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Anwaltlicher Journaldienst Der anwaltliche Journaldienst ... - Kanzlei

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1 Strafprozessrecht in der Praxis Juridicum 27.05.2011<br />

<strong>Anwaltlicher</strong> <strong>Journaldienst</strong><br />

<strong>Der</strong> <strong>anwaltliche</strong> <strong>Journaldienst</strong> steht jeder Person zur Verfügung, die gem. § 49 StPO<br />

beschuldigt wird und ist unter der Nummer 0800 376 386 erreichbar.<br />

Bei den dort erreichbaren Rechtsanwälten handelt es sich um Profis, die bereits über<br />

einschlägige strafrechtliche Praxis verfügen. <strong>Der</strong> <strong>Journaldienst</strong> des jeweiligen Anwalts dauert<br />

jeweils 24 Stunden, und zwar von 15.00 Uhr – 15.00 Uhr des nächsten Tages. Die<br />

Mindestqualifikation für die Teilnahme am <strong>Journaldienst</strong> ist das abgeschlossene<br />

Gerichtsjahr, sowie 18 Monate <strong>anwaltliche</strong> Praxis (Große LU).<br />

Sobald ein Anruf beim <strong>Journaldienst</strong> einlangt, wird der zuständige Anwalt aus dem jeweiligen<br />

Bundesland verständigt und mit dem Beschuldigten verbunden. Die erste Rechtsberatung ist<br />

gratis, - falls gewünscht - begibt sich der Anwalt zum Beschuldigten zu ersten Einvernahme<br />

(Kosten € 100,-- netto pro Stunde). Im Falle des Anspruches auf Verfahrenshilfe wird der<br />

Einsatz vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag bezahlt. Die reine Bereitschaft wird<br />

mit € 90,-- entlohnt.<br />

In der Praxis hat sich gezeigt, dass relativ wenige Anrufe erfolgen, jeder 2. Dienst blieb bei<br />

mir ereignislos. Die Zusammenarbeit mit der Polizei war meist unproblematisch, der<br />

rechtliche Rahmen wurde bei meinen Einsätzen sehr genau eingehalten. Die<br />

Gesprächskultur war freundlich und sachlich. Zwei Mal wurde die Akteneinsicht vom<br />

Beamten verwehrt.<br />

Vernehmung des Beschuldigten gem § 164 StPO<br />

Die erste Einvernahme ist aus der Sicht der Justiz die beste, weil später oft das<br />

Ergebnis durch den Verteidiger verwässert wird.<br />

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2 Strafprozessrecht in der Praxis Juridicum 27.05.2011<br />

Praxistipps für Verteidiger bei der ersten Einvernahme.<br />

• „Verteidigerset“ vorbereiten (Vollmachten, Block, Schreibzeug, Kodex Strafrecht,<br />

Fabrizy Kommentar StPO, Digitalkamera für Aktenabschrift).<br />

• Abklären mit Beamten, wann die Einvernahme erfolgen soll.<br />

• Auf Akteneinsicht bestehen, ansonsten Mandanten raten, die Aussage zu<br />

verweigern, in eventu Rechtsmittel androhen.<br />

• Bei <strong>Journaldienst</strong> auf ausführliches und vertrauliches Gespräch mit Mandanten<br />

gem § 59 Abs.2 StPO bestehen.<br />

• Abklären, ob der Mandant überhaupt in der Lage ist, auszusagen. Liegt eine<br />

Beeinträchtigung durch Suchtmittel bzw. Alkohol vor?<br />

• Rechtsbelehrung genau studieren.<br />

• Text am Computer mitlesen; wenn möglich, sofort unrichtige Angaben<br />

beanstanden, so werden diese später vom Beamten nicht mehr durchgestrichen<br />

• Nicht aussagen, nur um wegzukommen, keine Aussage ist besser als eine<br />

schlechte.<br />

• Verteidigerphrase: „Gestehen kann man noch immer in der Hauptverhandlung.“<br />

• Eine schriftliche Stellungnahme ist nach Besprechung mit Anwalt oder<br />

Verfahrenshelfer noch immer möglich.<br />

• Protokoll beschreibt primär die Natur des „Protokollierenden“, nicht die des<br />

„Aussagenden“.<br />

• Auf Fangfragen gem § 164 Abs. 4 StPO achten und diese sofort rügen „Schlagen<br />

Sie ihre Frau immer noch?“. „Ist dies ihr vierter oder fünfter Einbruch in diesem<br />

Jahr?“. „Haben Sie das Heroin in der U2 oder U3 verkauft?“<br />

• Als Verteidiger den Platz zwischen dem Mandanten und dem Beamten einnehmen,<br />

so ist es praktisch unmöglich, nicht mit dem Verteidiger zu kommunizieren.<br />

• Achtung - auch Mimik und Gestik werden protokolliert.<br />

• Am Ende der Vernehmung kann der Verteidiger ergänzende Fragen an den<br />

Beschuldigten stellen gem § 164 Abs.2 StPO.<br />

• Beweisanträge stellen (Beweisthema, Beweismittel, Beweiszweck).<br />

• Falls möglich, Antrag auf Einstellung stellen.<br />

• Rechtsmittel sind an den UVS und nicht an das Gericht zu erheben(VfGH<br />

16.12.2010 G259/09a)<br />

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3 Strafprozessrecht in der Praxis Juridicum 27.05.2011<br />

