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Das Leben und Werk von Professor Milan Myška Milan Myška ...

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<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong> <strong>und</strong> <strong>Werk</strong> <strong>von</strong> <strong>Professor</strong> <strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong><br />

<strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong> wurde am 13. April 1933 in Ostrava-Vítkovice als Kind der Lehrerehepaars<br />

Alois <strong>und</strong> Marta <strong>Myška</strong> geboren. Vor dem „Münchner Abkommen“ (1938) lebte die Familie<br />

im schlesischen Dorf Těškovice in der Nähe <strong>von</strong> Opava, das sie nach der Okkupation des<br />

tschechoslowakischen Grenzgebietes verlassen mussten. Die erste Klasse der Gr<strong>und</strong>schule<br />

absolvierte er in Místek (heute Frýdek-Místek). Nach dem Attentat auf den Stellvertretenden<br />

Reichsprotektor Reinhard Heydrich wurde der Vater verhaftet <strong>und</strong> die Mutter vom Lehramt<br />

suspendiert. Trotzdem besuchte der ab dem Jahre 1943 das Realgymnasium in der Matiční-<br />

Straße (damals Karlova-Straße) in Mährisch-Ostrau. Pädagogische Tätigkeiten in der<br />

Vorkriegszeit führten die Eltern <strong>von</strong> <strong>Myška</strong> nach Bílovec, wo auch <strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong> am 13. Juni<br />

1951 die Matura ablegte. Im September 1951 absolvierte er die Aufnahmeprüfungen im Fach<br />

Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität, an der er<br />

anschließend zum Studium zugelassen wurde.<br />

In den ersten Jahren konnte er aufgr<strong>und</strong> dessen, dass die neue kommunistische Führung<br />

der Universität bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle „ bourgeoisen“ <strong>Professor</strong>en beseitigt<br />

hatte, die Vorlesungen der <strong>Professor</strong>en Jan Eisner, Jan Filip, Josef Dobiáš, Václav Vojtíšek,<br />

Milada Paulová <strong>und</strong> A. V. Florovský besuchen. Sowohl die Vorlesungen <strong>von</strong> den jüngeren<br />

Lehrern Václav Husa, František Kavka, Josef Polišenský, Františka Kutnar als auch die<br />

Vorlesungen <strong>von</strong> den Nachkriegsabsolventen Zdeněk Fiala, Koloman Gajan <strong>und</strong> im<br />

Besonderen František Graus schätzte er sehr. <strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong> zog <strong>von</strong> Studienbeginn die Zeit<br />

der großen gesellschaftlichen Transformation <strong>von</strong> der feudalen zur kapitalistischen Ökonomie<br />

an. Dies zeigte sich auch schon in der Zeit, als er als Hörer des 3. Studienjahres im Dezember<br />

1953 ein inhaltlich ausgereiftes Referat auf der dritten wissenschaftlichen Studentenkonferenz<br />

über die Gründung <strong>und</strong> die Anfänge der Witkowitzer Eisenwerke (1828–1841) hielt. Im<br />

Konferenzbericht für das Československý časopis historický (Tschechoslowakische<br />

Historische Zeitschrift) kann man nachlesen, dass <strong>Myška</strong> schon zu dieser Zeit sein<br />

wissenschaftliches Verständnis der historischen Arbeit auf zwei Hauptgr<strong>und</strong>sätzen<br />

begründete: einerseits auf sorgfältiger heuristischer Arbeit mit dem Material, andererseits auf<br />

der unparteilichen Interpretation der Quellen <strong>und</strong> der Literatur. Noch in diesem Jahr<br />

veröffentliche er eine Studie über die Gründung <strong>und</strong> die Anfänge der Witkowitzer Eisenwerke<br />

im Slezský sborník. Wenn man seine Erstwerke mit meist publizistischem Charakter außer<br />

Acht lässt, war dies neben einer kleinen Studie über mährische Damenröcke auf den östlichen


Märkten im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert seine größte wissenschaftliche Publikation, die in eine historische<br />

Fachzeitschrift aufgenommen wurde. Im November 1955 wurde <strong>Myška</strong> <strong>von</strong> Josef Polišenský<br />

nach Opava zur zweiten Konferenz tschechischer <strong>und</strong> polnischer Historiker eingeladen,<br />

welche den polnischen Anteil an der Geschichte Schlesiens thematisierte. Dort lernte er die<br />

führenden polnischen Historiker K. Maleczynski, J. Leszczyński, J. Tomaszewski <strong>und</strong> W.<br />

Długoborski kennen, mit Hilfe des Letzteren nahm er später auch Kontakt zu W. Kula <strong>und</strong> J.<br />

Topolski auf.<br />

Am Ende seiner Studien meldete sich <strong>Myška</strong> für das Diplomandenseminar <strong>von</strong> František<br />

Kutnar an. <strong>Myška</strong>s ursprüngliche Absicht war es, die Entwicklung des Leineweberhandwerks<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts nachzuzeichnen, aber auf Kutnars Rat <strong>und</strong> mit<br />

Rücksicht auf die Schwierigkeit der Problematik engte er das Thema nur auf die 40er Jahre<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ein, als in diesem Zweig der Prozess der Industriellen Revolution<br />

begann. Im April 1956 legte er seine Diplomarbeit mit dem Endtitel Vývoj plátenictví na<br />

severní Moravě a v severozápadním Slezsku ve 40. letech 19. století (Die Entwicklung der<br />

Leineweberhandwerks in Nordmähren <strong>und</strong> im nordwestlichen Schlesien in den 40er Jahren<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts) vor. Sie wurde kurz darauf erfolgreich verteidigt. Er promovierte am 27.<br />

Juni 1956.<br />

Nach dem Absolutorium entschied er sich dafür, eine Stelle an einem neu geschaffenen<br />

wissenschaftlichen Institut, dem Slezský studijní ústav (Schlesisches Studieninstitut) in<br />

