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1 1 Atem und Stimme. Die heilende Kraft der Obertöne in der ...

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lebhafter – er wurde selbständiger <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Aktionen. Nach Aussage <strong>der</strong> Mutter spricht er jetzt<br />

mehrere Worte, halbe Sätze, auch zu an<strong>der</strong>en Menschen.<br />

Er beg<strong>in</strong>nt, me<strong>in</strong>e M<strong>und</strong>bewegungen nachzumachen, wenn ich ihm <strong>Obertöne</strong> vors<strong>in</strong>ge. Er kann<br />

sich sehr viel differenzierter als am Anfang <strong>der</strong> Musiktherapie mitteilen.<br />

S<strong>in</strong>gen ist se<strong>in</strong> Schwerpunkt. Manchmal w<strong>in</strong>kt er mich an e<strong>in</strong>en Platz, an dem er mich haben möchte,<br />

<strong>und</strong> sagt dazu „komm“ o<strong>der</strong> „komm her“!<br />

Gegen Ende <strong>der</strong> Musiktherapie beg<strong>in</strong>nt er, auf Fragen von mir deutlich mit „Ja“ o<strong>der</strong> „Ne<strong>in</strong>“ zu<br />

antworten, z.B. wenn ich ihn frage, ob er dieses o<strong>der</strong> jenes Instrument spielen möchte, <strong>und</strong> er<br />

nimmt Blickkontakt auf.<br />

<strong>Die</strong>s ist für se<strong>in</strong>e Umwelt e<strong>in</strong>e große Erleichterung <strong>in</strong> <strong>der</strong> alltäglichen Verständigung.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Atem</strong>- <strong>und</strong> Musiktherapeut<strong>in</strong> Sab<strong>in</strong>e Rittner, die <strong>in</strong> mehreren Forschungsprojekten<br />

über die Wirkung <strong>der</strong> <strong>Stimme</strong> <strong>in</strong> verschiedenen Bereichen tätig ist, stellt<br />

fest, dass die „...große Bedeutung, die <strong>der</strong> Arbeit mit <strong>der</strong> <strong>Stimme</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Musikpsychotherapie<br />

zukommt, (...) bedauerlicherweise bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> musiktherapeutischen<br />

Fachdiskussion nur sehr peripher wahrgenommen“ wurde (196, 365).<br />

Stefan Güsgen (1999) wendet den Gesang von <strong>Obertöne</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Arbeit mit schwerst - mehrfach beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen an. Er<br />

Schwerst - mehrfach<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

berichtet von se<strong>in</strong>er Arbeit mit dem siebenjährigen Dom<strong>in</strong>ik, <strong>der</strong><br />

seit se<strong>in</strong>er Geburt <strong>in</strong> <strong>der</strong> 28. Schwangerschaftswoche, die e<strong>in</strong>e<br />

Langzeit - Beatmung erfor<strong>der</strong>te, an therapieresistenten Krampfanfällen leidet sowie<br />

an Tetraspastik <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er progredienten neurodegenerativen Erkrankung unklarer<br />

Genese.<br />

Tetraspastik<br />

Dom<strong>in</strong>ik lag nur noch apathisch im Bett, Bewegungen <strong>und</strong> Kommunikation waren ihm kaum mehr<br />

möglich. Neben <strong>der</strong> pflegerischen Betreuung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Gr<strong>und</strong>medikation erhielt er Chloralhydrat<br />

als Bedarfsmedikation bei beson<strong>der</strong>s starken Anfällen, die immer mit großer Unruhe <strong>und</strong> spastischen<br />

Krampfzuständen verb<strong>und</strong>en waren.<br />

neurodegenerative<br />

Erkrankung<br />

Güsgen hatte den Obertongesang <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e wohltuende Wirkung an eigenem Leibe kennen gelernt;<br />

so kam er auf die Idee, Dom<strong>in</strong>ik, <strong>der</strong> so gut wie ke<strong>in</strong>en Zugang mehr zu se<strong>in</strong>er Umwelt erleben<br />

konnte, mit <strong>Obertöne</strong>n zu behandeln. <strong>Die</strong> Erfahrungen waren so ermutigend, dass er daraus<br />

e<strong>in</strong>e langfristige Behandlung entwickelte. <strong>Die</strong> Sitzung beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> Kontaktaufnahme an Bett<br />

o<strong>der</strong> Rollstuhl; die eigentliche Behandlung besteht dar<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Therapeut <strong>Obertöne</strong> s<strong>in</strong>gt, wären<br />

Dom<strong>in</strong>ik mit dem Rücken auf <strong>der</strong> Brust des Therapeuten liegt. Der Abschluß <strong>der</strong> Sitzung besteht<br />

aus e<strong>in</strong>em Abschiedsritual. <strong>Die</strong> Erfahrungen <strong>der</strong> ersten beiden Sitzungen protokolliert Güsgen<br />

folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

Bei beiden Sitzungen schien Dom<strong>in</strong>ik richtig aus se<strong>in</strong>er sonstigen Apathie zu erwachen <strong>und</strong> das<br />

S<strong>in</strong>gen als e<strong>in</strong>en angenehmen Reiz für sich zu erleben. Er wirkte entspannt <strong>und</strong> sah zufrieden aus.<br />

Bee<strong>in</strong>druckend war, wie wach <strong>und</strong> aktiv er dabei wirkte. Ich selbst b<strong>in</strong> bei <strong>der</strong> ersten Sitzung sehr<br />

müde <strong>und</strong> entspannt geworden <strong>und</strong> wäre sicherlich e<strong>in</strong>geschlafen, wenn ich mich hätte h<strong>in</strong>legen<br />

können.<br />

<strong>Die</strong> zweite Sitzung unterschied sich von <strong>der</strong> ersten dadurch, dass noch zwei weitere beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> dabei waren. Das e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d sang mit, das an<strong>der</strong>e machte Klänge, die e<strong>in</strong>em Dialog entsprachen.<br />

Währenddessen nahm Dom<strong>in</strong>ik deutlich erkennbar wahr, an wen jeweils <strong>der</strong> Gesang gerichtet<br />

war. Wie <strong>in</strong> allen folgenden Sitzungen entspannte sich se<strong>in</strong>e Muskulatur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>drucksvoller Weise<br />

<strong>und</strong> er gab deutliche Zeichen des Wohlbef<strong>in</strong>dens von sich.“<br />

Kollegen <strong>und</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen, die den Behandlungen beiwohnen beobachteten unabhängig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>:<br />

- Dom<strong>in</strong>ik kommuniziert mit dem Therapeuten.<br />

- Er gibt zu erkennen, dass er die Musik des Therapeuten aufnimmt.<br />

- Während des S<strong>in</strong>gens entspannt sich Dom<strong>in</strong>ik sichtbar<br />

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