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BEIM ANLEGERSCHUTz BRECHEN NEUE zEITEN AN - Rotter ...

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Investment<br />

Bei m An l e g e r s c h u t z<br />

b r e c h e n<br />

n e u e Ze i t e n an<br />

Die Anlageberatung soll sicherer werden. Das ist eine der wichtigen Lehren aus der Finanzkrise,<br />

bei der bekanntlich viele Investoren Geld verloren haben. Der Gesetzgeber hat auch aus diesem<br />

Grund jüngst das Anlegerschutzgesetz auf den Weg gebracht.<br />

Text: Björn Drescher, Heino Reents, Drescher & Cie. Fotos: Drescher & Cie.<br />

Das Gesetz war ein zentrales Thema beim Roundtable-Gespräch<br />

„Beraterhaftung und Anlegerschutz:<br />

Theorie und Praxis“, zu dem Drescher &<br />

Cie gleich mehrere ausgewiesene Experten eingeladen<br />

hatte. Es diskutierten die Rechtsanwälte Klaus <strong>Rotter</strong> von<br />

<strong>Rotter</strong> Rechtsanwälte und Klaus Nieding von Nieding +<br />

Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft, die sich beide als<br />

Investorenvertreter hierzulande einen Namen gemacht<br />

haben, Nero Knapp vom Verband unabhängiger Vermögensverwalter<br />

(VUV) und Udo Rummelt von der Invers<br />

Versicherungsvermittlungsgesellschaft als Vertreter<br />

der Finanzdienstleistungsbranche sowie Thomas Elster<br />

von Dr. Roller & Partner Rechtsanwälte und Dirk Scherp<br />

von GSK Stockmann + Kollegen.<br />

„Die vom Gesetzgeber unternommenen Anstrengungen<br />

bleiben unvollständig, solange man sich nicht<br />

auch dem grauen und dem schwarzen Kapitalmarkt<br />

widmet“, sagt Dirk Scherp, der vor seiner Tätigkeit bei<br />

GSK Chief Compliance Officer bei der Dresdner Bank<br />

war. Warum fallen etwa Beteiligungen nicht unter das<br />

neue Gesetz, fragte Scherp in die Runde – und das<br />

nicht ohne Grund.<br />

Denn spektakuläre Verluste erlitten beispielsweise vergangenes<br />

Jahr Tausende von Anlegern mit geschlossenen<br />

Dubai-Immobilienfonds, in denen geschätzte 700<br />

Millionen Euro stecken. Der Wüstenstaat war am Rand<br />

der Pleite – mit der Folge, dass Wolkenkratzer und Ferienapartments<br />

entweder leerstehen oder über den<br />

Rohbaustatus nicht hinausgekommen sind. Die meisten<br />

Anleger, die hier investierten, auch angezogen von<br />

prominenten Werbern wie Michael Schumacher, Niki<br />

Lauda und Boris Becker, dürften den Großteil ihres Geldes<br />

kaum wiedersehen.<br />

Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) ist Anlagebetrug<br />

hierzulande nach wie vor weit verbreitet.<br />

Jedes Jahr werden Anleger in Deutschland durch dubiose<br />

und unseriöse Anlage- sowie Vermittlungsgesellschaften<br />

um rund 20 Mrd. Euro erleichtert – mit steigender<br />

Tendenz. Und die Dunkelziffer, so Anwalt Nieding,<br />

liegt deutlich höher. Das liege zum einen daran, dass<br />

betrogene Anleger sich schämten, die Fälle anzuzeigen,<br />

zum anderen handele es sich häufig um Schwarzgeld,<br />

das angelegt werde. Die freien Vermittler von<br />

Fonds, die Anleger in Pleitefonds getrieben haben,<br />