Umgang mit der Polizei und die 6 „magischen Ws“<br />

Praxistipps:<br />

• Ruhe und Distanz bewahren, immer an Rechtsschutzmöglichkeiten denken und diese<br />

ausschöpfen.<br />

• Die Polizei ist im unmittelbaren Konflikt immer in der stärkeren Position.<br />

• Dokumentation ist wichtig, insbesondere durch Aufzeichnungen,<br />

Gedächtnisprotokolle, Krankenhausberichte, unabhängige Zeugen.<br />

• Polizei ist nicht immer unbedingt ein Gegner, sondern auch ein Partner.<br />

• <strong>Der</strong> Ton macht die Musik.<br />

• Wer ist verdächtig?<br />

• Was ist der Tatvorwurf, Tatort, Tatzeit, Tathandlung?<br />

• Welche Rechtshandlung (Festnahme, Einvernahme, Identitätsfeststellung) wird<br />

gesetzt aufgrund welcher Rechtsgrundlage (StPO, SPG, VStG)?<br />

• Warum sollte der Mandant aussagen, wenn ein Schweigerecht besteht. Wenn Druck<br />

ausgeübt wird, einfach die Frage stellen:„ Würden Sie in der Situation meines<br />

Mandanten aussagen?“<br />

• Wo (Unabhängiger Verwaltungssenat, Landespolizeikommando) kann ich mich über<br />

Wen (Dienstnummer, Behörde) beschweren?<br />

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4 Strafprozessrecht in der Praxis Juridicum 27.05.2011<br />

Gegenäußerung gem § 222 Abs. 3 StPO<br />

Die Gegenäußerung ermöglicht dem Verteidiger eine grundsätzliche Verantwortung (voll<br />

geständig / teilweise geständig / nicht schuldig) des Mandanten darzulegen 1 . Diese Linie<br />

sollte dann auch in der Hauptverhandlung beibehalten werden. <strong>Der</strong> Antrag sollte spätestens<br />

1 Woche vor der Verhandlung in 2-facher Ausfertigung (je ein Exemplar für Gericht und<br />

Staatsanwaltschaft) bei der Behörde einlangen.<br />

Falls Beweisanträge gestellt werden, sollte die Gegenäußerung ca. 1 Monat vor der<br />

Verhandlung eingebracht werden, wobei sich der Schriftsatz an der Anklageschrift<br />

orientieren sollte. Enthält die Anklageschrift bzw. der Strafantrag rechtliche Fehler, sind diese<br />

ebenfalls aufzuzeigen Wird jedoch die Einbringung eines Rechtsmittels erwogen, sollte man<br />

hier Zurückhaltung wahren.<br />

Mandant bekennt sich voll geständig:<br />

Es sollte dargelegt werden, inwiefern der Schaden wieder gutgemacht wird. Auch kann auf<br />

etwaige Sachverständiger bzw. Zeugen aus der Sicht der Verteidigung verzichtet werden.<br />

Dies führt zu einer Verkürzung des Verfahrens und meist zu einer milden Strafe. In eventu<br />

Diversion beantragen.<br />

Mandant bekennt sich teilweise geständig:<br />

Hier ist durch Darlegung von entlastenden Beweisen (Zeugen, Urkunden, Sachverständige)<br />

herauszuarbeiten, warum eine der vorgeworfenen Taten nicht begangen wurde. Falls es um<br />

eine Qualifikation geht, bzw. die Tat unter einen anderen Tatbestand zu subsumieren ist,<br />

sollte dies kurz dargelegt werden.<br />

Beispiel: Vorwurf des Einbruchsdiebstahls gem. § 127, 129 Z 2 StGB: Richtig ist: A hat das<br />

Handy der Marke N aus dem Spind des B genommen, allerdings war die Tür des Spindes<br />

nur angelehnt und nicht verschlossen. Beweis: beizuschaffende Kameraaufzeichnung vom<br />

01.12.2010 der Firma y. Zeuge C Adresse. In eventu Diversion beantragen.<br />

Mandant bekennt sich nicht schuldig:<br />

1 Danek Wiener Kommentar StPO § 222 Rz 5<br />

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5 Strafprozessrecht in der Praxis Juridicum 27.05.2011<br />

Die Verteidigung legt dar, warum der Mandant aufgrund der Aktenlage und der<br />

Beweisanträgen unschuldig ist. Das Verfahren wird „durchgefochten“<br />

Zusammenfassung Gegenäußerung gem § 222 Abs. 3 StPO<br />

• Prozesskonzentration<br />

• Gegengewicht zu Strafantrag/Anklageschrift<br />

• Orientierung für den Richter<br />

• Beweisanträge rechtzeitig gesetzmäßig ausführen<br />

• „Außerstreitstellungen“ sind möglich<br />

• nicht aktenkundige Umstände einbringen<br />

• Falls notwendig, Rechtsfragen aufzeigen<br />

• Milderungsgründe aufzeigen<br />

• Diversion beantragen<br />

• Urkundevorlage (Meldung an Versicherung, Therapieplatzbestätigung, Zahlung an<br />

Opfer)<br />

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