Opava, anzunehmen. Der Antrag wurde jedoch aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> <strong>Myška</strong>s fehlender<br />

Mitgliedschaft in der KSČ abgelehnt. Dank Polišenskýs Fürsprache gelang es ihm jedoch,<br />

eine Stelle an der Höheren Pädagogischen Schule in Opava zu erhalten. Hier engagierte sich<br />

<strong>Myška</strong> auf pädagogischer Ebene „für das Ausnutzen <strong>von</strong> regionalen Elementen in der<br />

Geschichtsschreibung bzw. im Geschichtsunterricht“, so formulierte er es im Artikel, der<br />

unter diesem Titel in der Zeitschrift Dějepis ve škole (Geschichte in der Schule) veröffentlicht<br />

wurde. Als Beweis für jene Bemühungen können somit seine eigenen Arbeiten Tak žili a<br />

bojovali (So lebten <strong>und</strong> kämpften sie, 1959), Vlastivědná příručka pro učitele<br />

(Heimatk<strong>und</strong>liches Handbuch für Lehrer, Ostrava 1965), První kroky k vítězství (Erste<br />

Schritte zum Sieg), Čtení o počátcích našeho dělnického hnutí (Lesebuch über die Anfänge<br />

der Arbeiterbewegung, 1966), Vzpomínky pamětníků jako historický pramen (Erinnerungen<br />

<strong>von</strong> Zeitzeugen als historische Quellen) u. a. gelten.<br />

<strong>Das</strong> Bemühen, den Unterricht zu vervollkommnen, führte <strong>Myška</strong> schon kurz darauf<br />

zum kritischen Nachdenken über die „irrationalen“ Unterrichtspläne <strong>und</strong> die nicht<br />

durchdachte Organisation des Studiums an pädagogischen Hochschulen bzw. an den neu


geschaffenen pädagogischen Instituten. Am Institut für Lehrerausbildung an der<br />

Karlsuniversität lernte er Alice Teichová kennen <strong>und</strong> gemeinsam mit weiteren Historikern<br />

beteiligte der sich deutlich sichtbar an der ersten Änderung der Unterrichtsentwürfe der<br />

pädagogischen Institute. In die Entwürfe gelang es, zumindest einen einsemestrigen Kurs<br />

„Gr<strong>und</strong>lagen der marxistischen Geschichtswissenschaft“, einschließlich einer Übung zu dieser<br />

Disziplin, einzubauen, was im Gr<strong>und</strong>e genommen ein Deckname für das universitäre<br />

„Einführung in die Geschichtswissenschaft“ war.<br />

Neben seiner Tätigkeit als Pädagoge widmete sich <strong>Myška</strong> auch dem eigenen<br />

wissenschaftlichem Forschungen, in denen er an seine Universitätsstudien anknüpfte. Seit<br />

dem Ende der 50er Jahre publizierte er auf den Seiten des Slezský sborník, Československý<br />

časopis historický, in Polen in der Zeitschrift Sobótka sowie in kleineren Zeitschrift wie Naše<br />

vlast. Kurz darauf tauchten auch die ersten Broschüren <strong>und</strong> Bücher <strong>von</strong> <strong>Myška</strong> auf, welche<br />

die industrielle <strong>und</strong> soziale Vergangenheit der Region Ostrava zum Thema hatten. Im Jahre<br />

1959 gab er die Publikation Ostravsko na prahu průmyslové revoluce (Die Region Ostrava an<br />

der Schwelle der industriellen Revolution) heraus. Gleich danach publizierte er im nächsten<br />

Jahr seine große Arbeit Založení a počátky Vítkovických železáren 1828–1880 (Die Gründung<br />

<strong>und</strong> die Anfänge der Witkowitzer Eisenwerke 1828-1880) <strong>und</strong> zwei Jahre später die<br />

Monographie Počátky vytváření dělnické třídy v železárnách na Ostravsku (Die Anfänge der<br />

Entstehung der Arbeiterklasse in den Eisenwerken in der Region Ostrava). Beide Bücher<br />

gehören in der tschechischen Geschichtsschreibung zu den bahnbrechenden <strong>Werk</strong>en auf dem<br />

Feld der Unternehmensgeschichte <strong>und</strong> der Untersuchung der Genese <strong>und</strong> der Stellung der<br />

Arbeiterschaft.<br />

An der Wende der 50er <strong>und</strong> 60er Jahre kam es in <strong>Myška</strong>s beruflicher Tätigkeit zu zwei<br />

bedeutenden Veränderungen. Die erste entspringt der Reform der Lehrerausbildung im Jahre<br />

1959, welche die Voraussetzungen für die Erhöhung der einstigen Höheren Pädagogischen<br />

Schule zum Pädagogischen Institut war; nun wurde Bildung auf Hochschulniveau garantiert.<br />

Gleichzeitig kam es zur Verlegung des Institutssitzes <strong>von</strong> Opava nach Ostrava. Für eine<br />

zweite Veränderung sorgte <strong>Myška</strong> selbst, als er erfolgreich die notwendigen Prüfungen an der<br />

Philosophischen Fakultät der Jan-Evangelista-Purkyně-Universität in Brünn ablegte <strong>und</strong> es<br />

ihm im Jahre 1961 gelang, die Dissertation über die Gründung <strong>und</strong> die Anfänge der<br />

Witkowitzer Eisenwerke zu verteidigen. Der Grad des Kandidaten der historischen<br />

Wissenschaften (CSc.) ermöglichte es ihm, dass er noch im selben Jahr am Pädagogischen<br />

Institut in Ostrava die Leitung des gemeinsamen Lehrstuhls für Geschichtswissenschaften <strong>und</strong><br />

Geographie übernehmen konnte. Gleichzeitig öffneten sich ihm die Tore zum akademischen


Grad des Dozenten. Im Jahre 1963 legte er an der Palacký-Universität in Olomouc seine<br />