12 finest.finance! 2.2011


werden vom Anlegerschutzgesetz nicht erfasst, was in<br />

der Runde kritisiert wurde.<br />

Thomas Elster plädierte für mehr Selbstverantwortung<br />

der Anleger – ein Punkt, der in der Diskussion immer wieder<br />

auftauchte. „Der Kunde liest mindestens fünf Testberichte,<br />

bevor er eine Waschmaschine kauft, aber er<br />

investiert ohne weiteres 20.000 Euro nach nur einem Anlagegespräch“,<br />

kritisierte Elster.<br />

Die Stärkung der Finanzausbildung ist deshalb nach Auffassung<br />

der Experten ein wichtiges Mittel, um proaktiv<br />

einer Falschberatung entgegenzuwirken. „Anleger müssen<br />

ein Basiswissen über die Geldanlage aufbauen und<br />

die Funktionsweise der Kapitalmärkte verstehen. Nur<br />

so können sie beurteilen, ob ein Berater eine kundengerechte<br />

Anlageempfehlung gibt“, sagt Nero Knapp,<br />

Verbandsjustiziar des VuV. Gerade die Finanzausbildung<br />

werde jedoch von der Politik zu wenig gefördert. „Eine<br />

Grundausbildung im Finanzbereich gehöre in jeden Lehrplan.<br />

Auch ältere Menschen sollten in der Geldanlage<br />

fit gemacht werden. „Denn diese Kundengruppe wird<br />

oftmals mit vollmundigen Versprechungen gelockt und<br />

finest.finance! 2.2011<br />

vertraut auf die Empfehlung des Beraters“, sagt Knapp.<br />

Für mehr Finanzbildung plädiert auch Anwalt Nieding,<br />

doch er schränkt ein: Weil der Anleger nicht über eine<br />

ausreichende Finanzbildung verfügt, muss man ihm zur<br />

Seite stehen.<br />

Einen anderen Lösungsweg hatte <strong>Rotter</strong> parat: Er sprach<br />

sich ausdrücklich für ein Verbot des provisionsgesteuerten<br />

Vertriebs aus. <strong>Rotter</strong> forderte stattdessen die Honorarberatung<br />

zu forcieren. Der Kunde zahlt in diesem<br />

Modell nur für die Beratung an sich und wird nicht wegen<br />

der Provisionsinteressen von Finanzvermittlern zu bestimmten<br />

Produkten gelenkt.<br />

<strong>Rotter</strong> kritisierte: „Gerade die sehr komplexen Zertifikate<br />

kann der Berater dem Kunden nicht in zehn Minuten erklären.“<br />

Deshalb sei es gängige Praxis, dass man die Kunden<br />

so lange bearbeitet, bis sie unterschreiben. <strong>Rotter</strong> verwies<br />

auf Tests der Zeitschrift Finanztest, die belegen würden,<br />

dass die Beratungsgespräche der Banken mangelhaft<br />

seien. „Solange wir den provisionsgesteuerten Vertrieb<br />

zulassen, wird sich der Berater ökonomisch verhalten und<br />

dem Kunden zwangsweise ein schlechteres Produkt an-<br />

13


Investment<br />

Die Teilnehmer am Roundtable (v.r.n.l.): Klaus <strong>Rotter</strong>, <strong>Rotter</strong> Rechtsanwälte (halb im Bild);<br />

Heino Reents, Drescher&Cie; Klaus Nieding, Nieding + Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft;<br />

Udo Rummelt, Invers Versicherungsvermittlungsgesellschaft mbH; Dr. Nero Knapp,VuV – Verband unabhängiger<br />

Vermögensverwalter Deutschland e.V.; Maria Brücker, Rechtsanwälte Syttkus & Brücker; Björn Drescher,<br />

Drescher&Cie; Dr. Dirk Scherp, GSK Stockmann+Kollegen (verdeckt); Thomas Elster, Dr. Roller & Partner<br />

