). Die<br />
über diese Rezeptoren ausgel<strong>ö</strong>sten Wirkungen k<strong>ö</strong>nnen<br />
über den bekannten Opiatantagonisten, das Naloxon,<br />
blockiert werden.<br />
sischen Transmittern bzw. Hormonen freigesetzt<br />
(ß-Endorphin z. B. mit Glukagon oder Somatostatin,<br />
Enkephalin z. B. mit Azetylcholin). Die funktionelle<br />
Bedeutung der zentralen und peripheren Opioiden<br />
Systeme ist nur bruchstückhaft bekannt. Im hypothalamisch-hypophysären<br />
System scheint Endorphin eine<br />
tonisch-hemmende Wirkung auf die Freisetzung von<br />
Gonadotropinen auszuüben. Im Rückenmark k<strong>ö</strong>nnen<br />
(exogen zugcführte) Endorphine und Enkephaline die<br />
Informationsübertragung im nozizeptiven System und<br />
damit die Schmerzempfmdung unterdrücken. Ein<br />
Nachweis des Vorkommens bzw. der Freisetzung die<br />
ser endogenen Opiate im Rückenmark des Menschen<br />
steht allerdings noch aus. Die physiologische Bedeutung<br />
der vielfältigen Wirkungen von Opioiden am Verdau<br />
ungstrakt (Motorik und Sekretion) ist noch ungeklärt.<br />
3.8 Peptid-Abwehrhormone<br />
Abwehrhormone sind eine Gruppe von Peptid-Botenstoffen,<br />
die vor allem von weißen Blutzellen gebildet<br />
werden (Zytokine) und Einfluß auf allen Ebenen (Zel<br />
len, Gewebe und Organe, Organismus) der Abwehr<br />
reaktion nehmen k<strong>ö</strong>nnen. Manche Abwehrhormone<br />
k<strong>ö</strong>nnen auch als Wachstumsfaktoren wirksam werden.<br />
3.8.1 Interleukine<br />
Als Interleukine werden die Signalsubstanzen klassifi<br />
ziert, von denen nicht nur die Funktion, sondern auch<br />
die Aminosäurescquenz bekannt ist. Entsprechend hat<br />
die folgende Auflistung der anerkannten Interleukine<br />
nur vorläufigen Charakter.<br />
Interleukin 1, das hauptsächlich von Makrophagen<br />
freigesetzt wird, ist das zentrale Hormon der unspezifischen<br />
und Aktivationskomponente der spezifischen<br />
Abwehr. Diese Rolle teilt es allerdings mit dem eben<br />
falls von den Makrophagen gebildeten Tumornekrose<br />
faktor (= Kachektin), dessen Wirkungsspektruni weit<br />
gehend dem des Interleukin 1 entspricht.<br />
Interleukin 2 wird von aktivierten T-Helfer-Zellen<br />
sezerniert und aktiviert selbst alle Lymphozyten, die<br />
nach Antigenkontakt IL2-Rezeptoren exprimiert<br />
haben. Weil nur die antigenstimuliertcn Lymphozyten<br />
IL2-Rezeptoren exprimieren, kommt es unter Ein<br />
wirkung einer antigenen Determinante zu klonaler<br />
Expansion der Lymphozyten.<br />
Die endogenen Opiate sind in Nervenzellen (vor allem<br />
im Zentralnervensystem) und in vielen anderen Gewe<br />
ben (Niere, Lunge, Leber, Plazenta, Verdauungstrakt<br />
usw.) nachgewiesen worden. Von Nervenzellen und<br />
endokrinen Zellen werden sie zusammen mit den klas-
C. Physiologie 43<br />
Wirkungen von Interleukin I<br />
T-Lymphozyten: Aktivierung, Ausl<strong>ö</strong>sung der Produktion<br />
von Lymphokinen (z.B. Interleukin 2)<br />
B-I.ymphozyten: Aktivierung, Stimulation von Prolifera<br />
tion und Antik<strong>ö</strong>rperproduktion<br />
Knochenmark: Anregung der Granulozytopoese, ver<br />
mehrte Ausschüttung von neutrophilen Granulozyten,<br />
Hemmung der Rrythrozytopoese<br />
PNM-Phagozyten: Chemotaxis, Aktivierung<br />
Fibroblasten: Proliferation, vermehrte Kollagenbildung,<br />
Sekretion von Wachstumsfaktoren<br />
Gefäßendothel: Sekretion von Wachstumsfaktoren (CSF),<br />
Aufhebung der lokalen Gerinnungshemmung<br />
Leber: Vermehrte Bildung von »Akute-Phase-Proteinen«<br />
Skelettmuskulatur: Proteolyse, Freisetzung von Amino<br />
säuren<br />
Hypothalamus: Ausl<strong>ö</strong>sung von Temperatursteigerung<br />
(Fieber)<br />
Hypophyse: Freisetzung von ACTH<br />
Interleukin 3 ist der Wachstumsfaktor für die pluri<br />
potenten Stammzellen der Hämozytopoese (Multi-CSF<br />
bzw. CSF-GEMM). Daneben stimuliert es die Prolifera<br />
tion von Gewebsmastzellcn.<br />
Interleukin 4 regt die Vermehrung von B- und wahr<br />
scheinlich auch von T-Lymphozyten an. Nach seiner<br />
Funktion nennt man es B-Zellen-stimuIierenden Fak<br />
tor 1 bzw. BCSF1. Außerdem aktiviert es Makrophagen<br />
und l<strong>ö</strong>st an durch Interleukin 3 stimulierten Mastzel<br />
len weiteres Wachstum und Ausdifferenzierung aus.<br />
Interleukin 5 stimuliert die Proliferation von B-Lymphozyten<br />
sowie die Ausdifferenzierung von eosinophi<br />
len Granulozyten.<br />
Interleukin 6 ist der BCSF2, der B-Lymphozyten zur<br />
Umwandlung in antik<strong>ö</strong>rperproduzierende Plasmazel<br />
len veranlaßt. Es ist mit dem von Fibroblasten sezernierten<br />
ß2-Intcrferon identisch, das als hepatozytenstimulierender<br />
Faktor wie Interleukin 1 die Produktion<br />
von Akute-Phase-Proteinen in der Leber anregt.<br />
Interleukin 7, früher als Lymphopoietin I bezeichnet,<br />
stimuliert das Wachstum früher, noch wenig differen<br />
zierter Lymphozyten der T- und B-Zellen-Reihe.<br />
3.8.2 Interferone<br />
Die Interferone (INF) bilden eine Gruppe von effektori<br />
schen, speziesspezifischen Abwehrpeptiden (z. B.<br />
Gamma-Interferon mit 146 Aminosäuren), die von<br />
weißen Blutzellen und Bindegewebszellen sezernierl<br />
werden k<strong>ö</strong>nnen.<br />
Alpha-Interferon wird von neutrophilen Granulozyten<br />
im Rahmen der unspezifischen Abwehrreaktion abge<br />
geben. Der klassische Effekt von Alpha-Interferon ist<br />
die antivirale Wirkung, wobei die Penetration des<br />
Virus in die Zellen, die Translation des viralen Genoms<br />
und die Freisetzung von Viren aus den infizierten<br />
Zellen gehemmt werden kann.<br />
Beta-Interferon wird von Fibroblasten produziert. Es<br />
wird auch als Interleukin 6 eingestuft (s.o.).<br />
Gamma-Interferon ist ein Abwehrhormon von Lym<br />
phozyten. Es bindet an einen anderen Membranrezep<br />
tor als Alpha- oder Beta-Interferon. Der IFN-Rezeptor-<br />
Komplex l<strong>ö</strong>st eine noch unbekannte Reaktionskette<br />
aus, die zu einer Genaktivierung im Zellkern führt.<br />
Gamma-Interferon wirkt (wenn auch nicht so stark wie<br />
Alpha-Interferon) antiviral. INFy ist der wichtigste<br />
Botenstoff für die Aktivierung von Makrophagen durch<br />
T-Lymphozyten. Neben den Makrophagen aktiviert<br />
INFy natürliche Killerzellen und PMN-Phagozyten<br />
(neutrophile Granulozyten) und steigert deren Phagozytosefähigkeit<br />
und Zytotoxizität. Im Immunsystem<br />
hemmt INFy die Proliferation von T-Lymphozyten, regt<br />
aber die Ausschüttung von Interleukin 2 durch<br />
T-Helfer-Zellen an. Es stimuliert die Ausdifferenzie<br />
rung von B-Lymphozyten, hemmt aber die Antik<strong>ö</strong>rper<br />
produktion. Diese z.T. gegensätzlichen Effekte lassen<br />
eine Beurteilung der Rolle von INFy im Sinne autokriner<br />
und parakriner Aktivierung der spezifischen<br />
Abwehr noch nicht zu. Bei sehr hohen Dosen von IFNy<br />
wurde sogar eine Suppression der Immunantwort<br />
beobachtet.<br />
3.8.3 Thymushormone<br />
Der Thymus enthält epitheliale Zellen, die Peptidhor<br />
mone sezernieren. Die Zahl der hormonproduzieren<br />
den Zellen nimmt mit dem Alter stark ab. Bisher sind<br />
nur wenige der Thymuspeptide identifiziert und struk<br />
turell aufgeklärt. Dazu geh<strong>ö</strong>ren Thymosin c^ (28 Ami<br />
nosäuren), Thymosin ß4 (43 Aminosäuren), Thymopoi<br />
etin II (49 Aminosäuren) und Thymulin (Nonapeptid),<br />
auch »läcteur thymique serique« (FTS) genannt.<br />
Hauptfunktion der Peptidhormone des Thymus ist die<br />
Anregung der Ausdifferenzierung von T-Zell-V<strong>ö</strong>rgängen,<br />
wobei die einzelnen strukturell differenten Hor<br />
mone auf unterschiedlichen Stufen der Ausreilüng<br />
angreifen. Bei verschiedenen Immunmangelkrankheiten<br />
ist der Plasmaspiegel der Thymushormone ernied<br />
rigt, und die exogene Gabe dieser Faktoren ist erfolg<br />
reich therapeutisch eingesetzt worden.<br />
3.9 Biogene Amine<br />
3.9.1 Histamin<br />
Als Botenstoff wird Histamin, das biogene Amin des<br />
Histidins, vor allem von den basophilen Granulozyten<br />
und den Gewebsmastzellen im Rahmen der Steuerung<br />
von Abwehrreaktionen sezerniert. Außerdem kann es
44 Endokrines System<br />
von Haut- und Schleimhautzellen produziert werden.<br />
Seine Plasmakonzentration ist sehr niedrig, denn es<br />
wird rasch von den Geweben aufgenommen und abge<br />
baut. Die Histaminwirkungen werden über verschie<br />
dene Membranrezeptoren vermittelt (IIr und H2-<br />
Rezeptoren). Ins Blut gelangtes Histamin führt über<br />
beide Rezeptorentypen zu einer Weitstellung der<br />
Widerstandsgefäße mit Steigerung der Gewebsdurchblutung<br />
(Gesichtsr<strong>ö</strong>tung bei Histamini'rcisctzung im<br />
K<strong>ö</strong>rper). Die vasodilatierende Wirkung von Histamin<br />
wird wahrscheinlich über eine Freisetzung des endo<br />
thelialen Erschlaffungsläktors (EDRF) aus dem Gefäßendothel<br />
vermittelt. An isolierten Geläßen und an<br />
gr<strong>ö</strong>ßeren Arterien in situ wirkt Histamin vasokonstriktorisch.<br />
Zusammen mit den Eikosanoiden und den Kininen<br />
fungiert Histamin als Mediator entzündlicher Prozesse<br />
(Ödemerzeugung durch Steigerung der Gefäßpermeabilität,<br />
Schmerzausl<strong>ö</strong>sung). In der Lunge erh<strong>ö</strong>ht es<br />
durch Konstriktion der Bronchialmuskeln den Atem<br />
wegswiderstand (Asthma), denn die Aktivierung der<br />
glatten Bronchialmuskulatur über HrRezeptoren<br />
dominiert über die Relaxation durch H2-Rezeptor-<br />
Wirkung. Die wesentlich auf endogener Histaminfreisetzung<br />
beruhende allergische Reaktion (Überreaktion<br />
vom Soforttyp) kann durch Gabe von HrRezeptor-<br />
Antagonisten abgeschwächt werden. Die histaminerge<br />
Stimulation der Magensaftsekretion über H2-Rezeptoren<br />
ist Grundlage der Behandlung von Magenschleim<br />
hauterkrankungen und Duodenalulzera mit H2-Rezeptoren-Blockern.<br />
4 Lipidstoffwechsel<br />
4.1 Einteilung der Lipide<br />
Unter dem Sammelbegriff Lipide werden verschiedene<br />
Klassen wasserunl<strong>ö</strong>slicher Verbindungen subsu<br />
miert. Dazu geh<strong>ö</strong>ren<br />
- Triacylglycerine und die durch ihre Spaltung ent<br />
stehenden freien Fettsäuren<br />
- Phospholipids in denen Glyzerin mit zwei Fettsäu<br />
ren und einer Phosphorsäure verestert ist, wobei die<br />
Phosphorsäure an Cholin oder Ethanolamin gekop<br />
pelt ist (Lecithin und Cephalin). Phospholipide k<strong>ö</strong>n<br />
nen die mehrfach ungesättigte Arachidonsäure ent<br />
halten, aus der nach Abspaltung Prostaglandine,<br />
Leukotriene oder Lipoxine gebildet werden.<br />
- Sphingolipide, deren Grundbaustein ein langkettiger<br />
Aminoalkohol (Sphingosin oder Dihydrosphingosin)<br />
mit an die Aminogruppe gebundener Fettsäure<br />
ist (Ceramid). Durch Veresterung der OH-Gruppe<br />
von Ceramid mit Phosphatidylcholin oder Phosphatidylethanolamin<br />
entstehen Sphingomyeline,<br />
durch Verknüpfung des Ceramids mit Glucose oder<br />
Galaktose Cerebroside. Durch Anlagerung von<br />
Schwefelsäure an Galaktosylceramid wird Sulfatid,<br />
durch Kopplung mit mehreren z.T. modifizierten<br />
Zuckermolekülen werden Ceramidtrihexosid und<br />
Ganglioside gebildet.<br />
- Sterine mit dem Hauptvertreter Cholesterin, aus<br />
dem Steroidhormone und Gallensäuren syntheti<br />
siert werden.<br />
3.9.2 Serotonin<br />
Das biogene Amin des 5-IIydroxytryptophans wird wie<br />
Histamin von zerebralen Neuronen als Transmitter<br />
und von endokrinen Zellen des Verdauungstrakts,<br />
häufig zusammen mit anderen Enterohormonen, wie<br />
Motilin oder Substanz P, als Hormon sezerniert. Die<br />
komplexe Wirkung von Serotonin auf die glatte Musku<br />
latur und auf afferente Nervenendigungen ist in ihrer<br />
funktionellen Bedeutung bisher noch nicht ausrei<br />
chend bewertbar.<br />
Eine Wucherung von serotoninproduzierenden Zellen<br />
im Dünndarm führt über eine überschießende Serotoninfreisetzung<br />
zum sog. Karzinoidsyndrom.<br />
Die Sekretion von Serotonin durch aktivierte Thrombo<br />
zyten ist von (geringer) Bedeutung für die Blutstillung,<br />
denn Serotonin f<strong>ö</strong>rdert die Thrombozytenaggregation.<br />
Ob es den Verschluß verletzter Gefäße durch vasokonstringierende<br />
Wirkung unterstützt, ist fraglich, denn<br />
im Plasma enthaltenes Serotonin wirkt über Freiset<br />
zung von endothelialem Erschlaffungsläktor vasodilatatorisch.<br />
4.2 Lipoproteine<br />
Für den Transport im Plasma müssen die wenig<br />
wasserl<strong>ö</strong>slichen Lipide in Proteine verpackt werden.<br />
Als Trägerprotein für die freien Fettsäuren dient vor<br />
wiegend Albumin. Die anderen Lipide lagern sich mit<br />
verschiedenen Transporteiweißen (Apolipoproteine)<br />
zu Lipoproteinpartikeln zusammen, deren Kern aus<br />
apolaren Lipiden (Triacylglycerine, Cholesterinester)<br />
von einer proteinreichen, mit polareren Lipiden (Phos<br />
pholipide, freies Cholesterin) durchsetzten Hülle<br />
bedeckt wird. Diese Lipoproteine werden nach Dichte<br />
{very low density lipoproteins, VLDL; intermediate<br />
density lipoproteins, IDL; low density lipoproteins,<br />
LDL; high density lipoproteins, HDL), nach ihren<br />
Bestandteilen und nach der Wanderungsgeschwindigkeil<br />
bei der Elektrophorese in Gruppen zusammen<br />
gefaßt.<br />
Apolipoproteine dienen nicht nur als Vermittler für<br />
den Lipidtransport. In den Komplexen mit Lipiden<br />
fungieren sie auch als Liganden für Zellmembran<br />
rezeptoren und als Kofaktoren für lipidspaltende<br />
Enzyme (Lipoproteinlipase) und für die Cholesterin<br />
veresternde Lecithin-Cholesterin-Acyl-Transferase<br />
(LCAT).
C. Physiologie 45<br />
Lipoproteineigenschaften<br />
l.ipoprotein- Chylo- VLDL 11)1. 1.1)1. HDL<br />
k lasse mikroncn<br />
Gr<strong>ö</strong>ße (nm) 100-1000 30-70 25 20 7-10<br />
Anteil (g%)<br />
von:<br />
Triacylglycerin<br />
89 73 12 10 5<br />
Cholesterin 6 12 35 45 20<br />
Phospho<br />
lipid 4 15 24 20 25<br />
Protein 1 10 19 25 50<br />
Elektro<br />
phorese Start prä-ß Start l> «l<br />
Die Lipoproteine k<strong>ö</strong>nnen nach ihren Apoproteinen in<br />
die Familien mit Apo-A-I (Lipoproteine mit A-I oder<br />
A-I: A-II) und die Familien mit Apo-B (eholesterinreiche<br />
Lipoproteine mit nur Apo-B, triacylglycerinreiche<br />
mit B:C, B:E, B:C:E, A-ILB oder A-II:B:C:D:E) ein<br />
geteilt werden.<br />
Die zur ApoA-I-Familie geh<strong>ö</strong>renden Lipoproteine<br />
hoher Dichte (HDL) lassen sich nach zunehmender<br />
Dichte (und abnehmender Gr<strong>ö</strong>ße) in die Klassen HDL]<br />
bis HDL4 unterteilen, von denen HDL2 und HDL3<br />
quantitativ überwiegen. IIDL| enthält besonders viel<br />
ApoE. HDL2 transportiert pro Partikel wesentlich mehr<br />
Lipide als HDL3 und enthält häufiger nur ApoA-I (statt<br />
ApoA-I und ApoA-II).<br />
Ein wegen seiner m<strong>ö</strong>glichen Beteiligung an der Athorogenese<br />
interessantes Lipoprotein, das in unter<br />
schiedlicher Konzentration (1 bis 200 mg/dl. Median<br />
ca. 10 mg/dl) vorkommt und in der Dichte zwischen<br />
LDL und HDL2 Hegt, ist das Lipoprotein (a). Lp (a)<br />
entsteht durch Ausbildung einer Disulfidbrücke zwi<br />
schen ApoB10„ und einem strukturell dem Plasminogen<br />
verwandten Apo(a), dessen Isoformen eine Molmasse<br />
zwischen 240000 und 800000 haben. Die physiologi<br />
sche Funktion dieses hochmolekularen Lipoproteins ist<br />
noch nicht geklärt.<br />
4.3 Stoffwechsel exogener Lipide<br />
Aufnahme und Resorption: Ein erwachsener Mittel<br />
europäer nimmt im Mittel täglich mit der Nahrung auf:<br />
- 100 bis 150 g Triacylglycerine (»Neutralfette«)<br />
- 4 bis 8 g Phospholipide (überwiegend Lecithin)<br />
- 0,5 bis 1,0 g Cholesterin.<br />
Die Triacylglycerine werden im Darm durch Aufspal<br />
tung in ß-Monoacylglycerine und Fettsäuren resorbier<br />
bar. Nach Aufnahme in die Enterozyten des Dünn<br />
darms werden längerkettige Fettsäuren und Monoacylglycerine<br />
wieder zu Triacylglycerinen aufgebaut.<br />
Zusammen mit dem schlechter resorbierbaren Chole<br />
sterin (Resorptionsquote 20 bis 80%) und den ebenfalls<br />
als Bruchstücke resorbierten und danach resyntheti<br />
sierten Phospholipiden werden die Triacylglycerine in<br />
Apoproteine verpackt und als Chylomikronen in die<br />
Lymphe sezerniert. Die kurz- bis mittelkettigen Fett<br />
säuren werden von den Enterozyten direkt ans Blut<br />
abgegeben und in Bindung an Albumin abtranspor<br />
tiert. Strukturapoprotein der Chylomikronen ist vor<br />
allem eine spezielle Form des Apo-B, die ein Bruch<br />
stück des vorwiegend in der Leber synthetisierten<br />
ApoBIO„ mit nur 48% von dessen Aminosäurekette<br />
(ApoB4S) darstellt. Diese verkürzte Form entsteht<br />
dadurch, daß die Synthese von ApoB in der Darmmukosa<br />
durch Einbau eines Stopcodons in die mRNA vor<br />
Erreichen der vollen genetisch programmierten Länge<br />
abgebrochen wird. Als Hüllproteine erhalten die Chy<br />
lomikronen von den Enterozyten ApoA-I und ApoA-IV.<br />
Lymphe: In der Lymphe lagern sich von der Oberlläche<br />
der Chylomikronen abschilfernde und wahrscheinlich<br />
auch direkt sezernierte ApoA, Phospholipide und in<br />
geringer Menge freies Cholesterin zu noch unreifen,<br />
häufig scheibchenf<strong>ö</strong>rmigeii (diskoidalen) Lipopro<br />
teinen hoher Dichte (HDL) zusammen. Außerdem k<strong>ö</strong>n<br />
nen reife HDL-Partikel aus dem Plasma ins Interstitium<br />
und von dort in die Lymphe übertreten.<br />
Blut: Mit der Lymphe gelangen die Chylomikronen und<br />
die HDL ins Blut. Im Plasma kommt es zu einem<br />
raschen ApoC-II-Transfer von dort vorhandenen reifen<br />
HDL auf die Chylomikronen. Das Apoprotein C-II akti<br />
viert als Kofaktor die an den Kapillarendothelien ins<br />
besondere der Muskulatur und des Fettgewebes veran<br />
kerte Lipoproteinlipase, deren Aktivität außerdem<br />
durch Heparin gesteigert wird (Heparin als »Klärfak<br />
tor« von durch Chylomikronen getrübtem Plasma).<br />
Durch den Angriff dieses Enzyms werden Triacylglyce<br />
rine der Chylomikronen zu freien Fettsäuren und<br />
Monoacylglycerinen hydrolysiert. Mit niedrigerer<br />
Geschwindigkeit werden auch Monoacylglycerine und<br />
Phospholipide gespalten. Die aus den Chylomikronen<br />
freigesetzten Fettsäuren und Monoacylglycerine wer<br />
den von den Geweben als Substrat aufgenommen, und<br />
das entstellende Glycerin wird von der Leber eliminiert<br />
und weiterverwertet. Die Halbwertszeit der aus der<br />
Nahrung stammenden Lipide im Blut liegt zwischen<br />
2 bis 4 Minuten (albumingehundene Fettsäuren) und<br />
5 bis 10 Minuten (Chylomikronen). Der Hauptanteil<br />
(ca. 90%) der langkettigen Nahrungsfettsäuren wird<br />
aus dem Blut durch extrahepatische Gewebe elimi<br />
niert.<br />
Die bei der Hydrolyse der Chylomikronen übrigblei<br />
benden Chylomikronen-Remiiants verlieren ihre<br />
ApoA-Hüllproteine und erhalten von den HDL-Lipoproteinen<br />
und aus der Produktion verschiedener Zel<br />
len (Gefäßendothelzellen, Makrophagen usw.) Apo<br />
proteine des Typs E, die sie an der Oberfläche voran-
46 Endokrines System<br />
Vorkommen, Eigenschaften und Funktion von Apolipoproteinen<br />
Klasse Vorkommen Plasma<br />
konzentration<br />
(mg/dl)<br />
relatives<br />
Molekular<br />
gewicht<br />
Funktion<br />
A-I Chylomikron, 111)1. 120 228300 LCAT-Aktivierung<br />
A-II Chylomikron. 111)1. 35 17400<br />
Ligand Tür IIDI.-He/.eptoren<br />
HDL-Stukturproteln. Aktivierung der Leberlipase.<br />
LCAT-Aktivierung.<br />
A-IV Chylomikron, 111)1, 000 Strukturprotein der Chylomikronen<br />
"100 VLD, IDL, LDL 70 550000 Stukturprotein für Lipoproteine<br />
Ligand für I.DI.-He/eptoren<br />
C-I VLDL, HDL 6 6500 LCAT-Aktivierung<br />
C-II Chylomikron, VLDL, MDL 4 8500 Aktivierung der Lipoproteinlipa.se<br />
C-III VLDL, HDL 15 S240 Hemmung der Lipoproteinlipa.se<br />
Hemmung der ApoF-vermitlelten<br />
Upoproteuiaufnahme in der Leber<br />
D HDL 15 20000 LCAT-Aktivierung<br />
E2-E4 Chylomikron, IDL, HDL2 6 34200 Ligand für l.ipoproteinre/eptoren<br />
LCAT-Aktivierung<br />
kern. Die ApoE dienen als Liganden, mit denen sich die<br />
Chylomikronenüberbleibsel an Hemnant-Bezeptoren<br />
der Leberzellen heften k<strong>ö</strong>nnen. Es gibt zwei Klassen<br />
solcher Rezeptoren, die LDL-Hezeptorcn, die ApoE und<br />
ApoB1()o binden und damit die Aufnahme sowohl der<br />
aus VLDL entstehenden LDL (s.u.) als auch der Chylomikronen-Remnants<br />
in die Leberzellen erm<strong>ö</strong>glichen,<br />
und die eigentlichen Bemnant-Bezeptoren, die nur<br />
ApoE als Ligand akzeptieren. Dem von der Darmmukosa<br />
synthetisierten Strukturprotein der Chylomikro<br />
nen, ApoB48, fehlt die in ApoB|„0 enthaltene Bindungs<br />
sequenz für den LDL-Bezeptor. Für die Endozytose und<br />
intrazelluläre lysosomale Verarbeitung von Chylomikronen-Bemnants<br />
durch die Hepato/.yten ist daher der<br />
ApoE-Transfer auf die Chylomikronen essentiell. Vom<br />
ApoE-Gen gibt es drei Hauptallele (E2-E4). und damit je<br />
drei homozygote und heterozygote ApoE-Isolbrmen,<br />
von denen das homozygote ApoE;i die häufigste Form<br />
(ca. % der Bev<strong>ö</strong>lkerung) darstellt. ApoE2 ist als Rezeplorenligand<br />
schlechter wirksam als ApoE;{, ApoF.4 bes<br />
ser. Die Geschwindigkeit der Klärung des postprandial<br />
durch Chylomikronenbcladung trüben Plasmas hängt<br />
somit von der genetisch determinierten Isoform des<br />
ApoE ab. In der Regel erfolgt die Eliminierimg der<br />
Chylomikronen-Renmants durch die Leber so rasch,<br />
daß ihre Halbwertszeit nur etwa 15 Minuten beträgt.<br />
Daher sind Chylomikronen bzw. ihre Remnants im<br />
Plasma normalerweise nur in Spuren nachweisbar.<br />
Die Exprimierung der ApoE-Rezeptoren der Leberzel<br />
len wird im Gegensatz zu der der LDL-Rezeptoren<br />
(s.u.) durch erh<strong>ö</strong>hte Cholesterinaufnahme in die Hepatozyten<br />
nicht gehemmt.<br />
Die in der Lymphe enthaltenen und durch Abschilferung<br />
von ApoA beim hydrolytischen Abbau der Chylo<br />
mikronen im Plasma entstandenen naszenten HDL<br />
sind zunächst relativ lipidarm. Sie k<strong>ö</strong>nnen sich an die<br />
Membran von Zellen, die Cholesterin im Überschuß<br />
besitzen und ApoA-I-Rezeptoren (und wahrscheinlich<br />
auch ApoA-lV, aber nicht ApoA-11-Rezeptoren) cxprimieren,<br />
anheften und von der Membran freigesetztes<br />
Cholesterin aufnehmen. Insbesondere Gefäßendothel<br />
zellen k<strong>ö</strong>nnen ihren Cholesterinüberschuß an die HDL<br />
transferieren. Als weitere Quelle der Cholester'manreichenmg<br />
im Verlauf der HDL-Reifung dienen die<br />
ApoB-haltigen Lipoproteine (Chylomikronen, VLDL,<br />
LDL), von denen das freie, relativ polare Cholesterin<br />
durch Diffusion zu den HDL gelangt. Das auf der HDL-<br />
Oberfläche konzentrierte Cholesterin wird durch die<br />
von ApoA-IV aktivierte Lecilhin-Cholesterin-Acyl-<br />
Transferase (LCAT) mit Fettsäuren (z. B. Arachidon<br />
säure), die vom Glycerin-C2 von Phospholipiden abge<br />
spalten werden, verestert und dadurch unpolar. Die<br />
von der Oberfläche ins Zentrum wandernden Cholestcrinester<br />
bilden den Hauptbestandteil des hydrophoben<br />
Kerns der reifen HDL. Die HDL-Oberlläche wird rasch<br />
wieder durch von anderen Lipoproteinen herüberdiffimdierendes<br />
freies Cholesterin besetzt. Insgesamt ver<br />
estert die LCAT pro Tag 5- bis lOmal so viel freies<br />
Cholesterin, wie in der HDL-Fraktion zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt enthalten ist. Mit Hilfe von<br />
Cholesterinesler-Transferproteinen (CETP) k<strong>ö</strong>nnen<br />
auch unl<strong>ö</strong>sliche Cholesterinester zwischen Lipopro<br />
teinen verschiedener Klassen ausgetauscht werden,<br />
z.B. zwischen HDL und triacylglycerinreichen Lipo<br />
proteinen (Chylomikronen und VLDL) oder LDL. CETP<br />
vermitteln daneben die Abgabe von apolaren Triacylglycerinen<br />
aus den zu Remnants schrumpfenden Chy<br />
lomikronen an die Lipoproteine der LDL- und HDL-<br />
Fraktionen.
C. Physiologie 47<br />
4.4 Stoffwechsel endogener Lipide<br />
Die Synthese von zum Export ins Blut bestimmten<br />
Lipiden (Triacylglycerine, Phospholipide, Cholesterin)<br />
findet überwiegend in der Leber, aber auch in der<br />
Darmmukosa z.T. unter Verwendung bereits vorhan<br />
dener »Halbfabrikate« (Fettsäuren, Glycerin) statt. Die<br />
Leber sezerniert Triacylglycerine, Phospholipide und<br />
Cholesterin zusammen mit ApoB1(,„, inaktivem (noch<br />
nicht als Ligand funktionsfähigem) ApoE, ApoC und<br />
etwas ApoA-I als Lipoproteinpartikel sehr geringer<br />
Dichte (VLDL). Unter der Einwirkung der an der<br />
Gefäßwand angehefteten Lipoproteinlipase werden die<br />
Triacylglycerine der VLDL hydrolysiert und abgege<br />
ben, und über Cholesterinester-Translerproteine<br />
(CE'I'P) werden Cholesterinester aus HDL übernom<br />
men. Aus den VLDL werden in weniger als einer<br />
Stunde dichtere triaeylglycerinverarmte VLDL-Remnants<br />
und IDL, an deren Oberfläche neben ApoB,„„<br />
ApoF. als Ligand aktiviert wird. Ein großer Teil (wahr<br />
scheinlich mehr als die Hälfte) der VLDL-Remnants<br />
und IDL wird über ApoB/ApoE-Rezeptoren (sog. LDL-<br />
Rezeptoren) und über die ApoE-Rezeptoren (Remnant-<br />
Rezeptoren) an die Zellmembran vor allem von Leber<br />
zellen gebunden und durch Endozytose aus dem Interstitium<br />
eliminiert. Aus einem Teil der VLDL entstehen<br />
durch weitere Reduktion der Triacylglycerine (kataly<br />
siert vor allem durch die hepatische Lipase), Anreiche<br />
rung mit Cholesterinestern und Abgabe der Apoproteinc<br />
mit Ausnahme von ApoB10(, LDL. Die LDL sind<br />
relativ stabil und zirkulieren länger (ca. 3 Tage) im<br />
Plasma.<br />
Bei niedriger HDL-Konzentration k<strong>ö</strong>nnen sich VLDL<br />
und LDL zu Komplexen zusammenlagern. Die Hem<br />
mung der LDl/VLDL-Komplexbildung durch HDL<br />
beruht wahrscheinlich auf einem Transfer von ApoA-<br />
Hüllproteinen von HDL auf VLDL.<br />
Die mit Cholesterinestern, freiem Cholesterin und<br />
Phospholipiden angereicherten LDL werden über LDL-<br />
Rezeptoren (ApoB10o als Ligand) außer von Hepatozyten<br />
auch in extrahepatische Zellen als Material zur<br />
Zellmembransynthese aufgenommen. Die LDL sind<br />
somit die für die Versorgung extrahepatischer Gewebe<br />
mit Cholesterin wichtigsten Lipoproteine. Die Freiset<br />
zung von Cholesterin aus endozytiertem LDL supprimiert<br />
die endogene Cholesterinsynthese.<br />
Der LDL-Spiegel wird durch die Leber kontrolliert, die<br />
mittels LDL-Rezeptoren (ApoB10o als Ligand) LDL aus<br />
dem Plasma entfernt und lysosomal abbaut. Die Leber<br />
ist das einzige Organ, das das von nahezu allen<br />
Geweben synthetisierte Cholesterin in gr<strong>ö</strong>ßerer Menge<br />
aus dem Organismus eliminieren kann, indem sie es in<br />
Gallensäuren umwandelt und die Gallensäuren in den<br />
Darm abgibt. Die durch LDL-Rezeptoren vermittelte<br />
LDL-Aufnahme zeigt Sättigungskinetik, denn das in<br />
den Hepatozyten freiwerdende Cholesterin hemmt den<br />
Einbau der LDL-Rezeptoren in die Membran. Außer<br />
dem kann die Rezeptordichte hormonell beeinflußt<br />
werden. Östrogene und Thyroxin, m<strong>ö</strong>glicherweise<br />
auch Insulin, induzieren die LDL-Rezeptorsynthese.<br />
Zirkulierende LDL und kleine VLDL-Remnants (elektrophoretisch<br />
in der ß-Fraktion akkumulierende sog.<br />
ß-VLDL) k<strong>ö</strong>nnen durch Einwirkung von Enzymen der<br />
Makrophagen, Endothelzellen oder glatten Muskelzel<br />
len acetyliert oder oxidiert werden. Selen im Plasma<br />
als Koläktor von 02-Radikalonfängern hemmt die<br />
Peroxidation der Lipoproteine, Kupfer dagegen f<strong>ö</strong>rdert<br />
sie. Die chemisch modifizierten Lipoproteine mit teil<br />
weise fragmentiertem ApoB1(„, haben nur noch geringe<br />
Affinität für den LDL-Rezeptor, werden aber über sog.<br />
Scavenger-Rezeptoren intensiv von Makrophagen und<br />
glatten Muskelzellen aufgenommen. Eine Akku<br />
mulation oxidierter LDL wird als Mechanismus der<br />
Entstehung von Schaumzellen aus in die Gefäßwand<br />
eingewanderten Monozyten angesehen. Die oxidierten<br />
LDL, deren Phospholipide z.T. zu Lysolccithin umge<br />
wandelt sind, locken außerdem Monozyten an (Chemo<br />
taxis) und wirken auf Endothelzellen zytotoxisch. Die<br />
schädigende Wirkung oxidativ modifizierter LDL, die<br />
bei hohen Konzentrationen nativer LDL und vermin<br />
dertem Oxidationsschutz (niedrige Selen- und erh<strong>ö</strong>hte<br />
Kliplerkonzentration) vermehrt gebildet werden,<br />
k<strong>ö</strong>nnte das pathogenetische Prinzip der alherosklerosef<strong>ö</strong>rdernden<br />
Wirkung der Lipoproteine gerin<br />
ger Dichte sein.<br />
Als proteinreiche Lipoproteinpartikel werden von den<br />
Hepatozyten HDL:{ produziert, die elektronenoptisch<br />
als diskoid erscheinen und aus Schichten von ApoA-I<br />
und z.T. A-II, C-Apoproteinen, ApoD, inaktivem ApoE<br />
sowie freiem Cholesterin und Phospholipiden beste<br />
hen. Weitere Apoproteine, freies Cholesterin und Phos<br />
pholipids für die HDL-Generierung werden dadurch<br />
bereitgestellt, daß die VLDL und die Chylomikronen<br />
beim hydrolytischen Abbau ihre Hüllstrukturen verlie<br />
ren. Im Plasma reifen die von der Leber synthetisierten<br />
wie die aus der Darmmukosa stammenden HDL zu<br />
sphärischen Partikeln aus (s.o.). Im Verlauf der<br />
Anreicherung mit Lipiden entstehen aus den kleineren,<br />
dichteren HDL3 die gr<strong>ö</strong>ßeren, weniger dichten HDI2<br />
und unter Anlagerung insbesondere von Apoprotein E,<br />
das von VLDL stammt, bei gleichzeitiger Abgabe von<br />
ApoA die gr<strong>ö</strong>ßten und am wenigsten dichten HDLi.<br />
Cholesterin wird nach Veresterung durch LCAT in<br />
gr<strong>ö</strong>ßerem Ausmaß über Transferproteine (CETP) ins<br />
besondere an die LDL weitergegeben, und die CETP<br />
k<strong>ö</strong>nnen im Gegenzug Triacylglycerine von VLDL und<br />
LDL an HDL transferieren. Ein Teil der HDL-Triacylglycerine<br />
wird von Lipasen, insbesondere der hepa<br />
tischen Lipase, gespalten. Zwischen den HDL-Unterfraktionen<br />
stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht<br />
ein, das bei hohem Angebot triacylglycerinreicher<br />
Lipoproteine (VLDL) und hoher Lipoproteinlipascaktivität<br />
in Richtung lipidreicherer HDL2 oder sogar HDL,<br />
verschoben wird. Wenn HDL2-Partikel CETP-vermittelt<br />
Cholesterinester mit VLDL und LDL gegen Triacylglycerin<br />
austauschen und ihr Kern triaeylglycerinreich<br />
wird, k<strong>ö</strong>nnen aus HDL2 unter dem Einfluß der hepati-
48 Endokrines System<br />
sehen Lipase wieder HDL;!-Partikel gebildet werden.<br />
Der Übergang zwischen den HDL-Unterfraktionen ist<br />
somit reversibel.<br />
Die Elimination der HDL erfolgt durch Bindung über<br />
ApoA-Rezeptoren an Zellen vor allem der Leber mit<br />
Endozytose und anschließender lysosomaler Zerst<strong>ö</strong><br />
rung. Pro Tag werden beim Gesunden 14% bis 18% des<br />
ApoA-I-Pool abgebaut. Der Umschlag von Cholesterin<br />
erfolgt schneller als der Umsatz der HDL-Apoproteine,<br />
weil die Leberzellen sowie die Zellen der Nebennie<br />
renrinde und des Ovars Cholesterinester aus den HDL<br />
auch ohne Endozytose des ganzen Lipoproteins über<br />
nehmen k<strong>ö</strong>nnen. Nach neueren Befunden kann<br />
überschüssiges Cholesterin außer von HDL auch von<br />
den Lipoproteinen der ApoB-Familie von Zellmembra<br />
nen aufgenommen, zur Leber transportiert und ohne<br />
Endozytose an die Hepatozyten abgegeben werden.<br />
Der reverse Cholesterintransport aus den Geweben in<br />
die Leber scheint somit nicht allein von HDL getragen<br />
zu werden.
D. Untersuchungsmethoden 49<br />
D. Untersuchungsmethoden<br />
1 Klinische Untersuchung<br />
Anamnestisch ist bei Verdacht auf das Vorliegen einer<br />
endokrinen St<strong>ö</strong>rung wichtig, eine eventuelle erbliche<br />
Belastung zu eruieren (familiäre Häufung bei Diabetes<br />
mellitus, Immunthyreopathien usw.). Bei der Eigen<br />
anamnese sollte gezielt nach Frühsymptomen endokri<br />
ner Erkrankungen, wie Beeinträchtigung von Antrieb<br />
und Gedächtnisleistung, Sehst<strong>ö</strong>rungen, Gewichtsver<br />
änderungen und Änderungen des äußeren Erschei<br />
nungsbildes (z.B. Abnahme der K<strong>ö</strong>rpergr<strong>ö</strong>ße bei<br />
Osteoporose, Vergr<strong>ö</strong>berung der Gesichtszüge bei Akromegalie),<br />
gefragt werden. Hilfreich zur Beurteilung<br />
von psychischen St<strong>ö</strong>rungen (Bruch in der Pers<strong>ö</strong>nlich<br />
keitsentwicklung) ist die zusätzliche Befragung von<br />
Angeh<strong>ö</strong>rigen.<br />
Bei der Untersuchung sollte zunächst ein Gesamtein<br />
druck gewonnen werden. Hautfarbe und Hautturgor,<br />
Mimik und Bewegungen, Behaarungstyp, K<strong>ö</strong>rperfett<br />
verteilung usw. k<strong>ö</strong>nnen wertvolle Hinweise auf endo<br />
krine Erkrankungen geben. Es folgt die Fahndung<br />
nach Symptomen von Organen und Organsystemen,<br />
die für die einzelnen endokrinen St<strong>ö</strong>rungen in den<br />
folgenden Abschnitten beschrieben sind. Gegebenen<br />
falls müssen weitergehende Untersuchungsmethoden<br />
eingesetzt werden (ophthalmologische Untersu<br />
chungen einschließlich Perimetrie bei Verdacht auf<br />
Hypophysentumoren, Reflexprüfungen bei Verdacht<br />
auf Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenerkrankun<br />
gen, Blutdruckmessung und EKG bei Verdacht auf<br />
Schilddrüsen- und Nebenniereniunktionsst<strong>ö</strong>rungen).<br />
Unverzichtbar für eine Untersuchung unter endokrinologischen<br />
Gesichtspunkten ist eine sorgfältige Beurtei<br />
lung des Genitale, beim Mann die Erfassung der Gr<strong>ö</strong>ße<br />
von Hoden, Penis und Prostata, bei der Fran eine<br />
gynäkologische Untersuchung.<br />
2 Laboruntersuchungen<br />
Hinweise auf das Vorliegen bzw. die Art endokriner<br />
St<strong>ö</strong>rungen k<strong>ö</strong>nnen erhalten werden durch<br />
- Messung der basalen Hormonspiegel im Plasma<br />
- Messung der Konzentration von hormonbindenden<br />
Proteinen<br />
- Untersuchung auf Antik<strong>ö</strong>rper gegen Hormondrüsen<br />
- Funktionsprüfungen endokriner Drüsen: Änderun<br />
gen der Hormonkonzentration nach Stimulation<br />
oder Hemmung der Aktivität endokriner Drüsen,<br />
Messung von Sekretionsindikatoren, wie C-Peptid<br />
bei Insulin<br />
Erfassung hormonabhängiger Parameter im Blut:<br />
rotes und weißes Blutbild, Konzentration von Glu<br />
cose und Glykosylierungsgrad von Bluteiweißen,<br />
Plasmaosmolalität und Elektrolyte, Säure-ßasen-<br />
Haushalt<br />
Untersuchung der renalen Exkretionsfunktion: Elek<br />
trolyt- und Stickstoffbilanz, Ausscheidung von Hor<br />
monen und ihrer Metaboliten oder von hormonbeeinllußten<br />
Substraten, wie Glucose und Ketonk<strong>ö</strong>rper,<br />
Ausscheidung von intermediären Botenstoffen,<br />
wie cAMP<br />
Untersuchung der Schweißdrüsenfunktion: Na+/K+-<br />
Quotient.<br />
Die Fortschritte in der Meßmethodik, insbesondere die<br />
Einführung und Weiterentwicklung radioimmunologi<br />
scher Verfahren, haben den Stellenwert der Labordia<br />
gnostik stark gesteigert. Mit Ausnahme einzelner<br />
schlecht erläßbarer (z.B. ACTH) oder rasch zerfallen<br />
der Hormone (Angiotensin II, Prostaglandine) lassen<br />
sich heute die basalen Flormonkonzentrationen routi<br />
nemäßig bestimmen. Andererseits ist die differenzierte<br />
endokrinologische Labordiagnostik meist kostenauf<br />
wendig, so daß sie nur gezielt und mit Sachverstand im<br />
Rahmen eines Stufenplans eingesetzt werden sollte.<br />
3 Bildgebende Verfahren<br />
3.1 Sonographie<br />
Sonographisch k<strong>ö</strong>nnen nicht nur Gr<strong>ö</strong>ße und Form<br />
endokriner Drüsen, sondern auch der Zustand des<br />
Parenchyms (Homogenität, Knoten, Zysten) beurteilt<br />
werden.<br />
Die sonographische Bestimmung von Volumen und<br />
Struktur der Schilddrüse steht heute im Vordergrund<br />
der morphologischen Diagnostik von Schilddrüsenver<br />
änderungen. Lokale Knotenbildungen k<strong>ö</strong>nnen besser<br />
sonographisch als durch Palpation erfaßt werden. Das<br />
normale Schilddrüsenparenchym hat im Sonogramm<br />
ein dichtes, regelmäßiges Echomuster. Ein verminder<br />
ter Kolloidgehalt der SchilddrüsenfoIIikel beim Morbus<br />
Basedow sowie entzündliche Infiltrate führen zu einer<br />
Abnahme der schallreflektierenden Grenzflächen.<br />
Schilddrüsenmalignome sind ebenfalls häufig echo-
50 Endokrines System<br />
^^^^H BSc?*""<br />
^T' - s z^^m>*<br />
'i.-^äfe<br />
3tCBC^H<br />
v ^ «<br />
k J e U k . — ' ^ ■ b<br />
fl^"",£"*5<br />
R T " ' J l f t v " - ^ 3<br />
^ -<br />
•**J\<br />
Bl^SÄES^ten.*-<br />
Bjfc^r--<br />
Abb.D-1: MakrofoIIikuläres Schilddrüsenadenoin. Ovalärer<br />
solider Tumor (Tu) mit hyporellektorischem Handsaum im<br />
sonographischen Längsschnitt dos rechten Schilddrüsenlap<br />
pens (SD). AT = A. thyreoidea inferior.<br />
Abb.D-2: Schilddrüsenzyste. Sonogramm der 5 x 3,5 cm<br />
großen liquiden Raumforderung (CY) mit schwach reflexogenem<br />
Sediment (S) am kaudalen Schilddrüsenpol (SD).<br />
Abb.D-3: Morbus Basedow. Sonographischer Längsschnitt<br />
des akzentuiert hyporeflexiven, inhomogenen linken Schilddrüsenlappcns.<br />
Abb. D-4: Papilläres Schilddrüsenkarzinom. 15 mm im<br />
Durchmesser großer, unregelmäßig begrenzter, echoarmer,<br />
solider Tumor (Tu) im rechten Schilddrüsenlappen (SD).<br />
ACC = A. carotis communis.<br />
Abb.D-5: Primärer Hyperparatliyreoidismus. 17x9 mm<br />
ovalärer, hyporeflektiver Tumor (LA) am kaudalen Pol des<br />
rechten Schilddrüsenlappens (SD).<br />
Abb.D-6: Sekundärer Hyperparatliyreoidismus bei chroni<br />
scher Niereninsuffizienz. Zwei echoarme, hyperplastische<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchen OB) am kaudalen Pol des rechten Schilddrüsenlappens<br />
(SD).
D. Untersuchungsmethoden 51<br />
Bei der Struma nodosa wechseln echoarme mit echoreichen<br />
Bezirken ab. Das Innere von Zysten ist meist<br />
echoleer. Herdf<strong>ö</strong>rmige Veränderungen k<strong>ö</strong>nnen ab ca.<br />
5 mm Gr<strong>ö</strong>ße erkannt werden. Zum Nachweis von<br />
dystopem, insbesondere von retrosternal lokalisiertem<br />
Schilddrüsengewebe ist die Sonographie nicht ge<br />
eignet.<br />
Normal große Epithelk<strong>ö</strong>rperchen liegen an der<br />
Grenze des Aufl<strong>ö</strong>sungsverm<strong>ö</strong>gens der Sonographie.<br />
Vergr<strong>ö</strong>ßerte Epithelk<strong>ö</strong>rperchen (Adenome, Karzi<br />
nome) ab etwa 5 mm Durchmesser lassen sich als<br />
meist homogen echoarme Bezirke erkennen. Bei ektop<br />
gelegenen Nebenschilddrüsen führt die sonographi<br />
sche Untersuchung nicht weiter.<br />
Für die Nebennieren gilt im Prinzip gleiches wie für<br />
die Nebenschilddrüsen, d.h., zur Beurteilung normal<br />
großer oder verkleinerter Drüsen ist die Sonographie<br />
nicht geeignet. Tumoren der Nebenniere ab ca. 1 cm<br />
Durchmesser lassen sich bei Untersuchung mit hoch<br />
aufl<strong>ö</strong>senden Schallk<strong>ö</strong>pfen nachweisen.<br />
Abb.D-7: Solider Nebennierentumor (Tu) im Querschnitt<br />
durch den rechten Leberlappen (L). VC = Vena cava inferior.<br />
Die sonographische Untersuchung dos Hodens ist der<br />
Palpation überlegen, denn Tumoren lassen sich an der<br />
lokalen Veränderung des Echomusters erkennen,<br />
bevor sie zu Gr<strong>ö</strong>ßenzunahme oder Oberflächcnvorbukkelung<br />
des Hodens führen. Die Indikation zur Ilodensonographie<br />
ist z.B. bei Gynäkomastie, bei der ein<br />
endokrin aktiver Hodentumor als Ursache in Frage<br />
kommt, gegeben. Gut geeignet ist die Sonographie<br />
auch für die Unterscheidung von Hydrozelen und<br />
soliden Tumoren.<br />
Bei endokrin aktiven Tumoren des Pankreas kann die<br />
Sonographie zur präoperativen und auch intraoperati<br />
ven Lokalisation eingesetzt werden. Etwa % der<br />
symptomatisch gewordenen Insulinome k<strong>ö</strong>nnen sono<br />
graphisch lokalisiert werden.<br />
3.2 Radiologische Verfahren<br />
Konventionelle R<strong>ö</strong>ntgenaufnahmen werden in der<br />
endokrinologischen Diagnostik zur Beurteilung von<br />
Skelettreife und Skelettveränderungen bei Dysfunk<br />
tion der Hypophyse, der Schilddrüse, der Nebenschild<br />
drüsen, der Nebennierenrinde und der Gonaden her<br />
angezogen. Daneben dienen Ubersichtsaufnahmen<br />
des Schädels und Sella-Zielaufnahmen zum Nachweis<br />
der Veränderungen der Sellaform bei Hypophysentumoren.<br />
Abb.D-8: Hodentumor. Hyporellektiver, solider Hodentumor<br />
(Tu) im sonographischen Längsschnitt des Hodens (Hd).<br />
1 ■ i<br />
> CO<br />
m<br />
- VCT<br />
Abb.D-9: Insulinom des Pankreas. 11 x 6 mm hyporeflektiver,<br />
solider Tumor (Tu) im Pankreaskopf (P). VCI = Vena cava<br />
inferior; CO = Koniluenz der Vena portae; VL = Vena lienalis.
52 Endokrines System<br />
Abb.D-10. Links: Adenom (linker Pfeil) der rechten Nebenniere im computertomograpliischen Bild. Der rechte Pfeil zeigt<br />
auf die unauffällige linke Nebenniere. Status nach i.v. Kontrastmittelinjektion. Rechts: Adenom in der linken Nebenniere. Die<br />
hohe Signalintensität im T2-gewichteten Bild weist auf ein Phäochromozytom hin. Gallenblasenkonkrement (G) als Nebenbefund.<br />
Kernspintomographisches Bild. Die Bilder wurden dankenswerterweise von Herrn Prof. Schumacher (Ulm) zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Detailliertere Informationen über Gr<strong>ö</strong>ße und Struktur<br />
endokriner Drüsen werden mit Hilfe der Computer<br />
tomographie (CT) und der Kernspintomographie<br />
(NMR) gewonnen. Tumoren der Hypophyse lassen sich<br />
mit diesen Verfahren direkt darstellen, bevor sie zu<br />
einer Ausweitung der Sella geführt haben. Bei der<br />
Untersuchung der Nebennieren liefern CT und NMR<br />
aussagekräftigere Informationen als die Sonographie<br />
und erm<strong>ö</strong>glichen sogar die Erkennung einer gering<br />
gradigen Hyperplasie der Nebennierenrinde. Auch in<br />
der Beurteilung von Nebenschilddrüsenadenomen sind<br />
CT und NMR der Sonographie überlegen. Mit diesen<br />
bildgebenden Verfahren k<strong>ö</strong>nnen auch über 5 mm<br />
große, ektope Adenome gefunden werden. Bei der<br />
Schilddrüse dagegen werden CT und NMR nur einge<br />
setzt, wenn durch die Sonographie keine Angaben<br />
über die Lagebeziehungen zu benachbarten Struktu<br />
ren zu erhalten sind (z.B. bei retrosternaler Struma).<br />
Ein weiteres Anwendungsgebiet in der endokrinologischen<br />
Diagnostik ist die Messung der Knochendichte<br />
zur Früherkennimg einer Osteoporose.<br />
Die Arteriographie wird als ergänzendes Verfahren<br />
zur Lokalisation anderweitig nicht auffindbarer<br />
Nebenschilddrüsenadenome nur noch selten einge<br />
setzt. Auch in der Diagnostik der Nebennieren hat ihre<br />
Bedeutung durch die Fortschritte der tomographi<br />
schen Verfahren abgenommen. Die Phlebographie in<br />
Kombination mit selektiver Blutentnahme zur Hormonbestimmung<br />
erm<strong>ö</strong>glicht die Lokalisation von anor<br />
mal gelegenen, endokrin aktiven Tumoren (z. B. ektope<br />
Nebenschilddrüsenadenome oder Phäochromozy<br />
tome), die mit anderen bildgebenden Verfahren nicht<br />
geortet werden k<strong>ö</strong>nnen. Angiographie oder digitale<br />
Subtraktionsangiographie werden zur präoperativen<br />
Klärung der Gefäßversorgung von Hypophysentumoren<br />
eingesetzt.<br />
3.3 Nuklearmedizinische Verfahren<br />
3.3.1 Schilddrüsenszintigraphie<br />
Das Schilddrüsenszintigramm stellt als Funktionstopogramm<br />
die Jodstoffwechselaktivität dar. Es hilft bei<br />
der Indikationsstellung zur Feinnadelbiopsie: Szintigraphiscli<br />
funktionell inaktive (»kalte«) Knoten müssen<br />
wegen der erh<strong>ö</strong>hten Malignomprävalenz - im Gegen<br />
satz zu den »heißen« Knoten - histologisch bzw.<br />
zytologisch geklärt werden. Verwendet wird in der<br />
Regel das Jodidanalogon Technetium-99-Perteclmetat.<br />
Mit dem qualitativen Szintigramm werden das<br />
dyslope Schilddrüsengewebe (Zungengrundstruma,<br />
Struma ovarii), die retrosternale Struma sowie jodspei<br />
chernde Metastasen eines Schilddrüsenkarzinoms<br />
erläßt. Die quantitative Szintigraphie erlaubt eine<br />
Aussage über das pro Zeiteinheit global oder regional<br />
aufgenommene und verstoffwechselte Jodid. Durch die<br />
Suppressionszintigraphie (endogene oder exogene<br />
Suppression der TSH-Sekretion mit l-Thyroxin) erhält<br />
man Auskunft über die Regulation der Jodidraffung.<br />
Sie ist Voraussetzung zum Nachweis der funktionellen<br />
Autonomie, die in Endemiegebieten in Knotenstrumen<br />
sehr häufig ist und als potentielle Hyperthyreose auf<br />
gefaßt werden kann. Außerdem dient sie der Abschät<br />
zung der funktionellen Masse an autonomem Gewebe,
D. Untersuchungsmethoden 53<br />
die für die Behandlung und danach für die Erfolgskon<br />
trolle (Risiko einer »Rezidivhyperthyrcose«) von<br />
Bedeutung ist.<br />
3.3.2 Nebenschilddrüsenszintigraphie<br />
Wenn der Nachweis eines Adenoms oder eines hyperplastischen<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchens durch bildgebende<br />
Verfahren (Sonographie, CT und NMR) nicht m<strong>ö</strong>glich<br />
ist, kann die Szintigraphie hilfreich sein. Thallium-<br />
201-Chlorid wird in Epithelk<strong>ö</strong>rperchenadcnomon<br />
angereichert, allerdings auch in der Schilddrüse. Die<br />
sen Fehler versucht man durch Subtraktion eines<br />
Technetiumszintigramms zu eliminieren.<br />
3.3.3 Nebennierenrindenszintigraphie<br />
Präparate wie Norcholesterol, die mit Jod-131 (in.I)<br />
oder Selen-75 (7SSe) markiert sind, werden vermehrt in<br />
Cortisol- oder in aklosteronproduzierenden Tumoren<br />
gespeichert. Bei endogen oder exogen supprimiorter<br />
ACTII-Ausschüttung wird szintigraphisch die funktio<br />
nelle Autonomie bewiesen.<br />
3.3.4 Nebennierenmarkszintigraphie<br />
Adrenerge Zellen im Nebennierenmark se/.ernieren<br />
nicht nur, sondern nehmen auch bereits sezerniertes<br />
Noradrenalin wieder auf. Mit ,31J oder l23J markiertes<br />
MIGB, das in seiner molekularen Struktur dem Nor<br />
adrenalin sehr ähnlich ist, unterliegt dem gleichen<br />
Aufiiahmeniechanismus. Auf diese Weise gelingt mit<br />
dem MIBG-Szintigramm die funktionelle Differenzie<br />
rung eines Tumors des chromaffinen Gewebes (z.B.<br />
eines Phäochromozytoms).<br />
Abb.D-11: Intrathorakale Struma, die vom linken Schild<br />
drüsenlappen ausgeht. Szintigramm 20 Minuten nach i.V.<br />
Injektion von I mC "''""Tc-Pertechnetat. 68 Jahre alte Frau<br />
mit heißem mediastinalen Knoten (gelb bis rot).<br />
3.3.5 Szintigraphie neuroendokriner Tumoren<br />
Somatostatinanaloge Substanzen (z.B. Octreolid) wer<br />
den von Tumoren mit Somatostalinrezeptoren aufge<br />
nommen. Mit radioaktiv markiertem Octreolid (12iJ<br />
oder Inln) lassen sich kleine Hypophysenadenome<br />
oder Paragangliome szintigraphisch darstellen. Das<br />
gleiche gilt für verschiedene endokrin aktive Tumoren<br />
des gastroenteropankreatischen (GEP-)Systems. die<br />
Rezeptoren für Somatostatin besitzen.<br />
m<br />
Abb. D-12: Gastrinom. Nachweis eines primären Gastrinoms<br />
(50 Jahre alte Patientin mit Zollinger-Fllison-Syndrom) im<br />
Kezeptorszintigramm 4 Stunden nach i.V. Injektion von<br />
244 MBq " Mn-Penletreotid (Somalostatinanalogon). Physio<br />
logische Anreicherung von Leber, Milz, Nieren, großen Ge<br />
läßen und Blase.
54 Endokrines System<br />
4 Pathologisch-anatomische<br />
Untersuchungen<br />
4.1 Fixierung<br />
Für die Routineuntersuchungen erfolgt die Fixierung<br />
in 4-%-Fornialin (1:10-Verdüniiung von 40%igem For<br />
malin). Zu Darstellung von Sekretgranula in einem<br />
Phäochromozytom erfolgt die Fixierung in einer Chromatl<strong>ö</strong>sung<br />
(Kaliumdichromal-Formalinl<strong>ö</strong>sung). Gute<br />
Ergebnisse lassen sich auch mit dem Bouin-Gemisch<br />
erzielen. Für elektronenmikroskopische Untersuchun<br />
gen ist eine gepufferte Glutaraldehydl<strong>ö</strong>simg zu emp<br />
fehlen.<br />
4.2 Routinefärbungen<br />
Eingeleitet wird die histopatliologische Untersuchung<br />
mit einer ME-Färbung. Zu den Sonderfärbungen zäh<br />
len PAS-Fbg., Elastica-van-Gieson-Fbg., Gitterfaser<br />
darstellung nach Gomori oder Foote, Bindegewebsfärbung<br />
(Azan, Masson, Goldner), Giemsa-Fbg., Sudan-<br />
Fbg. und Eisen-Reaktion.<br />
4.3 Spezialfärbungen<br />
4.3.1 PAS-Orange-G-Färbung<br />
Hypophyse: Mukoide Zellen sind PAS-positiv (färben<br />
sich purpurrot an) und die azidophilen Zellen orange.<br />
Die chromophobe!! Zellen bleiben ungefärbt.<br />
4.3.2 Aldehyd-Fuchsin-Färbung<br />
Hypophyse: TSH-Zellen färben sich orange an.<br />
Pankreasinsel: B-Zellen stellen sich purpur bis violett<br />
dar.<br />
4.3.3 Versilberungen<br />
4.3.3.1 Versilberung nach Grimelius: Die Methode<br />
dient dem Nachweis einer argyropliilen Reaktion im<br />
Gewebe. Zu den darstellbaren Zellen zählen die A-<br />
Zellen der Langerhans-Inseln, die C-Zellen der Schild<br />
drüse, ACTIl-Zellen der Hypophyse, die Hauptzellen<br />
der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen, das Ncbenniereninark und<br />
Paraganglion. Eine besonders starke Reaktion ist bei<br />
ca. 60% der Karzinoide zu beobachten.<br />
4.3.3.2 Versilberung nach Masson-Hamperl: Diese<br />
Färbung erläßt argentalTine Granula des enterochromaffinen<br />
Systems. Selektiv lassen sich Melanin<br />
granula nachweisen.<br />
Bei einer argentaffinen Reaktion (Masson-Fontana-<br />
Versilberung) findet die Silberablagerung ohne Zusatz<br />
von Oxidantien statt.<br />
4.3.4 Chromierung<br />
Durch Chromierung des frischen Gewebes mit einer<br />
dichromhalligen Fixierl<strong>ö</strong>sung (nach Orth, Müller oder<br />
Zenker) gelingt der Nachweis von braunen intrazytoplasmatischen<br />
Granula, die sich in der Giemsa-Färbung<br />
grün-gelb darstellen lassen. Die Reaktion geht auf die<br />
oxidative Wirkung der Chromsalze zurück, die Kate<br />
cholamine (Adrenalin und Noradrenalin) in braunes<br />
Adrenochrom bzw. hellgelbes Noradrenochrom<br />
umwandelt. Beide Pigmente diffundieren rasch aus<br />
dem Gewebe, so daß die Fixierflüssigkeit einen dunkel<br />
braunen Farbton annimmt: Die Reaktion kann dann<br />
makroskopisch »positiv«, im histologischen Schnitt<br />
aber »negativ« sein.<br />
4.3.5 Fluoreszenzmethode<br />
Enlerochromaffine Zellen weisen in einem mit Forma<br />
lin bedampften Kryostatschnitt oder gefriergetrockne<br />
ten Schnitt im UV-Licht (Wellenlänge 430 nm) eine<br />
gelbe Eigenfluoreszenz auf. Mit dieser Methode lassen<br />
sich bei einer Wellenlänge von 470 nm auch Katechol<br />
amine (z. B. In einem Phäochromozytom) darstellen.<br />
4.4 Immunhistochemie<br />
Immunhistochemisch lassen sich zahlreiche Hormone<br />
im Gewebe nachweisen. Auf ihre Darstellung und<br />
Interpretation wird in den einzelnen Organkapiteln<br />
eingegangen. Immunliistoehemisch lassen sich<br />
bestimmte Zellen bzw. Gewebe differenzieren, die von<br />
diagnostischer Bedeutung sind:<br />
- neuroendokrine Zellen durch Chromogranin, neuronspezillsehe<br />
Enolase (y-Enolase)<br />
- neurale Zellen (Ganglienzellen, Melanozyten, Ner<br />
ven, Susteiitakularzellen): S100<br />
- epitheliale Zellen in einem entdifferenzierten Kar<br />
zinom: Zytokeratine, TPA, EMA u.a.<br />
- mesenchymale Zellen: Vimentin<br />
- glatte Muskelfasern: Desmin, Aktin<br />
- Endothelien: von-Willebrand-Protein, Ulex europ.<br />
- Lymphome (Diffcrcntialdiagnose gegenüber klein<br />
zelligen neuroendokrinen Karzinomen): LCA, B- und<br />
T-Zellen-Marker.<br />
Als argyrophile Reaktion bezeichnet man eine Versil<br />
berung nach Einwirkung von zusätzlichen Oxidantien.
D. Untersuchungsmethoden 55<br />
4.5 Elektronenmikroskopie<br />
Wichtigste Indikation einer elektronenmikroskopi<br />
schen Untersuchung ist der Nachweis von Sekretgra<br />
nula in den Zellen. Besonders bei den sog. ausgebrann<br />
ten Tumoren (z.B. Phäochromozytom) läßt sich elek<br />
tronenmikroskopisch die endokrine Natur eines Tu<br />
mors noch sichern. Ferner dient diese Untersuchungs<br />
methode zur Abgrenzung epithelialer und mesen<br />
chymaler Neubildungen (z. B. bei verwilderten<br />
Schilddrüsentumoren). Unter Berücksichtigung Ihrer<br />
Morphologie lassen sie sich in drei Gruppen unter<br />
teilen:<br />
Gruppe I: Es handelt sich um typische elektronendichte<br />
(dense core), inkretorische Granula, die - mit<br />
einer Membran versehen - in den Golgi-Feldern der<br />
Zelle vorkommen und bis zum weiteren Transport als<br />
Endprodukt abgelagert werden. Diese Granula weisen<br />
je nach Tumorart eine unterschiedliche Form (rund,<br />
oval, bananen- oder tafelf<strong>ö</strong>rmig) und Gr<strong>ö</strong>ße (125 bis<br />
300 nm) auf. Als Beispiele sind Zellen neuroendokriner<br />
Organe bzw. ihrer Tumoren (Insiiliiiom, Phäochromo<br />
zytom u.a.) zu nennen.<br />
Gruppe II: Hier sind nicht membrangebundene Gra<br />
nula (z.B. Cholesterol in den Nebeiinierenrindenzellen)<br />
als Vorstufen von Hormonen zu erwähnen. Elektro<br />
nendichte Granula fehlen, Endprodukte (Hormone)<br />
werden nicht intrazellulär gespeichert.<br />
Die Gruppe III bestellt aus den in synaptischen Vcsikeln<br />
der Axone gespeicherten Neurotransmittern<br />
(Acetylcholine die membrangebunden und elektronen<br />
dicht sind.<br />
Sekretorische Granula in<br />
neuroendokrinen Tumoren<br />
mForm Gr<strong>ö</strong>ße Tumor<br />
300 nm<br />
C-Zellen-Karzinom<br />
125 nm Paraganglion!<br />
<br />
m<br />
250 nm<br />
<strong>ö</strong><br />
300 nm<br />
250 nm Nebenschilddrüsenkarzinom<br />
Phäochromozytom<br />
Adrenalin<br />
Noradrenalin<br />
250-300 nm<br />
@<br />
Insulinom1<br />
200-250 nm<br />
Glukagonom2<br />
125-200 nm<br />
Gastrinom3<br />
140 nm<br />
VIPom<br />
220-230 nm Somatostatinom<br />
m 185 nm<br />
Bronchuskarzinoid<br />
m 230 nm<br />
Appendixkarzinoid<br />
Abb.D-13: Granula in Zellen endokriner Tumoren. ' In<br />
Insulinomen kommen auch rundliche, bis 300 nm große<br />
Granula vor. 2 Glukagonom: Neben typischen rundlichen<br />
Granula kommen auch ovale und exzentrische Formen vor.<br />
:! In Gastrinomzellen kommen charakteristische Granula vor.<br />
5 Histologische Diagnostik<br />
5.1 Funktionsdiagnostik<br />
Bei mehreren endokrinen Organen lassen sich histolo<br />
gische Veränderungen nachweisen, die auf eine gestei<br />
gerte inkretorische Aktivität hinweisen. Zu diesen<br />
zählen deutlich vergr<strong>ö</strong>ßerte und hyperchromatische<br />
Zellkerne (z.B. in den Thyreozyten bei M. Basedow).<br />
Mitosen k<strong>ö</strong>nnen vorkommen. Auch in sog. ausgebrann<br />
ten endokrinen Tumoren, die jetzt keine endokrine<br />
Aktivität mehr zeigen (z.B. in stummen Phäochromo<br />
zytomen) kann eine derartige Kernpolymorphie zu<br />
rückbleiben.<br />
Durch den Einsatz immunhistochemischer Methoden<br />
gelingt der Nachweis von Hormonen und hormonähnli<br />
chen Verbindungen in Zellen, die früher mit den<br />
konventionellen färberischen Methoden nicht nachzu<br />
weisen waren. So lassen sich heute auch in chromophoben<br />
Hypophysenadenomen derartige Verbindun<br />
gen rinden. Der histologische Nachweis einer inkretorischen<br />
Aktivität oder Hyperaktivität (z.B. in der Schild<br />
drüse) muß aber nicht mit klinischen Symptomen<br />
korrelieren, da die produzierte Ilormonmenge zu<br />
gering sein kann oder die in der Zelle nachgewiesenen<br />
Hormone nicht freigesetzt werden.<br />
5.2 Dignität endokriner Tumoren<br />
Endokrine Tumoren k<strong>ö</strong>nnen in einem Organ multifokal<br />
oder gleichzeitig in mehreren Drüsen auftreten. Die<br />
histologische Bestimmung des biologischen Verhaltens<br />
einer endokrinen Neubildung kann in der Routinedia<br />
gnostik (besonders im Rahmen einer Schnellschnittuntersuchung)<br />
erhebliche Schwierigkeiten bereiten.<br />
Hochdifferenzierte, endokrin aktive Tumoren (Schild<br />
drüse, Nebenniere) weisen eine erhebliche Kernpoly<br />
morphie auf, die einen b<strong>ö</strong>sartigen Tumor vortäuscht.
56 Endokrines System<br />
Üffi^T»^<br />
,:-#iiiMMÄ<br />
A % - • , ^ ^<br />
..•■ ....<br />
C) =■: ---<br />
Abb. l)-14a-d: Flektronenmikroskopische Darstellung der sekretorischen Granula, a) Phäochromozytom mit Noradrenalingranula<br />
mit einem exzentrischen »dense core«. Vergr. 2400x. h) lnsulinom/.elle mit kristallinen HinschluUk<strong>ö</strong>rpern. Vergr.<br />
5600x. c) Gastrinom/elle mit typischen (*) und atypischen (—) Granula. Vergr. 3500x. d) Dünndarmkarzinoid mit pleomorphen<br />
endokrinen Granula. Vergr. 24()()x.<br />
Auch der Nachweis von Mitosen erlaubt keine sichere<br />
Diagnose. Auf der anderen Seite k<strong>ö</strong>nnen hochdifferen<br />
zierte Neubildungen, die morphologisch einem Ade<br />
nom entsprechen, Metastasen setzen (daher die frü<br />
here Bezeichnung »metastasierendes Adenom«). Dies<br />
trifft besonders für die follikulären Neoplasien der<br />
Schilddrüse zu. Als sicheres Zeichen der Malignität<br />
gilt in diesen Fällen nur der Nachweis von Metastasen.<br />
Am Primärtumor wird die Diagnose »Karzinom« nur<br />
dann gestellt, wenn sich Gefaßeinbrüche und/oder ein<br />
Tumordurchbruch durch die Tumorkapsel nachweisen<br />
lassen. Ein Kapseleinbruch ist kein ausreichendes<br />
Malignitätskriterium. Das Auffinden von vermehrten<br />
Mitosen ist ein Zeichen der gesteigerten Proliferation<br />
und lediglich als malignitälsverdächtig zu werten.<br />
Eine bessere Abgrenzung zwischen Hyperplasie, Prä<br />
neoplasie und einem b<strong>ö</strong>sartigen Tumor dürfte durch<br />
die Ag-NOR-Bestimmimg erreicht werden.