Habilitationsschrift über die Anfänge der Entwicklung der Arbeiterklasse in den Eisenwerken<br />

der Region Ostrava vor <strong>und</strong> verteidigte diese anschließend erfolgreich. <strong>Myška</strong>s <strong>Werk</strong>, vorher<br />

in Buchform herausgegeben, beruhte auf dem breiten Studium der Literatur <strong>und</strong> der<br />

Archivquellen. Es war das erste <strong>Werk</strong>, das sich in der Tschechoslowakei analytisch mit der<br />

territorialen <strong>und</strong> sozialen Herkunft der Hüttenarbeiter <strong>und</strong> deren zeitgenössischen Stellung<br />

beschäftigte.<br />

<strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong> brachten die 60er Jahre den ersten Höhepunkt seiner pädagogischen <strong>und</strong><br />

akademischen Karriere. All das geschah auf dem Boden des Pädagogischen Instituts in<br />

Ostrava, das im Jahre 1964 in den Rang einer Pädagogischen Fakultät erhoben wurde. In<br />

dieser Zeit existierte in Ostrava (neben der Montanhochschule VŠB) keine Universität, <strong>und</strong> so<br />

erhielt die neue Fakultät den Status einer eigenständigen Hochschule. Der ernannte Dekan<br />

(mit den Rechten des Rektors), der Bohemist doc. Alois Sivek, ernannte nicht unerwartet zum<br />

Prodekan für Wissenschaft, Publikationstätigkeit <strong>und</strong> Internationale Beziehungen <strong>Milan</strong><br />

<strong>Myška</strong>. Teil der Reorganisation war auch die Bildung des Lehrstuhls für<br />

Geschichtswissenschaft.<br />

Nach dem Muster anderer Universitäten bemühte sich <strong>Myška</strong>, den Unterricht durch<br />

das Begründen einer eigenen Skriptaeditionsreihe zu vervollkommnen. In der Reihe erschien<br />

z. Β. die erste <strong>und</strong> die zweite, erweiterte Version des Úvod do studia dějepisu (Einführung in<br />

das Studium der Geschichte; 1965, 1966) <strong>von</strong> Havránek <strong>und</strong> <strong>Myška</strong>, <strong>Myška</strong>s Anthologie<br />

Dějepisci o dějinách (Geschichtsschreiber über Geschichte, 1969) <strong>und</strong> gleichzeitig seine sehr<br />

originellen Kapitoly z dějin výroby I. (Kapitel aus der Geschichte der Produktion I., 1970). Er<br />

versuchte auch das wissenschaftliche Prestige der Fakultät unter anderem dadurch zu erhöhen,<br />

dass er für die Lehrkräfte solide <strong>und</strong> breite Publikationsmöglichkeiten schuf. Die Fakultät fuhr<br />

unter seiner Leitung nicht nur mit der Publikation des Sborník prací Pedagogické fakulty<br />

v Ostravě (Sammelband der Arbeiten der Pädagogischen Fakultät in Ostrava) in vier<br />

thematischen Reihen (1960–1964 unter der Bezeichnung Sborník prací Pedagogického<br />

institutu [Sammelband der Arbeiten des Pädagogischen Instituts]) fort, sondern er fügte ab<br />

dem Jahre 1966 ebenfalls eine eigenständige Edition größerer, monographischer Schriften<br />

(Acta) hinzu. Daneben war <strong>Myška</strong> ebenfalls für die Herausgabe gelegentlicher Sammelbände<br />

mit Referaten <strong>und</strong> Diskussionsbeiträgen <strong>von</strong> Konferenzen der Fakultät <strong>und</strong> Symposien<br />

verantwortlich. Nicht zuletzt vertiefte Prodekan <strong>Myška</strong> die Kontake <strong>und</strong> die Zusammenarbeit<br />

mit einer Reihe <strong>von</strong> ausländischen Universitäten. Die wichtigsten Vertreter dieser<br />

Universitäten lud er nach Ostrava ein.


Daneben unterrichtete <strong>und</strong> forschte er weiter. Dabei konzentrierte er sich im Gr<strong>und</strong>e<br />

genommen auf drei Hauptproblemkreise: In der pädagogischen Praxis betrachte er es als<br />

höchst notwendig, die über Jahre bestehende Lücke im Proseminar-Unterricht zu füllen <strong>und</strong><br />

den Studierenden das moderne Lehrwerk Úvod do studia dějepisu (Einführung in das Studium<br />

der Geschichtswissenschaft) zur Verfügung zu stellen. In der wissenschaftlichen Arbeit<br />

widmete er sich zwei verwandten historischen Themen mit regionaler Ausrichtung, aber mit<br />

gesamtstaatlicher Bedeutung – der Genese <strong>und</strong> der Entwicklung industrieller Gebiete in der<br />

Tschechoslowakei im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert, in enger Verbindung mit der Geschichte<br />

industrieller Unternehmen. Den dringende Bedarf eines modernen methodischen Zugangs für<br />

den Proseminar-Unterricht im Fach Geschichte fühlten an der Schwelle der 60er Jahre alle<br />

Universitäten <strong>und</strong> auch die pädagogischen Institute. Aus der Diskussion über die untragbare<br />

Situation kam die Idee <strong>von</strong> Alice Teichová, dass sich dieser Aufgabe Jan Havránek <strong>und</strong> <strong>Milan</strong><br />

<strong>Myška</strong> widmen sollten, aus deren Zusammenarbeit entstand letztendlich das erste<br />

Nachkriegslehrwerk Úvod do studia dějepisu (Einführung in das Studium der<br />

Geschichtswissenschaft) – ein Kapitel über die Historischen Hilfswissenschaften bereitete Jiří<br />

Paclík vor).<br />

<strong>Das</strong> war eine der Ursachen, warum <strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong> in den 60er Jahre zu den anerkanntesten<br />

Historikern außerhalb Prags gehörte. Dieser Ruf wurde auch durch seine wissenschaftlichen<br />

