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6 Ausgabe 1/2005 Tauziehen um Kernaufgaben Der wirtschaftliche Abschwung hat in den letzten Jahren einen immensen Druck auf die Informations-, Kommunikations- und Technologie- (IKT-) Branche in Deutschland ausgeübt. Chris Lewis, Leiter der Enterprise Practice der Analystengruppe Ovum, beschreibt, welche Wettbewerbsfaktoren CIOs verstehen müssen, um eine klare Differenzierungsstrategie verfolgen zu können. CIOs sehen sich im Moment Anforderungen mit teilweise gegensätzlicher Zielsetzung ausgesetzt. Will der CIO diese Aufgaben erfolgreich realisieren, muss er Prioritäten setzen. Aufgaben lassen sich grundsätzlich nach zwei Kriterien einteilen: nach dem Auftraggeber in interne oder externe Aufgabenfelder und nach dem Zeitfaktor in taktische oder strategische Aufgaben. Taktische Aufgabenfelder • Innovation: Initiiert durch den CEO, der seine Entscheidung auf Basis des Shareholder-Values trifft, können Innovationen kurzfristige Management Maßnahmen zur Einführung neuer Services auslösen. Dadurch soll in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder ausgebaut werden. • User Power: In vielen Unternehmen können User ohne vorherige Genehmigung des Unternehmens Geräte wie Mobile und Instant-Messaging- Tools ins Netz integrieren. Ziel einer zentralisierten Security Policy sollte es sein, solche potenziellen Sicherheitsrisiken zu unterbinden und sich langfristig davor zu schützen. Strategische Aufgabenfelder • Kostenkontrolle: In den letzten Jahren haben IKT-Abteilungen große Budgets verschlungen. In Zeiten knapper Kassen verlangen Shareholder nach Ergebnissen, die diese Ausgaben rechtfertigen. • Zentralisierung: Alle Aspekte der IT sollten bestimmten Standards entsprechen. Hierzu gehört auch, die Trennung einzelner Unterabteilungen innerhalb der IT aufzulösen. Außerdem müssen Sprach-, Daten, Mobil-
Ausgabe 1/2005 7 Sourcing Strategien wurden früher von Technologien und nicht von Services oder Geschäftsanforderungen getrieben. und Festnetzkommunikation zentral verwaltet werden. • Konsolidierung: Die Vielzahl von Netzwerken und Services, die im LAN und WAN vieler Firmen existieren, müssen konsolidiert werden. Hierfür kann im Durchschnitt mit einer Projektdauer von mindestens drei Jahren gerechnet werden. Kommunikation in Zusammenhang bringen Die IKT-Branche unterliegt einer hohen Dynamik. Wurden Einzelaspekte früher isoliert betrachtet, setzt heute, ausgelöst durch IP als Katalysator, eine zunehmende Standardisierung von Komponenten ein, die dem CIO eine ganzheitliche Sichtweise abverlangt. Ein gutes Beispiel für die immer noch vorherrschende isolierte Betrachtungsweise ist die Verwendung des Ausdrucks “Konvergenz” in der IKT-Branche. In der IT wird damit das Verschmelzen von Systemen und Netzwerken zu einer Plattform beschrieben. Der Telekom- Sektor versteht unter Konvergenz ehemals getrennte Netze und Applikationen, die in einem IP-Netzwerk zusammengeführt werden. In der Mobilund Festnetzkommunikation hingegen beschreibt dieser Ausdruck die gemeinsame Nutzung einer Plattform für Sprach- und Datenkommunikation. Eine Frage des Sourcings Eine von EVUA und Ovum 2004 unter ihren Mitgliedern gemeinsam durchgeführte Befragung ergab einen starken Trend zu mehr Managed Services und mehr Abschlüssen von Outsourcing- Verträgen in den nächsten Jahren. Von den circa 50 großen internationalen Unternehmen, die an der Studie teilnahmen, wollten 60 Prozent zukünftig neue Managed Services einkaufen bzw. stärker Outsourcing betreiben, 20 Prozent waren noch unentschlossen, die restlichen 20 Prozent wollten ihre IT auch weiterhin intern managen. Was sind die Gründe für diesen Trend zu mehr Managed Services und Outsourcing? • Neue Ausrichtung der Sourcing Strategie an Business