D. Untersuchungsmethoden 57<br />
Eine Graduierung (Tumor-Grading) wird nicht nach<br />
den üblichen zytologischen Kriterien, sondern nach<br />
dem histologischen Bild vorgenommen. Dabei sind<br />
niedrigmaligne (z.B. das papilläre Schilddrüscnkarzinom)<br />
von hochmalignen Karzinomen (z. B. das anapla<br />
stische Schilddrüsenkarzinom) abzugrenzen.<br />
Mit Hilfe der Silberfärbung nukleolusorganisierender Hegio<br />
nen (Ag-NOR) läßt sich die Proliferationsaktivität eines Tu<br />
mors am routinemäßig mit Formalin fixierten histologischen<br />
Schnitt oder zytologischen Material bestimmen. Zahl, Mäche,<br />
Verteilung und Intensität der mit Silber gefärbten inlranukleären<br />
Partikel korrelieren mit der Proliferationsaktivität<br />
einer Zelle. Aus diesem Grund hat sich die Ag-NOR-lJntersuchung<br />
zur Dignitätsbestimmung, Abgrenzung präneoplaslischer<br />
Veränderungen und zur Prognoseabschätzung als rele<br />
vant herausgestellt. Als diagnostisches Kriterium wird in der<br />
Regel die mittlere Ag-NOR-Zahl pro Zelle bestimmt. Die<br />
diagnostische Treffsicherheit ist deutlich erh<strong>ö</strong>ht, wenn gleich<br />
zeitig die mittlere Gr<strong>ö</strong>ße eines Ag-NOR-Partikels berücksich<br />
tigt wird. Der Quotient aus beiden Parametern spiegelt dabei<br />
den Zusammenhang von wenigen großen Ag-NOR-Partikel in<br />
gutartigen oder niedrigmalignen Tumoren und vielen kleinen<br />
Ag-NOR-I'artikel in hochmalignen Neubildungen besonders<br />
gut wider.<br />
Nukleolusorganisierende Hegionen sind ribosomale Gene<br />
(rl)NA), die für ribosomale HNA (rHNA) kodieren und wäh<br />
rend der Metaphase auf den akrozentrischen Chromosomen<br />
(Gruppe D: 13-15, Gruppe G: 21 und 22), während der<br />
Interphase in den Nukleolen gelegen sind. Unter Kontrolle<br />
von Polymerase I wird rHNA synthetisiert, die den Hauptbe<br />
standteil der Ribosomen bildet. NOR (rl)NA) werden deshalb<br />
auch als Rihosomenfabrik der Zelle hezeichnet und sind<br />
zentrale Schaltstellen für die gesamte zelluläre Proteinbiosynthese.<br />
Die Genaktivität selbst wird durch spezifische Non-<br />
Histon-Proteine gesteuert, von denen Nukleolin (C23) und<br />
Nukleophosmin (B23) neben der Polymerase I als Hauptregulatorprotelne<br />
gelten. Aktivierte Gene sind mit hochphosphorylierten<br />
NOH-Proteinen assoziiert. Diese phosphorylicrten Pro<br />
teine binden selektiv Silber. Die Ag-NOR stellt somit akti<br />
vierte, d.h. entspiralisierte, zur Transkription vorbereitete<br />
und/oder aktiv transkribierende Gene dar.<br />
Methodik: Histologische Schnitte werden nach Entparalfinierung<br />
und Rehydrierung (zytologische Präpa<br />
rate nach Fixation in Formalin oder Alkohol) mit einer<br />
50%igen Silbernitratl<strong>ö</strong>sung (stabilisiert in Gelatine und<br />
l%iger Ameisensäure) inkubiert. Die Inkubationsclauer<br />
beträgt etwa 30 Minuten und ist in Abhängigkeit<br />
von Fixierungsart und Erhaltungszustand dem jeweili<br />
gen Gewebe anzupassen. Färbeziel ist die Darstellung<br />
von distinkten silberschwarzen Partikeln als Substrukturen<br />
in den Nukleolen. Bei unzureichender Fixation<br />
und schlechtem Erhaltungszustand (insbesondere Sek<br />
tionsmaterial) ergibt sich meist nur eine diffuse,<br />
unspezifische Ockerfarbe der Nukleolen. Bei zu langer<br />
Inkubation färbt das Silber den gesamten Nukleoliis.<br />
Diese Färbeergebnissc dürfen nicht mit einer Darstel<br />
lung der Ag-NOR gleichgesetzt werden. Die besten Ag-<br />
NOR-Färbungen werden an zytologischem Material<br />
und an sofort nach Entnahme fixierten Biopsien er<br />
zielt.<br />
a<br />
( z<br />
^"^<br />
m<br />
b<br />
f *<br />
d<br />
&<br />
Schilddrüsenkarzinom<br />
Ag-NOR<br />
NZ (n) NQ<br />
14 140<br />
12<br />
10<br />
6<br />
2<br />
Struma Adenom foil. Ca pap. Ca anapl. Ca<br />
C D N O R ( n ) ^ — N O R Q u o t i e n t<br />
Abb.D-15: Ag-NOR-Bestimmung an gut- und b<strong>ö</strong>sartigen<br />
Schilddrüsenveränderungen. Oben: a = Vereinzelte versil<br />
berbare Kernstrukturen bei Struma, b = Mehrere große NOH-<br />
Partikel hei follikulärem Adenom, c = Mehrere kleine NOR-<br />
Partikel heim papillären Karzinom, d = Multiple, überwie<br />
gend kleinere NOH-I'artikel beim anaplastischen Karzinom.<br />
Unten: NZ (n) = Zahl der versilberbaren Partikel pro Zellkern.<br />
NQ = Ag-NOR-Quotienl (Zahl/Fläche). Die ermittelten Werte<br />
sind hochsignifikant (mit Ausnahme der Gruppen »follikulä<br />
res« und »papilläres Karzinom« untereinander).<br />
120<br />
100<br />
80<br />
20
58 Endokrines System<br />
E. Erkrankungen der Hypophyse<br />
1 Fehlbildungen 3 Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
Häufiger liegen nur Varianten der Norm vor, die nicht<br />
von klinischer Relevanz sind. Eine Hypophysenaplasie<br />
findet man beim Anenzephalus. Beim Empty-sella-<br />
Syndrom kommt es infolge einer insuffizienten Ent<br />
wicklung des Diaphragma sellae zu einer Teilverlage<br />
rung des Subarachnoidalraums in die Sella, die eine<br />
schalenf<strong>ö</strong>rmige Verformung der Hypophyse mit latera<br />
ler und basaler Verlagerung zur Folge hat. Zeichen<br />
einer Hypophysenvorderlappen(MVL)-Insuflizienz be<br />
stehen in der Regel nicht. Diese Veränderung wird mit<br />
bildgebenden Verfahren nachgewiesen oder zufällig<br />
im Rahmen einer Obduktion diagnostiziert.<br />
2 Kreislaufst<strong>ö</strong>rungen<br />
Der wichtigste Befund ist die Vorderlappennekrose,<br />
die vorwiegend bei Schockzuständen vorkommt und zu<br />
einer HVL-Insuffizienz (s. a. Simmonds-Kachexie und<br />
Sheehan-Syndrom) führen kann. Makroskopisch sieht<br />
man eine keilf<strong>ö</strong>rmige Abblassung, histologisch eine<br />
Koagulationsnekrose. In den Sinusoiden lassen sich<br />
kleine Fibrinthromben nachweisen. Selektive Nekro<br />
sen in der Neurohypophyse sind selten und k<strong>ö</strong>nnen<br />
kausalpathogenetisch mit einem Schock zusammen<br />
hängen.<br />
Auch die Hypophyse kann bei verschiedenen systemi<br />
schen Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen (Amyloidose, Speicher<br />
krankheiten, Ilämochromatose) beteiligt sein. Insuffi<br />
zienzen hängen vom Grad der Speicherung ab.<br />
4 Entzündungen<br />
Selten kommen in diesem Organ primäre, spezifische<br />
oder unspezifische Entzündungen {Hypophysitis) vor,<br />
die mit klinischer Manifestation einhergehen. Eine<br />
Sonderform stellt die lymphozytäre Hypophysitis dar,<br />
die mit anderen Autoimmunerkrankungen (Hashimoto-Thyreoiditis)<br />
vergesellschaftet sein kann.<br />
5 Tumoren und tumorartige<br />
Veränderungen<br />
Die Systematik der Hypophysentumorcn erfolgt nach<br />
den Richtlinien der WHO, die Kodierung nach dem<br />
Internationalen Kode für onkologische Erkrankungen<br />
(ICD-0). Die tumorartigen Hypophysenveränderungen<br />
werden nach dem Internationalen Kode für Erkran<br />
kungen (ICD: in der Tabelle kursiv) aufgezählt.<br />
WHO-Systematik und Kodierung (Topographie: C75.1]<br />
1 Epitheliale Tumoren<br />
1.1 Adenome 8149/0<br />
1.1.1 Azidophile Adenome 8280/0<br />
1.1.2 Mukoide Adenome 8300/0<br />
1.1.3 Chromophobe Adenome 8270/0<br />
1.1.4 Onkozytäre Adenome 8290/0<br />
1.2 Karzinome 8140/3<br />
1.2.1 Chromophobes Karzinom 8270/3<br />
2 Mesenchymale Tumoren<br />
3 Kraniopharyngeom 9350/1<br />
4 Metastasen /6<br />
5 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen<br />
5.1 Zysten (drüsige und epidermale Zysten) 33400<br />
5.2 Hcterotopien 26000<br />
5.3 Ektopien 26170<br />
5.4 Hyperplasien 72000<br />
6 Nichtklassifizierbare Tumoren
E. Erkrankungen der Hypophyse 59<br />
Abb.F-l: Hypophysenadenom. Oben: Aus der Sella turcica<br />
hcrausragendes chromophobes Hypophysenadenom, l'nlen:<br />
Im r<strong>ö</strong>ntgenologischen Bild deutlich ausgeweitete Sella tur<br />
cica.<br />
Abb.F-2: Hypophysenadenom. Oben: In Bildmitte ein Hypo<br />
physenadenom auf einem Flachschnitt durch Groß- und<br />
Kleinhirn. Unten: Regelmäßige Zellen eines Hypophysenade<br />
noms in der l'unktions/ytologie. Giemsa-Fbg.<br />
5.1 Hypophysenadenome<br />
Hypophysenadenome kommen in einem unausgewählten<br />
Obduktionsgut gelegentlich vor (10% in einigen<br />
Sammelslalistiken), gehen aber zu Lebzeiten nur sel<br />
ten mit klinischen Symptomen einher. Sie machen ca.<br />
10% der intrakraniellen Tumoren aus, bevorzugt im<br />
4. bis 5. Dezennium.<br />
Pathologie: Adenome k<strong>ö</strong>nnen als Mikroadenome nur<br />
histologisch nachweisbar oder als Makroadenome mit<br />
bloßem Auge erkennbar sein. Sie bilden einen Knoten,<br />
der durch expansives Wachstum zu einer Druckatrophie<br />
des Hypophysenparenchyms führt. Die Neubil<br />
dung kann intra-, suprasellar oder in beiden Hegionen<br />
gleichzeitig vorkommen. Die Gr<strong>ö</strong>ßenzunahme eines<br />
intrasellären Adenoms weitet die Sella aus und atrophicrt<br />
die kn<strong>ö</strong>cherne Wand. Die histologische Systema<br />
tik stützt sich auf die färberischen, immunhistochemischen<br />
und elektronenmikroskopisclien Eigenschaften<br />
der Adenomzellen:<br />
- STH-produzierende Adenome<br />
- Prolaktinprodii/.ierende Adenome<br />
- ACTH-produzierende Adenome<br />
- TSH-produzierende Adenome<br />
- Gonadotropinproduzierende Adenome<br />
- Chromophobe Adenome (k<strong>ö</strong>nnen immunliistochemisch<br />
Prolaktin, seltener STH exprimieren)<br />
- Onkozytäre Adenome (immunliistochemisch nega<br />
tiv, seltener ACTH-, STH- oder Prolaktin-positiv).
60 Endokrines System<br />
i4»- ~*><br />
t *<br />
!<br />
■ ■ ■<br />
„"<br />
Abb. E-3: Oben: Chromophobes Hypophysenadenom. Masson-Fbg.<br />
Unten: Im Handbereich verdrängtes Hypophysengewebe<br />
mit ACTII-positiven Zellen. ACTH in der PAP-Methode.<br />
Abb. F-4: Oben: STH-produzierendes Adenom mit reichlich<br />
azidophilen /eilen. HF-Fbg. Unten: Prolaktinom. Immunhi-<br />
Stochemischer Nachweis von Prolaktin in der PAP-Methode.<br />
Klinik: Man unterscheidet hormonell aktive und<br />
stumme IIVI.-Adenome. Ferner sind Gr<strong>ö</strong>ße und Lokali<br />
sation der Neubildung zu berücksichtigen, die für die<br />
ophthalmologischen Befunde von Bedeutung sind.<br />
■ Mikroadenome sind nur histologische Zufallsbefunde,<br />
die keine Symptome hervorrufen und mit<br />
bildgebenden Verfahren nicht zu erfassen sind.<br />
■ Intraselläre Hypophysenadenome k<strong>ö</strong>nnen die Sella<br />
ausfüllen und über eine Druckatrophie für HVL-<br />
Insuffizienz-Zeichen verantwortlich sein. Gesichts<br />
felder bleiben unverändert. Der Tumor ist r<strong>ö</strong>ntgeno<br />
logisch und im CT nachweisbar.<br />
■ HVL-Adenome mit suprasellärer Ausbreitung k<strong>ö</strong>n<br />
nen - durch Chiasma-Komprcssion - zu einem<br />
Gesichtsfeldausläll (bitemporale Hemianopsie) füh<br />
ren. Bei rein suprasellar lokalisierten Adenomen<br />
fehlen in der Hegel die Zeichen der hormonellen<br />
Insuffizienz, während die ophthalmologischen<br />
Befunde im Vordergrund stehen.<br />
Die Diagnostik stützt sich auf<br />
- endokrine Befunde im Rahmen einer hormonellen<br />
Überfunktion (Giganlismus/Akromegalie, M. dish<br />
ing, Galaktorrh<strong>ö</strong>-Amcnorrh<strong>ö</strong>-Syndrom) bzw. 1IVI.-<br />
Insuffizienz,<br />
- ophthalmologische Befunde, die bei Chiasma-opticum-Kompression<br />
auftreten (s.o.)<br />
- radiologische Befunde: Ausweitung der Sella, doppeltkonturierter<br />
Seilaboden, Atrophie des kn<strong>ö</strong>cher<br />
nen Sellagerüsts. Gr<strong>ö</strong>ßere Adenome (besonders bei<br />
suprasellärer Lokalisation) lassen sich im CT be<br />
urteilen.<br />
5.2 Hypophysenkarzinome<br />
Maligne Hypophysentumoren sind extrem selten und<br />
sollten nur dann diagnostiziert werden, wenn Metasta<br />
sen vorliegen. Bei den meisten publizierten Fällen lag<br />
keine hormonelle Überfunktion vor.
E. Erkrankungen der Hypophyse 61<br />
5.3 Kraniopharyngeom<br />
Diese langsam wachsende Tumorart wird von Resten<br />
(Erdheim-PIattenepithelien) der Rathke-Täsche abge<br />
leitet und macht etwa 3% der intrakraniellen Tumoren<br />
aus. 70% der Geschwülste manifestieren sich vor dem<br />
30., 45% vor dem 20. Lebensjahr.<br />
Makroskopisch handelt es sich um harte rumoren, die<br />
bevorzugt suprasellar lokalisiert sind und auf der<br />
Schnittfläche keine Hohlräume einschließen. Histolo<br />
gisch zeigen sie einen teils zystischen, teils soliden<br />
Aufbau. Die Zysten sind von Plattenepithcl ausgeklei<br />
det und weisen in der stromaanlicgenden Peripherie<br />
eine typische zylindrische Zellreihe (Palisadenstellung)<br />
auf. Die soliden Anteile k<strong>ö</strong>nnen Stachel- oder basalzellartig<br />
aufgebaut sein. Letztere bilden drüsige, zylindri<br />
sche oder ameloblastische Strukturen.<br />
Klinik: Das Kraniopharyngeom ist ein <strong>ö</strong>rtlich maligner<br />
Tumor, der keine Metastasen setzt. Da die Neubildung<br />
über längere Zeit stumm bleibt, wird sie erst in einem<br />
fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Der opera<br />
tive Zugang wird durch die Mittellinienlage erschwert.<br />
Klinisch k<strong>ö</strong>nnen Zeichen der HVL-Insiiffi/.ieiiz oder<br />
hypothalamische Befunde (Hypo-/llyperlhermie,<br />
Anorexia/Fr<strong>ö</strong>lilich-Syndrom, Schlafst<strong>ö</strong>rungen, Poly<br />
dipsie) vorkommen. Von diagnostischer Bedeutung ist<br />
der Nachweis von Verkalkungen im Tumor, besonders<br />
in der Peripherie der Neubildung.<br />
5.4 Metastasen in der Hypophyse<br />
Beschrieben wurden u.a. Absiedelungen von Lungen-,<br />
Nieren- und Mammakarzinomen.<br />
5.5 Tumorähnliche<br />
Hypophysenveränderungen<br />
Zu diesen zählen drüsige oder epidermale Zysten.<br />
Ferner kommen Heterotopien in der Hypophyse vor.<br />
Hypophysengewebe kann auch ektop in benachbarten<br />
Organen (Pharynx) auftreten. Die Übergänge zwischen<br />
Hyperplasien und Adenom sind fließend.<br />
Abb.E-5: Kraniopharyngeom. Oben: Zystischer Tumor im<br />
Frontalschnitt durch das Großhirn. Mitte: Großer zystischer<br />
Tumor in der Hirnmiltelregion im CT. Unten: Überwiegend<br />
solider Tumor mit Plattenepithel- und Zylinderzelldifferenzie<br />
rung. HF-Fbg.
62 Endokrines System<br />
6 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen<br />
|!lll|llll|llll|llll|<br />
Abb.E-6: Hypophyseiiatrophie. Fast leere Sella turcica. Linker Pfeil<br />
zeigt auf den liest der Hypophyse. 1 = Nervus opticus, x = Mittlere<br />
Schädelgrube.<br />
Abb. F-7: Hypophysennokrosen (—»1) bei<br />
Schock. Unten (—» 2) Neurohypophyse. Flach<br />
schnitt.<br />
6.1 Hypopituitarismus<br />
6.1.1 Panhypopituitarismus<br />
Begriffsbestimmung: Als Panhypopituitarismus oder<br />
Simmonds-Krankheit bezeiclinet man die generelle<br />
Unterfunktion der Adenohypophyse. Wird diese durch<br />
eine postpartale Infarzierung des HVL hervorgerufen,<br />
dann spricht man von einem Sheehan-Syndrom. Mit<br />
Ausnahme der durch den Ausfall von Wachstumshor<br />
mon und Prolaktin verursachten Symptome entspricht<br />
das klinische Bild einer Insuffizienz der von den glan<br />
dotropen Hormonen der Hypophyse gesteuerten<br />
effektorischen Hormondrüsen (Schilddrüse, Gonaden,<br />
Nebennierenrinde).<br />
Pathogenese: Bei einem kompletten Ausfall des HVL<br />
macht sich zunächst das Fehlen von Wachstumshor<br />
mon bemerkbar, zeitlich gefolgt von den Auslällssymptomcn<br />
der Gonadotropine (LH, FSH), des Thyreotro<br />
pins (TSH), des Corticotropins (ACTH) und des Prolak<br />
tins. Beim Sheehan-Syndrom versiegt aufgrund des<br />
Prolaktinauslälls die Laktation. Der sich bei Panhypo<br />
pituitarismus entwickelnde Mangel an STH und Corti<br />
sol (Ausfall des ACTH) führt zu St<strong>ö</strong>rungen in der<br />
Begulation des Glucosestoffweehsels (Ilypoglykämieneigung).<br />
Klinik: Erstes Symptom bei der erwachsenen Frau ist<br />
häufig eine Regelst<strong>ö</strong>rung (arrhythmische Blutungen,<br />
Amenorrh<strong>ö</strong>). Bei regelmäßigen ovariellen Zyklen kann<br />
eine HVL-Insuffizienz ausgeschlossen werden. Länger<br />
fristig treten die psychischen und somatischen Sym<br />
ptome der Hypothyreose in den Vordergrund. Patien<br />
ten mit Panhypopituitarismus fallen durch blasse,<br />
marmorierte, dünne bis durchscheinende und trokkene<br />
Haut auf. Im Achsel- und Schamhereich fehlt die<br />
Behaarung, und ansonsten sind die Ilaare dünn. Das<br />
ausdruckslose Gesicht weist auf Antriebs- und Interes<br />
selosigkeit sowie auf intellektuelle und psychische<br />
Retardation hin. Als Zeichen der Nebennierenrindeninsuffizienz<br />
ist die Widerstandsfähigkeit<br />
gegenüber Streß und Infektionen reduziert. In schwe<br />
ren Fällen führt die Kombination von Hypothyreose<br />
(reduzierter Stoffwechsel, verminderter Atomantrieb<br />
mit Hyperkapnie) und llypokortisolismus (Hypovolämie,<br />
arterielle Hypotonie) zum Versagen von Vitalfiinklionen<br />
(Koma). Obwohl ein Ausfall des HVL nicht<br />
unmittelbar lebensgefährdend ist, beträgt die Lebens<br />
erwartung unbehandelter Patienten nur 10 bis<br />
15 Jahre.<br />
Diagnose: Wenn der klinische Verdacht auf eine allge<br />
meine Unterfunktion der Adenohypophyse besteht, ist<br />
ein Nachweis bzw. Ausschluß der HVL-Insuffizienz<br />
durch Messung der Vorderlappenhormonspiegel nach<br />
Stimulation angezeigt. Zu kombinierter Stimulation<br />
werden TRII, GnRH bzw. LII-RH und Insulin i.v.<br />
injiziert. TRII l<strong>ö</strong>st neben der Sekretion von TSH auch<br />
die von Prolaktin aus, und die insulininduzierte Hypo<br />
glykämie stimuliert die Ausschüttung von STH und<br />
ACTH. Der bei IIVL-Insuffizienz trotz Stimulation nied<br />
rige Spiegel der glandotropen Hormone erm<strong>ö</strong>glicht<br />
eine Abgrenzung des Panhypopituitarismus gegenüber<br />
primär in der Schilddrüse, der Nebenniere oder den<br />
Gonaden lokalisierten St<strong>ö</strong>rungen.
E. Erkrankungen der Hypophyse 63<br />
6.1.2 Partieller Hypopituitarismus<br />
Begriffsbestimmung: Bei partieller St<strong>ö</strong>rung der Hor<br />
monproduktion ist häufig nicht die Adenohypophyse,<br />
sondern die hypophysiotrope Zone des Hypothalamus<br />
geschädigt. Eine Partialiiisuffizienz wird allerdings<br />
auch bei Adenomen der Hypophyse und nach operati<br />
ver Ausräumung der Sella beobachtet.<br />
Pathogenese: Ein isolierter Wachstumshormonmangel<br />
als Form der partiellen Insuffizienz des hypothalamisch-hypophysären<br />
Systems (überwiegend auf Hypothalamus-Niveau)<br />
wird klinisch nur im Kindesalter<br />
manifest. Im Unterschied zur Hypothyreose tritt eine<br />
Wachstumsverz<strong>ö</strong>gerung erst ab dem 2. Lebensjahr auf.<br />
Der Verdacht auf eine unzureichende STII-Produktion<br />
ist bei vermindertem Wachstum bei normalen K<strong>ö</strong>rper<br />
proportionen (Gr<strong>ö</strong>ße unter der 3. Perzentile) gegeben.<br />
Als Ursache kommen in Frage:<br />
- eine angeborene STTI-Sekretionsunfähigkeil (abso<br />
luter STII-Mangel, selten),<br />
- eine unzureichende Stimulation der STII-Produktion<br />
der Adenohypophyse (relativer STII-Mangel z. B. bei<br />
konstitutioneller Entwicklungsverz<strong>ö</strong>gerung) und<br />
- eine STII-Refraktärität der Zielorgane, insbeson<br />
dere der Zellen, die IGF I bzw. Somatomedin als<br />
Botenstoff zur Vermittlung der Wachstumswirkun<br />
gen von STH produzieren.<br />
Als sekundäres, z.T. reversibles Phänomen wird par<br />
tieller Hypopituitarismus mit proportioniertem Min<br />
derwuchs bei Mangelernährung, bei chronischen Allgemeinerkrankungen<br />
und bei endokrinen St<strong>ö</strong>rungen<br />
(z.B. Hyperkortisolismus bzw. Cushing-Syndrom),<br />
aber auch bei psychischen Streßsituationen (psychoso<br />
zialer Minderwuchs) beobachtet. Auch hier kann die<br />
St<strong>ö</strong>rung zentral (hypothalamisch) lokalisiert sein oder<br />
(z. B. bei Mangelernährung) auf der Ebene der Somatomedinbildung<br />
liegen (niedrige IGF-I-Spiegel bei erh<strong>ö</strong>h<br />
ter STH-PIasmakonzentration). Eine genetisch veran<br />
kerte St<strong>ö</strong>rung der IGF-I-Sekretion (STII-Rezeptor-<br />
Defekt) ist Ursache des Minderwuchses bei den sog.<br />
Laron-Zwergen und den afrikanischen Pygmäen.<br />
Klinik und Diagnostik: Die Symptomatik des (selte<br />
nen) Ausfalls von glandotropen Partialfunktionen wird<br />
bei den entsprechenden effektorischen Drüsen abge<br />
handelt. Bei adäquater Behandlung entspricht die<br />
Lebenserwartung von Patienten mit HVL-Insuffizienz<br />
der von Kontrollpersonen. Bei Verdacht auf einen<br />
STH-Mangel stehen eine Reihe von Tests zur Untersu<br />
chung der hypophysären Sekretionskapazität unter<br />
Stimulationsbedingungen zur Verfügung. Eine Steige<br />
rung der STH-Ausschüttung beim Kind kann ausge<br />
l<strong>ö</strong>st werden durch<br />
- k<strong>ö</strong>rperliche Belastung 1,5-2 W/kg KG für 10 min<br />
- insulininduzierte 0,1 E/kg KG Altinsulin<br />
Hypoglykämie<br />
- Aminoazidämie 0,5 g/kg KG Arginin-HCI<br />
als Infusion über 30 min<br />
- G l u k a g o n 0 , 5 m g G l u k a g o n i . m .<br />
- Clonidin 0,15 mg/kg KG Clonidin p.o.<br />
- L e v o d o p a 0 , 1 - 0 , 5 g L - D o p a p . o .<br />
- S R H ( G H - R I I ) 1 p g / k g K G S R H i . v.<br />
Als Indikator für eine ausreichende STII-Sekretionsfähigkeit<br />
der Adenohypophyse gilt ein Anstieg des STH-<br />
Plasmaspiegels auf über 15 ug/l (ng/ml). Bleibt die<br />
STH-Konzentration unter 5 ug/l, ist ein absoluter STH-<br />
Mangel wahrscheinlich. Da die oben genannten Stan<br />
dardtests relativ häufig (ca. 15%) falsch positive Ergeb<br />
nisse (unzureichender Anstieg von STH trotz normaler<br />
Sekretionskapazität) bringen, müssen mindestens zwei<br />
dieser Tests pathologisch ausfallen, bevor die Indika<br />
tion für eine therapeutische STH-Substilution gestellt<br />
werden kann. Zur ergänzenden Information kann die<br />
Messung des IGF-I-Spiegels (präpubertär normaler<br />
weise 0,6 E/ml) dienen, ggf. mit Wiederholung der<br />
Messung nach einw<strong>ö</strong>chiger STII-Substitution. Um trotz<br />
normalen Ausfalls der Stimulationstests die Diagnose<br />
eines relativen STII-Mangels (z. B. bei konstitutioneller<br />
Entwicklungsverz<strong>ö</strong>geruiig) zu sichern, muß die STH-<br />
Sekretion im Schlaf (h<strong>ö</strong>chste Werte im Tiefschlaf)<br />
gemessen werden. In der Regel wird den Kindern<br />
nachts über einen Verweilkatheter 5 bis 6 Stunden<br />
lang alle 20 Minuten ven<strong>ö</strong>ses Blut zur Hormonbestimmung<br />
entnommen. Bei konstitutioneller Entwicklungs<br />
verz<strong>ö</strong>gerung sind sowohl die Spitzenwerte (normal<br />
über 15 pg/l) als auch die kumulierte Gesamtsekretion<br />
der Meßphase erniedrigt.
64 Endokrines System<br />
p . ' * " j<br />
Abb.F-8: Hypophysenadenom. Links: Schnittfläche des chromophohen Adenoms. Rechts: Mikrofollikulär<br />
aufgebautes Adenom. Dunkelrote STH-Zellen (-).<br />
6.2 Hyperpituitarismus<br />
6.2.1 Gigantismus/Akromegalie<br />
Begriffsbestimmung - Pathogenese: Die seltene zu<br />
hohe Sekretion von STH bzw. GH (»growth hormone«)<br />
ist Ergebnis einer Wucherung von STII-produzierenden<br />
Zellen der Adenohypophyse, wobei noch nicht<br />
feststeht, ob eine pathologische primäre Zellproliferation<br />
oder eine Überstimulation durch SRI! bzw.<br />
GH-RH, dem hypothalamischen Releasing-Hormon, als<br />
primäre Ursache anzusehen ist. In der Regel wird eine<br />
Ilypersomatotropinämie erst klinisch relevant, wenn<br />
das STH-produ/.ierende Gewebe erhebliches Volumen<br />
erreicht hat (Adenome über 1 cm Durchmesser). Die<br />
STH-sezernierenden Adenome stellen nach den Prolaktinomen<br />
die zweithäufigsten hormonproduzieren<br />
den Tumoren der Adenohypophyse. Ein Teil der Ade<br />
nome produziert neben STH auch das strukturell eng<br />
verwandte Prolaktin.<br />
Klinik: Die klinische Manifestation der STH-Überproduktion<br />
beginnt meist mit der Pubertät, die Diagnose<br />
wird aber häufig erst im 3. und 4. Lebcnsjahrzehnt<br />
gestellt. Da der Beginn der STII-Überproduktion in der<br />
Regel nach dem Abschluß der eigentlichen Wachstumsperiode<br />
liegt, resultiert (von Ausnahmen abgese<br />
hen) kein proportionierter Riesenwuchs (Gigantismus),<br />
sondern eine selektive Vergr<strong>ö</strong>ßerung der K<strong>ö</strong>rperberei<br />
che, in denen das Wachstum noch nicht durch den<br />
Schluß der Epiphysenfugen abgestoppt ist. Bei solchem<br />
als Akromegalie bezeichneten irregulären Wachstum<br />
kommt es zu anormaler Verlängerung des Unterkie<br />
fers, so daß die unteren Schneidezähne vor den oberen<br />
liegen (Supraklusion). Der Schädelknochen, die Nase,<br />
die Augenbrauen- und die Jochbogenregion sind ver<br />
dickt, die Nasennebenh<strong>ö</strong>hlen vergr<strong>ö</strong>ßert. Dadurch<br />
erhält das Gesicht ein stark vergr<strong>ö</strong>bertes Aussehen.<br />
Infolge der Gr<strong>ö</strong>ße der STH-produzierenden Adenome<br />
sind Verdrängungserscheinungen häufig (Kompres<br />
sion der Sehnervenkreuzung mit Gesichtsfeldausfällen<br />
insbesondere in Form bitemporaler Hemianopsie,<br />
Insuffizienz der Produktion anderer HVL-Hormone).<br />
Unabhängig von der eventuellen Kompression basaler<br />
Hirnbereiche klagen die Patienten über Kopfschmer<br />
zen. Hände und Füße vergr<strong>ö</strong>ßern sich vor allem auf<br />
grund einer Weichteilverdickung (Wurstfinger). Die<br />
Gewebszunahmen führen auch zur Kompression des<br />
Karpaltunnelinhalts (Karpaltunnelsyndrom mit St<strong>ö</strong><br />
rungen im Bereich des N. medianiis). Der Brustkorb ist<br />
infolge Rippenverlängerung iäßl<strong>ö</strong>rmig. Die Wirbel<br />
säule zeigt im thorakalen Bereich eine Kyphose bei<br />
einer Lordose im Lendenbereich. Die Knochen-Knor<br />
pel-Veränderungen führen zu Rückenschmerzen und<br />
arthrotischen Beschwerden (vor allem im Kniegelenk),<br />
die vom Patienten häufig als erste bzw. Hauptsymptome<br />
wahrgenommen werden. Die inneren Organe<br />
(Leber, Nieren, Milz, Herz) sind ebenfalls vergr<strong>ö</strong>ßert<br />
(Splanchnomegalie). Die unter STII-Einfluß gesteigerte<br />
Glukoneogenese führt zu verminderter Glucosetoleranz<br />
und in einem Teil der Fälle nach Ersch<strong>ö</strong>pfung der<br />
Gegenregulationsreserve zu Diabetes mellitus, der<br />
Einfluß auf den Fettstofrwech.se] zu Hyperlipidämie.<br />
Bei einem Teil der Patienten fällt vermehrtes Schwit<br />
zen (Hyperhidrosis) auf. Häufig finden sich Symptome<br />
einer Hyperprolaktinäniie (Hypogonadismus), denn die<br />
STH-produzierenden Adenome sezernieren z.T. auch<br />
Prolaktin. Darüber hinaus kann das dem Prolaktin<br />
strukturell sehr ähnliche Somatotropin in hoher Kon<br />
zentration auch Prolaktinrezcptoren aktivieren.<br />
Diagnostik: Wenn das Erscheinungsbild oder die<br />
Beschwerden des Patienten Hinweise auf eine m<strong>ö</strong>gli<br />
che STH-Überproduktion liefern, ist zur Diagnosestel<br />
lung eine STH-PIasmaspiegelbeslimmung indiziert.<br />
Werte unter 1 mg/I (ng/ml) schließen eine Akromegalie
E. Erkrankungen der Hypophyse 65<br />
aus, Werte über 20 mg/1 sprechen für sie. Im Zweifelsfäll<br />
sollte die Bestimmung nach Suppression der STII-<br />
Produktion durch Hyperglykämie (100 g Glukose per<br />
os) wiederholt werden. Wenn eine STH-Hypersekretion<br />
vorliegt, ist durch R<strong>ö</strong>ntgenaufnahmen und ein CT<br />
bzw. besser eine NMR-Darstellung zu klären, ob und<br />
ggf. in welcher Gr<strong>ö</strong>ße raumfordernde Adenome der<br />
Hypophyse vorhanden sind. Ergänzend ist eine neuro<br />
logische Untersuchung insbesondere auf Hirnnervenschädigung<br />
durchzuführen. Bei gesicherten Adenomen<br />
sollte die Beeinträchtigung der sonstigen Funktionen<br />
der Adenohypophyse (glandotrope Hormone) durch<br />
Stimulationstests geprüft werden.<br />
sie dringen in präformierte Gewebsspalten ein. Sie<br />
deformieren den angrenzenden Knochen und verur<br />
sachen Verdrängungserscheinungen (Gesichtsfeldaus<br />
fälle durch Kompression der Sehnervenkreuzung, z. B.<br />
als bitemporale Hemianopsie, Lähmung von äußeren<br />
Augenmuskeln). Zur Sicherung der Diagnose Hyperprolaktinämie<br />
dient die Messung des Plasma-Prolaktinspiegels.<br />
Bei Werten über 100 ug/l bzw. ng/ml ist<br />
das Vorhandensein eines Prolaktinoms wahrschein<br />
lich, bei Werten über 250 ug/l praktisch sicher. Durch<br />
hochaufl<strong>ö</strong>sende bildgebende Verfahren (CT oder NMR)<br />
kann die Existenz und Gr<strong>ö</strong>ße der Adenome festgestellt<br />
werden.<br />
6.2.2 Hyperprolaktinämie<br />
Begriffsbestimmung - Pathogenese: Eine zu hohe<br />
Sekretion von Prolaktin geht meist von prolaktinbildenden<br />
Adenomen aus. Die Prolaktinome stellen den<br />
gr<strong>ö</strong>ßten Anteil der HVL-Adenome. K<strong>ö</strong>nnen keine Ade<br />
nome nachgewiesen werden (»idiopathische Hyper<br />
prolaktinämie«), ist eine Enthemmung der Hormon<br />
produktion durch zu geringe Bildung oder Wirkung<br />
des hypothalamischen Hemmungshormons Dopamin<br />
anzunehmen. Als Ursache für eine Hyperprolaktin<br />
ämie kommen entsprechend auch Medikamente in<br />
Betracht, die die neuronale Synthese von Dopamin<br />
hemmen (z. B. Alphamethyldopa), die Dopaminspeicher<br />
der Nervenzelle entleeren (z. B. Reserpin) oder<br />
die postsynaptische Wirkung von Dopamin reduzieren<br />
(z. B. Sedativa und Neuroleptika wie Chlorpromazin<br />
und Haloperidol, Antidepressiva wie Amitryptilin,<br />
Antiemetika wie Metoclopramid). Eine Stimulation der<br />
Prolaktinsekretion ist auch für weitere Gruppen von<br />
Medikamenten (IIr und H2-Antihistaminika, Opioide,<br />
Östrogene, Androgenantagonisten wie Cyproteronace<br />
tat) nachgewiesen worden. Einen Spezialfall stellt die<br />
Hyperprolaktinämie bei Hypothyreose dar, die durch<br />
die bei Schilddrüsenhormonmangel erfolgende Ent<br />
hemmung der TRII-Sekretion ausgel<strong>ö</strong>st wird (TRII ist<br />
auch Releasing-Hormon für Prolaktin).<br />
Klinisch führt eine Hyperprolaktinämie vor allem zu<br />
Hypogonadismus (trotz meist normaler Gonadotropinspiegel).<br />
Wenn die Prolaktinkonzcntration im Plasma<br />
(normal ca. 15 ug/l bzw. ng/ml) auf über das Dreifache<br />
steigt, wird der ovarielle Zyklus der erwachsenen Frau<br />
gest<strong>ö</strong>rt (Arrhythmie der Blutungen, schließlich Amenorrli<strong>ö</strong>).<br />
Die Gonadenfunktion des Mannes wird erst bei<br />
h<strong>ö</strong>heren Prolaktinspiegeln (über 100 ug/l) stärker<br />
beeinträchtigt (Verlust der Libido, Infertilität). Bei<br />
etwa zwei Drittel der Frauen (und einem geringeren<br />
Prozentsatz der Männer) mit Hyperprolaktinämie setzt<br />
eine irreguläre Milchproduktion der Brustdrüse ein<br />
(Galaktorrh<strong>ö</strong>). Bei Männern kann es daneben zu Gynäkomastie<br />
kommen. Prolaktinproduzierende Mikroadenome<br />
(Durchmesser unter 1 cm) wachsen langsam und<br />
bilden sich z.T. sogar spontan zurück. Ein geringer<br />
Prozentsatz (ca. 10%) der Adenome vergr<strong>ö</strong>ßert sich<br />
stärker bis zum Makroadenom (Durchmesser über<br />
1 cm). Diese Adenome wachsen z.T. »invasiv«, d.h..<br />
6.2.3 Überproduktion glandotroper Hormone<br />
Begriffsbestimmung - Pathogenese: Bei der generell<br />
sehr seltenen Hypersekretion glandotroper Hormone<br />
ist die von Corticotropin (ACTH) noch am häufigsten.<br />
Basis des ACTH-Exzesses sind meist multiple Mikroadenome,<br />
die sich weitgehend der Rückkopplungshemmung<br />
durch die effektorischen Glukokortikoide<br />
entziehen, aber durch das hypothalamische Releasing-<br />
Hormon (CRH) beeinflußbar bleiben. Charakteristisch<br />
für die hypophysär bedingte Nebennierenrindenüberfunktion<br />
(zentrales Cushing-Syndrom) ist eine stark<br />
gesteigerte, nicht mehr im Tagesrhythmus schwan<br />
kende Cortisolkonzentration bei gronzwertig erh<strong>ö</strong>htem<br />
ACTH- und erniedrigtem CRH-Plasmaspiegel.<br />
Klinik: Das durch die ACTII-produzierenden Adenome<br />
ausgel<strong>ö</strong>ste Krankheitsbild entspricht dem adrenal<br />
bedingten Cushing-Syndrom. Wenn durch bilaterale<br />
Adrenalektomie nur die Glukokortikoidüberproduktion<br />
beseitigt wird, kann es zur Vergr<strong>ö</strong>ßerung des jetzt<br />
vollständig enthemmten HVL-Adcnoms mit exzessiver<br />
ACTH-Sekrction (Nelson-Tumor) kommen. Charakte<br />
ristisch für diesen Verlauf ist eine Hyperpigmentierung<br />
der Haut, denn aus dem Voiiäufermolekül von ACTH<br />
(Proopiomelanocortin) wird bei der ACTH-Sekrelion<br />
auch MSH (melanozytenstimulierendes Hormon) frei<br />
gesetzt. Als extreme Raritäten kommen HVL-Adenome<br />
vor, die FSH (nicht LH) oder TSH sezernieren. Bei FSH-<br />
Überproduktion kommt es zu sekundärem Hypogona<br />
dismus, bei TSH-Überproduktion zu Hyperthyreose.<br />
6.3 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen des<br />
hypothalamisch-neurohypophysären<br />
Systems<br />
Begriffsbestimmung: Antidiuretisches Hormon (ADH)<br />
und Oxytocin werden von hypothalamischen Neuronen<br />
synthetisiert und in der Neurohypophyse nur freige<br />
setzt, so daß St<strong>ö</strong>rungen vor allem bei pathologischen<br />
Prozessen im Hypothalamus zu erwarten sind. Sym<br />
ptome von Krankheitswert treten nur bei St<strong>ö</strong>rungen<br />
der ADH-, nicht aber bei solchen der Oxytocinsekretion<br />
auf.
66 Endokrines System<br />
6.3.1 Diabetes insipidus<br />
Begriffsbestimmung: Bei Diabetes insipidus besteht<br />
eine extrem hohe renale Wasserausscheidung bei ver<br />
minderter Konzentrationsfähigkeit des distalen Tubulussystems<br />
der Niere. Zum zentralen Diabetes insipi<br />
dus kommt es, wenn die entsprechenden hypothalami<br />
schen Neurone nicht genügend ADH (Arginin-Vasopressin)<br />
produzieren bzw. freisetzen.<br />
Pathogenese: Am häufigsten ist die sog. idiopathische<br />
Form ohne nachweisbare Ursache. An zweiter Stelle<br />
kommt der durch Hirngeschwülste (Kompression der<br />
hypothalamischen Kerngebiete) verursachte Diabetes<br />
insipidus. Nach Ilypophysektomie wird eine milde<br />
Form des zentralen Diabetes insipidus beobachtet,<br />
denn auch nach Durchtrennung des Hypophysenstiels<br />
bleibt ein Teil der hypothalamischen, ADH-produzierenden<br />
Neurone funktionsfähig. Ein Diabetes insipidus<br />
auf der Basis anderer Ursachen (Infektionen, Arterio<br />
sklerose usw.) ist eine Rarität. Bei der peripheren,<br />
renalen Form des Diabetes insipidus wird der distale<br />
Abschnitt des Harnkanälchensystems unempfindlich<br />
gegenüber der wasserpermeabilitätssteigernden Wir<br />
kung von ADH. Neben einer kongenitalen gibt es<br />
erworbene Formen der ADII-Resistenz, die u.a. durch<br />
Hypokaliämie, Hyperkalzämie und (reversibel) durch<br />
Litliiumsalze hervorgerufen werden.<br />
Klinik und Diagnostik: Der Verdacht auf das Vorlie<br />
gen eines Diabetes insipidus ist gegeben, wenn die<br />
tägliche Trink- und Urinmenge 3 I übersteigt. Typisch<br />
ist, daß die Patienten nicht durchschlafen k<strong>ö</strong>nnen,<br />
sondern nachts zum Trinken und Wasserlassen aufste<br />
hen müssen. Wenn nach einer Nacht Flüssigkeitska<br />
renz die Osmolalität des Morgenurins über 800 mosmol/kg<br />
oder die des Plasmas unter 295 mosmol/kg<br />
liegt, kann ein Diabetes insipidus ausgeschlossen wer<br />
den. Bei Patienten mit Diabetes insipidus bleibt die<br />
Urinosmolalität im Durstversuch unter 400 mosmol/<br />
kg. Wenn die Urinosmolalität auch nach zusätzlicher<br />
Gabe des selektiven V2-Rezeptor-Agonisten DDAVP (1-<br />
Desamino-8-D-arginin-Vasopressin bzw. Desmopres<br />
sin) niedrig bleibt, liegt eine renale Form des Diabetes<br />
insipidus vor, bei Osmolalitätsanstieg eine zentrale<br />
Form.<br />
6.3.2 Inadäquat hohe ADH-Sekretion<br />
Begriffsbestimmung - Pathogenese: Ein zu hoher<br />
Blutspiegel von Adiuretin (»syndrome of inappropriate<br />
secretion of antidiuretic hormone«, SIAD1I; Schwartz-<br />
Bartter-Syndrom) beruht meist auf einer ektopen<br />
ADH-Produktion durch Malignome, insbesondere<br />
kleinzellige Bronchialkarzinome (paraneoplastisches<br />
Syndrom). Bei den zentralen, hypothalamischen For<br />
men k<strong>ö</strong>nnen die die ADH-Sekretion ausl<strong>ö</strong>senden<br />
Osmorezeptoren überempfindlich sein. Es kann aber<br />
auch ein selektiver Verlust der Sekretionshemmung<br />
durch extrazelluläre Hypoosmolalität oder ein generel<br />
ler Verlust der Osmosensibilität der ADH-produzierenden<br />
Zellen vorliegen.<br />
Klinik: Charakteristisch für das SIADII ist die Kombi<br />
nation von Hyponatriämie und Hypoosmolalität des<br />
Plasmas mit hoher Urinosmolalität und fortbestehen<br />
der Natriurcse. Die Symptome Dehydratation und<br />
Hypovolämio, die bei anderen zu Hyponatriämie füh<br />
renden endokrinen St<strong>ö</strong>rungen (z. B. Hypoaldosteronismus)<br />
auftreten, fehlen. Eine Messung des ADH-Plasmaspiegels<br />
(in Relation zur Plasmaosmolalität zu hohe<br />
Werte) sichert die Diagnose. Bei den paraneoplastisch<br />
induzierten Formen des SIADII wird die Prognose<br />
durch das Grundleiden bestimmt.
67<br />
F. Erkrankungen der Zirbeldrüse<br />
1 Nichttumor<strong>ö</strong>se Erkrankungen<br />
Zu den angeborenen Fehlbildungen geh<strong>ö</strong>rt die Pinealisaplasie,<br />
die im Rahmen komplexer Hirnmißbildun<br />
gen beobachtet wird.<br />
Zu den Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen zählen die in sonst<br />
normalen Zirbeldrüsen vorkommenden verkalkten<br />
Proteoglykanablagerungen, die als Hirnsand bezeich<br />
net werden und deren Bedeutung noch unklar ist.<br />
Ferner wird eine Beteiligung dieses Organs bei ver<br />
schiedenen Systemerkrankungen (Hämochromatose,<br />
Amyloidose) nachgewiesen.<br />
Entzündungen (Epiphysitis) kommen als lokale<br />
Begleitveränderung im Rahmen einer Tuberkulose<br />
oder einer eitrigen Leptomeningitis vor.<br />
2 Tumoren<br />
Zu den wichtigsten, aber seltenen Neubildungen der<br />
Zirbeldrüse (Topographie C75.3) zählen folgende<br />
Tumoren:<br />
2.1 Germinom<br />
Etwa % aller Pinealistumoren geh<strong>ö</strong>ren in diesen For<br />
menkreis. Es handelt sich um Neubildungen, die mor<br />
phologisch an Hodenseminome erinnern: Sie bestehen<br />
aus gr<strong>ö</strong>ßeren hellen Zellen, die kleine Gruppen von<br />
Lymphozyten einschließen. Betroffen sind vorwiegend<br />
Patienten im 10. bis 30. Lebensjahr. Die Neubildungen<br />
weisen ein lokal destruktives Wachstum auf.<br />
2.2 Pinealzellentumoren<br />
Die Tumoren, die von der Hauptzelle des Corpus<br />
pineale abgeleitet werden, bezeichnet man unter<br />
Berücksichtigung des Differenzierungsgrades als<br />
Pineozytome bzw. Pineoblastome. Sie kommen in jeder<br />
Altersklasse vor.<br />
■ Pineozytome entsprechen morphologisch den<br />
Hauptzellen. Die eosinophilen Zellen k<strong>ö</strong>nnen Roset<br />
ten mit zentralen, versilberbaren Fasern bilden.<br />
Pineoblastome sind<br />
Medulloblastome.<br />
unreifer und erinnern an<br />
Abb.F-l: Oben: Pineoblastom. Dicht/eiliger entdificrenzierter<br />
Tumor. Hechts im Bild Anteile des Kleinhirns. HE-Fbg.<br />
Unten: Germinom. Punktionsausstrich mit großen Tumor<br />
zellen (T) und kleinen Lymphozyten (L). Methylenblau-Fbg.<br />
2.3 Teratome<br />
Diese Neubildungen bestehen aus reifen und unreifen<br />
Gewebspartien und entsprechen den Neubildungen<br />
der Keimdrüsen. Zu den einseitig differenzierten Tera<br />
tomen zählt das Chorionkarzinom.<br />
Klinik der Tumoren: Die primären Neubildungen des<br />
Corpus pineale weisen Zeichen einer lokalen Malignität<br />
auf. Eine Ausbreitung erfolgt über das Liquorsystem.<br />
Typisches klinisches Zeichen ist das Parinaud-<br />
Symptom (konjugierte vertikale Blicklähmung mit<br />
Konvergenzparesc der Bulbi oculi). Durch Bildung von<br />
gonadotropinähnlichen Hormonen kann sich das klini<br />
sche Bild einer Pubertas praecox entwickeln. In ande<br />
ren Fällen kommt es zu einer Retardierung der Sexual<br />
entwicklung (Melatonineinwirkung?).
68 Endokrines System<br />
G- Erkrankungen der Schilddrüse<br />
Abb. G-l: Angeborene Schilddrüsenveränderungen. Links: Struma neonati (neben der normalen Schilddrüse eines<br />
Neugeborenen). Rechts: Struma vasculosa neonatorum. Fetale (kolloidarme) Schilddrüse mit den Zeichen einer ausgeprägten<br />
Hyperämie. HF-Fbg.<br />
1 Fehlbildungen 2 Kreislaufst<strong>ö</strong>rungen<br />
Zu den wichtigsten Fehlbildungen zählt die Aplasie,<br />
die mit den klinischen Zeichen einer Hypothyreose<br />
einhergeht. Als Ektopie bezeichnet man die Verlage<br />
rung von Schilddrüsengewebe, das in der mittleren<br />
Halsregion - vom Zungengrund (Zungengrundstruma)<br />
bis zum Schilddrüsenisthmus - vorkommen kann. Von<br />
diagnostischer Bedeutung ist das ektope Schilddrüsengewebe<br />
in Halslymphknoten, da es eine Metastase<br />
vortäuschen kann. Schilddrüsengewebe ist - als<br />
Struma ovarii - auch im Ovar nachzuweisen und als<br />
Anteil eines reifen Teratoms zu deuten. Aus Resten des<br />
Ductus thyreoglossus kann sich eine mediane Halszyste<br />
entwickeln, die von Zylinderepithel ausgekleidet<br />
ist. Bei der Struma neonati liegt zum Zeitpunkt der<br />
Geburt eine vergr<strong>ö</strong>ßerte Schilddrüse (Gewicht 10 bis<br />
30 g) vor und ist meist auIModmangel, seltener auf die<br />
Einwirkung strumigener Substanzen seitens der Mut<br />
ter während der Schwangerschaft zurückzuführen.<br />
Kreislaufst<strong>ö</strong>rungen spielen in der Schilddrüse eine<br />
untergeordnete Rolle. Hervorzuheben ist die Struma<br />
vasculosa neonatorum, bei der es während der Geburt<br />
zu einer Einklemiiiiingsstauung des Organs kommt.<br />
3 Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
Die Schilddrüse kann im Rahmen verschiedener gene<br />
ralisierter Stoffwechselerkrankungen (z. B. Ilämochromatose)<br />
beteiligt sein. Amyloidablagerungen wer<br />
den bei einer primären Amyloidose sowie als Stromaablagcrungen<br />
beim medullären C-Zellen-Karzinom<br />
beobachtet. Von gr<strong>ö</strong>ßerer Bedeutung ist die Struma im<br />
engeren Sinne, die als nicht maligne und nicht ent<br />
zündlich bedingte! Schilddrüsenvergr<strong>ö</strong>ßerung (Organ<br />
gewicht über 60 g) definiert wird. Sic kann bei Patien<br />
ten mit euthyreoter, hypothyreoter oder hyperthyreo<br />
ter Stoffwechsellage auftreten.
G. Erkrankungen der Schilddrüse 69<br />
Abb.G-2: Struma. Links: Struma nodosa. Deutlich vergr<strong>ö</strong>ßerte und knotig umgewandelte Schilddrüse. Hechts oben:<br />
Schnittfläche einer Struma diffusa colloides mit einer kleinen knotigen Hyperplasie. Rechts unten: Struma nodosa colloides.<br />
Der Kropf mit normaler Funktion (Struma mit euthyreoter<br />
Stoffwechsellage) wird auch als blande Struma<br />
bezeichnet. Die Veränderung kann sporadisch oder<br />
endemisch (mehr als 10% der Bev<strong>ö</strong>lkerung ist betrof<br />
fen) - besonders in Gebirgsgegenden - vorkommen.<br />
Formalpathogenetisch spielt der Jodmangel (Auf<br />
nahme unter 150 ug Jod/Tag) eine wichtige Rolle.<br />
Frauen sind bis zu 5mal häufiger betroffen als Männer.<br />
Eine strumigene Wirkung weisen verschiedene Verbin<br />
dungen auf, die z.T. als Nahrungsmittel (Wirsingkohl,<br />
Weißklee, Grünkohl, Samen von Raps, Sojabohnen)<br />
oder in Medikamenten aufgenommen werden und die<br />
Bildung bzw. Freisetzung des Schilddrüseniiormons<br />
blockieren. Auf diese Weise kommt es zu einer gestei<br />
gerten TSH-Produklion, die zu einer Follikelepithel<br />
hyperplasie führt. Zu diesen Verbindungen zählen:<br />
Thiozyanat, Perchlorat, Nitrat, .Jodat, zyanogene Gly<br />
koside. Thioharnstoff, Thiouracil, Phenylbutazon u.a.<br />
■ Struma diffusa: Die vergr<strong>ö</strong>ßerte Schilddrüse behält<br />
zunächst ihre Form bei. Man unterscheidet eine<br />
kolloidarme (Struma parenehymatosa) und eine kolloidreiche<br />
Form (Struma colloides). Struma paren<br />
ehymatosa: Die Follikel sind kolloidarm, die Follikelepithelien<br />
kubisch bis zylindrisch. Bei der Adoleszentenstruma<br />
fehlen die Zeichen einer inkretorischen<br />
Hyperfunktion. Diese Form kommt bevorzugt<br />
bei jungen Menschen - als Folge eines Jodmangels<br />
oder eines erh<strong>ö</strong>hten Jodbedarfs (z. B. während der<br />
Schwangerschaft) - vor. Beim Morbus Basedow<br />
liegen histologische Veränderungen entsprechend<br />
einer gesteigerten endokrinen Aktivität vor. Struma<br />
diffusa colloides: Makroskopisch liegt eine weitge<br />
hend gleichmäßige, honigartig glänzende Schnittflä<br />
che vor. Histologisch findet man große Follikel, die<br />
von abgeflachten Thyreozyten ausgekleidet werden<br />
und ein homogen eosinrotes Kolloid einschließen.<br />
Struma nodosa: Diese Kropfform des Erwachsenen<br />
kann aus einer Kolloidstruma hervorgehen und ist<br />
durch einen knotigen Umbau gekennzeichnet. In<br />
den meisten Fällen handelt es sich um Pseudoknoten<br />
(knotige Hyperplasie), die aus kolloidreichen<br />
Follikeln bestehen. Durch Kompression des benach<br />
barten Gewebes kommt es zu regressiven Verände<br />
rungen wie Nekrosen, Blutungen. Ablagerung von
70 Endokrines System<br />
Cholesterinkristallen und Hyalin sowie zur Bildung<br />
von Narben. Durch wechselnde Stimulierung k<strong>ö</strong>n<br />
nen kleine Knoten mit einem trabekulären oder<br />
mikrofollikulären Aufbau entstehen. Die häufiger<br />
von einer (unvollständigen) Kapsel umgebene<br />
Struma adenomat<strong>ö</strong>s;! ist nur schwer von einem<br />
echten follikulären Adenom abzugrenzen. Der<br />
Nachweis von multiplen Knoten mit unterschiedli<br />
chem histologischem Bild führt zur Diagnose<br />
»Struma adenomatosa«.<br />
Klinik: Die durch eine euthyreote Struma hervorgeru<br />
fenen Beschwerden hängen von der Gr<strong>ö</strong>ße (siehe<br />
WHO-Einteilung) und Lokalisation der Schilddrüse ab.<br />
Häufiger stellt sie nur ein kosmetisches Problem<br />
(Kropfträger) dar, in anderen Fällen ruft sie Beschwer<br />
den durch Kompression benachbarter Organe (Kropfkranker)<br />
hervor. Zu diesen St<strong>ö</strong>rungen geh<strong>ö</strong>ren der<br />
inspiratorische Stridor (Dyspnoe) oder Heiserkeit<br />
(Rekurrensparese bei Rezidivstrumen oder retroster<br />
naler Lokalisation). Eine pl<strong>ö</strong>tzliche Vergr<strong>ö</strong>ßerung der<br />
Struma kann Folge einer intrathyreoidalen Blutung<br />
sein und ist von einer malignen Entartung abzugren<br />
zen. Die klinische Untersuchung muß durch bildge<br />
bende Verfahren (einfache Thorax-R<strong>ö</strong>ntgenaufnahme,<br />
Sonographie mit Volumenbestimmung oder Szintigra<br />
phie mit 99mTc) und durch Hormonbestimmungen im<br />
Serum (TSH, FT:{ und FT4) ergänzt werden. Verdäch<br />
tige Knotenbildungen sind durch Punktionszytologie<br />
oder histologische Untersuchung abzuklären.<br />
;;«v-<br />
• >■>.•'<br />
Stadien der Struma (WHO-Einteiiung)<br />
Stadium 0<br />
Stadium I<br />
Stadium Ia<br />
Stadium Ib<br />
Stadium II<br />
Stadium III<br />
keine Struma nachweisbar<br />
Struma nur tastbar<br />
Bei normaler Kopfhaltung ist die Struma<br />
nicht erkennbar, oder es liegt ein kleiner<br />
Knoten in einer sonst normalen Schild<br />
drüse vor.<br />
Struma nur bei nach hinten gestrecktem<br />
Kopf erkennbar<br />
bei normaler Kopfhaltung erkennbare<br />
Struma<br />
Stark vergr<strong>ö</strong>ßerte Schilddrüse, die schon<br />
aus gr<strong>ö</strong>ßerer Fntfernung erkennbar ist.<br />
Sichtbare Finflußstauung.<br />
Komplikationen: Eine besonders große Struma kom<br />
primiert die Trachea, die seitlich abgeflacht wird<br />
(Säbelscheidentrachea). Ein lang andauernder Druck<br />
auf die Knorpelspangen der Luftr<strong>ö</strong>hre führt zu einer<br />
Nekrose (Tracheomalazie -* Kollaps der Trachealwand<br />
nach Strumektomie). Gr<strong>ö</strong>ßere Strumen weisen<br />
Abb.G-3: Struma. Oben: Übersichtsbild einer Struma diffusa<br />
colloides mit abgeflachten Follikelepithelien. Homogenes<br />
eosinrotes Kolloid. Unten: Cholesterinkristallücken als Zei<br />
chen regressiver Veränderungen. HF-Fbg.<br />
ausgedehnte regressive Veränderungen auf, die von<br />
der frischeren Blutung über eine Vernarbung bis zur<br />
Verkalkung und Verkn<strong>ö</strong>cherung reichen. Eine Vergr<strong>ö</strong><br />
ßerung der Schilddrüse kann kaudalwärts in das obere<br />
Mediastinum erfolgen (Struma retrosternal) und hier<br />
zu einer Kompression der Organe führen (Einflußstauung,<br />
Dyspnoe, Rekurrensparese). Der Übergang einer<br />
euthyreoten in eine hyperthyreote Stoffwechsellage<br />
durch Verabreichung von Jod (z. B. durch Kontrastmit<br />
tel) bei vorhandener funktioneller Autonomie von<br />
Gruppen von Thyreozyten wird als Struma basedowiflcata<br />
bezeichnet. In diesen Fällen liegt szintigraphisch<br />
eine fleckige Anreicherung vor, die beim M. Basedow<br />
homogen erscheint.<br />
Ein kausalpathogenetischcr Zusammenhang zwischen<br />
Struma und Schilddrüsenkarzinom ist umstritten.<br />
Gesichert ist, daß in Strumen die maligneren Formen<br />
eines Karzinoms (follikuläres oder anaplastisches Kar<br />
zinom) häufiger vorkommen und daß dies später dia-
G. Erkrankungen der Schilddrüse 71<br />
gnostiziert wird als der Befund eines Karzinoms in<br />
einer sonst normalen Schilddrüse. Eine Rezidivstruma<br />
kommt bei ca. 20% der strumektomierten Patienten<br />
vor, wenn postoperativ keine Rezidivprophylaxe<br />
durchgeführt wurde. Bei jungen Frauen k<strong>ö</strong>nnen diese<br />
Werte auf 50% ansteigen. Die histologische Diagnostik<br />
einer operativ entfernten Rezidivstruma kann Schwie<br />
rigkeiten bereiten, da der Nachweis von Schilddrüscngewebe<br />
im benachbarten Binde- und Muskelgewebe<br />
eine karzinomat<strong>ö</strong>se Invasion vortäuscht.<br />
4 Entzündungen<br />
Entzündungen der Schilddrüse k<strong>ö</strong>nnen sich in einer<br />
normalen Drüse (Thyreoiditis) oder auf dem Boden<br />
einer Struma (Strumitis) entwickeln. Sie k<strong>ö</strong>nnen un<br />
spezifisch (eitrige Thyreoiditis bei Sepsis) sein oder -<br />
als spezifische Entzündungen - besondere Gewebsreaktionen<br />
hervorrufen.<br />
Abb. G-4: Quervain-Thyreoiditis. Fremdk<strong>ö</strong>rperriesenzellen<br />
um Kolloid. Fntzündliche Stromainfiltration. HF-Fbg.<br />
4.1 Quervain-Thyreoiditis<br />
Bei der subakuten, nichteitrigen Quervain-Thyreo<br />
iditis liegt eine schmerzhafte Vergr<strong>ö</strong>ßerung der Schild<br />
drüse vor. Besonders betroffen sind Frauen im 2. bis<br />
5. Dezennium. Als Ursache wird eine Virusinfektion<br />
(besonders Mumps-, Coxsackie-, Adenoviren) disku<br />
tiert. Histologisch findet man Kolloidfollikel, die von<br />
mehrkernigen Riesenzellen vom Fremdk<strong>ö</strong>rpertypus<br />
umgeben sind. Ferner liegt ein entzündliches Infiltrat<br />
vor.<br />
4.2 Chronisch lymphozytäre Thyreoiditis<br />
Die chronisch lymphozytäre Hashimoto-Thyreoiditis<br />
ist mit 80% die häufigste Form einer Schilddrüsenentzündung.<br />
Sie kommt vorwiegend bei Frauen im 4. bis<br />
5. Dezennium vor. Formalpathogenetisch geh<strong>ö</strong>rt sie zu<br />
den Autoimmunerkrankungcn (Antik<strong>ö</strong>rper gegen Thy<br />
reoglobulin, mikrosomale Antigene und gegen antinukleäre<br />
Antigene) und kann folgende Varianten zeigen:<br />
■ Lymphozytär hyperplastische Thyreoiditis: Die<br />
Schilddrüse ist unregelmäßig vergr<strong>ö</strong>ßert und von<br />
fester, elastischer Beschaffenheit. Histologisch ste<br />
hen große knotige Infiltrate aus Lymphozyten und<br />
Plasmazellen im Vordergrund. Charakteristisch ist<br />
die Bildung von Keimzentren. Die Follikel sind weit<br />
gehend zerst<strong>ö</strong>rt, die Thyreozyten z.T. onkozytär<br />
umgewandelt.<br />
Abb. G-5: Chronisch lymphozytäre Hashimoto-Thyreoiditis.<br />
Dichte knotige lymphozytäre Infiltration mit Ausbildung von<br />
Keimzentren. HF-Fbg.
72 Endokrines System<br />
■ Lymphozytär atrophische Thyreoiditis: Histolo<br />
gisch erkennt man eine stark vernarbte Schilddrüse<br />
mit dichter lympho-plasmazellulärer Infiltration.<br />
■ Die lymphozytische Thyreoiditis ist gekennzeichnet<br />
durch das frühe Manifestationsalter (30 Jahre), die<br />
etwas geringere lymphozytäre Infiltration und das<br />
Fehlen einer onkozytären Umwandlung der Thyreozyten.<br />
■ Die fokale lymphozytäre Thyreoiditis tritt in einer<br />
vorgeschädigten Schilddrüse auf und kommt in 30%<br />
der Knotenstrumen vor.<br />
Klinisch steht bei der lymphozytären Thyreoiditis die<br />
Organvergr<strong>ö</strong>ßerung im Vordergrund. Die Diagnose<br />
wird histologisch im Rahmen einer Strumektomie bzw.<br />
durch don Nachweis von Antik<strong>ö</strong>rpern gesichert. Zu den<br />
Komplikationen zählt die Hypothyreose. Bei lange<br />
andauernden Verlaufsformen muß mit einem h<strong>ö</strong>heren<br />
Risiko, an einem malignen Non-Hodgkin-I.ymphom zu<br />
erkranken, gerechnet werden.<br />
4.3 Invasive sklerosierende<br />
Riedel-Thyreoiditis<br />
Die eisenharte Struma wird bevorzugt bei 40 Jahre<br />
alten Frauen diagnostiziert. Die Pathogenese ist noch<br />
ungeklärt. Diagnostische Merkmale sind eine brett<br />
harte sklerosierende Entzündung, die die Organkapsel<br />
durchbricht und das <strong>ö</strong>rtliche Parenchym zerst<strong>ö</strong>rt.<br />
Klinisch steht zunächst ein über 2 bis 6 Monate verlau<br />
fender progredienter Vernarbungsprozeß im Vorder<br />
grund. Die Schilddrüse ist von sehr fester Beschaffen<br />
heit und täuscht ein Karzinom vor. Die Diagnose ist mit<br />
genügender Sicherheit nur durch Probeexzision zu<br />
stellen. Die meisten Fälle gehen in eine spontane<br />
Remission über, Funktionsst<strong>ö</strong>rungen bleiben nicht zu<br />
rück.<br />
4.4 Spezifische Entzündungen<br />
Die Schilddrüse kann bei verschiedenen disseminier<br />
ten Infektionskrankheiten (z. B. Tuberkulose oder Sar<br />
koidose) beteiligt sein.<br />
Abb.G-6: Riedel-Struma. Oben: Ausgeprägte narbige Durch<br />
setzung des Schilddrüsengewebes. Unten: Diffuse narbige<br />
Kollagenf'aservermehrung mit eingeschlossenen Schilddrüsenibllikeln.<br />
HF-Fbg.
G. Erkrankungen der Schilddrüse 73<br />
5 Tumoren<br />
Vorbemerkungen: In der Schilddrüse kommen zahl<br />
reiche Tumorvarianten vor, die in der Vergangenheit<br />
mit z.T. verwirrenden Namen versehen wurden. Die<br />
WHO hat sich bemüht, die Zahl dieser Neubildungen zu<br />
reduzieren, um auf diese Weise die Systematik der<br />
primären Schilddrüsenneubildiingen übersichtlicher<br />
zu gestalten. Bezeichnungen wie trabekuläres Karzi<br />
nom Marchand, Struma Getzowa, »melastasierendcs<br />
Adenom«, IIürtlile-Zell-Tumor, wuchernde Struma<br />
Langhaus u. a. finden heute keine Anwendung mehr.<br />
Die primären Neubildungen der Schilddrüse werden<br />
nach histogenetischen Prinzipien unterteilt:<br />
■ Epitheliale Neubildungen k<strong>ö</strong>nnen vom Follikelepi<br />
thel (Thyreozyten), aus den parafollikulären C-Zel<br />
len oder aus Resten des Ductus thyreoglossus her<br />
vorgehen. Neubildungen des Follikelopilhels wer<br />
den unter Berücksichtigung ihres feingeweblichen<br />
Aufbaus und des Zelltyps in follikuläre, papilläre<br />
und anaplastische Tumoren differenziert.<br />
■ Mesenchymale Tumoren entstehen aus dem <strong>ö</strong>rt<br />
lichen Stroma (z. B. als Fibro-, Osten- oder Angiosarkome)<br />
oder sind die lokale Manifestation einer<br />
malignen Systemerkrankung (Hodgkin- und Non-<br />
I -lodgkin-Lymphome).<br />
WHO-Systematik und Kodierung<br />
1 Epitheliale Tumoren<br />
1.1 Gutartige Tumoren<br />
1.1.1 Follikuläres Adenom<br />
- normofollikulär (simplex)<br />
8330/0<br />
- makrofollikulär (kolloid)<br />
- mikrofollikulär (fetal)<br />
- trabekulär-solid (embryonal)<br />
1.1.2 Andere Adenome<br />
1.2 B<strong>ö</strong>sartige Tumoren<br />
1.2.1 Follikuläres Karzinom 8330/3<br />
I lochdifferenzierte Variante 8331/3<br />
Trabekuläre Variante 8332/3<br />
Klarzelliges Karzinom<br />
Onkozytäre Variante<br />
1.2.2 Papilläres Karzinom<br />
8260/3<br />
Papilläres Mikrokarzinom<br />
Abgekapselte Variante<br />
Follikuläre Variante<br />
Diffus sklerosierende Variante<br />
Onkozytäre Variante<br />
1.2.3 Plattenepithelkarzinom 8070/3<br />
1.2.4 Undifferenziertes Karzinom 8020/3<br />
Anaplastisches Karzinom 8021/3<br />
Spindelzelliger'Typ 8032/3<br />
Riesenzelliger Typ 8031/3<br />
Kleinzelliger Typ 8510/3<br />
1.3 Medulläres C-Zellen-Karzinom 8510/3<br />
- mit Amyloid im Stroma 8511/3<br />
Genetisch verankerte Varianten<br />
Medullär-follikuläre Variante<br />
2 Nichtepitheliale Tumoren<br />
2.1 Gutartige Tumoren<br />
2.2 Maligne Tumoren<br />
2.2.1 Fihrosarkom 8810/3<br />
2.2.2 Andere Tumoren<br />
3 Verschiedene Tumoren<br />
3 . 1 K a r z i n o s a r k o m 8 9 8 0 / 3<br />
3.2 Malignes Hämangioendotheliom 9130/3<br />
3.3 Maligne Lymphome —/3<br />
3.4 Teratome 9080/.<br />
4 M e t a s t a s e n — / 6<br />
5 N i c h t k l a s s i fi z i e r t e Tu m o r e n 8 0 0 0 / .<br />
6 Tumorähnliche Veränderungen<br />
Diffuse und noduläre Struma 71600<br />
Schilddrüsenzysten 26 500<br />
Solide Zellnester<br />
Ektopes Schilddrüsengewebe 26000<br />
T h y r e o i d i t i s 4 0 0 0 0<br />
C 73.92<br />
C 73.92<br />
C73.90 Schilddrüse<br />
C73.91 Seitenlappen<br />
C73.92 Isthmus<br />
C73.93<br />
C73.94<br />
C73.95<br />
L pyramidalis<br />
D. thyreoglossus<br />
dystope Schilddrüse<br />
kiirsiv = SN()MFI)<br />
Abb.G-7: l.okalisalionsschlüssel für die Schilddrüsentumoren.<br />
(Nach G. Wagner; Hrsg. Tumorlokalisationsschlüssel.<br />
4.Aufl. Berlin. Heidelberg. New York: Springer. 1991)
74 Endokrines System<br />
Pathogenese der Schilddrüsentumoren: Fin Zusam<br />
menhang zwischen Struma und Schilddrüsenkarzinom<br />
ist immer wieder diskutiert, aber nicht statistisch<br />
gesichert worden. Karzinome in einer Struma werden<br />
in den meisten Fällen erst spät diagnostiziert (mit<br />
Ausnahme des zufällig entdeckten papillären Mikrokarzinoms)<br />
und sind dementsprechend einem h<strong>ö</strong>heren<br />
T-Stadium zuzuordnen.<br />
Aufgrund humanmedizinischer Beobachtungen gilt die<br />
kanzerogene Wirkung ionisierender Strahlen auf die<br />
Schilddrüse als gesichert. So sind Schilddrüsenkarzi<br />
nome bei Patienten beschrieben worden, die in ihrer<br />
Jugend wegen einer I-Ialslymphknotentuberkulose<br />
oder einer Thymushyperplasie lokal bestrahlt wurden.<br />
Die verabreichten Strahlendosen schwankten zwi<br />
schen 0,2 und 20 Gy. Später stellte man auch bei den<br />
Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki eine<br />
h<strong>ö</strong>here Rate an Schilddrüsenkarzinomen fest. Eine<br />
krebserzeugende Wirkung der im Rahmen einer Szin<br />
tigraphie oder Behandlung applizierten Isotope (131J)<br />
ist dagegen nicht gesichert.<br />
70 Y<br />
Schilddrüsenkarzinom<br />
mit und ohne Struma<br />
Papill. Ca Follik. Ca Medull. Ca Anapl. Ca<br />
Aus dem Tierversuch ist bekannt, daß eine TSHaktivierte<br />
Schilddrüse {/,. B. durch eine Thiouracilinduzierte<br />
Suppression der Schilddrüsenhormone)<br />
besonders empfindlich gegenüber chemischen Kanze<br />
rogenen ist. So lassen sich bei TSII-stimulierten Ratten<br />
mit Nitrosoverbindungen (Nitrosomcthylharnstoff)<br />
selektiv Schilddrüsentumoren erzeugen. Diese Noxe<br />
weist eine breite organotrope Wirkung auf, erzeugt<br />
aber bei nichtstimulierten Ratten keine endokrinen<br />
Tumoren.<br />
Genetisch verankerte Schilddrüsenkarzinome sind in<br />
Kombination mit anderen endokrinen Neoplasien<br />
beobachtet worden, so z. B. das C-Zellen-Karzinom im<br />
Rahmen eines MEN-II- und MF.N-IIb-Syndroms.<br />
Altersverteilung: Die verschiedenen histologischen<br />
Karzinomformen weisen eine typische Altersverteilung<br />
auf. Das Durchschnittsalter der Patienten bei allen<br />
Karzinomen beträgt 55 Jahre, bei den papillären Kar<br />
zinomen 47 Jahre, bei den follikulären Karzinomen<br />
60 Jahre und bei den anaplastischen Karzinomen<br />
72 Jahre. Bemerkenswert ist das mit 40 Jahren frühe<br />
Alter der Patienten mit einem medullären Karzinom.<br />
Das voll ausgebildete papilläre Karzinom kommt<br />
bevorzugt bei Frauen im jugendlichen Alter vor, wäh<br />
rend die okkult sklerosierenden, papillären Tumoren<br />
in jeder Altersklasse nachgewiesen werden.<br />
Geschlechtsverteilung: B<strong>ö</strong>sartige Neubildungen der<br />
Schilddrüsen kommen bevorzugt bei Frauen (im Ver<br />
hältnis 2 bis 4 zu 1) vor. Das medulläre Karzinom ist<br />
bei Mann und Frau gleich häufig vertreten.<br />
ohne Struma Li^lmit Struma<br />
Abb. G-8: Schilddrüsenkarzinom. Korrelation zwischen Kar<br />
zinom und Struma unter Berücksichtigung des histologischen<br />
Tumortyps.<br />
Schilddrüsenkarzinom<br />
Altersverteilung - histologischer Typ<br />
Prozent<br />
35<br />
0U_t-_! ^<br />
j i i<br />
b i s 2 0 3 0 4 0 5 0 6 0 7 0 8 0 > 8 0<br />
papilläres Ca<br />
I : I alle Karzinome<br />
anaplastisches Ca<br />
Abb.G-9: Schilddrüsenkarzinom. Altersverteilung unter<br />
Berücksichtigung des histologischen Typs.
G. Erkrankungen der Schilddrüse 75<br />
Ausbreitung des Schilddrüsenkarzinoms rrNM-System, 1990)<br />
Primärtumor (T = pT)<br />
TO: Kein Nachweis eines Primärtumors<br />
Tl: Tumordurchmesser 1 cm und 4 cm. Kapsel intakt<br />
T4: Jede Tumorgr<strong>ö</strong>ße mit Kapseldurchbruch<br />
TX: Ausbreitung des Primärtumors kann nicht be<br />
stimmt werden.<br />
Alle Kategorien k<strong>ö</strong>nnen unterteilt werden:<br />
a) solitärer Tumor und b) multifokaler Tumor. Bei multifo<br />
kalen Neoplasien wird die Ausbreitung am gr<strong>ö</strong>ßten Tumor<br />
bestimmt.<br />
Lymphknoten (N = pN)<br />
NO: Keine regionalen l.ymphknotenmetastasen<br />
Nl: Regionale Lymphknotenmetastasen<br />
Nla: Metastasen in ipsilateralen Halslymphknoten<br />
Nlb: Bilaterale, Mittellinien-, zervikal-kontralaterale<br />
oder mediastinale l.ymphknotenmetastasen<br />
NX: Die regionalen Lymphknoten k<strong>ö</strong>nnen nicht beur<br />
teilt werden.<br />
Fernmetastasen (M = pM)<br />
MO: Keine Fernmetastasen nachweisbar<br />
MI: Fernmetastasen<br />
MX: Vorhandensein von Fernmetastasen kann nicht<br />
beurteilt werden.<br />
Residualtumor<br />
RO: Kein Residualtumor<br />
Rl: Histologisch nachweisbarer Residualtumor<br />
R2: Makroskopisch nachweisbarer Residualtumor<br />
RX: Vorhandensein eines Besidualtumors kann nicht<br />
bestimmt werden.<br />
Stadieneinteilung<br />
1. Papilläre oder follikuläre Karzinome<br />
(Alter 45 Jahre)<br />
Stadium I: Tl NO MO<br />
Stadium 11: T2 NO MO<br />
T3 NO MO<br />
Stadium III: T4 NO MO<br />
Stadium IV: jedes T Nl MO<br />
jedes T jedes N Ml<br />
3. Medulläre Karzinome<br />
Stadium I: Tl NO MO<br />
Stadium IL T2 NO MO<br />
T3 NO MO<br />
T4 NO MO<br />
Stadium III: jedes T Nl MO<br />
Stadium IV: jedes pT jedes N Ml<br />
4. Anaplastische Schilddrüsenkarzinome<br />
Alle Fälle werden als Stadium IV klassifiziert.<br />
(Stadium IV = jedes T jedes N jedes M)<br />
Histologische Unterteilung der Schilddrüsenkarzi<br />
nome: Man unterscheidet papilläre, follikuläre,<br />
anaplastische (undifferenzierte) und medulläre Karzi<br />
nome als klinisch relevante Sonderformen. Das Platten<br />
epithelkarzinom ist extrem selten, andere Neubildun<br />
gen (wie z.B. das onkozytäre oder das hellzellige<br />
Karzinom) sind zytologische Varianten der oben<br />
erwähnten Tumoren.<br />
Die Häufigkeit der einzelnen Tumortypen unterliegt<br />
großen Schwankungen, die auf die Zusammensetzung<br />
des ausgewählten Untersuchungskollektivs zurückzu<br />
führen sind. So sind in einem Obduktionsgut die papil<br />
lären Karzinome (wegen ihrer guten Prognose) kaum<br />
vertreten. Von Bedeutung ist auch, ob das Untersu<br />
chungsgut aus einer Region mit sporadischer oder<br />
endemischer Struma stammt. Lediglich beim medullä<br />
ren Karzinom bleibt die relative Häufigkeit mit 3 bis<br />
5% gleich.<br />
Klinik der Schilddrüsenkarzinome: Diese Tumoren<br />
sind insgesamt selten und machen weniger als 1% aller<br />
malignen Geschwülste aus. Das Karzinom kann sich in<br />
einer sonst normalen Schilddrüse oder in einer prä<br />
existenten Struma entwickeln. Zu den wichtigsten<br />
diagnostischen Befunden zählen:<br />
- Gr<strong>ö</strong>ßenzunahme der Schilddrüse oder eines Stru<br />
maknotens<br />
- Organ bzw. Knoten von fester bis derber Konsistenz<br />
- Lymphknotenschwellung: Nicht selten ist der Nach<br />
weis einer Metastase in einem Halslymphknoten die<br />
erste Manifestation eines Schilddrüsenkarzinoms.<br />
Dies trifft besonders für die okkulten papillären<br />
Karzinome bei jungen Menschen zu.<br />
- Spätsymptome: Rekurrensparese, Schluckbe<br />
schwerden, obere Hinflußstauung und Spontanfrak<br />
turen bei osteolytischen Knochenmetastasen.