<strong>Werk</strong>e verstärkt. Alle <strong>Werk</strong>e gehören in den Fachbereich der Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialgeschichte <strong>und</strong> thematisieren alle mehr oder weniger das Industriegebiet <strong>von</strong> Ostrava in<br />

der Zeit vor <strong>und</strong> nach der Industriellen Revolution. Im selben Jahr, als in Prag die oben<br />

erwähnte „Einführung“ für Aufregung sorgte, gab Karel Jiřík, Stadtarchivar in Ostrava, die<br />

große kollektive Arbeit Dějiny města Ostravy (Geschichte der Stadt Ostrava) heraus. Zur<br />

Hälfte ist sie der Wandlung der Stadt in ein Industriezentrum gewidmet, hier beschrieb <strong>Myška</strong><br />

die schwierige Zeit <strong>von</strong> 1763–1880. <strong>Myška</strong> ist es gelungen, mit Hilfe <strong>von</strong> modernen<br />

heuristischen Methoden sowie verbesserten Interpretationsmethoden die breite, durch Fakten<br />

reiche Gründerzeit des industriellen Ostravas zusammenzufassen, <strong>und</strong> das einschließlich<br />

Hinweisen auf die Rolle der Unternehmer. Gleich im folgenden Jahr 1968 rief die<br />

Editionstätigkeit <strong>von</strong> <strong>Myška</strong> besondere Aufmerksamkeit hervor, als er zur Ehrung des 170.<br />

Jubiläums der Geburt <strong>von</strong> František Palacký das Album Památník Palackého 1798–1968<br />

(Palacký-Gedenkbuch, 1968), in dem er neben den Aufsätzen <strong>von</strong> J. Havránek, J. Válka <strong>und</strong><br />

J. Hanák auch fünf Urteile über Palacký aus der Feder <strong>von</strong> bedeutenden ausländischen<br />

Wissenschaftern, einschließlich des sudetendeutschen Historikers Ferdinand Seibt,<br />

puiblizierte. Im folgenden Jahr kam das populärwissenschaftliche Übersichtswerk Čtení o


evíru (Revier-Lesebuch, 1969) heraus, ausgestattet mit Illustrationen <strong>und</strong> Beilagen, in denen<br />

er zusammen mit C. Nečas <strong>von</strong> der zweih<strong>und</strong>ertjährigen Geschichte des Steinkohlebergbaus<br />

im Ostrauer-Karwiner Revier seit der Entdeckung bis zum Jahr 1945 berichtete. Eine weniger<br />

bekannte, aber <strong>von</strong> den Studierenden immer noch geschätzte Publikation, erschien im selben<br />

Jahr in der Pädagogischen Fakultät in Ostrava unter dem Titel Dějepisci o dějinách. Antologie<br />

textů z děl českých historiků 18.–20. století (Geschichtsschreiber über Geschichte. Eine<br />

Anthologie <strong>von</strong> Texten aus den <strong>Werk</strong>en tschechischer Historiker 18.-20. Jahrh<strong>und</strong>ert). Als<br />

Gipfel der wissenschaftlichen Bemühungen <strong>Myška</strong>s in den 60er Jahren kann man jedoch die<br />

gr<strong>und</strong>legende Synthese bezeichnen, die hauptsächlich für das Ausland seine eigenen<br />

Forschungen zusammenfasst, diese Synthese beinhaltete gleichzeitig alles Wissen zum Thema<br />

des technisch-produktiven Umschwungs in der mährisch-schlesischen Eisenindustrie im<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert, Die mährisch-schlesische Eisenindustrie in der industriellen Revolution<br />

(1970).<br />

In den 60er Jahren gab es in der gesamten Tschechoslowakei keinen anderen<br />

geschichtswissenschaftlichen Arbeitsplatz, der sich in solch einer Breite, mit großem<br />

Publikationseffekt <strong>und</strong> mit klarer Ausrichtung der Wirtschaftsgeschichte des 18.–20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts gewidmet hat, wie im Falle des Lehrstuhls für Geschichtswissenschaft in<br />

Ostrava. Die Tatsache, dass die Arbeitsstelle in Ostrava in der ganzen Republik eine so<br />

bedeutende Stellung erlangen konnte, verdanken wir nicht zuletzt <strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong>. Wie bekannt<br />

ist, verwandelte sich gerade unter seiner Leitung, so schreibt in dieser Zeit der Archivar<br />

Jindřich Růžička aus Litomyšl, der Lehrstuhl für Geschichte an der Pädagogischen Fakultät<br />

in Ostrava in einen aktiven <strong>und</strong> leistungsstarken Arbeitsplatz, der durchdacht Schritt für<br />

Schritt zur Klärung der Entstehung <strong>und</strong> der Entwicklung des Industriegebietes <strong>von</strong> Ostrava<br />

beiträgt. Mit Recht schrieb er genau in diesem Zusammenhang über die Entstehung der<br />

„historischen Schule <strong>Myška</strong>“, deren Mitarbeiter <strong>und</strong> Zöglinge „sich spezifische heuristische<br />

Zugänge <strong>und</strong> Interpretationsmethoden im Hinblick auf die Methoden aneigneten, die benutzt<br />

wurden… für ähnliche Studien in der Welt“. 1 [Zeitschrift Matice moravské 1968, s. 313].<br />

In dieser Zeit war <strong>Myška</strong>s Name schon verankert in wissenschaftlichen Kreisen, die sich<br />

mit der Problematik <strong>von</strong> Industriegebieten <strong>und</strong> Fabrikunternehmen in Mitteleuropa<br />

beschäftigten. Es verw<strong>und</strong>ert also nicht, dass <strong>Myška</strong> neue Muster auch in der westlichen<br />

Historiographie suchte. In einer Zeit, als in der Tschechoslowakei das einzige gelobte Muster<br />

1 Im tsch. Original: „si osvojili specifické heuristické a interpretační metody s přihlédnutím k metodám,<br />

užívaným … pro obdobná studia ve světě.“


die sowjetische istoria fabrik i zavodov war, traute er sich einen bahnbrechenden Artikel über<br />

das das Studium der Unternehmensgeschichte in der heutigen nichtmarxistischen<br />

