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Dr. med. N. Egloff - Schmerzformen i.R. von Traumatisierung - sappm

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<strong>Schmerzformen</strong><br />

i.R. <strong>von</strong> <strong>Traumatisierung</strong><br />

N. <strong>Egloff</strong><br />

INSELSPITAL<br />

Universität Bern<br />

niklaus.egloff@insel.ch


Anmerkung zu dieser Skriptfassung:<br />

Eine Fulltext-Variante zu diesem Vortragsthema<br />

ist vor Kurzem als Mini-Review erschienen bei<br />

PRAXIS Schweizerische Umschau für Medizin<br />

<strong>Egloff</strong> N, Hirschi A, <strong>von</strong> Känel R<br />

«Schmerzstörungen bei Traumatisierten»<br />

Neurophysiologische Aspekte und klinische Phänomenologie<br />

Ausgabe 18. Januar 2012 (02/12): Seite 87-97<br />

Bestelladresse: zeitschriften@hanshuber.com


Schmerz PTSD


Schmerz PTSD<br />

Chronischer Schmerz (10 Studien)<br />

Fibromyalgie (12 Studien)<br />

Chron. Kopfschmerz (3)<br />

Orofazialer Schmerz (5)<br />

Unfall assoziierter Schmerz (6)<br />

Chron. Rückenschmerz (4)<br />

Beckenschmerz (2)<br />

CRPS (1)<br />

erhöhte Prävalenz<br />

<strong>von</strong> PTSD<br />

[Moeller-Bertram T et al 2012]


Prädiktor<br />

Schmerz PTSD<br />

Risikofaktor<br />

Gewalterfahrung<br />

Psychosoz. Stress<br />

Vernachlässigung<br />

[Jenewein 2009, Miro 2008]


Schmerz 34 - 80% PTSD<br />

Schmerz ist das häufigste geklagte<br />

physische Symptom bei PTSD.<br />

[Mac Farlane 1994, Advibegovic 2010]


Schmerz bei<br />

<strong>Traumatisierung</strong><br />

Traumaspezifische<br />

<strong>Schmerzformen</strong><br />

unspezifische<br />

<strong>Schmerzformen</strong>


1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.<br />

Im Folgenden wird eine Auswahl <strong>von</strong> 7 typischen traumassoziierten Schmerzen<br />

vorgestellt. Die 7 Formen schliessen sich gegenseitig nicht aus sondern kommen<br />

vielfach in Kombination vor. Es dominieren sog. «atypische <strong>Schmerzformen</strong>», d.h.<br />

<strong>Schmerzformen</strong>, welche sich häufig nicht oder nicht mehr mit einer Verletzung<br />

erklären lassen.


Schmerzprofil Fall Y<br />

1.<br />

6.<br />

3.<br />

7.<br />

5.<br />

Schmerzprofierfassung ist Basis für eine individualisierte<br />

multimodale Schmerztherapie


«Atypische» Schmerzen<br />

• Angegebene Schmerzregion nicht sicher<br />

mit peripherer Strukturläsion korrelierbar.<br />

• Wenig Besserung auf konventionelle<br />

Analgetika-Therapie<br />

• Tendenz zu Generalisierung<br />

• Begleitet <strong>von</strong> Zusatzsymptomen, wie<br />

Schlafstörungen, Gedächtnisstörungen,<br />

Depressions- und Angstsymptomen<br />

• Medizinalperson bekommt Schmerz nicht<br />

recht in den Griff … Pat fühlt sich nicht<br />

unbedingt verstanden…


Er sucht wohl<br />

am falschen<br />

Ort…<br />

Er sucht wohl<br />

am falschen<br />

Ort…


„psychogen“


Dualistisches Schmerzverständnis<br />

„somatogen“<br />

„psychogen“


Integratives Schmerzverständnis<br />

„somatogen“<br />

„psychogen“


Körperliche<br />

Schädigung<br />

„somatogen“<br />

Schmerzübermittlung<br />

Schmerz-<br />

Verarbeitung<br />

ZNS<br />

„psychogen“<br />

Im Rahmen <strong>von</strong> <strong>Traumatisierung</strong> kann es zu Veränderungen in verschiedenen<br />

Bereichen des Schmerzperzeptionssystems kommen.


Differentialdiagnose Schmerz<br />

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.