bieten“, sagte <strong>Rotter</strong>. Der Gesetzgeber dürfe nicht dem<br />

Berater erlauben, Provisionen zu nehmen und gleichzeitig<br />

dem Kunden das beste Produkt verkaufen.<br />

Invers-Geschäftsführer Rummelt lehnte ein solches Verbot<br />

strikt ab. „Honorarberatung wird dazu führen, dass<br />

weniger Beratung stattfindet, weil viele Kunden unter<br />

dem Eindruck von Zusatzkosten meinen, sich das nicht<br />

leisten zu können“, so Rummelt. Zudem wehrte er sich<br />

als Branchenvertreter gegen den Vorwurf des provisionsgetriebenen<br />

Verkaufs von Anlageprodukten: „Wenn es<br />

nur um Provisionen gehen würde, würden freie Berater<br />

nur geschlossene Fonds verkaufen.“ Dort ist bekanntlich<br />

die Provision für den Berater am höchsten. Allerdings sei<br />

es in der Tat ein Problem, dass manche freie Vermittler<br />

Produkte aus dem grauen Kapitalmarkt verkauft haben.<br />

Sein Lösungsvorschlag: Der Produktgeber müsse die Haftung<br />

übernehmen und sich davon nur befreien können,<br />

wenn er den Vermittler und Anleger nachweisbar über<br />

alle Vor- und Nachteile aufgeklärt hat. Er fügte hinzu: „Für<br />

die Dummheit einzelner Anleger kann man aber keinen<br />

haftbar machen.“<br />

Ein weiteres Thema: das geplante Produktinformationsblatt.<br />

Ein solcher Beipackzettel, der von einigen Banken<br />

bereits verwendet wird, soll Risiken, Erträge und Kosten<br />

eines Anlageprodukts verständlich beschreiben und Produkte<br />

verschiedener Anbieter vergleichbar machen. Zwar<br />

ist das Informationsblatt künftig gesetzlich verpflichtend,<br />

doch die Anbieter müssen es nicht automatisch veröffentlichen,<br />

wenn sie ein neues Produkt auf den Markt bringen.<br />

Es reicht, dieses im Verkaufsgespräch auszuhändigen,<br />

wenn ein konkretes Produkt empfohlen wird. Damit ist es<br />

Verbrauchern nicht möglich, sich unabhängig vom Verkaufsgespräch<br />

anhand klar verständlicher und vergleichbarer<br />

Informationen zu informieren. Außerdem fehlen gesetzliche<br />

Standards für den Inhalt und die Gestaltung.<br />

„Bei Anlageprodukten handelt es sich nicht um Konsumgüter<br />

des täglichen Lebens wie Fernseher oder Handys.<br />

Die Produkte sind eher mit Medikamenten zu vergleichen,<br />

deshalb ist besondere Information und Beratung vonnöten“,<br />

sagte Nieding. <strong>Rotter</strong> pflichtet ihm bei, forderte zugleich<br />

aber, stärker auf der Produktseite anzusetzen: „Es ist<br />

beispielsweise ein Skandal, dass wir über 500.000 Zertifikate<br />

haben, die so konzipiert sind, dass sie sich teilweise in Luft<br />

auflösen“, sagte <strong>Rotter</strong>.<br />

Nieding und <strong>Rotter</strong> berichteten von Fällen aus der Praxis:<br />

So seien viele erklärungsbedürftige und komplexe Produkte,<br />

wie etwa Zertifikate, von Großbanken immer auf die<br />

gleiche Art und Weise verkauft worden. „Es gab Regieanweisungen<br />

an die Berater, was man wie verkauft“, sagte<br />

Nieding und verwies auf Zertifikate der Investmentgesellschaft<br />

Lehman Brothers: Bank- und Sparkassenkunden, die<br />

eine sichere Anlage suchten, wurden vor Ausbruch der Finanzkrise<br />

von vielen Beratern Zertifikate von Lehman Brothers<br />

verkauft, die nach der Pleite der Investmentbank 2008<br />

wertlos wurden.<br />

Lehman-Zertifikate seien in überwiegendem Teil der Fälle<br />

an Anleger der Altersgruppe 60+ verkauft worden, zumeist<br />

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Investment<br />

Die Teilnehmer am Roundtable (v.r.n.l.): Maria Brücker, Rechtsanwälte Syttkus & Brücker;<br />

Dr. Dirk Scherp, GSK Stockmann+Kollegen; Udo Rummelt, Invers Versicherungsvermittlungsgesellschaft mbH;<br />

Klaus Nieding, Nieding + Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft; Dr. Nero Knapp, VuV – Verband unabhängiger<br />

Vermögensverwalter Deutschland e.V.; Björn Drescher, Drescher&Cie; Klaus <strong>Rotter</strong>, <strong>Rotter</strong> Rechtsanwälte;<br />