76 Endokrines System<br />
Diagnose: Die klinische Verdachtsdiagnose geht aus<br />
der Anamnese und Palpation hervor und wird durch<br />
folgende Untersuchungen ergänzt:<br />
- Sonographie: unregelmäßige, verminderte Echogenität<br />
- R<strong>ö</strong>ntgenuntersuchung des Skeletts (Nachweis von<br />
osteolytischen Knochenmetastasen) und der Lungen<br />
(Bestimmung der intrathorakalen Ausdehnung des<br />
Tumors, Nachweis von metasiatischen Rundherden)<br />
- Szintigraphie der Schilddrüse (Nachweis von kalten<br />
Knoten) und Ganzk<strong>ö</strong>rperszinligraphic (Erfassung<br />
von Metastasen eines follikulären Karzinoms)<br />
- Bestimmung von Tumormarkern im Serum (Kalzi<br />
tonin, CEA, ACTH).<br />
Die Prognose des Schilddrüsenkarzinoms wird durch<br />
die 10-Jahres-Überlcbensrate quantifiziert. Sie hängt<br />
von mehreren Faktoren ab:<br />
- Alter. Beim follikulären Karzinom ist die Prognose<br />
besser für unter 45 Jahre alle Patienten. Die gutarti<br />
geren Formen (papilläres Karzinom) kommen bei<br />
jungen Menschen vor, die besonders b<strong>ö</strong>sartigen<br />
Neubildungen (anaplastisches Karzinom) bei alten<br />
Menschen.<br />
- Histologischer Typ (siehe Abbildung). Die papillä<br />
ren Karzinome weisen die beste Prognose auf. Auch<br />
der Nachweis von Lymphknotenmetastasen ver<br />
schlechtert nicht wesentlich die 10-Jahres-Überlebensrate.<br />
Die schlechteste Prognose zeigt das<br />
anaplastische Karzinom. Eine Mittelstellung neh<br />
men das follikuläre und das medulläre Karzinom<br />
ein. Beim follikulären Karzinom ist die Abgrenzung<br />
gegenüber dem Adenom schwierig (Adenome als<br />
Karzinome fehlgedeutet?). Unter den medullären<br />
Karzinomen ist bei den sporadischen Fällen die<br />
Überlebensrate niedriger als bei den familiären<br />
Formen.<br />
- Zytologie. Die onkozytären Tumoren werden als<br />
b<strong>ö</strong>sartiger angesehen.<br />
- Ausbreitung. Von entscheidender prognostischer<br />
Bedeutung ist die Erfassung der lokalen, regionalen<br />
und generalisierten Ausbreitung des Karzinoms. Mit<br />
zunehmender T-Kategorie (besonders pT3 und pT4)<br />
und mit dem Nachweis von Lymphknoten- oder<br />
Fernmetastasen reduzieren sich die Überlebensraten.<br />
- Karzinom in Struma. Es ist festgestellt worden, daß<br />
Karzinome in einer Struma eine schlechtere Pro<br />
gnose aufweisen. In diesen Fällen sind die progno<br />
stisch ungünstigen follikulären und anaplastischen<br />
Karzinome häufiger vertreten. Außerdem werden<br />
sie vielfach erst in einem Spätstadium (p'T3 oder<br />
pT4) diagnostiziert (Karzinom wird durch Struma<br />
knoten maskiert).<br />
■<br />
Abb.G-10: Ganzk<strong>ö</strong>rperszintigraphie bei metastasiertem<br />
follikulärem Schilddrüsenkarzinom. Metastasen in der Pro<br />
jektion des Hüftgelenks, des Sitzbeins, des 12.BWK sowie<br />
mehrere Lungenmetastasen. Isotopennachweis im Restschilddrüsengewebe,<br />
im Magen-Darm-Bereich und in der<br />
Harnblase.<br />
Schilddrüsenkarzinom<br />
10- Jahres-Überlebensrate<br />
loa<br />
80 ^ ^ ^ —<br />
y \<br />
60<br />
- v__<br />
40<br />
20<br />
2 J 4 J 6 J 8 J 1 0 J<br />
- Papilläres Ca ■+- Follikuläres Ca<br />
I<br />
* M e d u l l ä r e s C a * A n a p l a s t i s c h e s C a<br />
Abb.G-11: Prognose des Schilddrüsenkarzinoms<br />
Berücksichtigung des histologischen Bildes<br />
unter
G. Erkrankungen der Schilddrüse 77<br />
5.1 Gutartige Schilddrüsentumoren<br />
Von klinischer Bedeutung sind nur die epithelialen<br />
Neubildungen (Adenome). Benigne mesenchymale und<br />
neurogene Tumoren (Angiome, Fibrome, Neurinome<br />
u. a.) sind selten und entsprechen den Weichteiltumoren.<br />
Unter den Adenomen ist lediglich das follikuläre<br />
Adenom zu erwähnen. Die papillären Tumoren sowie<br />
die Abk<strong>ö</strong>mmlinge der C-Zellen werden immer als<br />
Karzinome eingestuft. Dies trifft besonders für die<br />
papilläre Neoplasie zu, die trotz hoher Differenzierung<br />
und vollständiger Kapsel Metastasen setzen kann und<br />
somit nicht von einem Karzinom abzugrenzen ist.<br />
5.1.1 Follikuläres Schilddrüsenadenom<br />
Es handelt sich um einen gutartigen, in der Regel<br />
solitären, abgekapselten Schilddrüsentumor mit folli<br />
kulärer Differenzierung, der sich histologisch vom<br />
umgebenden Gewebe abhebt. Eine Abgrenzung gegen<br />
über einem Slrumaknoten (insbesondere bei Struma<br />
adenomatosa) kann schwierig sein. Sehr charakteri<br />
stisch ist das Struma<strong>ö</strong>dem, das dem Adenomknoten<br />
einen feuchten Glanz verleiht. Ferner kommen regres<br />
sive Veränderungen, wie Blutungen, pseudozystische<br />
Umwandlung, Verkalkungen und Verkn<strong>ö</strong>cherungen,<br />
vor. Zu den histologischen Varianten zählen:<br />
Abb.G-12: Schilddrüsenadenom. Schnittfläche eines abge<br />
kapselten Adenoms mit regressiven Veränderungen.<br />
■ Das einlache follikuläre Adenom (Adenoma folli<br />
cularis simplex) besteht aus normal großen, kolloidhaltigen<br />
Follikeln.<br />
■ Beim makrofollikulären Adenom sind die Follikel<br />
besonders groß und kolloid reich.<br />
■ Das embryonale Adenom zeigt solid oder trabeku<br />
lär angeordnete Adenomzellen, die wenig oder kein<br />
Kolloid einschließen.<br />
■ Das fetale Adenom weist einen niikrofollikulären<br />
Aufbau auf.<br />
Zytologisch unterscheidet man:<br />
■ Das onkozytäre Adenom (früher fälschlicherweise<br />
als Hürthle-Zell-Adenom bezeichnet) zeigt makro<br />
skopisch eine rehbraune Schnittfläche und bestellt<br />
aus großen Zellen mit einem feingranulierten Zyto<br />
plasma. Die Kerne k<strong>ö</strong>nnen etwas polymorph sein<br />
und einen deutlichen Nukleolus besitzen. Die Luxolfast-blue-Färbung<br />
ist positiv. Elektronenmikrosko<br />
pisch finden sich vergr<strong>ö</strong>ßerte und vermehrte Mito<br />
chondrien.<br />
■ Zu den weiteren zytologischen Sonderformen geh<strong>ö</strong><br />
ren das lipidhaltige Siegelringzelladenom, das ver<br />
schleimte und das hellzellige Adenom, das sich<br />
immunhistochemisch durch den Nachweis von 'Thy<br />
reoglobulin von einem Epithelk<strong>ö</strong>rperchenadenom<br />
oder von der Metastase eines hellzelligen Nieren<br />
karzinoms abgrenzen läßt.<br />
Abb.G-13: Schilddrüsenadenom. Oben: Normo- bis makro<br />
follikulär aufgebautes Adenom mit ausgeprägtem Stroma<strong>ö</strong>dem.<br />
Unten: »Embryonales Adenom« mit nur vereinzelten<br />
kolloidhaltigen Follikeln. HF-Fbg.
78 Endokrines System<br />
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11 V5«liV "' .'*. 7.4* "••■'-' •»'.<br />
Abb.G-14: Onkozytom. Oben: Schnittlläche eines abgekap- Abb.G-15: Atypisches Schilddrüsenadenom. Oben: Über<br />
selten Onkozytoms mit typischer »rehbrauner Farbe«. Unten: sichtsbild eines nicht begrenzten normofollikulären Schild-<br />
Große Onkozytomzellen mit deutlich granuliertem Zyto- drüsenadenoms. Rechts im Bild erhaltene Schilddrüsenfollip<br />
l a s m a . H F - F b g . k e l . U n t e n : S o l i d e A r e a l e m i t e i n e r l e i c h t e n Z e l l - u n d K e r n -<br />
polymorphie. HF-Fbg.<br />
Funktionell unterscheidet man<br />
■ das kalte Adenom (kalter Solitärknoten): Szintigra<br />
phisch wird in einer normalen Schilddrüse oder in<br />
einer Struma nodosa ein nichtnuklidspeichernder<br />
Bezirk nachgewiesen. Da es sich in ca. 5% der Fälle<br />
um ein Karzinom handelt, ist eine diagnostische<br />
Abklärung durch Punktion oder Resektion ange<br />
zeigt.<br />
■ das warme oder kompensierte Adenom bei euthyreoter<br />
Stoffwechsellage, das in einer nuklidspeichernden<br />
Schilddrüse eingebettet ist;<br />
■ das heiße, nichtkompensierte Adenom, das die<br />
Zeichen einer inkretorischen Hyperaktivität auf<br />
weist und bevorzugt bei über 40 Jahre alten Frauen<br />
vorkommt.<br />
'<br />
Die Diagnose wird durch ein Kontrollszintigramm<br />
unter Suppressionsbedingungen gesichert. Das auto<br />
nome Adenom läßt sich - im Gegensatz zum umgeben<br />
den Schilddrüsengewebe — nicht supprimieren. Die<br />
Häufigkeit autonomer Bezirke nimmt mit dem Lebens<br />
alter zu. Zur Hyperthyreose (»heißes Adenom bei<br />
hyperthyreoter Stoffwechsellage«) kommt es, wenn die<br />
Hormonproduktion im autonomen Knoten den Bedarf<br />
übersteigt. Zwischen warmen und heißen Knoten<br />
bestellen fließende Übergänge.<br />
5.1.2 Atypisches follikuläres Adenom<br />
Diese Neubildungen weisen einen follikulären Aufbau<br />
sowie die Zeichen einer gesteigerten Proliferation<br />
(Mitosen), Zell- und Kernunregelmäßigkeiten auf. Von<br />
Bedeutung ist der Ausschluß eines Gefäßeinbruchs<br />
oder eines Kapseldurchbruchs, um diese Veränderung<br />
von einem follikulären Karzinom mit minimaler Inva<br />
sion differentialdiagnostisch abzugrenzen. In ihrem<br />
biologischen Verhalten steht diese Neubildung zwi<br />
schen einem follikulären Adenom und einem differen<br />
zierten Karzinom.
G. Erkrankungen der Schilddrüse 79<br />
5.2 Schilddrüsenkarzinom<br />
5.2.1 Follikuläres Schilddrüsenkarzinom<br />
Das follikuläre Karzinom wird von den Thyreozyten<br />
abgeleitet. Das histologische Bild reicht von dem hoch<br />
differenzierten, follikulär aufgebauten Karzinom (nur<br />
schwer von einem Adenom abzugrenzen) bis zur soli<br />
den oder trabekulär gestalteten Neubildung. Diagno<br />
stische Kriterien sind:<br />
- immunhistochemischer Nachweis von Thyreoglobu<br />
lin in den Tümorzellen<br />
- Fehlen von papillären Strukturen<br />
- Durchbruch durch die Organkapsel mit Infiltration<br />
der umgebenden Weichteile<br />
- Einbruch in Gefäße.<br />
Die beiden letztgenannten Malignitätskriterien sind<br />
wichtig für die Abgrenzung gegenüber einem Adenom<br />
oder einem Knoten in einer Struma adenomatosa.<br />
Dabei ist zu beachten, daß eine Kapselinfiltration ohne<br />
Invasion benachbarter Strukturen dieses Kriterium<br />
nicht erfüllt. Auch der Nachweis einer Gelaßinfiltra<br />
tion muß einwandfrei sein. Endothelialisierte Hohl<br />
räume nach Blutungen k<strong>ö</strong>nnen eine Gefäßlichtung<br />
vortäuschen. Wenn papilläre Strukturen nachweisbar<br />
sind, dann ist die Neubildung als papilläres Karzinom<br />
einzuordnen.<br />
Histologisch und zytologisch unterscheidet man fol<br />
gende Varianten:<br />
■ Abgekapselte follikuläre Schilddrüsenkarzinome<br />
mit minimaler Kapselinvasion (sehr gute Prognose)<br />
j#"a ><br />
*,«- ^M J»<br />
&<br />
\ ■■"•■<br />
- i. . •<br />
'<br />
•■ I<br />
■ Invasive Karzinome mit geringer oder unvollständi<br />
ger Kapselbildung, ausgedehnter Weichteilinfiltration<br />
und Gefäßeinbrüchen<br />
■ Onkozytäre, follikuläre Karzinome mit Zellen,<br />
die ein eosinrotes, feingranuliertes Zytoplasma<br />
und hyperchromatische Kerne mit prominentem<br />
Nukleolus aufweisen. Elektronenmikroskopisch<br />
zeigen diese Zellen ein mitochondrienreiches Zyto<br />
plasma.<br />
■ Hellzellige Karzinome, die von einem Epithelk<strong>ö</strong>r<br />
perchentumor oder von der Metastase eines hypernephroiden<br />
Karzinoms durch den immunhistochemischen<br />
Nachweis von Thyreoglobulin abzugrenzen<br />
sind.<br />
Iumorausbreitung: Follikuläre Karzinome metastasieren<br />
nur selten lymphogen. Ihre Ausbreitung erfolgt<br />
vorwiegend auf hämatogenem Weg in Lunge und<br />
Knochen. Hier bilden sie osteolytische Metastasen, die<br />
zu einer pathologischen Fraktur führen k<strong>ö</strong>nnen.<br />
l<br />
TV<br />
**v<br />
Abb.G-16: Follikuläres Schilddrüsenkarzinom. Oben: Hoch<br />
differenziertes follikuläres Karzinom mit großen Follikeln.<br />
Das Präparat stammt aus einer Knochenmetastase mit ver<br />
einzelten noch erhaltenen Knochenbälkchen (-). HF-Fbg.<br />
Mitte: Solides follikuläres Karzinom mit thyreoglobulinproduzierenden<br />
Zellen. Immunhistochemie. Unten: Hellzelliges<br />
follikuläres Karzinom. HF-Fbg.
80 Endokrines System<br />
5.2.2 Papilläres Schilddrüsenkarzinom<br />
Diese Karzinomform kommt häufiger bei jungen Men<br />
schen vor, breitet sich bevorzugt lymphogen in die<br />
regionären Lymphknoten aus und weist in den meisten<br />
Fällen eine gute Prognose auf. Histologische Merkmale<br />
sind:<br />
- Nachweis von echten Tumorpapillen, d.h. Struktu<br />
ren mit einem gefäßtragenden Stroma.<br />
- Die Kerne sind hell und dachziegelartig angeordnet.<br />
- In den Kernen finden sich homogene, eosinrote<br />
Zytoplasmainvaginationen (Milchglaskern), die eine<br />
Kernvakuole vortäuschen.<br />
- Mitosen kommen eher selten vor.<br />
- Bei den meisten papillären Karzinomen liegt keine<br />
Tumorkapsel vor.<br />
Auch bei intakter Kapsel wird der Tumor als Karzi<br />
nom und nicht als Adenom bezeichnet, da er metastasieren<br />
kann und somit die Dignität nicht sicher<br />
histologisch zu bestimmen ist. Auf der anderen Seite<br />
geht aber das abgekapselte, nichtmetastasierende<br />
papilläre Schilddrüsenkarzinom mit einer fast<br />
100%igen 10-Jahres-Überlebensrate einher, so daß<br />
diese Neubildung eher einem gutartigen Tumor<br />
entspricht.<br />
- Kolloid und/oder follikuläre Strukturen k<strong>ö</strong>nnen vor<br />
kommen; trotzdem werden diese Neubildungen als<br />
»papilläre Karzinome« diagnostiziert.<br />
- Im Stroma der Papillen findet man häufiger klei<br />
nere, konzentrisch geschichtete Kalkablagerungen<br />
(Psammomk<strong>ö</strong>rper).<br />
- Plattenepitheldifferenzierungen sowie Onkozyten<br />
werden gelegentlich beobachtet.<br />
Zu den Varianten des papillären Schilddrüsenkarzi<br />
noms zählen:<br />
■ Das papilläre Mikrokarzinom (okkultes, sklerosie<br />
rendes, papilläres Karzinom Graham) ist in der<br />
Regel unter 1 cm im Durchmesser groß und wird<br />
zufällig im Rahmen einer Obduktion oder einer<br />
sorgfältigen Untersuchung einer resezierten Struma<br />
nachgewiesen. Der Tumor imponiert makrosko<br />
pisch als strahlenf<strong>ö</strong>rmige Narbe, die das umgebende<br />
Schilddrüsengewebe retrahiert. Der Tumor ist kollagenfaserreich,<br />
nicht abgekapselt und zeigt drüsige<br />
und papilläre Formationen.<br />
■ Follikuläre Form des papillären Karzinoms s. o.<br />
■ Das diffus sklerosierende papilläre Karzinom zeigt<br />
eine ausgedehnte Infiltration beider Schilddrüsenlappen<br />
mit starker Stromabildung. Der Tumor kann<br />
eine plattenepithelartige Differenzierung sowie<br />
dichte lymphozytäre Infiltrate zeigen.<br />
■ Onkozytäres, papilläres Karzinom s. o.<br />
Abb.G-17: Papilläres Schilddrüsenkarzinom. Oben: Schnitt<br />
fläche eines umschriebenen, aber nicht abgekapselten papil<br />
lären Karzinoms. Mitte: Sog. okkultes Karzinom (
G. Erkrankungen der Schilddrüse 81<br />
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Abb.G-18: Medulläres C-Zellen-Karzinom. a) Schilddrüsenschnittfläche mit einem unscharf begrenzten, weißen Tumor.<br />
b) Medulläres Schilddrüsenkarzinom mit inself<strong>ö</strong>rmiger Anordnung. Oben im Bild erhaltene Schilddrüsenfollikel. HF-Fbg.<br />
c) Kalzitoninpositives C-Zellen-Karzinom (links im Rild) mit solidem Aufbau. Immunhistochemie. d) Amyloidahlagerungen im<br />
Stroma eines C-Zellen-Kar/.inoms. Kongorot-Fbg. im polarisierten Licht.<br />
5.2.3 Medulläres Schilddrüsenkarzinom<br />
Der Tumor wird von den parafollikulären C-Zellen<br />
abgeleitet und ist durch die Produktion von Kalzitonin<br />
gekennzeichnet. Die C-Zellen k<strong>ö</strong>nnen inself<strong>ö</strong>rmig<br />
hyperplastisch sein oder ein Karzinom bilden. Gut<br />
artige Formen (C-Zellen-Adenome) werden in der<br />
WHO-Systemalik nicht aufgeführt.<br />
Morphologisch handelt es sich beim C-Zellen-Karzi<br />
nom um eine nicht abgekapselte Neubildung mit einem<br />
soliden, trabekulären, drüsigen, medullären, papillä<br />
ren, karzinoidähnlichen, kleinzelligen, anaplastischen<br />
oder spindelzelligen (neurinomartigen) Aufbau. Das<br />
Stroma ist faserreich, häufiger verkalkt (CT-Befund)<br />
und kann Amyloidablagerungon einschließen. Die Dia<br />
gnose wird durch den immiinliistochemischen Nach<br />
weis von Kalzitonin in den Tumorzellen gesichert.<br />
Ferner k<strong>ö</strong>nnen auch andere Sekretionsprodukte<br />
(Schleim, ACTH, CEA, Histaminase, Melanin) vorkom<br />
men. Eine besondere Mischform besieht aus thyreoglo<br />
bulin- und kalzitoninproduzierenden Tumorzellen, die<br />
sich immunhistocheniisch unterscheiden lassen. Ein<br />
geschlossenes Schilddrüsengewebe im Tumor ist in<br />
diesen Fällen zu berücksichtigen. C-Zellen-Karzinome<br />
metastasieren lymphogen und hämatogen.<br />
C-Zellen-Karzinome k<strong>ö</strong>nnen isoliert (spontan) oder -<br />
im Rahmen eines MEN-II-Syndroms - kombiniert mit<br />
anderen endokrinen Neoplasien vorkommen.
82 Endokrines System<br />
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Abb.G-19: Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom. a) Diffus wachsendes Karzinom von grauweißer Schnittfläche, b) Über<br />
wiegend rundzellig aufgebautes, anaplastisches Karzinom. HF-Fbg. c) Angedeutet spindelzellig gestaltetes Karzinom mit<br />
zahlreichen Mitosen. HF-Fbg. d) Mit epithelialem Marker (TPA) dargestellte Zellen eines anaplastischen Karzinoms.<br />
Immunhistochemie.<br />
5.2.4 Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom<br />
Es handelt sich um eine vollständig entdifferenzierte<br />
Neoplasie, die aus polygonalen oder spindeligen, sarkomähnlichen<br />
Zellen bestellt. Der epitheliale Ursprung<br />
wird anhand von epithelialen Markern (TPA, EMA,<br />
Zytokeratin) gesichert. Die Thyreoglobulinmarker sind<br />
meist negativ. Die kleinzellige Variante ist von der<br />
Metastase eines Oat-cell-Karzinoms oder von einem<br />
malignen Lymphom zu unterscheiden. Im Tumor<br />
stroma treten Verkalkungen, Verkn<strong>ö</strong>cherungen, Rie<br />
senzellen, chondroide Strukturen sowie plattenepithelähnliche<br />
Formationen auf.<br />
Obwohl sich gelegentlich noch differenzierte folliku<br />
läre oder papilläre Strukturen finden lassen, ist die<br />
Neubildung als anaplastisches Karzinom zu diagnosti<br />
zieren. Kommen nur kleine undifferenzierte Areale in<br />
einem sonst hochdifferenzierten Karzinom vor, dann<br />
ist auch diese Geschwulst als anaplastisches Karzinom<br />
zu werten; allerdings ist dann die Prognose etwas<br />
besser.<br />
5.2.5 Plattenepithelkarzinom<br />
Das primäre Plattenepithelkarzinom macht weniger<br />
als 1% aller primären Schilddrüsenkarzinome aus und<br />
wird von Resten des Ductus thyreoglossus abgeleitet.<br />
Die histologische Diagnose gilt als gesichert, wenn sich<br />
Interzcllularbrücken zwischen den Tumorzellen und/<br />
oder Zeichen der Verhornung nachweisen lassen. Die<br />
Geschwulst kann als Adenoakant/iom (Adeno-Ca mit<br />
Plattenepithelmetaplasien) oder als Adenokankroid<br />
(Adeno-Ca und Plattenepithel-Ca) vorkommen.
G. Erkrankungen der Schilddrüse 83<br />
5.3 Nichtepitheliale Neubildungen<br />
Schilddrüsensarkome sind selten. In der Vergangen<br />
heit sind häufiger spindelzellig-anaplastische Karzi<br />
nome als mesenchymale Neubildungen fehlgedeutet<br />
worden. Die histologische Diagnose »Sarkom« stützt<br />
sich auf immunhistochemische und/oder elektronenmikroskopische<br />
Untersuchungen. Zu den histologi<br />
schen Sonderformen zählen das Fibrosarkom (Ausbil<br />
dung von einem kollagenfaserreichen interzellulären<br />
Stroma), das seltene maligne Ilämangioendollieliom<br />
(blutreicher Tumor mit einer Erythrozytophagozytose<br />
durch die Geschwulst/eilen), das knochenbildende<br />
Osteosarkom und das osteoklastomähnliche Riesenzel<br />
lensarkom.<br />
5.4 Maligne Lymphome<br />
Maligne Lymphome kommen in der Schilddrüse iso<br />
liert oder im Rahmen einer Systemerkrankung vor. In<br />
den meisten Fällen handelt es sich um Iiochmaligne<br />
Non-Hodgkin-Lymphome (z. B. um das zenlroblastische<br />
B-Zellen-Lymphom). Ferner werden auch Plas<br />
mozytome und Hodgkin-Lymphome beobachtet. Differentialdiagnostisch<br />
sind sie von einer Hashimoto-Thy<br />
reoiditis oder von der Metastase eines kleinzelligen<br />
Bronchialkarzinoms abzugrenzen.<br />
5.5 Tumorähnliche Veränderungen<br />
In diesen Formenkreis geh<strong>ö</strong>ren die Struma nodosa und<br />
die Struma adenomatosa: Sie bilden kleine, häufiger<br />
abgekapselte Knoten und sind differentialdiagnostisch<br />
von einem hochdifferenzierten follikulären Adenom<br />
oder Karzinom abzugrenzen. Schilddrüsenzysten sind<br />
häufiger pseudozystisch degenerierte Strumaknoten<br />
oder Adenome infolge einer Blutung. Die sog. soliden<br />
Zellnester zeigen einen plattenepithelähnlichen Auf<br />
bau (gelegentlich mit zentraler Verhornung) und<br />
schließen C-Zellen ein. Sie werden als Abk<strong>ö</strong>mmlinge<br />
des Ultimobranchialk<strong>ö</strong>rpers angesehen. Amyloidablagerungen<br />
kommen bei primärer und sekundärer Amy<br />
loidose sowie gelegentlich auch beim C-Zellen-Karzi<br />
nom vor.<br />
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Abb. G-20: Nichtepitheliale Schilddrüsentumoren. a)-b)<br />
Fibrosarkom. Tumorschnittfläche mit fischfleischähnlicher<br />
Beschaffenheit. Im elektronenmikroskopischen Bild erkennt<br />
man ein zystisch dilatiertes rauhes endoplasmatisches Betikulum,<br />
intrazytoplasmatische Kollagenvorstufen und reich<br />
lich extrazelluläre Kollagenläsern. Vergr. 44()()x. c) Ilämangioendotheliom<br />
mit reichlichen Spaltbildungen, die von poly<br />
morphen Tumorzellen begrenzt werden und Blutzellen ein<br />
schließen. HE-Fbg.<br />
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84 Endokrines System<br />
6 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen<br />
6.1 Hypothyreose<br />
Bei der Hypothyreose ist das Schilddrüsenhormonangebot<br />
an den Zielorganen unzureichend. Ein ver<br />
minderter Plasmaspiegel des FT4 stellt zusammen mit<br />
einem erh<strong>ö</strong>hten basalen TSII-Spiegel den Beweis einer<br />
Hypothyreose dar.<br />
6.1.1 Kongenitale Hypothyreose<br />
Der angeborene Schilddrüsenhormonmangel ist mit<br />
einer Inzidenz von ca. 1 zu 4000 Neugeborenen die<br />
häufigste kongenitale Stoffwechselst<strong>ö</strong>rung. Als Ursa<br />
che einer angeborenen irreversiblen Hypothyreose<br />
kommen in Frage:<br />
- Dysgenesie (Agenesie, Hypoplasie, Ektopie) der<br />
Schilddrüse<br />
- St<strong>ö</strong>rungen der Hormonsynthese oder der TSH-Bildung<br />
- St<strong>ö</strong>rungen der Schilddrüsenhormonrezeptoren<br />
- intrauterine Schädigung der Schilddrüse durch<br />
Radiojodbehandlung der Mutter oder durch maternale<br />
Antik<strong>ö</strong>rper (Autoimmunthyreoiditis der<br />
Mutter).<br />
Neben der irreversiblen kongenitalen Hypothyreose<br />
gibt es passagere Schilddrüsenmangelzustände des<br />
Neugeborenen, die auf thyreostatische Behandlung<br />
der Mutter (Jodüberschuß, Thioharnstoffe) zurückge<br />
hen k<strong>ö</strong>nnen.<br />
6.1.2 Postnatal erworbene Hypothyreose<br />
Die häufigste Form der erworbenen Hypothyreose geht<br />
auf eine chronische Entzündung der Schilddrüse<br />
zurück, wobei der Autoimmuncharakter im Vorder<br />
grund steht. Das sog. idiopathische Myx<strong>ö</strong>dem beruht<br />
auf der atrophischen Verlaufsform einer chronischen<br />
Autoimmunthyreoiditis. Eine Sonderform ist die Hypo<br />
thyreose des Erwachsenen durch eine blockierende<br />
Wirkung von Antik<strong>ö</strong>rpern auf TSH-Rezeptoren. Zur<br />
Hypothyreose kommt es auch bei iatrogenem Verlust<br />
an Schilddrüsengewebe (Thyreoidektomie, Radiojod<br />
behandlung oder Strahlentherapie) und bei hochdo<br />
sierter thyreostatischer Behandlung. Die Schilddrüsenhormonsekretion<br />
wird zudem sowohl bei extremem<br />
Jodmangel als auch bei exzessiver Jodzufuhr insuffizient.<br />
Als weitere, seltene Ursache einer Hypothyreose<br />
kommen St<strong>ö</strong>rungen im hypothalamisch-hypophysärthyreoidalen<br />
Regelkreis (Ausfall der Adenohypophyse<br />
oder Schädigung der hypophysiotropen Zone des<br />
Hypothalamus) in Betracht.<br />
Pathologie: Infolge eines Defizits an peripherem<br />
Schilddrüsenhormon kommt es zu einer verstärkten<br />
TSH-Ausschüttung und somit zu einer Schilddrüsenhyperplasie<br />
mit kolloidarmen Follikeln. Histologisch<br />
sind hypo- und euthyreote Strumen nicht zu unter<br />
scheiden.<br />
Klinik: Die Schilddrüsenhormone sind essentiell für<br />
das Wachstum und die Ausreifung des Nervensystems.<br />
Bei angeborener Hypothyreose kann bereits das<br />
intrauterine Wachstum trotz der transplazentaren<br />
Hormonversorgung durch die Mutter verlangsamt<br />
sein, erkennbar an einer unzureichenden Ausbildung<br />
der Knochenkerne der unteren Extremität beim Neu<br />
geborenen. Wenn der Hormonmangel postnatal nicht<br />
baldm<strong>ö</strong>glichst durch exogene Zufuhr ausgeglichen<br />
wird, kommt es bereits innerhalb der ersten Lebens<br />
monate zur irreversiblen St<strong>ö</strong>rung der geistigen und<br />
k<strong>ö</strong>rperlichen Entwicklung bis zum Vollbild des Kreti<br />
nismus.<br />
Beim Erwachsenen äußert sich die unzureichende<br />
Versorgung des Organismus mit Schilddrüsenhormon<br />
in einer allgemeinen Reduktion der Stoffwechselaktivi<br />
tät und der Leistungsfähigkeit des Nervensystems. Die<br />
Patienten klagen über Appetitlosigkeit und Obstipa<br />
tion. Infolge des erniedrigten Energieumsatzes kommt<br />
es zum Absinken der K<strong>ö</strong>rperkerntemperatur (bis<br />
35° C), zu Kälteintoleranz und zu verminderter<br />
Schweißneigung. Die Patienten sind k<strong>ö</strong>rperlich und<br />
geistig leicht ermüdbar, und in fortgeschrittenen Sta<br />
dien ist die Merk- und Kritikfähigkeit gest<strong>ö</strong>rt. Die<br />
St<strong>ö</strong>rungen des peripheren Nervensystems zeigen sich<br />
u.a. an einer Verlangsamung der Nervleitung mit<br />
Verlängerung der Reflexzeit der phasischen Muskeldehnungsreflexe<br />
und an Parästhesien. Die Bewegun<br />
gen sind träge und im fortgeschrittenen Stadium ataktisch.<br />
Die Mimik ist reduziert, aber im Gegensatz zum<br />
Morbus Parkinson nicht erloschen. Charakteristisch<br />
sind eine heisere, näselnde Stimme, eine infolge<br />
Makroglossie kloßige Sprache und ein verlangsamter<br />
Sprachrhythmus bei gest<strong>ö</strong>rter Artikulation.<br />
Die Haut ist trocken, schuppig und blaß, z.T. durch<br />
Einlagerung von wasserbindenden Glykosaminoglykanen<br />
wachsartig verdickt (Myx<strong>ö</strong>dem). Das Haar ist<br />
glanzlos und stumpf, und es besteht Neigung zum<br />
Haarausfall vor allem im Schläfenbereich.<br />
Von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems ist eine Brady<br />
kardie mit verringertem Schlag- und Herzzeitvolumen<br />
bei vergr<strong>ö</strong>ßertem, erweitertem Herz typisch. Trotz der<br />
Abnahme des Herzzeitvolumens ist der systemartericlle<br />
Blutdruck häufig erh<strong>ö</strong>ht. Es besteht eine Prädis<br />
position zur Entwicklung von Arteriosklerose (koro<br />
nare Herzkrankheit), die z. T. auf einer Hyperlipidämie<br />
beruht. Der Atemantrieb ist vermindert (Hypoventila<br />
tion mit Hyperkapnie).<br />
Die unzureichende Rückkopplungshemmung im hypothalamisch-hypophysären<br />
Regelkreis (Enthemmung<br />
der TRII-Bildung) führt zu Hyperprolaktinämie, denn<br />
TRII ist auch Releasing-Hormon für Prolaktin (vgl.<br />
Abschn. 2.1.2, S. 22). Entsprechend kommt es zu
G. Erkrankungen der Schilddrüse 85<br />
Libido- und Potenzst<strong>ö</strong>rungen, bei Frauen zu Menstrua<br />
tionsst<strong>ö</strong>rungen (Amenorrh<strong>ö</strong>).<br />
Beim Erwachsenen, vor allem beim älteren Menschen<br />
(Prävalenz der Hypothyreose bei über 60jährigen: ca.<br />
1%), setzen der Schilddrüsenhormonmangel und damit<br />
die klinischen Erscheinungen meist schleichend ein, so<br />
daß die Veränderungen von der Familie und ggf. auch<br />
vom Hausarzt nicht als Krankheitssymptome erkannt<br />
werden. Unbehandelt kommt es vor allem zu menta<br />
lem Verfall bis zur Extremform des hypothyreoten<br />
Deliriums mit Stupor und Koma. Durch Abnahme des<br />
Herzzeitvolumens (extreme Bradykardie) und der Ven<br />
tilation (Hyperkapnie bis zur C02-Narkose) kann es<br />
zum Versagen der Vitalfunktionen kommen.<br />
Diagnostik der Hypothyreose: Zum Ausschluß einer<br />
kongenitalen Hypothyreose wird im Rahmen der Neugeborenenvorsorgeuntersuchung<br />
U2 in der Regel am<br />
5. Tag nach der Geburt der TSH-Blutspiegel bestimmt.<br />
Ein zu hoher Wert für TSH ist ein sichererer Indikator<br />
für die Hypothyreose als ein zu niedriger für Thyroxin.<br />
Wenn ein TSH-Spiegel über 20 mU/ml gefunden wird,<br />
ist neben der Messung der Thyroxinkonzentration die<br />
Untersuchung auf eine intrauterine Wachstumsverz<strong>ö</strong><br />
gerung durch R<strong>ö</strong>ntgenaufnahmen der Knochenkerne<br />
der Kniegelenke angezeigt.<br />
Bei Verdacht auf eine Hypothyreose des Erwachsenen<br />
(Anamnese und klinischer Befund stehen im Vorder<br />
grund der Diagnostik) sollten zunächst der basale TSH-<br />
Spiegel und die Schilddrüsenhormonkonzentration (T4,<br />
insbesondere freies T4) bestimmt werden. Für die<br />
Diagnose einer beginnenden Hypothyreose ist der<br />
TRII-Test wertvoll, der selbst bei normalem basalem<br />
TSH-Wert über einen überh<strong>ö</strong>hten TSH-Anstieg nach<br />
Injektion von TRII den latenten Schilddrüsenhormon<br />
mangel (Enthemmung der TSH-Sckretion der Adeno<br />
hypophyse) erkennen läßt. Zur Sicherung (oder zum<br />
Ausschluß) einer Autoimmunerkrankung als Ursache<br />
einer diagnostizierten Hypothyreose k<strong>ö</strong>nnen die Plasmatiter<br />
der Antik<strong>ö</strong>rper gegen mikrosomales Schilddrüsenantigen<br />
(MAK) und Thyreoglobulin (TAK) bestimmt<br />
werden. Bei unklarer Genese der Hypothyreose kommt<br />
als weiterer diagnostischer Schritt die Feinnadelbiop<br />
sie zur histologischen Untersuchung u.a. auf das Vor<br />
liegen einer lymphozytären Thyreoiditis in Frage.<br />
6.2 Hyperthyreose<br />
Die Hyperthyreose ist durch ein pathologisch erh<strong>ö</strong>htes<br />
Schilddrüsenhormonangebot definiert. Erh<strong>ö</strong>hte Plas<br />
mawerte von freiem Thyroxin und/oder Trijodthyronin<br />
bei nicht meßbarem oder stark erniedrigtem TSH-<br />
Spiegel beweisen eine Hyperthyreose. Frauen sind<br />
häufiger als Männer betroffen (5:1).<br />
Pathogenese: Als Ursache für einen Schilddrüsenhormonüberschuß<br />
kommen in Betracht:<br />
- Immunthyreopathien (M. Basedow, Hashimoto-Thy<br />
reoiditis) und andere Entzündungen der Schilddrüse<br />
- Ausschalten der hypothalamisch-hypophysären<br />
Kontrolle der Hormonproduktion (disseminierte<br />
oder lokale Autonomie des Schilddrüsengewebes,<br />
pathologische Enthemmung der TSH-Produktion<br />
der Hypophyse oder Produktion TSH-ähnlicher<br />
ßotenstoffe durch eine hydatiforme Mole)<br />
- exzessive Jodzufuhr (Jod-Basedow: nach mehr<br />
w<strong>ö</strong>chiger Gabe von 500 pg Jod/Tag oder nach Ver<br />
abreichung von jodhaltigen Kontrastmitteln)<br />
- exogene Thyroxinzufuhr (Hyperthyreosis factitia<br />
durch Schilddrüsenhormonüberdosierung)<br />
- sehr selten Schilddrüsenkarzinom.<br />
Bei der Basedow-Erkrankung (toxische diffuse<br />
Struma, Struma basedowiana, M. Graves) wird die<br />
Schilddrüscnüberfunktion durch Autoantik<strong>ö</strong>rper aus<br />
gel<strong>ö</strong>st, die an den TSH-Rezeptor binden und diesen wie<br />
TSH aktivieren. Der M. Basedow ist häufig mit einer<br />
endokrinen Orbitopathie vergesellschaftet. Die endo<br />
krine Orbitopathie kann auch isoliert oder in Verbin<br />
dung mit einer Hashimoto-Thyreoiditis auftreten.<br />
Bei langdauerndem Jodmangel und durch den ent<br />
sprechend niedrigen Schilddrüsenspiegel enthemmter<br />
TSH-Produktion k<strong>ö</strong>nnen sich in der Schilddrüse disse<br />
miniert autonome, sich der TSH-Kontrolle entziehende<br />
Follikel bilden (multinoduläre Struma adenomatosa<br />
bei gleichzeitiger Vergr<strong>ö</strong>ßerung der gesamten Schild<br />
drüse oder solitäres autonomes Adenom). Wenn die<br />
Jodzufuhr ansteigt, kann es infolge unkontrolliert<br />
zunehmender Thyroxinausschüttung aus den autono<br />
men Bezirken zu einer Hyperthyreose kommen (exzes<br />
siv als sog. Jod-Basedow). Bei kleinem Volumen des<br />
adenomat<strong>ö</strong>s-autonomen Gewebes kann trotz lokaler<br />
Hormonüberproduktion der Schilddrüsenhormonspie<br />
gel normal sein (Euthyreose), denn die lokale Überpro<br />
duktion kann durch Suppression der Thyroxinsekretion<br />
in den TSH-abhängigen Bereichen der Schilddrüse<br />
kompensiert werden.<br />
Pathologie: Morphologisch lassen sich bei einer<br />
Hyperthyreose folgende Schilddrüsenveränderungen<br />
nachweisen:<br />
- eine diffuse Hyperplasie (M. Basedow)<br />
- eine Knotenstruma<br />
- ein solitäres (selten multiples) Adenom<br />
- im Ausnahmefall ein Schilddrüsenkarzinom.
86 Endokrines System<br />
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Abb.G-21: Morbus Basedow<br />
mit diffus vergr<strong>ö</strong>ßerter Schild<br />
drüse<br />
Abb.G-22: Histologische Zei<br />
chen der inkretorischen Hy<br />
peraktivität. Überh<strong>ö</strong>hte Thyreozyten,<br />
verminderter Kol<br />
loidgehalt, Resorplionsvakuolen<br />
(V), Kernpolymorphie (K).<br />
HF-Fbg.<br />
Beim Morbus Basedow (Struma basedowiana, pri<br />
märe Hyperthyreose) ist die Schilddrüse diffus bis auf<br />
das 4fache der Norm vergr<strong>ö</strong>ßert. Die Schnittfläche<br />
zeigt eine Läppchenzeichnung ohne Kolloidglanz und<br />
erinnert an eine Pankroasschnittfläche. Histologisch<br />
finden sich als Zeichen der gesteigerten inkretori<br />
schen Hyperaktivität folgende Veränderungen: Das<br />
Follikelkolloid ist deutlich vermindert, eingedickt und<br />
weist randständige Resorptionsvakuolen auf. Die Follikelepithelien<br />
sind zylindrisch. Als Ausdruck der gestei<br />
gerten Funktion findet man große hyperchromatische<br />
Kerne, aber keine Mitosen. Im Zytoplasma läßt sich<br />
immunhistochemisch reichlich Thyreoglobulin nach<br />
weisen. 'Typisch für einen M. Basedow ist der Nachweis<br />
herdf<strong>ö</strong>rmiger Ansammlungen von Lymphozyten.<br />
Durch eine präoperative Behandlung kann sich das<br />
histologische Bild verändern: Nach einer Jodidtherapie<br />
werden die Thyreozyten kleiner, der Gehalt an<br />
Kolloid nimmt zu. Durch (iahe von Thyreostatika wird -<br />
unter dem Einfluß von TSH - die Epithelproliferation<br />
aktiviert, so daß papilläre Strukturen entstehen. Die<br />
deutliche Kernpolymorphie kann zu Schwierigkeiten<br />
bei der Abgrenzung gegenüber einem Karzinom füh<br />
ren. Nach Verabreichung von Radiojod kommt es zu
G. Erkrankungen der Schilddrüse 87<br />
Nekrosen, Endothelschwellungen, Kernanomalien und<br />
später zu Vernarbungen.<br />
Bei der hyperthyreoten Knotenstruma (Struma basedowiflcata)<br />
liegt eine jodinduzierte Hyperthyreose vor,<br />
die sich bei einer zunächst euthyreoten Stoffwechsellage<br />
entwickelt. Die ursprünglich knotige Kolloid<br />
struma ist in der Itcgel noch deutlich zu erkennen. Sie<br />
schließt kleinere Areale mit den histologischen Zei<br />
chen einer inkretorischen Hyperaktivität ein.<br />
Das endokrin aktive, autonome Adenom stellt eine<br />
weitere morphologische Manifestation einer Hyperthy<br />
reose dar. In 75% der Fälle liegt ein solitärer Knoten<br />
vor. Klinische Symptome treten erst bei einer Gr<strong>ö</strong>ße<br />
von 2 cm Adenomdurchmesser auf. Zu den morpho<br />
logischen Merkmalen zählen:<br />
- mikrofollikulärer Aufbau<br />
- zelldichter Knoten mit kubischen Thyroozyten mit<br />
Kernpolymorphie und vereinzelten Mitosen<br />
- eingedicktes Kolloid mit zahlreichen kleinen Vakuo<br />
len (schaumiger Inhalt)<br />
- immunhistochemisch nachweisbarer hoher Thyrcoglobulingehalt<br />
und eine<br />
- zarte bindegewebige Kapsel.<br />
Ein Adenokarzinom der Schilddrüse geht nur selten<br />
(weniger als 1% aller Hyperthyreosen) mit den klini<br />
schen Zeichen einer endokrinen HypeiTiinktion einher.<br />
Klinik: Bei überh<strong>ö</strong>hter Schilddrüsenhormonwirkung<br />
steigt der Energieumsatz u.a. infolge vermehrten Ein<br />
baus von Na+/K+-ATPase-Molekülen (Natriumpumpe)<br />
in die Zellmembran an. Die K<strong>ö</strong>rpertemperatur nimmt<br />
zu (bis 38,5° C). Die vermehrte Wärmeabgabe ist<br />
mit warmer, ger<strong>ö</strong>teter, feuchter Haut, vermehrter<br />
Schweißneigung und reduzierter Hitzetoleranz ver<br />
bunden. Bei vermehrtem Umsatz kommt es trotz reich<br />
licher Nahrungsaufnahme eher zu Gewichtsabnahme<br />
(katabole Wirkung hohen Schilddrüsenhormonüber<br />
schusses). Die Magen-Darm-Passage der Nahrung ist<br />
beschleunigt (Durchfallneigung).<br />
Der Einfluß einer Hyperthyreose auf das Zentralner<br />
vensystem zeigt sich an Unruhe, Rastlosigkeit, Unkon<br />
zentriertheit und Reizbarkeit. Die Muskeldehnungsreflexe<br />
sind bei verkürzter Reflexzeit gesteigert, und<br />
häufig wird spontanes Muskelzittern (Tremor) beob<br />
achtet. Die Patienten sind leicht ermüdbar und leiden<br />
unter Muskelschwäche (Adynamic). Es kann zu Muskelatrophie<br />
insbesondere im Bereich der Schulter- und<br />
Hüftmuskulatur kommen.<br />
Die Herzfrequenz steigt u.a. durch die Potenzierung<br />
der Wirkung des Sympathikus an, und es treten Rhyth<br />
musst<strong>ö</strong>rungen (z. B. Vorhofflimmern) auf. 'Trotz erh<strong>ö</strong>h<br />
ten Herzschlag- und Herzzeitvolumens ist nur die<br />
Blutdruckamplitude und nicht der arterielle Mittel<br />
druck erh<strong>ö</strong>ht, denn gleichzeitig erfolgt eine periphere<br />
Vasodilatation mit Abnahme des Kreislaufwider<br />
stands. Die hohe Belastung des Herzens kann zu<br />
Herzvergr<strong>ö</strong>ßerung und schließlich zu Herzinsuffizienz<br />
führen.<br />
Bei Hyperthyreose auf dem Boden eines M. Basedow ist<br />
in einem Großteil der Fälle eine endokrine Orbitopa<br />
thie mit Lid<strong>ö</strong>dem, Protrusio bulbi und Augenmuskelparesen<br />
nachzuweisen. Charakteristisch ist daneben eine<br />
Schwellung und R<strong>ö</strong>tung der Haut der Unterschenkel-<br />
Vorderseite (prätibiales Myx<strong>ö</strong>dem), die wie das Myx<br />
<strong>ö</strong>dem bei Hypothyreose auf vermehrter Glykosaminoglykaneinlagerung<br />
beruht.<br />
Stadien der endokrinen Orbitopathie<br />
in Anlehnung an die Einteilung der Deutschen<br />
Gesellschaft für Endokrinologie<br />
I Retrahierte, bei Rlickscnkung zurückbleibende Ober<br />
lider, seltener Lidschlag<br />
II Lid<strong>ö</strong>dem, Konjunktival<strong>ö</strong>dem (Chemosis). Conjunctivi<br />
tis sicca<br />
III Protrusio bulbi<br />
IV Paresen der äußeren Augenmuskeln (Doppelbilder)<br />
V Lagophthalnuis mit Hornhautschädigung (Trübung,<br />
Ul/.eration)<br />
VI Sehschwäche his hin zur Erblindung (Kompression<br />
des N. opticus)<br />
Bei extremer Hyperthyreose kann es zu schwerer<br />
Tachykardie (über 140/min) und starkem Flüssigkeits<br />
verlust durch Schwitzen und Diarrh<strong>ö</strong> mit resultieren<br />
dem exzessivem Kerntemperaturanstieg und hypovolämisch<br />
bedingtem Kreislaufzusaninienbruch kommen<br />
(thyreotoxische Krise). Eine anfängliche Unruhe und<br />
Verwirrtheit geht in Somnolenz und schließlich ins<br />
Koma über. Ausl<strong>ö</strong>ser dieser kritischen Situation ist<br />
meist eine Zufuhr von Jod, z. B. in Form von R<strong>ö</strong>ntgen<br />
kontrastmittel, bei vorbestehender Schilddrüsenautonomie.<br />
Diagnose einer Hyperthyreose: Ausschlaggebend für<br />
die Verdachtsdiagnose sind Anamnese und klinischer<br />
Befund, ggf. ergänzt durch ein Sonogramm der Schild<br />
drüse. Wenn nur ein schwacher klinischer Verdacht<br />
z. B. auf der Basis einer unklaren Tachyarrhythmie des<br />
Herzens vorliegt, ist die Bestimmung des Blutspiegels<br />
des b'TSII indiziert und bei Normalwerten zum Ver<br />
werfen der Verdachtsdiagnose Hyperthyreose ausrei<br />
chend. Ist die b'l'SH-Konzentration erniedrigt, dann<br />
bestätigen erh<strong>ö</strong>hte FT4- und FT:i-Werte den Hypermetabolismus.<br />
Der TRH-Test (Messung des TSH-Anstiegs<br />
nach TRH-Injektion) bringt weder bei normalem noch<br />
bei supprimiertem Basalwert für TSH eine wesentliche<br />
Zusatzinformation (es sei denn in Richtung Hypothy-
88 Endokrines System<br />
reose, vgl. Abschn. 6.1). Ist eine Hyperthyreose gesi<br />
chert, kommt der endokrinen Orbitopathie in der<br />
Differentialdiagnose der Ursachen eine Schlüsselrolle<br />
zu. Sind entsprechende Symptome vorhanden, ist von<br />
einem M. Basedow auszugehen. Fehlen sie, k<strong>ö</strong>nnen<br />
zusätzlich als Hinweis für eine Basedow-Erkrankung<br />
die Titer der mikrosomalen Antik<strong>ö</strong>rper und ggf. der<br />
Antik<strong>ö</strong>rper, die an TSH-Rezeptoren binden, bestimmt<br />
werden.<br />
Wichtigstes diagnostisches Verfahren zur Beurteilung<br />
des Vorliegens von autonom hormonsezernierendem<br />
Schilddrüsengewebe ist die Szintigraphie mit l2:{J oder<br />
99mTc ohne und mit zusätzlicher Gabe von Schilddrü<br />
senhormon zur Suppression der TSH-Sekretion. Das<br />
autonome Gewebe, das in seiner Jodaufnahme nicht<br />
supprimierbar ist, hebt sich dann mit erh<strong>ö</strong>htem Aktivi<br />
tätsgehalt als »heißer Bezirk« gegenüber dem regelba<br />
ren Gewebe ab, dessen Jodaufnahme unterdrückt ist.<br />
7 Zytologische Untersuchung<br />
Die Schilddrüse ist ein für eine diagnostische Punktion<br />
gut zugängliches Organ. Komplikationen (besonders<br />
Blutungen) treten nur selten auf. Mit dieser Methode<br />
lassen sich<br />
- die Kolloidstruma (reichlich Kolloid, kleine Zell<br />
gruppen von Thyreozyten),<br />
- Entzündungen (riesenzellige Quervain-Thyreoiditis,<br />
lymphozytenreiche 'Thyreoiditis),<br />
- das papilläre Karzinom (papilläre Anordnung von<br />
Thyreozyten, Nachweis von Milchglaskernen),<br />
- das medulläre Karzinom (feingranuliertes Zyto<br />
plasma mit azurophilen Granula, immunhistochemischer<br />
Nachweis von Kalzitonin in der Zelle) und<br />
- das anaplastische Karzinom (Nachweis von deutlich<br />
atypischen Zellen und Mitosen) abgrenzen.<br />
Hochdifferenzierte Follikelzellen k<strong>ö</strong>nnen im Ausstrich<br />
in angedeuteter follikulärer Gestaltung vorliegen. In<br />
diesen Fällen ist eine Abgrenzung zwischen einem<br />
follikulären Adenom und einem hochdifferenzierten<br />
follikulären Karzinom nicht m<strong>ö</strong>glich: Sie werden als<br />
follikuläre Neoplasie bezeichnet und müssen durch<br />
eine histologische Untersuchung abgeklärt werden<br />
(Ag-NOR-Bestimmung).<br />
Abb.G-23: Schilddrüsenzytologie. Oben: Ausstrich eines<br />
Schllddrüsenpunktats bei Struma colloides. Angedeutete fol<br />
likuläre Anordnung der Thyreozyten. Kolloidmassen (K).<br />
Thyreo/.ytenkern mit deutlichem Nukleolus (N). Unten:<br />
Milchglaskern (-). Intranukleäre Zyloplasmaeinstülpung bei<br />
einem papillären Schilddrüsenkarzinom. Giemsa-Fbg.
90 Endokrines System<br />
4.2 Karzinom<br />
EK-Karzinome sind selten. Sie sind durchschnittlich<br />
3 cm groß, über 12 g schwer und von eher fester<br />
Konsistenz. Durch Infiltration der Umgebung (z. B. der<br />
Schilddrüse) entstehen lokale Verwachsungen. Mito<br />
sen, Infiltration des umgebenden Gewebes mit Pseudogefäßeinbrüchen<br />
(besonders bei lokal voroperierten<br />
Patienten) sind nur als Malignitätshinweis zu werten.<br />
Letztlich kann die sichere Diagnose nur durch den<br />
Nachweis von Metastasen gestellt werden. Hilfreich<br />
hat sich die Ag-NOR-Untersuchung gezeigt: Bei den<br />
malignen Tumoren sind die versilberbaren Partikel<br />
zahlen- und flächenmäßig deutlich vermehrt.<br />
In 90% der Fälle gehen die Karzinome mit einer<br />
Hyperfunktion einher. Leitsymptom ist daher die<br />
»Hyperkalzämie«. Die korrekte Diagnose wird aber<br />
meist erst spät, also in einem fortgeschrittenen Tumor<br />
stadium gestellt. EK-Karzinome sind niedrigmaligne,<br />
da sie langsam wachsen und nur selten oder erst spät<br />
fernmetastasieren. Etwa 50% der Karzinome metastasieren<br />
in die regionären Lymphknoten. Die Neubildung<br />
neigt zum Rezidiv. Die 10-Jahres-Überlebensrate<br />
beträgt —10%. Der Verlauf kann sich protrahiert über<br />
20 Jahre erstrecken, es gibt aber auch rasante Krankheitsformen,<br />
die innerhalb von 6 Monaten zum Tode<br />
führen.<br />
4.3 Verschiedene Tumoren<br />
Als Sonderform ist das gutartige Adenolipom zu nen<br />
nen. Es handelt sich um ein Adenom, das reichlich<br />
reife Fettzellen einschließt.<br />
4.4 Metastasen<br />
In Epithelk<strong>ö</strong>rperchen sind Metastasen verschiedener<br />
Primärtumoren (z. B. von Bronchialkarzinomen) be<br />
schrieben worden.<br />
m k m m ■ -:-<br />
* &<br />
4.5 Nichtklassifizierte Tumoren<br />
Es handelt sich um Neubildungen, die sich histologisch<br />
nicht einordnen lassen.<br />
Abb.IM: Fpithelk<strong>ö</strong>rperehenadenom. Oben: Aufgeschnitte<br />
nes Fpithelk<strong>ö</strong>rperchenadenom mit regressiven, pseudozysti<br />
schen Veränderungen. Mitte: Hauptzellenadenom mit folli<br />
kulärer Differenzierung und kolloidartigem Inhalt. HK-Fbg.<br />
Unten: Klarzellenadenom. HF-Fbg.
H. Erkrankungen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 89<br />
H. Erkrankungen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
1 Fehlbildungen<br />
Zu den wichtigsten Fehlbildungen zählen die Aplasie,<br />
die mit einem angeborenen Hypoparathyreoidismus<br />
einhergeht, und die Dystopie. Atypische Lokalisatio<br />
nen (intrathyreoidal, retroesophageal, im vorderen<br />
Mediastinum, Perikard, Thymus, in der Bifurkation<br />
der Trachea) sind von chirurgischer Bedeutung. Die<br />
Zahl der vorhandenen Drüsen kann vermindert (drei<br />
Drüsen) oder vermehrt (fünf Drüsen) sein.<br />
2 Entzündungen<br />
Als Parathyreoiditis bezeichnet man die Entzündun<br />
gen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen (EK). Sie k<strong>ö</strong>nnen im Rah<br />
men einer Sepsis auftreten. Vereinzelte interstitielle<br />
Ansammlungen von Lymphozyten haben keinen<br />
krankmachenden Wert. Eine stärkere Infiltration<br />
kommt bei einer Autoimmun-Parathyreoiditis vor.<br />
3 Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
Die Epithelk<strong>ö</strong>rperchen k<strong>ö</strong>nnen Veränderungen im<br />
Rahmen einer allgemeinen Stoffwechselst<strong>ö</strong>rung (z. B.<br />
einer Hämochromatose) zeigen. Amyloidablagerungen<br />
werden in seltenen Fällen in einer normalen<br />
Drüse, in einer hyperplastischen Drüse oder in einem<br />
Adenom beobachtet.<br />
4 Tumoren<br />
4.1 Adenom<br />
WHO-Systematik und Kodierung<br />
(Topographie: C75.0)<br />
1 Epitheliale Tumoren<br />
1.1<br />
1.1.1<br />
Gutartige Tumoren<br />
Adenom 8140/0<br />
Hauptzellenadenom 8321/0<br />
Klarzellenadenom 8322/0<br />
Onkozytäres Adenom 8290/0<br />
Gemischtes Adenom 8140/0<br />
1.2<br />
1.2.1<br />
B<strong>ö</strong>sartige Tumoren<br />
Karzinom (Adenokarzinom) 8140/3<br />
2 Andere Tumoren<br />
2.1 Lipoadenom 8324/0<br />
3 Metastasen ..../6<br />
4 Nichtklassifizierte Tumoren 8000/-<br />
5<br />
5.1<br />
Tumorartige Veränderungen<br />
Primäre Ilauptzellenhyperplasie 72030<br />
5.2 Primäre Klarzellenhypcrplasie 72010<br />
5.3 Andere Hyperplasien 72000<br />
5.4 Zysten 33400<br />
Als Adenom bezeichnet man eine umschriebene, gut<br />
artige Proliferation von Epithelzellen in einer Drüse.<br />
Besonders betroffen sind die unteren Epithelk<strong>ö</strong>rper<br />
chen; ektope Lokalisationen kommen in abnehmender<br />
Häufigkeit in der Thymusdrüse, in der Schilddrüse, im<br />
Perikard oder im Ösophagus vor. Adenome treten<br />
sporadisch oder familiär im Rahmen eines MEN-<br />
Syndroms auf. Die sporadischen Formen kommen fast<br />
immer solitär vor und entwickeln sich primär (beim<br />
primären Hyperparatliyreoidismus; HPT) oder sekun<br />
där auf dem Boden einer Hyperplasie (beim tertiären<br />
HPT). Die Tumoren werden bis 6 g schwer (Maximal<br />
gewicht 300 g) und weisen eine samtartige, rehbraunfarbene<br />
Schnittfläche auf. Die Konsistenz schwankt<br />
zwischen der eines Lymphknotens und der des Fettge<br />
webes. Histologisch ist der epitheliale Drüsenanteil<br />
vermehrt, das interstitielle Fettgewebe deutlich ver<br />
mindert. In der Peripherie erkennt man eine zarte<br />
bindegewebige Kapsel. Das ortsständige Epithelk<strong>ö</strong>r<br />
perchengewebe ist - soweit noch nachweisbar — atro<br />
phisch. Die Neubildung kann einen soliden, trabekulä<br />
ren oder einen tubulären Aufbau zeigen. Ferner kom<br />
men kolloidhaltige follikuläre Strukturen vor, die nicht<br />
mit Schilddrüsengewebe zu verwechseln sind. Meist<br />
besteht der Tumor aus Hauptzellen, wesentlich selte<br />
ner aus hellen oder oxyphilen (mitochondrienreichen<br />
onkozytären) Zellen. Gemischtzellige Formen lassen<br />
sich häufiger finden. In gr<strong>ö</strong>ßeren Adenomen kommen<br />
regressive Veränderungen (Blutungen, Cholesterinablagerungen<br />
und Fibroseherde) vor. Polymorphe Kerne<br />
sind als Zeichen der endokrinen Funktion und nicht<br />
der Malignität zu werten.
H. Erkrankungen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 91<br />
4.6 Tumorartige Veränderungen<br />
Zu den wichtigsten Veränderungen zählt die Hyper<br />
plasie der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen, die das morphologische<br />
Substrat des sekundären HPT darstellt und sporadisch<br />
oder familiär im Rahmen eines MEN-Syndroms auftre<br />
ten kann. Bei einer Hyperplasie sind alle Drüsen -<br />
allerdings in sehr unterschiedlicher Ausprägung -<br />
vergr<strong>ö</strong>ßert. Das Gesamtgewicht unterliegt erheblichen<br />
Schwankungen (0,15 bis 10 g). Histologisch findet man<br />
eine diffuse oder knotige (pseudoadenomat<strong>ö</strong>se) Ver<br />
mehrung von dunklen und/oder wasserklaren, funktio<br />
nell aktiven Zellen. Ferner erkennt man fokal ver<br />
mehrte inaktive oxyphile Zellen. Das Fettgewebe ist<br />
vermindert (unter 10% im Schnitt).<br />
5 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen<br />
Regulation des Kalziumhaushalts<br />
5.1 Hypoparathyreoidismus<br />
Pathogenese: Die häufigste Ursache einer unzurei<br />
chenden Produktion von Parathormon (PTH) ist die<br />
Zerst<strong>ö</strong>rung der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen bei Thyreoidektomie<br />
(parathyreopriver Hypoparathyreoidismus:<br />
Komplikation bei 1 bis 4% der Operationen). Nach<br />
Beseitigung einer PTH-Überproduktion durch opera<br />
tive Entfernung eines Adenoms kommt es in einem Teil<br />
der Fälle zu passagerem Hypoparathyreoidismus,<br />
denn das gesunde, durch die Hyperkalzämie supprimierte<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchengewcbe nimmt seine nor<br />
male Funktion erst allmählich wieder auf. Bei einzel<br />
nen Patienten persistiert der Hypoparathyreoidismus<br />
(ca. 1% der Adenomektomien). Eine Epithelk<strong>ö</strong>rperchenunterfunktion<br />
infolge einer Drüsenzerst<strong>ö</strong>rung<br />
durch Entzündungen, Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen (Sidcrosen),<br />
ionisierende Strahlen oder durch einwachsende<br />
maligne Tumoren ist selten, ebenso wie eine angebo<br />
rene, sog. idiopathische Unterfunktion bzw. eine Apla<br />
sie oder Hypoplasie.<br />
JX9<br />
■<br />
-<br />
Die Epithelk<strong>ö</strong>rperchenaplasie mit Thymushypoplasie<br />
oder -aplasie wird als DiGeorge-Syndrom bezeichnet.<br />
Kommen zusätzlich kardiovaskuläre Fehlbildungen<br />
vor, dann spricht man vom Syndrom der III. und<br />
rV. Schlundtasche.<br />
Wenn die Stimulierbarkeit der Hormonsekretion der<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchen durch Hypomagnesiämie oder D-<br />
Hormon-Mangel vermindert ist, kommt es zu sym<br />
ptomatischem Hypoparathyreoidismus. In beiden<br />
Fällen sprechen auch die PTH-Zielorgane (Knochen,<br />
Darm, Niere) unzureichend auf das PTH an (Endorgan<br />
resistenz). Ausgeprägt ist die PTH-Unempfindliehkeit<br />
der Endorgane beim hereditären Pseudohypopara-<br />
Abb. H-2: Fpithelk<strong>ö</strong>rperchenhyperplasie. Oben: Makrosko<br />
pisch erkennt man vier deutlich vergr<strong>ö</strong>ßerte Epithelk<strong>ö</strong>rper<br />
chen. Mitte: Vier vergr<strong>ö</strong>ßerte Epithelk<strong>ö</strong>rperchen von reh<br />
brauner Farbe. Unten: Immunhistochemischer Nachweis von<br />
Chromogranin in einem Epithelk<strong>ö</strong>rperchen.
92 Endokrines System<br />
thyreoidismus, bei dem trotz normaler bis erh<strong>ö</strong>hter<br />
PTH-Spiegel die Wirkung des PTH ausbleibt.<br />
Klinik: Nach akutem Hypoparathyreoidismus sinkt<br />
die Konzentration des Kalziums im Plasma rasch ab<br />
infolge<br />
- pathologisch erh<strong>ö</strong>hter renaler Ca++-Ausscheidung<br />
- verminderter enteraler Ca' '-Resorption<br />
- unzureichender Kalziummobilisation aus den Kno<br />
chen.<br />
Die Symptome der Hypokalzämie treten meist inner<br />
halb des ersten Tages nach Beginn des Hypoparathy<br />
reoidismus auf. Im Vordergrund steht eine Enthem<br />
mung der neuromuskulären Erregungsübertragung.<br />
Spontan, insbesondere aber nach mechanischer Rei<br />
zung der Nerven, kommt es zu Krämpfen, die von<br />
Angst und Muskelschmerzen begleitet sind. Charakte<br />
ristisch ist die Verkrampfung der Armmuskulatur<br />
(Pf<strong>ö</strong>tchenstellung der Hand, bei intensiveren Krämp<br />
fen Beugung im Ellbogengelenk und Adduktion des<br />
Armes). Auch die mimische Muskulatur (Verzerrung<br />
des Mundes zur Fischmaulform) und die Muskulatur<br />
der unteren Extremität k<strong>ö</strong>nnen von den Krämpfen<br />
betroffen sein. In schweren Fällen führt (insbesondere<br />
bei Kindern) ein Laryngospasmus zur Verlegung der<br />
Atemwege mit Erstickungsgefahr, und die Krämpfe<br />
k<strong>ö</strong>nnen generalisieren (Verwechslungsm<strong>ö</strong>glichkeit mit<br />
einem epileptischen Anfall).<br />
Bei chronischem Hypoparathyreoidismus führt die<br />
Hypokalzämie ebenfalls zur Krampfneigung, von der<br />
auch die glatte Muskulatur betroffen ist (Bauch<br />
schmerzen, Harndrang). Infolge der durch den PTH-<br />
Mangel verminderten Osteolyse entwickelt sich eine<br />
Osteosklerose. Beim Kind sind aufgrund der vermin<br />
derten Kalziumverfügbarkeit Wachstumsst<strong>ö</strong>rungen<br />
und Zahnschmelzdefekte zu beobachten. Wenn bei<br />
sinkendem Parathormonspiegel die durch Parathor<br />
nion bewirkte Hemmung der renalen Phosphatreabsorption<br />
nachläßt, resultiert eine renale Phosphatretention<br />
mit llyperphosphatämie. Bei Überschreitung<br />
des L<strong>ö</strong>slichkeitsprodukts für Kalziumphosphat (der<br />
Anstieg der Phosphatkonzentration ist stärker als der<br />
Abfall der Kalziumkonzentration) kommt es zu para<br />
doxen Kalziumausfällungen z. B. in der Augenlinse<br />
(Katarakt) und in den Basalganglien. Trophische St<strong>ö</strong><br />
rungen als Hypokalzämielblge finden sich in Form von<br />
Haarausfall und Ilauttrockenheit. Zentralnerv<strong>ö</strong>se St<strong>ö</strong><br />
rungen k<strong>ö</strong>nnen sich als Angst, Psychosen oder Depres<br />
sion bemerkbar machen.<br />
Albright-Osteodystrophie: Bei Patienten mit Pseudohypoparathyreoidismus<br />
sind Kleinwuchs, verkürzte<br />
Mittelhand- und Mittclfußknochen (4. Strahl) und Adipositas<br />
charakteristisch.<br />
Diagnose des Hypoparathyreoidismus: Leitsymptom<br />
des PTH-Mangels sind die hypokalzämiebedingten<br />
Krämpfe (Tetanie). Neben den typischen, von Mißemp<br />
findungen (Parästhesien) eingeleiteten Verkrampfun<br />
gen insbesondere der Extremitäten und der mimischen<br />
Muskulatur (akuter tetanischer Anfall) k<strong>ö</strong>nnen<br />
krampfartige Bauchschmerzen (viszerale Tetanie) und<br />
unklare epilcptiforme Anfälle vorkommen. Bei latenter<br />
Tetanie lassen sich die Krämpfe häufig durch Hyper<br />
ventilation (Erniedrigung des ionisierten Anteils des<br />
Plasmakalziums durch respiratorische Alkalose) pro<br />
vozieren. Spasmen der mimischen Muskulatur k<strong>ö</strong>nnen<br />
durch Beklopfen des Stammes des N. facialis im<br />
Bereich vor der Ohrmuschel ausgel<strong>ö</strong>st werden (Chvostek-Zeichen).<br />
Die typischen, zur Pf<strong>ö</strong>tchenstellung füh<br />
renden Krämpfe der Unterarmmuskulatur k<strong>ö</strong>nnen<br />
durch mehrminütige Einwirkung einer übersystolisch<br />
aufgepumpten Staumanschette auf den Oberarm indu<br />
ziert werden (Trousseau-Zeichen). Die differentialdiagnostische<br />
Abgrenzung gegen die psychogene Hyperventilationstetanie,<br />
die die weit überwiegende Ursache<br />
tetaniformer Anfälle darstellt, ist u.a. durch Messung<br />
des Gesamtkalziums im Plasma m<strong>ö</strong>glich.<br />
An einen chronisch verlaufenden Hypoparathyreo<br />
idismus sollte außer bei rezidivierenden Krämpfen<br />
(auch der Eingeweide) bei unerklärlichen psychischen<br />
St<strong>ö</strong>rungen, bei Degenerationserscheinungen der Haut<br />
(Haarausfall) und Trübungen der Augenlinse gedacht<br />
werden. In einem großen Teil der Fälle wird der<br />
Hinweis auf einen Hypoparathyreoidismus durch die<br />
zufällig bei einer routinemäßigen Bestimmung des<br />
Blut-Kalziumspiegels entdeckte Hypokalzämie gelie<br />
fert. Eine Hypokalzämie kann beim chronischen Hypo<br />
parathyreoidismus aber auch phasenweise fehlen,<br />
denn der Plasma-Kalziumspiegel kann sich vorüberge<br />
hend normalisieren, wenn ausreichend D-Hormon zur<br />
Verfügung steht.<br />
Laborchemisch ist der Hypoparathyreoidismus durch<br />
Hypokalzämie bei llyperphosphatämie gekennzeich<br />
net. Erniedrigt sind sowohl das Gesamtkalzium (unter<br />
2,0 mmol/1) als auch das ionisierte Ca++ (unter<br />
1,0 mmol/1). Bei der ebenfalls zur Hypokalzämiesymptomalik<br />
führenden Alkalose (respiratorisch bei<br />
Hyperventilation, metabolisch bei protrahiertem<br />
Erbrechen und renal bei Hyperaldosteronismus) ist<br />
nur der Plasmaspiegel des ionisierten, nicht aber der<br />
des Gesamtkalziums erniedrigt (erh<strong>ö</strong>hte Kalziumbindung<br />
durch bei Alkalose verstärkt dissoziierte Plasmaprotoine).<br />
Bei Hypokalzämie auf dem Boden eines D-<br />
Hormon-Mangels (Rachitis, s. u.) ist die Phosphatkon<br />
zentration nicht erh<strong>ö</strong>ht, sondern erniedrigt. Auch bei<br />
Hypokalzämie mit llyperphosphatämie ist die Dia<br />
gnose Hypoparathyreoidismus noch nicht gesichert. Es<br />
ist dann notwendig, als Ursache der St<strong>ö</strong>rungen eine<br />
Niereninsuffizienz (durch Bestimmung der Kreatinin-<br />
Clearance) und eine Hypomagnesiämie (durch Mes<br />
sung des Plasma-Magnesiumspiegels) auszuschließen.<br />
Bei Hypokalzämie auf dem Boden einer Niereninsuffi<br />
zienz fehlen außerdem in der Regel tetanische Anfälle,<br />
weil der Anteil des ionisierten Kalziums im Plasma<br />
aufgrund der gleichzeitig bestehenden Azidose gestei<br />
gert ist. Entscheidend für die Stellung der endgültigen
H. Erkrankungen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 93<br />
Diagnose ist die Messung des Plasmaspiegels des<br />
intakten Parathormons (PTH-84).<br />
Eine Differenzierung zwischen echtem und Pseudohypoparathyreoidismus<br />
kann über eine Messung des<br />
PTH-Spiegels im Plasma (beim letzteren normal) und<br />
über eine Kontrolle der renalen Ausscheidung von<br />
cAMP (Second messenger von PTH) nach exogener<br />
PTH-Zufuhr erfolgen. Die bei echtem PTH-Mangel<br />
nach PTH-Injektion zu beobachtende starke Zunahme<br />
der cAMP-Ausscheidung mit dem Urin bleibt bei dem<br />
auf Endorganresistenz beruhenden Pseudohypoparathyreoidismus<br />
aus. Hinweise auf das Vorliegen eines<br />
Pseudohypoparathyreoidismus kann die Familien<br />
anamnese geben (familiär gehäuftes Auftreten).<br />
5.2 Hyperparathyreoidismus (HPT)<br />
Pathogenese: Beim relativ häufigen (jährliche Inzidenz<br />
etwa 25 pro 100000, vorwiegend Frauen) primä<br />
ren Hyperparathyreoidismus (pHPT), bei dem die<br />
Ursache der PTH-Überproduktion in den Epithelk<strong>ö</strong>r<br />
perchen selbst liegt, unterscheidet man eine heredi<br />
täre (seltene) Form mit diffuser Hyperplasie eines oder<br />
mehrerer Epithelk<strong>ö</strong>rperchen von der häufigeren,<br />
durch Spontanmutation von hormonbildcnden Zellen<br />
induzierten Adenombildung (monoklonale Tumoren).<br />
Die PTH-Produktion der Adenomzellen ist nicht voll<br />
ständig von dem Einfluß der extrazellulären Ca++- und<br />
Phosphatkonzentration abgekoppelt (autonom), aber<br />
die Schwelle für eine PTH-Sekretionshemmung bei<br />
steigender Ca++-Konzentration liegt bei den Adenom<br />
zellen anormal hoch. Die abgeschwächte Kalzium<br />
empfindlichkeit der hormonbildenden Zellen wird auf<br />
einen gest<strong>ö</strong>rten Ca++-Transport durch die Zellmem<br />
bran zurückgeführt.<br />
Ein sekundärer Hyperparathyreoidismus (sIIPT) ent<br />
wickelt sich bei chronischer Überstimulation der Epi<br />
thelk<strong>ö</strong>rperchen durch eine Hypokalzämie und Hyperphosphatämie<br />
infolge renaler Insuffizienz oder (selte<br />
ner) eine Hypokalzämie bei unzureichender intestina<br />
ler Ca++-Aufnahme aus der Nahrung. Der anhaltende<br />
Sekretionsreiz wirkt mitogen (diffuse Hyperplasie der<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchen). An der Genese des durch Nieren<br />
insuffizienz bedingten sIIPT müssen weitere, noch<br />
nicht sicher identifizierte Faktoren (z. B. eine Vermin<br />
derung der Ca++-Empfindlichkeit der Beischilddrüsen<br />
wie beim pHPT) beteiligt sein, denn die PTH-Überpro<br />
duktion setzt beim chronischen Nierenversagen schon<br />
ein, bevor es zum Abfall der Plasma-Kalziumkonzen<br />
tration bzw. zum Anstieg der Phosphatkonzentration<br />
kommt.<br />
Der tertiäre Hyperparathyreoidismus (ÜIPT) stellt<br />
eine Verselbständigung der Überfunktion der z. B. bei<br />
chronischer Niereninsuffizienz anhaltend überstimu<br />
lierten Epithelk<strong>ö</strong>rperchen dar. Die vermehrte Parathormonausschüttung<br />
bleibt nach Wegfall des Sekre<br />
tionsreizes (Behebung der Hypokalzämie bzw. Nieren<br />
insuffizienz) erhalten.<br />
In der Mehrzahl der Fälle von Hyperkalzämiesyndrom<br />
(ca. 70%) liegt nicht eine Erkrankung der Epithelk<strong>ö</strong>r<br />
perchen, sondern eine Ausschüttung von parathormonähnlichen<br />
Peptiden oder von osteolytischen Fakto<br />
ren durch b<strong>ö</strong>sartige Tumoren vor (s. a. S. 140). Bei<br />
dieser auch als Pseudohyperparathyreoidismus<br />
bezeichneten Tumorhyperkalzämie ist die Parathor<br />
monproduktion der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen meist supprimiert.<br />
Pathologie: Die Ursache eines pHPT ist in 80% der<br />
Fälle in einem solitären Adenom zu suchen. In 2%<br />
liegen multiple Adenome (Doppeladenome) vor, in 3%<br />
ein Karzinom und in 15% eine diffuse Hyperplasie aller<br />
Drüsen.<br />
Klinik: Bei Parathormonüberschuß stehen Hyperkalzämiefolgen<br />
im Vordergrund. Es kommt zur St<strong>ö</strong>rung<br />
der Nierenfunktion mit Beeinträchtigung der Konzen<br />
trationsleistung (Polyurie mit Hyposthenurie, renale<br />
Na+- und K+-Verluste). Die erh<strong>ö</strong>hte Kalziumbeladung<br />
des in der Niere abgefilterten Primärharns führt trotz<br />
der Stimulation der tubulären Ca++-Reabsorption<br />
durch das Parathormon zu Hyperkalzurie, Nephrokal<br />
zinose und Nephrolithiasis. Die Überstimulation der<br />
Verdauungsdrüsen führt zu rezidivierendem Auftreten<br />
von Magen- und Duodenalulzera und prädisponiert zu<br />
akuter Pankreatitis, Pankreatikolithiasis und Chole<br />
lithiasis. Außerdem sind das Herz-Kreislauf-System<br />
(u. a. Digitalisüberempfindlichkeit und Tachykardie),<br />
die Muskulatur und das Nervensystem betroffen (Ady<br />
namic depressive Verstimmungen, Gedächtnisst<strong>ö</strong>run<br />
gen). Die vermehrte Mobilisierung des Knochenkal<br />
ziums durch Parathormon führt zur Demineralisierung<br />
des Skeletts mit der Gefahr von Spontanfrakturen.<br />
Eine Dekompensation der Hyperkalzämie, z. B. infolge<br />
zu geringer Flüssigkeitszufuhr, ist lebensgefährlich<br />
(hyperkalzämische Krise). In der hyperkalzämischen<br />
Krise schlägt die Polyurie infolge verstärkter Nierenschädigung<br />
in Oligurie bis Anurie um. Zur Niereninsuf<br />
fizienz tritt eine Intensivierung der zentralnerv<strong>ö</strong>sen<br />
Symptomatik (Desorientiertheit, Abgleiten ins Koma).<br />
HPT in der Schwangerschaft: Beim Hyperparathy<br />
reoidismus ist der Schwangerschaftsverlauf schwer<br />
gest<strong>ö</strong>rt. Bei rechtzeitiger und adäquater Therapie der<br />
Mutter bleiben die Komplikationen in 80% der Fälle<br />
aus. Bei Schwangeren mit unbehandeltem HPT sind<br />
die Abort- und Totgeburtrate (15 bis 20%) und die<br />
perinatale Sterblichkeit des Kindes erh<strong>ö</strong>ht.<br />
Primärer HPT bei Jugendlichen: Vor dem 30. Lebens<br />
jahr wird ein Hyperparathyreoidismus nur selten (1%)<br />
diagnostiziert. In diesen Fällen, die mit schweren<br />
Wachstunisst<strong>ö</strong>rungen des Skeletts einhergehen, sollte<br />
an eine familiäre Form (MEN-Syndrom) gedacht<br />
werden.