Körperliche<br />

Schädigung<br />

1. akut-nozizeptiver Schmerz<br />

• Häufig körperliches „Triggerereignis“<br />

• Cave: Kann durch dissoziative Mechanismen bei der<br />

Erstversorgung verschleiert sein.<br />

• = Ausgangslage für chronische Schmerzen


1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.<br />

2. Veränderte Schmerzübermittlung<br />

a) neuropathisch<br />

b) somatogene Chronifizierung


Schmerzübermittlung<br />

Körperliche<br />

Schädigung<br />

„somatogen“<br />

Schmerz-<br />

Verarbeitung<br />

ZNS<br />

„psychogen“<br />

Neuropathische Strukturschädigung


[<strong>Egloff</strong> N, Hirschi A, <strong>von</strong> Känel R , PRAXIS 2012]


Schmerzübermittlung<br />

Körperliche<br />

Schädigung<br />

„somatogen“<br />

Schmerz-<br />

Verarbeitung<br />

ZNS<br />

„psychogen“<br />

Chronifzierter somatogener Schmerz<br />

Bei langer oder intensiver Schmerzeinwirkung kommt es zu einer<br />

neuroplastischen Aufregulierung der schmerzübermittelnden<br />

Strukturen. D.h. z.B. zum Ausbau der synaptischen Übertragung<br />

im Hinterhorn des Rückenmarks. Man spricht dann <strong>von</strong> einer<br />

«Zentralisierung» des Schmerzgeschehens.


Wir machen nicht nur<br />

Erfahrungen, die Erfahrungen<br />

machen uns.<br />

E. Ionescou


1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.<br />

3. Muskulärer Spannungsschmerz<br />

i.R. erhöhter Sympathikotonie


3. Muskulärer Spannungsschmerz<br />

75%<br />

[<strong>Egloff</strong> N, Hirschi A, <strong>von</strong> Känel R , PRAXIS 2012]


1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.<br />

4. Schmerzdysregulations-<br />

Störungen


Fallbeispiel<br />

Chronologie<br />

• Bsp. Kriegsopfer aus Bosnien 1994 1. Extremstress<br />

• 100% Arbeitstätigkeit in Industrie bis<br />

• Unfall bei Arbeit 2004 (rechte Schulter) 2. Triggerereignis<br />

• «sudeckoide», sich ausweitende, therapieresistente Schmerzstörung<br />

auf der ganzen rechten Körperhälfte<br />

• 3. Schmerzerkrankung


„somatogen“<br />

Körperliche<br />

Schädigung<br />

Schmerzübermittlung<br />

Schmerz-<br />

Verarbeitung<br />

ZNS<br />

„psychogen“<br />

Disposition


Typische Schmerzdysregulations-Störungen mit<br />

Halbseitenverteilung<br />

75% somatische Auslöseereignisse<br />

[<strong>Egloff</strong> et al. Der Schmerz 2011]


Verminderte<br />

Berührungs-<br />

Sensibilität auf<br />

schmerzbetroffener<br />

Seite<br />

[<strong>Egloff</strong> et al. Der Schmerz 2011]


Verminderte<br />

Wärmeempfindung<br />

auf schmerzbetroffener<br />

Seite<br />

[<strong>Egloff</strong> et al. Der Schmerz 2011]


Kutane, dissoziationsartige (Hemi-)Hypästhesie in schmerzbetroffenen Arealen<br />

bei Patienten mit halbseitiger Schmerzdysregulations-Störung<br />

fMRI: [<strong>Egloff</strong> et al. PRAXIS 2010]<br />

PET: [<strong>Egloff</strong> et al. PAIN 2009]


Schmerzdysregulationsstörungen betreffen vielfach<br />

Personen mit physischer und psychischer<br />

Doppelbelastung<br />

Total<br />

n = 90<br />

Pat. with PET<br />

n=11<br />

Directly involved in war<br />

Indirect involvement of family in war<br />

Imprisonment for political reasons<br />

15 16.7%<br />

38 42.2%<br />

11 12.2%<br />

3 27.3%<br />

4 36.4%<br />

1 9.1%<br />

Sexual violence<br />

Adverse childhood experiences<br />

Marital violence<br />

6 6.7%<br />

27 30.0%<br />

12 13.3%<br />

1 9.1%<br />

1 9.1%*<br />

3 27.3%<br />

Accidents<br />

38 42.2%<br />

3 27.3%<br />

Jeder 4. erfüllt die Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

[<strong>Egloff</strong> et al, accepted 2012]


1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.<br />

5. Generalisierte Hyperalgesie


Es besteht eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit<br />

am ganzen Körper; ein physisches Auslöseereignis<br />

ist dazu nicht nötig. Eine hohe Stressbelastung<br />

genügt als Ursache für die gesteigerte zerebrale<br />

Schmerzempfindlichkeit.<br />

«Fibromyalgieforme» Ganzkörperschmerzen


Testung der Schmerzempfindlichkeit mittels Algometer<br />

Elektronisches<br />

<strong>Dr</strong>uckalgometer<br />

Genormte Wäscheklammer<br />

«Algopeg»<br />

High correlation r > 0.54<br />

Bestelladresse: annette.kocher@insel.ch<br />

[<strong>Egloff</strong> et al, BMC musculoskelet, 2011]


Klammer-Algometrie im Vergleich (Ohr)<br />

bei verschiedenen Schmerzpatienten<br />

VAS<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Fibromyalgie n=24 8.2 (+ 1,6)<br />

Allg. Psychosomatik n=67 VAS 7.2 (+2.4)<br />

Orthopädie n=58, VAS 4.3 (+1.8 )