Historiographie zu verfassen, wobei er sogar versuchte, bei den westlichen bourgeoisen<br />

Historikern Informationen für das marxistische Studium der Unternehmensgeschichte zu<br />

finden. Urspünglich dachte er darüber nach, diesen Aufsatz im Berliner Jahrbuch für<br />

Wirtschaftsgeschichte zu publizieren, aber J. Kuczynski <strong>und</strong> H. Radant, bekannt durch ihre<br />

dogmatische <strong>und</strong> schematische Auslegung der Wirtschaftsgeschichte, lehnten dies ab. Ebenso<br />

sprach sich in Prag der ähnlich denkende J. Purš gegen eine Veröffentlichung des Aufsatzes in<br />

der Zeitschrift Československý časopis historický aus. <strong>Myška</strong> gelang es letztendlich den<br />

Aufsatz in der slowakischen Zeitschrift Historický časopis (1967) zu veröffentlichen.<br />

<strong>Das</strong> ungewöhnlich breite <strong>und</strong> anregende Schaffen <strong>Myška</strong>s in den 60er Jahren, das für ihn<br />

selbst <strong>und</strong> für das tschechische Geschichtsfach besonders vielversprechend war, beendete der<br />

Einmarsch der sozialistischen „Bruderstaaten“ im Sommer 1968. Er beendete nicht nur den<br />

„Erneuerungsprozess“, der in dieser Zeit in der tschechoslowakischen Gesellschaft <strong>und</strong> auch<br />

in der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei selbst stattfand, sondern er griff auch<br />

schwerwiegend in das persönliche <strong>und</strong> berufliche <strong>Leben</strong> <strong>von</strong> vielen aktiv Beteiligten ein,<br />

unter ihnen auch der Pädagoge <strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong>.<br />

Gleich nach der Besetzung Ostravas durch sowjetische Soldaten wurden einige Lehrer<br />

der Pädagogischen Fakultät Mitglied des Redaktionsteams der vorübergehend<br />

herausgegebenen, illegalen Stadtnachrichten Hlas Ostravy (Stimme Ostravas). Auch <strong>Milan</strong><br />

<strong>Myška</strong> wurde ein aktiver Mitarbeiter dieses Blattes. Darüber hinaus arbeitete <strong>Myška</strong> in der<br />

Redaktion der Zeitung Den, wo er einige aktuelle, gegen die Okkupation gerichtete Artikel,<br />

eine Bürgerbefragung über die damaligen Ereignisse <strong>und</strong> einen Aufruf an die polnischen<br />

Historiker, den der tschechoslowakische R<strong>und</strong>funk sendete, veröffentlichte. Noch ostentativer<br />

zeigte <strong>Myška</strong> seine Einstellungen, als er als Prodekan für ausländische Beziehungen als<br />

Protest gegen die sowjetische Okkupation den langjährigen „Fre<strong>und</strong>schaftsvertrag“ mit<br />

dem Pädagogischen Institut in Wolgograd aufhob. Weniger bekannt, aber dafür um so<br />

heldenhafter ist, dass, als im Herbst 1968 das Historische Institut der Tschechischen<br />

Akademie der Wissenschaften in Prag das bekannte „Schwarze Buch“ über die sieben Tage<br />

der Besetzung Prags herausgab, <strong>Myška</strong> dieses Buch zusammen mit seiner Sekretärin aus der<br />

Abteilung Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung in Ostrava <strong>und</strong> Umgebung verbreitete.<br />

Die Folgen ließen jedoch nicht lange auf sich warten. In den führenden Organen der KSČ<br />

in der Stadt <strong>und</strong> im Landkreis ergriffen wieder die alten „Stalinisten“, die in ihrem eigenen<br />

Feldzug gegen die „Konterrevolution“ direkt auf einem der vorderen Plätze eben auf jene


Pädagogische Fakultät zielten: Sie bezeichnen diese direkt als ein Zentrum der<br />

antisozialistischen, rechts orientierten Kräfte in der Gegend <strong>von</strong> Ostrava. Als einen ersten<br />

Schritt zur Abhilfe werteten sie den Austausch der Fakultätsleitung <strong>und</strong> die Durchführung<br />

einer personellen „Säuberung“. Unter Druck resignierte im Jahre 1970 die gesamte Leitung<br />

der Pädagogischen Fakultät, worauf auch <strong>Myška</strong> entlassen wurde <strong>und</strong> die Fakultät verlassen<br />

musste.<br />

Nach fünfzehn Jahren Tätigkeit an der Pädagogischen Fakultät hatte er sozusagen <strong>von</strong><br />

einem Tag auf den anderen nicht mehr die Möglichkeit wissenschaftlich <strong>und</strong> pädagogisch zu<br />

arbeiten, darüber hinaus war er beruflicher <strong>und</strong> geistiger Verfolgung ausgesetzt. Nur schwer<br />

ertrug er, dass das ihm „kommunistische“ Regime die Möglichkeit nahm, eine Anstellung zu<br />

finden, die zumindest teilweise seiner Qualifikation entsprach. Zehn Jahre lang fand er sich<br />

sozusagen in der Rolle eines Arbeitslosen wieder, was in der sozialistischen<br />

Tschechoslowakei zu der damaligen Zeit sozusagen unmöglich war. <strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong> lebte auf<br />

der einen Seite <strong>von</strong> gelegentlichen <strong>Werk</strong>verträgen <strong>und</strong> Übersetzungen, auf der anderen Seite<br />

<strong>von</strong> den Honoraren für seine historischen Publikationen, die er im geringen Umfang im<br />