94 Endokrines System<br />
Familiärer HPT: Die Erkrankung kommt bevorzugt<br />
kombiniert mit anderen endokrinen St<strong>ö</strong>rungen beim<br />
MEN-Syndrom (s. S. 136) vor. Es sind aber auch iso<br />
lierte Fälle - also MEN-unabhängige Formen -<br />
beschrieben worden.<br />
Familiäre hypokalzurische Hyperkalzämie: Es han<br />
delt sich um eine familiäre Erkrankung, die bei gerin<br />
ger Hyperkalzämie mit einer verminderten renalen<br />
Kalziumausscheidung einhergeht. Differcntialdiagnostisch<br />
ist ein MEN-Syndrom auszuschließen.<br />
Diagnose des HPT: Verdacht auf primäre Nebenschilddrüsenüherfunktion<br />
besteht vor allem bei Stein<br />
bildung in den Harnwegen (wenn auch nur ca. 1% der<br />
Patienten mit Nephrolithiasis einen pHPT haben) und<br />
bei chronischen Einschränkungen der Nierenleistung<br />
mit Polyurie und entsprechendem Durst (nach Aus<br />
schluß von Diabetes mellitus und Diabetes insipidus).<br />
Auch bei Knochenschmerzen und Frakturen ohne<br />
entsprechende Traumatisierung, bei St<strong>ö</strong>rungen von<br />
Seiten des Verdauungstrakts (Appetitlosigkeit, V<strong>ö</strong>lle<br />
gefühl, Obstipation, Erbrechen, peptische Ulzera, Pankreatikolithiasis<br />
und Pankreatitis) und bei unklarer<br />
psychischer Symptomatik sollte ein HPT als Grund<br />
krankheit in Erwägung gezogen werden. Ausgangs<br />
punkt der weiterführenden Diagnostik ist die Bestim<br />
mung des Blut-Kalziumspiegels. Ergänzend kann r<strong>ö</strong>nt<br />
genologisch nach plIPT-bedingten Knochenveränderungen<br />
(z. B. subperiostale Usuren an den Fingerpha<br />
langen) gesucht werden. Bei Hyperkalzämie kann die<br />
Diagnose eines pHPT durch radioimmunologische<br />
Bestimmung des nativen Parathormons im Plasma<br />
gesichert werden. Weiteres Zeichen eines pHPT ist<br />
eine erh<strong>ö</strong>hte renale Ausscheidung des Second messen<br />
ger der Beischilddrüsenzellen (cAMP). Ist der PTH-<br />
Spiegel erh<strong>ö</strong>ht, folgt die Suche nach einem Adenom mit<br />
Hilfe der Sonographie und eventuell der Computerto<br />
mographie, in problematischen Fällen mit aberranter<br />
Lokalisation, z. B. hinter dem Sterntim, auch mit Halsvenenkatheterisierung<br />
und Messung der lokalen PTH-<br />
Konzentration im Venenblut.<br />
Ein Verdacht auf sekundären HPT ist gegeben, wenn<br />
sich bei chronischer Niereninsuffizienz eine Hypokalz<br />
ämie bei llyperphosphatämie entwickelt. Entspre<br />
chende Hinweise liefert das Auftreten von Gelenk- und<br />
Knochenschmerzen als Symptom der renalen Osteo<br />
pathie. Die Diagnose kann durch radioimmunologi<br />
schen Nachweis eines erh<strong>ö</strong>hten nativen PTH und ver<br />
mehrter renaler cAMP-Ausscheidung gesichert wer<br />
den. Beim seltenen, intestinal bedingten sIIPT (zu<br />
geringe Zufuhr oder Malabsorption von Kalzium) ist<br />
die Phosphatkonzentration im Plasma nicht erh<strong>ö</strong>ht,<br />
sondern erniedrigt.<br />
Wenn es bei Niereninsuffizienz mit chronischer Über<br />
lastung der Nebenschilddrüsen zu einem Wieder<br />
anstieg des Plasmakalziums auf oder über die Norm<br />
kommt, ist ein tertiärer IIPT mit Verselbständigung der<br />
zunächst bedarfsgemäß erh<strong>ö</strong>hten PTH-Produktion<br />
anzunehmen. Als diagnostischer Hinweis auf eine der<br />
artige Entwicklung ist das Auftreten von Hyperkalzämiesymptomen,<br />
insbesondere von Seiten des Verdauungstrakts<br />
und des Zentralnervensystems, zu wer<br />
ten. Die bei erh<strong>ö</strong>htem Kalziumspiegel normalerweise<br />
vorhandene Polyurie kann sich dagegen wegen der als<br />
Grundkrankheit vorhandenen chronischen Nieren<br />
insuffizienz nicht ausbilden. Als passageres Phänomen<br />
tritt tertiärer HPT nach schlagartiger Beseitigung der<br />
den Phosphatrückstau und den Kalziumverlust verur<br />
sachenden Niereninsuffizienz durch Nierentransplan<br />
tation auf, denn die erh<strong>ö</strong>hte PTH-Produktion der durch<br />
Überforderung hyperplastischen Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
bildet sich nur allmählich auf ein an den gesunkenen<br />
Bedarf angepaßtes Maß zurück.<br />
Wenn bei Hyperkalzämie mit entsprechender klini<br />
scher Symptomatik der PTH-Spiegel nicht erh<strong>ö</strong>ht, son<br />
dern supprimiert ist, kommen ursächlich Pseudohyperparathyreoidismus<br />
als paraneoplastisches Syn<br />
drom (Produktion PTII-ähnlicher Peptide durch Zellen<br />
eines malignen Tumors), eine vermehrte Osteolyse,<br />
z.B. infolge Immobilisation oder Tumorinfiltration des<br />
Skeletts, oder eine entcrale Kalziumüberladung (zu<br />
hohe Zufuhr oder Resorption von Kalzium, z. B. bei<br />
Vitamin-D-Inloxikation) in Frage.<br />
5.3 Rachitis und Osteomalazie*<br />
Pathogenese: Bei unzureichender Versorgung des Orga<br />
nismus mit der Wirkl<strong>ö</strong>rm des Vitamin D (1,25-Dihydroxycholecalciferol,<br />
D-Hormon) ist die Synthese von kalzium<br />
bindendem Protein in der Darmmukosa vermindert, und<br />
mit der Nahrung zugeführtes Kalzium kann nicht ausrei<br />
chend resorbiert werden. Außerdem ist auch die enterale<br />
Phosphatabsorption gest<strong>ö</strong>rt, so daß eine kombinierte<br />
Hypokalzämie und -phosphatäniie resultiert. Die Auswir<br />
kungen des Mineralmangels auf das Skelett werden<br />
durch den Ausfall der direkten Wirkungen von D-Hor<br />
mon auf den Knochen (Stimulation der Matrixbildung<br />
und der Knochenreifung, aber auch der osteoklastischen<br />
Aktivität) verstärkt. Die PTH-Konzentration kann reaktiv<br />
(hypokalzämiebedingt) erh<strong>ö</strong>ht sein und durch Osteoklastenstimulation<br />
die Osteolyse intensivieren. Andererseits<br />
sprechen bei D-I Iormon-Mangel die Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
weniger auf Hypokalzämie an, so daß es statt zu einer<br />
reaktiven PTH-Überproduklion auch zu Hypoparathyreo<br />
idismus kommen kann (s.o.).<br />
Eine Erniedrigung des Produkts von Kalzium- und Phos<br />
phatkonzentration führt beim Kind zu Rachitis, wobei die<br />
Hypokalzämie (kalzipenische Rachitis) oder die Hypophosphatämie<br />
(phosphopenische Rachitis) im Vorder<br />
grund stellen kann. Die kalzipenische Rachitis beruht in<br />
der Regel auf unzureichender Zufuhr bzw. Bildung von<br />
Ausführliche Beschreibung der Knochenveränderungen<br />
im Band 8 dieser Reihe (Knochen und Gelenke)
H. Erkrankungen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 95<br />
Vitamin D. In seltenen Fällen liegt eine angeborene<br />
Unfähigkeit zur Umwandlung von Vitamin D in D-Hor<br />
mon (Typ I der Vitamin-D-abhängigen Rachitis) oder eine<br />
periphere D-Hormon-Resistenz (Typ II) vor. Die hypophosphatämische<br />
Rachitis ist in der Regel Folge einer zu<br />
hohen renalen Phosphatausscheidung {/.. B. familiärer<br />
»Phosphatdiabetes« als meist X-chromosomal dominant<br />
vererbte St<strong>ö</strong>rung der Phosphatrcabsorption im proxima<br />
len Nierentubulus, bei Kombination mit Aminoazidurie<br />
und Glukosurie als Debre-deToni-Fanconi-Syndrom).<br />
Wenn die St<strong>ö</strong>rungen im Kalzium- und/oder Phos<br />
phathaushalt erst nach Abschluß des Wachstums mani<br />
fest werden, kommt es zum Bild der Osteomalazie!.<br />
Klinik: Im Kleinkindesalter führt die unzureichende<br />
Mineralisierung des Skeletts zum Erscheinungsbild der<br />
Rachitis mit Verlegungen und Verformungen der langen<br />
R<strong>ö</strong>hrenknochen (Coxa vara), des Brustkorb- und des<br />
Beckenskeletts (Glockenthorax und Kartenherzbecken).<br />
Die Schädelknochen sind weich und eindrückbar (Kraniotabes).<br />
Die Wachstumsregionen der Knochen sind<br />
aufgetrieben (rachitischer Rosenkranz durch Verdickung<br />
der Knorpel-Knochen-Grenze der Rippen, Caput quadratum<br />
durch Stirnbeinverdickung). Die Zahnentwick<br />
lung ist gest<strong>ö</strong>rt (Schmelzdefekte). Bei ausgeprägter I lypokalzämie<br />
kommen entsprechende funktionelle St<strong>ö</strong>rungen<br />
(Krampfneigung, Muskelhypotonie) hinzu. Wenn ein<br />
D-Hormon-Mangel nach Abschluß des Skelettwachstums<br />
auftritt, verläuft die als Osteomalazie bezeichnete Skelettdestabilisierung<br />
schleichend. Die Osteolyse kann durch<br />
eine reaktive Überproduktion an PTH mit gesteigerter<br />
Osteoklastenaktivierung verstärkt werden (erkennbar an<br />
der erh<strong>ö</strong>hten alkalischen Phosphatase im Plasma). Der<br />
Knochenabbau und -umbau ist r<strong>ö</strong>ntgenologisch vor<br />
allem im Beckenbereich und am Femurhals nachzuwei<br />
sen (Looser-Umbauzonen). Durch den Ersatz von Kno<br />
chen durch nichtmineralisiert.es Osteoid wird der Kno<br />
chen verbiegbar, und es kommt zu Pseudofrakturen.<br />
Klinisch ist neben dem Auftreten von rheumaähnlichen<br />
Schmerzen die Behinderung des Gangs (»Watschelgang«<br />
bei fortgeschrittener Osteomalazie) auffällig.<br />
Die Symptomatik der phosphopenischen Formen von<br />
Rachitis und Osteomalazie entspricht weitgehend der<br />
der kalzipenischen Formen; zusätzlich entwickelt sich<br />
häufig eine Niereninsuffizienz.<br />
5.4 Osteoporose*<br />
Begriffsbestimmung: Bei Osteoporose liegt eine Ver<br />
minderung der Mineralisation und der Stabilität des<br />
Skeletts vor, die letztlich zu Frakturen insbesondere<br />
der Wirbelk<strong>ö</strong>rper, des proximalen Femur und des<br />
distalen Radius führt. Problematisch für die Definition<br />
des Krankheitsbildes ist, daß eine z. B. densitometrisch<br />
* Ausführliche Beschreibung der Knochenveränderungen<br />
im Band 8 dieser Reihe (Knochen und Gelenke)<br />
feststellbare Abnahme der Knochendichte oder der<br />
Knochenmasse allein nicht zur Diagnose Osteoporose<br />
berechtigt, sondern daß diese Diagnose erst gestellt<br />
werden kann, wenn es als Folge der Skelettverände<br />
rungen zu Brüchen ohne adäquates Trauma gekom<br />
men ist. Die vor allem an den Wirbelk<strong>ö</strong>rpern zu<br />
beobachtenden osteoporotischen Deformierungen der<br />
Knochen k<strong>ö</strong>nnen bei Knochendichten auftreten, die<br />
noch im Normalbereich liegen, und umgekehrt kann<br />
die Knochendichte erheblich absinken (altersbedingter<br />
Verlust der Spongiosa 0,5 bis 2% pro Jahr nach dem<br />
50. Lebensjahr), ohne daß Spontanbrüchc auftreten.<br />
Eine auf Knochendichtemessungen gestützte Verdachtsdiagnose<br />
»präklinische Osteoporose« sollte<br />
daher durch die deskriptive Diagnose Osteopenie<br />
ersetzt werden. Entscheidend für die Diagnose Osteo<br />
porose ist bei durch Schmerzen und Bewegungsein<br />
schränkung gegebenem Verdacht der r<strong>ö</strong>ntgenologi<br />
sche Frakturnachweis (z.B. Deckplatteneinbrüche der<br />
Wirbelk<strong>ö</strong>rper).<br />
Pathogenese: Die als Osteoporose bezeichnete Destabilisierung<br />
von Knochen durch Substanzverlust ist als<br />
multifaktorielles Geschehen aufzufassen. Eine Vermin<br />
derung der Spongiosa kann bereits durch Ausbleiben<br />
von Belastungsreizen erreicht werden (Immobilisationsosteopenie).<br />
Nach drei Monaten Bettruhe ist bei<br />
gesunden Probanden die Spongiosamasse um 15%<br />
reduziert. Als weitere unspezifische Ursachen einer<br />
Abnahme der Knochendichte sind Kalziummangel auf<br />
grund unzureichender Zufuhr oder zu hoher renaler<br />
Ausscheidung, Alkoholabusus und Lebererkrankun<br />
gen bekannt. Osteoporose aufgrund hormoneller St<strong>ö</strong><br />
rungen wird bei Glukokortikoidüberschuß, bei Hyper<br />
thyreose und vor allem bei der postmenopausalen<br />
Abnahme des Östrogenspiegels der Frau und bei Abfall<br />
des Androgenspiegels beim Hypogonadismus des<br />
Mannes beobachtet. In welchem Ausmaß die eigent<br />
lichen hormonellen Regulatoren des Kalziumhaushalts<br />
(PTH, Kalzitonin, D-Hormon) an der Genese der klassi<br />
schen Osteoporose beteiligt sind, ist noch unklar. Für<br />
eine gewisse Mitwirkung dieser hormonellen Systeme<br />
spricht, daß bei älteren Frauen mit Osteoporose (im<br />
Gegensatz zu gesunden Frauen) die Plasmakonzentration<br />
von D-Hormon erniedrigt ist und daß der mit<br />
zunehmendem Alter eintretende Anstieg des Plasma<br />
spiegels von PTH bei Ostooporose-Patientinnen gerin<br />
ger ausfällt. Differentialdiagnostisch ist zu berücksich<br />
tigen, daß bei HPT die Knochenentkalkung zu einem<br />
OSteoporoseähnliehen Krankheitsbild führen kann.<br />
Die Einteilung in primäre Osteoporose auf der Grund<br />
lage einer knocheneigenen Stoftwechselst<strong>ö</strong>rung und In<br />
sekundäre Osteoporose infolge externer Einflüsse hat<br />
sich als unzureichend erwiesen. Sinnvoller ist die<br />
deskriptive Gliederung nach<br />
- Osteoporose Iyp I, bei der die Reduktion der<br />
Knochenmasse vorwiegend die Trabekeln betrifft<br />
und zu Wirbelk<strong>ö</strong>rpereinbrüchen führt, und<br />
- Osteoporose Typ II mit Verlust sowohl trabekulären<br />
als auch kompakten Knochens.
96 Endokrines System<br />
Während der Typ I charakteristischerweise bei Frauen<br />
10 bis 20 Jahre nach der Menopause auftritt, sind<br />
Männer jenseits des 70. Lebensjahres für Typ II prä<br />
disponiert.<br />
Eine kausal schlüssige Theorie des zur Fraktur führen<br />
den Stabilitätsverlusts der Knochen, an dem auch<br />
extraossäre Veränderungen beteiligt sein k<strong>ö</strong>nnen, gibt<br />
es noch nicht. Die Kenntnisse der Steuerung und<br />
Ausbalancierung des ständigen Ab- und Aufbaus des<br />
Knochens durch Wachstumsfaktoren, wie Somatome<br />
din C, »platelet-derived growth factor« (PDGF), »epi<br />
thelial growth factor« (EGF) und »transforming growth<br />
factor ß« (TGFß), durch Eikosanoide (z.B. Prosta<br />
glandin E2) und durch Abwehrhormone (Interleukine,<br />
Interferon u), reichen dazu bisher nicht aus. Darüber<br />
hinaus ist noch nicht klar, welche Bedeutung die<br />
nichtkollagenen kalziumbindenden Knochenmatrix<br />
proteine, wie Osteokalzin oder das Phosphoprotein<br />
Osteonektin, für die Regulation der Mineralisation<br />
haben. M<strong>ö</strong>glicherweise ist auch das von Mastzellen<br />
und basophilen Granulozyten synthetisierte Heparin<br />
als Stimulator der Knochenresorption an der Pathoge<br />
nese der Osteoporose beteiligt. Eine weitere Komplika<br />
tion für die Erfassung der zu Osteoporose führenden<br />
Fehlregulalion ergibt sich daraus, daß die Basisaktivi<br />
tät des Umschlags der Knochensubstanz bei Osteopo<br />
rose sowohl hoch (»high turnovcr«-Osteoporose, ins<br />
besondere Typ I) als auch niedrig (senile Osteoporose<br />
vom Typ II) sein kann.<br />
r*<br />
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r « * " * ^<br />
r»3^*f 4<br />
6 Die intraoperative<br />
Beurteilung der<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
Eine intraoperative Schnellschnittuntersuchung er<br />
folgt aus folgenden klinischen Indikationen:<br />
- Identifizierung eines Epithelk<strong>ö</strong>rperchens: Handelt es<br />
sich bei dem operativ entfernten Gewebe um ein<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchen? Makroskopisch kann die<br />
Abgrenzung von Lymphknoten oder versprengtem<br />
Schilddrüsengewebe (z.B. nach vorausgegangener<br />
Strumektomie) nicht leicht sein. Auch im Schnellschnitt<br />
kann die Differentialdiagnose Schwierig<br />
keiten bereiten, wenn im Epithelk<strong>ö</strong>rperchen kolloidhaltige<br />
Follikel vorkommen. In diesen Fällen ist die<br />
immunhistochemische Untersuchung von Nutzen:<br />
Thyreozyten sind Thyreoglobulin-positiv, während<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchenzellen Chromogranin-positiv<br />
sind.<br />
- Handelt es sich um eine Hyperplasie, um ein Ade<br />
nom oder um ein Karzinom?<br />
Abb.H-3: Intraoperative Beurteilung von Fpithelk<strong>ö</strong>rperchen.<br />
Oben: Normaler F'ettzellgehalt eines Epithelk<strong>ö</strong>rper<br />
chens. Mitte: Zellen mit reichlich intra/ytoplasmatischein Fett<br />
in einem supprimierten Epithelk<strong>ö</strong>rperchen. Unten: Keine<br />
intrazytoplasmatischen Fetttropfen in einem aktivierten Epi<br />
thelk<strong>ö</strong>rperchen. Sudan-Fbg.<br />
Differentialdiagnose »Hyperplasie - Adenom«: Wenn<br />
nur ein Epithelk<strong>ö</strong>rperchen zur histologischen Beurtei<br />
lung vorliegt, ist eine Differentialdiagnose häufig nicht<br />
m<strong>ö</strong>glich. Empfohlen wird die Freilegung aller Drüsen
H. Erkrankungen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 97<br />
und die anschließende histologische Untersuchung des<br />
gr<strong>ö</strong>ßten und eines kleineren oder normal erscheinen<br />
den Epithelk<strong>ö</strong>rperchens. Für ein Adenom (besser<br />
»dominante Drüse«) spricht der Nachweis von knoten<br />
f<strong>ö</strong>rmig vermehrten Drüsen, die in der Peripherie von<br />
normalem oder atrophischem Gewebe umgeben wer<br />
den. Dieser Befund ist jedoch die Ausnahme. Hilfreich<br />
ist in diesen Fällen die Beurteilung der Gr<strong>ö</strong>ße der<br />
einzelnen Epithelk<strong>ö</strong>rperchen, der Stromafcttmenge<br />
und des Zellfunktionszustands (aktivierte oder supprimierte<br />
Zellen) anhand einer Sudanlarbung.<br />
Gr<strong>ö</strong>ße der Drüsen: Beim Adenom ist nur eine Drüse<br />
vergr<strong>ö</strong>ßert, die restlichen drei sind normal groß<br />
oder atrophisch. Beim sekundären HPT sind alle<br />
Drüsen vergr<strong>ö</strong>ßert.<br />
Fettgehalt der Drüsen: Normale fetthaltige Epithel<br />
k<strong>ö</strong>rperchen (Fettgewebe macht über 30% der<br />
Gewebsschniltfläche aus) schwimmen in einer<br />
25%igen Mannitoll<strong>ö</strong>sung. Bei einem Adenom oder<br />
einer Hyperplasie verschiebt sich das Verhältnis<br />
Fettgewebe/Parenchym zugunsten des drüsigen<br />
Anteils. Man bezeichnet diese Epithelk<strong>ö</strong>rperchen als<br />
proliferiert. Weist nur eine der vier Drüsen die<br />
Zeichen der Proliferation auf, dann spricht der<br />
Befund für ein Adenom. Sind alle Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
proliferiert, dann liegt wahrscheinlich eine Hyper<br />
plasie vor.<br />
Fettgehalt der Epithelk<strong>ö</strong>rperchenzellen: Eine<br />
Sudanlarbung im Rahmen der Schnellschnittunter-<br />
suchung kann Hinweise zum Funktionszustand der<br />
Zellen liefern. Aktivierte Zellen weisen keine oder<br />
nur vereinzelte kleine Fetttr<strong>ö</strong>pfchen im Zytoplasma<br />
auf. Sie kommen im Adenom oder in den hyperplastischen<br />
Drüsen vor. Supprimierte Zellen zeigen<br />
mehrere große, Sudan-positive Zytoplasmaeinschlüsse.<br />
Supprimierte Epithelk<strong>ö</strong>rperchcnzellen<br />
kommen in den nicht vom Adenom befallenen Drü<br />
sen vor. Eine Gegenüberstellung dieser Befunde<br />
geht aus der Tabelle hervor.<br />
Befund Gr<strong>ö</strong>ßtes EK Weitere EK<br />
Normale Fpithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
Makro normal normal<br />
HE-Fbg. >30% Fettzellen >30% Fettzellen<br />
Sudan-Fbg. unterschiedlich unterschiedlich<br />
Adenom<br />
Makro vergr<strong>ö</strong>ßert normal oder kloin<br />
HE-Fbg. 30% Fettzellen<br />
proliferiert<br />
Sudan-Fbg. keine Fetttropfen vermehrt Fett<br />
aktiviert<br />
tropfen<br />
supprimiert<br />
Hyperplasie<br />
Makro vergr<strong>ö</strong>ßert vergr<strong>ö</strong>ßert<br />
HE-Fbg.
98 Endokrines System<br />
I. Erkrankungen der Nebenniere<br />
1 Fehlbildungen<br />
Die ein- oder beidseitige Nehennierenaplasie ist sehr<br />
selten. Häufiger kommt eine Hypoplasie vor, die als<br />
sekundäre Form auf einen Mangel an ACTH bei hypothalamisch-hypophysäror<br />
Entwicklungsst<strong>ö</strong>rung (z. B.<br />
bei Anenzephalie, bei isolierten Hypophysenmißbil<br />
dungen sowie funktionell bei Endorganresistenz gegen<br />
ACTH) zurückzuführen ist. In diesen Fällen beträgt<br />
das Gesamtgewicht der Nebennieren etwa 10% der<br />
Norm. Besonders betroffen ist die innere Nebennieren<br />
rinde (NNR) mit einer Verschmälerung der Zona fasciculata,<br />
während das Mark normal entwickelt ist. Bei<br />
der primären Nebennierenhypoplasie handelt es sich<br />
um ein X-chromosomal vererbtes Leiden. Bei einer<br />
Nierenagenesie ist die Nebenniere regelrecht angelegt,<br />
aber scheibenf<strong>ö</strong>rmig gestaltet. Nebennierenektopien<br />
werden vorwiegend im Mesosalpinx, im Mesovar oder<br />
im Bereich des Nebenhodens (intratestikuläre Ektopien<br />
sind schwer von Hyperplasien der Zwischenzellen<br />
abzugrenzen) beobachtet. Als Dystopien bezeichnet<br />
man die Verlagerung der gesamten Nebenniere, z.B.<br />
als subkapsuläre Nebenniere unter der Nieren- oder<br />
Leberkapsel.<br />
2 Kreislaufst<strong>ö</strong>rungen<br />
Abb. 1-1: Nebennierenhypoplasie bei Anenzephalie, a) Deut<br />
lich hypoplastische Nebennieren, b) Oben: Kleine, schmale<br />
Nebenniere ohne Gyrierung der Oberfläche. Unten: Normal<br />
große Nebenniere. HE-Fbg.<br />
Schwere apoplektische Blutungen kommen einseitig<br />
als Geburtstrauma und beidseitig beim Waterhouse-<br />
Friderichsen-Syndrom vor. Dabei handelt es sich in<br />
den meisten Fällen um eine Komplikation im Rahmen<br />
einer Meningokokkensepsis bei Kindern unter<br />
2 Jahren.<br />
Klinik: Die Erkrankung entwickelt sich pl<strong>ö</strong>tzlich aus<br />
vollem Wohlbefinden und manifestiert sich als schwe<br />
rer Schockzustand. In der Haut treten punktf<strong>ö</strong>rmige,<br />
zusammenfließende Blutungen auf. Im Liquor ist die<br />
Zellzahl nicht wesentlich erh<strong>ö</strong>ht.<br />
Beim Erwachsenen kommen Nebennierenblutungen<br />
posttraumatisch, nach chirurgischen Eingriffen, beim<br />
septischen Abort (Verbrauchskoagiilopathie) und im<br />
Rahmen einer Antikoagulanzientherapie vor. Arte<br />
rielle Verschlüsse kleinerer Äste mit konsekutivem<br />
anämischem Infarkt treten bei der Panarteriitis<br />
nodosa auf.<br />
Abb. 1-2: Beidseitige Nebennierenblutungen bei Water<br />
house-Friderichsen-Syndrom. Blutig imbibierte Nebennie<br />
ren. Flach angeschnittene rechte Nebenniere.
I. Erkrankungen der Nebenniere 99<br />
3 Entzündungen<br />
3.1 Unspezifische Adrenalitiden<br />
Rundzellige Infiltrate im Nebennierengewebe kommen<br />
häufiger vor und weiserf kein klinisches Korrelat auf.<br />
3.2 Autoimmunadrenalitis<br />
Diese Entzündungsform Ist heute die häufigste Ursa<br />
che einer schweren Zerst<strong>ö</strong>rung von Nebennierenge<br />
webe, die mit einem Morbus Addison einhergehen<br />
kann.<br />
3.3 Spezifische Adrenalitis<br />
Früher war die Tuberkulose die wichtigste Ursache<br />
einer beidseitigen Nebennierenzerst<strong>ö</strong>rung und somit<br />
verantwortlich für die Entstehung eines Morbus .Addi<br />
son. Eine Nebennierenbeteiligung wird im Rahmen<br />
einer hämatogenen miliaren Aussaat beobachtet.<br />
Ferner sind Listeriosen und verschiedene Mykosen als<br />
spezifische Entzündungen zu nennen.<br />
4 Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
Im Rahmen von Systemerkrankuiigen (z. B. llämochromatose,<br />
Amyloidose) kann auch die Nebenniere mit<br />
entsprechenden Ablagerungen beteiligt sein. Nur<br />
selten führen sie zu einer NNR-Insiiffizionz.<br />
5 Tumoren<br />
5.1 Tumoren der Nebennierenrinde<br />
5.1.1 Nebennierenrindenadenom<br />
Makroskopisch handelt es sich um eine gut abge<br />
grenzte Neubildung von hellbrauner bis leuchtend<br />
gelber Farbe. Sie weist ein expansives Wachstum auf<br />
und komprimiert benachbarte Organe. Die meisten<br />
Adenome werden zufällig im Rahmen einer Obduktion<br />
entdeckt und sind klinisch stimuli. Iläufiger kommen<br />
deutliche Kernatypien vor, die aber nicht als Malignitätskriterium<br />
anzusehen sind. Unter Berücksichtigung<br />
des zytologischen Bildes unterscheidet man:<br />
5.1.1.1 Adenome aus Spongiozyten. Diese Neubildun<br />
gen bestehen aus Zellen mit einem fein vakuolisierten<br />
Zytoplasma. Der runde Kern liegt zentral und ist<br />
hyperchromatisch.<br />
Abb. 1-3: Chronische unspezifisehe Adrenalitis. Dichte Iymphoplasmazelluläre<br />
Inllltration des Nebennierengevvebes.<br />
WHO-Systematik und Kodierung<br />
(Topographie: C74)<br />
1 Nebennierenrinde C74.0<br />
1.1 Gutartige Tumoren 8370/0<br />
1.1.1 Adenom aus Spongiozyten 8373/0<br />
1.1.2 Adenom aus kompakten Zellen 8371/0<br />
1.1.3 Adenom aus Glomerulosazellcn 8374/0<br />
1.1.4 Gemischtzollige Adenome 8375/0<br />
1.2 B<strong>ö</strong>sartige Tumoren<br />
Adenokarzinome 8370/3<br />
1.3 Epitheliale tumorähnliche Ver<br />
änderungen<br />
1.3.1 Noduläre I Iypcrplasie 72030<br />
Solitäre Hyperplasie 72031<br />
Multiple noduläre Hyperplasie 72032<br />
1.3.2 Kapseldu rchbruch 31400<br />
1.3.3 Akzessorische Nebennierenrinde 22300<br />
1.4 Mesenchymale Tumoren und tuiiiorähnliche<br />
Veränderungen<br />
1.4.1 Myelolipom 8870/0<br />
1.4.2 Lipom 8850/0<br />
1.4.3 Zyste 33400<br />
1.5 Metastasen ..../6<br />
2 Nebennierenmark C74.1<br />
2.1 Neuroendokrine Tumoren<br />
2.1.1 Gutartiges Phäochromozytom 8700/0<br />
2.1.2 Malignes Phäochromozytom 8700/3<br />
2.2 Neurale Tumoren<br />
2.2.1 Ganglioneurom 9490/0<br />
2.2.2 Ganglioneuroblastom 9490/3<br />
2.2.3 Neuroblastom 9500/3<br />
2.3 Gemischte Tumoren<br />
2.4 Tumorähnliche Veränderungen
100 Endokrines System<br />
5.1.1.2 Adenome aus kompakten Zellen zeigen ein<br />
eosinophiles, nichtvakuolisiert.es Zytoplasma. Eine<br />
Variante ist das lipofuszinreiche »schwarze NNR-Adenom«,<br />
das an ein Melanom erinnert.<br />
5.1.1.3 Adenome mit Glomerulosazellen sind alveo<br />
lär angeordnet und kommen vorwiegend beim Conn-<br />
Syndrom vor.<br />
5.1.2 Nebennieren rinden karzinome<br />
Die Altersverteilung bei NNR-Karzinomen zeigt zwei<br />
Gipfel: Der erste liegt im 4. Dezennium und umfaßt<br />
vorwiegend endokrin aktive Tumoren. Sie manifestie<br />
ren sich klinisch als gemischter Hyperkortizismus,<br />
seltener als reiner Morbus Gushing, Hyperaldosteronismus<br />
oder fcminisierende Neubildung. Der zweite<br />
Gipfel kommt im 7. Dezennium vor und besteht in den<br />
meisten Fällen aus stummen Karzinomen. Makrosko<br />
pisch handelt es sich um große Neubildungen, die die<br />
Organkapsel durchbrechen und benachbarte Organe<br />
infiltrieren. Nekrosen und Blutungen kommen häufi<br />
ger vor. Histologisch erkennt man solide, trabekuläre<br />
oder alveoläre Strukturen mit vakuolisierten oder<br />
kompakten Zellen. Mitosen und Atypien kommen häu<br />
figer vor. NNR-Karzinome sind hochmaligne Neubil<br />
dungen. Zum Zeitpunkt der Diagnose haben 60% der<br />
Karzinome bereits Metastasen in den regionalen<br />
Lymphknoten, in Leber oder Lungen gesetzt. Auch die<br />
Absiedelungen k<strong>ö</strong>nnen endokrin aktiv sein.<br />
Probleme in der Diagnostik der Tumoren der NNR<br />
ergeben sich bei der Bestimmung des Muttergewebes<br />
und der Dignität. Häufig ist es schwer, den Tumor der<br />
Nebenniere oder einer infiltrierten Niere zuzuordnen.<br />
Zur Zeit gibt es noch keine zuverlässigen immunhistochemischen<br />
Antik<strong>ö</strong>rper, um ein Nierenkarzinom von<br />
einem NNR-Tumor abzugrenzen. Die epithelialen<br />
(Zytokeratine, TPA, EMA) und die neuroendokrinen<br />
Marker (y-Enolase, Chromogranin, S100 u.a.) sind<br />
beim NNR-Karzinom negativ. Bei der Bestimmung der<br />
Dignität dieser Geschwülste ist zu beachten, daß bei<br />
Kindern das NNR-Karzinom — gegenüber dem Ade<br />
nom - dreimal häufiger vorkommt. Die Anamnese ist<br />
bei den malignen Neubildungen kurz. Feminisierende<br />
NNR-Tumoren beim Mann sind praktisch immer b<strong>ö</strong>s<br />
artig. Bei der Bestimmung der Dignität hat sich die<br />
NOR-Methode (s. S. 57) als hilfreich erwiesen.<br />
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Abb. 1-4: Nebennierenrindenkar/.inom. Oben: Schnittfläche<br />
eines Adenokarzinoms. Oben rechts im Bild Reste der Neben<br />
niere. Unten: Drüsig-trabekulär aufgebautes Karzinom.<br />
HE-Fbg.<br />
Abb. 1-5: Knotige Nebennierenrindenhyperplasie. HK-Fbg.
I. Erkrankungen der Nebenniere 101<br />
5.1.3 Epitheliale tumorähnliche Veränderungen<br />
Hyperplasien der NNR k<strong>ö</strong>nnen diffus oder knotig sein.<br />
Beim Erwachsenen spricht man von einer diffusen<br />
Hyperplasie, wenn beide Nebennieren zusammen<br />
über 15 g schwer sind und die Rindenbreite minde<br />
stens 2 mm beträgt. Die noduläre Hyperplasie kommt<br />
als solitärer, unvollständig abgekapselter Rindenkno<br />
ten häufiger vor. Die Übergänge zum Adenom sind<br />
fließend. Die multiple noduläre Hyperplasie kommt<br />
besonders häufig beim Hypertoniis vor. Multiple Rin<br />
denknoten treten als mikronoduläre kortikale Adeno<br />
mat<strong>ö</strong>se beim M. Gushing und beim paraneoplastischen<br />
Ilyperkortizismus auf. Ein Kapseldurchbruch von Rin<br />
dengewebe wird bei hyperplastisclien Drüsen beob<br />
achtet. Ektopes NNR-Gewebe läßt sich im Retroperitoiieum<br />
sowie im männlichen und weiblichen Genitale<br />
nachweisen. Die Nehennierenzytomegalie kommt bei<br />
Neugeborenen vor und zeigt Zellen mit besonders<br />
großen, hyperchromatischen Kernen. Sie steht mit der<br />
gleichnamigen Virusinfektion in keinem kausalpatliogenetischen<br />
Zusammenhang.<br />
5.1.4 Mesenchymale Neubildungen und tumorartige<br />
Veränderungen<br />
Das Myelolipom stellt einen solitären, gutartigen<br />
Tumor dar, der bei älteren Menschen vorkommt und<br />
aus Fettzellen mit eingeschlossenen blutbildenden<br />
Herden bestellt. Die Nebennierenzysten bestehen aus<br />
einer faserreichen Kapsel, die vereinzelte erhaltene<br />
Rindenepithelien einschließt. Blutungen kommen häu<br />
figer vor. In Endemiegebieten ist auch mit Eehinokokkuszysten<br />
zu rechnen.<br />
Abb. 1-6: Überwiegend diffuse Nebennierenrindenhyperplasie<br />
bei paraneoplastischem ACTH-Syndrom (Primärtumor:<br />
kleinzelliges BronchialkarzinomI<br />
5.1.5 Metastasen<br />
Nebennierenmetastasen werden häufiger beim klein<br />
zelligen Bronchialkarzinom beobachtet. Durch konti<br />
nuierliches Wachstum kann ein Nierenkarzinom in die<br />
Nebenniere einbrechen.<br />
5.2 Tumoren des Nebennierenmarks<br />
Abb. 1-7: Nebennierenmetastase eines Lungenkarzinoms<br />
5.2.1 Neuroendokrine Tumoren<br />
5.2.1.] Phäochromozytom: 99% der Phäochromozy<br />
tome sind in der Nebenniere lokalisiert. Jeweils 10%<br />
dieser Neubildungen kommen beidseitig, extraadrenal<br />
oder multipel vor, 10% bei Kindern. Phäochromozy<br />
tome k<strong>ö</strong>nnen sehr groß werden und weisen eine bunte<br />
Schnittfläche auf, die aus soliden grauweißen Anteilen<br />
sowie aus zystischen Arealen mit Blutungen besteht.<br />
Histologisch handelt es sich um eine zellreiche, stark<br />
vaskularisierte Neubildung mit unterschiedlich großen<br />
Zellen. Sie zeigen reichlich eosinrotes Zytoplasma und<br />
einen polymorphen Kern. Diese sind groß, häufiger<br />
chromatindicht, und schließen eosinrote Vakuolen<br />
(Kerneinstülpungen) ein. Nach Fixierung in einer chromathaltigen<br />
Flüssigkeit lassen sich intrazytoplasmatische<br />
bräunliche Katocholamingranula nachweisen, die<br />
sich in der Giemsa-Färbung grün-gelb darstellen.<br />
Immunhistochemisch reagiert der Tumor mit neuroen<br />
dokrinen (y-EnoIase. Chromogranin) und epithelialen<br />
(TPA) Markern. Mit der SlOO-Reaklion findet man<br />
häufiger neurale Anteile (Ganglienzellen), die bei den<br />
gemischten Formen reichlich vorhanden sind. Elektro<br />
nenmikroskopisch kann man - auch bei ausgebrann-
102 Endokrines System<br />
Abb. 1-8: Phäochromozytom, a) Bunte Schnittfläche eines Phäochromozytoms, b) Ausgeprägte Zell- und Kernpolymorphie<br />
eines gutartigen Phäochromozytoms. Sog. Kernvakuolen (V). HE-Fbg. c) Darstellung von grünen Katecholamingranula in der<br />
Giemsa-Fbg. Chromatflxlerter Schnitt, d) Chromograninpositive Phäochromozytomzellen.<br />
ten, stummen Phäochromozytomen - sekretorische<br />
Granula nachweisen, die von diagnostischer Bedeu<br />
tung sind.<br />
Man nimmt an, daß 0,5% der llochdruckkrankheiten<br />
auf ein Phäochromozytom zurückzuführen sind. Das<br />
typische Bild der paroxysmalen Hypertonie kommt nur<br />
bei 50% dieser Tumoren vor. Neben einer charakteri<br />
stischen Symptomatik (s. Abschn. 6.3.2) k<strong>ö</strong>nnen - ins<br />
besondere ältere - Phäochromozytome auch klinisch<br />
stumm bleiben. Morphologisch lassen sich in diesen<br />
Fällen nur elektronenmikroskopisch vereinzelte, diagnosebeweisende,<br />
sekretorische Granula finden. 10%<br />
der Phäochromozytome treten beidseitig auf oder rezi<br />
divieren.<br />
5.2.1.2 Malignes Phäochromozytom: 10% aller<br />
Phäochromozytome sind maligne und werden gehäuft<br />
bei Kindern diagnostiziert. Makroskopisch ist der<br />
Tumor groß und zeigt ausgedehnte Nekrosen und<br />
Blutungen. Histologisch findet man eine besonders<br />
ausgeprägte Zellpolymorphie sowie reichlich Mitosen.<br />
Ein diagnostischer Hinweis ist der Nachweis von<br />
Gefäßeinbrüchen. Rezidive k<strong>ö</strong>nnen auch nach länge<br />
rem Zeitintervall (5 bis 10 Jahren) vorkommen.<br />
5.2.2 Neurale Tumoren<br />
s. Band 4 dieser Reihe (Nervensystem)<br />
5.2.3 Gemischte Tumoren<br />
Neben typischen Anteilen eines Phäochromozytoms<br />
läßt sich gelegentlich auch eine rein neural differen<br />
zierte Komponente nachweisen, die einem Ganglioneurom<br />
oder Ganglioneuroblastom entspricht.<br />
5.2.4 Tumorähnliche Veränderungen<br />
des Nebennierenmarks<br />
Eine Ektopie von reinem Nebennierenmark kommt<br />
sehr selten vor. Eine Hyperplasie ist die Teilmanifestation<br />
eines MEN-II-Syndroms, m<strong>ö</strong>glicherweise als Vor<br />
stufe eines Phäochromozytoms.
I. Erkrankungen der Nebenniere 103<br />
6 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen<br />
der Nebenniere<br />
6.1 Nebennierenrindeninsuffizienz<br />
Wenn eine funktionell unzureichende Produktion von<br />
adrenokortikalen Hormonen auf einer Zerst<strong>ö</strong>rung oder<br />
Hypoplasie des Nebennierengewebes selbst beruht,<br />
liegt eine primäre NNR-Insuffizienz vor. Bei sekundä<br />
rer NNR-Insuffizienz fehlt eine ausreichende Stimula<br />
tion der Hormonproduktion infolge Schädigung der<br />
Adenohypophyse (unzureichende ACTH-Produktion).<br />
Theoretisch läßt sich eine hypothalamisch bedingte<br />
Unterfunktion (CRH-Mangel mit sekundärer Minder<br />
sekretion von ACTH) als tertiäre NNR-Insuffizienz<br />
abgrenzen. Zumindest passagere sekundäre bzw. ter<br />
tiäre NNR-Insuffizienzen sind iatrogen als Folge hoch<br />
dosierter Glukokortikoid- bzw. ACTII-Therapie zu<br />
beobachten.<br />
6.1.1 Primäre NNR-Insuffizienz<br />
Pathogenese: Bei der primären adrenokortikalen<br />
Insuffizienz (Morbus Addison) findet meist eine schlei<br />
chende Zerst<strong>ö</strong>rung des NNR-Gewebes statt. Haupt<br />
ursache dieser seltenen Erkrankung (Inzidenz etwa<br />
3 auf 100000) ist eine Autoimmunreaktion. Bei mehr<br />
als der Hälfte der Patienten k<strong>ö</strong>nnen zirkulierende<br />
Antik<strong>ö</strong>rper gegen adrenokortikale Zellorganellen<br />
nachgewiesen werden. In weniger als 20% der Fälle<br />
von M.Addison (und mit abnehmender Tendenz) wird<br />
der Funktionsverlust durch eine tuberkul<strong>ö</strong>se Zerst<strong>ö</strong><br />
rung der Nebenniere (Verkäsung) verursacht. Außer<br />
dem kann die NNR durch Metastasen maligner Tumo<br />
ren und Mykosen geschädigt werden. Zu klinisch<br />
manifester Insuffizienz kommt es allerdings erst, wenn<br />
mindestens 90% des NNR-Gewebes zerst<strong>ö</strong>rt sind.<br />
Ein akutes NNR-Versagen (Addison-Krise) tritt -<br />
außer bei Exazerbation einer chronischen Insuffizienz -<br />
nach einer Nebennierenblutung auf. Prädisponierend<br />
dafür sind eine hämorrhagische Diathese bei Neuge<br />
borenen (Hypoprothrombinämie) und die Meningokokkensepsis<br />
bei Kindern (Waterhouse-Friderichsen-<br />
Syndrom). Bei Erwachsenen kann eine Nebennieren<br />
blutung durch arteriellen Hochdruck, durch gr<strong>ö</strong>ßere<br />
Operationen im Bauchraum oder durch Antikoagiilation<br />
ausgel<strong>ö</strong>st werden.<br />
Klinik: Bei primärer NNR-Insuffizienz mit Ausfall der<br />
Gluko- und Mineralokortikoide sind Stoffwechsel (ins<br />
besondere Energiestoffwechsel) und Mineralhaushalt<br />
gest<strong>ö</strong>rt. Unzureichende Energiebereitstellung und<br />
Elektrolytst<strong>ö</strong>rungen machen sich als Müdigkeit und<br />
Muskelschwäche (Adynamic) in im Tagesverlauf<br />
zunehmendem Ausmaß bemerkbar, daneben auch als<br />
Konzentrationsschwäche, in schweren Fällen in Form<br />
mentaler Retardation. Es kommt zu Gewichtsverlust<br />
und gastrointestinalen St<strong>ö</strong>rungen (Appetitlosigkeit,<br />
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Obstipation). Die<br />
Beeinträchtigung der Nierenfunktion führt zu Hypovolämie<br />
und arterieller Hypotension, insbesondere<br />
auch zu orthostatischer Dysregulation, denn die<br />
sympathische Gegenregulation bei orthostatischer<br />
Belastung ist durch Ausfall der Glukokortikoidsensibi<br />
lisierung der Gelaßmuskulatur gegenüber Noradrena<br />
lin zusätzlich beeinträchtigt. Bei generell gesteigertem<br />
renalem Wasserverlust (Reduktion des extrazellulären<br />
Flüssigkeitsvolumens) ist die Fähigkeit der Niere,<br />
zugeführtes Wasser rasch zu eliminieren, gest<strong>ö</strong>rt. Die<br />
Wasserausscheidung ist verz<strong>ö</strong>gert und verschiebt sich<br />
in die Nacht (Nykturie). Typisches Symptom des M.Ad<br />
dison ist eine vermehrte Hautpigmentierung, vor allem<br />
mechanisch belasteter Partien und der Handfurchen,<br />
und fleckige Pigmentierung der Wangenschleimhaut.<br />
Ursache ist eine vermehrte Ausschüttung des melanozytenstimulierenden<br />
Hormons MSH, das bei der nach<br />
Ausfall der Glukokortikoide enthemmten ACTII-Synthese<br />
als weiteres Bruchstück des Vorläufermoleküls<br />
Proopiomelanocortin anfällt. Ein weiteres Symptom ist<br />
spärliche bis fehlende Achsel- und Schambehaarung.<br />
Bei sekundärer oder tertiärer NNR-Insuffizienz fehlt<br />
die Pigmentierung. Die hauptsächlich über das Renin-<br />
Angiotensin-System gesteuerte Aldosteronproduktion<br />
ist in der Regel normal (keine Hypovolämie, keine<br />
wesentlichen St<strong>ö</strong>rungen im Mineralhaushalt).<br />
Diagnose: Wenn Anamnese und Symptomatik eine<br />
NNR-Insuffizienz vermuten lassen, ist eine Abgren<br />
zung vor allem gegen das mit vergleichbarer Sym<br />
ptomatik (z.T. einschließlich Hyperpigmentierung)<br />
einhergehende Malabsorptionssyndrom notwendig.<br />
Ein klinischer Verdacht auf primäre NNR-Insuffizienz<br />
kann durch laborchemischen Nachweis von Stoffwech<br />
sel- und Elektrolytst<strong>ö</strong>rungen (Hypoglykämie, Hyperkaliämie,<br />
Hyponatriämie) gestützt werden. Die Bestim<br />
mung des Natrium/Kalium-Quoticnten in Schweiß oder<br />
Speichel (bei Mineralokortikoidmangcl ist er infolge<br />
unzureichender Natriumrückresorption erh<strong>ö</strong>ht) liefert<br />
validere Informationen als die Messung der Plasma<br />
konzentrationen von Natrium und Kalium. Hinweise<br />
auf das Vorliegen einer NNR-Insuffizienz sind außer<br />
dem mäßige normozytäre Anämie und Leukopenie bei<br />
relativer Lymphozytose und Eosinophilie.<br />
Zur Abschätzung der NNR-Funktion kann die Mes<br />
sung der Cortisolkonzentration im Plasma (am besten<br />
als Cortisoltagesprofil) und der renalen Ausscheidung<br />
von 17-Keto- und 17-Hydroxysteroiden (als Metabo<br />
liten der NNR-Hormone) dienen. Die Leistungsfähig<br />
keit (und Funktionsreserve) der NNR kann durch<br />
Stimulation mit ACTH ermittelt werden. Wenn nach<br />
Injektion eines langwirkenden ACTII-Präparats der<br />
Kortikoidspiegel im Plasma oder die Ausscheidung von<br />
Kortikoidmetaboliten im Urin auf das Doppelte oder<br />
mehr steigen oder wenn die (vorher erh<strong>ö</strong>hte) Eosinophilenkonzentration<br />
im Blut auf weniger als die Hälfte
104 Endokrines System<br />
abfällt, kann eine primäre NNR-Insuffizienz ausge<br />
schlossen werden.<br />
Zur Prüfung der hypophysären Steuerung der NNR<br />
wird neben der Cortisol- auch die ACTII-Konzentration<br />
im Plasma bestimmt. Bei niedrigem Cortisolspiegel<br />
spricht eine erh<strong>ö</strong>hte ACTH-Konzentration für eine<br />
primäre, eine erniedrigte ACTII-Konzentration für<br />
eine sekundäre oder tertiäre NNR-Insufjizienz. Zur<br />
Prüfung der ACTII-Sekretionsfähigkeit der Adeno<br />
hypophyse k<strong>ö</strong>nnen gentechnisch hergestelltes Corticotropin-Releasing-Hormon<br />
(CRH), eine unspezifische<br />
Stimulierung der Adenohypophyse durch insulinindu<br />
zierte Hypoglykämie oder durch Vasopressin und der<br />
Metopiron®-Test eingesetzt werden. Metopiron® blokkiert<br />
die 11 ß-Hydroxylase der NNR und unterbricht die<br />
Synthese der Gluko- und Mineralokortikoide auf der<br />
Stufe 11-Deoxycortisol bzw. Deoxycorticosteron.<br />
Durch den Abfall der Cortisolkonzentration im Plasma<br />
wird die hypothalamisch-hypophysäre Achse ent<br />
hemmt, und im Normalfall steigen die ACTII-Plasmakonzentration<br />
und die renale Ausscheidung von 17-<br />
Hydroxysteroiden als Metaboliten der noch produzier<br />
ten Steroidhormonvorstufen an. Ist die ACTI [-Produk<br />
tion nicht durch Metopiron® stimulierbar, kann durch<br />
Stimulation mit CRH zwischen sekundärer NNR-Insuf<br />
fizienz (St<strong>ö</strong>rung auf dem Niveau der Adenohypophyse)<br />
und tertiärer NNR-Insuffizienz (hypothalamische St<strong>ö</strong><br />
rung) unterschieden werden.<br />
6.1.2 Adrenogenitales Syndrom (AGS)<br />
Eine NNR-Insuffizienz auf dem Boden von unterschied<br />
lichen St<strong>ö</strong>rungen der Stcroidbiosynthese wird unter<br />
dem Krankheitsbegriff adrenogenitales Syndrom<br />
(AGS) subsumiert. Bei diesen kongenitalen Enzym<br />
defektkrankheiten ist die NNR in der Regel hyperplastisch.<br />
Bei anderen Formen angeborener NNR-Insuffi<br />
zienz liegt eine Atrophie des Gewebes infolge Lipidstoffwechselst<strong>ö</strong>rung<br />
vor, gekoppelt mit Entmarkungen<br />
im Bereich des peripheren und zentralen Nerven<br />
systems (Adrenoleukodystrophie und Adrenomyeloneuropathie).<br />
Pathogenese: Bei angeborenen Defekten von Enzymen<br />
der Steroidsynthese kommt es zur gesteigerten Pro<br />
duktion von Androgenen bei verringerter Sekretion<br />
der Glukokortikoide und meist auch der Mineralokorti<br />
koide durch die NNR. Beim AGS ist die Produktion von<br />
ACTH in der Adenohypophyse infolge des Cortisol<br />
mangels enthemmt. Die in der überstimulierten und<br />
dadurch hyperplastischen NNR im Überschuß anfal<br />
lenden Zwischenprodukte, wie 17-Hydroxyprogesteron,<br />
werden über Androstendion in den Androgensyntheseweg<br />
umgeleitet. Weitaus häufigster Enzymdefekt<br />
(90 bis 95%) ist ein autosomal rezessiv (IILA-assoziierter<br />
Genort am Chromosom 6) vererbter Mangel an 21 ß-<br />
Hydroxylase, durch den die Umsetzung von Progeste<br />
ron in Cortisol sowie meist auch in Corticosteron<br />
Abb. 1-9: Adrenogenitales Syndrom. Links: Frühentwicklung<br />
der äußeren männlichen Geschlechtsmerkmale. Hechts: Aus<br />
geprägte Nebennierenbyperplasie.<br />
und Aldosteron blockiert wird (vgl. Abb.C-8). In 2 bis<br />
8% der AGS-verursachenden Enzymdefekte ist die<br />
1 lß-Ilydroxylase betroffen. Defekte anderer Enzyme<br />
der Steroidsynthese sind extrem selten. In seltenen<br />
Fällen geht eine Androgenüberproduktion von endo<br />
krin aktiven NNR-Tumoren aus.<br />
Die Prävalenz des angeborenen 21ß-Hydroxylase-<br />
Mangels liegt bei etwa 1:10000 (Phenylketonurie ver<br />
gleichsweise bei 1:15000). Noch häufiger ist ein sog.<br />
»niclitklassischer«, nur graduell und verz<strong>ö</strong>gert (wenn<br />
überhaupt) symptomatisch werdender 21ß-Hydroxylase-Mangel,<br />
bei dem das entsprechende Gen andere<br />
Mutationen als beim »klassischen« 2 lß-IIydroxylase-<br />
Mangel aufweist (Prävalenz der Allele für »nichtklassischen«<br />
21 ß-Hydroxylase-Mangel ca. 3:1000).<br />
Klinik: Beim AGS bestehen Symptome sowohl der<br />
NNR-Insuffizienz (Gluko- und ggf. Mineralokortikoidmangel)<br />
wie auch von Überfunktion (Androgen- und<br />
Gestagenexzeß). In einem Teil der Fälle mit angebore<br />
nem 21 ß-Hydroxylase-Mangel wirkt sich der Defekt<br />
nicht sofort, sondern erst im Lauf der Entwicklung,<br />
und dann unterschiedlich stark aus (»niclitklassi<br />
scher« 21 ß-Hydroxylase-Mangel).<br />
Beim klassischen 21 ß-Hydroxylase-Mangel führt die<br />
bereits intrauterin überschießende adrenokortikale<br />
Androgenproduktion beim weiblichen Fetus zur Virilisierung<br />
der äußeren Geschlechtsmerkmale bei norma<br />
lem inneren Genitale. Weibliche Neugeborene mit AGS<br />
haben eine hypertrophische Klitoris und verwachsene<br />
Schamlippen. Männliche Neugeborene mit AGS er<br />
scheinen normal. Wenn das AGS nicht erkannt und<br />
behandelt wird, führt der Androgcnüberschuß bei<br />
Mädchen und Knaben zu einer Wachstumsbeschleuni<br />
gung, wobei allerdings aufgrund vorzeitigen Epiphysenfugenschlusses<br />
die erreichte Endgr<strong>ö</strong>ße subnormal
I. Erkrankungen der Nebenniere 105<br />
bleibt. Typisch ist auch das frühzeitige Auftreten von<br />
Achsel- und Schambehaarung (Adrenarche). Die<br />
hohen Konzentrationen von Progesteron k<strong>ö</strong>nnen beim<br />
weiblichen Geschlecht die positive Rückkopplung von<br />
Östrogen auf die LH-Sekretion blockieren mit der<br />
Folge, daß Regelblutungen nicht oder nur irregulär<br />
auftreten. Beim männlichen Geschlecht supprimiert<br />
die hohe Androgenkonzentration die Gonadotropinse<br />
kretion der Adenohypophyse, und in den mangelhaft<br />
mit LH und FSH versorgten Hoden sind Teslosleronbildung<br />
und Spermatogenese unzureichend. In den etwa<br />
% der Fälle von klassischem 21ß-Hydroxylase-l)efekl,<br />
in denen auch die Aldosteronproduktion blockiert ist,<br />
tritt ein Salzverlustsyndrom mit Hyponatriämie. Ilypovolämie<br />
und Hyperkaliemic auf. Vor allem bei männli<br />
chen Neugeborenen, bei denen das Vorliegen eines<br />
AGS nicht wie bei weiblichen durch die Veränderungen<br />
der äußeren Geschlechtsmerkmale leicht erkennbar<br />
ist, kann der Aldosteronmangel zu lebensgefährlicher<br />
Dehydratation und Hyperkaliämie führen, wenn die<br />
entsprechende Symptomatik (Erbrechen, verminder<br />
ter Hautturgor usw.) übersehen oder fehlgedeutet<br />
wird.<br />
Bei llß-Hydroxylase-Mangel stauen sich neben den in<br />
Androgene umgewandelten Metaboliten (intrauterine<br />
Virilisierung beim Mädchen) auch Zwischenprodukte<br />
mit mineralokortikoider Wirksamkeit (Deoxycorticosteron)<br />
an, so daß es nicht zum Salzverlustsyndrom,<br />
sondern zu vermehrter Salz- und Wassere in läge rung<br />
mit der Gefahr von Hypertonie und Ilypokaliümie<br />
kommt.<br />
Diagnose: Wesentlicher Laborbefund zur Sicherung<br />
des Verdachts auf AGS infolge 21ß-Hydroxylase-Mangels<br />
ist eine erh<strong>ö</strong>hte Konzentration des Steroidhormonvorläufers<br />
17-Hydroxyprogesteron im Plasma<br />
(Messung vor und nach Stimulation mit ACTH). Die<br />
Relation der basalen und der nach ACTH-Gabe gemes<br />
senen 17-Hydroxyprogesteron-Konzentrationen läßt<br />
eine Differenzierung zwischen klassischem und<br />
nichlklassischem 21 ß-Hydroxylase-Mangel zu. Beim<br />
llß-Hydroxylase-Mangel sind Deoxycorlicosteron im<br />
Plasma und die renale Ausscheidung seiner Metabo<br />
liten erh<strong>ö</strong>ht.<br />
Die Untersuchungen auf Vorliegen eines Glukokortikoidmangels<br />
entsprechen denen bei allgemeiner NNR-<br />
Insuffizienz (s.o.). Ob eine zusätzliche St<strong>ö</strong>rung der<br />
Aldosteronsynthese vorliegt, ergibt sich aus der Rela<br />
tion von Plasmarenin zu renaler Aldosteronaussehoiduiig<br />
(Anstieg des Quotienten bei St<strong>ö</strong>rung der Aldoste<br />
ronsynthese). In Zweifelsfällen kann das Renin-Mldosteron-Verhältnis<br />
nach Suppression der ACTU-stimulierten<br />
DeoxycorÖcosteronprodukJion durch Zufuhr<br />
von Glukokortikoiden gemessen werden.<br />
6.2 Nebennierenrindenüberfunktion<br />
Bei einer Überfunktion der NNR werden in der Regel<br />
nur einzelne Hormongruppen (Glukokortikoide, Mine<br />
ralokortikoide oder Sexualhormone) vermehrt ausge<br />
schüttet. Bei hoher Produktion von Glukokortikoiden<br />
(Cortisol) liegt ein Cushing-Syndrom vor, bei überh<strong>ö</strong>h<br />
ter Aldosteronsekretion ein Hyperaldosteronismus.<br />
Ursache einer vermehrten Androgenproduktion der<br />
NNR ist in der Regel ein AGS (s.o.). Eine pathologisch<br />
erh<strong>ö</strong>hte Östrogensekretion durch endokrin aktive<br />
NNR-Ttimoren ist sehr selten.<br />
6.2.1 Cushing-Syndrom<br />
Pathogenese: Die exzessive Cortisolsekretion der NNR<br />
beim endogenen Cushing-Syndrom wird meist durch<br />
ein Überangebot von adrenokortikotropem Hormon<br />
induziert. Beim eigentlichen Morbus (lushing (zentra<br />
les Cushing-Syndrom) sezerniert die Adenohypophyse<br />
zu viel ACTH. Als Ursache sind meist Hypophysen<br />
adenome nachzuweisen. Quelle ektopen ACTH-Überschusses<br />
bzw. ACTH-älinlicher Peptide k<strong>ö</strong>nnen auch<br />
endokrin aktive Malignome sein (paraneoplastisches<br />
Cushing-Syndrom bei z.B. kleinzelligem Bronchialkarzinom).<br />
Beim peripheren Cushing-Syndrom sind<br />
NNR-Tumoren (meist Adenome) für die Cortisolüber<br />
produktion verantwortlich. Iatrogener Gushing: Häu<br />
figste Ursache des Cushing-Syndroms ist eine hochdosierte,<br />
langdauernde Glukokortikoidtherapie, z.B.<br />
bei rheumatischen oder renalen Erkrankungen.<br />
Klinik: Beim Cushing-Syndrom entwickelt sich eine<br />
Stammfettsucht mit Vollmondgesicht und Stiernacken,<br />
während die Extremitäten aufgrund einer Atrophie der<br />
Muskulatur und des Unterhautgewebes überschlank<br />
erscheinen. Die Haut ist dünn bis atrophisch, gedunsen<br />
und ger<strong>ö</strong>tet. Die androgenen Effekte von Cortisolmetaboliten<br />
führen bei Frauen zu Verniännlichung der<br />
Behaarung (Hirsiitisnius) und über eine Hemmung der<br />
Gonadotropinsekretion der Hypophyse zu Hypogona<br />
dismus und Amenorrh<strong>ö</strong>. Infolge Überaktivierung der<br />
Talgdrüsen kommt es zu Akne. St<strong>ö</strong>rungen im Blutge<br />
rinnungssystem verursachen spontane Hautblutungen<br />
von flohstichartigcn Petechien bis zu flächigen Ekchymosen.<br />
Typisch sind breite, rotviolette Striae, vor allem<br />
im Unterbauch- und Schenkelbereich.<br />
Die Stimulation der Gluconeogenese durch den Corti<br />
solüberschuß beim Cushing-Syndrom reduziert die<br />
Glucosetoleranz. Bei entsprechender Prädisposition<br />
(ca. 15% der Patienten) kann sich ein manifester<br />
Diabetes mellitus mit entsprechender Symptomatik<br />
(Polyurie. Durst und Juckreiz) entwickeln.
106 Endokrines System<br />
St<strong>ö</strong>rungen bei Cushing-Syndrom<br />
Katabole Fffekte<br />
Wasser- und<br />
Elektrolythaushalt<br />
Kohlenhydrathaushalt<br />
Lipidliaushalt<br />
Blut<br />
Kreislauf<br />
Nervensystem<br />
Sexualfunklion<br />
Abwehr<br />
Muskelalroplüe<br />
Hautveränderungen<br />
Osteopenie<br />
Hyperkal/.urie, Osteoporose,<br />
Hypokaliämie, Alkalose, Tetanieneigung,<br />
Na+-Retention, Ödeme<br />
Verminderte Glucosetolcranz<br />
Hyperglykämie, Glucosurie<br />
Stammfettsucht<br />
Hypercholesterinämie<br />
1 Iypertriglyzeridämie<br />
Polyglobulie,<br />
Neutrophilie,<br />
Lymphopenic, Eosinopenie,<br />
hämorrhagische Diathese<br />
Hypervolämie, Hypertonie<br />
Parästhesien, Paresen,<br />
Adynamic,<br />
endokrines Psychosyndrom<br />
Hypogonadismus<br />
Menstruationsanomalien<br />
Virilisierung<br />
Immunsuppression,<br />
verz<strong>ö</strong>gerte Wundheilung<br />
Die Sensibilisierung der glatten Gefäßmuskulatur<br />
gegenüber der vasokonstriktorischen Sympathikus<br />
wirkung durch Glukokortikoide führt zu einer Erh<strong>ö</strong><br />
hung des Kreislaufwiderstands mit (meist nur mäßi<br />
gem) Anstieg des arteriellen Blutdrucks. Zur Hyper<br />
tonieausl<strong>ö</strong>sung trägt eine Zunahme des extrazellulä<br />
ren Volumens durch Hemmung der renalen Nalriumexkretion<br />
bei, die daneben u.a. zu Ödembildung, typi<br />
scherweise in der Kn<strong>ö</strong>chelregion, führt.<br />
Der Cortisolüberschuß behindert die enterale Kalzium<br />
absorption und steigert die renale Kalziumelimination.<br />
Durch die St<strong>ö</strong>rung der Kalziumbilanz kommt es zur<br />
Überaktivierung der Beischilddrüsen (sekundärer<br />
Hyperparathyreoidismus). Die Hemmung der Osteoblastenfunktion<br />
durch Cortisol führt zusammen mit<br />
der Osteoklastenaktivierung durch die erh<strong>ö</strong>hte Parathormonkonzentration<br />
zu Knochenabbau (Osteopenie).<br />
Bei h<strong>ö</strong>hergradigem Substanzverlust vor allem der Tra<br />
bekeln des Knochens treten Spontanfrakturen, insbe<br />
sondere der Wirbelk<strong>ö</strong>rper, auf (Osteoporose). Klinisch<br />
weisen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in den<br />
Rippenbogen auf osteoporotische Veränderungen hin.<br />
Die gesteigerte renale Kalziumausscheidung prädis<br />
poniert zu Nephrolithiasis.<br />
Psychische und neurologische St<strong>ö</strong>rungen: Die Patien<br />
ten klagen über leichte Ermüdbarkeit bis hin zu Ady<br />
namic. Bei voll ausgeprägtem Cushing-Syndrom treten<br />
St<strong>ö</strong>rungen von Stimmung und Antrieb (Apathie oder<br />
auch erh<strong>ö</strong>hte Erregbarkeit) bis zu psychotischer Sym<br />
ptomatik auf. Neben diesen Pers<strong>ö</strong>nlichkeitsverände<br />
rungen werden auch Defekte der Gedächtnisleistung<br />
beobachtet (Amnesien).<br />
Die Leistungsfähigkeit des Immunsystems und die<br />
Regenerationsfähigkeit geschädigter Gewebe sind<br />
beim Cushing-Syndrom vermindert. Dies wirkt sich in<br />
St<strong>ö</strong>rungen der Wundheilung und erh<strong>ö</strong>hter Infektanfäl<br />
ligkeit aus.<br />
Diagnose: Bei Verdacht auf ein endogenes Cushing-<br />
Syndrom sollte zunächst die Funktion der hypothalamisch-hypophysär-adrenalen<br />
Achse geprüft werden.<br />
Beim Cushing-Syndrom ist die zirkadiane Schwankung<br />
der Cortisolsekretion in der Regel aufgehoben, und die<br />
renale Ausscheidung von Cortisolmetaboliten (17-<br />
Hydroxysteroide) ist erh<strong>ö</strong>ht. Entscheidend für die Dia<br />
gnose ist der Nachweis, daß sich die Cortisolsekretion<br />
nicht durch Gabe von 0,5 bis 1 mg des synthetischen<br />
Glukokortikoids Dexamethason supprimieren läßt<br />
(Dexamethason-Hemmtest). Bei zentralem Cushing-<br />
Syndrom (Morbus Cushing) lassen sich die Mikroadenome<br />
der Adenohypophyse, die ACTH im Über<br />
schuß produzieren, meist noch etwas durch Glukokor<br />
tikoide hemmen (teilweise erhaltene negative Rück<br />
kopplung im hypophysär-adrenalen Regelkreis). Daher<br />
kann die überaktivierte Cortisolproduktion supprimiert<br />
werden, wenn man die Dexamethasondosis auf<br />
2 mg erh<strong>ö</strong>ht. Gelingt dies nicht, ist eine periphere<br />
Ursache anzunehmen. In diesem Fall weist ein ernied<br />
rigter ACTII-Spiegel auf einen cortisolsezernierenden<br />
Tumor der NNR mit Suppression der Adenohypophyse<br />
durch autonome Cortisolüberproduktion hin. Bei<br />
erh<strong>ö</strong>htem ACTH-Spiegel liegt wahrscheinlich ein ektopes<br />
ACTH-Syndrom mit Sekretion von ACTH oder CRH<br />
durch einen malignen Tumor vor. Einen wesentlichen<br />
Stellenwert in der Diagnostik haben daneben bildge<br />
bende Verfahren (Sonographie und CT zur Differen<br />
tialdiagnose von NNR-Tumoren und ggf. zum Nach<br />
weis von Hypophysenadenomen).<br />
6.2.2 Hyperaldosteronismus<br />
Der primäre Hyperaldosteronismus kann durch ein<br />
hormonproduzierendes Adenom der Nebenniere<br />
(Conn-Syndrom), in seltenen Fällen auch durch ein<br />
endokrin aktives NNR-Karzinom ausgel<strong>ö</strong>st werden.<br />
Daneben gibt es den idiopathischen Hyperaldostero<br />
nismus, bei dem morphologisch häufig eine Hyperpla<br />
sie der aldosteronproduzierenden Zona glomerulosa<br />
der Nebennieren zu finden ist. Eine sehr seltene<br />
Sonderform ist der sog. glukokortikoidsensible Hy<br />
peraldosteronismus, bei dem die Nebenniere unter<br />
dem Einfluß von ACTH ständig (und nicht wie normal<br />
nur vorübergehend) vermehrt Aldosteron sezerniert.<br />
Die Bezeichnung »glukokortikoidsensibel« ist von dem<br />
Befund abgeleitet, daß sich die Aldosteronproduktion<br />
nach Gabe von Dexamethason (und entsprechender<br />
Suppression der ACTII-Sckretion der Hypophyse) nor<br />
malisiert.