Values: Während sich Sourcing Strategien früher auf Technologien konzentrierten, stehen heute Services und Geschäftsanforderungen im Mittelpunkt. • Durch IP-zentralisierte Applikationen sind viele Services überflüssig geworden und müssen konsolidiert werden. • Unternehmen suchen immer noch nach neuen Wegen, wie sich IT-Investitionen besser auszahlen. • Um den stärkeren Druck auf den CIO zu mildern, nimmt der Wunsch nach externer Hilfe zu, die dem CIO und seinem Team mehr Freiraum für wichtige Infrastruktur und Services verschafft. Welche Gründe auch immer Unternehmen in Umfragen angeben mögen, der Hauptgrund für Outsourcing- Vereinbarungen ist nach wie vor die Aussicht, Kosten zu sparen. Hierin liegt jedoch auch eine Gefahr begründet. Bei einer zu starken Fokussierung auf das Einsparungspotenzial werden die wirklich wichtigen Ziele leicht aus den Augen verloren. Im Gegensatz zu dem “Alles-oder-nichts-Prinzip” der 90er, muss der CIO heute eine Vielzahl von Aspekten bei der Fremdvergabe in Einklang bringen – von der Infrastruktur bis hin zur Applikation. Abgesehen von den Kernkompetenzen, gibt es eine Reihe von Aufgaben, die sowohl intern als auch von externen Partnern übernommen werden können. Hierzu gehören die Bereiche Security, Service Management, Traffic Management und Einkauf. Analysiert man alle Aufgabenfelder einzeln nach ihrer Bedeutung für das Kerngeschäft, erhält man zwangsläufig neue und individuelle Sourcing Strategien. Lieferanten müssen in der Lage sein, diese Strategien abzubilden. Neue Lieferanten- und Geschäftsmodelle Viel zu lange hat sich die Netzwerkbranche hinter Technologien, Tarifstrukturen und Marktregulierungen versteckt. Das Dilemma der Branche ist, dass ein höheres Maß an Kundenservice zwangsläufig geringere Margen zur Folge hat. Neue Geschäftsmodelle, neue Anbieter, mehr Services und stärkere Fokussierung auf den Kunden sind die neuen Trends, die sich in anderen Branchen bereits durchgesetzt haben. Auch in der Kommunikationsbranche wird in Zukunft kein Unternehmen mehr für sich beanspruchen können, “Hausund-Hof-Lieferant” für bestimmte Geschäftskunden zu sein. Der Markt wird sich stattdessen aufteilen: Neben der Fremdvergabe einzelner Aufgaben an System- und Netzwerk- Integratoren oder Managed Network Service Provider ist jede Spielart denkbar: Outtasking, Outsourcing oder in einigen Fällen sogar Insourcing. Wie sich der Kunde letztendlich entscheidet, hängt von verschiedenen, sehr individuellen Faktoren ab und ergibt sich aufgrund branchenspezifischer, unternehmenskultureller oder finanzieller Rahmenbedingungen. Diese boomenden Märkte und Vertriebskanäle zu verstehen – darin besteht zukünftig die Herausforderung für die Netzwerkbranche. Aus der Kundenperspektive wird sich der Lieferant nur dann erfolgreich positionieren, wenn er die Bedürfnisse des Unternehmens wirklich versteht, eine langfristige Kundenbeziehung aufbaut, und nicht über Technologien oder eigene Infrastruktur. Die zukünftige Rolle des CIO Viele CIOs werden sich in der Rolle des “Service Providers/Sourcers” wiederfinden, der an den COO oder den “Head of Business Process Change” berichtet. In Zukunft wird es zwei Arten von CIOs geben: Einen, der für das Management der Kerninfrastruktur verantwortlich ist und dafür sorgt, dass der “Maschinenraum” läuft, und einen, der Business Veränderungen mitträgt. Diese Trennung der Position CIO in “Business Process Manager” und “ICT Operations Manager” wird bereits seit mehr als einem Jahr in einigen Unternehmen umgesetzt. Klevere CIOs schultern das Management der IKT-Konvergenz und ziehen eine klare Grenze zwischen “Kernaufgaben” und “nicht differenzierender IT”. Denn hier haben Kosten und Risiken die höchste Priorität.
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