Ausland <strong>und</strong> im größeren Umfang im Inland unter verschiedenen Pseudonymen oder anonym<br />

veröffentlichen konnte.<br />

Aus dem Überblick über all die <strong>Werk</strong>e vom Beginn der 70er Jahre bis ins Jahr 1989 wird<br />

ersichtlich, dass <strong>Myška</strong> an dieselben, manchmal auch an ähnliche Themen angeknüpfte, die<br />

er schon vorher bearbeitet hatte. Zunächst bemerkt man in <strong>Myška</strong>s Publikationstätigkeit,<br />

zumindest in den ersten zehn Jahren, weniger Rezensionen <strong>und</strong> Konferenzbeiträge. Dann<br />

setzte sich, im Laufe der Zeit immer mehr zu bemerken, der Trend durch, bemerkbar<br />

irgendwann ab dem Ende der 60er Jahre, dass er sich mehr auf die Stellung <strong>und</strong> die Aufgaben<br />

der Unternehmer konzentrierte. Daneben kann man in <strong>Myška</strong>s Publikationstätigkeit aus der<br />

Zeit der „Normalisierung“ mehrere Entwicklungsphasen nachvollziehen. In der ersten Phase,<br />

die relativ kurz war, gleich nach dem Verlust des Arbeitsplatzes, versuchte er, wohl<br />

verständlich, ziemlich schnell seine ausgearbeiteten Studien zu Ende zu bringen. Die zweite<br />

Phase ist länger gewesen <strong>und</strong> hatte daher auch umso fruchtbarere Ergebnisse vorzuweisen. Er<br />

arbeitete mit dem Technickoekonomický výzkumný ústav hutního průmyslu (Technischökonomisches<br />

Institut für das Eisenhüttenwesen) in Prag zusammen, das an der Schwelle der<br />

70er Jahre vom Ministerium für Industrie damit beauftragt wurde, eine detaillierte<br />

Bearbeitung der Geschichte des Eisenhüttenindustrie zu erstellen. Dank dessen werden in den<br />

70er Jahren gleich drei umfangreiche Arbeiten <strong>von</strong> <strong>Myška</strong> gedruckt: Neben den zwei Bänden<br />

Retrospektivní statistiky čs. hutnictví železa (Retrospektive Statistik des tschechosl.


Eisenhüttenwesens) war es im Besonderen die Studie über den Robot <strong>und</strong> andere Formen der<br />

Zwangsarbeit in den tschechischen Eisenmanufakturen (1976, unter dem Namen P. Bílková).<br />

<strong>Myška</strong>s Arbeit für das Institut erschöpfte sich darin freilich nicht. Es ist eine wenig bekannte<br />

Tatsache, dass er auch eine zyklische, mehrseitige Publikation Osnova dějin čs. hutnictví<br />

železa (Skizze der Geschichte des tschechoslowakischen Eisenhüttenwesens, 1975)<br />

herausgegeben hat, welche die Gr<strong>und</strong>lage für weitere Diskussionen bildete <strong>und</strong> auch die<br />

Ausgangsbasis für das Schreiben <strong>und</strong> die Herausgabe des dreibändigen <strong>Werk</strong>es Dějiny<br />

hutnictví železa v Československu (Geschichte des Eisenhüttenwesen in der<br />

Tschechoslowakei, 1984–1988) war. Des Weiteren entstehen in den Jahren 1974–1977 in der<br />

Sammlung der vorbereiteten <strong>Werk</strong>e (nicht gedruckt) vier weitere Arbeiten <strong>Myška</strong>s, die unter<br />

dem Pseudonym P. Bílková erschienen. Sie handelten <strong>von</strong> den Eisenhütten J. Dušánek <strong>und</strong> F.<br />

Kleinpeter, <strong>von</strong> der Geschichte der Eisenwerke Hahn in Bohumín <strong>und</strong> <strong>von</strong> dem Einfluss der<br />

Eisenbahn auf die Entwicklung des Eisenhüttenwesens in der Habsburger-Monarchie <strong>und</strong> in<br />

den böhmischen Ländern 1890–1914. Darüber hinaus bereitete <strong>Myška</strong> in derselben Zeit<br />

einige anonyme Aufsätze vor, es handelt sich um die Aufsätze Přesun center železářské<br />

výroby v rakousko-uherské monarchii a proces koncentrace výroby v českém hutnictví (Die<br />

Verlagerung der Zentren der Eisenherstellung in der österreich-ungarischen Monarchie <strong>und</strong><br />

der Prozess der Konzentrierung der Produktion im tschechischen Hüttenwesen, 1974) <strong>und</strong><br />

Vývoj rakouské celní politiky se zvláštním zřetelem na železářský průmysl (Die Entwicklung<br />

der österreichischen Zollpolitik mit besonderer Berücksichtigung der Eisenindustrie, 1975).<br />

Ein Blick in die Bibliographie der verwendeten Arbeiten im zweiten Band Dějiny hutnictví<br />

železa v Československu (Geschichte des Eisenhüttenwesens in der Tschechoslowakei, 1986)<br />

zeigt jedoch, das weitere Studien, als deren Autor <strong>Myška</strong> angesehen wird, es wohl noch mehr<br />

gegeben hat. Alle zusammen würden ein Kompendium <strong>von</strong> mehreren Seiten ergeben.<br />

Der größte Beitrag dieser Arbeiten ist, dass er in einer Zeit, als er zu keiner Konferenz ins<br />

Ausland fahren konnte <strong>und</strong> auch nur erschwerten Zugang zu ausländische Literatur hatte, er<br />

mit sicherem Auge in der europäischen <strong>und</strong> internationalen Historiographie ein neues<br />

wissenschaftliches Paradigma erkannte, die sog. Vorindustrialisierung. In die internationale<br />

wissenschaftliche Diskussion über dieses Paradigma griff <strong>Myška</strong> schon im Jahr 1979 mit<br />

einem bedeutenden Artikel ein, der in der englischen historischen Zeitschrift Past and Present<br />

veröffentlicht wurde, in dem er am Beispiel der Entwicklung des tschechischen<br />