I. Erkrankungen der Nebenniere 107<br />
Beim sekundären Hyperaldosteronismus wird die<br />
Aldosteronsekretion durch Überaktivität des Renin-<br />
Angiotensin-Systems gesteigert. Typische Ursache der<br />
Hyperreninämie ist die Hypovolämie, wie sie z. B. beim<br />
nephrotischen Syndrom und bei Leberzirrhose als<br />
Folge der Hypalbuminämie vorkommt. Außerdem<br />
nimmt die Reninproduktion der Niere bei Schädigung<br />
des Gewebes durch maligne, rasch progrediente<br />
Hypertonie zu.<br />
Klinik: Die führenden Symptome des Hyperaldostero<br />
nismus gehen auf die St<strong>ö</strong>rungen des Wasser- und<br />
Elektrolythaushalts zurück. Durch Natrium- und Flüssigkeitsretention<br />
kommt es zu Hypervolämie, und es<br />
entwickelt sich eine arterielle Hypertonie, die sich u.a.<br />
durch Kopfschmerzen und Sehst<strong>ö</strong>rungen bemerkbar<br />
macht. Die gesteigerte renale Ausscheidung von K+<br />
führt zu Hypokaliämie und damit zu kardialen Erregungsbildungsst<strong>ö</strong>rungen,<br />
zu Adynamie und renaler<br />
Konzentrierschwäche (hypokaliämiebedingte ADII-<br />
Refraktärität). Anamnestisch werden Müdigkeit, Par<br />
ästhesien und passagere Paresen, Polyurie, Nykturie<br />
und Durst angegeben. Die durch ebenfalls erh<strong>ö</strong>hte<br />
H+-Ausscheidung bedingte nichtrespiratorische Alka<br />
lose vermindert den ionisierten Anteil des Plasmakal<br />
ziums und prädisponiert so zu tetaniformen Sym<br />
ptomen (positives Chvostek- und Trousseau-Zeichen).<br />
Die Symptome des primären Hyperaldosteronismus<br />
sind Resultat des Mincralhaushalts (Na+-Retention bei<br />
vermehrter K+-Ausscheidung). Die Salz- und Wasser<br />
überladung führt zu arterieller Hypertonie (Kopf<br />
schmerzen, Retinopathie, Herzhypertrophie), die<br />
Hypokaliämie zu Funktionsst<strong>ö</strong>rungen der Niere (Poly<br />
urie bei Hyposthenurie, Proteinurie) und der erregba<br />
ren Systeme (EKG-Veränderungen, Parästhesien und<br />
Paresen, Adynamie und Muskelschmerzen).<br />
Ein Verdacht auf primären Hyperaldosteronismus<br />
kann durch den Nachweis einer trotz Hypokaliämie<br />
hohen renalen Kaliumausscheidung erhärtet werden.<br />
Diagnostisch entscheidend ist der Nachweis eines<br />
hohen Plasmaspiegels von Aldosteron und einer hohen<br />
renalen Exkretion von Aldosteronmetaboliten (Glucu<br />
ronid) bei niedriger Kalium-, Renin- und ACTII-Kon<br />
zentration im Plasma. In Zweifelsfällen kann geprüft<br />
werden, ob die Aldosteronsekretion durch Natriumzufuhr<br />
(200 mmol oral oder parenteral) supprimiert wer<br />
den kann. Zur Differenzierung zwischen Conn-Syndrom<br />
(aldosteronproduzierendes NNR-Adenom) und<br />
idiopathischem Hyperaldosteronismus kann die meist<br />
unterschiedliche Stimulierbarkeit der Aldosteron<br />
sekretion herangezogen werden. Eine Aktivierung des<br />
Renin-Angiotensin-Systems (orthostatische Belastung,<br />
Infusion von Angiotensin II) führt beim Conn-Syndrom<br />
häufig zu einer Verminderung, beim idiopathischen<br />
Hyperaldosteronismus dagegen zu einem Anstieg der<br />
Plasma-Aldosteronkonzentration. Wesentliche Bedeu<br />
tung in der Differentialdiagnose kommt den bildgebenden<br />
Verfahren zu. Gr<strong>ö</strong>ßere Adenome k<strong>ö</strong>nnen sonogra<br />
phisch, kleinere mit dem CT nachgewiesen werden.<br />
Abb. 1-10: Cushing-Syndrom bei kompakt/eiligem Nebennierenrindenadenom.<br />
Der Tumor bestellt aus Zellen mit<br />
einem azidophilen, nichtvakuolisierten Zytoplasma. HE-Fbg.<br />
II<br />
0<br />
w^^^^^^^^^^^^^^B|^H<br />
v ^>BH<br />
^p" % >Jv j<br />
B'i;
108 Endokrines System<br />
Ergänzend kann eine Szintigraphie mit Cholesterinderivaten<br />
und die getrennte Sammlung von Blut aus<br />
den ableitenden Venen mit Analyse der Aldosteronspiegel<br />
(Nachweis einseitiger Aldosteronüberproduktion)<br />
herangezogen werden.<br />
Beim sekundären Hyperaldosteronismus ist die<br />
basale Reninkonzentration im Plasma (gemessen am<br />
liegenden, normal mit Natrium versorgten Patienten)<br />
im Unterschied zur primären Form nicht supprimiert,<br />
sondern übernormal hoch.<br />
6.3 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen<br />
des Nebennierenmarks<br />
6.3.1 Nebennierenmarkhypofunktion<br />
Ein isolierter Ausfall des Nebennierenmarks hat, auch<br />
wenn er bilateral erfolgt, keine klinischen Konsequen<br />
zen. Wichtig wird eine Ilypofunktion des Nebennie<br />
renmarks nur im Kontext mit einer allgemeinen Insuf<br />
fizienz des sympathoadrenalen Systems. Bei wahr<br />
scheinlich primär im Hypothalamus lokalisierter In<br />
suffizienz der Aktivierung des sympathoadrenalen<br />
Systems, dem Shy-Drager-Syndrom (primäre auto<br />
nome Insuffizienz), k<strong>ö</strong>nnen weder Noradrenalin noch<br />
Adrenalin in Reaktion auf Bluldruckabfall oder auf<br />
Hypoglykämie freigesetzt werden. Hauptsymptom die<br />
ser Erkrankung ist die orthostatische Dysregulation.<br />
6.3.2 Nebennierenmarkhyperfunktion<br />
Eine inadäquat hohe Produktion an Katecholaminen<br />
geht von endokrin aktiven Tumoren des Nebennieren<br />
marks (Phäochromozytome) oder (seltener) der sym<br />
pathischen Paraganglien hauptsächlich des Bauch<br />
raums aus. Die Symptomatik wird durch die verstärkte<br />
Wirkung der sympathischen Überlrägerstoffe be<br />
stimmt. Paroxysmale oder andauernde arterielle<br />
Hypertonie (Kopfschmerzen) ist von Überaktivierung<br />
des Herzens (Herzklopfen, Tachykardie) begleitet. Es<br />
kommt zu Stoffwechselsteigerung (Hitzeintoleranz),<br />
Hyperglykämie (Glucosurie) und vermehrter Lipolyse<br />
(Gewichtsverlust). Die Patienten schwitzen stark.<br />
Durch zentralnerv<strong>ö</strong>se Wirkung werden Angst, Beklem<br />
mungsgefühle und Übelkeit ausgel<strong>ö</strong>st. Häufig tritt ein<br />
Tremor der Hände auf. Die Hemmung der intestinalen<br />
Motorik führt zu Obstipation.<br />
Wenn die Symptomatik bei Patienten mit paroxysmaler<br />
oder auch persistierender Hypertonie ein Phäochro<br />
mozytom vermuten läßt, wird die Diagnose durch<br />
Nachweis der erh<strong>ö</strong>hten Ausscheidung von Katechol<br />
aminen oder ihrer Metaboliten (Vanillinmandelsäure)<br />
im Urin gesichert. Bei grenzwertig erh<strong>ö</strong>hten Katechol<br />
aminen in Plasma und Urin kann der Clonidin-Suppressionstest<br />
zur Differenzierung gegenüber essentiel<br />
ler Hypertension dienen. Infolge eines Phäochromo<br />
zytoms erh<strong>ö</strong>hte Katecholaminspiegel lassen sich nicht<br />
wie bei essentieller Hypertonie durch das zentral<br />
den Sympathikus hemmende Clonidin supprimieren.<br />
Wenn laborchemisch die Diagnose eines Phäochromo<br />
zytoms gestellt wird, schließt sich die Eokalisationsdiagnostik<br />
mit bildgebenden Verfahren (Sonographie, CT,<br />
NMR, Szintigraphie) an.
J. Erkrankungen des endokrinen Pankreas 109<br />
J. Erkrankungen des endokrinen Pankreas<br />
1 Diabetes mellitus<br />
Ein Diabetes mellitus liegt vor, wenn der Betriebsstoff-<br />
Wechsel infolge unzureichender Insulinproduktion der<br />
Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse entgleist.<br />
Nach ätiologischen Gesichtspunkten unterscheidet<br />
man folgende Krankheitsformeii:<br />
■ Primärer Diabetes mellitus<br />
Typ-I-Diabetes (juveniler oder insulinabhängiger<br />
Diabetes) mit absolutem Insuliiimangel bei Auto<br />
immundestruktion der B-Zellen<br />
Typ-II-Diabetes (sog. nichtinsiilinabliäiigiger Dia<br />
betes vom adulten Typ) ohne (Typ IIa) oder mit<br />
Adipositas (Typ IIb)<br />
■ Sekundärer Diabetes mellitus<br />
Insulinmangeldiabetes bei Zerst<strong>ö</strong>rung von mehr als<br />
90% der B-Zellen der Langerhans-Inseln durch<br />
Tumoren, Entzündungen (nekrotisierende Pankrea<br />
titis), Stoffwechselerkrankungen (I Iämoch romatose,<br />
Mukoviszidose) oder nach Teilpankrcatektomie<br />
Endokrin bedingter Diabetes {/.. B. bei Akromegalie<br />
oder Cushing-Syndrom)<br />
Ma ngelernähru ngsdiabeles.<br />
In der von der WHO vorgeschlagenen Klassifikation ist<br />
anstelle der ätiologisch begründeten Unterscheidung<br />
nach den Typen I und II die Unterteilung nach dem<br />
Kriterium Insulinabhängigkeit in Insulin-dependent<br />
diabetes mellitus (IDDM) und Non-insulin-dependent<br />
diabetes mellitus (NIDDM) eingeführt worden.<br />
1.1 Diabetes Typ I<br />
Die Einreihung des juvenilen insulinabhängigen Dia<br />
betes mellitus (Typ I) unter die Autoimmiinkrankheiten<br />
stützt sich auf den Nachweis des (zumindest<br />
vorübergehenden) Auftretens von Autoantik<strong>ö</strong>rpern<br />
gegen zytoplasmatische Insolzellantigene und in man<br />
chen Fällen gegen Insulin, Proinsulin oder Insulinrezeptorprotein.<br />
Daneben werden immunpräzipilierende<br />
Autoantik<strong>ö</strong>rper gegen ein Membranprotein der<br />
Inselzellen gefunden. Die Prädisposition zur autoim<br />
munen Zerst<strong>ö</strong>rung des Inselgewebes ist angeboren. Die<br />
entsprechenden Gene sind mit den Genen für Trans<br />
plantationsantigene (HLA) gekoppelt. Bei über 80% der<br />
Typ-I-Diabetiker finden sich die (allerdings bei 50%<br />
der Bev<strong>ö</strong>lkerung vorkommenden) HLA-Typen DR3<br />
und/oder DR4. Das allgemeine Risiko, im Laufe des<br />
Lebens an einem Typ-I-Diabetes zu erkranken, liegt<br />
bei 0,3 bis 0,6%. Hat ein Elternteil Typ-I-Diabetes,<br />
steigt das Erkrankungsrisiko auf 5%, bei Typ-I-Diabe<br />
tes beider Eltern auf über 20%.<br />
Bei bestehender Prädisposition wird die zur Inselzell<br />
zerst<strong>ö</strong>rung führende Autoimmunreaktion durch Ein<br />
wirkung eines noch unbekannten Ausl<strong>ö</strong>sers, m<strong>ö</strong>g<br />
licherweise einer Virusinfektion, gestartet. Die Inzidenz<br />
des Typ-I-Diabetes ist in vielen Ländern in den<br />
letzten zwanzig Jahren etwa auf das Dreifache gestie<br />
gen. Ein derartiger Anstieg kann nicht auf eine gestie<br />
gene Prävalenz der genetischen Prädisposition zurück<br />
geführt werden, so daß ein häufiges Auftreten eines<br />
exogenen Ausl<strong>ö</strong>sers für die Aiitoimmiinreaktion ange<br />
nommen werden muß. Beim Einsetzen der Erkran<br />
kung läßt sich eine lymphozytäre Infiltration (vor allem<br />
durch zytotoxische T-Zellen) und Zerst<strong>ö</strong>rung des Insel<br />
gewebes nachweisen. Die präklinische Phase des Typ-<br />
I-Diabetes, in der die fortschreitende Zerst<strong>ö</strong>rung der<br />
Langerhans-Inseln noch kompensiert wird, kann<br />
einige Jahre dauern. Zu Beginn der klinischen Phase<br />
kann es zu Remissionen mit vorübergehender Stiffizienz<br />
der Insulinsckretion kommen.<br />
1.2 Diabetes Typ II<br />
Beim klinisch manifesten Typ-II-Diabetes (nichtinsulinabhängiger<br />
Diabetes vom adulten Typ) wird die<br />
Stoffwechselst<strong>ö</strong>rung von Insulinresistenz (verringerte<br />
Effektivität der intrazellulären Signalübertragung<br />
nach Bindung des Insulins an Membranrezeptoren) vor<br />
allem der Skelettmuskulatur und des Fettgewebes und<br />
von inadäquater Insulinsekretion geprägt. Trotz eines<br />
zur Kompensation der verminderten Insulinempfindlichkeit<br />
erh<strong>ö</strong>hten Nüchterninsulinspiegels besteht eine<br />
Hyperglykämie. Postprandial steigt die Insulinsekre<br />
tion langsamer und schwächer als normal an (»Sekre<br />
tionsstarre« nach Pfeiffer).<br />
Der Typ-Il-Diabetes ist über zehnmal häufiger als der<br />
vom Typ I (kumulative Inzidenz 6 bis 10% der Bev<strong>ö</strong>lke<br />
rung bei Hochrechnung bis zum 80. Lebensjahr). Das<br />
Auftreten von Typ-II-Diabetes ist noch stärker als das<br />
von Typ-I-Diabetes von einer genetischen Prädisposi<br />
tion abhängig. Geschwister oder Kinder von Patienten<br />
mit Typ-II-Diabetes haben ein Risiko von 30 bis 40%,<br />
bis zum 80. Lebensjahr an Diabetes zu erkranken. Die<br />
Erbanlage ist im Unterschied zum Typ-I-Diabetes nicht<br />
mit bestimmten HLA-Typen assoziiert.<br />
Ob die Entwicklung des Typ-II-Diatetes von einer<br />
primären Insulinresistenz oder einer initialen Insulin<br />
sekretionsschwäche ausgeht, ist noch unklar. Dieses<br />
Problem ist infolge der wechselseitigen Abhängigkeit<br />
der St<strong>ö</strong>rungen schwierig zu l<strong>ö</strong>sen. Insulinresistenz<br />
führt zu Überlastung und Insuffizienz der B-Zellen der<br />
Langerhans-Inseln, und andererseits begünstigt in<br />
adäquate Insulinsckretion die Ausbildung von Insulin<br />
resistenz. Zudem variiert die Insulinempfindlichkeit<br />
der Gewebe, z. B. der für die Hom<strong>ö</strong>ostase des Glucose-
110 Endokrines System<br />
Stoffwechsels besonders wichtigen Skelettmuskulatur,<br />
interindividuell erheblich. Eine Insulinresistenz findet<br />
sich zunehmend im Verlauf der Alterung, bei Adipositas,<br />
bei primärer arterieller Hypertonie, bei Schwan<br />
gerschaft und unter dem Einfluß erh<strong>ö</strong>hter Konzentra<br />
tionen von Glukokortikoiden, Somatotropin, Thyroxin<br />
und Adrenalin. Die Abnahme der Insulinempfindlich<br />
keit unter diesen Bedingungen führt nicht zwangsläu<br />
fig zur Entwicklung eines Typ-II-Diabetes, begünstigt<br />
aber bei entsprechender genetischer Prädisposition<br />
seine Manifestation.<br />
••*!<br />
A1<br />
TfM<br />
3<strong>ö</strong>><br />
1.3 Sekundärer Diabetes mellitus<br />
Unter Berücksichtigung der kausalen Pathogenese<br />
unterscheidet man folgende sekundäre Diabetes<br />
formen:<br />
Abb. J-l: Chronische InsulitiS bei Diabetes mellitus. HE-Fbg.<br />
1.3.1 Mangelemährungsdiabetes<br />
Unter den sekundären Diabetesformen ist der Mangel<br />
ernährungsdiabetes eine in subtropischen und tropi<br />
schen Entwicklungsländern bei Patienten im jugend<br />
lichen Alter auftretende Stoffwcchselst<strong>ö</strong>rung, die nach<br />
der WHO-Einteilung von 1985 auf Proteinmangel<br />
ernährung beruhen kann {Proteinmangeldiabetes)<br />
oder als fibrokatkulärer Diabetes mellitus klassifiziert<br />
wird. Bei der letzteren Form wird ätiologisch neben<br />
Umweltfaktoren auch eine genetische Prädisposition<br />
diskutiert.<br />
« '<br />
1.3.2 Endokrin bedingter Diabetes<br />
Mehrere Endokrinopathien gehen mit einem milden<br />
bis starken Diabetes mellitus einher (z. B. Akromega<br />
lie, Cushing-Syndrom, Glukagonom u. a.).<br />
Abb.J-2: Inselamyloidose bei Diabetes mellitus. HE-Fbg.<br />
1.3.3 Diabetes nach Zerst<strong>ö</strong>rung von Pankreasgewebe<br />
1.3.3.1 Inselzerst<strong>ö</strong>rung durch Pankreatitis und/oder<br />
Fibrose: Bei etwa 5% der Fälle von akuter Pankreatitis<br />
entwickelt sich ein sog. pankreatischer Diabetes. Man<br />
nimmt an, daß mindestens 95% des Pankreasparenchyms<br />
zerst<strong>ö</strong>rt sein müssen. Dies trifft auch für eine<br />
chirurgische Pankrcasteilresektion zu. Bei den meisten<br />
Patienten entwickelt sich ein milder Diabetes mellitus.<br />
Bei einer chronisch rezidivierenden Pankreatitis<br />
kommt es zu dieser Komplikation in 50% der Fälle.<br />
1.3.3.2 Hämochromatose: Bis zu 80% der Hämochromatosen<br />
gehen mit einem Diabetes mellitus einher.<br />
Dabei kommt es zu ausgedehnten Eisenablagerungen,<br />
die zu einer Inselfibrose und -atrophic führen.<br />
1.3.3.3 Zystische Pankreasfibrose: Bei einer Muko<br />
viszidose findet man häufig zwischen stark veränder<br />
tem exokrinem Pankreasgewebe noch erhaltene Pankreasinseln.<br />
Trotzdem wird bei diesem Patientenkol-<br />
•*<br />
.: . -<br />
• - ■
J. Erkrankungen des endokrinen Pankreas 111<br />
Iektiv ein Diabetes mellitus 20mal häufiger diagnosti<br />
ziert.<br />
im Gewebe<br />
k<strong>ö</strong>nnen.<br />
nicht rasch genug abgebaut werden<br />
1.3.3.4 Exokrines Pankreaskarzinom: Bei sehr aus<br />
gedehnter karzinomat<strong>ö</strong>ser Durchsetzung des Pankreas<br />
und Verlegung der Ausführungsgänge kommt es zu<br />
einem Diabetes mellitus.<br />
Pathologie: Zu den wichtigsten morphologisch nach<br />
weisbaren Insolveränderungen bei Diabetes mellitus<br />
zählen:<br />
- Inselamyloidose (früher Inselhyalinisieriiiig). Das<br />
endokrine Amyloid (kommt auch in somatotropic<br />
Hypophysenadenomen und in C-Zellon-Karzinomen<br />
der Schilddrüse vor) unterscheidet sich in seiner<br />
chemischen Zusammensetzung von dem üblichen<br />
Amyloid, das bei primärer, sekundärer und solitärer<br />
Amyloidose beobachtet wird. Auch vom vaskulären<br />
Hyalin ist es abzugrenzen. Eine Inselamyloidose<br />
kommt bei 80% der über 50 Jahre alten Patienten<br />
mit einem Diabetes mellitus vor und ist gegenüber<br />
einem stoffwechselgesunden Vergleichskollektiv<br />
fünfmal häufiger. Elektronenmikroskopisch findet<br />
man bei 100% der Diabetiker nach lOjährigem<br />
Krankheitsverlauf entsprechende Veränderungen.<br />
- Inselfibrose. Es handelt sich um einen unspezifischen<br />
Befund, der im Rahmen einer allgemeinen<br />
Pankreasfibrose (z. B. bei chronischer Pankreatitis<br />
oder nach langdauerndem Alkoholabusus) auftritt.<br />
Eine Inselfibrose kann aber auch Folge einer Insiilitis<br />
ein.<br />
- Insulitis. Morphologisch ist das Krankheitsbild<br />
durch eine leukozytäre Infiltration gekennzeichnet.<br />
Bei einer chronischen Insulitis findet man reichlich<br />
Lymphozyten. Eine Begleitinsulitis ist auch bei<br />
einigen Viruserkrankungen (Mumps) festgestellt<br />
worden.<br />
Weitere Organveränderungen bei Diabetes mellitus<br />
gehen aus dem Schema (S. 112) hervor.<br />
Pathophysiologic und Klinik: Bei inadäquater Versor<br />
gung mit Insulin ist die Aufnahme von Glucose in die<br />
Zellen der Skelettmuskulatur und des Fettgewebes<br />
infolge unzureichender Anregung des insulinabhängi<br />
gen Glucosetransportsystems reduziert. In die Leber<br />
zellen kann der Traubenzucker ungehindert gelangen,<br />
dort aber wegen Ausbleibens der insulinvermittelten<br />
Induktion der Glucokinase nicht rasch genug verstoffwechselt<br />
werden. Trotz fehlenden Bedarfs bildet die<br />
Leber Glucose in großen Mengen (durch Glykogenabbau<br />
und gesteigerte Gluconeogenese aus Aminosäu<br />
ren) und gibt sie ans Blut ab. Die Lipogenese aus<br />
Glucose in der Fettzelle ist verlangsamt, die Lipolyse<br />
mit Abgabe von freien Fettsäuren Ins Blut dagegen<br />
enthemmt. Aus dem Überangebot langkettiger freier<br />
Fettsäuren entstehen in der Leber Ketonk<strong>ö</strong>rper (Acetessigsäure,<br />
ß-Hydroxybuttersäure und Aceton), die<br />
nach Abgabe ins Blut den K<strong>ö</strong>rper übersäuern. weil sie<br />
Hyperglykämie und Ketoazidose sind Ausl<strong>ö</strong>ser der<br />
Akutsymptomatik des Diabetes mellitus. Ein Anstieg<br />
des Blutzuckers von normal etwa 5 mmol/1 (90 mg/dl)<br />
auf das Doppelte und darüber führt zu einer Zunahme<br />
der Osmolalität des Extrazellulärraums. Das entste<br />
hende Gefalle im osmotischen Druck entzieht dem<br />
Intrazellulärraum Wasser (hypertone Dehydratation).<br />
Die hohe Glucosekoii/.eiitration im Plasma und damit<br />
auch im Primärharn überfordert die Reabsorptionskapazität<br />
der Niere. Es kommt zu Glucosurie und, da die<br />
hohe Glucosekonzentration in den Nierenkanälchen<br />
die Wasserreabsorption im proximalen Nierentubulus<br />
behindert, zur Polyurie (osmotische Diurese). Bei<br />
h<strong>ö</strong>hergradiger Ketoazidose (die allerdings bei älteren<br />
Menschen auch fehlen kann) fallen die kompensato<br />
risch vertiefte Kiissmaiil-Atmuiig und der Acetongeruch<br />
der Atemluft auf. Das Wasserdefizit wird durch<br />
vermehrte Wasserdampfabgabe infolge erh<strong>ö</strong>hter Ven<br />
tilation und durch Wassersequestration im atonischen<br />
Verdauungstrakt weiter gesteigert. Wenn die hyper<br />
tone Dehydratation ein gr<strong>ö</strong>ßeres Ausmaß erreicht,<br />
kann eine Beeinträchtigung der Funktion des Zentral<br />
nervensystems zum hyperosmolaren Koma führen.<br />
Bei mehr oder weniger starker Bewußtseinstrübung<br />
stehen dabei die Symptome der Dehydratation im<br />
Vordergrund (Tachykardie und Blutdruckabfall, ver<br />
minderter Augeninnendruck, trockene, rote Haut).<br />
Die renale Ausscheidung von Ketonk<strong>ö</strong>rpern ist u. a. mit<br />
einem Verlust an Na' und K1 verbunden. Trotz der<br />
Abnahme im Natrium- und Kaliumbestand bleiben die<br />
Plasmakonzentrationen dieser Ionen im oberen Normalbereich,<br />
denn die gleichzeitige Dehydratation mas<br />
kiert die Elektrolytverluste.<br />
Charakteristische Symptome eines chronisch erh<strong>ö</strong>h<br />
ten BIut-Glucosespiegels sind Polyurie und entspre<br />
chende Polydipsie. Als unspezifische Hinweise k<strong>ö</strong>nnen<br />
Gewichtsverlust, Konzentrationsschwäche und Müdig<br />
keit eingestuft werden. Bei längerdauernder, auch<br />
mäßiggradiger Hyperglykämie werden die Gewebe<br />
durch das Glucoseüberangcbot geschädigt. Dies<br />
beruht auf<br />
— DJchtenzymatischer Glykosylierung von Proteinen<br />
(kovalente Glucoseanlagerung an Aminogruppen),<br />
die zunächst reversibel ist und nach Umlagerung<br />
der Bindungen irreversibel wird. Glykosylierung<br />
und die durch sie induzierte Quervernetzung von<br />
Proteinmolekülen führen zu Funktionseinbußen und<br />
ggf. Kompensationsvorgängen (Verdickung von<br />
Basalmembranen, insbesondere In Kapillaren, St<strong>ö</strong><br />
rung der Transportfunktion von Lipoproteinen)<br />
- Aktivierung der niedrigaffinen intrazellulären<br />
Aldosereduktase mit Umsetzung von Glucose zu<br />
Sorbit mit der Folge von osmotischer Zellschwellung<br />
durch Akkumulation von Sorbit und von daraus<br />
mittels Sorbitdeliydrogena.se gebildeter Fructose.<br />
.Als weitere Auswirkung des Anstiegs von Sorbit.
112 Endokrines System<br />
Pathomorphologische Befunde beim Diabetes mellitus<br />
Retinopathie<br />
Sialadenose mit doppel<br />
seitiger Parotisschwellung<br />
Lunge:<br />
rezidivierende und<br />
karnifizierende Pneumonien,<br />
Abszesse, Tuberkulose<br />
Leber:<br />
Hepatosplenomegalie<br />
Leberzellverfettung<br />
Glykogenkerne<br />
Sternzellverfettung<br />
Cholelithiasis<br />
Exokrines Pankreas:<br />
Atrophie, Fibrose,<br />
Liposomatose, Entzündung,<br />
Karzinom, Mukoviszidose<br />
Langerhans-Insel:<br />
Atrophie, Insulitis,<br />
Amyloidose<br />
Hämochromatose<br />
Gefäße<br />
Makroangiopathie:<br />
Arteriosklerose<br />
arterielle Verschlüsse<br />
Extremitätengangrän<br />
Mikroangiopathie:<br />
diabetische Kapillaropathie<br />
Nerven:<br />
periphere diabetische<br />
Neuropathie<br />
Fetopathia diabetica:<br />
Riesenkinder (> 4,5 kg KG)<br />
Inselhyperplasie, Hyperplasie<br />
des Unterhautfettgewebes<br />
Hepatosplenomegalie<br />
Erythroblastenvermehrung<br />
steifes Hirn<strong>ö</strong>dem<br />
Gingivitis<br />
Knochen:<br />
Osteoporose, Arthropathien<br />
gelbes Schädeldach<br />
vertebrale Hyperostosen<br />
Herz:<br />
Hypertonikerherz<br />
Koronarsklerose<br />
Myokardinfarkt<br />
Gastrektasie<br />
Niere:<br />
Glomerulosklerose<br />
Kimmelstiel-Wilson-Syndrom<br />
Tubulusepithelverfettung<br />
Pyelonephritis<br />
Papillenspitzennekrosen<br />
Glykogennephrose<br />
Haut:<br />
Palmarerythem<br />
Entzündungen (Furunkulose)<br />
Mykosen (Candidiasis)<br />
Necrobiosis lipoidica<br />
Xanthoma diabeticum<br />
Todesursachen beim<br />
Diabetes mellitus<br />
60% der Patienten sterben<br />
an den unmittelbaren<br />
Komplikationen<br />
Makro-, Mikroangiopathie (50%):<br />
Hypertonie, Herzinfarkt, arterielle<br />
Verschlußkrankheit, Urämie<br />
Infektionen (15%):<br />
Septikopyämie, Pneumonien,<br />
Mykosen, Tuberkulose<br />
Coma diabeticum (5%)<br />
Andere Todesursachen (30%):<br />
maligne Tumoren<br />
Leberzirrhose, Cholelithiasis<br />
Abb. J-4: Diabetes mellitus. Schematische Darstellung der Organveränderungen.
J. Erkrankungen des endokrinen Pankreas 113<br />
z.T. aber auch unabhängig davon, ist eine Abnahme<br />
der Myoinositolkonzentration, insbesondere in Ner<br />
venzellen, beobachtet worden. Myoinositol ist Vor<br />
läufer der Phosphoinositole der Zellmembran, die<br />
für die Signalübertragung mittels Aktivierung der<br />
Proteinkinase C und Freisetzung von Inositoltrisphosphat<br />
von Bedeutung sind. Fine verminderte<br />
Verfügbarkeit von Myoinositol k<strong>ö</strong>nnte die Steuerung<br />
der Nervenzellfunktion beeinträchtigen.<br />
Bei adip<strong>ö</strong>sen Typ-IIb-Diabetikern, die das gr<strong>ö</strong>ßte<br />
Kontingent der Patienten mit Diabetes mellitus stellen,<br />
wirken sich die zumindest initial erh<strong>ö</strong>hten basalen<br />
Insulinkonzentrationen pathologisch aus. Insulin f<strong>ö</strong>r<br />
dert auf noch nicht bekanntem Weg die renale<br />
Natriumreabsorption, und die dadurch bewirkte<br />
Zunahme des Nalriumbestands geht mit einer Expansion<br />
des extrazellulären Volumens und der Ausbildung<br />
arterieller Hypertonie einher. Durch den Blutdruckan<br />
stieg und durch Insulin selbst wird eine Proliferation<br />
der Wandmuskulatur kleiner Arterien angeregt<br />
(Lumeneinengung bei Wanddickenzunahme mit<br />
Anstieg des peripheren Str<strong>ö</strong>mungswiderstands).<br />
Zudem begünstigt der Bluthochdruck zusammen mit<br />
den Lipidstoffwechselst<strong>ö</strong>rungen die Entwicklung einer<br />
Atherosklerose.<br />
Unter den Komplikationen eines chronischen Dia<br />
betes mellitus stehen die Mikroangiopathie (Retino<br />
pathie, Nephropathie) und die atherosklerotisch oder<br />
in manchen Fällen durch Mediaverkalkung (M<strong>ö</strong>nckeberg-Sklerose)<br />
bedingte Makroangiopathie der gr<strong>ö</strong>ße<br />
ren Arterien von Herz, Gehirn und unterer Extremität<br />
im Vordergrund. Pathologische Gefäßveränderungen<br />
entwickeln sich insbesondere bei gleichzeitigem Beste<br />
hen von arterieller Hypertonie und/oder von Lipidstoff<br />
wechselst<strong>ö</strong>rungen. Nach langem Krankheitsverlauf (20<br />
Jahre) ist bei vier von fünf Diabetikern eine Retino<br />
pathie nachzuweisen, und jeder zweite klagt über Seh<br />
st<strong>ö</strong>rungen, zu denen auch diabetisch bedingte Erkran<br />
kungen des dioptischen Apparats (Linsentrübung,<br />
Glaukom. Bubeosis iridis) beitragen. Die Nephropathie,<br />
deren erstes Anzeichen eine geringgradige Proteinurie<br />
(Mikroalbuminurie) ist, schreitet über zunehmende<br />
Einengung und hyaline Degeneration der Glomeruluskapillaren<br />
(Glomerulosklerose Kimnielstiel-VVilson) bis<br />
zum dialysepflichtigen Nierenversagen fort. Im Verlauf<br />
der Erkrankung ist etwa bei jedem dritten Diabetiker<br />
mit einer an konstanter Proteinurie erkennbaren Nierenschädigung<br />
zu rechnen. Die ischämischen Erkran<br />
kungen der Beine, des Herzens und des Gehirns als<br />
Spätkomplikationen des Diabetes mellitus werden<br />
meist durch eine Kombination von Makro- und Mikro<br />
angiopathie und autonomer Neuropathie ausgel<strong>ö</strong>st.<br />
Die Durchblutungsst<strong>ö</strong>rung der Beine, die im wesentli<br />
chen durch Einengungen gr<strong>ö</strong>ßerer Arterien bedingt ist,<br />
führt in leichteren Fällen zu Funktionseinschränkungen<br />
(Glaudicatio intermittens), in schweren zum<br />
Gewebsuntergang (Nekrosen. Gangrän). Besonders<br />
schwerwiegend ist eine Kombination von Durchblu<br />
tungsst<strong>ö</strong>rung und Neuropathie, bei der im weitgehend<br />
gefühllos gewordenen Bereich von Kn<strong>ö</strong>chel und Fuß<br />
tiefe, häufig infizierte und bis auf den Knochen pene<br />
trierende Ulzera entstehen k<strong>ö</strong>nnen (Malum perlbrans).<br />
Die Erkrankung von Koronar- und Zerebralgefäßen ist<br />
die häufigste lebensgofährdende Komplikation des<br />
Diabetes mellitus. Das Risiko einer ischämischen Hirn<br />
erkrankung oder eines Ilerzinfarkts ist beim Diabeti<br />
ker mehr als doppelt so hoch wie beim Nichtdiabetiker.<br />
Besonders häufig sind Herzinfarkt oder Schlaganfall<br />
bei Diabetikern mit arterieller Hypertonie und mit<br />
Proteinurie (als Zeichen der Nierenschädigung).<br />
Bei etwa jedem zweiten Diabetiker entwickelt sich<br />
innerhalb von 25 Jahren eine periphere Neuropathie<br />
des sensorischen, motorischen und auch des autono<br />
men Nervensystems. Sie kann sich äußern in<br />
- polyneuropathischen Symptomen, insbesondere<br />
der Hände, Füße und Unterschenkel (Verminderung<br />
der Hautsensibilität bis zu kompletter Gefühllosig<br />
keit, trophische St<strong>ö</strong>rungen mit Ulzeration),<br />
- Muskelatrophie (distal an den Akren oder proximal<br />
als diabetische Amyotrophic an der Oberschenkelund<br />
Beckenmuskulatur),<br />
- Funktionsst<strong>ö</strong>rungen der inneren Organe (Gastround<br />
Enteropathie mit Schluckbeschwerden, Erbre<br />
chen, Diarrh<strong>ö</strong> oder Obstipation und Inkontinenz,<br />
Harnblasenentleerungssl<strong>ö</strong>rungen, St<strong>ö</strong>rungen der<br />
Sexualfunktion).<br />
Bei 20% der Diabetiker treten charakteristische Hautveränderungen<br />
auf. Am häufigsten ist die diabetische<br />
Dermopathie (rote Flecken von ca. 1 cm Durchmesser,<br />
in deren Bereich im weiteren Verlauf Atrophie und<br />
Hyperpigmentierung staltfinden). Daneben findet man<br />
lokale Lipideinlagerungen (Xanthomatose) und vor<br />
allem an den Vorderseiten der Unterschenkel große,<br />
lokal atrophische Plaques (Necrobiosis lipoidica). Bei<br />
unzureichend stoffwechselkontrolliertem Diabetes<br />
mellitus besteht erh<strong>ö</strong>hte Infektanfälligkeit mit Auftre<br />
ten von Entzündungen an Haut und Schleimhäuten<br />
(/.. B. Vulvovaginitis).<br />
Diagnose: Der manifeste Diabetes mellitus ist am<br />
zuverlässigsten über die Nüchternhyperglykämie zu<br />
erkennen. Wenn der Blutzuckerspiegel vor dem Früh<br />
stück zweimal über 7,8 mmol/1 (140 mg/dl) und damit<br />
mehr als zwei Standardabweichungen über dem Mit<br />
telwert Gesunder liegt, ist der Patient als zuckerkrank<br />
anzusehen. Ein Nüchternblutzucker unter 7,8 mmol/1<br />
schließt einen Diabetes mellitus jedoch nicht aus.<br />
Zudem muß in Rechnung gestellt werden, daß beim<br />
Typ-I-Diabetes die Fiinktionsfähigkeit des endokrinen<br />
Pankreas schwankt und daß es zu Remissionen mit<br />
zeitweiser Normoglykämie kommen kann.<br />
Eine Beurteilung der Langzeitregulation des Kohlenhydrathaiishalts<br />
ist über eine Messung des Glykosylierungsgrades<br />
von Proteinen m<strong>ö</strong>glich. Die anteilige Kon<br />
zentration des mit Glucose gekoppelten HbAu. stellt bei<br />
normaler Erylhrozytenlebensdauer (ca. 4 Monate) ein<br />
Maß des durchschnittlichen Blut-Glucosespiegels der
114 Endokrines System<br />
letzten 4 bis 8 Wochen dar. Werte über 12% (normal<br />
unter 8%) zeigen eine Dekompensation des Glucosehaushalts<br />
mit schwerer, längerdauernder Hyperglyk<br />
ämie an. Eine Messung des Glykosylierungsgrades der<br />
kurzlebigeren Plasmaproteine (Halbwertszeit für Al<br />
bumin 19 Tage) liefert Information über die Qualität<br />
der Blutzuckerregulation im Mittel der letzten Tage.<br />
Zu sensitiverer Erfassung der Regulationsfälligkeit des<br />
Glucosestoffwechsels kann der Glucosetoleranztest<br />
eingesetzt werden. Aus der Vielfalt der früher einge<br />
setzten Verfahren hat sich die 1980 von der WHO<br />
empfohlene Gabe von 75 g Glucose beim nüchternen<br />
Patienten unter Normalbedingungen (kohlenhydrat<br />
reiche Ernährung an den vorausgehenden Tagen,<br />
keine interkurrente Erkrankung, Rauchverbot, keine<br />
interferierenden Pharmaka) als Standard etabliert.<br />
Wichtigster Parameter ist der 2 Stunden nach der<br />
Glucosebelastung gemessene Glucosespiegel:<br />
- < 7,8 mmol/1 (140 mg/dl)<br />
= normale Glucosetoleranz<br />
- 7,8-11 mol/1 (140-200 mg/dl)<br />
= verminderte Glucosetoleranz<br />
- > 11 mmol/1 (200 mg/dl)<br />
= manifester Diabetes mellitus.<br />
Der Glucosetoleranztest ist ein sensitives, aber relativ<br />
unzuverlässiges diagnostisches Verfahren (schlechte<br />
Reproduzierbarkeit). Eine nach diesem Test als<br />
erniedrigt eingestufte Glucosetoleranz bei noch nor<br />
malem Nüchternblutzuckor sollte deshalb nur als<br />
Anzeichen eines erh<strong>ö</strong>hten Risikos für eine Manifestie<br />
rung eines Diabetes mellitus gewertet werden. Die<br />
Indikation zu eingreifender, über diätetische Empfeh<br />
lungen hinausgehender Therapie sollte erst bei patho<br />
logisch erh<strong>ö</strong>htem Nüchtcrnbltitzucker gestellt werden.<br />
Das Auftreten von Glucosurie (Glucosekonzentration<br />
im Urin über 0,8 mmol/1 bzw. 15 mg/dl) ist diagno<br />
stisch nur bedingt verwertbar. Zu bedenken ist, daß<br />
eine passagere Glucosurie auch bei Gesunden vor<br />
kommt und daß eine Glucosurie bei manifestem Diabe<br />
tes trotz Hyperglykämie fehlt, wenn die Nierenschwclle<br />
für Glucose z. B. infolge verminderter Filtratrate<br />
bei Nephropathie erh<strong>ö</strong>ht ist.<br />
Zur Differentialdiagnose der Unterformen des Diabe<br />
tes mellitus kann die Bestimmung der basalen Insulin<br />
konzentration und der Insulinsekretionsfähigkeit nach<br />
Stimulation durch Glucose herangezogen werden. Als<br />
Parameter der endogenen Insulinproduktion ist das<br />
neben Insulin aus dem Proinsulin abgespaltene C-<br />
Peptid aufgrund seiner längeren Halbwertszeit im<br />
Plasma besser geeignet als Insulin selbst. Über die<br />
Messung des C-Peptids läßt sich die endogene Insulin<br />
sekretion auch bei mit Insulin behandelten Patienten<br />
abschätzen.<br />
Weil es beim beginnenden Typ-I-Diabetes theoretisch<br />
m<strong>ö</strong>glich und ansatzweise gelungen ist, die klinische<br />
Manifestation durch immunsuppressive Behandlung<br />
im Latenz- oder Anfangsstadium hinauszuschieben<br />
oder abzuschwächen, erscheint eine Frühdiagnostik<br />
dieser Diabetesform sinnvoll. Bei Risikopersonen<br />
(Familienangeh<strong>ö</strong>rige ersten Grades von Typ-I-Diabetikern,<br />
Patienten mit anderen Autoimmunendokrinopathien<br />
wie Addison- oder Basedow-Erkrankung) bietet<br />
sich die Untersuchung auf inselzellspezifische Auto<br />
antik<strong>ö</strong>rper und ggf. die IILA-Typisierung als Suchtest<br />
auf präklinischen Diabetes mellitus an. Ein Nachweis<br />
von Inselzell-Autoantik<strong>ö</strong>rpern (die auch bei Nichtdiabctikern<br />
passager auftreten k<strong>ö</strong>nnen) erlaubt jedoch<br />
keine sichere Vorhersage der Entwicklung von Typ-I-<br />
Diabotes. Angesichts des unzureichenden prädiktiven<br />
Werts der Suchtests und der noch im Experimentier<br />
stadiuni befindlichen Therapie ist ein globales Screen<br />
ing auf latenten Typ-I-Diabetes (80 bis 90% der Typ-I-<br />
Diabetiker geh<strong>ö</strong>ren nicht zu den obigen Risikogrup<br />
pen) derzeit nicht vertretbar.<br />
2 Hypoglykämie-<br />
Hyperinsulinismus<br />
Begriffsbestimmung: Ein pathologischer Abfall der<br />
Glucosekonzentration im Blut (unter 2,7 mmol/I bzw.<br />
50 mg/dl) ist Folge einer in Relation zum Bedarf zu<br />
hohen Insulinkonzentration. Unter Berücksichtigung<br />
der formalen Pathogenese unterscheidet man folgende<br />
Formen einer Hypoglykämie:<br />
2.1 Hypoglykämie bei Diabetikern<br />
Hypoglykämie tritt weit überwiegend als Komplikation<br />
der Therapie von Diabetikern auf. Zu klinisch relevan<br />
tem Blutzuckerabfall kommt es bei inadäquat hoher<br />
exogener Insulinzufuhr (falsche Dosierung, intramus<br />
kuläre statt subkutane Injektion) bzw. bei unzurei<br />
chender enteraler Glucoseaufnahme (Diätfehler,<br />
Resorptionsst<strong>ö</strong>rungen bei Magen-Darm-Erkrankungen).<br />
Zu den Hypoglykämieursachen bei Diabetikern<br />
zählen auch<br />
- schwere k<strong>ö</strong>rperliche Belastung mit gesteigerter GIucoseutilisation<br />
durch die Skelettmuskulatur<br />
- Neuropathie des vegetativen Nervensystems (unzu<br />
reichende Adrenalinausschüttung bei Blutzuckerabfall)<br />
- mit der Blutzuckergegenregulation interferierende<br />
Medikamente (z. B. ß-Rczcptoren-Blockcr) sowie<br />
- Lebererkrankungen und Alkoholabusus (ungenü<br />
gende Aktivierbarkeit der hepatischen Gluconeogenese<br />
und Glykogenolyse).<br />
Die Angaben über die jährliche Inzidenz sym<br />
ptomatisch hypoglykämischer Episoden bei insulinpllichtigen<br />
Diabetikern schwanken von unter 5% bis<br />
über 25%. Bei guter Stoffwechselkontrolle durch sorg<br />
fältige Abstimmung der Insulingaben auf den Bedarf
J. Erkrankungen des endokrinen Pankreas 115<br />
(z. B. mittels kontinuierlicher subkutaner Insulininfu<br />
sion) ist das Hypoglykämierisiko paradoxerweise gr<strong>ö</strong><br />
ßer als bei schlechter eingestellten Diabetikern,<br />
m<strong>ö</strong>glicherweise infolge unzureichend aktivierbarer<br />
Gegenregulation bei doch einmal inadäquat hoher<br />
Insulingabe. Der auf Einzelbeobachtungen gestützte<br />
Verdacht, daß eine Behandlung mit Humaninsulin mit<br />
h<strong>ö</strong>herem Hypoglykämierisiko verbunden ist als die<br />
Gabe von tierischen Insulinen, hat sich bisher nicht<br />
bestätigt. Mit Hypoglykämien ist nicht nur bei insulinpflichtigen<br />
Diabetikern (vor allem vom Typ I), sondern<br />
auch bei Typ-Il-Diabetikern, deren Insulinsekretion<br />
therapeutisch durch die Gabe von Sulfonylharnstoff<br />
gesteigert wird, zu rechnen.<br />
2.2 Hypoglykämie bei Nichtdiabetikern<br />
Eine reaktive Hypoglykämie kann auch bei stoffwechselgesunden<br />
Patienten auftreten, wenn die Regula<br />
tionsfähigkeit des Stoffwechsels durch hohe kurzzei<br />
tige Glucosezulühr mit überschießender Stimulation<br />
der Insulinausschüttung überfordert wird. Bei ra<br />
schem Versiegen des Glucosenachschubs führt die<br />
noch hohe Insulinkonzentration im Blut zum Abfall der<br />
Blutglucose.<br />
2.2.1 Dumping-Hypoglykämie<br />
Typisch ist eine reaktive Hypoglykämie im Rahmen des<br />
sog. Spätdumping bei Patienten, bei denen eine<br />
Gastrektomie, Gastrojejunostomie oder Vagotomie<br />
durchgeführt wurde. Nach Nahrungsaufnahme wird<br />
bei ihnen die Insulinsckretion durch anormal rasche<br />
Glucoseanflutung überstimuliert, und nach Resorp<br />
tionsende wird durch überdauernd hohen Insulinspie<br />
gel ein hypoglykanischer Zustand erzeugt.<br />
2.2.2 Hypoglykämien bei Inselzelltumoren<br />
oder Paraneoplasien<br />
Sie k<strong>ö</strong>nnen durch Inseltumoren (Insulinome) hervor<br />
gerufen werden oder als paraneoplastische Endokrinopalhie<br />
auftreten. Beide Formen sind selten.<br />
2.2.3 Insulinverabreichung<br />
Als weitere Ursache von Hypoglykämie muß eine<br />
exogene Insulinzufuhr in homozidaler oder suizidaler<br />
Absicht in Erwägung gezogen werden.<br />
2.2.4 Angeborene Defekte von Enzymen<br />
des Kohlenhydratstoffwechsels<br />
Eine Fructoseintoleranz kann zur Hypoglykämie füh<br />
ren. Bei der Fructoseintoleranz staut sich im Stoff<br />
wechsel infolge einer unzureichenden Aktivität von<br />
Fructose-l-phosphat-Aldolase Fructose-l-phosphat an,<br />
und ein Anstieg dieses Metaboliten hemmt sowohl den<br />
Glykogenabbau zu Glucose als auch die Gluconeogenese<br />
aus Aminosäure und Milchsäure. Typisch für die<br />
Fructoseintoleranz ist die Ausl<strong>ö</strong>sung von Hypoglyk<br />
ämie durch Nahrungsaufnahme (Fructosezufuhr).<br />
2.2.5 Idiopathische Hypoglykämie bei Kleinkindern<br />
und Kindern<br />
Unter der Bezeichnung »idiopathische neonatale<br />
Hypoglykämie« ist ein persistierender Hyperinsulinismus<br />
bei hyperplastischen und vermehrten Pankreasinseln<br />
beschrieben worden, der allerdings auch im<br />
späteren Lebensalter (bei Kindern, im Ausnahmefall<br />
auch bei Erwachsenen) auftreten kann. Diese Verän<br />
derungen der Inseln sind von bei Kindern diabetischer<br />
Mütter vorkommenden Inselhyperplasien abzugren<br />
zen. Neben einer disseminierten oder fokalen Inselhyperplasie<br />
sieht man eine inselähnliche, duktulofokale<br />
Hyperplasie, die von Zellen des exokrinen Gang<br />
systems ausgeht. Diese Veränderung wird als Nesidioblastose<br />
bezeichnet. Die Zellen sitzen der Basalmem<br />
bran der Gangepithelien (gelegentlich auch der Azinuszellen)<br />
auf.<br />
Klinik und Diagnostik: Im Vordergrund der überwie<br />
gend unspezifischen Symptomatik hypoglykämischer<br />
Episoden stehen die sympathikotonen Reaktionen,<br />
denn im Rahmen der physiologischen Gegenregulatio<br />
nen werden Nebennierenmark und peripherer Sympa<br />
thikus aktiviert. Es kommt zu Tachykardie und Herz<br />
klopfen, vermehrter Schweißproduktion, Pupillen<br />
erweiterung, Unruhe und Hyperventilation. Daneben<br />
führt die Hypoglykämie zu Heißhunger und gastrointestinalen<br />
Symptomen (Übelkeit, Erbrechen). Von beson<br />
derer Bedeutung ist die Funktionsst<strong>ö</strong>rung des Zentral<br />
nervensystems, dessen Neurone auf Glucose als meta<br />
bolisches Substrat angewiesen sind. Je nach Häufigkeit<br />
und Schweregrad der hypoglykanischen Episoden<br />
k<strong>ö</strong>nnen Kopfschmerzen, Verstimmung, Konzentra<br />
tions- und Merkst<strong>ö</strong>rungen, Krampfanfälle und schließ<br />
lich Bewußtseinstrübung und Versagen der vegetati<br />
ven Zentren (Hypothermie, Kreislauf- und Atmungsinsuffizienz)<br />
auftreten. Wiederholte schwere Hypo<br />
glykämie hat eine irreversible Schädigung des Zentral<br />
nervensystems (Defektsyndrom) zur Folge.<br />
Die akute schwere Hypoglykämie führt zum hypoglykämischen<br />
Schock, gekennzeichnet durch Bewußtlosig<br />
keit, Mydriasis, Schweißausbruch, Tachykardie und<br />
normalen bis erh<strong>ö</strong>hten Blutdruck. Differentialdiagno<br />
stisch beweisend ist die sofortige Besserung der Sym<br />
ptomatik nach parenteraler Glucosezulühr.<br />
Bei milderen, intermittierenden hypoglykämischen<br />
Episoden ist, wenn sich die Ursache der Hypoglykämie<br />
nicht bereits aus der Anamnese erschließen läßt, ein<br />
Hungerversuch mit Messung der Blutspiegel von Glu<br />
cose, Insulin und C-Peptid angezeigt. Bei organisch<br />
bedingtem Hyperinsulinismus kommt es bei drei Vier<br />
tel der Patienten innerhalb von 24 Stunden und bei<br />
praktisch allen Patienten innerhalb von 48 Stunden<br />
durch alleinige Zufuhr nährstofffreier Flüssigkeit zum<br />
Auftreten hypoglykämischer Symptome bei Abfall der
116 Endokrines System<br />
Blutglucose unter 2,5 mmol 1 (45 mg dl). Bei trotz<br />
Nahrungskarenz persistierender Sekretion von Insulin<br />
und C-Peptid ist die Diagnose eines Insulinoms gesi<br />
chert. Ein Test mit Stimulation der Insulinsekretion<br />
durch Aminosäuren (Leucin), Tolbutamid oder Kal<br />
zium bringt keine wesentlichen diagnostischen Zusatz<br />
informationen, ist aber für den Patienten mit Hyperinsulinismus<br />
wegen starken Blutzuckerabfalls gefähr<br />
lich.<br />
Wird im Hungerversuch keine überdauernde Insulin<br />
sekretion gefunden und sind Stoffwechselerkrankun<br />
gen als Hypoglykämieursache auszuschließen, liegt<br />
wahrscheinlich eine reaktive Hypoglykämie (s. o.) oder<br />
eine Hypoglykämie durch absichtliche exogene Zufuhr<br />
von Insulin oder Sulfonylharnstoffen (Hypoglycaemia<br />
factitia, insbesondere bei Angeh<strong>ö</strong>rigen medizinischer<br />
Berufe und bei Familienmitgliedern von Diabetikern)<br />
vor. Klärung bringt hier die Messung von C-Peptid<br />
(erniedrigt durch Zufuhr von Insulin mit Suppression<br />
der endogenen Produktion) und die Suche nach zirku<br />
lierenden Insulinanlik<strong>ö</strong>rpern, ggf. die Urinuntersu<br />
chung auf Sulfonylharnstoffmetaboliten.<br />
3 Endokrine Pankreastumoren<br />
Endokrine Pankreastumoren (in Anlehnung an die WHO-Systematik und ICD-0 1990)<br />
T u m o r M u t t e r z e l l e Immunhistochemie ICD-O-Kodierung'<br />
i Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems<br />
Inselzelltumoren2 Sammelbegriff (Topographische Kodierung C25.4)<br />
8150/0 oder/3<br />
l.i<br />
1.2<br />
G l u k a g o n o m A - Z e l l e<br />
I n s u l i n o m B - Z e l l e<br />
Glukagon, 50% multihormonal<br />
Insulin<br />
8152/0 oder/3<br />
8151/0 oder /3<br />
1.3 G a s t r i n o m G - Z e l l e Gastrin, 50% multihormonal 8152/0 oder/3<br />
1.4 Somatostatinom D-Zelle Somatostatin keine Kodierung<br />
1.5 V I P o m D j - Z e l l e VIP, häufig mit PP 8155/3<br />
1.6 G I P o m K - Z e l l e GIP keine Kodierung<br />
1.7 C C K o m I - Z e l l e Cholecystokinin keine Kodierung<br />
1.8 P P o m F ( P P ) - Z e l l e Pankreatisches Polypeptid keine Kodierung<br />
1.9 Karzinoid EC-Zelle 5-HT 8240/3<br />
1.10 Mischtumoren mehrere multihormonell nach vorherrschendem Typ<br />
Inselzelltumor und Adenokarzinom verschiedene Hormone 8154/3<br />
1.11 Inaktiv3 ? keine Hormone oder Somatostatin,<br />
PP, Kalzitonin, Neurotensin,<br />
GHRF, ACTH, Serotonin, PTH<br />
2 Undifferenzierte endokrine Pankreastumoren<br />
Kleinzelliges Karzinom ACTH u. a. 8043/3<br />
3 Tumorähnliche Veränderungen<br />
3.1 Hyperplasie (Nesidioblastose) 72000<br />
3.2 Ektopes endokrines Pankreasgewebe 26000<br />
'Die Kodierungen /0 und /3 stehen für die gutartigen (Inselzelladehome) bzw. b<strong>ö</strong>sartigen Tumoren (Inselzellkarzinome). Da<br />
diese Neubildungen häufig b<strong>ö</strong>sartig sind, sollten sie in der Regel zumindest als potentiell maligne (/l) angegeben werden.<br />
2 = Nesidioblastom; ^klinisch inaktiv, immunhistochemisch nur spärlicher Hormonnachweis. Kursiv = SNOMED.<br />
3.1 Tumoren des gastroentero<br />
pankreatischen Systems<br />
Pankreasneubildungen des gastroenteropankreati<br />
schen (GEP-)Systems werden unter dem Sammelbe<br />
griff Inselzelltumoren geführt, obwohl einige endo<br />
krine Geschwülste von extrainsulären Zellen (Stamm<br />
zellen im exokrinen Gangsystem) ausgehen k<strong>ö</strong>nnen.<br />
Funktionell nicht definierte Geschwülste bezeichnet<br />
man auch als Nesidioblastome. Inselzelltumoren wer<br />
den nicht selten von einer Hyperplasie endokriner<br />
Zellen (Nesidioblastose) begleitet. Dieser Befund ist<br />
klinisch relevant, wenn bei einer endokrinen Hyperfunktion<br />
bioptisch nur eine Inselhyperplasie nachge<br />
wiesen wird. In diesen Fällen muß weiter nach einem<br />
Inselzelltumor gesucht werden, bevor die Diagnose<br />
»Nesidioblastose« gestellt wird.
J. Erkrankungen des endokrinen Pankreas 117<br />
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Abb.J-5: Insulinoni. Links: Makroskopisches Bild eines malignen Insulinoms mit ausgedehnten Nekrosen und Blutungen auf<br />
der Schnittfläche. Mitte: Trabekulär angeordnete Tumorzellen. HE-Fbg. Rechts: Oben im Bild ein Chromogranin-positives<br />
Insulinoni; unten: exokrines Pankreasgewebe mit Ausführungsgang und zwei Inseln. Immunhistochemie.<br />
*.<br />
•. v-<br />
Inselzelltumoren kommen besonders in allen Pankreasregionen<br />
bei erwachsenen Patienten und nur selten<br />
bei Jugendlichen oder Kindern vor. Ihre Gr<strong>ö</strong>ße<br />
schwankt zwischen 1 mm und 2 cm. Die malignen<br />
Tumoren erreichen zum Zeitpunkt der Diagnose eine<br />
Gr<strong>ö</strong>ße von 6 cm. Die Abgrenzung von einer knotigen<br />
Hyperplasie ist schwierig. Insulinome zeigen keine<br />
Kapsel. Die gutartigen Formen weisen zunächst ein<br />
knotiges, expansives Wachstum mit Kompression des<br />
benachbarten exokrinen Parenchyms auf.<br />
Malignitätskriterien sind invasives Wachstum, Tlimorthromben<br />
in kleinen Venen und Invasion der Ner<br />
venscheiden. Letztlich wird die Dignität bzw. Malignität<br />
erst durch den Nachweis von Metastasen gesichert.<br />
Bei nicht nachgewiesener Metastasierung sollte die<br />
Inselzellneoplasie als potentiell maligne angesehen<br />
werden. Aus diesem Grund hat sich die dignitätsneutrale<br />
Bezeichnung Inselzelltumor durchgesetzt.<br />
Histologisch zeigen die Inselzelltumoren eine gyriforme<br />
(anastomosierte Trabekeln aus Ttimorzellen),<br />
solide oder pseudoazinäre Gestaltung und eine stark<br />
entwickelte Vaskularisation. Zell- und Kernbild sind<br />
regelmäßig, Mitosen kommen nur vereinzelt vor. Im<br />
Gegensatz zu anderen endokrinen Neubildungen (z. B.<br />
Phäochromozytomen) lassen sich mehrkernige Tumor<br />
zellen oder besonders große und hyperchromatische<br />
Zellkerne nur selten finden. Das Stroma ist spärlich<br />
angelegt, Amyloidablagerungen werden beobachtet.<br />
Das gyriforme Muster tritt bevorzugt bei A- und<br />
B-Inselzell-Tumoren, der pseudoglanduläre Aufbau<br />
bei G-Tumoren auf. Eine sichere histologische Diffe<br />
renzierung der verschiedenen Zelltypen ist aber nicht<br />
m<strong>ö</strong>glich. Sie wird immunhistochemisch und elektro<br />
nenmikroskopisch durchgeführt.<br />
Die Versilberung (Grimelius-Reaktion) ist nur bei eini<br />
gen Tumoren deutlich positiv. Immunhistochemisch<br />
lassen sich - charakteristisch für neuroendokrine<br />
Tumoren - y-Enolase und Chromogranin nachweisen.<br />
Die genaue Einordnung der Ttimorzellen erfolgt durch<br />
den immunhistochemischen Nachweis von endokrinen<br />
Sekretionsprodukten. Dabei ist zu beachten, daß die<br />
ser fleckf<strong>ö</strong>rmig sein kann und keine Aussage über eine<br />
klinisch erkennbare endokrine Aktivität zuläßt.<br />
Elektronenmikroskopisch lassen sich sekretorische<br />
Granula nachweisen, die für die einzelnen Zelltypen<br />
mehr oder weniger charakteristisch sind. Die Methode<br />
ist zwar sensitiver als die Immunhistochemie, aber<br />
auch aufwendiger.<br />
3.1.1 Glukagonom (A-Zellen-Tumor)<br />
Das Glukagonom als A-Zellen-Tumor stellt etwa 1%<br />
aller endokrin aktiven Tumoren des Gastrointestinaltrakts<br />
dar. Es handelt sich um ca. 2 cm große Tumoren<br />
(die aber auch wesentlich gr<strong>ö</strong>ßer werden k<strong>ö</strong>nnen).<br />
Über 60% dieser Neubildungen haben zum Zeitpunkt<br />
der Diagnose bereits Metastasen gesetzt. Die Tumor<br />
zellen sind Grimelius-positiv und schließen reichlich<br />
Glukagon ein. Häufiger lassen sich in den Tumorzellen<br />
auch noch andere hormonaktive Substanzen (Glycentin,<br />
ein Glukagonvorläufer) nachweisen.
118 Endokrines System<br />
V1<br />
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Abb. J-6: Gastrinoni. Links: Teils trabekulär, teils azinär angeordnete Tumorzellen. HE-Fbg. Mitte: Vereinzelte gastrinpositive<br />
Tumorzellen. Immunhistochemie. Rechts: Versilherhare Tumorzellen in der Grimelius-Pärbung.<br />
Klinisch manifestiert sich die Neubildung als Glukagonomsyndrom,<br />
das durch einen nur milden Diabetes,<br />
ein nekrotisierendes migralorisches Erythem (mit<br />
Übergang in Bullae), eine thrombotische Diathese und<br />
eine Anämie gekennzeichnet ist. Ferner k<strong>ö</strong>nnen wei<br />
tere Symptome auftreten: Glossitis, Cheilitis, Stomati<br />
tis, Alopezie, Gewichtsverlust u.a.<br />
3.1.2 Insulinom (B-Zellen-Tumor)<br />
Diese Neubildung stellt mit 70% die häufigste Variante<br />
eines endokrinen Tumors im Pankreas dar und kommt<br />
praktisch nur in diesem Organ vor. Insulinproduzierende<br />
Bronchuskarzinoide oder kleinzellige Bronchial<br />
karzinome sind extrem selten. In 90% der Fälle liegt<br />
nur ein B-Zellen-Tumor vor. Die Gr<strong>ö</strong>ße schwankt<br />
zwischen 1 und 2 cm. Nur weniger als 10% der<br />
Insulinome setzen Metastasen (regionale Lymphkno<br />
ten und Leber) und sind somit als eindeutig maligne<br />
einzuordnen. Histologisch handelt es sich um überwie<br />
gend solide oder trabekulär gestaltete Tumorverbände.<br />
Die Zellen sind Grimoliiis-negativ und enthalten<br />
immunhistochemisch fleckf<strong>ö</strong>rmig verteiltes Insulin<br />
(selten PP, Somatostatin, Gastrin oder Glukagon). In<br />
2% der Fälle ist das Insulinoni Teilbefund eines MEN-I-<br />
Syndroms. Da die Tumorzolle das produzierte Insulin<br />
(bzw. Proinsulin) nicht speichert, müssen die immun<br />
histochemisch positiven Tumorzellen sorgfältig<br />
gesucht werden. Andere Hormone oder hormonartige<br />
Substanzen kommen beim Insulinoni in der Regel nicht<br />
vor, oder zumindest nicht in funktionell bedeutender<br />
Menge.<br />
Klinisches Leitsymptom ist die Hypoglykämie (s.a.<br />
S. 115), die allerdings nur in 80% der Fälle klinisch<br />
manifest wird.<br />
3.1.3 Gastrinom (G-Zellen-Tumor)<br />
Gastrinproduzierende Zellen (G-Zellen) treten vorwie<br />
gend im Mageiiantriim, seltener - als IG-Zellen - in<br />
den Duodenalkrypten, in den Brunner-Drüsen sowie in<br />
den Dünndarmvilli auf. Bei Loten lassen sie sich auch<br />
im Pankreas nachweisen. Die Tumoren dieser G-Zellen<br />
(Gastrinome) sind selten: Man nimmt an, daß bei nur<br />
1% der Patienten mit einer Ulkuskrankheit ein Gastri<br />
nom die Ursache ist. Sie kommen vorwiegend im<br />
Pankreas (75% der Fälle) vor, gelegentlich im Duo<br />
denum (20%) und nur sehr selten im Magen oder<br />
extraintestinal (5%). Betroffen sind Männer (60%) im<br />
3. bis 5. Dezennium.<br />
Pathologie: Makroskopisch sind die Neubildungen in<br />
der Regel sehr klein und werden als sporadische<br />
Erkrankung (90% der Fälle) isoliert oder im Rahmen<br />
eines MEN-I-Syndroms multipel beobachtet. Histolo<br />
gisch findet man eine trabekuläre, lobuläre oder pseu<br />
doglanduläre Anordnung. Zu den seltenen morpholo<br />
gischen Bildern zählen die basaloide, die diffuse und<br />
die pleomorphe Gestaltung. Die Grimelius-Reaklion<br />
ist schwach positiv. Immunhistochemisch läßt sich<br />
Gastrin nachweisen. Die 'Tumorzellen speichern das<br />
Gastrin nicht, sondern geben es kontinuierlich und<br />
unkontrolliert ab. Aus diesem Grund ergibt die bioche<br />
mische Gastrinbestimmung Im Tumor eher niedrige
J. Erkrankungen des endokrinen Pankreas 119<br />
Abb.J-7: VIPom. a) Malignes VI Pom mit Infiltration der Milz (oben im Bild), b) Inself<strong>ö</strong>rnnge Anordnung der Tumorzellen.<br />
HE-Fbg. c) VIP-positive Tumorzellen. Immunhistochemie. d) Stark versilberbare Tumorzellen in der Grimelius-Färbung.<br />
Werte. 30% der Gastrinome zeigen immunhistoche<br />
misch noch andere Hormone: ACTH, Insulin, Gluka<br />
gon, PP, Somatostatin u. a. Die Magenschleimhaut<br />
zeigt im Korpusbereich eine verstärkte Faltenbildung<br />
mit Hyperplasie der Parietalzellen.<br />
Klinisch handelt es sich häufiger um maligne Neubil<br />
dungen, die zum lokalen Rezidiv neigen und Metasta<br />
sen setzen k<strong>ö</strong>nnen. Wenn multiple Gastrinome vorlie<br />
gen, dann ist mit einer Entartungsrate von 90% zu<br />
rechnen. Tritt die Neubildung im Rahmen eines MEN-<br />
I-Syndroms auf, dann beträgt sie 50%. Die erh<strong>ö</strong>hte<br />
endokrine Funktion (Hypergastrinämie) manifestiert<br />
sich als Zollinger-Ellison-Syndrom, das durch fol<br />
gende Befunde gekennzeichnet ist: Abdominalschmer<br />
zen, atypische peptische Ulzera und llyperchlorhydrie.<br />
Die Ulzera werden wegen ihrer Lokalisation (Kardia,<br />
distales Duodenum, proximales Ileum, Bereich einer<br />
Gastroenteroanastomose), ihrer Therapieresistenz,<br />
ihrer Multiplizität und ihrer hohen lokalen Aggressivi<br />
tät (Neigung zur Perforation in die freie Bauchh<strong>ö</strong>hle<br />
oder Penetration in benachbarte Organe) als atypisch<br />
bezeichnet. Diarrh<strong>ö</strong> und Steatorrh<strong>ö</strong>, die Folge der<br />
Hyperchlorhydrie (säurebedingte Inaktivierung der<br />
pankreatischen Enzyme), sind weitere Leitsymptome.<br />
Die Diagnosestellung wird mit der Serum-Gastrin<br />
bestimmung und der Säuresekretionsanalyse eingelei<br />
tet. Der Sekretionstest dient der Abgrenzung gegen<br />
über einer antraten G-Zellen-Überfunktion (Anstieg<br />
des Plasma-Gastrinspiegels). Die Lokalisation des<br />
Primärtumors wird mit bildgebenden Verfahren<br />
bestimmt, die allerdings nur eine 60%ige Sensitivität<br />
aufweisen. Gesichert wird die Diagnose durch die<br />
histologische und immiinhistochemische Untersu<br />
chung von bioptischen Gewebsproben.<br />
3.1.4 Somatostatinom (D-Zellen-Tumor)<br />
Es handelt sich um einen sehr seltenen Tumor, der im<br />
Pankreas lokalisiert, in den meisten Fällen als maligne<br />
einzuordnen ist und vorwiegend Somatostatin bildet.<br />
Die klinische Symptomatik läßt sich von dieser endo<br />
krinen Überfunktion ableiten: Diabetes, Cholelithiasis,<br />
Steatorrh<strong>ö</strong>, Hypochlorhydrie und Gewichtsverlust. Die<br />
Zellen sind versilberbar und zeigen immunhistoche<br />
misch Somatostatin sowie andere Sekretionsprodukte<br />
(ACTH, Kalzitonin u.a.). Somatostatinproduzierende<br />
Zellen kommen auch bei anderen Tumoren vor (z. B.<br />
bei Karzinoiden, VIPomen und Glukagonpmen).
120 Endokrines System<br />
3.1.5 VIPom (D,-Zellen-Tumor)<br />
VIPom ist die Bezeichnung des diarrh<strong>ö</strong>ogenen Tumors,<br />
der aus den D-Zellen hervorgeht und VIP (vasoactive<br />
intestinal peptide) produziert. Der Primärtumor ist in<br />
90% der Fälle intrapankreatisch lokalisiert. In der<br />
Regel handelt es sich um einen Solitärtumor. 40%<br />
dieser Neubildungen setzen Metastasen. Das klinische<br />
Bild dieser endokrinen Überfunktion wird als Verner-<br />
Morrison-Syndrom oder als Pankreatisches Cholera-<br />
Syndrom bezeichnet. Es geht mit folgenden Befunden<br />
einher: schwere wäßrige Diarrh<strong>ö</strong>en mit Hypokaliämie<br />
und Hypo- oder Achlorhydrie (daher auch die Bezeich<br />
nung WDHA-Syndrom: watery diarrhea, hypokalemia<br />
and achlorhydria). In einigen Fällen ist diese Sym<br />
ptomatik auch bei Tumoren der PP-Zellen (PPome)<br />
festgestellt worden. Außerdem kann das Syndrom<br />
vergesellschaftet mit anderen endokrinen Neoplasien<br />
(MEN-I-Syndrom, Gastrinome, Karzinoide, C-Zellen-<br />
Karzinome der Schilddrüse, Phäochromozytome, Ganglioneurome<br />
und Glukagonome) vorkommen.<br />
3.1.6 Seltene endokrine Pankreastumoren<br />
GIPom (K-Zellen-Tumor): Bei dieser Neubildung steht<br />
die Produktion von GIP (gastric inhibitory polypeptide)<br />
im Vordergrund. Dieses Gewebshormon hemmt die<br />
Magenperistaltik sowie die Produktion von Magensäu<br />
ren und von Pepsin. Außerdem verstärkt es die Insulin<br />
sekretion. CCKom (I-Zellen-Tumor): setzt Cholezystokinin<br />
(CCK) frei. Diese Verbindung kontrahiert die<br />
Gallenblasenmuskulatur und stimuliert die Pankreassaftsekretion.<br />
PPom (F- oder PP-Zellen-Tumor) ist<br />
klinisch inaktiv (s.a. Abschn. 3.1.5).<br />
3.1.7 Pankreaskarzinoid (EC-Zellen-Tumor)<br />
Im Pankreas nur selten diagnostizierte Neubildung der<br />
argyrophilen FC-Zellen, die 5-IIydroxytryptamin bil<br />
den und bei Metastasierung mit einem Karzinoidsyn<br />
drom einhergehen. Teilmanifestationen des Syndroms<br />
sowie andere endokrine Befunde (Hypoglykämie,<br />
Cushing-Syndrom) sind beschrieben worden. Pan<br />
kreaskarzinoide sind immunhistochemisch von ande<br />
ren Inselzelltumoren abzugrenzen.<br />
3.1.8 Endokrin gemischte Pankreastumoren<br />
Bei mehreren endokrinen Pankreasneubildungen las<br />
sen sich gleichzeitig in unterschiedlich hoher Konzen-<br />
tration verschiedene Hormone und hormonähnliche<br />
Verbindungen nachweisen: PP, ACTH (10% der Fälle<br />
von ektoper ACTH-Bildung sind Kortikotrophinome<br />
des Pankreas), MSH, VIP, Gastrin, Glukagon, Sekre<br />
tion, Somatostatin und andere. Die überwiegende Hormonproduktion<br />
wird als »primär« bezeichnet und gibt<br />
der Neubildung den Namen. Sehr selten ist die Kombi<br />
nation eines Inselzelltumors mit einem Adenokarzi<br />
nom des exokrinen Pankreas.<br />
3.1.9 Endokrin stumme Pankreastumoren<br />
Endokrine Pankreastumoren k<strong>ö</strong>nnen klinisch stumm<br />
sein und bleiben unerkannt oder werden zufällig- als<br />
latente Tumoren - im Rahmen einer Obduktion ent<br />
deckt. Obwohl keine klinischen Symptome vorliegen,<br />
lassen sich immunhistochemisch verschiedene Hor<br />
mone nachweisen. M<strong>ö</strong>glicherweise sind diese Hor<br />
mone nicht sezerniert worden, oder in zu kleinen<br />
Mengen, um Symptome hervorzurufen.<br />
3.2 Undifferenzierte endokrine<br />
Pankreastumoren<br />
Im Pankreas sind hochmaligne, endokrin aktive Tumo<br />
ren vom kleinzelligen Typ beschrieben worden, die in<br />
ihrem morphologischen Bild dem »oat ccll«-Karzinom<br />
der Lunge entsprechen.<br />
3.3 Tumorähnliche Veränderungen<br />
3.3.1 Hyperplasie<br />
Eine Hyperplasie des endokrinen Pankreas kann als<br />
vergr<strong>ö</strong>ßerte Insel oder als knotenf<strong>ö</strong>rmige duktuläre<br />
Wucherung im Rahmen einer Nesidioblastose vor<br />
kommen.<br />
3.3.2 Ektopie von endokrinem Pankreasgewebe<br />
Ektope Pankreasinseln kommen im Mcckel-Divertikel.<br />
in der Duodenalwand sowie in der Magenschleimhaut<br />
vor. Sie treten isoliert oder als kleine, knotenf<strong>ö</strong>rmige<br />
Ansammlungen auf.