Gesteigerte Tiefenschmerzempfindlichkeit bei früher Trennung<br />

Stundenweise separiert<br />

<strong>von</strong> Muttertier in ersten<br />

9 Lebenstagen<br />

Ohne Separierung <strong>von</strong><br />

Muttertier<br />

[Green PG et al, PAIN 2011]


Vermindertes Stressregulationsvermögen bei Vernachlässigung<br />

Ohne zuverlässige<br />

mütterliche Umsorgung<br />

Mit konstanter, guter<br />

mütterlicher Umsorgung<br />

[Meany M et al, 2005]


1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.<br />

6. Mnestisch unterhaltene Schmerzen


Es gibt schmerzhafte<br />

Erinnerungen,<br />

die uns wirkliche körperliche<br />

Schmerzen verursachen.<br />

F.M. Dostojewski


Ständig:<br />

Dauer-Memory-Schmerzen<br />

[Williams AC et al, 2010]<br />

Situativ getriggert:<br />

somatoforme Nachhallerinnerungen = „pain flashbacks“<br />

[Salomons TV, Clin J Pain 2004]<br />

[Whalley MG. PAIN 2007]


Symptompersistenz<br />

mehr als 10 Jahre nach<br />

primärer <strong>Traumatisierung</strong><br />

[<strong>Egloff</strong> N, Hirschi A, <strong>von</strong> Känel R , PRAXIS 2012]


Bei Gefahr kommt es zu<br />

Ausschüttung <strong>von</strong> Glutamat.<br />

Glutamat ist ein Reizverstärker<br />

und Reizkonservierer.<br />

Glutamat<br />

Reizintensivierung<br />

Langzeitpotenzierung<br />

Speichern unter


Mnestisch ausgelöste Beschwerden<br />

Speichern unter<br />

Schmerz Chron. Schmerz Hyperalgesie<br />

«pain flashbacks»<br />

Angst Chron. Angststörung Überängstlichkeit<br />

«Angstflashbacks»<br />

Stress Chron. Stressreaktion Stressintoleranz<br />

«Stressattacken»


Hypermnesie-Hyperarrousal-Modell


Hypermnesie-Hyperarrousal-Modell<br />

<strong>Traumatisierung</strong>


Hypermnesie<br />

1. GEFAHR NIE<br />

MEHR VERGESSEN.<br />

Ich erinnere mich an jede<br />

Feder des Adlers.<br />

iIch erinnere mich an jede Feder des Adlers


Hypermnesie<br />

iIch erinnere mich an jede Feder des Adlers<br />

Auch der Schmerz der Krallen<br />

ist in meinem Gedächtnis<br />

geblieben.


2. ALLE SINNE<br />

SCHÄRFEN!<br />

iIch erinnere mich an jede Feder des Adlers


Hypersensitivität<br />

Meine Augen geben sogar<br />

Alarm, wenn etwas<br />

einem Adler nur entfernt<br />

gleicht…


Hypersensitivität<br />

Mein Körper ist sensibel:<br />

ich spüre jedes Haar,<br />

ich spüre jeden Floh im Pelz.


Damit ich nicht<br />

mehr Opfer<br />

werde, bin ich<br />

jetzt oft auch<br />

aggressiv wie ein<br />

Tiger.


Ich wäre aber<br />

gerne wieder ein<br />

normaler Hase.


1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.<br />

7. Psychosozialer Schmerz<br />

«schmerzliche Erfahrung»


Psychischer<br />

Extremstress<br />

„somatogen“<br />

Schmerzübermittlung<br />

„psychogen“<br />

schmerzhafte<br />

schmerzhafte<br />

Erfahrung<br />

Erfahrung<br />

schmerzliche<br />

Erfahrung


20 min soz. Ausgrenzung<br />

schmerzliche<br />

Erfahrung<br />

[Eisenberger N et al, Science 2003]<br />

50 C<br />

46 C<br />

48 C<br />

[Coghill et al 1999]<br />

schmerzhafte<br />

Erfahrung<br />

(Hitzeschmerz)<br />

Die letzte Endstrecke bei soz. Schmerz und physischem Schmerz überlappen sich.<br />

Sensibilisierung in einem Bereich, ist verbunden mit Hypersensibilität im anderen<br />

Bereich.<br />

[Eisenberger N et al, Psychosom Med 2012]


Die schmerzhafte nozizeptive Erfahrung und<br />

die schmerzliche psychosoziale Erfahrung<br />

sind keine Gegensätze.<br />

Beide signalisieren letztlich die<br />

Integritätsgefährdung des traumatisierten Subjekts.<br />

Die eigentlichen «Schutzmechanismen» der<br />

Hypermnesie und Hypersensibilität<br />

tragen zur Chronifizierung des Leidens bei.


Kompetenzbereich für Psychosomatik<br />

Klinik für Allg. Innere Medizin<br />

Universitätsklinik Inselspital<br />

3010 Bern

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