Eisenhüttenwesens ungefähr <strong>von</strong> der zweiten Hälfte des 14. bis in die 50er Jahre des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts einerseits die Komplexität der ganzen Problematik, andererseits auch die<br />

Notwendigkeit dieses Paradigma mit der allgemein akzeptierten Theorie des sog. Stadiums


der Manufakturproduktion zu konfrontieren, aufzeigte. Nach zehn Jahren war dies <strong>Myška</strong>s<br />

erste Studie, welche die Fachleute im „Westen“ wieder an seinen Namen erinnerte. Damit<br />

hing auch seine Einladung auf den VIII. Internationalen Kongress der Wirtschaftsgeschichte,<br />

der im September 1982 in Budapest stattfand, zusammen. Kurz darauf erfolgte auch ein<br />

Appell des Internationalen Arbeitsamtes, auf dessen Gr<strong>und</strong>lage <strong>Myška</strong> im Jahre 1983 nach<br />

dreizehn Jahren ohne Arbeit eine Anstellung am Schlesischen Museum in Opava bekam.<br />

Im Jahr 1982 begann <strong>Myška</strong> eine fruchtbare Zusammenarbeit mit einer Forschergruppe<br />

für Textilgeschichte, die sich genauer gesagt mit der Produktion <strong>von</strong> Baumwoll- <strong>und</strong><br />

Leinenprodukten in Ústí nad Orlicí <strong>und</strong> Trutnov befasste. Seine Aufsätze wurden einerseits<br />

veröffentlicht in dem unregelmäßig erscheinenden Sammelband Z dějin textilu – Studie a<br />

materiály. Sborník příspěvků k dějinám textilní a oděvní výroby v ČSSR (Aus der Geschichte<br />

des Textilgewerbes – Aufsätze <strong>und</strong> Materialien. Sammelband mit Beiträgen zur Geschichte<br />

der Textil- <strong>und</strong> Bekleidungsindustrie in der ČSSR), der in Ústí nad Orlicí herausgegeben<br />

wurde, <strong>und</strong> andererseits in dem ähnlichen gelagerten Sammelband Lnářský průmysl.<br />

Příspěvky k dějinám (Die Leinenindustrie. Beiträge zur Geschichte), herausgegeben<br />

in Trutnov. <strong>Myška</strong> erschien zum ersten Mal als Artikelverfasser im fünften Band des<br />

Sammelbandes Z dějin textilu (Aus der Geschichte des Textilgewerbes) im Jahr 1983, <strong>und</strong><br />

zwar mit einem f<strong>und</strong>iertem Aufsatz über den belgischen Unternehmer Regnier <strong>und</strong> die<br />

Anfänge der Mechanisierung der Textilindustrie in den böhmischen Ländern. Beginnend mit<br />

dem fünften Band aus dem Jahr 1984 begann er unter seinem Namen auch im Trutnover<br />

Sammelband Lnářský průmysl (Die Leinenindustrie) zu veröffentlichen.<br />

<strong>Myška</strong>s Begeisterung für das neue Konzept der Protoindustrialisierung war ganz<br />

natürlich <strong>und</strong> ergab sich aus seinen jahrelangen Studien zur Industriellen Revolution <strong>und</strong> dem<br />

Suchen nach deren Anfängen <strong>und</strong> Wurzeln. Die Ergebnisse seiner fünfzehnjährigen Studien,<br />

einschließlich seiner Vorbehalte <strong>und</strong> Ergänzungen, fasste er in den ersten zwei Büchern<br />

zusammen, die er nach der Wende <strong>und</strong> der Rückkehr an die Fakultät herausgegeben hat:<br />

Opožděná industrializace. Lnářský a bavlnářský průmysl na Frýdecku a Místecku do počátků<br />

tovární výroby (Die verspätete Industrialisierung. Die Leinen- <strong>und</strong> Baumwollindustrie im<br />

Frýdecker <strong>und</strong> Místecker Land bis zum Beginn der industriellen Produktion, 1991) sowie<br />

Proto-industriální železářství v českých zemích. Robota a jiné formy nucené práce<br />

v železářských manufakturách (Protoindustrielle Eisenwerke in den böhmischen Ländern,<br />

1992).<br />

<strong>Das</strong> Ende der Mühen <strong>und</strong> Plagen brachte der Fall der „kommunistischen“ Diktatur im<br />

November 1989. <strong>Myška</strong> konnte nun an die Pädagogische Fakultät zurückkehren, wo er


unmittelbar darauf erneut an die Spitze des Lehrstuhls für Geschichte gewählt wurde, <strong>und</strong><br />

zwar in freien Wahlen. Er wurde in einem ordentlichen Ernennungsverfahren an der<br />

Karlsuniversität in Prag zum <strong>Professor</strong> für das Fach Tschechoslowakische Geschichte<br />

ernannt. Im folgenden Jahr legte er zur Verteidigung des Titels DrSc. erneut mit<br />

zwanzigjähriger Verspätung die Dissertation Studie k hutnictví železa v českých zemích<br />

(Studien zum Eisenhüttenwesen in den böhmischen Ländern, 1990) vor.<br />

Die Rückkehr an die Hochschule bedeutete im <strong>Leben</strong> <strong>von</strong> <strong>Myška</strong> einen weiteren<br />

bedeutenden Wendepunkt. In der etwas unbeweglichen Atmosphäre des Lehrstuhls <strong>und</strong> der<br />

Fakultät versuchte er einige seiner Vorstellungen über das Funktionieren einer modernen<br />

Hochschule einzubringen. Dies zeigte sich in Eingriffen in die Struktur der Unterrichtspläne<br />

im Sinne einer Stärkung des Anteils der Disziplinen, die den Studenten eine breite Skala an<br />

methodologischen <strong>und</strong> theoretischen Problemen des Fachs eröffnen sollten <strong>und</strong> das<br />

Eindringen in die Methoden <strong>und</strong> Techniken der historischen Arbeit etc. ermöglichen sollten.<br />

Als in der Mitte der 90er Jahre der Lehrstuhl für Geschichtswissenschaft, seit dem Jahr 1991<br />