K. Erkrankungen der Gonaden 121<br />
K. Erkrankungen der Gonaden<br />
1 Intersexualität, Hermaphroditismus und Gonadendysgenesie<br />
Intersexualität liegt vor, wenn Personen sowohl weib<br />
liche als auch männliche Geschlechtsmerkmale auf<br />
weisen. Postnatal erworbene gegengeschlechtliche<br />
Veränderungen sekundärer Geschlechtsmerkmale,<br />
wie die Gynäkomastie beim Mann oder der Hirsutismus<br />
bei der Frau, werden nicht zur Intersexualität im<br />
engeren Sinne gerechnet. Echt zweigeschlechtliche<br />
Menschen (Hermaphroditen) haben sowohl weibliches<br />
als auch männliches Gonadengewebe und Misch for<br />
men weiblicher und männlicher Genitalorgane. Echte<br />
Hermaphroditen kommen extrem selten vor. Bei<br />
unterschiedlicher Ausprägung der Gonaden und der<br />
Genitalien (z.B. Vorhandensein funktionstüchtiger<br />
Hoden bei zumindest teilweisen weiblichen Genital<br />
organen) spricht man von Pseudohermaphroditismus.<br />
Wenn in der Embryonalphase die Einwanderung der<br />
Geschlechtszellen in die Gonadenanlage ausbleibt oder<br />
sich in verkümmerten Gonaden keine sexualhormon<br />
bildenden Zellen etablieren k<strong>ö</strong>nnen, liegt Gonadendys<br />
genesie vor.<br />
Ätiologie und formale Pathogenese: Die Ausdifferen<br />
zierung des Keimgewebes in Richtung männlicher<br />
oder weiblicher Gonaden wird von einem Satz von<br />
Genen gesteuert, die vor allem auf dem Y-Chromosom,<br />
aber auch auf X-Chromosomen und Autosomen lokali<br />
siert sind. Die Sexualentwicklung des männlichen<br />
Embryos ist für St<strong>ö</strong>rungen anfälliger als die des weibli<br />
chen Embryos: Die Entwicklung des männlichen<br />
Embryos verläuft dem Einfluß der maternalen und<br />
plazentaren Hormone entgegengesetzt und muß durch<br />
die vom Fetus produzierten Androgene aktiv gesteuert<br />
werden. Unter dem Einfluß des Y-Chromosoms diffe<br />
renzieren sich die embryonalen Gonaden bereits in der<br />
6. Schwangerschaftswoche, und ab der 9. Schwanger<br />
schaftswoche beginnen die Leydig-Zwischenzellcn mit<br />
der 'Testosteronsekretion. Die Entwicklung des Ovars<br />
beim weiblichen Embryo setzt dagegen erst um die<br />
14. Schwangerschaftswoche ein.<br />
Testosteron regt die Umwandlung der Wolff-Gänge in<br />
Nebenhoden, Samenleiter und Samenblasen an, und<br />
das in den Sertoli-Zellen des embryonalen Hodens<br />
produzierte Anti-Müller-Ilormon erzwingt die Rück<br />
bildung der Müller-Gänge, aus denen beim weiblichen<br />
Feten Uterus und Tuben entstehen. Um eine Ausbil<br />
dung eines männlichen äußeren Genitale zu induzie<br />
ren, muß Testosteron in den Zielorganen in die VVirkl<strong>ö</strong>rm<br />
Dihydrotestosteron umgewandelt werden.<br />
Ursache abnormaler F.ntwicklung von Geschlechts<br />
organen ist meist eine angeborene numerische oder<br />
strukturelle Chromosomenanomalie. Bei intersexuel<br />
lem äußerem Genitale (Spannweite von nahezu rein<br />
weiblichem bis überwiegend männlichem Typ) sind<br />
häufig rudimentäre Hoden angelegt. Wie die seltene<br />
Doppelanlage mit ausdifferenziertem männlichem und<br />
weiblichem Geschlechtsdrüsengewebe bei echten<br />
Hermaphroditen induziert wird, ist noch nicht geklärt,<br />
denn normalerweise liegt bei echten Hermaphroditen<br />
als Karyotyp weibliches Geschlecht (XX). in manchen<br />
Fällen ein Mosaik (XX/XY) vor. In einem Teil der Fälle<br />
von Intersexualität finden sich ein rudimentärer<br />
Hoden und ein funktionsunfähiges Ovar (Kerngeschlecht<br />
normalerweise XO/XY, seltener XY oder XX/<br />
XY). Außerdem kann die Entwicklung von intersexuel<br />
lem Genitale bei (erblicher) Dysgenesie oder Agenesie<br />
der Gonaden (Karyotyp XY, s.u.) erfolgen.<br />
Eine teilweise oder vollständige Feminisierung von<br />
männlichen Feten kann verursacht werden durch eine<br />
genetisch bedingte St<strong>ö</strong>rung der<br />
- Entwicklung funktionsfähiger Hoden<br />
- Testosteronsynthese<br />
- Reduktion von Testosteron zu Dihydrotestosteron<br />
- Bindung von Androgenen an ihre Rezeptoren.<br />
Bei reiner Dysgenesie der Hoden (Swyer-Syndrom mit<br />
Kerngeschlecht XY) enthalten die degenerierten<br />
Hodenanlagen kein endokrin aktives Gewebe. Innere<br />
und äußere primäre Geschlechtsmerkmale sind weib<br />
lich. Neben dem Swyer-Syndrom kommen auch par<br />
tielle Dysgenesien vor, bei denen eine geringe Testosteronproduktion<br />
rudimentärer Hoden zu unvollstän<br />
diger Virilisierung führt (Mikropenis, hypoplastisches<br />
Skrotum, Kryptorchismus). Dysgenetischc Hoden nei<br />
gen zu maligner Entartung (Gonadoblastome).<br />
Bei Testosteronsynthesest<strong>ö</strong>rungen (mindestens fünf<br />
verschiedene erbliche Enzymdefekte) kann je nach<br />
androgener Wirksamkeit des sich vor dem Enzymblock<br />
anstauenden Zwischenprodukts der Phänotyp vom<br />
Mann mit geringgradigen Entwicklungsst<strong>ö</strong>rungen<br />
(Hypospadie) bis zum weiblichen Phänotyp reichen.<br />
Ein weiblicher Phänotyp (ohne Derivate der Müller-<br />
Gänge wie Uterus und ohne weibliche Brustentwick<br />
lung) findet sich bei isolierter Aplasie bzw. Hypoplasie<br />
der testosteronproduzierenden Leydig-Zellen. Bei<br />
Defekt der Testosteronreduktase wird das äußere<br />
Genitale zwittrig ausgebildet, während die Hoden und<br />
die Derivate des Wolff-Gangs (Samenleiter, Samenbla<br />
sen) sich normal entwickeln, da in diesen Geweben<br />
Testosteron direkt wirken kann. Bei St<strong>ö</strong>rung der Bin<br />
dung von Androgenen an ihre intrazellulären Rezepto<br />
ren kommt es im Extremfall trotz normaler Hoden<br />
funktion zur kompletten testikulären Feminisierung.<br />
Das äußere Genitale und die Brüste sind weiblich,<br />
Achselbehaarung und weitgehend auch die Schambe-
122 Endokrines System<br />
Abb.K-l: Intersexualität. Übergangs- und Mischformen weiblicher und männlicher Geschlechtsorgane. (Nach Prader, 1978)<br />
haarung fehlen (»hairless woman«). Da Uterus und<br />
Tuben fehlen, endet die Vagina blind. Bei inkompletten<br />
Formen k<strong>ö</strong>nnen Nebenhoden, Samenleiter und Samen<br />
blasen (mit Mündung in die Vagina) vorhanden sein.<br />
Wenn die Virilisierung des äußeren Genitale unvoll<br />
ständig ist (Hypospadie, Mikropenis) und Gynäkomastie<br />
besteht, liegt ein Reifenstein-Syndrom vor. Bei<br />
geringgradigem Androgenrezeptordefekt entwickelt<br />
sich ein normaler männlicher Phänotyp, aber die<br />
Betroffenen bleiben infolge St<strong>ö</strong>rung der Spermatoge<br />
nese infertil (Oligozoospermie bis Aspermie).<br />
Bei allen diesen Formen der Intersexualität mit<br />
männlichem Genotyp fehlen die inneren weiblichen<br />
Geschlechtsorgane, weil die Sekretion des Anti-Müller-<br />
Hormons, das die Entwicklung von Uterus und Tuben<br />
blockiert, nicht betroffen ist. Eine unzureichende Pro<br />
duktion von Anti-Müller-Hormon durch die fetalen<br />
Sertoli-Zellen des männlichen Embryos oder eine<br />
Unempfindliclikeit der Zellen der Müller-Gänge gegen<br />
dieses Peptidhormon führt zu Oviduktpersistenz.<br />
Betroffene Männer sind phänotypisch bis auf Deszensusst<strong>ö</strong>rungen<br />
der Hoden normal, besitzen aber neben<br />
dem männlichen ein (unterentwickeltes) inneres weib<br />
liches Genitale mit 'Tuben, Uterus und oberem Vagina<br />
teil.<br />
Eine Vermännlichung des äußeren Genitale weibli<br />
cher Feten kommt am häufigsten beim adrenogenita<br />
len Syndrom (AGS) infolge angeborenen Defekts von<br />
Nebcnnierenrindenenzymen (s. S. 104) vor. Intraute<br />
rine Virilisierung tritt auch als Folge der Einwirkung<br />
extrauteriner Androgene (Behandlung der Schwange<br />
ren mit Androgenen, Anabolika oder synthetischen<br />
Gestagenen, Androgenproduktion durch einen endo<br />
krin aktiven Tumor der Mutter) auf. Ursache von<br />
Gonadendysgenesie bei der brau sind vor allem Fehlen<br />
oder strukturelle Anomalien eines der beiden X-Chro<br />
mosomen (Inzidcnz ca. 1:3000). Bei dieser angebore<br />
nen Fehlentwicklung (Ullrich-'Turner-Syndrom) wan<br />
dern die weiblichen Geschlechtszellen regulär in das<br />
Grundgewebe des Ovars ein, verkümmern aber rasch<br />
(Involutionsatrophie der Gonaden).<br />
Klinik: Bei Neugeborenen mit intersexuellem Genitale<br />
muß (u.a. wegen der Namensgebung) eine rasche<br />
Zuordnung zu männlichem oder weiblichem Ge<br />
schlecht erfolgen. Dafür ist die Bestimmung des Karyo<br />
typs und die Erfassung vorhandener bzw. fehlender<br />
innerer und äußerer Geschlechtsmerkmale erforder<br />
lich. Für die formale Geschlechtszuordnung sollte<br />
die Ausprägung der äußeren Geschlechtsorgane im<br />
Interesse der psychosozialen Entwicklung Vorrang
K. Erkrankungen der Gonaden 123<br />
gegenüber dem Kerngeschlecht und den inneren<br />
Geschlechtsorganen haben. Differentialdiagnostisch<br />
ist bei Karyotyp XY in erster Linie an männlichen<br />
Pseudohermaphroditismus zu denken. Entsprechende<br />
Hinweise sind häufig durch die Familienanamnese zu<br />
erhalten. Die Messung des Testosterons und der Gona<br />
dotropine im Plasma erm<strong>ö</strong>glicht bei diesem Krank<br />
heitsbild die Differenzierung zwischen Gonadendysgenesie<br />
und Testosteronsynthesest<strong>ö</strong>rung einerseits<br />
(niedriges Plasmatestosteron, erh<strong>ö</strong>hte Gonadotropine)<br />
und peripherer (unvollständiger) Testosteronunempfindiichkeit<br />
sowie Defekt der Testosteron red uklase<br />
andererseits (hohes bis normales Plasmatestosteron).<br />
Bei Verdacht auf Androgenresistenz ist eine Bestim<br />
mung der zytoplasmatischen Androgenrezeptoren von<br />
bioptisch gewonnenen Haulfibroblasten angezeigt. Ein<br />
Nachweis von Androgenrezeptoren schließt eine<br />
Androgenresistenz jedoch nicht aus, weil bei einem<br />
Teil der Fälle eine St<strong>ö</strong>rung der nachgeschaltetcn Infor<br />
mationsverarbeitung vorliegt (Postrezeptordefekt). Die<br />
Aktivität des Enzyms Testosteronreduktase kann<br />
direkt in bioptisch gewonnenem Material gemessen<br />
oder indirekt nach dem Testosteron/Dihydrotestoste<br />
ron-Verhältnis im Plasma beurteilt werden.<br />
Bei intersexuellem Genitale und Kerngeschlecht XX<br />
muß an ein AGS und eine transplazentare Virilisierung<br />
gedacht werden. Differentialdiagnostisch sind neben<br />
eingehender Anamneseerhebung beim AGS die Mes<br />
sung der Plasmakonzentration der Metaboliten der<br />
Steroidhormonsynthese und die Erfassung des<br />
Elektrolythaushalts (Salzverlustsyndrom) wichtig.<br />
In vielen Fällen von Pseudohermaphroditismus masculinus<br />
und von Gonadendysgenesie ist das äußere<br />
Genitale des Neugeborenen so eindeutig weiblich, daß<br />
kein Verdacht auf ein intersexuelles Syndrom auf<br />
kommt. Dies ist vor allem bei schweren Testosleronsynthesest<strong>ö</strong>rungen<br />
und vollständiger peripherer<br />
Androgenresistenz (testikuläre Feminisierung) der<br />
Fall. Die Entwicklung ist bis zur Pubertät unauffällig,<br />
und häufig sind erst das Ausbleiben der Menarche<br />
(primäre Amenorrh<strong>ö</strong>) und Sterilität Anlaß für eine<br />
ärztliche Untersuchung, bei der die Diagnose anhand<br />
des Fehlens von Uterus und 'Tuben und des Nachweises<br />
von intraabdominal, im Leistenkanal oder in den<br />
Labien liegenden Hoden gestellt wird. In einem 'Teil<br />
der Fälle führen die häufig vorhandenen Leistenher<br />
nien zur Diagnose, wenn bei der Herniotomie ein<br />
Leistenhoden gefunden wird. Ähnliches gilt für Män<br />
ner mit Oviduktpersistenz, die bei normaler Virilisie<br />
rung lediglich durch häufige Deszensusst<strong>ö</strong>rungen der<br />
Hoden auffallen, so daß die Existenz interner weibli<br />
cher Geschlechtsorgane in einem Teil der Fälle nur<br />
zufällig entdeckt wird.<br />
2 Funktionsst<strong>ö</strong>rungen<br />
der Hoden*<br />
Beim Hypogonadismus des Mannes ist die Androgen<br />
produktion der Hoden insuffizient und/oder die Sper<br />
matogenese gest<strong>ö</strong>rt. Eine Unterfunktion der Testes<br />
kommt vor als<br />
- primärer Hypogonadismus: testikuläre St<strong>ö</strong>rung<br />
- sekundärer Hypogonadismus: Insuffizienz der Ade<br />
nohypophyse<br />
- tertiärer Hypogonadismus: im Hypothalamus loka<br />
lisierte St<strong>ö</strong>rung.<br />
2.1 Kongenitaler primärer<br />
Hypogonadismus<br />
Ein kongenitaler primärer Hypogonadismus besteht<br />
bei angeborener (doppelseitiger) Anordne. Das ange<br />
borene Fehlen beider Hoden bei Karyotyp XY und<br />
männlicher Geschlechtsausprägung (Vorkommen ca.<br />
1:80 000) wird auch als »Syndrom der verschwinden<br />
den Testes« bezeichnet, denn in der sexualprägenden<br />
Phase der Keimentwicklung (3. bis 5. Schwanger<br />
schaftsmonat) muß testosteronproduzicrendes Keim<br />
drüsengewebe vorhanden gewesen sein. Die (häufi<br />
gere) einseitige konnatale Anordne bleibt in der Begel<br />
asymptomatisch. Andere Formen kongenitaler primä<br />
rer Gonadeninsuffizienz, wie Leydig-Zell-Aplasie oder<br />
Testosteron-Insensitivität, führen zu Pseudoherm<br />
aphroditismus (siehe oben). Ein angeborener primärer<br />
Hypogonadismus kann auch in Form einer selektiven<br />
St<strong>ö</strong>rung der Spermatogenese als Sertoli-Zell-Aplasie<br />
oder als (ätiologisch ungeklärte, als Ausschlußdia<br />
gnose definierte) idiopathische tubuläre Insuffizienz<br />
auftreten.<br />
Die meisten angeborenen Formen primären Hypogo<br />
nadismus sind durch numerische oder strukturelle<br />
Chromosomenanomalien bedingt. Häufigste Form (ca.<br />
0,2% der männlichen Geburten) ist das klassische<br />
Klinefelter-Syndrom, bei dem infolge Non-Disjunction<br />
in der Reifeteilung (meist bei der Mutter) eine<br />
XXY-Konstellation besteht. In einigen Fällen finden<br />
sich auch andere Karyotypen (z.B. 48,XXYY oder<br />
48,XXXY). Selten (Inzidenz ca. 1:20000) liegt ein<br />
Karyotyp 46.XX mit Translokation von die Virilisierung<br />
determinierenden Genen vom Y-Chromosom zum X-<br />
Chromosom des Vaters vor.<br />
Typisch für das Klinefelter-Syndrom ist das Ausblei<br />
ben des Hodenwachstums in der Pubertät (hyaline<br />
Degeneration der Samenkanälchen mit Fibrose), so<br />
Die endokrin aktiven Hoden- und Ovarialtumoren werden<br />
in Band 6 (Ilarnapparat- Männliches Genitale) und Band 7<br />
(Weibliches Genitale) ausführlich beschrieben.
124 Endokrines System<br />
daß beim erwachsenen Klinefelter-Patienten Hoden<br />
mit kleinem Volumen (unter 5 ml) und fester Konsi<br />
stenz gefunden werden. Es bestellt Azoospermie und<br />
entsprechend Infertilität. Die Androgenproduktion der<br />
Hoden ist unterschiedlich stark vermindert, so daß die<br />
Spannweite der pubertären Virilisierung von hypoplastischem<br />
äußeren Genitale und spärlicher K<strong>ö</strong>rper<br />
behaarung bis zu normalem männlichen Phänotyp<br />
reicht. Zum typischen Erscheinungsbild des Kline<br />
felter-Syndroms geh<strong>ö</strong>ren daneben in der Pubertät<br />
sich entwickelnde Gynäkomaslic, unproportioniertes<br />
Wachstum (unverhältnismäßig lange Beine) sowie ein<br />
niedriges Intelligenzniveau. Infolge der mit zunehmen<br />
dem Alter sinkenden Testosteronproduktion der Gona<br />
den kann es zu Osteoporose kommen.<br />
Nicht zum Klinefelter-Syndrom gerechnet wird die<br />
etwa ebenso häufig vorkommende numerische Chro<br />
mosomenaberration mit einem überzähligen Y-Chro<br />
mosom (Karyotyp 47.XYY). Bei diesen Patienten liegt<br />
die Androgenproduktion der Hoden meist im Normal<br />
bereich. Die Spermatogenese dagegen ist häufig<br />
gest<strong>ö</strong>rt (Infertilität). Eine Kombination von einge<br />
schränkter Hodenfunktion (bei meist anomaler Lage<br />
des Hodens) mit anderen angeborenen St<strong>ö</strong>rungen, wie<br />
kardiovaskuläre Mißbildungen und Intelligenzdefekte,<br />
findet sich beim seltenen Noonan-Syndrom, auch als<br />
männliches 'Turner-Syndrom (siehe Punktionsst<strong>ö</strong>run<br />
gen des Ovars) bezeichnet. Dabei wird ein männlicher<br />
Karyotyp, manchmal auch ein Mosaik XY/XO ge<br />
funden.<br />
Eine angeborene St<strong>ö</strong>rung der llodenfiinktion ist<br />
Begleiterscheinung bei der Trisomie 21 (Down-Syndrom),<br />
bei der Mukoviszidose, wobei hauptsächlich<br />
die Spermatogenese betroffen ist (Infertilität), und bei<br />
der myotonischen Dystrophie.<br />
2.2 Erworbener primärer<br />
Hypogonadismus<br />
Ein erworbener primärer Hypogonadismus tritt auf,<br />
wenn beide Hoden entfernt werden, oder als Folge von<br />
Traumen, Entzündungen (Orchitis, z.B. nach Parotitis<br />
epidemica) oder Versorgungsst<strong>ö</strong>rungen (Hodentorsion,<br />
Operationsfolgen). Ein unilateraler Ausfall der<br />
Hodcnfunktion kann vom verbleibenden Hoden sowohl<br />
in bezug auf das Endokriniimi als auch auf die Fertili<br />
tät kompensiert werden. Durch Entzündungen oder<br />
exogene Noxen wird die Spermatogenese in der Begel<br />
stärker geschädigt als die Androgenproduktion. Die<br />
St<strong>ö</strong>rung der llodenfiinktion kann verursacht werden<br />
durch<br />
- Überwärmung<br />
- ionisierende Strahlung<br />
- zytostatische Medikamente<br />
- Antibiotika und Antimykotika (Ketoconazol)<br />
- zentralnerv<strong>ö</strong>s wirkende Pharmaka<br />
(Benzodiazepine)<br />
- Alkoholabusus<br />
- Urämietoxine<br />
- Umweltgiftc, wie Blei und Schwefelkohlenstoff<br />
- Druck, z.B. durch eine Hydrozele oder Varikozele<br />
- Hypoxie<br />
- Eiweißmangelernährung.<br />
Auf Überwärmung ist auch die selektive St<strong>ö</strong>rung des<br />
germinativen Epithels bei normaler Funktion der Leydig-Zellen<br />
zurückzuführen, die bei Lageanomalien der<br />
Hoden beobachtet wird (Retention des Hodens im<br />
Bauchraum oder im Leistenkanal statt Deszensus in<br />
das ca. 4° C kühlere Skrotum).<br />
2.3 Sekundärer Hypogonadismus<br />
Ein sekundärer Hypogonadismus ist das Resultat<br />
einer unzureichenden LH- und/oder FSH-Produktion<br />
durch eine St<strong>ö</strong>rung auf dem Niveau der Adenohypo<br />
physe. Die Ursachen des kompletten oder partiellen<br />
Hypopituitarismus sind auf Seite 62 beschrieben. Als<br />
sekundär kann z.T. auch der Hypogonadismus bei<br />
Hyperprolaktinämie eingestuft werden, denn die St<strong>ö</strong><br />
rung von Spermatogenese und Androgenproduktion<br />
wird teilweise über eine Suppression der Gonadotropinproduktion<br />
verursacht. Gleiches gilt für den Hypo<br />
gonadismus bei primärer Hypothyreose (Myx<strong>ö</strong>dem),<br />
bei dem die Hyperplasie der TSH-produzierenden Zel<br />
len zur Vergr<strong>ö</strong>ßerung der Hypophyse mit Druckschädi<br />
gung der gonadotropinsezernierenden Zellen führen<br />
kann. Typisch ist sekundärer Hypogonadismus bei<br />
extragenitaler Androgenüberproduktion (z.B. kon<br />
genitale Hyperplasie der Nebennierenrinde). In diesen<br />
Lallen geht eine Atrophie der Hoden (insbesondere der<br />
Leydig-Zellen) mit übermäßiger Entwicklung der<br />
äußeren Geschlechtsmerkmale (Penis) einher. Exogen<br />
wird sekundärer Hypogonadismus vor allem durch<br />
Gabe von Östrogen, z.B. als Palliativtherapie beim<br />
Prostatakarzinom, erzeugt. In pharmakologischen<br />
Dosen hemmen Östrogene sowohl die LH- als auch die<br />
FSH-Produktion. Im physiologischen Bereich ist die<br />
negative Rückkopplung von Östrogenen auf FSH domi<br />
nant, so daß ein mäßiger Anstieg des Plasma<strong>ö</strong>strogens<br />
{/.. B. als Polge einer Abbaust<strong>ö</strong>rung bei Leberzirrhose)<br />
vor allem die Spermatogenese st<strong>ö</strong>rt.<br />
2.4 Tertiärer Hypogonadismus<br />
Ein tertiärer Hypogonadismus als hypothalamisch<br />
bedingte Schädigung ist bei isolierter Insuffizienz der<br />
Gonadotropinsekretion der Hypophyse (hypogonadotroper<br />
Eunuchoidismus) anzunehmen. Wenn zusätz<br />
lich eine Hyp- bis Anosmie vorliegt, wird das Krank<br />
heitsbild als Kallmann-Syndrom bezeichnet.<br />
Klinik des Hypogonadismus: Angeborene Androgenmangelzustände<br />
führen zu intersexueller Ausprägung<br />
der Geschlechtsmerkmale (Pseudohermaphroditis<br />
mus, s.o.). Bei Neugeborenen mit normal männlichem
K. Erkrankungen der Gonaden 125<br />
Genitale besteht der Verdacht auf Hypogonadismus,<br />
wenn im Skrotum keine Hoden zu tasten sind. Zur<br />
Differenzierung zwischen angeborener Anordne und<br />
Lageanomalie der Hoden ist, wenn Hoden auch im<br />
Leistenkanal nicht zu tasten sind, eine Messung von LH<br />
und FSH im Plasma geeignet. Bei Kryptorcliismus sind<br />
die Gonadotropinspicgel durch die Androgenproduk<br />
tion der nur anomal gelegenen Hoden supprimiert, bei<br />
angeborener Anordne erh<strong>ö</strong>ht. Außerdem kann geprüft<br />
werden, ob sich durch HCG-Injektion ein Anstieg der<br />
Testosteronkonzentration im Plasma ausl<strong>ö</strong>sen läßt<br />
(positiv bei Kryptorcliismus, negativ bei Anordne).<br />
Die k<strong>ö</strong>rperliche Entwicklung weicht auch bei frühzeiti<br />
ger Entwicklung eines endokrinen Hypogonadismus<br />
erst in der Pubertät vom Normalverlauf ab. Die Virili<br />
sierung bleibt entsprechend dem Ausmaß des Androgenmangels<br />
aus. Beim Vollbild des Eunuchoidismus<br />
bleiben Penis und Skrotum infantil klein, Prostata und<br />
Samenblasen entwickeln sich nicht oder nur wenig.<br />
Achselbehaarung und Bartwuchs fehlen, die Scham<br />
behaarung bleibt spärlich und zeigt weiblichen Typ<br />
(Auswirkung der adrenalen Androgene). Es kommt<br />
nicht zum Stimmbruch. Infolge des Testosteronman<br />
gels schließen sich die Epiphysenfugen verz<strong>ö</strong>gert (Län<br />
genwachstum bis ins vierte Lebensjahrzehnt m<strong>ö</strong>glich),<br />
und die Verkalkung des Knochens bleibt unzureichend<br />
(Osteoporose). Bei im Durchschnitt gering übernorma<br />
ler K<strong>ö</strong>rpergr<strong>ö</strong>ße ist der Unterk<strong>ö</strong>rper übcrproportional<br />
lang, und die Spannweite der Arme ist anormal groß<br />
(nicht beim Klinefelter-Syndrom). Das Becken ist brei<br />
ter als beim normalen Mann, und die Schultern sind<br />
schmaler. Das Gesicht wirkt durch hervorstehende<br />
Backenknochen mongoloid, und über den Augenlidern<br />
fallen seitlich Fettpolster auf. Die Muskulatur ist unter<br />
entwickelt, die Haut dünn und wenig pigmentiert.<br />
Die psychische Entwicklung und die charakteiTiche<br />
Reifung sind retardiert. Neben Depressivität und<br />
Antriebsarmut findet sich häufig eine (meist gering<br />
gradige) Verminderung der intellektuellen Leistungs<br />
fähigkeit.<br />
Bei ausbleibender Virilisierung im Pubertätsaller stellt<br />
sich die Frage, ob Hypogonadismus oder konstitutio<br />
nelle Pubertätsverz<strong>ö</strong>gerung vorliegt. Zum Ausschluß<br />
einer primären endokrinen Hodenfunktionsst<strong>ö</strong>rung ist<br />
die Untersuchung der Stimulierbarkeit der Testosteronproduktion<br />
durch HCG geeignet. Die Funktions<br />
tüchtigkeit der Adenohypophyse kann durch Messung<br />
der LH- und FSH-Spiegel nach Gabe von Gonadotropin-Releasing-Hormon<br />
(GnRH) geprüft werden. Liegen<br />
anamnestisch oder klinisch Verdachtsmomente für ein<br />
Klinefelter-Syndrom vor (Intelligenzminderiing, kleine<br />
feste Hoden usw.). ist die Bestimmung des Karyotyps<br />
angezeigt (Nachweis von Barr-K<strong>ö</strong>rperchen).<br />
Wenn beim erwachsenen Mann z.B. wegen Infertilität<br />
und kleinen Hodenvolumens (
126 Endokrines System<br />
Die sexuelle Reifung bleibt aus (infantile äußere<br />
Geschlechtsmerkmale), und das Wachstum stoppt<br />
frühzeitig (mittlere Lindgr<strong>ö</strong>ße ca. 140 cm). Zusätzlich<br />
k<strong>ö</strong>nnen zahlreiche, verschiedenartige Mißbildungen<br />
u.a. des Herz-Kreislauf-Systems, der Nieren und des<br />
Skeletts bestehen. Infolge Östrogenmangels ist die<br />
Gonadotropinproduktion enthemmt (insbesondere<br />
hoher FSH-Spiegel), und ohne Östrogensubstitution<br />
kommt es frühzeitig zu Osteoporose. In seltenen Fällen<br />
beruht angeborener primärer Hypogonadismus auf<br />
einer Gonadotropinunempfindlichkeit der Ovarien.<br />
Erworbene primäre Ovarialinsuffizicnz ist nach opera<br />
tiver Entfernung der Ovarien oder nach Schädigung<br />
durch ionisierende Strahlung zu beobachten, kommt<br />
aber auch infolge autoimmuner Schädigung des endo<br />
krin aktiven Gewebes vor. Physiologisch kommt es mit<br />
zunehmendem Alter zu primärem Hypogonadismus,<br />
denn das Ovar stellt seine endokrinen Leistungen im<br />
Verlauf des Klimakteriums ein.<br />
3.2 Sekundärer Hypogonadismus<br />
Ein sekundärer Hypogonadismus als Folge einer<br />
Schädigung der Adenohypophyse kann Ergebnis einer<br />
Durchblutungsst<strong>ö</strong>rung (postpartal als Sheehan-Syn<br />
drom), einer traumatischen Schädigung, einer Kom<br />
pression durch einen 'Tumor (Hypophysenadenom,<br />
Kraniopharyngeom) oder einer endokrinen Hemmung<br />
der Gonadotropinsekretion (Hyperprolaktinämie,<br />
Hyperandrogenämie z.B. bei AGS) sein.<br />
3.3 Tertiärer Hypogonadismus<br />
Tertiärer Hypogonadismus tritt bei Entwicklungsst<strong>ö</strong><br />
rungen des Hypothalamus auf. Bei Kombination mit<br />
An- oder Hyposmie spricht man (wie beim tertiären<br />
Hypogonadismus des Mannes) vom Kallmann-Syn<br />
drom. Eine unzureichende Produktion von Gonadotropin-Releasing-Hormon<br />
(GnRH) wird auch als Ursache<br />
der Ovarialinsuffizienz bei Anorexia nervosa und<br />
anderen psychisch bedingten St<strong>ö</strong>rungen angesehen.<br />
Bei den St<strong>ö</strong>rungen der Ovarialfunktion als Folge<br />
schwerer k<strong>ö</strong>rperlicher Anstrengung (reaktive Ame<br />
norrh<strong>ö</strong> von Ausdauersportlerinnen) sinken sowohl<br />
GnRII-Sekretion als auch GnRH-Empfindlichkcit der<br />
Adenohypophyse ab.<br />
Klinik: Am Anfang stehen Anamnese und gründliche<br />
klinische Untersuchung, ggf. eine Bestimmung des<br />
Kerngeschlechts. Wenn bei primärer Amenorrh<strong>ö</strong> einer<br />
Patientin mit Karyotyp 46.XX die sekundären weibli<br />
chen Geschlechtsmerkmale trotz normalem innerem<br />
Genitale nicht entwickelt sind, ist die Bestimmung der<br />
Gonadotropine, ggf. mit Stimulation durch GnRH,<br />
angezeigt. Ein hoher Spiegel vor allem von FSH spricht<br />
für eine primäre Ovarialinsuffizienz. Bei erniedrigter<br />
Gonadotropinkonzentration im Plasma folgt die Mes<br />
sung des Prolaktins und die Untersuchung der Sella<br />
mit bildgebenden Verfahren, um eine Hyperprolaktin-<br />
WHO-Klassifikation der Dysfunktion<br />
des weiblichen Genitale<br />
1. Hypogonadotrope Insuffizienz bei normalem<br />
Prolaktinspiegel, keine Entzugsblutung nach<br />
Gestagengabe, Gonadotropinproduktion meist<br />
durch GnRH stimulierbar<br />
2. Insuffizienz bei normalen Gonadotropin- und<br />
Prolaktinplasmakonzentrationen<br />
2a. Gest<strong>ö</strong>rte FoIIikelreifung mit Gelbk<strong>ö</strong>rperinsuf<br />
fizienz (verkürzte hyperthermia Zyklusphase).<br />
anovulatorische Zyklen<br />
2 h. Unzureichende Östrogenproduktion mit pri<br />
märer oder sekundärer Amenorrh<strong>ö</strong>, nach Gestagenzufuhr<br />
tritt Entzugsblutung auf, Hyper<br />
androgenämie (AGS, Syndrom der polyzysti<br />
schen Ovarien)<br />
3. Hypergonadotropic, primäre Ovarialinsuffi<br />
zienz (z.B. Ullrich-Turner-Syndrom, sekundä<br />
re Insuffizienz als Folge von Bestrahlung oder<br />
Zytostatika)<br />
4. Anatomisch bedingte primäre Amenorrh<strong>ö</strong><br />
ohne Ovarialinsuffizienz (z.B. Mayer-Rokitansky-Küster-TIauser-Syndrom<br />
mit Vaginalaplasie<br />
und rudimentärem Uterus, Hymenalverschluß)<br />
5. Hyperprolaktinämischer Hypogonadismus in<br />
folge eines Prolaktinoms der Adenohypophyse<br />
6. Hyperprolaktinämischer Hypogonadismus<br />
ohne Hypophysentumor (z.B. infolge von Me<br />
dikamenten, die mit der dopaminergen Hem<br />
mung der Prolaktinsekretion interferieren)<br />
7. I Iypogonadotroper, normoprolaktinämischer<br />
Hypogonadismus durch tumorbedingte Druck<br />
schädigung der Hypophyse (z.B. bei Kranio<br />
pharyngeom)<br />
ämie und/oder einen Hypophysentumor festzustellen.<br />
Wenn diese Untersuchungen normal ausfallen und ein<br />
globaler Hypopituitarismus ausgeschlossen werden<br />
kann (normale K<strong>ö</strong>rpergr<strong>ö</strong>ße, keine Hypothyreose), ist<br />
das Vorliegen eines tertiären Hypogonadismus, im<br />
leichtesten Fall als konstitutionelle Pubertätsverz<strong>ö</strong>ge<br />
rung, anzunehmen.<br />
Liegt eine primäre Amenorrh<strong>ö</strong> bei normaler Entwick<br />
lung der inneren und äußeren weiblichen Geschlechts<br />
merkmale vor, wird diagnostisch zusätzlich die funk<br />
tionelle Kapazität der Uterusschleimhaut untersucht.<br />
Wenn im Gestagentest nach Abbruch mehrtägiger<br />
Gabe von Gestagen eine Entzugsblutung auftritt, ist<br />
der Nachweis erbracht, daß die Uterusschleimhaut<br />
<strong>ö</strong>strogenslimuliert aufgebaut wird. Bleibt sie aus, ist<br />
bei normalen Gonadotropinspiegeln eine Insuffizienz
K. Erkrankungen der Gonaden 127<br />
der Östrogensynthese oder -Wirkung anzunehmen. Zur<br />
Prüfung der Östrogensensitivität der Uterusschleim<br />
haut wird dann ein Östrogentest (Gabe von Östrogen<br />
für ca. 3 Wochen, in der letzten Woche zusätzlich<br />
Gestagen) angeschlossen. Bleibt auch dabei die Ent<br />
zugsblutung aus, ist das Endometrium hormoninsensitiv.<br />
oder es besteht ein Verschluß des Zervikalkanals.<br />
Bei erniedrigten Gonadotropinen (und normalem Pro<br />
laktin) kann mit dem Clomifen-Test (Clomifengabe<br />
über 3 Tage zur Anregung der hypotlialamisch-hypophysären<br />
Funktion) sekundärer bzw. tertiärer Hypo<br />
gonadismus nach dem Schweregrad differenziert wer<br />
den. Bei leichteren Funktionsst<strong>ö</strong>rungen läßt sich durch<br />
Clomifen eine Blutung induzieren, bei hochgradiger<br />
St<strong>ö</strong>rung nicht.<br />
Bei der nicht schwangerschaftsbedingten sekundären<br />
Amenorrh<strong>ö</strong> ist eine sorgfältige Anamneseerhebung<br />
und klinische Untersuchung besonders wichtig, denn<br />
in etwa einem Drittel der Fälle besteht eine reaktive<br />
Amenorrh<strong>ö</strong> bei k<strong>ö</strong>rperlichem oder psychischem Streß<br />
und bei Anorexia mentalis. Laborchemisch ist<br />
zunächst eine Prolaktinbestimmung indiziert. Bei<br />
Hyperprolaktinämie (etwa 20% der sekundären Ame<br />
norrhoen) sind bildgebende Verfahren zur Diagnose<br />
bzw. zum Ausschluß eines Prolaktinoms einzusetzen.<br />
Ist kein Hypophysentumor nachzuweisen, muß an eine<br />
iatrogene Verursachung (Stimulierung der Prolaktinsekretion<br />
durch zahlreiche Medikamente, insbeson<br />
dere solche mit Wirkung auf die Psyche und auf die<br />
gastrointestinale Motorik) gedacht werden. Bei Normoprolaktinämie<br />
folgt die Funktionsprüfung des Endo<br />
metriums mit dem Gestagentest, und bei Ausbleiben<br />
der Entzugsblutung mit dem Östrogentest. Erst danach<br />
sind zur Differentialdiagno.se zwischen den WHO-Klassen<br />
I, II, III und VII der Ovarialinsuffizienz Funk<br />
tionsprüflingen der Ebene Hypothalamus/Hypophyse<br />
(Gonadotropinbestinimung, ggf. nach GnRH-Stimulation)<br />
sowie eine Messung der Androgene angezeigt.
128 Endokrines System<br />
L. Erkrankungen des neuroendokrinen Systems<br />
Neuroendokrines System<br />
Neuroendokrine Organe:<br />
Hypophyse<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
Schilddrüse: C-Zellen<br />
Endokrines Pankreas (s. a. GEP-System)<br />
Nebennierenmark<br />
Sympathische und parasympathische Paraganglien<br />
Tumoren<br />
Adenome und Karzinome<br />
Adenome und Karzinome<br />
C-Zellen-Karzinome<br />
Adenome und Karzinome<br />
Phäochromozytom<br />
Sympathische und parasympathische Paraganglions<br />
Diffuses neuroendokrines System in verschiedenen Organen:<br />
Luftwege<br />
Haut: Melanozyten<br />
Haut: Merkel-Zellen<br />
Gastroenteropankreatisches System (GEP) "1<br />
Gallenwege, Leber, Thymus, Niere I<br />
Mamma, Harnblase, Ovar, Hoden f<br />
Zervix, Prostata, Nasenh<strong>ö</strong>hlen u. a. J<br />
Neuroendokrine Karzinome und Karzinoide<br />
Melanome<br />
Merkel-Zellen-Karzinom<br />
Neuroendokrine Adenome und Karzinome<br />
Mischtumoren, Karzinoide<br />
Zu den wichtigsten Erkrankungen des neuroendokri<br />
nen Systems geh<strong>ö</strong>ren die Hyperplasien und Neubil<br />
dungen. Die Tumoren neuroendokriner Organe wer<br />
den - mit Ausnahme der Paraganglien - im jeweiligen<br />
Organkapitel abgehandelt.<br />
Die Tumoren des diffusen neuroendokrinen Systems<br />
(DNS) werden allgemein als Karzinoide bezeichnet<br />
und von den FC-Zellen abgeleitet. Ausgenommen von<br />
der Sammelbezeichnung »Karzinoid« sind die neuro<br />
endokrinen Neubildungen, die aus bestimmten,<br />
immunhistochemisch identifizierbaren Zellen hervor<br />
gehen: Sie werden nach der Mutterzelle benannt (z. B.<br />
G-Zellen-Tumor, Glukagonom, Insulinoni).<br />
DNS-Tumoren kommen bevorzugt im Magen-Darm-<br />
Trakt und im Pankreas vor. Aus diesem Grund hat man<br />
beide anatomischen Regionen zu dem gastroenteropankreatischen<br />
(GEP) System zusammengefaßt.<br />
In Adenomen und Karzinomen (z. B. im Magen-Darm-<br />
Trakt) lassen sich gelegentlich neuroendokrine Zellen<br />
finden, die bis zu 10% der Geschwulstmasse (Tumoren<br />
mit neuroendokriner Komponente) ausmachen k<strong>ö</strong>n<br />
nen. Außerdem sind noch gut- und b<strong>ö</strong>sartige Organtumoren<br />
zu erwähnen, die in ihrem morphologischen<br />
Bild einem Adenom oder einem Karzinom entspre<br />
chen, immunhistochemisch und/oder elektronenmi<br />
kroskopisch aber eine neuroendokrine Geschwulst<br />
(neuroendokrine Adenome und Karzinome) darstel<br />
len. Letztlich gibt es Mischtumoren, die aus einer<br />
neuroendokrinen Geschwulst und einem Adenokarzi<br />
nom bestellen.<br />
1 Tumoren der Paraganglien<br />
1.1 Neuroendokrine Tumoren<br />
1.1.1 Gutartige Tumoren<br />
Gutartige Neubildungen kommen im Nebennieren<br />
mark (Phäochromozytome) und - wesentlich seltener -<br />
als Paragangliomc (frühere Bezeichnung »zentrale<br />
Glomustumoren«) im extraadrenalen, sympathischen<br />
und parasympathischen paraganglionären System vor.<br />
1.1.1.1 Gutartiges Phäochromozytom s. S. 101<br />
1.1.1.2 Sympathische Paragangliomc: Gutartige<br />
sympathische Paragangliomc entsprechen in ihrem<br />
feingeweblichen Bild einem Phäochromozytom. Die<br />
sympathischen Paragangliomc weisen mit 40% eine<br />
wesentlich h<strong>ö</strong>here Malignitätsrate als die Phäochro<br />
mozytome des Nebennierenmarks (10%) auf.<br />
1.1.1.3 Parasympathische Paragangliomc: Die mei<br />
sten gutartigen parasympathischen Paragangliome<br />
bilden stark vaskularisierte und von Gitterfasern<br />
umgebene Zellballen mit einem adenomat<strong>ö</strong>sen oder<br />
angiomat<strong>ö</strong>sen Muster. Seltener kommen auch solide<br />
oder spindelzellige Wachstumsformen vor. Die Zellen<br />
weisen ein dunkles oder ein helles, PAS-negatives<br />
Zytoplasma auf. Eine gewisse Kernpolymorphie und<br />
vereinzelte Zytoplasmacinstülpungen k<strong>ö</strong>nnen vorkom<br />
men und sind nicht Ausdruck einer Malignität. Mitosen<br />
und Nekrosen fehlen.
L. Erkrankungen des neuroendokrinen Systems 129<br />
WHO-Systematik und Kodierung<br />
Neuroendokrine Tumoren1<br />
i. Nebennierenmark (C74.1) und Paraganglien (C75.5)<br />
1.1. Neuroendokrine Tumoren<br />
l.i.i. Gutartige Tumoren<br />
l.i.i.i. Phäochromozytome 8700/0<br />
1.1.1.2. Sympathische Paragangliome (extraadrenale Phäochromozytome) 8681/1<br />
1.1.1.3. Parasympathische Paragangliomc (Chemodektome) 8682/1<br />
Karotis-Paragangliom 8692/1<br />
Paraganglion! des Corpus aorticum 8691/1<br />
Vagus-Paragangliom 8682/1<br />
Paraganglioma tympanico et jugulare 8690/1<br />
1.1.1.4. Nichtklassifiziertc Paragangliomc 8680/1<br />
1.1.2. B<strong>ö</strong>sartige Tumoren<br />
1.1.2.1. Malignes Phäochromozytom 8700/3<br />
1.1.2.2. Malignes sympathisches Paragangliom 8681/3<br />
1.1.2.3. Malignes parasympathisches Paragangliom<br />
8682/3<br />
(malignes Chemodektom)<br />
1.1.2.4. Nichtklassifiziertes malignes Paragangliom 8680/3<br />
1.2. Neurale Tumoren<br />
1.2.1. Gutartige Tumoren<br />
1.2.1.1. Neurofibrom 9540/0<br />
1.2.1.2. Ganglioneurom 9490/0<br />
1.2.2. B<strong>ö</strong>sartige Tumoren<br />
1.2.2.1. Ganglioneuroblastom 9490/3<br />
1.2.2.2. Neuroblastom 9500/3<br />
1.3. Gemischte neuroendokrine und neurale Tumoren<br />
1.3.1. Gutartige Tumoren jeweiligen Kode angeben<br />
1.3.2. B<strong>ö</strong>sartige Tumoren jeweiligen Kode angeben<br />
1.4. Verschiedene Tumoren<br />
1.5. Metastasen ...je<br />
1.6. Nichtklassifizierte Tumoren 8000/.<br />
1.7. Tumorähnliche Veränderungen<br />
2. Disseminiertes neuroendokrines System<br />
2.1. Karzinoid 8240/3 mit Lokalisationsangabe<br />
(Enterochromaffines Karzinoid, klassisches Karzinoid, EC-Karzinoid)<br />
2.1.1. Karzinoide des GEP-Systems2 mit Ausnahme des Appendixkarzinoids<br />
Appendixkarzinoid 8240/1<br />
2.1.2. Karzinoide der Luftwege 8241/1 und/3<br />
2.1.3. Genitalkarzinoide 8240/3<br />
Strumakarzinoid des Ovars 9091/1<br />
2.1.4. Thymuskarzinoid 8240/3<br />
2.1.5. Weitere seltene Karzinoide 8240/3<br />
2.2. Mukokarzinoid (Becherzellenkarzinoid, muzin<strong>ö</strong>ses Karzinoid) 8243/3<br />
2.3. Gemischtes Karzinoid (Karzinoid und Adenokarzinom) 8244/3<br />
2.4. Tumorähnliche Veränderungen (siehe Nebennierenmark)<br />
1 Angepaßt an ICD-0 (1990). Weitere Diagnosen, die nicht in der WHO-Systematik aufgeführt werden:<br />
Adenokarzinoid (8254/3), neuroendokrines Karzinom (8246/3), Apudom (8248/1), gangliozytisches Paragangliom<br />
des Duodenums (8680/0).<br />
- (JHP: gastroenteropankreatisches System
130 Endokrines System<br />
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Abb.L-l: Sympathisches Paragangliom. Oben: In Nestern<br />
angeordnete Tumorzellen. HE-Fbg. Mitte: Chromograninpositive<br />
Tumorzellen. Immunhistochemie. Unten: Spärliches<br />
Gitterfasernetz mit weiten Lichtungen. Gomori-Fbg.<br />
Abb.L-2: Parasympathisches Paragangliom. Oben: Un<br />
scharf begrenzte Tumorzellverbände. HE-Fbg. Mitte: y-Fnolase-positive<br />
Tumorzellen. Immunhistochemie. Unten: Dich<br />
tes Gitterfasernetz mit engen Lichtungen. Gomori-Fbg.<br />
Zu den charakteristischen färberischen Eigenschaf<br />
ten der Paraganglions zählen die Formalinfluoreszenz,<br />
die Grimelius-positive Argyrophilie und die Masson-Fontana-negative<br />
Argentaffinität. Die Katecholamingranula<br />
sind nicht zu verwechseln mit den Lipofuszingranula<br />
im Zytoplasma von Stromazellen.<br />
Immunhistochemisch sind die Paragangliome NSEund<br />
Chromogranin-positiv. Ferner lassen sich gele<br />
gentlich auch andere Hormone (Serotonin, Gastrin,<br />
Somatostatin, ACTH, Bombesin, Kalzitonin oder PP)<br />
nachweisen. Elektronenmikroskopisch sind die Tu<br />
morzellen dicht mit Dense-core-Granula beladen, die<br />
im Durchschnitt 150 nm groß sind. Der zahlenmäßige<br />
Nachweis der Granula ist lediglich Ausdruck der Spei<br />
cherung und nicht einer sekretorischen Aktivität.<br />
Sustentakularzellen kommen bei beiden Paragan-
L Erkrankungen des neuroendokrinen Systems 131<br />
gliomformen vereinzelt und nur bei den hochdifferen<br />
zierten Neubildungen vor. Sie sind spindel- oder dreiecklormig<br />
gestaltet, weisen einen Kern mit randständi<br />
gem Chromatin auf und treten im Randbereich eines<br />
Zellballens auf.<br />
Unter Berücksichtigung ihrer Lokalisation unterschei<br />
det man folgende Paragangliome:<br />
■ Paraganglioma caroticum ist in der Adventitia im<br />
Bereich der Aufteilungsstelle der A. carotis commu<br />
nis lokalisiert und macht ca. 60% aller Paragan<br />
gliome aus.<br />
■ Paraganglioma tympanico et jugulare: Klinisch<br />
handelt es sich um eine Neubildung im Mittelohr, die<br />
sich durch Vertigo, Tinnitus und Geh<strong>ö</strong>rvcrlust mani<br />
festiert. Betroffen sind vorwiegend Frauen im<br />
50. Lebensjahr. Der Tumor wächst in die hintere<br />
und mittlere Schädelgrube vor und führt durch<br />
unvollständige operative Entfernung zum Rezidiv.<br />
■ Das vagale Paragangliom tritt in der oberen Zervikalregion,<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft des<br />
N. vagus auf. Es rezidiviert und metastasiert in 15<br />
bis 20% der Fälle.<br />
■ Das Paraganglioma aorticum zeichnet sich durch<br />
ein invasives Wachstum aus, das mit einer Mortali<br />
tätsrate von 50% einhergeht. Die Neubildung tritt<br />
bevorzugt bei 40 Jahre alten Männern auf und wird<br />
in H<strong>ö</strong>he des linken Vorhofs bis zur Aorta descendens<br />
nachgewiesen.<br />
■ Weitere Lokaiisationen sind das hintere Media<br />
stinum, das Retroperitoneum sowie verschiedene<br />
Organe (Pharynx, Lunge, Orbita, Nasenh<strong>ö</strong>hle, Nie<br />
ren, Gallenblase, Harnblase u.a.).<br />
■ Familiäre Paragangliome: Besonders bei den sehr<br />
seltenen beidseitigen Karotis-Paragangliomen ist<br />
eine familiäre Belastung festgestellt worden. Sie<br />
sind auch kombiniert mit anderen Neubildungen<br />
(/.. B. mit einem epitheloiden Leiomyosarkom des<br />
Magens und mit Lungendiondromen) beschrieben<br />
worden.<br />
Klinik: Die parasympathischen Paragangliome mani<br />
festieren sich in der Begel als lokaler 'Tumor. Die<br />
sympathischen extraadrenalen Paragangliome<br />
sezernieren dagegen Noradrenalin und k<strong>ö</strong>nnen sich<br />
als Phäochromozytomsyndrom manifestieren.<br />
1.1.2 B<strong>ö</strong>sartige Tumoren<br />
Adrenale und extraadrenale Paragangliome k<strong>ö</strong>nnen<br />
rezidivieren und Metastasen setzen. Für das Phäochro-<br />
Abb.L-3: Ganglioneurom der Nebenniere. Ober- und<br />
Schnittfläche.<br />
mozytom wird eine Malignitätsrate von 10% angege<br />
ben. Bis zu 40% der extraadrenalen Paragangliome<br />
werden als »maligne« diagnostiziert. Als sicheres Malignitätskriteriuni<br />
ist häufiger nur der Nachweis von<br />
Metastasen anzusehen: Mitosen und Nekrosen sind<br />
selten, Atypien kommen auch bei gutartigen Neubil<br />
dungen vor.<br />
1.2 Neurale Tumoren<br />
1.2.1 Gutartige neurale Tumoren<br />
1.2.1.1 Neurofibrome siehe Band 4 dieser Reihe (Ner<br />
vensystem)<br />
1.2.1.2 Ganglioneurome bestehen aus gut differen<br />
zierten Ganglienzellen und aus myelinlosen Nervenfa<br />
sern, die manchmal geflechtartig nach Art eines Neuri<br />
noms vorkommen.<br />
1.2.2 Maligne neurale Tumoren<br />
1.2.2.1 Ganglioneuromas torn: Die Neubildung be<br />
steht aus Neuroblasten und Ganglienzellen.<br />
1.2.2.2 Das Neuroblastom ist die b<strong>ö</strong>sartigste Variante<br />
dieser 'Tumorgruppe mit entdifferenzierten Neurobla<br />
sten. Die Zellen sind klein, die Zellgrenzen unscharf.<br />
Elektronenmikroskopisch lassen sich vereinzelte<br />
sekretorische Granula nachweisen, die diese Neubil<br />
dung von einem Ewing-Sarkom abgrenzen.
132 Endokrines System<br />
1.3 Gemischte neuroendokrine und<br />
neurale Tumoren<br />
Besonders beim Phäochromozytom lassen sich gele<br />
gentlich reife Ganglienzellen sowie neugebildete Ner<br />
venfasern finden. Auch maligne Tumoren k<strong>ö</strong>nnen dif<br />
ferenzierte neuroendokrine und neurale Anteile auf<br />
weisen.<br />
2 Tumoren des diffusen<br />
neuroendokrinen Systems<br />
2.1 Karzinoid<br />
(Enterochromaffines oder klassisches<br />
Karzinoid, Argentaffinom)<br />
Das Karzinoid ist der niedrigmaligne Tumor des neu<br />
roendokrinen Systems. Diese Bezeichnung wurde<br />
zunächst für die enterochromaffincn Neubildungen<br />
des Magen-Darm-Trakts verwendet, heute gilt sie aber<br />
auch für zahlreiche andere serotoninproduzierende<br />
Organtumoren neuroendokrinen Ursprungs. Ausnah<br />
men sind die Tumoren der Pankreasinseln, das C-Zel<br />
len-Karzinom der Schilddrüse, Melanome und Merkel-<br />
Zellen-Tumoren der Haut sowie die Paragangliome<br />
(einschließlich Phäochromozytome), die unter ihrer<br />
eigenen Tumorbezeichnung geführt werden. Erüher<br />
sollte das »Karzinoid« eine Mittelstellung zwischen<br />
gut- und b<strong>ö</strong>sartigen Neubildungen einnehmen. Tat<br />
sächlich weisen die Karzinoide eine sehr unterschiedli<br />
che Dignität auf, die von der I.okalisation des Primärtumors<br />
abhängig ist: Sie reicht von den in den meisten<br />
Fällen sicher gutartigen Appendixkarzinoiden bis zu<br />
den malignen, metastasierenden Dünndarmkarzinoiden.<br />
In dem ICD-0 (1990) werden sie - mit wenigen<br />
Ausnahmen - den langsam wachsenden und spät<br />
metastasierenden Karzinomen (low grade carcinoma =<br />
/3) zugeordnet. Bei 70% der im Durchmesser über<br />
2 cm großen Karzinoide sind Metastasen nachzuwei<br />
sen. Die allgemeine Metastasierungsrate beträgt für<br />
die Primärtumoren in der Appendix 1%, im Bektum<br />
10%, Magen 30%, Kolon 50% und im Ileum bis zu 80%.<br />
Karzinoide des Magen-Darm-Trakts zeigen - je nach<br />
Lokalisation — unterschiedliche morphologische und<br />
klinische Eigenschaften und lassen sich als Vorder<br />
darm-, Mitteldarm- und Enddarmkarzinoide zusam<br />
menfassen.<br />
Pathologie: Unter Berücksichtigung des feingewebli<br />
chen Aufbaus unterteilt man die Karzinoide in:<br />
- Typ A (nach Soga und Tazawa) besteht aus Zellen,<br />
die in soliden Nestern angeordnet sind und ein<br />
weitgehend isomorphes Bild zeigen: regelmäßige<br />
Kerne mit zarter Chromatinzeichnung, unscharfe<br />
Zollgrenzen, keine Nekrosen oder Mitosen<br />
- Typ B: vorwiegend trabekuläre Gestaltung<br />
- Typ C: azinärer oder rosettenf<strong>ö</strong>rmiger Aufbau<br />
- Typ D: atypischer Aufbau<br />
- Typ E: gemischte Formen.<br />
In der Grimelius-Färbung zeigen die argyrophilen<br />
Karzinoide eine starke, basalbetonte Silberablage<br />
rung. Der Nachweis von Becherzellen oder von Antei<br />
len eines Adenokarzinoms ist typisch für das Mukokarzinoid<br />
(s. Abschn. 2.2) bzw. für den gemischten Tumor<br />
(s. Abschn. 2.3).<br />
Immunhistochemisch exprimieren die Karzinoide<br />
Zytokeratin, y-Enolase, Chromogranin und Synaptophysin.<br />
Ferner lassen sich in den argentaffinen Karzi<br />
noiden Serotonin, häufiger auch Substanz P, Gastrin<br />
und Somatostatin darstellen. Ihr Nachweis erlaubt<br />
folgende zytologische Unterteilung der Karzinoide:<br />
- EC-Karzinoide gehen aus den enterochromaffinen<br />
Zellen hervor und sind vorwiegend im Mitteldarm<br />
(s. u.) lokalisiert. Die Untergruppe EC2 kommt im<br />
Duodenom vor. EC-Karzinoide bilden vorwiegend<br />
Serotonin.<br />
- ECL-Karzinoide (enterochromaflin-like cells) sind<br />
in der Magenkorpusmukosa lokalisiert und spei<br />
chern Histamin. Sie werden regelmäßig bei Nagern<br />
beobachtet, wenn diesen der Magenkorpus reseziert<br />
oder langfristig eine hochdosierte Menge von HC1-<br />
Sckretionshemniern verabreicht wird. Ihre Entste<br />
hung wird auf eine verstärkte Funktion der G-Zellen<br />
zurückgeführt.<br />
- G-Zellen-Karzinoide werden als Gastrinome be<br />
zeichnet (s. Abschn. 3.1.3, S. 118).<br />
2.1.1 GEP-Karzinoide<br />
Das EC-Karzinoid kommt bevorzugt im Verdauungs<br />
trakt vor: in Appendix (30% aller Karzinoide), Ileum<br />
(20%), Dickdarm (5%), Bektum (15%), Duodenum (5%),<br />
Pankreas (3%). Außerhalb des GEP-Systems lassen<br />
sich Karzinoide in der Lunge (10%), im Thymus (3%)<br />
und in anderen Organen (9%) nachweisen. Auf der<br />
Schnittfläche weist es einen grauen bis gelben Farbton<br />
auf. Histologisch erkennt man Nester von großen<br />
Zellen mit reichlich hell eosinrotem Zytoplasma. Die<br />
Kerne sind regelmäßig. Der Tumor breitet sich infil<br />
trierend aus und reicht bis zur Serosa. Die Blutgefäße<br />
k<strong>ö</strong>nnen mit einer die Lichtung einengenden Elastose
L. Erkrankungen des neuroendokrinen Systems 133<br />
Lokalisation der EC-Karzinoide der Verdauungsorgane*<br />
Befund Vorderdarm Mitteldarm Enddarm<br />
Lokalisation<br />
Ösophagus, Magen, Duodenum<br />
Papilla Vateri, Pankreas,<br />
Gallenwege<br />
Jejunum, Ileum, Meckel-<br />
Divertikel, Appendix, rechts<br />
seitiger Dickdarm<br />
linksseitiger Dickdarm Bektum<br />
Versilberung<br />
Argentaffinität<br />
Argyropliilie +<br />
+<br />
+<br />
-<br />
Sekretion<br />
5-HT, Gastrin, Histamin,<br />
verschiedene Polypeptide**<br />
Serotonin, Bradykinin, Sub<br />
stanz P, Prostaglandine<br />
unbekannt<br />
Klinik<br />
atypisches Karzinoidsyndrom,<br />
Zollinger-Hllison-Syndrom<br />
typisches Karzinoidsyndrom<br />
* nach Bloodworth (1988); ** ACTH, Insulin, Kalzitonin, Glukagon. Somatotropin u.a.<br />
stumm<br />
und Intimahyalinisierung cinhergehen. In der Grimelius-Färbung<br />
weisen sie eine starke Argyropliilie auf.<br />
Elektronenmikroskopisch lassen sich große, osmiophile<br />
Granula nachweisen.<br />
2.1.1.1 Das Magenkarzinoid und seine Vorstufen:<br />
Die EC-Ilyperplasie kann multizentrisch auftreten und<br />
kleine Knoten bilden. Sie kommt in der Magenschleim<br />
haut bei chronischer atrophischer Gastritis 'Typ A vor.<br />
Zunächst entwickelt sich eine einfache, mikronodu<br />
läre Hyperplasie, die im weiteren Verlauf in ein<br />
Präkarzinoid (Dysplasie) übergeht: Dabei handelt es<br />
sich um ein Kn<strong>ö</strong>tchen von über 150 um Durchmesser<br />
mit einem konfluierenden und mikroinvasiven, die<br />
Basalmembran durchbrechenden Wachstum. Unter<br />
0,5 mm im Durchmesser große, auf die Mukosa<br />
begrenzte Kn<strong>ö</strong>tchen werden als Mikrokarzinoid (bzw.<br />
bei multiplem Auftreten als Mikrokarzinoidose) dia<br />
gnostiziert. Bei einem Durchbruch durch die Muscularis<br />
mucosae liegt bereits ein invasives Karzinoid vor.<br />
Sie sind deutlich Grimelius-positiv und k<strong>ö</strong>nnen 5-1 IT,<br />
Histamin oder Gastrin produzieren. In sehr seltenen<br />
Fällen k<strong>ö</strong>nnen auch entdifferenzierte, rundzellige<br />
Karzinoide vorkommen, die in ihrem histologischen<br />
Bild an ein kleinzelliges Bronchialkarzinom erinnern.<br />
Mischl<strong>ö</strong>rmen (Karzinoid und Adenokarzinom) kom<br />
men im Korpus und im Antrum vor. Klinisch entspre<br />
chen sie den gew<strong>ö</strong>hnlichen Adenokarzinomen.<br />
2.1.1.2 Darmkarzinoide: Vom Duodenum bis zum<br />
Rektum lassen sich Karzinoide nachweisen, die sich in<br />
Ihren färberischen Eigenschaften und in ihrer Dignität<br />
unterscheiden. Im Duodenum kommen bevorzugt G-<br />
Zellen-Karzinoide vor. In Jejunum, Meckel-Divertikel,<br />
Appendix und im rechtsseitigen Dickdarm werden<br />
EC-Karzinoide nachgewiesen. Die Appendixkarzinoide<br />
sind gutartig und werden zufällig im Rahmen einer<br />
Appendektomie diagnostiziert. Dünndarmkarzinoide<br />
setzen dagegen Metastasen in die regionalen Lymph-<br />
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Abb. L-4: Mikrokarzinoidose des Magens. Herdl<strong>ö</strong>rmig gewu<br />
cherte EC-Zellen in der Magenfundusschleimhaut bei schwe<br />
rer atrophischer Gastritis (Typ A). Oben: Chromogranin-<br />
Beaktion, unten Grimelius-I-'ärbung.
134 Endokrines System<br />
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Abb. I.-5: Karzinoid, a) Appendixkaiv.inoid im Ühersichtsbild. Die Appendixlichtung wird von der Neubildung ausgefüllt. Die<br />
äußeren Wandschichten der Muscularis propria sind tumorinfiltriert (-). Hli-Fbg. h) Die stärkere Vergr<strong>ö</strong>ßerung zeigt eine<br />
inself<strong>ö</strong>rmige Anordnung der Tumorzellen sowie unterschiedlich große Zellkerne. Keine Mitosen. HE-Fbg. c) In der Grimelius-<br />
Färbung weisen die Karzinoid/.ellcn eine deutliche, überwiegend basale Versilberung auf. d) Mukokar/.inoid der Appendix. In<br />
den Tumorinseln linden sich PAS-positive Einlagerungen sowie verschleimte Becherzellen. PAS-Fbg.<br />
knoten und in die Leber. Die Grimelius-Reaktion ist<br />
stark positiv. Im linksseitigen Dickdarm und im Rek<br />
tum kommen EC-Karzinoide vor, die nur schwach<br />
Grimelius-positiv sind. Im Pankreas handelt es sich<br />
überwiegend um Gastrinome.<br />
2.1.2 Karzinoide der Luftwege<br />
In den Bronchien kommen hochdifferenzierte, Grimelius-positive<br />
typische Karzinoide vor. Sie treten in<br />
Hilusnähe sowie lungenperipher auf. Das Durch<br />
schnittsalter der Patienten beträgt 50 Jahre. 50% die<br />
ser Tumoren bleiben klinisch stumm und werden<br />
zufällig im Rahmen einer r<strong>ö</strong>ntgenologischen Thorax<br />
untersuchung nachgewiesen. Im CT läßt sich häufiger<br />
eine Stromaverkalkung linden. Bei den restlichen 50%<br />
kommen Pneumonien, chronischer Husten oder<br />
Hämoptoe vor. Als Sonderform eines peripheren Kar<br />
zinoids ist der Iumorlet der Lunge zu nennen. Dabei<br />
handelt es sich um knapp einen Millimeter große,<br />
solide Zellansammlungen, die stark Grimelius-positiv<br />
sind und in der Regel einen histologischen Zufallsbe<br />
fund darstellen.<br />
Als atypische Karzinoide bezeichnet man Neubildun<br />
gen mit Mitosen, kleinen Nekrosen im Zentrum der<br />
Zellballen sowie deutlicher Zell- und Kernpolymor<br />
phie. Häufiger bilden sie Rosetten und weisen gegen<br />
über den typischen Karzinoiden eine schlechtere Pro<br />
gnose auf (lO-.Jahres-Überlebensrate 40% bzw. 95%).<br />
Typische und atypische Karzinoide k<strong>ö</strong>nnen 5-H'TP, 5-<br />
HT (—» Karzinoidsyndrom), GII-RII (growth-hormone<br />
releasing hormone) sowie ACTH sezernieren. Sie kom<br />
men auch beim MEN-Syndrom Typ I vor.<br />
Das kleinzellige Bronchialkarzinom wird als die b<strong>ö</strong>s<br />
artigste Variante des Bronchuskarzinoids diskutiert.<br />
Atypische Karzinoide mit besonders großen Zellen und<br />
zahlreichen Mitosen werden als großzellige neuroen<br />
dokrine Karzinome bezeichnet. Sie stehen bezüglich<br />
ihrer Dignität zwischen dem atypischen Karzinoid und<br />
dem kleinzelligen Bronchialkarzinom.<br />
2.1.3 Genitalkarzinoide<br />
Karzinoide sind in den Ovarien (als Teil eines reifen<br />
Teratoms) und in den Hoden (häufiger als isolierte.
L Erkrankungen des neuroendokrinen Systems 135<br />
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Abb. I.-6: Atypisches Karzinoid. Übersichtsbild<br />
eines teils exophytisch in die<br />
Lichtung, teils infiltrierend in die Bronchialwand<br />
wachsenden Karzinoids.<br />
HE-Fbg.<br />
Abb. I.-7: Tumorlel der Lunge. Die Lichtung eines peripheren Bronchus wird<br />
teilweise von versilberbaren Zellen verlegt. Links: HE-Fbg., rechts: Grimclius-Fbg.<br />
prognostisch günstige 'Tumoren) beschrieben worden.<br />
In Prostatakarzinomen kommen in wechselnder Zahl<br />
neuroendokrine Zellen vor. Beim Strumakarzinoid<br />
handelt es sich um eine Sonderform des Teratoms, die<br />
in einem Tumorknoten Anteile einer Struma ovarii<br />
sowie Karzinoidstränge zeigt. In diesen Neubildungen<br />
lassen sich immunhistochemisch ACTH, Serotonin,<br />
Synaptophysin, Chromogranin, neuronspezifische<br />
Enolase sowie Thyreoglobulin nachweisen. Im Zyto<br />
plasma findet man elektronenmikroskopisch 250 bis<br />
350 nm große Granula.<br />
2.1.4 Thymuskarzinoid<br />
Einige Thymustumoren sind als Karzinoide mit Sekret<br />
granula identifiziert worden. Sie sind - gegenüber<br />
anderen Organkarzinoiden - weniger differenziert und<br />
von h<strong>ö</strong>herer Malignität. Die Tumorzellen zeigen<br />
Sekretgranula. Bei einigen 'Thymuskarzinoiden ist eine<br />
ACTH-Produktion beobachtet worden.<br />
2.1.5 Seltene Lokalisationen<br />
In seltenen Fällen kommen Karzinoide auch in ande<br />
ren Organen vor: Haut, Gallenwege, Speicheldrüse,<br />
Ösophagus u.a. In der Mamma wurden Karzinoide in<br />
duktalen und lobulären Karzinomen beobachtet. In<br />
diesen Fällen wird eine duale Differenzierung im Sinne<br />
eines neuroendokrinen und eines epithelialen Karzi<br />
noms angenommen. Die Prognose entspricht einem<br />
Adenokarzinom.<br />
2.2 Mukokarzinoid<br />
Differenzierte Karzinoide k<strong>ö</strong>nnen reichlich schleimbil<br />
dende Becherzellen von hoher Reife einschließen. In<br />
der Appendix kommen sie vorwiegend bei Frauen mit<br />
einem Durchschnittsalter von 60 Jahren vor. Im<br />
Gegensatz zu den klassischen Karzinoiden weisen die<br />
Mukokarzinoide eine stärkere lokale Ausbreitung und<br />
eine Neigung zur Metastasierung auf.<br />
2.3 Gemischtes Karzinoid<br />
und Adenokarzinom<br />
In diesen Fällen zeigt der Tumor unterschiedliche<br />
Differenzierung: Neben Anteilen eines reifen Grimelius-positiven<br />
Karzinoids finden sich Areale mit dem<br />
Aufbau eines Adenokarzinoms. Fließende Übergänge<br />
zwischen den beiden Tumoren werden beschrieben,<br />
wobei der neuroendokrine Tumor das Adenokarzinom<br />
überwuchern kann und somit eine hohe Malignität<br />
aufweist.<br />
2.4 Tumorähnliche Veränderungen<br />
Eine Hyperplasie kann aus EC- oder aus G-Zellen<br />
hervorgehen (siehe Abschn. 2.1.1.1: Magenkarzinoid).<br />
Als primäre gastrale G-Zellen-Überlünktion bezeich<br />
net man das sehr seltene klinische Bild eines Zollinger-
136 Endokrines System<br />
Ellison-Syndroms, das auf eine funktionelle Autonomie<br />
der antralen G-Zellen zurückzuführen ist. Histologisch<br />
liegt im Magenantrum eine leichte bis deutliche G-Zellen-Hyperplasie<br />
vor, ihr Nachweis ist allerdings nicht<br />
von diagnostischer Relevanz. Das Verhältnis G-/D-Zellen<br />
entspricht der Norm. Funktionell ist das Krank<br />
heitsbild in einer St<strong>ö</strong>rung im Feedback zwischen Säu<br />
rebildung und Gastrinsekretion zu suchen. Die sekun<br />
däre G-Zellen-IIyperplasie kommt bei der chroni<br />
schen Gastritis 'Typ A mit Ilypochlorhydrie vor.<br />
Klinik: Die meisten Karzinoide sind klinisch stumm<br />
oder manifestieren sich durch eine lokale Komplika<br />
tion (tumorbedingte Darmobstruktion), durch Metasta<br />
sen oder infolge einer endokrinen Hyperfunktion als<br />
— typische und atypische Karzinoidsyndrome,<br />
— Zollinger-Ellison-Syndrom,<br />
— gemischte Endokrinopathie oder durch<br />
— ektope Hormonproduktion.<br />
Karzinoidsyndrom: Das in Relation zur Karzinoidprävalenz<br />
seltene Karzinoidsyndrom wird bevorzugt<br />
durch die endokrine Aktivität gastrointestinaler Karzi<br />
noide (Sekretion von Serotonin, Histamin, Prosta<br />
glandinen und verschiedenen anderen Peptidhormonen)<br />
hervorgerufen. In den meisten Fällen liegt eine<br />
Metastasierung in die Leber vor, wobei der Primär<br />
tumor im Ileum (70% der Fälle), seltener im Magen<br />
(6%), Kolon (5%) oder Duodenum (3%) lokalisiert sein<br />
kann. Ferner sind andere Lokalisationen des Primär<br />
tumors {'/.. B. Bronchien, 'Thymus) zu nennen, dessen<br />
Vaskularisation den Portalkreislauf umgeht, so daß<br />
das Tumorsekretionsprodukt nicht von der Leber inak<br />
tiviert wird.<br />
Das klinische Leitsymptom ist der Flush mit seinem<br />
kurz- (2 bis 4 Minuten) oder langandauernden (Stun<br />
den bis Tage) Erythem, das sich vor allem in Gesicht<br />
und Nacken manifestiert. Der Flush wird auf gefäßak<br />
tive Substanzen, die der 'Tumor freisetzt, zurückge<br />
führt. Bei 80% der Patienten kommen explosionsar<br />
tige, wäßrige Durchfälle sowie krampfartige Bauch<br />
schmerzen vor, die durch Serotonin und Prosta<br />
glandine hervorgerufen werden: Als funktionelle St<strong>ö</strong><br />
rungen liegen eine verminderte enterale Wasser- und<br />
Elektrolytabsorption, eine verstärkte intestinale Flüssig<br />
keitsabgabe sowie eine erh<strong>ö</strong>hte Kontraktionsfrequenz<br />
der Dünndarmmuskulatur vor. Der 'Tumor kann auch<br />
rein mechanisch - über eine Obstruktion - zu einem<br />
Subileus bis Ileus und so zu heftigen Schmerzen füh<br />
ren. 25% der Patienten entwickeln eine Endokardfibrose<br />
(Trikuspidalis und Pulmonalis) im rechten Her<br />
zen. Zu den weiteren Befunden zählen: Bronchospas<br />
mus, pellagraartige Ilautveränderungen (durch Ver<br />
brauch von Tryptophan und Beeinträchtigung der<br />
Nikotinsäuresynthese), Gesichts<strong>ö</strong>dcm, Arthropathien<br />
und Myopathien.<br />
Bei klinischem Verdacht wird geprüft, ob eine Über<br />
produktion von Serotonin bestellt. Dies ist der Fall,<br />
wenn die renale Ausscheidung des Metaboliten 5-<br />
Hydroxyindolessigsäure (5-HIS; Normalwerte: 2 bis<br />
8 mg/Tag) über 0,08 mmol bzw. 15 mg pro Tag (über<br />
40 mg/Tag beweisend für das Vorliegen eines Karzino<br />
ids) beträgt. Bei negativem Ausfall dieser Bestimmung<br />
trotz typischer Karzinoidsymptomatik kann die 5-HIS-<br />
Messung im Harn nach Reserpin-Verabreichung (Pro<br />
vokation zur Serotoninfreisetzung) wiederholt werden.<br />
Die Lokalisation des Primärtumors wird durch bildge<br />
bende Verfahren (Sonographie, CT, Angiographie)<br />
bestimmt und durch die sonographisch kontrollierte<br />
Punktionszytologie gesichert.<br />
Beim atypischen Karzinoidsyndrom stehen folgende<br />
Befunde im Vordergrund: Flush mit starker R<strong>ö</strong>tung<br />
der Gesichtshaut, Gesichts<strong>ö</strong>dem, Augentränen, Rhinorrh<strong>ö</strong><br />
und verstärkte Speichelbildung. Diese Befunde<br />
werden auf die Einwirkung von 5-Hydroxytryptamin<br />
und Histamin zurückgeführt, die besonders in Karzi<br />
noiden des Vorderdarms gebildet werden.<br />
3 Multiple endokrine<br />
Neoplasien<br />
Unter dem Begriff »multiple endokrine Neoplasien«<br />
(MEN) werden verschiedene seltene, autosomal domi<br />
nant erbliche Erkrankungen zusammengefaßt, bei<br />
denen gut- oder b<strong>ö</strong>sartige Wucherungen unabhängig<br />
voneinander in verschiedenen endokrinen Drüsen<br />
(Hypophyse, Bauchspeicheldrüse, Schilddrüse, Neben<br />
niere) auftreten, z.T. gekoppelt mit pathologischen<br />
Veränderungen von Muskulatur, Nervensystem und<br />
Bindegewebe. Zunächst findet sich eine Hyperplasie<br />
endokriner Drüsenzellen, die über ein Adenomstadium<br />
zu maligner Entartung führen kann. Die Ausprägung<br />
der Erkrankung ist bei relativ hoher Penetranz der<br />
genetischen St<strong>ö</strong>rung unterschiedlich, und die Verände<br />
rungen entwickeln sich in den beteiligten Drüsen<br />
zeitlich unabhängig.<br />
Ätiologie und formale Pathogenese: Das kombinierte<br />
Auftreten der pathologischen Veränderungen in ver<br />
schiedenen endokrinen Drüsen läßt vermuten, daß der<br />
genetische Defekt in gemeinsamen Vorläuferzellen<br />
lokalisiert ist. Als solche kommen neuroektodermale<br />
Zellen und enteroendokrine Zellen in Betracht. Diese<br />
Zellen werden nach ihrer Fähigkeit, aus Aminosäuren<br />
biogene Amine zu bilden, auch als APUD-Zellen (amine<br />
precursor uptake and decarboxylation) bezeichnet.<br />
Diskutiert wird auch, daß die angeborene pathologi<br />
sche Veränderung von Drüsen-Stammzellen nicht<br />
unmittelbar zur Timiorbildung führt, sondern nur zu<br />
einer das ungehemmte Wachstum ausl<strong>ö</strong>senden Muta<br />
tion prädisponiert (Zweistufen-Modell).<br />
Beim Typ I der MEN (Wermer-Syndrom) sind Epithel<br />
k<strong>ö</strong>rperchen, Pankreas und Hypophyse betroffen. Die<br />
Erkrankung beginnt in der Regel im mittleren Erwach-
L. Erkrankungen des neuroendokrinen Systems 137<br />
senenalter (30. bis 50. Lebensjahr) als primärer Hyper<br />
parathyreoidismus. Bei den meisten Patienten entwikkeln<br />
sich zusätzlich multiple, endokrin aktive Pankre<br />
astumoren (hauptsächlich Gastrinome und Insiilinome),<br />
und bei jedem zweiten entstellt ein Hypo<br />
physenadenom (überwiegend Prolaktinome, aber auch<br />
STII-produzierende Tumoren). Daneben werden häu<br />
fig (klinisch unauffällige) Adenome der Nebennieren<br />
rinde gefunden.<br />
Der MEN-Typ II (Sipple-Syndrom) umfaßt eine multi<br />
zentrische Hyperplasie mit anschließender maligner<br />
Entartung der C-Zellen der Schilddrüse (medulläres<br />
Schilddrüsenkarzinom), kombiniert mit multiplen Ade<br />
nomen der Epithelk<strong>ö</strong>rperchen und mit meist doppel<br />
seitigem Phäochromozytom. Im Vordergrund steht die<br />
C-Zellen-Wucherung, und die Tumoren der Beischilddriiscn<br />
und der Nebennieren treten bei etwa der Hälfte<br />
der Patienten auf. Vom Typ II der MEN kann ein<br />
Typ IIb, auch als Typ III der MEN bezeichnet, abge<br />
grenzt werden. Bei diesen Patienten finden sich neben<br />
der C-Zellen-Hyperplasie mit bereits in jugendlichem<br />
Alter auftretender maligner Entartung und dem Phäo<br />
chromozytom nur selten eine Epithelk<strong>ö</strong>rperchenhyperplasie,<br />
dafür aber multiple Neurome der Schleim<br />
häute (Mundbereich und Intestinaltrakt, Auge). Außer<br />
dem sind Skelett- und Muskelentwicklung generell<br />
betroffen (u. a. marfanoider Habitus).<br />
Klinik: Im Beginn der Erkrankung dominiert bei der<br />
MEN vom Typ I die Symptomatik des primären Hyper<br />
parathyreoidismus (siehe S. 93). Den wichtigsten Hin<br />
weis auf das Vorliegen einer multiplen endokrinen<br />
Neoplasie liefert die Familienanamnese. Bei Familien<br />
angeh<strong>ö</strong>rigen I. und 2. Grades von Patienten mit nach<br />
gewiesenem Typ I der MEN sind Vorsorgeuntersu<br />
chungen im Abstand von 1 bis 2 Jahren angezeigt. Bei<br />
familiär unbelasteten Patienten mit primärem Hyper<br />
parathyreoidismus ist das zusätzliche Auftreten von<br />
St<strong>ö</strong>rungen der Hypophyse (Hyperprolaktinämie, Akro<br />
megalie, Hypopituitarismus) und/oder des Pankreas<br />
(Hypergastrinämie, Hyperinsulinismus) Hinweis auf<br />
das Vorliegen einer multiplen endokrinen Neoplasie.<br />
Leitsymptom der MEN vom Typ II ist das medulläre<br />
Schilddrüsenkarzinom mit Kalzitoninämie. Bei 10 bis<br />
20% der Patienten mit C-Zellen-Karzinom besteht bzw.<br />
entwickelt sich eine multiple endokrine Neoplasie. Die<br />
klinische Auswirkung eines begleitenden Hyperpara<br />
thyreoidismus ist meist geringer als bei Typ I, und<br />
die Überproduktion von Katecholaminen durch Phäo<br />
chromozytome kann klinisch stumm bleiben. Bei man<br />
chen Mitgliedern von Familien mit MEN vom Typ II<br />
kommt es andererseits allein zur Ausbildung von<br />
Nebennierenmarktumoren mit entsprechender Sym<br />
ptomatik (arterielle Hypertonie, Tachykardie usw.).<br />
Beim Typ III der MEN steht ebenfalls das häufig früh<br />
zeitig auftretende, aggressive medulläre Schilddrüsen<br />
karzinom im Vordergrund der klinischen Sym<br />
ptomatik. Zur Diagnose führen die typischen Schleimhautneurome<br />
(knotige Auftreibung von Lippen, Zunge<br />
und Wangenschleimhaut, Neurome an der Augenbindehaut,<br />
auf den Stimmbändern und im Gastrointestinaltrakt)<br />
und die marfanoide Erscheinung der Pa<br />
tienten.