Thomas Elster, Dr. Roller & Partner Rechtsanwälte (nicht auf dem Bild).<br />

mit dem Argument, diese Produkte seien genauso sicher<br />

wie Sparbücher, aber mit höherer Rendite, so Nieding,<br />

dessen Kanzlei rund 1.000 geschädigte Lehman-Anleger<br />

vertritt. Investmentfonds waren gestern, Zertifikate sind<br />

heute, so sei die Argumentation der Vermittler gewesen.<br />

Nieding berichtete von weiteren Betrugsfällen wie etwa<br />

Phoenix. Die Firma Phoenix Kapitaldienst hatte mit Hilfe<br />

gefälschter Unterlagen Wertpapiergeschäfte vorgetäuscht<br />

und die Anleger seit Anfang der 1990er Jahre um<br />

gut 600 Millionen Euro geprellt. Der Betrug war Anfang<br />

2005 aufgeflogen. Das Unternehmen musste Insolvenz<br />

anmelden, betrogene Investoren warten seit Jahren auf<br />

Entschädigung.<br />

Geschädigte Anleger müssen oft einen langen Atem haben,<br />

warnte Nieding. Es sei ausgesprochen schwierig, als<br />

Anleger einen Prozess zu gewinnen. „Banken und Finanzdienstleister<br />

haben es deutlich einfacher vor Gericht, da<br />

der Kunde stichhaltig alles belegen muss“, sagte auch<br />

<strong>Rotter</strong>. Zudem sei es für viele Anleger angesichts der hohen<br />

Prozesskosten schwierig, überhaupt vor Gericht zu<br />

ziehen. Seinen Schätzungen zufolge werden nur fünf Prozent<br />

der Fälle überhaupt vor Gericht gebracht. Anders als<br />

etwa in den USA gebe es nicht die Möglichkeit der Sammellage.<br />

Weitere Schwierigkeit: Viele Rechtsschutzversicherungen<br />

schränken eine Klage ein beziehungsweise<br />

decken sie gar nicht ab.<br />

Die Zweckmäßigkeit einer Beweislastumkehr wurde außerdem<br />

in Frage gestellt. In dem Fall müssten Banken<br />

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nachweisen, dass ihre Anlageberatung richtig und sauber<br />

gelaufen ist. Und auch, dass ausführlich über Risiken<br />

gesprochen wurde – und zwar so, dass es der Verbraucher<br />

auch verstehen konnte. Eine solche Gesetzgebung<br />

könnte allerdings eine Flut von Klagen auf Verdacht nach<br />

sich ziehen und die Gerichte überlasten.<br />

Das Thema Beratungsprotokoll wurde ebenfalls heiß diskutiert:<br />

In ein solches Protokoll müsse auch Freitext rein,<br />

sagte Elster. Er kritisierte kritische Stimmen, etwa von Verbraucherschützern,<br />

die Kunden warnen, die Protokolle zu<br />

unterschreiben. Das sei nicht hinnehmbar, beide Parteien<br />

müssten sich nach einem Beratungsgespräch zu dem Ergebnis<br />

bekennen.<br />

Anwalt <strong>Rotter</strong> verwies darauf, dass es keinen Anspruch<br />

des Kunden auf eine optimale Beratung gebe. „Es muss<br />

vielmehr nur ein vertretbarer Anlagevorschlag erfolgen.“<br />

Das Beratungsprotokoll berge auch aus Anlegersicht eine<br />

große Gefahr – mangels besseren Wissens werde er alles<br />

unterschreiben, was ihm der Berater vorlegt. „Es ist eine<br />

Frage des Vertrauens. Es gibt hier eine strukturelle Unterlegenheit<br />

der Anleger“, so <strong>Rotter</strong>.<br />

Der Vorschlag von Rummelt, Produkte mit einer Ampel zu<br />

kategorisieren (rot für riskant, grün für empfehlenswert),<br />

stieß auf Ablehnung. Nieding forderte vielmehr eine stärkere<br />

Produktkontrolle. Bestimmte Anleger sollten bestimmte<br />

Produkte nicht kaufen können. VUV-Vorstand Knapp<br />

schlug dagegen vor, die Ausbildungsqualität der Berater<br />

zu verbessern „Das sehen wir als Zukunftschance.“<br />

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