Bestandteil der Philosophische Fakultät der Universität Ostrava, die Akkreditierung für das<br />

Doktorstudium der Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialgeschichte erhalten hatte, erfüllte sich formal<br />

<strong>Myška</strong>s Vorstellung über die Formierung der neuen jungen Mitglieder des Lehrstuhls für<br />

Geschichtswissenschaft.<br />

Nach <strong>und</strong> nach festigte sich am Lehrstuhl für Geschichtswissenschaft die<br />

wissenschaftliche Ausrichtung auf die Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialgeschichte (einschließlich der<br />

Geschichte der Demographie) <strong>und</strong> auf diesem Feld erwarb der Lehrstuhl sich auch<br />

internationalen Respekt. Dabei hat die Orientierung auf eine modern verstandene business<br />

history sehr geholfen, besonders in Bezug auf die Geschichte der Unternehmer <strong>und</strong> des<br />

Unternehmertums, zu der ein guter Zugang während zweier wissenschaftlicher Konferenzen<br />

in den Jahren 1992 <strong>und</strong> 1993 vorbereitet wurde. Diese Orientierung bei der Mehrzahl der<br />

Lehrstuhlmitglieder hat bis heute überdauert, was u. a. dazu beigetragen hat, dass an der<br />

Philosophischen Fakultät im Jahr 2007 das Zentrum für Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialgeschichte<br />

entstand, dessen erster wissenschaftlicher Leiter <strong>Myška</strong> wurde. <strong>Das</strong> Zentrum konzentrierte<br />

sich neben den in diese Richtung orientierten Mitgliedern des Lehrstuhls <strong>und</strong> Mitarbeitern<br />

anderer Arbeitsstellen insbesondere auf Absolventen des Doktorandenstudiums, <strong>von</strong> denen<br />

viele schon bedeutende wissenschaftlich-pädagogische Posten erhalten haben. Besondere<br />

Bedeutung für die fachliche Entwicklung des Lehrstuhls hatte zwei Ereignisse: Die<br />

Akkreditierung der Promotionsstudiengänge, zunächst für das Fach Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialgeschichte <strong>und</strong> nachfolgend auch für das Fach Tschechische <strong>und</strong> Tschechoslowakische


Geschichte <strong>und</strong> einige Jahre später die Akkreditierung des Habilitationsverfahrens <strong>und</strong> des<br />

Verfahrens der Ernennung <strong>von</strong> <strong>Professor</strong>en für das Fach Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialgeschichte.<br />

Im Jahre 1933 war <strong>Myška</strong> Pate eines außergewöhnlichen <strong>Werk</strong>es – des Biografický<br />

slovník Slezska a severní Moravy (<strong>Das</strong> biographische Wörterbuch Schlesien <strong>und</strong><br />

Nordmähren), um das sich ein großes Team <strong>von</strong> Wissenschaftern verschiedener Generationen<br />

konzentrierte <strong>und</strong> konzentriert. Zu den anderen bedeutenden Projekten, an deren Entstehung<br />

<strong>Milan</strong> <strong>Myška</strong> in den letzten Jahren beteiligt gewesen war, gehören z. B. die kollektiven <strong>Werk</strong>e<br />

Encyklopedie podnikatelů Čech, Moravy a Slezska do poloviny 20. století (Enzyklopädie der<br />

Unternehmer in Böhmen, Mähren <strong>und</strong> Schlesien in der ersten Hälfte des 20. Jhd., I/2003,<br />

II/2008) <strong>und</strong> Kulturněhistorická encyklopedie Slezska a severovýchodní Moravy<br />

(Kulturhistorische Enzyklopädie Schlesiens <strong>und</strong> Nordostmährens, 2005). Mit dem<br />

erstgenannten <strong>Werk</strong> beglich die tschechische Wirtschaftshistoriographie ihre alten Schulden<br />

im Bereich der europäischen business history, <strong>und</strong> es gelang ihr sogar die deutsche,<br />

französische, britische usw. Historiographie einzuholen. Erstmals gelangte ein <strong>Werk</strong> in die<br />

Hände der Fachleute <strong>und</strong> der breiten Öffentlichkeit, in dem man verlässliche <strong>und</strong> geprüfte<br />

Informationen über einzelne Persönlichkeiten <strong>und</strong> ganze Familien der Unternehmerelite<br />

finden kann, die in der tschechischen Industrie, im Gewerbe, im Bankwesen usw. vom 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert bis zur Wende, die in diesem Zusammenhang die sog. Verstaatlichung brachte,<br />

wirkten. Dieses <strong>Werk</strong> war der Ausgangspunkt für eine Reihe weiterer neuer Monographien<br />

über Unternehmerdynastien <strong>und</strong> wurde zur Inspiration für weitere Forschungen. Die<br />

Kulturhistorische Enzyklopädie, an deren Redaktion er sich zusammen mit dem<br />

Literaturhistoriker Lumír Dokoupil beteiligt hatte, besaß eine breitere thematische<br />

Ausrichtung <strong>und</strong> beinhaltete die kulturelle Entwicklung im weiteren Sinne.<br />

<strong>Das</strong> komplette Verzeichnis der <strong>Werk</strong>e <strong>von</strong> <strong>Myška</strong> steht den Lesern in dem<br />

vorliegenden <strong>Werk</strong> zur Verfügung. Bestandteil der Publikation sind neben neunzehn<br />

gr<strong>und</strong>legenden Artikeln <strong>und</strong> Studien <strong>von</strong> <strong>Myška</strong> auch ein Porträt des Wissenschafters, das<br />

seinem persönlichen <strong>und</strong> wissenschaftlichen <strong>Leben</strong> vor dem Jahre 1989 gewidmet ist, sowie<br />

ein Interview, das sein <strong>Leben</strong>sschicksal <strong>von</strong> der „Samtenen Revolution“ bis in die Gegenwart<br />

nachzeichnet.

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