138 Endokrines System<br />
M. Paraneoplasien<br />
Der Begriff »paraneoplastisches Syndrom« wurde von<br />
Boudin (1961, 1962) eingeführt und wie folgt definiert:<br />
»Pathologische Veränderungen, die an das Vorhan<br />
densein eines Karzinoms oder eines malignen Tumors<br />
gebunden sind, die aber bei einem Parallelverlauf<br />
nicht auf das Vorliegen von Metastasen zurückzufüh<br />
ren sind.« Heute ist eine Paraneoplasie durch folgende<br />
Merkmale charakterisiert:<br />
- Es besteht ein statistisch oder klinisch gesicherter<br />
Zusammenhang zwischen Tumor und Paraneopla<br />
sie. Die Klinik spricht für eine Korrelation, wenn die<br />
paraneoplastischen Symptome mit der Neubildung<br />
manifest werden, sich nach der Entfernung des<br />
Primärtumors zurückbilden und bei einem Rezidiv<br />
bzw. einer Metastasierung wieder auftreten.<br />
- Zwischen den paraneoplastischen Befunden und<br />
dem Tumor besteht ein pathogenetisch unbekann<br />
ter Zusammenhang. Ist dieser bekannt, dann wer<br />
den die Befunde als Tumorsymptom (z.B. Fieber,<br />
Kachexie) oder als Tumorsyndrom (z.B. Cushing-<br />
Syndrom bei einem Nebennierenrindentumor)<br />
bezeichnet. Handelt es sich um zwei eigenständige<br />
Krankheitsbilder, die zusammentreffen und sich in<br />
ihrer Entstehung bzw. ihrem Verlauf gegenseitig<br />
positiv oder negativ beeinflussen, dann spricht man<br />
von einer Syntropie.<br />
- Die zeitliche Korrelation zwischen Tumor und<br />
Paraneoplasie ist unterschiedlich: Beide k<strong>ö</strong>nnen<br />
synchron (gleichzeitig) oder metachron (hinterein<br />
ander) diagnostiziert werden. Von besonderer prak<br />
tischer Bedeutung sind die Paraneoplasien, die vor<br />
dem Primärtumor nachgewiesen werden, da sie<br />
einen »Neubildungsindikator« oder »'Tumormar<br />
ker« darstellen und somit zur Tumorfrühdiagnose<br />
führen k<strong>ö</strong>nnen. Die Prognose wird in der Regel<br />
durch den Verlauf des Primärtumors bestimmt.<br />
Für die endokrinen Paraneoplasien sind noch zusätz<br />
liche diagnostische Kriterien aufgestellt worden:<br />
- Zwischen dem Tumor und dem physiologischen<br />
Bildungsort des Hormons bestehen keine strukturel<br />
len, <strong>ö</strong>rtlichen oder ontogenetischen Beziehungen<br />
- Nachweis eines hohen, nicht zu beeinflussenden<br />
Hormonspiegels im Blut<br />
- hohe, biochemisch und/oder immunhistochemisch<br />
nachweisbare Hormonkonzentration im Tumor<br />
- Nachweis einer arterioven<strong>ö</strong>sen Differenz des Hor<br />
monspiegels in den Blutgefäßen, die den Tumor<br />
versorgen.<br />
Klinische Manifestationsformen einer Paraneopla<br />
sie. Zu den wichtigsten Varianten zählen:<br />
- hämatologische Paraneoplasien (hämolytische<br />
Anämien bei malignen Lymphomen, atypische Koagulopathien<br />
bei Magen- und Prostatakarzinomen,<br />
Polyglobulie beim Nierenkarzinom)<br />
- endokrine Paraneoplasien (ACTII-Paraneoplasie<br />
beim kleinzelligen Bronchialkarzinom)<br />
- neurologische und muskuläre Paraneoplasien<br />
(paraneoplastische Muskelatrophie oder myotrophe<br />
Lateralsklerose beim Lungenkarzinom)<br />
- paraneoplastische Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
(nephrotisches Syndrom bei M. Hodgkin).<br />
1 Endokrine Paraneoplasien<br />
Begriffsbestimmung - Häufigkeitsangaben: Es han<br />
delt sich um Krankheitsbilder, die einem Übcrfunktionssyndrom<br />
einer bestimmten endokrinen, morpho<br />
logisch aber unveränderten Drüse entsprechen. Die<br />
Symptomatik ist Folge einer Produktion von Hormonen<br />
oder hormonähnlichen Substanzen durch den Tumor<br />
(Primärtumor, Rezidivtumor oder seine Metastasen),<br />
der nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer<br />
endokrinen Drüse steht. Somit erscheint es - zumin<br />
dest für die meisten endokrinen Paraneoplasien —<br />
nicht mehr gerechtfertigt, sie als solche zu bezeichnen.<br />
Der Tumor (am häufigsten ein kleinzelliges Lungen<br />
karzinom) kann die verschiedenen Substanzen der<br />
Peptidkaskade produzieren: Prähormone, Prohor<br />
mone, Hormone und die Spaltprodukte Karboxyl- und<br />
Aminofragmente.<br />
Die allgemeine Häufigkeit eines endokrinen para<br />
neoplastischen Syndroms hängt vom Primärtumor ab.<br />
Genaue Werte sind allerdings nicht bekannt. Man<br />
nimmt an, daß etwa 10% aller kleinzelligen Bronchial<br />
karzinome mit einem Hyperkalzämiesyndrom, 5% mit<br />
einem ektopen ACTH-Syndrom und 2% mit einem<br />
ektopen ADH-Syndrom einhergehen.<br />
Die Alters- und Geschlechtsverteilung hängt vom<br />
Primärtumor ab. Besonders betroffen sind die Alters<br />
klassen um 40 bis 70 Jahre, dabei ist der männliche<br />
Teil etwas häufiger vertreten. Bei Patienten mit einer<br />
endokrinen Paraneoplasie wird der Tumor früher dia<br />
gnostiziert (evtl. wegen der richtig interpretierten,<br />
häufig dramatischen Symptomatik).<br />
Relative Häufigkeit der endokrinen Paraneoplasien:<br />
In seltenen Fällen treten multiple endokrine Para<br />
neoplasien gleichzeitig oder hintereinander bei einem<br />
Tumor-Patienten auf. Unter 1000 publizierten isolier<br />
ten Paraneoplasien handelte es sich<br />
- in 34% der Fälle um ein ektopes ACTH-Syndrom,<br />
- in 26% der Fälle um eine extrapankreatische Hypo<br />
glykämie,<br />
- in 16% der Fälle um eine paraneoplastische Hyper<br />
kalzämie,<br />
- in 14% der Fälle um ein ektopes ADH-Syndrom und<br />
- in 10% der Fälle um andere Paraneoplasien.
M. Paraneoplasien 139<br />
Primärtumoren mit endokriner Paraneoplasie. Die<br />
relative Häufigkeit geht aus der folgenden Zusam<br />
menstellung hervor:<br />
- 42% Bronchialkarzinome<br />
- 11% Weichteilgewebstumoren<br />
- 8% Leberkarzinome<br />
- 7% Pankreastumoren<br />
- je 4% Thymus- und Nierenkarzinome<br />
- 3% Nebennierentumoren<br />
- 21% andere Lokalisationen.<br />
Zeitliche Korrelation zwischen der Diagnose des<br />
Primärtumors und dem Auftreten der endokrinen<br />
Befunde: Bei 80% der endokrinen Paraneoplasien<br />
werden diese gleichzeitig oder vor dem Tumor<br />
erkannt. Die Korrelation hängt an erster Stelle von der<br />
Lokalisation des Primärtumors ab: So werden Pan<br />
kreas- und Nierenkarzinome in der Regel erst spät<br />
diagnostiziert.<br />
1.1 Ektopes ACTH-Syndrom<br />
(Paraneoplastischer Hyperkortizismus,<br />
paraneoplastisches Cushing-Syndrom,<br />
Kortikotropinom)<br />
Das klinische Bild wird durch eine ektope (nicht hypo<br />
physäre) Produktion von ACTH, seltener des Corticotropin-Releasing-Hormons<br />
(CRH) in einem Tumor her<br />
vorgerufen. Zu den häufigsten Legalisationen dieser<br />
Neubildungen zählen: Lungen (40%: kleinzelliges Kar<br />
zinom), Thymus (10%: kleinzelliges Karzinom), Pan<br />
kreas (10%: Inselzellkarzinom), Schilddrüse (5%: C-<br />
Zellen-Karzinom), Ovar (2%: Teratom), Prostata (2%:<br />
Adenokarzinom) und andere. Das Durchschnittsalter<br />
der Patienten mit ektopem ACTH-Syndrom beträgt<br />
50 Jahre, die Geschlechtsverteilung 1 m: 2 w. Die Para<br />
neoplasie kann metachron oder synchron mit dem<br />
Primärtumor auftreten. Die klinische Symptomatik<br />
entspricht - mit einigen Abweichungen - einem Cush<br />
ing-Syndrom. Charakteristisch sind die deutlich erh<strong>ö</strong>h<br />
ten Werte von freiem Cortisol und ad renalen Androge<br />
nen. Häufig wird das ektope ACTH-Syndrom von einer<br />
vermehrten MSH-Bildung (Hyperpigmentierung der<br />
Haut) begleitet.<br />
Bei einem ektopen ACTH-Syndrom zeigen die Neben<br />
nieren eine beidseitige Rindenhyperplasie. In der<br />
Hypophyse finden sich inhibierte ACTII-Zellen<br />
(Crooke-Zellen). Bei den seltenen Fällen von CRF-<br />
Paraneoplasien sind auch die Hypophysenzellen akti<br />
viert.<br />
1.2 Extrapankreatische Hypoglykämie<br />
Die paraneoplastische Hypoglykämie entspricht kli<br />
nisch der Hypoglykämie bei einem Inselzelltumor und<br />
wird unter Berücksichtigung des Primärtumors unter<br />
teilt in:<br />
Befunde<br />
Cushing-<br />
Syndrom<br />
Hktopes<br />
ACTH-<br />
Syndrom<br />
Alter 30 Jahre 50 Jahre<br />
Geschlecht (m:w) 1:4 3:1<br />
»Vollmondgesicht« +++ +<br />
Stammfettsucht +++ +<br />
Muskelschwund + +++<br />
Hypertonie +++ +<br />
Diabetes ++ +++<br />
hypokaliämische<br />
Alkalose + +++<br />
Ödeme + +++<br />
Hautpigmentierung + ++<br />
Polydipsie + ++<br />
Verlauf langsam fulminant<br />
Dexamethason-Test<br />
(8 mg)<br />
positiv negativ<br />
1.2.1 Doege-Potter-Syndrom<br />
Die Erkrankung kommt, bevorzugt im 5. bis 7. Dezen<br />
nium, bei Mann und Frau gleich häufig vor. Der<br />
Primärlumor ist in der Regel eine mesenchymale<br />
Neubildung, die intrathorakal (27%), intraabdominal<br />
(44%), retroperitoneal (28%) oder im Kopf-Hals-<br />
Bereich (1%) lokalisiert sein kann. In über 70% der<br />
Fälle liegt ein Fibrosarkom vor, seltener werden ein<br />
Leiomyosarkom oder ein malignes Lymphom diagno<br />
stiziert. Die Neubildungen weisen eine <strong>ö</strong>rtliche Mali<br />
gnität auf und sind fast immer sehr groß (bis zu 20 kg).<br />
Metastasen oder Rezidive sind selten. Als pathogeneti<br />
scher Mechanismus wird ein hoher Glucoseverbrauch<br />
durch den 'Tumor diskutiert.<br />
1.2.2 Nadler-Wblfer-Elliot-Syndrom<br />
Der Primärtumor ist ein hochdifferenziertes, glykogenreiches<br />
hepatozelluläres Karzinom (Typ B nach<br />
McFadzean und Yeung, 1969), das sehr groß werden<br />
kann (3 bis 7 kg). Die Altersverteilung umfaßt das 2.<br />
bis 7. Dezennium, dabei handelt es sich in 80% der<br />
Fälle um Männer. Als Ursache wird die verstärkte<br />
Bildung von Somatomedin in der Leber angenommen.<br />
Diese Verbindung weist eine insulinähnliche Wirkung<br />
auf (vgl. S.40). Das klinische Bild wird durch eine<br />
Neuroglykopenie (Verwirrtheit bis Koma bei normalem<br />
Insulinspiegel) beherrscht. Die Prognose ist schlecht,<br />
da die Überlebensdauer nach dem Auftreten der Hypo<br />
glykämie nur wenige Monate beträgt.
140 Endokrines System<br />
1.2.3 Anderson-Syndrom<br />
Bei diesem Syndrom handelt es sich um eine extrapankreatische<br />
Hypoglykämie bei einem im Durchschnitt<br />
2 kg schweren Nebennierenrindenkarzinom. Als Ursa<br />
che wird ein erh<strong>ö</strong>hter Glucoseverbrauch angenom<br />
men. Klinisch steht ein Cushing-Syndrom im Vorder<br />
grund. Diese seltene Erkrankung ist bei 10 bis<br />
50 Jahre alten Patienten beschrieben worden.<br />
1.2.4 Hypoglykämie bei epithelialen,<br />
nichtpankreatischen Tumoren<br />
Eine verminderte Glucosekonzentration im Blut ist bei<br />
verschiedenen Karzinomen (Magen-Darm, Lunge,<br />
Harnblase, Ovar) beschrieben worden. Die Hypoglyk<br />
ämien bei Pseudomyxomen des Ovars werden als<br />
Rosenfeld-Syndrom zusammengefaßt. Die meisten<br />
Primärtumoren werden sehr groß (9 kg), so daß ein<br />
Glucoseverbrauch durch die Neubildung als m<strong>ö</strong>glicher<br />
pathogenetischer Mechanismus der Hypoglykämie dis<br />
kutiert wird.<br />
1.3 Paraneoplastisches<br />
Hyperkalzämiesyndrom<br />
Verschiedene Karzinome werden von einer Hyperkalz<br />
ämie begleitet, die als »paraneoplastisch« bezeichnet<br />
wird, wenn der Primärtumor nicht von den Epithelk<strong>ö</strong>r<br />
perchen ausgeht, eine Knochenmelastasierung ausge<br />
schlossen werden kann und sich die Hyperkalzämie<br />
nach operativer Entfernung des Karzinoms zurückbil<br />
det. Der Sitz des Primärtumors ist in der Lunge (38%),<br />
in Niere (25%), Ovar und Pankreas (je 9%) sowie in<br />
anderen Organen zu suchen. Histologisch handelt<br />
es sich bevorzugt um Plattenepithelkarzinome und<br />
Adenokarzinome. Als Ursache kommen verschiedene<br />
Substanzen, die durch den Tumor produziert werden,<br />
in Frage: ein parathormonähnliches Peptid, osteoklastenaktivierende<br />
Faktoren, osteolytische Steroide und<br />
Prostaglandine. Die Alters- und Geschlechtsverteilung<br />
mit einem Häufigkeitsgipfel im 6. Dezennium wird<br />
durch den Primärtumor bestimmt. Zu den wichtigsten<br />
klinischen Befunden zählen Hyperkalzämie, Hyperphosphatämie,<br />
Hyperkalziurie, Hyperphosphaturie<br />
und eine normal alkalische Serumphosphatase. Eine<br />
Abgrenzung gegenüber einem Hyperparathyreoidis<br />
mus geht aus folgender Gegenüberstellung hervor:<br />
Befund Primärer Paraneoplastische<br />
HPT Hyperkalzämie<br />
Verlauf langsam rapide<br />
Iipithelk<strong>ö</strong>rperchen Adenom normal/atrophisch<br />
Gewichtsabnahme - +++<br />
Hypophosphatämie +++ -<br />
Nephrokalzinose ++ +<br />
Nephrolithiasis ++ +<br />
Osteodystrophie +++ -<br />
hypokaliämische<br />
Alkalose - ++<br />
1.4 Ektopes ADH-Syndrom<br />
(Schwartz-Bartter-Syndrom,<br />
Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion,<br />
paraneoplastische Hyponatriämie)<br />
Das Schwartz-Bartter-Syndrom wurde bei verschiede<br />
nen Erkrankungen des Zentralnervensystems (pri<br />
märe und metastatische Hirntumoren, vaskuläre Hirnerkrankungen,<br />
Schädeltraumen und Mißbildungen)<br />
beobachtet. Als paraneoplastisches Syndrom ist es in<br />
87 von 92 Fällen in Zusammenhang mit Lungentumo<br />
ren (kleinzelliges Bronchialkarzinom) beobachtet<br />
worden.<br />
Klinik: Das klinische Bild ist durch Befunde, die auf<br />
eine Wasserintoxikation deuten, gekennzeichnet:<br />
Anorexie, Nausea, Erbrechen, Ermüdung, zeitliche<br />
und räumliche Desorientierung. Die Zeichen einer<br />
Dehydratation fehlen. Von diagnostischer Bedeutung<br />
sind die biochemischen Befunde: niedriger Serum-<br />
Natriumspiegel, Hypochloräniie, gesteigerte Ausschei<br />
dung von Natrium im Urin, vermehrt ADH in Plasma,<br />
Urin und Tumor.<br />
Diflerentialdiagnostisch ist das ektope ADH-Syndrom<br />
von folgenden Erkrankungen abzugrenzen:<br />
- Morbus Addison (Hypervolämie, hypotone Dehydra<br />
tation, Azotämie)<br />
- Tubuläre Nephropathie (Hyponatriämie, Hyperosmolarität)<br />
- Terminale Herzinsuffizienz (schwere Ödeme, ver<br />
minderte Natriumausscheidung)<br />
- Hypophysenhinterlappeninsuffizienz (keine Hypernatriurie,<br />
keine Besserung durch Wasserkarenz)<br />
- Psychogene Polydipsie (stark verdünnter Harn).<br />
Die zeitliche Korrelation zwischen Tumor und Para<br />
neoplasie umfaßt alle Varianten. In den meisten Fällen<br />
werden beide gleichzeitig diagnostiziert.<br />
1.5 Paraneoplastisches<br />
Karzinoidsyndrom<br />
Symptome der paraneoplastischen Karzinoidsyndrome<br />
werden von Tumoren hervorgerufen, die keine mor<br />
phologischen Karzinoideigenschaften aufweisen, aber<br />
in den meisten Fällen den neuroendokrinen Geschwül<br />
sten zuzuordnen sind. Zu diesen Primärtumoren geh<strong>ö</strong><br />
ren das Lungenkarzinom (45% aller Fälle, vorwiegend<br />
kleinzelliger Typ), Pankreaskarziom (35%, Inselzell<br />
karzinom, Adenokarzinom) sowie Schilddrüsentumo<br />
ren (C-Zellen-Karzinom) und andere. An dieser Stelle<br />
sei darauf hingewiesen, daß das kleinzellige Bronchial<br />
karzinom als die maligne Variante des Lungenkarzinoids<br />
angesehen wird. Zu den häufigsten klinischen<br />
Befunden zählen:<br />
- Hautsymptome: Flush, Teleangiektasien, Ödeme<br />
- Gastrointestinale Symptome: Diarrh<strong>ö</strong>en, Abdominalschmerz,<br />
Diabetes
M. Paraneoplasien 141<br />
Respiratorische Symptome: Asthma bronchiale<br />
Tumorsymptome: Gewichtsverlust, Organkompres<br />
sion.<br />
Die beim typischen Karzinoidsyndrom auftretenden<br />
Endokardverdickungen werden beim paraneoplasti<br />
schen Karzinoidsyndrom nicht beobachtet.<br />
1.6 Gonadotropinproduzierende<br />
Lungen- und Lebertumoren<br />
Gonadotrope Hormone werden in der Hypophyse, in<br />
der Plazenta und unter pathologischen Bedingungen<br />
auch im Hoden (Chorionkarzinom) produziert. Als<br />
ektope gonadotropinproduzierende Tumoren sind<br />
anaplastische Lungenkarzinome (seltener Tumoren<br />
der Nieren, Nebennieren, des Gastrointestinaltrakts,<br />
der Pankreasinseln oder des Ovars) und Hepatoblastome<br />
beschrieben worden. Die klinische Manifesta<br />
tion ist auf die Produktion von ß-HCG zurückzuführen,<br />
während das häufiger vorkommende u-IICG stumm<br />
bleibt.<br />
1.6.1 Gonadotropinproduzierende Lungenkarzinome<br />
Bei einigen Lungentumoren (anaplastische Karzinome,<br />
Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome) wur<br />
den gonadotrope Substanzen mit luteotropen Eigen<br />
schaften nachgewiesen. Besonders betroffen ist das<br />
männliche Geschlecht (im Verhältnis 9:1) mit einem<br />
Altersgipfel im 5. Lebensjahrzehnt. Zu den klinischen<br />
Frühsymptomen zählt die Gynäkomastie. In Tumor,<br />
Serum und Harn lassen sich erh<strong>ö</strong>hte HCG-VVerte nach<br />
weisen.<br />
1.6.2 Gonadotropinproduzierende Hepatoblastome<br />
Bei diesem Syndrom handelt es sich um einen mali<br />
gnen Tumor, der für die ektope Gonadotropinproduk<br />
tion (LH-ähnliches Hormon) verantwortlich ist. Dieses<br />
Krankheitsbild wird als hepatogenitales Syndrom<br />
bezeichnet. Histologisch handelt es sich um ein juveni<br />
les Hepatoblastom mit in Strängen angeordneten Karzinomzcllen,<br />
die pseudoglomeruläre und primitive<br />
adenomat<strong>ö</strong>se Strukturen bilden. Das Krankheitsbild<br />
entwickelt sich bei Knaben, die h<strong>ö</strong>chstens 10 Jahre alt<br />
sind, und ist durch Lebervergr<strong>ö</strong>ßerung und Pseudopubertas<br />
praecox gekennzeichnet. Zu den wichtigsten<br />
klinischen Befunden zählen: vermehrte 17-Ketosteroide<br />
im Harn, Hepatomegalie, ausgeprägte Scham<br />
behaarung und Penishypertrophie, vergr<strong>ö</strong>ßerte<br />
Hoden, tiefe Stimme, gut entwickelte Muskulatur und<br />
erh<strong>ö</strong>htes Knochenalter. Eine Akromegalie ist bei einem<br />
Bronchialkarzinoid beschrieben worden.<br />
1.7 Erythropoetinbildende Tumoren<br />
Eine paraneoplastische Polyglobulie wird bei Nieren<br />
karzinomen (Forssel-Syndrom) beobachtet und ist auf<br />
eine durch den Tumor verstärkte Bildung von Erythropoetin<br />
bzw. eine erythropoetinähnliche Substanz<br />
zurückzuführen. Ferner sind noch andere formalpathogenetische<br />
Mechanismen diskutiert worden, wie<br />
z. B. der verz<strong>ö</strong>gerte Abbau von EPS (erythropoietinproducing<br />
substance) oder der Druck eines retroperitonealen<br />
Tumors auf die Niere, der die Erythropoetinbildung<br />
stimuliert. Die bei Tumoren des Zentralner<br />
vensystems (ZNS) vorkommende paraneoplastische<br />
Polyglobulie wird als zentralnerv<strong>ö</strong>se St<strong>ö</strong>rung der Erythropoeseregulation<br />
gedeutet.<br />
Zu den häufigsten Primärtumoren, die von einer para<br />
neoplastischen Polyglobulie begleitet werden, zählen:<br />
- N i e r e n t u m o r e n 4 0 %<br />
- L e b e r z e l l k a r z i n o m e 2 2 %<br />
- G e f ä ß t u m o r e n 1 0 %<br />
- U t e r u s m y o m e 1 0 %<br />
- i n t r a k r a n i e l l e T u m o r e n 5 %<br />
- a n d e r e P r i m ä r t u m o r e n 1 3 % .<br />
Bei den Nierentumoren handelt es sich in der Begel<br />
um Adenokarzinome (hypernephroide Karzinome).<br />
Nephroblastome kommen sehr selten vor. Unter den<br />
Gefäßtumoren sind die Hämangioendotheliome zu<br />
nennen. Zu den intrakraniellen Tumoren zählen Hypo<br />
physenadenome, Glioblastome, Angiome u.a.<br />
Klinik: Zu den wichtigsten klinischen Befunden zählen<br />
Plethora, Bluthochdruck, Hepatosplenomegalie und<br />
hämorrhagische Diathese. Leitsymptome sind die<br />
hämatologischen Befunde, die weitgehend mit denen<br />
einer Polycythaemia vera übereinstimmen. Thrombozytose<br />
und Leukozytose kommen bei der paraneopla<br />
stischen Polyglobulie nur in 15 bis 20% der Fälle vor.<br />
Erythrozytenzahl, Hämoglobin- und Hämatokritwerte<br />
sind dagegen deutlich erh<strong>ö</strong>ht.<br />
Zeitliche Wechselbeziehungen zwischen Paraneopla<br />
sie und Primärtumor: Nur bei 15% der Patienten mit<br />
paraneoplastischer Polyglobulie wird der Primärtumor<br />
vor der Paraneoplasie klinisch manifest und erkannt.<br />
1.8 Seltene endokrine Paraneoplasien<br />
Beim ektopen STH-Syndrom wird der Tumor (ein<br />
Adenokarzinom, seltener ein verhorntes Plattenepi<br />
thelkarzinom der Lunge) von einer hypertrophen<br />
Osteoarthropathie (Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom)<br />
begleitet. B<strong>ö</strong>ntgenologisch erkennt man eine periostale<br />
Proliferation im Bereich der Bohren-, Metakarpal- und<br />
Metatarsalknochen sowie in den Phalangen der Hände<br />
und Füße. Wirbelk<strong>ö</strong>rper und Schädelknochen bleiben<br />
dagegen unverändert. Die Alters- und Geschlechtsver<br />
teilung stimmt mit der einer unausgewählten Patientengruppc<br />
mit Lungenkarzinom überein. Die Diagnose
142 Endokrines System<br />
wird durch den Nachweis eines erh<strong>ö</strong>hten Siil-Spiegels<br />
im Serum bestätigt.<br />
Ektopes TSH-Syndrom: Paraneoplastische, durch<br />
einen nichtthyreoidalen Tumor hervorgerufene Hyper<br />
thyreosen sind ganz vereinzelt bei Trophoblastenneubildungen.<br />
Bronchial- und Mammakarzinomen be<br />
schrieben worden. Bei diesen Patienten bestand ein<br />
erh<strong>ö</strong>hter TSH-Spiegel im Plasma mit einer entspre<br />
chenden arterioven<strong>ö</strong>sen Differenz.<br />
Zu den besonders seltenen, ektop gebildeten Hormo<br />
nen zählen<br />
- Kalzitonin: Hyperkalzämie beim kleinzelligen Bron<br />
chialkarzinom<br />
- Prolaktin: Galaktorrh<strong>ö</strong> bei Nieren- und Lungen<br />
karzinomen<br />
- Plazentalaktogen (HPL = human placental lacto<br />
gen): Gynäkomastie oder klinisch stumm bei<br />
Lungenkarzinomen<br />
- Enteroglukagon: Obstipation und Malabsorption<br />
bei Nierenkarzinomen<br />
- VIP: Diarrh<strong>ö</strong> und Hypokaliämie beim kleinzelligen<br />
Lungenkarzinom.<br />
1.9 Multiple paraneoplastische<br />
Endokrinopathien<br />
In seltenen Fällen kommt es zur gleichzeitigen Produk<br />
tion von mehreren hormonähnlichen Verbindungen in<br />
einem Tumor, die aber nicht klinisch relevant sein<br />
muß. Dabei handelt es sich vorwiegend um kleinzellige<br />
Bronchialkarzinome oder um Inselzellkarzmome, die<br />
ACTH, MSH, Gastrin, Glukagon und andere Stoffe<br />
bilden k<strong>ö</strong>nnen.<br />
2 Nichtendokrine<br />
Paraneoplasien<br />
Bei Primärtumoren eines endokrinen Organs kommen<br />
nichtendokrine Paraneoplasien (z.B. hämatologische,<br />
neurologische oder kutane Paraneoplasien) extrem<br />
selten vor. Hier ist das nekrolytische, migratorische<br />
llaulerylhem bei Glukagonom zu erwähnen.
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 143<br />
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
1 Adipositas<br />
Adipositas als Fettsucht bedeutet, daß das Fettgewebe<br />
einen zu hohen Anteil der gesamten K<strong>ö</strong>rpermasse<br />
einnimmt. Übergewicht kann, muß aber nicht mit<br />
Adipositas einhergehen. Kinder werden als überge<br />
wichtig angesehen, wenn sie schwerer sind als 95%<br />
der gleich großen Kinder.<br />
Bei Erwachsenen wird versucht, den Einfluß der K<strong>ö</strong>r<br />
pergr<strong>ö</strong>ße auf das Gewicht durch Berechnung von<br />
Gewichtsindizes zu eliminieren. Der in Europa übliche<br />
Broca-Index definiert:<br />
Sollwert (kg) = K<strong>ö</strong>rpergr<strong>ö</strong>ße (cm) minus 100<br />
Als Grenze für Übergewicht wird beim Broca-Index<br />
altersunabhängig 120%, z.T. aber auch 125% festge<br />
legt.<br />
Der ebenfalls häufig verwendete Quetelet-Index bzw.<br />
body mass index (BMI) ist definiert als<br />
BMI = K<strong>ö</strong>rpermasse (kg)/K<strong>ö</strong>rpergr<strong>ö</strong>ße2 (m2)<br />
Als Beginn von Übergewicht wird ohne Berücksichti<br />
gung des Alters ein BMI zwischen 25 und 30 kg/m2<br />
definiert.<br />
Die beiden Gewichtsindizes sind unterschiedlich gr<strong>ö</strong><br />
ßenabhängig. Ein Broca-Index von 120% entspricht bei<br />
einer K<strong>ö</strong>rpergr<strong>ö</strong>ße von 180 cm einem BMI von 29,6,<br />
bei einer Gr<strong>ö</strong>ße von 160 cm einem BMI von 28,1. Mit<br />
zunehmender mittlerer K<strong>ö</strong>rpergr<strong>ö</strong>ße nimmt daher die<br />
Prävalenz von Übergewicht, definiert nach Broca,<br />
gegenüber der nach dem BMI definierten rechnerisch<br />
ab.<br />
Die dritte Methode der Gewichtsbeurteilung verwendet<br />
als Referenzgewicht das Gewicht, bei dem nach<br />
Lebensversicherungsstatistiken (in den USA) Men<br />
schen entsprechender Gr<strong>ö</strong>ße die niedrigste Mortalität<br />
haben. Als Übergewicht gelten in der Begel Werte<br />
oberhalb von 120% des Referenzgewichts (entspre<br />
chend einem BMI von 27 bis 28 kg/m2).<br />
Der Fettanteil an der K<strong>ö</strong>rpermasse kann über die<br />
Hautfaltendicke abgeschätzt werden (Index z. B.<br />
Summe der Ilaulf altendicke über dem M. triceps und<br />
subskapular). Zur exakten Bestimmung ist z. B. die<br />
(aufwendige) Messung der mittleren Dichte des K<strong>ö</strong>r<br />
pers erforderlich. Adipositas wird als Fettanteil von<br />
>20% bei Männern bzw. >25% bei Frauen definiert.<br />
Nach dem Bisikofaktorenkonzept kann aus den stati<br />
stischen Beziehungen zwischen Gewichtsindex und<br />
Mortalität oder Morbidität ein Idealbereich mit mini<br />
malem Risiko und ein oberer Grenzwert des »Normal<br />
bereichs« in Abhängigkeit von dem noch tolerierten<br />
relativen Hisiko abgeleitet werden. Problematisch bei<br />
einer solchen Analyse des Gewichtsindex als Risikofak<br />
tor ist, daß<br />
- Ausmaß und Art des statistischen Zusammenhangs<br />
zwischen Gewichtsindex und Mortalität bzw.<br />
Erkrankungshäufigkeit von Studie zu Studie erheb<br />
lich verschieden sind (U- oder J-f<strong>ö</strong>rmige Kurven mit<br />
h<strong>ö</strong>herer Mortalität bei sehr niedrigem Gewichts<br />
index, keine sichere oder altersabhängig unter<br />
schiedliche Korrelation zwischen Gewichtsindex<br />
und Mortalität)<br />
- die Gewichtsindizes und die Fettanteilindizes (1 lautfaltendicke)<br />
mit der Inzidenz bestimmter Erkran<br />
kungen unterschiedlich korrelieren<br />
- die Inzidenz von Herz- und Kreislauferkrankungen<br />
bei abdominell betonter Fetteinlagerung (androider<br />
Typ) erheblich h<strong>ö</strong>her ist als bei vorwiegend auf<br />
Hüften und Oberschenkel konzentrierter Adipositas<br />
(gynoider Typ)<br />
- andere sichere Risikofaktoren, wie Bauchen oder<br />
niedriger Sozialstatus, unterschiedlich mit dem<br />
Gewichtsindex korreliert sind (Baucher haben<br />
durchschnittlich geringeres, Angeh<strong>ö</strong>rige unterer<br />
Sozialschichten h<strong>ö</strong>heres Gewicht).<br />
Extrem hohe Gewichtsindizes (oberhalb von ca. 175%<br />
des Beferenzgewichts oder einem BMI von 40 kg/m2)<br />
gehen eindeutig mit anormal hoher Morbidität und<br />
Mortalität einher. Problematischer ist die willkürliche<br />
kategoriale Unterscheidung von noch normalem<br />
Gewicht und Übergewicht, bei der je nach gewähltem<br />
Grenzwert 20% bis über 40% der erwachsenen Bev<strong>ö</strong>l<br />
kerung als gesundheitsgefährdend übergewichtig klas<br />
sifiziert werden. Es steht zwar fest, daß mit zunehmen<br />
dem Gewichtsindex vermehrt Insulinresistenz, Hyperlipidämic.<br />
arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz<br />
und auch Osteoarthritiden gefunden werden, und<br />
Gewichtsreduktion führt häufig zur Senkung des arte<br />
riellen Blutdrucks und zur Verbesserung der Stoffwechsellage<br />
bei Typ-II-Diabetes. Andererseits werden<br />
atherosklerotische Veränderungen, z. B. der Koronar<br />
arterien, bei der Obduktion von extrem übergewichti<br />
gen Personen nicht häufiger gesehen als bei solchen<br />
mit »Normalgewicht«. In einigen epidemiologischen<br />
Studien fand sich ein kontinuierlicher Anstieg der<br />
Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit dem<br />
Gewichtsindex. ahm- in anderen (z. B. »Sieben-Länder-<br />
Studie«) nahm die Herzinfarktsterblichkeit 40- bis<br />
59jähriger Männer mit steigendem Gewichtsindex<br />
sogar ab. In den USA war der starke Rückgang insbe<br />
sondere der Herz-Kreislauf-Mortalität in den letzten<br />
Jahrzehnten von einem Anstieg des mittleren K<strong>ö</strong>rper-
144 Endokrines System<br />
gewichtsindex begleitet. Daher sollte man Patienten<br />
erst dann als gesundheitsgefährdend übergewichtig<br />
bzw. behandlungsbcdürftig adip<strong>ö</strong>s einstufen, wenn ihr<br />
Gewicht im oberen Extrembereich der alters- und<br />
gr<strong>ö</strong>ßenkorrigierten Häufigkeitsverteilung liegt oder<br />
wenn bei relativ hohem Gewichtsindex weitere Risi<br />
ken, wie diabetische Stoffwechsellage, Hyperlipidämie<br />
oder arterielle Hypertonie, bestehen, deren Auswir<br />
kung durch Gewichtsreduktion gemildert werden<br />
kann. Bei dieser Beurteilung muß neben dem Ge<br />
wichtsindex der Typ der Fetteinlagerung beachtet<br />
werden (h<strong>ö</strong>heres Risiko bei androgyn Adip<strong>ö</strong>sen). Im<br />
Bereich mäßig erh<strong>ö</strong>hter Gewichtsindiz.es ist die Adipo<br />
sitas weniger ein somatisch-medizinisches als ein psy<br />
chosoziales Problem.<br />
Pathogenese: K<strong>ö</strong>rpergewicht und Fetteinlagerung<br />
k<strong>ö</strong>nnen als Regelgr<strong>ö</strong>ßen angesehen werden, die der<br />
K<strong>ö</strong>rper entsprechend einem intern (auf unbekannte<br />
Weise) vorgegebenen Sollwert einstellt. Als Stellgr<strong>ö</strong>ßen<br />
zur Gewichtsreduktion stehen dem Organismus zur<br />
Verfügung:<br />
- Einschränkung der Nahrungsaufnahme<br />
- Bevorzugung energetisch geringerwertiger Nah<br />
rung bei gleicher Aufnahmemenge<br />
- Verringerung der Ausnutzung der Nahrung<br />
- Erh<strong>ö</strong>hung des Energieverbrauchs durch vermehrte<br />
k<strong>ö</strong>rperliche Arbeit<br />
- Steigerung der (zitterfreien) Thermogenese (über<br />
Schilddrüscnhormone und Katecholamine).<br />
Im physiologischen Regelungsprozeß werden alle<br />
M<strong>ö</strong>glichkeiten mit Ausnahme der Verringerung der<br />
Effizienz von Aufschluß und Resorption der Nahrung<br />
genutzt. Wenn die Energiezufuhr den Energieumsatz<br />
im Mittel um 5% übersteigt, resultiert nach einem Jahr<br />
bereits eine Gewichtszunahme von etwa 5 kg. Ange<br />
sichts der stark wechselnden (und meist zu hohen)<br />
Energiezufuhr mit der Nahrung und dem ebenfalls<br />
erheblich variierenden Ausmaß k<strong>ö</strong>rperlicher Bela<br />
stung spricht die mittelfristig hohe Konstanz des indivi<br />
duellen Gewichts für hohe Begelungseffizienz.<br />
Vermehrte Fetteinlagerung kann auf einer Hypertro<br />
phie der Fettzellen oder auf Hyperplasie mit Hypertro<br />
phie beruhen. Die Hypertrophie dominiert bei mäßi<br />
ger, abdominal betonter Adipositas, die Hyperplasie<br />
bei massiver genereller Adipositas. Zu den zahlreichen<br />
Hypothesen über Ursachen und Pathomechanismus<br />
der Gewichtszunahme geh<strong>ö</strong>rt, daß Adip<strong>ö</strong>se<br />
- aufgrund von Überfütterung im Kleinkindalter ver<br />
mehrt Fettzellen entwickeln und auf Dauer besitzen<br />
(»Fettzellhypothese«)<br />
- verstärkt auf Nahrungsreize ansprechen und<br />
dadurch die Nahrungsaufnahme bei appetitlichem<br />
Angebot über den Bedarf hinaus erh<strong>ö</strong>hen<br />
- bei der Auswahl der Nahrung fettreiche, energetisch<br />
hochwertige Speisen bevorzugen<br />
- einen bezogen auf die fettfreie K<strong>ö</strong>rpermasse<br />
geringeren Buheenergieverbrauch haben (gute Futterverwerter)<br />
- nach Nahrungsaufnahme den Energieumsatz weni<br />
ger steigern (verringerte nahrungsinduzierte Ther<br />
mogenese)<br />
- sich weniger bewegen und daher weniger Energie<br />
ben<strong>ö</strong>tigen<br />
- eine angeboren h<strong>ö</strong>here Einstellung des Gewichts als<br />
Regelgr<strong>ö</strong>ße haben.<br />
Vor allem aufgrund erbbiologischer Studien ist erwie<br />
sen, daß eine endogene, genetisch determinierte<br />
H<strong>ö</strong>herstellung des Sollwerts die Hauptrolle in der<br />
Entstehung von Übergewicht spielt. Der Stellenwert<br />
von Ernährungsweise, Erziehung und Nachahmungs<br />
lernen in der Familie ist bei weitem nicht so hoch wie<br />
der der Veranlagung. Einer der Beweise dafür ist, daß<br />
die Gewichtsentwicklung frühzeitig adoptierter Kinder<br />
mit der der natürlichen und nicht mit der der Adoptiv<br />
eltern positiv korreliert. Die Manifestation einer gene<br />
tischen Prädisposition zur Einstellung h<strong>ö</strong>heren K<strong>ö</strong>r<br />
pergewichts hängt von den Umweltbedingungen ab.<br />
Begrenzte Nahrungsverfügbarkeit und sozialer Druck<br />
(Sch<strong>ö</strong>nheitsideal) beeinflussen das Ausmaß der Nah<br />
rungsaufnahme und m<strong>ö</strong>glicherweise auch den Soll<br />
wert der Gewichtsregulation selbst. Frauen aus unte<br />
ren Sozialschichten haben weitaus häufiger hohe<br />
Gewichtsindizes als die aus oberen Sozialschichten. Im<br />
psychopathologischen Bereich wird übermäßige Nah<br />
rungsaufnahme mit resultierender Fettsucht als<br />
Mechanismus psychischer Abwehr von Konflikten<br />
beobachtet. Entgegen der der »Fettzellhypothese«<br />
zugrunde liegenden Vermutung gibt es keine vulnera<br />
ble Phase der Kindheit, in der durch Überfütterung<br />
eine Hyperplasie der Adipozyten induziert und die<br />
spätere Entwicklung von Adipositas determiniert wird.<br />
Die meisten übergewichtigen Kinder haben als<br />
Erwachsene ein im Normbereich liegendes Gewicht.<br />
Auch die Annahme, Übergewichtige ließen sich leich<br />
ter durch reichliches Angebot appetitanregender Spei<br />
sen zu übermäßigem Essen verleiten, hat sich nicht<br />
verifizieren lassen. Bei Nahrungsaufnahme ad libitum<br />
ist der Energieumsatz übergewichtiger Erwachsener,<br />
bezogen auf die fettfreie K<strong>ö</strong>rpermasse, etwa ebenso<br />
hoch wie der Normalgewichtiger, steigt jedoch nach<br />
Nahrungsaufnahme weniger an (reduzierte nahrungs<br />
bedingte Thermogenese). Als Ursache dafür wird eine<br />
unzureichende Aktivierung des sympathoadrenalen<br />
Systems nach Nahrungsaufnahme angesehen. Diese<br />
Befunde lassen auf die Beteiligung eines Regulations<br />
defekts an der Adipositasgenese schließen. Anderer<br />
seits läßt sich die dominierende Bedeutung der Soll<br />
wertverstellung im Regelkreis für das K<strong>ö</strong>rpergewicht<br />
daraus ableiten, daß primär Adip<strong>ö</strong>se nach künstlicher<br />
Senkung des Gewichts durch Fasten den Energieumsatz<br />
pro fettfreie K<strong>ö</strong>rpermasse unter den von Perso<br />
nen, die ohne Nahrungsrestriktion das gleiche Gewicht<br />
halten, absenken.
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 145<br />
2 Kachexie 3 Lipidstoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
Kachexie stellt anormale Abmagerung mit Reduktion<br />
insbesondere der fettfreien K<strong>ö</strong>rpermasse dar. Wie bei<br />
der Adipositas ist die Grenze, ab der eine Gcwichtabnahme<br />
als gesundheitsgefährdend einzustufen ist,<br />
nicht klar definiert. Zu einer Dekompensation der<br />
K<strong>ö</strong>rperfunktionen ist ein Verlust von mindestens 20%<br />
der fettfreien K<strong>ö</strong>rpermasse erforderlich.<br />
Pathogenese: Ursache einer Kachexie k<strong>ö</strong>nnen man<br />
gelhafte Zufuhr oder Verwertung von Nahrungsstoffen<br />
und erh<strong>ö</strong>hter Energieumsatz bei katabolcr Stoffwech<br />
sellage sein. Eine unzureichende Nahrungsaufnahme<br />
liegt vor bei<br />
- fehlendem Angebot (Nahrungsentzug)<br />
- Appetitlosigkeit infolge neurotischer St<strong>ö</strong>rungen<br />
(Anorexia nervosa), schwerer Erkrankungen<br />
(Tümorleiden, Stoffwechselkrankheiten, chronische<br />
Infektionskrankheiten) oder altersatrophischer zere<br />
braler Veränderungen<br />
- Schluckst<strong>ö</strong>rungen oder ständigem Erbrechen<br />
infolge von Stenosen im Verdauungstrakt<br />
- Resorptionsst<strong>ö</strong>rungen (z. B. Malabsorptionssyndrom).<br />
Zu übermäßiger Steigerung im Energieumsatz kann<br />
es kommen bei<br />
- exzessiver Hyperthyreose<br />
- erh<strong>ö</strong>hter Stimulation der 'Thermogenese durch<br />
Katecholamine, z. B. beim Typ-I-Diabetes oder nach<br />
längerdauernder Unterernährung<br />
- malignen Erkrankungen und chronischen Infek<br />
tionskrankheiten, insbesondere unter dem Einfluß<br />
von Botenstoffen, wie dem von Makrophagen sezernierten<br />
Kachektin (= Tumornekrosefaktor).<br />
In vielen Fällen (Malignome, Infektionen usw.) sind<br />
sowohl die Nahrungsaufnahme vermindert als auch<br />
der Energieumsatz erh<strong>ö</strong>ht. Bei der Hungerdystrophie<br />
wirkt sich neben der unzureichenden Energieversor<br />
gung besonders der Eiweißmangel aus.<br />
Als Folge des unzureichenden Nachschubs im Bauund<br />
Betriebsstoffwechsel ist bei Kachexie die Funk<br />
tionsbreite der hom<strong>ö</strong>ostatischen Regelsysteme allge<br />
mein eingeschränkt. K<strong>ö</strong>rpertemperatur und arterieller<br />
Druck sind erniedrigt, und Belastungen führen rasch<br />
zu taehykardem Kreislaufversagen. I laut und Schleim<br />
häute atrophieren. Es besteht Anämie und Ilypoproteinämie.<br />
Die Beaktionsfähigkeit des Immunsystems ist<br />
reduziert (u.a. mangelhafte Antik<strong>ö</strong>rperbildung). Bei<br />
schwerer Kachexie kommt es infolge atrophischer<br />
Veränderungen im ZNS zu Apathie, Müdigkeit und<br />
Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit. Stärkere<br />
Belastungen (Infektionen, Überanstrengung) k<strong>ö</strong>nnen<br />
rasch zu irreversibler finaler Dekompensation von<br />
Kreislaufund zentralnerv<strong>ö</strong>sen Regulationen führen.<br />
3.1 Dyslipidämien<br />
Begriffsbestimmung und Systematik: Eine Dyslipidämie<br />
liegt vor, wenn die Plasmakonzentration von<br />
Cholesterin und/oder Triacylglycerinen pathologisch<br />
hoch (Hyperlipidäniie), in seltenen Fällen anormal<br />
niedrig ist. Phospholipide und Sphingolipide des Plas<br />
mas werden bei der Klassifizierung der Dyslipidämien<br />
nicht berücksichtigt. Dyslipidämien sind generell auch<br />
Dyslipoproteinämien, so daß ihre Einteilung auch nach<br />
Lipoproteinklassen (z. B. Chylomikronämie, erh<strong>ö</strong>htes<br />
HDL oder LDL) erfolgen kann.<br />
Grundlage der formalen Einteilung der Hyperlipoproteinämien<br />
nach Fredrickson, die von der WHO über<br />
nommen und erweitert wurde, ist die elektrophoretische<br />
Mobilität der Lipoproteine.<br />
Hyperlipoproteinämietypen nach Fredrickson<br />
Typ Erh<strong>ö</strong>hte Werte für Atheroskleroserisiko<br />
i Chylomikronen gering<br />
IIa ß-Lp (LDL) sehr hoch<br />
IIb ß- und prä-ß-I.p (LDL und VLDL) sehr hoch<br />
III abnorme ß-l.p (VLDL-Remnants, sehr hoch<br />
elektrophoretisch in ß-Fraktion)<br />
IV Prä-ß-Lp (VLDL) hoch<br />
V Prä-ß-I.p und Chylomikronen gering<br />
Ab welcher Plasmakonzentration der Lipide die Dia<br />
gnose einer Hyperlipidäniie zu stellen ist, wurde wie<br />
bei der Adipositas nach dem Risikofaktorenkonzept<br />
(vor allem bei Männern mittleren Alters treten Herzund<br />
Kreislauferkrankungen mit steigendem Lipidspiegel<br />
häufiger auf) festgelegt. Die Interpretation des<br />
statistischen Zusammenhangs zwischen Blutlipidspiegel<br />
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Sinne einer<br />
kausalen Beziehung stützt sich auf Befunde bei Tierexperimenten<br />
und bei familiärer hochgradiger Hypercholesterinämie,<br />
die für eine Ausl<strong>ö</strong>sung atherosklerotischer<br />
Gefäßläsionen durch hochkonzentrierte Lipo<br />
proteine sprechen. Als atherogen werden die ApoBenthaltenden<br />
Lipoproteine LDL (vor allem nach Peroxi<br />
dation ihres Lipidanteils), VLDL-Remnants (ß-VLDL),<br />
IDL und Lp (a) angesehen. Dagegen korreliert der<br />
Plasmaspiegel an HDL negativ mit der Inzidenz von<br />
Herz-Kreislauf-Krankheiten, so daß eine Zunahme des<br />
HDL-Cholesterins als gefäßprotektiv gewertet wird.<br />
Nach Auffassung der Europäischen Atherosklerose-<br />
Gesellschaft und der Konsensuskonferenz des National<br />
Institute of Health der USA (NIM) ist mit einem gestei<br />
gerten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten ab
146 Endokrines System<br />
einem Gesamtcholesterin von 200 mg/dl (5,2 mmol/l)<br />
zu rechnen. Cholesterinwerte über 240 mg/dl<br />
(6,2 mmol/l) bzw. 250 mg/dl (6,5 mmol/1) werden als<br />
Hypercholesterinämie mit stark erh<strong>ö</strong>htem Erkran<br />
kungsrisiko eingestuft. Nach diesen Kriterien ist bei<br />
über der Hälfte der erwachsenen Bev<strong>ö</strong>lkerung eine<br />
Hypercholesterinämie zu diagnostizieren.<br />
Das statistische Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkran<br />
kung ist nur bei Anstieg atherogener Lipoproteine,<br />
nicht aber von HDL erh<strong>ö</strong>ht. Deshalb sollte bei mäßig<br />
erh<strong>ö</strong>htem Cholesterinspiegel eine differenzierte Be<br />
stimmung der Lipoproteine erfolgen. Ein überdurch<br />
schnittliches Erkrankungsiisiko kann angenommen<br />
werden<br />
- wenn die LDL-Cholesterin-Konzentration über<br />
180 mg/dl liegt<br />
- bei LDL-Cholesterin von 140-180 mg/dl und einem<br />
LDIVTIDL-Quotienten über 4 (IIDL-Cholesterin unter<br />
35 mg/dl bzw. 0,9 mmol/l)<br />
- bei VLDL-Cholesterin über 40 mg/dl<br />
- bei Auftreten von (normalerweise nur in vernachläs<br />
sigbarer Menge im Plasma enthaltenen) IDL oder<br />
ß-VLDL<br />
- bei einer Lp(a)-Choleslerin-Konzentration über<br />
40 mg/dl.<br />
Die Plasmakonzentration der Triacylglycerine korre<br />
liert mit der Inzidenz von Herz-Kreislauf-Erkrankun<br />
gen in geringerem Ausmaß als die Cholesterinkonzentration.<br />
Als Beginn erh<strong>ö</strong>hten Bisikos wird eine Triacylglycerinkonzentration<br />
von 200 mg/dl (2,3 mmol/l) angesehen,<br />
und ein erheblich gesteigertes Risiko wird bei Triacylglycerinkonzentrationen<br />
oberhalb von 500 mg/dl<br />
(5,6 mmol/l) angenommen. Im Gegensatz zur hohen<br />
Prävalenz der Hypercholesterinämie werden Triacylglycerinwerte<br />
über 500 mg/dl nur bei ca. 5% der<br />
Männer (Altersgipfel zwischen 50 und 59 .Jahren mit<br />
ca. 7%) und bei ca. 1% der Frauen (Altersgipfel bei 60<br />
bis 69 Jahren mit ca. 3%) gefunden.<br />
3.1.1 Hereditäre Dyslipidämien<br />
Primäre, angeborene Dyslipidämien k<strong>ö</strong>nnen verur<br />
sacht werden durch genetisch bedingt unzurei<br />
chende oder fehlerhafte, aber manchmal auch durch<br />
zu hohe Synthese von<br />
- Apolipoproteinen<br />
- Enzymen (Lipoproteinlipase, LCAT)<br />
- Transferproteinen (z. B. CETP)<br />
- hepatischen oder extrahepatischen Rezeptoren für<br />
Apolipoprotein B und/oder E.<br />
Ein genetisch bedingter Defekt von Apoprotein A<br />
kommt bei der Tangier-Krankheit (nach der Insel<br />
Tangier in Virginia, in deren Bev<strong>ö</strong>lkerung sie entdeckt<br />
wurde) vor. Das ApoA-I der Betroffenen weist anor<br />
male Zusammensetzung auf und wird wesentlich<br />
schneller katabolisiert als normales ApoA. Die unzu<br />
reichende Verfügbarkeit von ApoA-I als Hüllprotein<br />
fuhrt zu Abfall der HDL-Konzentration im Plasma<br />
(Hypo-a-Lipoproteinämie) mit milder Hypocholesterinämie<br />
und Ilypertriacylglycerinämie. Eine gleichartige<br />
Lipoproteinkonstellation im Plasma wird bei einer<br />
anderen ApoA-Mutation (Apo-lMüano) beobachtet.<br />
Neben zahlreichen weiteren ApoA-Variantcn kommt<br />
ein familiärer kombinierter Mangel an ApoA-I und<br />
ApoC-III vor. Ein noch nicht bekannter genetischer<br />
Defekt liegt bei der sehr seltenen Fischaugenkrank<br />
heit (benannt nach durch Cholesterineinlagerung ver<br />
ursachten Hornhauttrübungen) vor, bei der die Kon<br />
zentration von ApoA-II, in geringerem Maß auch die<br />
von ApoA-l vermindert ist.<br />
Zu milder bis mäßiger Hypercholesterinämie mit<br />
erh<strong>ö</strong>hten LDI.-Spiegeln ('Typ IIa nach Fredrickson)<br />
infolge gest<strong>ö</strong>rter Bindung an LDL-Rezeptoren fuhrt<br />
eine (kodominant vererbte) Mutation mit Austausch<br />
einer Aminosäure in Position 3500 von ApoB ,,„,. der<br />
die im ApoB.,s der Darmmukosa nicht enthaltene Bin<br />
dungsregion betrifft. Andere Mutationen des ApoB-<br />
Gens {/.. B. Mutationen, die zu vorzeitigem Syntheseab<br />
bruch mit Bildung von ApoB46 oder ApoB;{7 führen)<br />
st<strong>ö</strong>ren die ApoB-Synthese und verursachen (besonders<br />
ausgeprägt in der homozygoten Form) familiäre Hypoß-Lipoproteinämie<br />
mit stark verminderter LDL-Konzenlration.<br />
Wenn der Defekt den nur im ApoB|()(), nicht<br />
aber im ApoB.IK vorhandenen Teil der Aminosäure<br />
kette betrifft, bleiben die intestinale Lipidabsorption<br />
und Chylomikronenbildung unbeeinträchtigt. Bei<br />
anderen primären St<strong>ö</strong>rungen ist die hepatische Syn<br />
these von ApoBioo nicht gest<strong>ö</strong>rt, sondern enthemmt. Es<br />
resultiert eine Überproduktion von VLDL mit primärer<br />
Ilypertriacylglycerinämie. Bei gleichzeitiger Lipoproteinlipaseschwäche<br />
kommt es zu kombiniertem<br />
Anstieg von VLDL und Chylomikronen (Hyperlipoproteinämie<br />
Typ V nach Fredrickson). Die Neigung<br />
zu ApoB- und damit VLDL-Überproduktion mit Hypertriacylglycerinämie<br />
manifestiert sich vor allem bei<br />
sekundärer Insuffizienz der Lipoproteinlipase (z.B.<br />
infolge fehlender Insulininduktion bei Diabetes melli<br />
tus oder infolge Hemmung der Aktivität bei schwerem<br />
Alkoholabusus).<br />
Bei dem seltenen (autosomal rezessiv) vererbten Man<br />
gel an ApoC-lI, dem Aktivator der Lipoproteinlipase,<br />
kommt es zum Anstieg der Triacylglycerine (Chylomi<br />
kronen und VLDL) im Plasma auf Werte über 1000 mg/<br />
dl (11 mmol/l) als Typ V der Hyperlipidäniien in der<br />
Klassifizierung nach Fredrickson. LDL und HDL sind<br />
bei diesen Patienten erniedrigt. Gleichartige Auswir<br />
kung hat eine St<strong>ö</strong>rung mit Überproduktion von ApoC-<br />
III, das die Aktivierung der Lipoproteinlipase durch<br />
ApoC-II und auch die Aufnahme von Remnants in die<br />
Leber hemmt.<br />
Bei Patienen, die infolge von Punktmutationen funktio<br />
nell insuffizientes ApoE bilden, ist die hepatische<br />
Elimination von Chylomikronen- und VLDL-Remnants<br />
aus dem Plasma gest<strong>ö</strong>rt, denn die Remnants werden
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 147<br />
über ApoE an die Rezeptoren der Hepalozytenmembran<br />
gebunden. Die Ligandcniünktion von ApoE kann<br />
außer bei (dominant vererbten) Punktmutationen ver<br />
schiedener ApoE-Isoformen bei Homozygotie für das<br />
normale ApoEv-Allel beeinträchtigt sein. Bei den<br />
ApoEv-Homozygoten (ca. 1% der Bev<strong>ö</strong>lkerung) wird<br />
jedoch eine weite Spannbreite von schwer gest<strong>ö</strong>rter bis<br />
nahezu normaler Rezeptoraffinität beobachtet, so daß<br />
die Bindungsfähigkeit für ApoE;. von weiteren endoge<br />
nen oder exogenen Faktoren abhängen muß. Bei<br />
ApoE-Insuffizienz kommt es durch den Aufstau von<br />
triacylglycerin- und cholesterinreichen Remnants, die<br />
elektrophoretisch in der ß-Fraktion lokalisiert sind (ß-<br />
VLDL), zu einer Hyperlipidäniie vom 'Typ III nach<br />
fredrickson. Bei dieser familiären ß-Dyslipoprotcinämie<br />
ist die LDL-Konzentration erniedrigt.<br />
Der familiäre Lipoproteinlipasemangel ist eine sel<br />
tene (1:10'') autosomal rezessive Krankheit, die wie<br />
der ApoC-II-Mangel zu Ilypertriacylglycerinämie (Typ-<br />
I-Hyperlipidämie nach Fredrickson bei reiner Chylomikronämie,<br />
gelegentlich 'Typ V mit Anstieg von Chylomi<br />
kronen und VLDL) führt. Häufig ist die Lipoproteinlipaseaktivität<br />
nur abgeschwächt, und zur Manifestation<br />
als Chylomikronäniiesyndrom kommt es bei zusätzli<br />
cher Belastung des Lipoproteinstoffwoehsels (z. B. Dia<br />
betes mellitus mit unzureichender Induktion der I.ipoproteinlipasebildung<br />
durch Insulin und gesteigerter<br />
VLDL-Produktion, Hemmung der Lipoprotcinlipascaktivität<br />
durch exzessive Alkoholaufnahme).<br />
Ebenfalls sehr selten ist der autosomal rezessiv ver<br />
erbte Mangel an LCAT. Das unveresterte HDL-Cholcsterin<br />
verbleibt an der Oberfläche der HDL-Partikel,<br />
und die HDL-Ausreilüng ist unvollständig (nur kleiner<br />
Kern apolarer Lipide). Unzureichender ApoE-Transfer<br />
von den HDL zu den Chylomikronen kann deren Abbau<br />
beeinträchtigen (Anstieg des Triacylglycerinspiegels).<br />
VLDL und LDL enthalten wegen fehlenden Austauschs<br />
von apolaren Lipiden mit den I IDL weniger Cholesterin<br />
ester und mehr freies Cholesterin. Phospholipide und<br />
Triacylglycerine. Die Gesamtkonzentration von Chole<br />
sterin liegt bei den Patienten mit LCAT-Mangel meist<br />
im Normalbereich.<br />
Beim sehr seltenen erblichen Mangel an Cholesterin<br />
ester-Translerprotein k<strong>ö</strong>nnen HDL ihre Cholesterin<br />
ester nicht an LDL und VLDL abgeben und im Aus<br />
tausch Triacylglycerine aufnehmen. Das HDL-Cholesterin<br />
und die HDI.-typisdien Apoproteine ApoA-I,<br />
ApoA-IV und ApoE sind erh<strong>ö</strong>ht. Der Defekt bleibt<br />
klinisch asymptomatisch.<br />
Genetisch bedingte Aufnahmest<strong>ö</strong>rungen: Außer<br />
durch Mutation der Liganden (ApoB, ApoE.) kann die<br />
Aufnahme von Lipoproteinen in die Zellen durch gene<br />
tische Defekte der Rezeptorproteine beeinträchtigt<br />
werden. Insbesondere beim LDL-Rezeptor-Gen kom<br />
men Deletionen, Insertionen und Nonsense-Mutationen<br />
vor, die zu einem Fehlen oder zumindest zu einer<br />
funktionellen Insuffizienz der LDL-Rezeptoren führen.<br />
Unter den multiplen genetischen St<strong>ö</strong>rungen werden<br />
vier Klassen unterschieden:<br />
- die gr<strong>ö</strong>ßeren Deletionen mit Unfähigkeit zur Syn<br />
these der LDL-Rezeptormoleküle<br />
- Mutationen, die den normalen Transport der syn<br />
thetisierten Rezeptorproteine vom endoplasmati<br />
schen Retikulum zum Golgi-Apparat blockieren und<br />
damit den Einbau der Rezeptoren in die Zellmem<br />
bran verhindern<br />
- Mutationen, die die Bindungsdomänen der LDL-<br />
Rezeptoren für ApoB too und/oder ApoE funktions<br />
unfähig machen<br />
- Mutationen, die den im Zellinnern lokalisierten<br />
Bereich des Rezeptorproteins so verändern, daß die<br />
Endozytose der Rezeptoren nach (ungest<strong>ö</strong>rter) Lipoproteinbindung<br />
nicht mehr ausgel<strong>ö</strong>st wird.<br />
Ein funktioneller LDL-Rezeptormangel führt zu ver<br />
minderter und verz<strong>ö</strong>gerter Elimination von LDL, aber<br />
auch von IDL und VLDL-Remnants aus dem Plasma,<br />
während der Stoffwechsel der über die Remnant-<br />
Rezeptoren (Ligand ApoE) der Leberzellen gebunde<br />
nen Chylomikronen-Remnants und der HDL nicht<br />
beeinträchtigt ist. Der starke Anstieg von LDL und der<br />
(geringere) von IDL und VLDL-Remnants manifestiert<br />
sich als Hypercholesterinämie mit mäßiger Ilypertri<br />
acylglycerinämie (Typ IIb nach Fredrickson), während<br />
bei familiärer Hypercholesterinämie infolge ApoB-<br />
Mutationen (Mangel an funktionsfähigem Liganden für<br />
den LDL-Bezeptor) die Triacylglycerine meist im Nor<br />
malbereich liegen (Hyperlipoproteinämie Typ IIa nach<br />
Fredrickson). Die Prävalenz defekter LDL-Bezeptorgene<br />
wird auf 1 :500 veranschlagt. Bei den entspre<br />
chend seltenen (1 :106), für den Rezeptordefekt homo<br />
zygoten Patienten steigt der Cholesterinspiegel exzes<br />
siv an (auf 400 bis 800 mg/dl bzw. 10 bis 20 mmol/l).<br />
Die familiäre Hypercholesterinämie mit verringer<br />
tem LDL-Kataholismus ist häufig mit einer erh<strong>ö</strong>hten<br />
Plasmakonzentration von Lipoprotein (a) verbunden.<br />
Der Plasmaspiegel dieses großen Lipoproteins, das<br />
ApoBloo und Apo(a) in kovalenter Bindung enthält,<br />
korreliert hoch mit der Inzidenz von koronarer Herz<br />
krankheit. Weder die funktionelle Bedeutung von Lp(a)<br />
noch die Ursache des (genetisch determinierten) Lp(a)-<br />
Anstiegs bei familiärer Hypercholesterinämie sind be<br />
kannt.<br />
Neben den auf definierte einzelne Gendefekte zurück<br />
führbaren Dyslipoproteinämien gibt es polygene<br />
Mischformen, die die Mehrzahl der familiären Dyslipo<br />
proteinämien stellen. In diesen Bereich fallen auch die<br />
noch wenig erforschten, genetisch bedingten St<strong>ö</strong>run<br />
gen der Regulation der intrazellulären Cholesterinsynthese<br />
(z.B. unzureichende Hemmung des Schlüssel<br />
enzyms ß-Hydroxy-ß-methylglutaryl-CoA-Reduktase).<br />
Zwischen den familiären und den sekundären St<strong>ö</strong>run<br />
gen des Lipoproteinstoffwechsels gibt es fließende<br />
Übergänge, denn manche genetischen Defekte manife<br />
stieren sich erst bei exogener Belastung als Dyslipo<br />
proteinämien.
148 Endokrines System<br />
3.1.2 Sekundäre Dyslipidämien<br />
Die Konzentration des dominanten Cholesterinträgers<br />
LDL im Plasma steigt mit der Zufuhr von Nahrungscholesterin<br />
nicht direkt, sondern über eine Beeinflussung<br />
des hepatischen Cholesterinsloffwechsels an. Das im<br />
Darm absorbierte Cholesterin gelangt über Endozytose<br />
der Chylomikronen-Remnants in die Leber und hemmt<br />
sowohl die endogene Cholesterinsyntliese als auch die<br />
Exprimierung von LDL-Rezeptoren. Infolge verringer<br />
ter Bindungskapazität der Leberzellen für ApoB/ApoE-<br />
Liganden werden sowohl VLDL-Remnants als auch<br />
LDL langsamer eliminiert. Es werden mehr VLDL zu<br />
LDL abgebaut (erh<strong>ö</strong>hte LDL-Produktion), und die<br />
Lebensdauer der LDL nimmt zu. Das Ausmaß der LDL-<br />
Erh<strong>ö</strong>hung durch Cholesterinzufuhr schwankt interin<br />
dividuell erheblich, und bei guter Gegenregulation<br />
kann trotz langdauernd hoher Cholesterinaufnahme<br />
ein normaler LDL-Spiegel vorliegen. Beeinflußt wird<br />
die Cholesterintoleranz u.a. von der genetisch deter<br />
minierten Isoform des ApoE. Bei hoher Ligandenaffinität<br />
(ApoE.,) gelangen die das Nahrungscholesterin<br />
enthaltenden Chylomikronen-Remnants rascher in die<br />
Leber, und das Plasmacholesterin steigt schneller und<br />
stärker an. Kritisch hohe LDL-Werte werden jedoch<br />
normalerweise nur bei Personen mit angeboren einge<br />
schränkter Regulationsbreite des Cholesterinstoffwechsels<br />
erreicht.<br />
Ein Anstieg des LDL-Cholesterins ist auch zu beobach<br />
ten, wenn die Nahrungslette einen hohen Anteil an<br />
bestimmten gesättigten Fettsäuren enthalten. Zufuhr<br />
von Palmitinsäure (Cu>) und Myristinsäure (C)4), nicht<br />
aber von Stearinsäure (C|.s), führt zu einer Zunahme<br />
der LDL-Konzentration. Dieser Effekt kommt wahr<br />
scheinlich über eine Hemmung der LDL-Bindung an<br />
die hepatischen LDL-Rezeptoren und damit eine Ver<br />
langsamung des LDL-Abbaus zustande. Als Ursache<br />
dafür, daß Stearinsäure den Cholesterinspiegel nicht<br />
steigert, wird die rasche Umwandlung dieser Verbin<br />
dung zu Ölsäure diskutiert. Einfach ungesättigte Fett<br />
säuren, wie Ölsäure, beeinflussen den Cholesterinspie<br />
gel nicht. Durch Zufuhr von mehrfach ungesättigten<br />
Fettsäuren (enthalten in vielen Pflanzen<strong>ö</strong>len und im<br />
Fischfett) kann der LDL-Cholesterinspiegel sogar<br />
gesenkt werden (wahrscheinlich über eine Steigerung<br />
der hepatischen LDI.-Elimination).<br />
Nach Aufnahme fetthaltiger Nahrung steigt die Kon<br />
zentration der Triacylglycerine im Plasma innerhalb<br />
von 3 bis 5 Stunden h<strong>ö</strong>chstens um 50 bis 70% über den<br />
Nüchternwert. Eine nutritive IViacylglycerinämie ist<br />
daher nur zu erwarten, wenn die endogene Produktion<br />
von VLDL gesteigert und/oder der Abbau von Chylomi<br />
kronen und VLDL verlangsamt ist. Stimulierend auf die<br />
hepatische VLDL-Synthese wirken im Überschuß auf<br />
genommene, in der Leber zur Liponeogenese verwen<br />
dete Kohlenhydrate und kurz- bis mittelkettige Fett<br />
säuren sowie in gr<strong>ö</strong>ßeren Mengen zugeführter Ethylalkohol,<br />
nicht dagegen mit der Nahrung zugeführte<br />
langkettige Fettsäuren, die nach Freisetzung aus den<br />
Chylomikronen vorwiegend extrahepatisch eliminiert<br />
werden.<br />
Hauptursache von sekundärer 'IViacylglycerinämie ist<br />
somit Überernährung mit Substratüberflutung der<br />
Leber. Hochungesättigte Fettsäuren (z. B. Linolen<br />
säure) hemmen die hepatische VLDL-Synthese und<br />
wirken einer iViacylglycerinämie entgegen. Im weite<br />
ren Sinne nutritiv bedingt ist die Hyperlipidäniie bei<br />
der (angeborenen) Lipodystrophie, bei der eine VLDL-<br />
Überproduktion durch Überschwemmung der Leber<br />
mit aus dem Fettgewebe freigesetzten und aus der<br />
Nahrung stammenden Fettsäuren induziert wird. Bei<br />
Lipodystrophie ist in der Begel auch die Aktivität der<br />
Lipoproteinlipase vermindert.<br />
Bei stark verminderter Nahrungsaufnahme, wie bei<br />
Anorexia nervosa, sinkt die Gallensekretion so weit<br />
ab, daß der Abbau endogen synthetisierten Choleste<br />
rins zu Gallensäuren und die Ausscheidung von freiem<br />
Cholesterin mit der Galle unzureichend wird. Durch<br />
den Anstieg der hepatozellulären Cholesterinkonzentration<br />
wird die Exprimierung von LDL-Bezeptoren<br />
gehemmt, und trotz defizitären Energiestoffwechsels<br />
steigt der LDL-Spiegel im Plasma an.<br />
Als weitere Ursache sekundärer Dyslipoproteinämien<br />
kommen Stofrwechselerkrankungen mit Beein<br />
trächtigung der hormonellen Regulation des Lipoprotcinmctabolismus<br />
In Frage. Ein Anstieg insbesondere<br />
der 'Triacylglycerine findet sich bei<br />
- Insulinmangel: vermehrte VLDL-Produktion der<br />
Leber, unzureichende Induktion der Lipoprotein<br />
lipase<br />
- Hypothyreose: verringerte Expression von LDL-<br />
Rezeptoren mit verlangsamtem LDL-Abbau<br />
- Östrogenmangel: Hemmung der LDL-Bindung an<br />
hepatische Rezeptoren<br />
- Schwangerschaft: Induktion der hepatischen Lipoproteinsynthese<br />
durch Östrogen und HPL<br />
- Cushing-Syndrom: sekundäre Steigerung der Lipogenese<br />
der Leber infolge erh<strong>ö</strong>hter Glucoseneubildiing<br />
bei Cortisolüberschuß, gesteigerte Konversion<br />
von VLDL zu LDL<br />
- Akromegalie: erh<strong>ö</strong>hte Lipogenese durch vermehrtes<br />
Glucoseangebot (nur VLDL-Anstieg).<br />
Zu den hormonell bedingten Dyslipoproteinämien<br />
geh<strong>ö</strong>rt auch die streßinduzierte Ilypertriacylglycerin<br />
ämie bei hormonellen Notl'allreaktionen mit vermehr<br />
ter Substratmobilisierung und erh<strong>ö</strong>hter Lipogenese<br />
und VLDL-Produktion infolge Freisetzung von Katecholaminen,<br />
Glukokortikoiden und STH. Als Stressor<br />
k<strong>ö</strong>nnen schwere somatische (Herzinfarkt, Verbren<br />
nungen, Sepsis) oder psychische Belastungen wirken.<br />
Änderungen des Lipoproteinspektrums im Plasma tre<br />
ten außerdem bei Erkrankungen der Leber und der<br />
Niere auf. Wenn die hepatische Proteinsynthese<br />
infolge Leberinsuffizienz (z. B. im Endstadium der<br />
Leberzirrhose) unzureichend wird, sinkt neben dem
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 149<br />
Albumin- auch der Lipoproteinspiegel im Plasma ab.<br />
Ein Abfall des Plasmacholesterins unter 120 mg/dl<br />
(3,1 mmol/l) ist bei chronischen und akuten Krankheitszuständen<br />
(Infektions-, Herz-, Leber- und Krebs<br />
erkrankungen, Mangelernährung) ein prognostisch<br />
ungünstiges Zeichen.<br />
Lebererkrankungen: Bei akuter Hepatitis ist, wenn es<br />
nicht unter fulminantem Verlauf zum Leberversagen<br />
kommt, vor allem die hepatische Sekretion der Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase<br />
(LCAT) reduziert,<br />
und der dadurch verminderte VLDL-Katabolismus<br />
führt zu Ilypertriacylglycerinämie. Bei Verlegung der<br />
Gallenwege (primäre biliäre Zirrhose, extrahepati<br />
scher Gallengangsverschluß) treten normalerweise in<br />
die Galle sezerniertes freies Cholesterin und Phospho<br />
lipide vermehrt ins Plasma über, z.T. in Form eines<br />
durch Modifikation eines »Gallenlipoproteins« entste<br />
llenden Lipoproteins X (Lp-X). Lp-X erscheint elektrophoretisch<br />
in der ß-Fraktion der LDL, obwohl es kein<br />
ApoB enthält. Wenn sich Leberzellen eines Hepatoms<br />
der Kontrolle der Synthese von Cholesterin über Rückkopplungshemmung<br />
durch mit LDL und Chylomikro<br />
nen-Remnants aufgenommenes Cholesterin entziehen,<br />
kommt es zu Cholesterinüborproduktion und Hyper<br />
cholesterinämie (vorwiegend LDL-Anstieg). Der Pathomechanismus<br />
der ansonsten vergleichbaren Hyper<br />
cholesterinämie bei akuter intermittierender Porphy<br />
rie ist noch unklar.<br />
Nierenerkrankungen: Beim nephrotischen Syndrom<br />
wird die Proteinsynthese der Leber durch das Absin<br />
ken des Plasma-Albuminspiegels (Albuminverlust<br />
durch Proteinurie) gesteigert. Da dieser Effekt unspezifisch<br />
ist, werden neben Albumin auch Apolipopro<br />
teine vermehrt produziert, und im Plasma nimmt die<br />
Konzentration von VLDL sowie seines Abbauprodukts<br />
LDL zu. Neben diesem »innocent bystander«-ENekt<br />
wird auch eine direkte, auf noch unbekanntem Weg<br />
erfolgende Stimulierung der VLDL-Synthese diskutiert.<br />
Bei zu Urämie führender Niereninsuffizienz ist der<br />
enzymatische Abbau der VLDL infolge verminderter<br />
Lipoproteinlipaseaktivität reduziert, so daß eine<br />
Ilypertriacylglycerinämie auftritt.<br />
Eine Dyslipoproteinämie kann auch Folge von Immun<br />
erkrankungen sein. Beim systemischen Lupus erythe<br />
matodes werden heparinbindende Antik<strong>ö</strong>rper gebil<br />
det, infolge Heparinmangels wird die Lipoproteinlipase<br />
nicht ausreichend aktiviert, und nach Absorption von<br />
Nahrungsfett persistieren die Chylomikronen im Blut.<br />
Ein anderer Mechanismus liegt der Hyperlipoproteinämie<br />
bei monoklonalen Gammopalhien (Makroglobulinämie,<br />
Myelome, Lymphome) zugrunde. Wenn sich<br />
pathologische Immunglobuline mit Lipoproteinen, wie<br />
VLDL oder VLDL-Remnants, zusammenlagern, schüt<br />
zen sie diese gegen den Abbau und steigern über die<br />
verlängerte Halbwertszeit ihre Plasmakonzentration.<br />
latrogene Hyperlipoproteinämien k<strong>ö</strong>nnen entstehen,<br />
wenn durch Zufuhr von Gallensäuren (z. B. zur medi-<br />
Typ Primäre St<strong>ö</strong>rung Sekundäre St<strong>ö</strong>rung<br />
I<br />
IIa<br />
(Lp-X)<br />
IIb<br />
Zuordnung der Hyperlipoproteinämietypen nach<br />
Fredrickson zu primären und sekundären Lipidstoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
Lipoproteinlipasemangel<br />
ApoBioo-Defekt<br />
polygene familiäre<br />
Hypercholesterin<br />
ämie<br />
Polygene familiäre<br />
Hypeiiipoproteinämie<br />
LDL-Rezeptor-Defekt<br />
Monoklonale<br />
Gammopathie<br />
Lupus erythematodes<br />
Nephrotisches<br />
Syndrom<br />
Dysglobulinämien<br />
Hypothyreose<br />
Cushing-Syndrom<br />
Intermittierende<br />
Porphyrie<br />
Hepatom<br />
Anorexia nervosa<br />
Cholestase<br />
Streßinduzierte<br />
Hyperlipidäniie<br />
Cushing-Syndrom<br />
Nephrotisches<br />
Syndrom<br />
Östrogenmangel<br />
III ApoH-Defekte Monoklonale<br />
Gammopalhien<br />
IV ApoA-Defekte Diabetes mellitus<br />
Akromegalie<br />
Urämie<br />
Hepatitis<br />
Überernährung<br />
Schwangerschaft<br />
Thiazid-Diuretika<br />
Streß-Hyperlipidämie<br />
Monoklonale<br />
Gammopathien<br />
V<br />
ApoC-II-Mangel<br />
ApoC-III-Überschuß<br />
ApoB-Überproduktion<br />
LCAT-Mangel<br />
Alkoholabusus<br />
Nephrotisches<br />
Syndrom<br />
Lipodystrophie<br />
Überernährung<br />
kanient<strong>ö</strong>sen Gallensteinaufl<strong>ö</strong>sung) die endogene Pro<br />
duktion von Gallensäuren, die das Hauptabbauprodukt<br />
des Cholesterins sind, gehemmt wird. Eine Ilyper<br />
triacylglycerinämie kann Nebenwirkung von 'Thiazid-<br />
Diuretika sein, die die VLDL-Synthese stimulieren. Zu<br />
den Medikamenten, die den LipidstolTwechsel beein<br />
flussen, zählen auch ß-Bezeptoren-Blocker (Anstieg<br />
von VLDL und LDL, Abnahme von HDL) und Antikonvulsiva,<br />
wie Phenytoin und Phenobarbital (TIDL-<br />
Zunahme). Eine klinische Relevanz der iatrogenen<br />
Dyslipoproteinämien ist nicht gesichert.
150 Endokrines System<br />
Sphingolipidosen<br />
Krankheit Defektes Enzym Gespeicherte Substanz<br />
Sphingomyelinoses (Niemaim-I'ick) Sphingomyelinase Sphingomyelin<br />
Morbus Gaucher ß-Glucosidase Glucocerebrosid<br />
Glohoidzellen-Leukodystrophie ß-Galaktosidase Galaktocerehrosid<br />
Metachromatische Leukodystrophie Sulfatidase Galaktocerebrosidsulfat<br />
Angiokeratoma corporis diffusum (Fabry) u-Galaktosidase A Ceramidtrihexosid<br />
Lipogranulomatose (Farber) Ceramidase Ceramid<br />
GMi-Gangliosidose ß-Galaktosidase GM|-Gangliosid<br />
GM2-Gangli0sid0.se (Tay-Sachs) Hexosaminidase A GM2-Gangliosi(l<br />
GM:!-Gangliosidose NAcGal-Transferase GMa-Gangliosid<br />
3.1.3 Klinik und Diagnostik der Dyslipoproteinämien<br />
Dyslipoproteinämien werden, wenn sie nicht hochgra<br />
dig sind, klinisch meist nur über die mit ihnen assozi<br />
ierten Komplikationen von Seiten des Herz-Kreislauf-<br />
Systems (Athcrosklorosefolgeii) auffällig oder als<br />
Zufallsbefund bzw. im Rahmen von Vorsorge-Laboruntersuchungen<br />
entdeckt.<br />
Bei Hyperlipidäniie k<strong>ö</strong>nnen sich Xanthome als<br />
Ansammlungen fettspeichernder Makrophagen, die zu<br />
Schaumzellen werden, in der Haut, aber auch in den<br />
Gefäßen und am Endokard ausbilden. Bei Hypertriacylglycerinämie<br />
ist schubweises Auftreten kleinpapul<strong>ö</strong>ser<br />
Xanthome (eruptive Xanthome), vorwiegend<br />
am Gesäß und an den Streckseiten der Extremitäten,<br />
charakteristisch. Xanthome bei Hypercholesterinämie<br />
entwickeln sich meist langsam plan, papul<strong>ö</strong>s oder<br />
tuber<strong>ö</strong>s am Ellenbogen, an den Knien oder am Gesäß,<br />
aber auch als Knoten an Sehnen (z. B. Achilles- oder<br />
Trizepssehne) oder als plane Xanthome im Bereich der<br />
Handlinien. Xanthelasmen als plane Xanthome an<br />
Augenlidern kommen auch bei normalem Plasmacholesterinspiegel<br />
vor. Gleiches gilt für den Arcus lipoides<br />
corneae, eine einem liegenden Halbmond ähnelnde<br />
Lipideinlagerung der Hornhaut. Bei seltenen Formen<br />
familiärer Hypercholesterinämie führen Cholesterineinlagenmgen<br />
in die Hornhaut zu 'Trübungen<br />
(Fischaugenkranklieil). Bei I lypertriacylglycerinämie<br />
ist häufig eine Netzhaiitlipämie zu beobachten.<br />
Wenn die Triacylglyceiiiikonzenlration im Plasma<br />
stark überh<strong>ö</strong>ht ist, kann im Gefäßbett der Bauchspei<br />
cheldrüse ein Abbau von Chylomikronen durch die<br />
Pankreaslipase mit überschießender Freisetzung von<br />
Spaltprodukten erfolgen und wahrscheinlich über<br />
lokal-toxische Wirkung zur Ausl<strong>ö</strong>sung einer akuten<br />
Pankreatitis führen. Schübe einer derartigen Pankreasreizung<br />
sind wahrscheinlich Grundlage der bei die<br />
sen Patienten durch fettreiche Nahrung provozier<br />
baren kolikartigen Bauchschmerzen.<br />
Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Dyslipoproteinämie<br />
ist eine differenzierende Messung der<br />
Plasma-Lipoproteinspiegel und ggf. der Apoproteine<br />
angezeigt.<br />
3.2 Lipidspeicherkrankheiten<br />
Begriffsbestimmung: Lipidspeicherkrankheiten (Lipidthesaurismosen)<br />
sind seltene, in der Regel autosomal<br />
rezessiv erbliche St<strong>ö</strong>rungen des Lipidstoffwechsels,<br />
insbesondere des Abbaus komplexer Lipide. Bei nor<br />
malerweise unauffälligen Blut-Lipidkonzentrationen<br />
werden die sich anstauenden Metaboliten u. a. von<br />
Makrophagen, Nerven- und Gliazellen aufgenommen<br />
und gespeichert.<br />
3.2.1 Sphingolipidosen<br />
Funktionsst<strong>ö</strong>rungen durch Einlagerung von Sphingolipiden<br />
oder von Zwischenprodukten ihres Abbaus<br />
betreffen vor allem die lüngeweide und das ZNS, z.T.<br />
auch die Haut und die Augen. Die klinische Manifesta<br />
tion erfolgt meist früh, und die Prognose ist infaust.<br />
Die häufigste Sphingolipidose ist der Morbus Tay-<br />
Sachs (infantile amaurotische Idiotie), bei der sich<br />
GM2-Gangliosid mit der anhängenden, wegen Hexosaminidasemangels<br />
nicht abspaltbaren N-Acetylneuraminsäure<br />
in Neuronen und Glia des ZNS ansammelt.<br />
Die Krankheit wird als allgemeine geistige und k<strong>ö</strong>rper<br />
liche Entwickliingsst<strong>ö</strong>rung mit Funktionsabbau bereits<br />
im ersten Lebensjahr symptomatisch, u. a. durch moto<br />
rische St<strong>ö</strong>rungen und abnorme Vergr<strong>ö</strong>ßerung des Kop<br />
fes. Bei der Augenspiegelung hebt sich von der durch<br />
Sphingolipidspeicherung der Ganglienzellen grauwei<br />
ßen perilbvealen Beginn die ganglienzellfreie Fovea<br />
centralis deutlich rot ab (kirschroter Makulafleck). Bei<br />
einer milderen Form mit nur verminderter Hexosaminidaseaktivität<br />
(juvenile GM2-Gangliosidose) mani-
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 151<br />
festiert sich der geistige Verfall erst im Kleinkindalter,<br />
und die Betroffenen k<strong>ö</strong>nnen bis 15 Jahre alt werden.<br />
Bei den selteneren GM|-Gangliosidosen. die in infan<br />
tile, juvenile und adulte Formen unterteilt werden<br />
k<strong>ö</strong>nnen, sind das ZNS (Motorik) und das Skelett in<br />
unterschiedlichem Ausmaß betroffen.<br />
Die Morbus Niemann-Pick genannte Sphingomyelinose,<br />
bei der Sphingomyelin in nahezu allen Geweben<br />
eingelagert wird (Hepatosplenomegalie), führt bereits<br />
im Kleinkindalter zu k<strong>ö</strong>rperlicher und geistiger Retar<br />
dierung und neurologischer Symptomatik (Spaslik,<br />
Bigor, Krämpfe, Demenz). Die Diagnose wird bioptisch<br />
oder durch Nachweis des Enzymdefekts an kultivierten<br />
Leukozyten oder Fibroblasten gesichert.<br />
Der Morbus Gaucher (Glucocerebrosid-Speicherkrankheit)<br />
betrifft vorwiegend das ZNS und das retikulohistiozytäre<br />
System. Die nach Manifestationsalter<br />
und Ausprägung stark variierende Symptomatik<br />
besteht in Hepatosplenomegalie, St<strong>ö</strong>rungen der Blut<br />
bildung (Anämie, Thrombozytopenie) und des Skelett<br />
systems (pathologische Frakturen) sowie in Ataxie,<br />
Krämpfen und Spastik.<br />
Bei den sehr seltenen Speicherkrankheiten der Globoidzellen-Leukodystrophie<br />
(Morbus Krabbe) und der<br />
metachromatischen Leukodystrophie setzt die psy<br />
chomotorische Symptomatik im 1. bis 2. Lebensjahr ein<br />
(abgesehen von den milder verlaufenden juvenilen<br />
Formen), und bei progredientem Verlauf kommt es<br />
noch im Kleinkindalter zum Exitus. Die ebenfalls sehr<br />
seltene disseminierte Lipogranulomatose beginnt mit<br />
knotenf<strong>ö</strong>rmigen Schwellungen der großen Gelenke<br />
und mit intestinalen Symptomen (Schluckst<strong>ö</strong>rungen,<br />
Erbrechen), bevor psychomotorische St<strong>ö</strong>rungen ein<br />
setzen.<br />
Beim im Unterschied zu den anderen Sphingolipidosen<br />
X-chromosomal rezessiv vererbten Morbus Fabry<br />
kommt es infolge Speicherung von Ceramidtrihexosid<br />
im Schulalter außer zur Ausbildung von tiefroten,<br />
hyperkeratotischen Papeln (Angiokeratom) zu Paräs<br />
thesien und stechenden Schmerzen. Im Erwachsenen<br />
alter entwickeln sich Herz-Kreislauf-Komplikationen<br />
und Niereninsuffizienz, die im 3. bis 4. Lebensjahr<br />
zehnt zum Tode führen.<br />
3.2.2 Steroid- und Phytansäure-Speicherkrankheiten<br />
Xanthome als Ablagerungen von Lipiden entstehen<br />
nicht nur bei Hyperlipidämien, sondern auch bei Auf<br />
stau von Metaboliten des Cholesterinstoffwechsels.<br />
Wenn infolge angeborener Enzymdefekte die<br />
Umwandlung von Cholesterin zu Gallensäuren auf der<br />
Stufe des Cholestanols stehenbleibt, lagert sich das<br />
Zwischenprodukt im ganzen K<strong>ö</strong>rper ab. Betroffen ist<br />
vor allem das ZNS (u. a. partielle Demyelinisierung).<br />
Daneben finden sich Cholestanol und Cholesterin ent<br />
haltende Xanthome an Sehnen, so daß das Krankheits<br />
bild als zerebrotendin<strong>ö</strong>se Xanthomatose bezeichnet<br />
wird. Eine weitere, sehr seltene erbliche Xanthoma<br />
tose beruht auf einer anormal hohen enteralen<br />
Absorption des Pflanzensteroids Sitosterin mit Sitosterinämie,<br />
die wie die Cholestanolämie bei zerebrotendin<strong>ö</strong>ser<br />
Xanthomatose zur Ausbildung von vor<br />
allem aus Cholesterin bestehenden Xanthomen im<br />
Subkutangewebe und an Sehnen führt.<br />
Eine autosomal rezessiv vererbte St<strong>ö</strong>rung des oxidativen<br />
Abbaus einer verzweigten gesättigten C2o-Nahrungsfettsäure,<br />
der Phytansäuro, ist Ursache von Phytanazidämie<br />
mit Phytansäureablagerung im Nerven<br />
gewebe. Diese nach ihrem Erstbeschreiber Morbus<br />
Refsum genannte Erkrankung manifestiert sich als<br />
Erkrankung des Nervensystems (Polyneuropathie, Ata<br />
xie, Seh-, H<strong>ö</strong>r- und Riechst<strong>ö</strong>rungen, Muskelatrophie),<br />
des Skeletts und des Herzens.<br />
3.2.3 Lipomatosen<br />
Bei dem seltenen, meist familiär gehäuften Auftreten<br />
symmetrisch multipler Lipome (ungekapselte Fettgewebsansammlungen)<br />
sind meist Männer betroffen.<br />
Beim Typ I (Morbus Madelung) finden sich Lipome<br />
insbesondere im Hals- und Schulterbereich (Stiernakken),<br />
k<strong>ö</strong>nnen sich aber auch ins obere Mediastinum<br />
erstrecken (Gefahr einer Kompression von Trachea<br />
oder Vena cava). Beim Typ II tritt die symmetrische<br />
Lipomatose nur im oberflächlichen Bumpf-Bauch-<br />
Bereich auf, und die Extremitäten und K<strong>ö</strong>rperh<strong>ö</strong>hlen<br />
bleiben frei. Bei der mediastino-abdominalen Lipo<br />
matose hingegen finden sich Lipome symmetrisch im<br />
Brust- und Bauchraum, wo sie durch Kompression der<br />
Atemwege und Erh<strong>ö</strong>hung des intraabdominellen Volu<br />
mens zu Beschwerden führen k<strong>ö</strong>nnen. Die Ursache<br />
der symmetrischen Lipomatosen ist unbekannt. Die<br />
Patienten zeigen häufig Symptome peripherer Neuro<br />
pathie und Stoffwechselanomalien (Ilypertriacylglyce<br />
rinämie, Hyperurikämie).<br />
3.3 Lipodystrophien<br />
Begriffsbestimmung: Lipodystrophien sind seltene,<br />
angeborene oder erworbene St<strong>ö</strong>rungen des Stoffwech<br />
sels der Adipozyten mit lokalisierter oder allgemeiner<br />
Fettgewebsatrophie. Sie gehen mit verminderter Glu<br />
cosetoleranz infolge Insulinresislenz (Hyperglykämie<br />
bei Hyperinsulinismus) und mit Ilypeiiipoproteinämie<br />
einher.<br />
Die generalisierte Lipodystrophie kann angeboren<br />
(Vererbung autosomal rezessiv) oder erworben sein.<br />
Eine Übermobilisierung der Lipolyse im Fettgewebe<br />
bei gleichzeitig vermindertem Nachschub an freien<br />
Fettsäuren (erniedrigte Aktivität der Lipoprotein<br />
lipase) führt zu Entleerung der Adipozyten. Die Haut<br />
dieser abgemagerten Patienten spannt sich ohne sub<br />
kutanes Fettpolster direkt über die Knochen. Zur<br />
gleichen Zeit werden die Leber und die Makrophagen<br />
mit Fettsäuren überladen (Leberverfettung und
152 Endokrines System<br />
Schaumzellbildung). Pathogenetisch wird eine Über<br />
produktion von lipolyseanregendcn Leukozyten-Botenstoffen,<br />
wie Kachektin (Tumornekrosefaktor), disku<br />
tiert. Der Energieumsatz ist trotz normaler Schilddrü<br />
senfunktion stark gesteigert, so daß auch liyperkalorische<br />
Ernährung nicht zu Gewichtszunahme führt.<br />
Durch die multiple Organbeteiligung ist die Lebens<br />
erwartung bei generalisierter Lipodystrophie verkürzt<br />
(Leber- oder Niereninsuffizienz oder Kreislaufkompli<br />
kationen als Todesursache).<br />
Die angeborene Form der partiellen Lipodystrophie<br />
wird autosomal dominant vererbt, tritt jedoch vorwie<br />
gend bei Frauen auf (Beginn mit der Pubertät). Die<br />
Fettgewebsatrophie ist auf Rumpf und Extremitäten<br />
beschränkt, Kopf und Hals sind ausgenommen. Erwor<br />
bene partielle Lipodystrophie betrifft ebenfalls vorwie<br />
gend Frauen, hat aber ein anderes Atrophie-Verteilungsmuster.<br />
Entleert werden die Fettdepots der obe<br />
ren K<strong>ö</strong>rperhälfte einschließlich des Gesichts, während<br />
die untere K<strong>ö</strong>rperhälfte, insbesondere die Beine, aus<br />
gespart bleiben. Die Ursache dieser Erkrankungen ist<br />
nicht geklärt. Lokalisierte Lipodystrophie ist meist<br />
Folge von subkutanen Injektionen von Insulin, Triam<br />
cinolon oder Impfstoffen. Lokaler Fettgewebsschwund,<br />
z.B. in Form anulärcr (zirkulärer) Lipodys<br />
trophie an Extremitäten, beruht auf bioptisch nach<br />
weisbarer entzündlicher Infiltration des Unterhautge<br />
webes. Der Pathomechanismus dieser Fettgewebsatro<br />
phie ist ebenfalls noch unklar.<br />
4 Kohlenhydratspeicherkrankheiten<br />
4.1 Mukopolysaccharidosen<br />
Begriffsbestimmung: Unter dem Sammelbegriff<br />
Mukopolysaccharidosen (MPS) werden verschiedene<br />
St<strong>ö</strong>rungen im lysosomalen Abbau von Glykosaminoglykanen<br />
zusammengefaßt.<br />
Pathogenese: Glykosaminoglykane sind linear gebaute<br />
Polymere aus Disaccharideinheiten. Die Disaccharide<br />
enthalten je einen azetylierten Aminozucker (N-Acetyl-<br />
Glucosamin oder N-Acetyl-Galaktosamin) sowie eine<br />
zur Uronsäure oxidierte Aldose (Glucuronsäure oder<br />
Iduronsäure) oder Galaktose. Die Glykosaminoglykane<br />
Chondroitin, Dermatan, Keratan, Heparan und Hyal<br />
uronsäure sind aus unterschiedlichen Disacchariden<br />
aufgebaut. Mit Ausnahme der Hyaluronsäure enthal<br />
ten sie an vielen Stellen der Disaccharidkette esterartig<br />
gebundene Schwefelsäurercste, die den Molekülen<br />
zusammen mit den Karboxylresten anionischen Cha<br />
rakter verleihen. Im Organismus bilden kovalent an<br />
Eiweißmoleküle geheftete Glykosaminoglykane als<br />
Proteoglykane wesentliche Strukturelemente der<br />
interzellulären Matrix (im Knorpelgewebe etwa die<br />
Hälfte der Trockenmasse). Auch hier bildet Hyaluron<br />
säure eine Ausnahme, denn sie bindet sich nicht an<br />
Proteine. Ihre großen Moleküle (molare Masse ca. 106)<br />
sind z. B. für die hohe Viskosität der Synovialflüssigkeit<br />
verantwortlich.<br />
Die Glykosaminoglykane werden relativ rasch umge<br />
schlagen. Die Halbwertszeit für Chondroitinsulfat liegt<br />
bei 7 bis 10 Tagen, die für Hyaluronsäure bei 2 bis<br />
4 Tagen. Der Abbau der Glykosaminoglykane erfolgt<br />
nach Endozytose der Moleküle in den Lysosomen.<br />
Wenn die Aktivität eines der am Glykosaminglykanabbau<br />
beteiligten Enzyme infolge eines Gendefekts ver<br />
mindert ist, staut sich das Substrat des betroffenen<br />
Enzyms in den Lysosomen an (Glykosaminoglykan-<br />
Speicherkrankheiten oder Mukopolysaccharidosen).<br />
Die Glykosaminoglykansynthese ist bei Mukopolysac<br />
charidosen nicht beeinträchtigt. Je nach geschädigtem<br />
Enzym ergeben sich unterschiedliche Krankheitsbil<br />
der. Der Erbgang ist autosomal rezessiv mit Ausnahme<br />
des Typ II (s. u.), der X-chromosomal vererbt wird.<br />
Klinik: Wenn der klinische Verdacht auf eine Mukopolysaccharidose<br />
bestellt, erm<strong>ö</strong>glicht die Urinunter<br />
suchung auf Glykosaminoglykane (angestaute Metabo<br />
liten des Abbaus werden renal ausgeschieden) eine<br />
vorläufige Diagnose. Zur Diagnosesicherung ist der<br />
Nachweis des Enzymdefekts in Fibroblasten, ggf. auch<br />
in Leukozyten oder im Plasma erforderlich.<br />
Patienten mit schwererer (Morbus Hurler) oder leich<br />
terer (Morbus Scheie) Form der MPS vom Typ I weisen<br />
eine progressive Hornhauttrübung auf. Beim Morbus<br />
Hurler ist das Wachstum schwer gest<strong>ö</strong>rt (dysproportionierter<br />
Minderwuchs, vergr<strong>ö</strong>berte Gesichtszüge, Skelettanomalitäten<br />
als Dysostosis multiplex, Hepatosple<br />
nomegalie, Herzfehler). Die Kinder zeigen einen<br />
zunehmenden zerebralen Abbau und sterben meist vor<br />
dem 10. Lebensjahr. Bei Patienten mit Morbus Scheie<br />
sind Wachstum und geistige Entwicklung normal.<br />
Neben der Hornhauttrübung ist das Auftreten von<br />
Gelenkkontrakturen und Knochenzysten typisch.<br />
Beim Morbus Hunter, der MPS vom Typ II, kommen<br />
schwere Verlaufsformen mit Symptomatik wie bei<br />
Morbus Hurler (nur ohne Hornhauttrübung) und Tod<br />
vor dem 15. Lebensjahr vor. Auch bei leichteren For<br />
men, bei denen Gelenkkontrakturen und Schwerh<strong>ö</strong>rig<br />
keit typisch sind, ist die Lebenserwartung reduziert (30<br />
bis 60 Jahre). Die inneren Organe sind häufig vergr<strong>ö</strong><br />
ßert, die geistige Leistungsfähigkeit ist normal bis<br />
mäßig vermindert.<br />
Als MPS vom Typ III (Morbus Sanfilippo) manifestie<br />
ren sich vier verschiedene Enzymdefekte klinisch<br />
gleichartig mit Schwerpunkt auf der zerebralen Sym<br />
ptomatik. Ab dem 3. bis 5. Lebensjahr lallen Verhal<br />
tens- und Lernst<strong>ö</strong>rungen auf. Später kommen schwere<br />
Durchfälle (St<strong>ö</strong>rungen des intrinsischen Darmnerven<br />
systems), Krämpfe und spastische Muskeltonussteige-
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 153<br />
Klassifizierung der Mukopolysaccharidosen<br />
Typ (MPS) Name (Morbus) Defektes linzym Anstau von<br />
1 II Hurler u-Iduronidase DS/IIS<br />
IS Scheie a-Iduronidase DS/HS<br />
II Hunter Iduronat-S-Sulfatase DS/IIS<br />
III A Sanfilippo A Heparan-N-Sulfamidase HS/CS<br />
iiiß Sanfilippo B N-Acetyl-a-Glucosaminidase HS/CS<br />
III c Sanfilippo C N-Acetyl-Transferase HS/CS<br />
III D Sanfilippo 1) N-Acetylglucosamin-6-Sulfatase HS/CS<br />
IVA Morquio A N-Acetylgalaktosamin-6-Sulfatase KS/CS<br />
IVB Morquio B ß-Galaktosidase KS/CS<br />
VI Lamy-Marotoaux Arylsulfatase B DS/IIS<br />
VII Sly ß-Glucuronidase CS<br />
DS = Dermatansulfat, KS = Keratansulfat, CS = Cbondroitinsulfat, HS = Heparansulfat<br />
rung dazu. Die Patienten sterben bei progredientem<br />
Verlauf meist vor dem 20. Lebensjahr.<br />
Die MPS vom Typ IV (Morquio-Syndrom), die auf zwei<br />
unterschiedlichen Enzymst<strong>ö</strong>rungen beruhen kann,<br />
betrifft vor allem das Skelett. Es kommt zu dysproportioniertem<br />
Minderwuchs bei schwerer Deformierung<br />
von Wirbelsäule und 'Thorax. Die Hornhaut trübt sich,<br />
wenn auch nicht so stark wie bei der MPS vom Typ I.<br />
Zerebrale St<strong>ö</strong>rungen fehlen.<br />
Bei der MPS vom Typ VI bzw. dem Maroteaux-Lamy-<br />
Syndrom (die MPS V wird nach Aufklärung des Enzym<br />
defekts als MPS I S eingestuft) sind die Symptome<br />
denen bei MPS I II (Hurler) vergleichbar, nur daß die<br />
Intelligenz normal bleibt. Gefährlich für die Patienten,<br />
die 40 bis 50 Jahre alt werden, ist insbesondere das<br />
häufige Auftreten von infiltrativer Kardiomyopathie.<br />
Die seltene MPS vom 'Typ VII (Sly-Syndrom) reicht in<br />
der Ausprägung vom letalen Hydrops letalis über dem<br />
Morbus Hurler ähnliche Krankheitsbilder bis zu leich<br />
ten Formen, bei denen bei normaler geistiger Entwick<br />
lung und nur geringen Skelettabnormitäten die<br />
Lebenserwartung nicht verkürzt ist.<br />
4.2 Glykogenosen<br />
Begriffsbestimmung: Glykogenosen sind eine hetero<br />
gene Gruppe von Speicherkrankheiten, die durch auto<br />
somal rezessiv vererbte Defekte von an Glykogensynthese<br />
oder -abbau beteiligten Enzymen verursacht<br />
werden.<br />
Ein Defekt der Glucose-6-phospliatase, die aus dem<br />
durch Glykogenabbau und bei der Gluconeogenese<br />
entstehenden Glucose-6-pliosphat freie Glucose ab<br />
spaltet, führt zur hepatorenalen Glykogenspeicherkrankheit<br />
(Morbus von Gierke). Die betroffenen Kinder<br />
bleiben im Wachstum zurück. Die massive Leberver<br />
gr<strong>ö</strong>ßerung führt zu einem stark vorgew<strong>ö</strong>lbten Abdo<br />
men, während die Vergr<strong>ö</strong>ßerung der Nieren klinisch<br />
weniger auffällt. Da die Leber nicht genügend Glucose<br />
ins Blut abgeben kann, sind hypoglykämische Episo<br />
den mit entsprechenden klinischen Symptomen<br />
(Krämpfe usw.) häufig. Der Abbau des sich anstauen<br />
den Glucose-6-phosphats über die Glykolyse führt zu<br />
einer Erh<strong>ö</strong>hung des Milchsäurespiegels im Blut.<br />
Gest<strong>ö</strong>rt sind auch der hepatische LipidstolTwechsel<br />
(Anstieg vor allem des LDL im Plasma, Xanthomatose),<br />
der Purinstoffwechsel mit gesteigerter Synthese und<br />
verminderter renaler Elimination von Harnsäure<br />
(Hyperurikämie mit Gichtsymptomatik) und die Hämostase<br />
(hämorrhagische Diathese). Die klinische Ver<br />
dachtsdiagnose wird durch Bestimmung der Glucose-<br />
6-phosphatase-Aktivität in einer I.eberbiopsie gesi<br />
chert.<br />
Der Defekt der u-l,4-Glucosidase führt beim Morbus<br />
Pompe zu generalisierter Glykogenablagerung. Die<br />
betroffenen Kinder versterben meist im ersten Lebens<br />
jahr infolge kardiorespiratorischer Insuffizienz.<br />
Beim Morbus Cori k<strong>ö</strong>nnen die 1,6-Verzweigungen des<br />
Glykogens nicht gespalten werden, und es kommt zur<br />
Ablagerung von Glykogeiibruchstücken (Dextrinen) in<br />
Leber und Muskulatur. Die klinische Symptomatik ist<br />
ähnlich, wenn auch milder als die bei Typ-I-Glykogenose<br />
(von Gierke). Zusätzlich kommt es zu Herzvergr<strong>ö</strong><br />
ßerung und Skelettmuskelschwäche.<br />
Der Morbus Andersen (Amylopektinose) ist extrem<br />
selten. Der Enzymdefekt verhindert die normale Ver-
154 Endokrines System<br />
Glykogenstoffwechselst<strong>ö</strong>rungen<br />
'Typ Morbus Defektes Enzym Betroffene Organe<br />
I von Gierke Glucose-6-phosphatase Leber, Niere<br />
ii Pompe u-l,4-Glucosidase Herz, Skelett<br />
in Cori Amylo-l,6-Glucosidase Leber, Muskel<br />
IV Andersen a-l,4-Glucan: u-l,4-Glucan-6-<br />
Leber, Herz<br />
glykosyltransferase<br />
V McArdle Phosphorylase (Muskel) Skelettmuskel<br />
VI Hers Phosphorylase (Leber) Leber<br />
VII 'Tarui Phosphofructokinase Skelettmuskel<br />
VIII Hug Phosphorylase-b-kinase Leber<br />
zweigung des neu synthetisierten Glykogenmoleküls,<br />
und in der Leber akkumuliert ein anormales, im<br />
Jodierungsmuster dem Amylopektin ähnliches Poly<br />
saccharid. Es kommt bald nach der Geburt zur Lebervergr<strong>ö</strong>ßerung<br />
und zu einer Leberzirrhose, die zum Tod<br />
in den ersten Lebensjahren führt.<br />
Der Morbus McArdle, bei dem der Glykogenabbau im<br />
Muskel gest<strong>ö</strong>rt ist, äußert sich als Muskelfunktionsst<strong>ö</strong>rung<br />
(Schwäche, Krämpfe) bei langdauernder intensi<br />
ver Arbeit. Die Muskelfasern sind auf die aerobe<br />
Energiegewinnung aus freien Fettsäuren und aus der<br />
aus dem Blut aufgenommenen Glucose angewiesen,<br />
denn das (reichlich gespeicherte) Muskelglykogen<br />
kann nicht verwertet werden. Entsprechend fehlt bei<br />
diesen Patienten auch der Anstieg der Blutmilchsäure<br />
bei schwerer Muskelarbeit.<br />
Bei Morbus Hers und bei der Glykogenose Typ VIII ist<br />
der Abbau des Leberglykogens gest<strong>ö</strong>rt. Es kommt zu<br />
mäßiger Lebervergr<strong>ö</strong>ßerung, und falls klinische Sym<br />
ptome auftreten, entsprechen sie einer milden Form<br />
der Typ-I-Glykogenose.<br />
Beim extrem seltenen Phosphofructokinasemangel als<br />
Typ-VII-Glykogenose ist die Glykolyse gest<strong>ö</strong>rt, und es<br />
kommt zur Akkumulation von Fructose-6-phosphat<br />
und Glucose-6-phosphat, der Ausgangsverbindung für<br />
die Glykogensynthese. Die Glykogenbildung insbeson<br />
dere des Skelettmuskels ist erh<strong>ö</strong>ht, und infolge ver<br />
mehrter Glykogeneinlagerung ist die Muskelfunktion<br />
beeinträchtigt.<br />
5 Gicht<br />
Begriffsbestimmung: Gicht ist ein Sammelbegriff für<br />
Krankheiten des Skeletts und der Weichteile, die durch<br />
Ausf'ällung von Natriumuratkristallen im Gewebe aus<br />
gel<strong>ö</strong>st werden.<br />
Pathogenese: Harnsäure ist beim Menschen das End<br />
produkt des Abbaus von endogen synthetisierten und<br />
mit der Nahrung aufgenommenen Purinbasen, die<br />
Bestandteil der DNA, der BNA, energiereicher Verbin<br />
dungen (ATP, GTP) und Botenstoffe (cAMP) sind. Aus<br />
endogenen und in der Nahrung enthaltenen Purinen<br />
werden pro Tag 0,5 bis 1 g Harnsäure gebildet. Etwa<br />
zwei Drittel davon werden über den Urin, der Best<br />
über Verdauungssekrete ausgeschieden, wobei die in<br />
den Darm gelangende Harnsäure durch Bakterien zu<br />
Allantoin verstoffwechsell wird. Insgesamt enthält der<br />
Organismus 0,9 bis 1,6 g (Männer) bzw. 0,5 bis 0,7 g<br />
Harnsäure (Frauen vor der Menopause, danach An<br />
näherung an die Werte von Männern). Die mittlere<br />
Harnsäurekonzentration im Plasma liegt bei 5,5 mg/dl<br />
bzw. 0,33 mmol/I (Männer) und 4,5 mg/dl bzw.<br />
0,27 mmol/l (Frauen). Ab einem oberen Grenzwert von<br />
7,0 mg/dl Harnsäure für Männer und 6,0 mg/dl für<br />
Frauen spricht man von Hyperurikämie.<br />
Im Gewebswasser l<strong>ö</strong>sen sich bei 37° C und pH 7.4 etwa<br />
7 mg/dl bzw. 0,4 mmol/l Harnsäure. Bei Abkühlung<br />
verschlechtert sich die L<strong>ö</strong>slichkeit, ebenso bei Ansäuerung,<br />
wenn der Anteil der undissoziierten, sehr<br />
schlecht l<strong>ö</strong>slichen Form der Harnsäure zunimmt.<br />
Wenn die Temperatur auf 30° C (ein in den Fußweichteilen<br />
normaler Wert) sinkt, liegt die Harnsäurel<strong>ö</strong>slichkeit<br />
nur noch bei 4,5 mg/dl. Dies bedeutet, daß bereits<br />
bei normaler Harnsäurekonzentration im Plasma lokal<br />
eine Harnsäureübersättigung vorliegt. Daß sich trotz<br />
dem keine Tlarnsäureablagerungen im Gewebe bilden,<br />
wird durch Schutzfaktoren (noch nicht identifizierte<br />
Proteine) verhindert, die die Aggregation der Uratkristalle<br />
und ihr Wachstum blockieren. Diese Interindivi<br />
duell unterschiedliche Schutzwirkung reicht mit stei<br />
gender Harnsäurekonzentration früher oder später<br />
nicht mehr aus. Daher stellt eine Hyperurikämie ein<br />
mit zunehmender Harnsäurekonzentration steil wach<br />
sendes Bisiko für das Auftreten von Gicht dar. Im<br />
Konzentrationsbereich von 7 bis 8 mg/dl Harnsäure ist<br />
mit einer Gichterkrankungsrate von ca. 16% zu rech<br />
nen, während ab 9 mg/dl bei über 90% der Patienten
N. Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 155<br />
Gichtsymptome zu erwarten sind. Generell ist die<br />
Neigung zur Ausfüllung von Harnsäurekristallen<br />
(hauptsächlich Natriumurat) bei Männern h<strong>ö</strong>her als<br />
bei Frauen, und sie kommt häufig erst nach jahrzehn<br />
telanger Hyperurikämie zum Tragen. Weil der Tlarnsäurespiegel<br />
bei prädisponierten Männern meist mit<br />
der Pubertät, bei Frauen erst nach der Menopause<br />
ansteigt, ist der Patient mit erstmaliger Gichtmani<br />
festation (akuter Gichtanfall) typischerweise ein Mann<br />
jenseits des 30. Lebensjahrs.<br />
Ursache für einen Aufstau von Harnsäure im K<strong>ö</strong>rper<br />
mit Anstieg von Harnsäurepool und -konzentration ist<br />
meist eine unzureichende renale Exkretion. Die Elimi<br />
nierung von Harnsäure über die Niere ist ein komple<br />
xer Prozeß. Die in den Primärharn filtrierte Harnsäure<br />
wird in den Nierenkanälchen fast vollständig reabsorbiert.<br />
Daneben erfolgt paradoxerweise eine Sekretion,<br />
wobei die ins Tiibuluslumen transportierte Harnsäure<br />
wiederum teilweise reabsorbiert wird. Insgesamt<br />
beträgt die mit dem Urin ausgeschiedene Harnsäure<br />
menge nur etwa 10% der im Primärharn enthaltenen.<br />
Die Niere verfügt somit über eine hohe Exkrotionsroserve.<br />
die ihr erm<strong>ö</strong>glicht, selbst bei Insuffizienz mit<br />
Abfall der glomerulären Filtrationsrate von 100 bis<br />
200 ml/min auf 10 ml/min durch verringerte Reab<br />
sorption für eine ausreichende Eliminierung von Harn<br />
säure zu sorgen. Wie effizient die renale Ausscheidung<br />
von Harnsäure sein kann, zeigt sich bei Patienten mit<br />
isolierter St<strong>ö</strong>rung des renalen Hariisäurerücktransports,<br />
deren Harnsäurekonzentration im Plasma unter<br />
1 mg/dl liegt.<br />
Bei primärer Hyperurikämie ist in der Begel die<br />
Sekretion von Harnsäure im Nierentubulus vermindert<br />
und die Reabsorption normal. Welche Mechanismen<br />
für diese Fehlregulation verantwortlich sind, ist noch<br />
ungeklärt. Entsprechendes gilt für die sekundäre<br />
Hyperurikämie mit Reduzierung der renalen Harnsäure-Clearance<br />
infolge Sekretionshemmung durch<br />
Laktatazidose, Ketoazidose, Ethylalkohol und durch<br />
Dehydratation. Eine gesteigerte Purinsynthese, die zu<br />
vermehrtem Anfall des Abbauprodukts Harnsäure<br />
führt, kann Ursache sowohl primärer als auch sekun<br />
därer Hyperurikämie sein, aber entscheidend für den<br />
Harnsäureanstieg ist meist das Versagen der renalen<br />
Kontrolle.<br />
Ein X-chromosomal vererbter Defekt des Enzyms, das<br />
den Phosphoribosyl-Traiisfer von Phosphoribosylpyrophosphat<br />
(PRPP) auf Hypoxanthin unter Bildung von<br />
Inosinsäure und auf Guanin unter Bildung von Guanylsäure<br />
katalysiert, führt zu Überproduktion von Puri<br />
nen durch Aufstau des Synthesesubstrats PRPP und<br />
Verminderung der Rückkopplungshemmung der<br />
Purinsynthese durch IMP (Inosin-5'-monophospliat)<br />
und GMP (Guanosinmonophosphat). Dieses sel<br />
tene Lesch-Nyhan-Syndrom (Prävalenz 1:10') ist<br />
außer durch Hyperurikämie durch zentralnerv<strong>ö</strong>se<br />
Symptomatik (Spastizität, Athetose, mentale Retarda-<br />
Hyperurikämieursachen<br />
Erh<strong>ö</strong>hte Purinsynthese<br />
Enthemmung<br />
des Purinabbaus,<br />
vermehrter Zellzerfall<br />
Verminderte<br />
renale llarnsäureausscheidung<br />
Genetisch bedingt, u. a. bei<br />
Überaktivität der Phospho-<br />
ribosylpyrophosphat-<br />
Synthetase,<br />
Lesch-Nyhan-Syndrom,<br />
Glykogenose 'Typ 1<br />
Alkohol<br />
Fructose- oder Xylitzufuhr,<br />
Strahlentherapie,<br />
zytostatische 'Therapie,<br />
Leu kosen, Polyzythämie,<br />
hämolytische Anämien,<br />
Muskelzelluntergang nach<br />
'Traumen oder Überlastung<br />
Genetisch bedingt<br />
Laktat- und Ketoazidosen,<br />
Dehydratation, Saluretika,<br />
Salizylate, Bleivergiftung,<br />
Niereninsuffizienz<br />
tion, Autoaggressionsneigung) und Wachstumsst<strong>ö</strong>rungen<br />
gekennzeichnet.<br />
Die Aüsfällung von Harnsäurekristallen erfolgt bevor<br />
zugt im Knorpelgewebe, im epiphysealen Knochen, in<br />
periartikulären Strukturen und nicht zuletzt in der<br />
Niere. Die nadeif<strong>ö</strong>rmigen Kristalle werden von neutro<br />
philen Granulozyten phagozytiert und in Phagolysosomen<br />
eingeschleust. Sie k<strong>ö</strong>nnen aber nicht aufgeschlos<br />
sen werden, perforieren die Membran dieser Zellorga<br />
nellen und führen zum Austritt der lysosomalen<br />
Enzyme und sonstigen toxischen Inhaltsstoffe. Die<br />
Leukozyten gehen zugrunde, und die aus ihnen freige<br />
setzten Botenstoffe, toxischen Verbindungen und<br />
Enzyme l<strong>ö</strong>sen eine lokale Entzündungsreaktion aus.<br />
Außerdem k<strong>ö</strong>nnen die Harnsäurekristalle über den<br />
Hageman-Faktor das Kallikrein-Kinin-System und<br />
über den klassischen Weg das Komplementsystem<br />
aktivieren und so zusätzlich entzündungsausl<strong>ö</strong>send<br />
wirken. Neben der akut entzündlichen Beaktion kann<br />
es zu lokaler Gewebsnekrose mit Proliferation von<br />
Fibroblasten und Fremdk<strong>ö</strong>rperreaktion kommen. Mas<br />
sive multizentrische Ablagerungen von Harnsäurekri<br />
stallen, die vor allem im Knorpel, im Subkutangewebe<br />
und an Sehnenscheiden vorkommen, sind von mononukleären<br />
/eilen (Granulome) und von chronisch ent<br />
zündlich verändertem Bindegewebe umgeben (Gichttophi).<br />
In der Niere k<strong>ö</strong>nnen sich die Harnsäurekristalle<br />
außer als Tophi auch disseminiert interstitiell ablagern<br />
oder bei Ilyperurikosurie durch Bildung in den Sam<br />
melrohren zu obstruktiver Nephropathie führen.<br />
Klinik: Der erste akute Gichtanfall tritt in der Begel<br />
als Monoarthritis vor allem des Großzehengrundge<br />
lenks auf (»Podagra«). Bei vorbestehender Hyperurik<br />
ämie k<strong>ö</strong>nnen Operationen oder Traumen, ungew<strong>ö</strong>hnte
156 Endokrines System<br />
k<strong>ö</strong>rperliche Anstrengungen, überreichliches Essen<br />
oder Alkoholexzesse als Ausl<strong>ö</strong>ser wirken. Der Anfall<br />
beginnt vorzugsweise nachts. Innerhalb von Stunden<br />
kommt es zu schmerzhafter Schwellung und roter bis<br />
livider Verfärbung des betroffenen Gelenks sowie zu<br />
einer allgemeinen Entzündungsreaktion mit Fieber<br />
(Akute-Phase-Reaktion). Der akute Gichtanfall klingt<br />
auch ohne Behandlung in wenigen Tagen bis Wochen<br />
ab. Es schließt sich ein symptomloses Intervall an, die<br />
sog. interkritische Phase. Wenn der Harnsäurespiegel<br />
nicht gesenkt wird, kommt es meist innerhalb des<br />
ersten Jahres zum Anl'allrezidiv. Mit zunehmender<br />
Krankheitsdauer häufen sich die Anfälle, greifen auf<br />
mehr Gelenke über und werden schwerer (Polyarthri<br />
tis). Das chronische Stadium, das nur bei unzurei<br />
chender ärztlicher Versorgung nach etwa zehn Jahren<br />
erreicht wird, ist durch destruktive, deformierende<br />
Polyarthritis und massive lokale Ablagerung von Uratkristallen<br />
(Gichttophi) charakterisiert. Prädilektions<br />
stellen für die Ausbildung von Gichttophi sind neben<br />
dem Großzehengrundgelenk die Ohrmuscheln, die<br />
Hand und der Olekranonbereich. Der Harnsäurepool<br />
des K<strong>ö</strong>rpers, der bei Hyperurikämie auf 3 bis 5 g<br />
(normal 0,7 bis 1,6 g) ansteigt, kann durch Tophusbildung<br />
auf über 30 g zunehmen.<br />
Diagnostik: An primäre Gicht muß außer bei der<br />
typischen akuten Monarthritis (die allerdings häufig<br />
als rheumatoide Arthritis fehldiagnostiziert wird) vor<br />
allem bei rezidivierenden Nierenst<strong>ö</strong>rungen (Protein<br />
urie, Mikrohämaturie, Nephrolithiasis) gedacht wer<br />
den. Eine Nierenschädigung entwickelt sich häufig<br />
bereits vor der Gelenkmanifestation der Gicht. Hin<br />
weise auf das m<strong>ö</strong>gliche Vorliegen von primärer Gicht<br />
liefern die Familienanamnese (mindestens jeder<br />
zehnte Gichtkranke ist familiär vorbelastet) und die<br />
Allgemeinuntersuchung, denn Gicht ist häufig mit Adi<br />
positas und arterieller Hypertonie vergesellschaftet.<br />
Bei laborchemisch gesicherter Hyperurikämie sollte<br />
nach St<strong>ö</strong>rungen des Kohlenhydratstoffwechsels (Dia<br />
betes mellitus) und des Fettstoffwechsels (Hyperlipid<br />
äniie, Fettleber) gefahndet werden, die im Verlauf einer<br />
Gichterkrankung gehäuft auftreten.<br />
Die Diagnose Gicht wird allgemein durch den mehrfa<br />
chen Nachweis weit überh<strong>ö</strong>hter Harnsäurespiegel im<br />
Plasma (Bestimmung bei normaler Diät und nach<br />
Absetzen von die renale Harnsäure-Clearance beein<br />
flussenden Medikamenten) und lokal durch den polarisationsmikroskopischen<br />
Nachweis von Harnsäurekri<br />
stallen in durch Punktion gewonnener Synovialflüssigkeit<br />
(insbesondere bei Lokalisation in polymorphkerni<br />
gen Leukozyten) gesichert. Zur Feststellung einer Nie<br />
renbeteiligung ist auch bei normalem Urinbefund ein<br />
Infusionsurogramm indiziert.
157<br />
O. Sachverzeichnis<br />
Acervuli cerebri 5<br />
ACTH (adrenokortikotropes<br />
Hormon) 20<br />
-. Syndrom, ektopes 139<br />
-, Überproduktion 65<br />
Adenohypophyse 2f.<br />
ADH (antidiuretisches Hormon) 20, 23<br />
-, Sekretion, inadäquat hohe 66<br />
-, Syndrom, ektopes 140<br />
Adipositas 143<br />
Adiuretin 23<br />
Adrenalin 27<br />
Adrenalitis 99<br />
Adrenoleukodystrophie 104<br />
Adrenomyeloneuropathie 103<br />
Ag-NOR 57<br />
AGS (adrenogenitales Syndrom) 104<br />
Akromegalie 64<br />
Alhright-Osteodystrophie 92<br />
Aldehyd-Fuchsin-Färbung 54<br />
Aldosteron 29<br />
Alpha-Zellen 9<br />
Amine, biogene 43<br />
Amyloid, C-Zellen-Karzinom 81. 83<br />
Anatomie 2<br />
Anderson-Syndrom 139<br />
Androgene 30, 34<br />
Androgenproduktion, Kegelkreise 36<br />
Angiokeratoma corporis diffusum 150<br />
Angiotensin 38 f.<br />
Angiotensinasen 38<br />
Angiotensinogen 38<br />
ANH (atriales natriuretisches<br />
Hormon) 40<br />
Antidiuretin 20<br />
Anti-Müller-Hormon 35, 121<br />
ApoC-II-Mangel 146<br />
Apolipoproteine 44<br />
Apoproteine 45<br />
Apparat, juxtaglomerulärer 38<br />
Appendixkar/inoid 134<br />
Argentaffinom 132<br />
Arginin-Vasopressin 23<br />
Arteriographie 52<br />
A-Zellen 9<br />
A-Zellen-Tumor 117<br />
Basedow-Erkrankung 85<br />
Bauchspeicheldrüse s. Pankreas<br />
Beischilddrüsen s. Epithelk<strong>ö</strong>rperchen<br />
Beta-Zellen 9<br />
Blutzuckerspiegel 31<br />
Bombesin 12<br />
Botenstoffe 15<br />
Bradykinin 40<br />
Broca-Index 143<br />
B-Zellen 10<br />
B-Zellen-Tumor 118<br />
Calmodulin 18<br />
CCKom 120<br />
CCK-Zellen (Cholezystokinin-<br />
Zellen) 11<br />
CETP (Cholesterinester-Transferprotein)<br />
46<br />
Chiasmakompression 60<br />
Cholesterinester-Transferproteine 46<br />
-. Mangel 147<br />
Cholezystokinin 38<br />
Choriongonadotropin, humanes 32<br />
Chorion-Somniatomammotropin,<br />
humanes 33<br />
Chromierung, histologische 54<br />
Chromosomenaberrationen 124<br />
Chylomikron 45, 145<br />
Computertomographie 52<br />
Conn-Syndrom 107<br />
Corpora arenacea 5<br />
Corpus luteum 14, 34<br />
- pineale 5<br />
, Tumoren 67<br />
Cortisol 28<br />
CHI I (Corlicotropin-Releasing-<br />
Hormon) 20<br />
CSF (colony stimulating factor) 42<br />
Cushing-Syndrom 65, 105, 107, 139<br />
-, paraneoplastisches 105<br />
C-Zellen (Kalzitonin-Zellen) 6<br />
C-Zellen-Karzinom 81<br />
Dehydroepiandrosteron 30<br />
Delta-Zellen 10<br />
Delta-1-Zellen 10<br />
- Tumor 120<br />
Desmin 54<br />
D-Hormon 26<br />
Diabetes insipidus 66<br />
- mellitus 109<br />
Dignität endokriner Tumoren 55<br />
Dihydroandrosteron 30<br />
Dihydrotestosteron 34<br />
DNS (diffuses neuroendokrines<br />
System) 128<br />
Doege-Potter-Syndrom 139<br />
Dopamin 22 f.<br />
Drüsen, endokrine 1<br />
D-Tumor 119<br />
Dumping-Hypoglykämie 115<br />
Dynorphin 42<br />
Dyslipidämien 145f., 148<br />
Dyslipoproteinämien 148<br />
D-Zellen s. Delta-Zellen<br />
EC (enterochromaffin) 10, 120, 133<br />
EC-Karzinoide 133<br />
EC-Zellen 10<br />
EC-Zellen-Tumor 120<br />
EGF (epithelial growth factor) 41<br />
Hikosanoide 16, 35<br />
Hlektronenmikroskopie 54<br />
EMA (epithelial membrane<br />
antigen) 54<br />
Endokrinologie 1<br />
Endokrinopathien, multiple<br />
endokrine 142<br />
Endomorphin 42<br />
Enkephaline 42<br />
Knolase, neuronspezifische 12, 54<br />
Enteroglukagon 38<br />
Enzymdefekte 153f.<br />
Epiphyse 5<br />
Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 7<br />
-, Adenom 89f.<br />
-, aktivierte 96<br />
-, Entzündungen 89<br />
-, Eehlbildungen 89<br />
-, Eettgehalt 97<br />
-, Funktionsst<strong>ö</strong>rungen 91<br />
-, Hormone 24<br />
-.Hyperplasie 91,96<br />
-. intraoperative Beurteilung 96<br />
-, Karzinom 90<br />
-, Metastasen 90<br />
-, Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 89<br />
-, supprimierte 96<br />
-, tumorartige Veränderungen 91<br />
-. WHO-Tumorsystematik 89<br />
EPS (erythropoietic producing<br />
substance) 141<br />
Erythropoetin 42<br />
Exophthalmus 87<br />
Faktor VIII 54<br />
Feminisierung 121<br />
Fetopathia diabetica 112<br />
Fettsucht 143<br />
Fibroblasten-Wachstumsfaktoren 42<br />
Fischaugenkrankheit 145<br />
Fixierung, Gewebe 54<br />
Follikelepithelzellen 14<br />
Follikelreifung 34<br />
Forssel-Syndrom 141<br />
Freisetzungshormone 20<br />
Fructoseintoleranz 115<br />
FSH (follikelstimulierendes<br />
Hormon) 20<br />
Punktionsdiagnostik, histologische 55<br />
F-Zellen s. PP-Zellen<br />
Ganglienzellen 12<br />
Ganglioneuroblastom 131<br />
Ganglioneurom 131<br />
Gangliosidose 150<br />
Ganzk<strong>ö</strong>rperszintigraphie 76<br />
Gastric inhibitory polypeptide 38<br />
Gastrin 38<br />
Gastrinom 53, 118<br />
Gastroenteropankreatisches System<br />
s. GEP<br />
Gelbk<strong>ö</strong>rperbildung 34<br />
GEP (gastroentero-pankreatisches<br />
System) 11<br />
GEP-Tumoren 116<br />
Germinom 67<br />
Gicht 154<br />
Gigantismus 64<br />
GIP (gastric inhibitory polypeptide) 38<br />
GIPom 120
158 O. Sachverzeichnis<br />
Glandula parathyreoidea s. Epithel<br />
k<strong>ö</strong>rperchen<br />
- thyreoidea s. Schilddrüse<br />
Glandulae adrenales s. Nebennieren<br />
Globoidzellen-Leukodystrophie 150f.<br />
Glucosestoffwechsel 31<br />
Glukagon 30<br />
Glukagonom 117<br />
Glukokortikoide 28<br />
Glykogenosen 153<br />
Glykosaminoglykane 152<br />
GnRH (Gonadotropin-Releasing-<br />
Hormon) 22<br />
Gonaden 14, 121<br />
Gonadendysgenesie 121<br />
Gonadotropin-Releasing-Hormon 22<br />
Granula, elektronmikroskopische 55<br />
-, neurosekretorische 55<br />
-, Adrenalin 55<br />
- bei Appendixkarzinoid 55f.<br />
- bei Bronchuskarzinoid 55<br />
- bei C-Zellen-Karzinom 55<br />
- bei Gastrinom 55<br />
- bei Glukagonom 55<br />
- bei Insulinom 55<br />
- bei Somatostatinom 55<br />
- bei VIPom 55<br />
-, Gastrin 56<br />
-, Insulin 56<br />
-, Noradrenalin 55f.<br />
- im Paragangliom 55<br />
Granulosaluteinzellen 14<br />
Granulosazellen 14<br />
GRP (gastrin releasing peptide) 38<br />
G-(Gastrin-)Zellen-Hyperplasie 136<br />
Hämangioendotheliom, Schild<br />
drüse 83<br />
Hashimoto-Thyreoiditis 71<br />
HCG (humanes Choriongonadotropin)<br />
32<br />
HCS (humanes Chorion-Sommatomammotropin)<br />
33<br />
HDL (high density lipoproteins) 46f.<br />
Hemmungshormone 20<br />
Hepatoblastom 141<br />
Hermaphroditismus 121<br />
Hirnsand 5<br />
Histamin 43<br />
Hoden 14<br />
—.Atrophie 14<br />
-.Funktionsst<strong>ö</strong>rungen 123<br />
-, Tumor 51<br />
Hormon, Hormone<br />
-, adrenokortikotropes 20<br />
-, antidiuretisches 23<br />
-, atriales natriuretisches 40<br />
- endokriner Drüsen 20<br />
—, extraglanduläre 35<br />
-, follikelstimulierendes 20<br />
-, gonadotrope 20<br />
-, Inaktivierung 19<br />
-, luteinisierendes 20<br />
-, Pankreas 30<br />
- in der Schwangerschaft 32<br />
-, thyreotropes 20<br />
-, Zyklusschwankungen 33<br />
Hormonrezeptoren 16<br />
Hormonwirkung, Vermittlung der 17<br />
HPL (humanes plazentares Lak<br />
togen) 33<br />
HPT (Hyperparathyreoidismus) 93<br />
Hyperaldosteronismus 106<br />
Hyperinsulinismus 114<br />
Hyperkalzämie 93<br />
-, paraneoplastische 140<br />
Hyperkortizismus, paraneo<br />
plastischer 139<br />
Hyperlipoproteinämien 145, 149<br />
Hyperparathyreoidismus 50, 93<br />
Hyperprolaktinämie 65<br />
Hyperthyreose 85<br />
Hypertriacylglycerinämie 146<br />
Hyperurikämie 154<br />
Hypo-ß-Lipoproteinämie 146<br />
Hypoglykämie 114f., 139<br />
Hypogonadismus 123<br />
Hyponatriämie, paraneo<br />
plastische 140<br />
Hypoparathyreoidismus 91<br />
Hypophyse 2f., 20<br />
-, Adenom 58, 64<br />
-, Entzündungen 58<br />
-, Fehlbildungen 58<br />
-, Funktionsst<strong>ö</strong>rungen 62<br />
-, Heterotopien 61<br />
-, Karzinome 60<br />
-, Kreislaufst<strong>ö</strong>rungen 58<br />
-, Megastasen 61<br />
-, Mikroadenom 60<br />
-, Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 58<br />
-, tumorartige Veränderungen 58<br />
-, WHO-Tumorsystematik 58<br />
Hypophysenstiel 2<br />
Hypopituitarismus 62f.<br />
Hypothalamus-Hypophyse 21<br />
Hypothyreose 84<br />
IDL (intermediate density lipo<br />
proteins) 44<br />
IGF (insulinähnliche Wachstums<br />
faktoren) 40<br />
Immunhistochemie 54<br />
Induktion 16<br />
Inhibin 22<br />
Inselamyloidose 110f.<br />
Inselfibrose 111<br />
Inselhypertrophie 10<br />
Inselorgan 9<br />
Inselzelltumoren 116<br />
Insulin 30<br />
Insulinom 51, 117<br />
Insulinsekretion 31<br />
Insulitis 110f.<br />
Interferon 43<br />
Interkonversion 16<br />
Interleukine 42f.<br />
Intersexualität 121f.<br />
I-Zellen s. CCK-Zellen<br />
Jodthyronine 24, 26<br />
Jodumsatz 24<br />
Kachexie 145<br />
Kallidin 40<br />
Kalzitonin 6, 26, 81<br />
Kalziumhaushalt, Funktions<br />
st<strong>ö</strong>rungen 91<br />
Kalziumsignalsystem 17<br />
Karzinoid 132<br />
-.Appendix 133<br />
-, atypisches 134<br />
-, Darm 133<br />
-EG 132<br />
-, ECL 132<br />
-, enterochromaffines 132<br />
-, Genitale 134<br />
-, GEP 132<br />
-, Magen 133<br />
-Thymus 135<br />
Karzinoidsyndrom 136<br />
-, atypisches 136<br />
—, paraneoplastisches 140<br />
Kernspintomographie 52<br />
Kininsystem 40<br />
Klimakterium 34<br />
Klinefelter-Syndrom 123<br />
Kohlenhydratspeicherkrankheiten<br />
152<br />
Kolloid 6<br />
Kolloidstruma, Zytologie 88<br />
Konzeptionsverhütung 33<br />
Kraniopharyngeom 61<br />
K-Zellen s. GIP-Zellen<br />
Laboruntersuchungen 49<br />
Laktogen, humanes plazentares 33<br />
Lamy-Maroteaux-Syndrom 153<br />
Langerhans-Zellen 8<br />
LCA (lymphocytic common antigen) 54<br />
LCAT (Lecithin-Cholesterin-Acyl-Transferase)<br />
46<br />
LDL (low density lipoprotein) 44, 47<br />
LDL-Rezeptormangel 147<br />
Lebertumoren, gonadotropinproduzie<br />
rende 141<br />
Lecithin-Cholesterin-Acyl-Transferase<br />
46<br />
Leukodystrophie, nietachromatische<br />
150 f.<br />
Leukotriene 35, 37<br />
Leydig-Zellen 14<br />
LH-ICSH (luteinisierendes Hormon) 20<br />
Lipide, exogene 45<br />
Lipidspeicherkrankheiten 150<br />
Lipidstoffwechsel 44<br />
-, St<strong>ö</strong>rungen 145<br />
Lipodystrophien 148, 151<br />
Lipogranulomatose 150<br />
Lipomatosen 151<br />
Lipoproteine 44f.<br />
Lipoproteinlipasemangel 147<br />
Lipoxine 35, 37<br />
Lobus pyramidalis 6<br />
Lungentumoren, gonadotropin<br />
produzierende 141<br />
Lymphe 45<br />
Lymphome, maligne 83<br />
Mangelernährungsdiabetes 110<br />
Melanotonin 5<br />
Membranrezeptoren 16<br />
MEN (multiple endokrine Neopla<br />
sien) 1361*.
O. Sachverzeichnis 159<br />
Menopause 34<br />
Menses 32<br />
Messenger, second 17<br />
Mikrokarzinoidose, Magen 133<br />
Milchglaskerne, Schilddrüse 80, 88<br />
Mineralokortikoide 29<br />
Minipille 33<br />
Monatszyklus der Frau 32<br />
Morbus Andersen 153<br />
- Basedow 50, 85f.<br />
- Cori 153<br />
- Cushing 105<br />
- Fabry 150f.<br />
- Farber 150<br />
- Gaucher 150f.<br />
- von Gierke 153<br />
- Graves 85<br />
- Hers 153<br />
- Hurler 152<br />
- Madelung 151<br />
- McArdle 153<br />
- Niemann-Pick 150f.<br />
- Pompe 153<br />
- Refsum 151<br />
- Sanfilippo 152<br />
- Scheie 152<br />
- Tay-Sachs 150<br />
Morquio-Syndrom 153<br />
Motilin 38<br />
MPS (Mukopolysaccharidosen) 152<br />
Mukokarzinoid 134f.<br />
Mukopolysaccharidosen 152<br />
Myelolipom, Nebenniere 101<br />
Myx<strong>ö</strong>dem 84<br />
Nadler-Wolfer-Elliot-Syndrom 139<br />
Nebennieren 8<br />
-, Adenom im CT 52<br />
-, Blutungen 98<br />
-, Entzündungen 99<br />
-, Fehlbildungen 98<br />
-, Funktionsst<strong>ö</strong>rung 103<br />
-, Hypoplasie 98<br />
-, Kreislaufst<strong>ö</strong>rungen 98<br />
-.Metastasen 101<br />
-, Myelolipom 101<br />
-, Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 99<br />
-, WHO-Tumorsystematik 99<br />
Nebennierenhormone 27<br />
Nebennierenmark 8<br />
-, Funktionsst<strong>ö</strong>rungen 108<br />
-, Hormone 27<br />
-, Hyperfunktion 108<br />
-, Hypofunktion 108<br />
-, Szintigraphie 53<br />
-, Tumoren 102<br />
Nebennierenrinde 8<br />
-, Adenom 99<br />
-, Hyperplasie 100<br />
-, Insuffizienz 103<br />
-, Karzinom 100<br />
—, Szintigraphie 53<br />
-. tumorartige Veränderungen 101<br />
-, Überfunktion 105<br />
Nebenschilddrüsen s. Epithel<br />
k<strong>ö</strong>rperchen<br />
Nelson-Tumor 65<br />
Neoplasien, multiple endokrine 136<br />
Nervenwachstumsfaktoren 40<br />
Nesidioblastom 116<br />
Nesidioblastose 10, 116<br />
Neuroblastom 131<br />
Neurohypophyse 2, 4<br />
Neuromodulatoren 15<br />
Neurophysine 23<br />
Neurotensin 38<br />
Neurotransmitter 15<br />
Noradrenalin 27<br />
Nukleotide, zyklische 18<br />
Onkozyten 4<br />
Onkozytom 78f.<br />
Opiate, endogene 42<br />
-, endokrine 85, 87<br />
Organe, zirkumventrikuläre 5<br />
Osteomalazie 95<br />
Osteoporose 95<br />
Östrogene 30f.<br />
Ovarien 14<br />
-. Dysfunktion 125f.<br />
Ovulation 32, 34<br />
Oxytocin 23<br />
PAF (Plättchenaktivationsfaktor) 37<br />
Panhypopituitarismus 62<br />
Pankreas, Ektopie 120<br />
-, endokrine Tumoren 116<br />
-, endokrines 9<br />
-, Gastrinom 118<br />
-.Glukagonom 117<br />
-, Hormone 30<br />
-, Inselamyloidose 110f.<br />
-, Inselfibrose 111<br />
-, Inselzelltumoren 116<br />
-, Insulinom 117<br />
-, Insulitis 110f.<br />
-, Karzinoid 120<br />
-, Somatostatinom 119<br />
-, tumorähnliche Veränderungen 120<br />
-VIPom 119f.<br />
-, WHO-Tumorsystematik 116<br />
Pankreozymin 38<br />
Paraganglien 12f.<br />
Paragangliom 128, 130f.<br />
Paraneoplasien 138<br />
Parathormon 26f.<br />
Parinaud-Symptom 67<br />
PAS-Orange-G-Färbung 54<br />
PDGF (platelet derivated growth<br />
factor) 41<br />
Peptid YY 38<br />
Peptid-Abwehrhormone 42<br />
Peptid-Enterohormone 37f.<br />
Peptidhormone 16, 19<br />
Peptid-Wachstumsfaktoren 22<br />
Pfortaderkreislauf 4<br />
PG (Prostaglandine) 35, 37<br />
Phäochromozyten 12<br />
Phäochromozytom lOlf.<br />
Physiologie 15<br />
Phytansäure-Speicherkrankheiten<br />
151<br />
Pierre-Marie-Bamberger-<br />
Svndrom 141<br />
Pille 33<br />
Pinealoblastom 67<br />
Pinealozyten 5<br />
Pinealzellentumor 67<br />
Pineozytom 67<br />
Plättchenaktivationsfaktor 37<br />
Polypeptid, vasoaktives intestinales 10<br />
POMC (Propiomelanocortin) 22<br />
Portalvenensystem 4<br />
PP (pancreatic polypeptide) 38<br />
PP-Zellen 10<br />
Präalbumin 25<br />
Präkarzinoid, Magen 133<br />
PRL (Prolaktin) 22<br />
Progesteron 32<br />
Prolaktin 22 f.<br />
Prolaktin-Zellen 3<br />
Prolaktinomzelle, EM 4<br />
Proopiomelanocortin 22<br />
Prostaglandine 35, 37<br />
Proteoglykane 152<br />
Proteinsynthese 18<br />
Proteohormone 16<br />
Psammomk<strong>ö</strong>rper 80<br />
Pseudohermaphroditismus 121, 123<br />
Pseudohyperparathyreoidismus 93<br />
Pseudohypoparathyreoidismus 92<br />
PTH (Parathornion) 26f.<br />
Pubertas praecox 67<br />
Purine 16<br />
Quervain-Thyreoiditis 71<br />
Rachitis 94<br />
RAS (Renin-Angiotensin-System) 38<br />
Rathke-Täsche 2<br />
Reaktion, argentaffine 54<br />
-, argyrophile 54<br />
Regelkreise, hierarchische 20<br />
-, hormonelle 19<br />
-.vernetzte 19<br />
Regulation, hormonale 15<br />
Releasing-Hormone 20<br />
Remnant-Rezeptoren 46<br />
Renin 38<br />
Renin-Angiotensin-System 37, 39, 41<br />
Rezeptoren 16, 27<br />
Riedel-Thyreoiditis 72<br />
Rieseninseln 9<br />
Rosenfeld-Syndrom 140<br />
Routinefärbungen, histologische 54<br />
Rückkoppelung 19<br />
Säbelscheidentrachea 70<br />
Schilddrüse 6<br />
-, C-Zellen-Karzinom 81<br />
-, Ektopie 68<br />
-, Entzündungen 71<br />
-, Fehlbildung 68<br />
-, Hämangioendotheliom 83<br />
-, Hormone 24f.<br />
-, inkretorische Hyperaktivität 86<br />
—, Kreislaufst<strong>ö</strong>rungen 68<br />
-, maligne Lymphome 83<br />
-, nichtepitheliale Tumoren 83<br />
-, Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 68<br />
-, Szintigraphie 52<br />
-. TNM-System 75<br />
-. tumorähnliche Veränderungen 83<br />
-, WHO-Tumorsystematik 73<br />
-, Zytologie 88
160 O. Sachverzeichnis<br />
Schilddrüsenadenom 50<br />
-, atypisches 78<br />
-, autonomes 85<br />
-, embryonales 77<br />
-, fetales 77<br />
-, follikuläres 77<br />
-. hellzelliges 77<br />
-, lipidhaltiges 77<br />
-, onkozytäres 78<br />
-, Siegelringzelltyp 77<br />
Schilddrüsenkarzinom 50, 74, 76, 79<br />
-, anaplastisches 82<br />
-, follikuläres 79<br />
-, Ganzk<strong>ö</strong>rperszintigraphie 76<br />
-, Graham 80<br />
-, medulläres 81<br />
-, Metastasen 79<br />
-, okkultes 80<br />
-, onkozytäres 79<br />
-, papilläres 80<br />
-, Plattenepithelkarzinom 82<br />
-, sklerosierendes 80<br />
Schilddrüsenknoten, heißer 78<br />
-kalter 78<br />
Schilddrüsensarkome 83<br />
Schilddrüsentumoren und Struma 74<br />
-, gutartige 77<br />
-, Pathogenese 74<br />
Schilddrüsenzyste 50, 83<br />
Schwartz-Bartter-Syndrom 66, 140<br />
Sekretin 38<br />
Sekretion, amphikrine 15<br />
-, autokrine 15<br />
-, endokrine 15<br />
-, neuroendokrine 15<br />
-, parakrine 15<br />
Serotonin 44<br />
Sertoli-cells only Syndrom 14<br />
Sertoli-Zellen 14<br />
Sexual-Glandotropine 22<br />
Sexualhormone 301'., 34<br />
Sheehan-Syndrom 62<br />
SIADH (syndrome of inappropiate<br />
secretion of antidiuretic<br />
hormone) 66<br />
Signaltransduktion 16<br />
Sipple-Syndrom 137<br />
Sly-Syndrom 153<br />
Somatomedine 22<br />
Somatostatin 22. 31, 38<br />
Somatostatinom 119<br />
Somatostatinzellen 9<br />
Somatotropin 22<br />
Somatotropin-Releasing-Hormon 22<br />
Sonographie 49<br />
-, Hodentumor 51<br />
-, Hyperparathyreoidismus 50<br />
-, Morbus Basedow 50<br />
—, Nebennierentumor 51<br />
-, Pankreasinsulinom 51<br />
-, Schilddrüsenadenom 50<br />
-, Schilddrüsenkarzinom 50<br />
-, Schilddrüsenzyste 50<br />
Spermatogenese 36<br />
Spezialfärbungen, histologische 54<br />
Sphingolipidosen 150<br />
Spongiozyten 99<br />
SlOO-Protein 54<br />
SRH (Somatotropin-Releasing-<br />
Hormon) 22<br />
Steroid-Speicherkrankheiten 151<br />
Steroidhormone 16, 18f., 28<br />
STH (somatotropes Hormon,<br />
Wachstumshormon) 22<br />
STH-Syndrom, ektopes 141<br />
STH-Zellen 3<br />
Stoffwechselst<strong>ö</strong>rungen 143<br />
Struma adenomatosa 69, 85<br />
- basedowiana 85<br />
- basedowificata 70<br />
- colloides diffusa 69<br />
- diffusa 69<br />
-, euthyreote 69<br />
-, intrathorakale 53<br />
- neonati 68<br />
- nodosa 69<br />
- parenchymatosa 69<br />
- retrosternalis 70<br />
- vasculosa neonatorum 68<br />
-, WHO-Stadieneinteilung 70<br />
Strumitis 71<br />
Substanz P 38<br />
Subtraktionsangiographie, digitale 52<br />
Suppressionsszintigraphie 52<br />
Sustentakularzelle 13<br />
Synaptophysin 12, 130<br />
Syndrom der verschwindenden<br />
Testes 123<br />
-, adrenogenitales 104<br />
System, adrenales paraganglio<br />
näres 12<br />
-, extraadrenales paraganglio<br />
näres 12<br />
—, hypothalamisches 20<br />
-, neuroendokrines 11, 128<br />
-, neuroendokrines diffuses 128<br />
-, nichtchromaffines 12<br />
-, sympathoadrenales 28<br />
Szintigraphie, Epithelk<strong>ö</strong>rperchen 53<br />
-, Nebennierenmark 53<br />
-, Nebennierenrinde 53<br />
-, neuroendokrine Tumoren 53<br />
-, Schilddrüse 52<br />
T3 (Trijodthyronin) 24<br />
T4 (Thyroxin) 24<br />
Tangier-Krankheit 146<br />
Teratom, Corpus pineale 67<br />
Testosteron 34f.,<br />
TGF (transformierende Wachstums<br />
faktoren) 41<br />
Thromboxane 35<br />
Thrombozyten-Wachstumsfaktor 41<br />
Thymushormon 43<br />
Thyreoglobulin 24<br />
Thyreoiditis 71<br />
-, lymphozytäre 71<br />
Thyreotropin-Releasing-Hormon 22<br />
Thyreozyten 6<br />
'Thyroxin 24<br />
TPA (tissue polypeptide antigen) 54<br />
Transportproteine 15, 25<br />
'TRII (Thyreotropin-Releasing-<br />
Hormon) 22<br />
Triacylglycerinämie, nutritive 148<br />
'Trijodthyronin 24f.<br />
TSH (thyreotropes Hormon) 20, 22<br />
TSH-Syndrom, ektopes 142<br />
'Tumor, 'Tumoren<br />
-, diffuses neuroendokrines<br />
System 132<br />
-neuroendokrine 128f.<br />
Tumor-Grading 57<br />
Tumorlet, Lunge 134<br />
Tyrosinkinasen 18<br />
UIlrich-Turner-Syndrom 122<br />
Ultimobranchialk<strong>ö</strong>rper 6<br />
Untersuchung, klinische 49<br />
-, pathologisch-anatomische 54<br />
Vasoactive releasing polypeptide 38<br />
Verfahren, bildgebende 49<br />
-, nuklearmedizinische 52<br />
—, radiologische 51<br />
Vermännlichung 122<br />
Versilberung, histologische 54<br />
VIP (vasoactive releasing poly<br />
peptide) 10, 38<br />
VIPom 119f.<br />
Vitamin D3 26<br />
VLDL (very low density lipo<br />
proteins) 44, 47<br />
V-Rezeptoren 23<br />
Wachstumsfaktor, Wachstums<br />
faktoren 40<br />
- der Blutzellen 42<br />
-, epitheliale 41<br />
- der Fibroblasten 42<br />
-, insulinähnliche 40<br />
- der Thrombozyten 41<br />
—, transformierende 41<br />
Wachstumshormon 22<br />
Waterhouse-Friderichsen-<br />
Syndrom 98<br />
Wermer-Syndrom 136<br />
Xanthomatose 151<br />
Zellen, glukagonproduzierende 9<br />
-. insulinproduzierende 9f.<br />
-, neuroendokrine 10, 12<br />
-, parafollikuläre 6<br />
—, reninproduzierende 38<br />
—, somatostatinproduzierende 10<br />
Zellsystem, gastroenteropankreatisches<br />
1 1<br />
Zirbeldrüse s. Corpus pineale<br />
Zollinger-Ellison-Syndrom 119<br />
Zona fasciculata 8<br />
- glomerulosa 8<br />
- reticularis 8<br />
Zuckerkandl-Organ 13<br />
Zungengrundstruma 68<br />
Zwischenhypophyse 2, 4<br />
Zyklooxygenase 36<br />
Zytokeratin 54
161<br />
Quellennachweis der Abbildungen<br />
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