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das spoettische duell zwischen christen und heiden waehrend der ...

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DAS SPOETTISCHE DUELL<br />

ZWISCHEN CHRISTEN UND HEIDEN WAEHREND<br />

DER ERSTEN DREI JAHRHUNDERTE *<br />

Dr. ELIAS VOULGARAKIS<br />

D e r n s c h e e m k d e r C h s t e n<br />

Dir christliche Polemik gegen die heidnische Umwelt ist ihrer<br />

Ironie um nichts geringer als die ihrer Gegner; sie ist uns auch grosserem<br />

Umfa:ng uberliefert. Wie schon anfangs festgestellt, richtet sie<br />

sich einmal gegen die heidnische Religion, sodann aber auch gegen die<br />

Philosophen. Die Gotzen bekommen dabei den meisten Spott ab. Der<br />

Volksglaube an die alten Gotzenbil<strong>der</strong>, ein Glaube, <strong>der</strong> ohne grosse Reflektion<br />

seit Jahrh<strong>und</strong>erten den Menschen verwurzelt war, bildete bei<br />

<strong>der</strong> Bekehrung ein schier untiberwindliches Hin<strong>der</strong>nis. 10B Origenes gibt<br />

uns ein aufschlussreiches Bild <strong>der</strong> Verquickung Gotzenreligion <strong>und</strong><br />

Gewohnheit: «Rechthaberei <strong>und</strong> Voreingenommenheit sind gefahrlich;<br />

sie hin<strong>der</strong>n die Leute, die damit behaftet sind, selbst augenscheinliche<br />

Dinge sehen, nur um liebgewonnene Ansichten nicht aufgeben<br />

mtissen, die ihrer Seele Farbe <strong>und</strong> Gestalt verliehen haben. Leichter<br />

durfte wohl ein Mensch an<strong>der</strong>e Gewohnheiten, wenn er sich auch schwer<br />

ihnen trennt, aufgeben, als seine Lieblingsmeinungen....Dass aber<br />

<strong>der</strong> menschlichen atur etwas <strong>der</strong>artiges wi<strong>der</strong>fahren kann, wird bei<br />

<strong>der</strong> Erwagung klar werden, <strong>das</strong>s die Leute nicht Ansichten, die sie<br />

Vorfahren <strong>und</strong> Mitbtirgern ubernommen haben <strong>und</strong> fur die sie voreingenommen<br />

sind, ablassen, mogen diese auch ganz schmahlich <strong>und</strong> einfaltig<br />

sein. So wird man einenAgyter nicht leicht dahin bringen, <strong>das</strong>s<br />

er die den Vatern tibernommenen Auschauungen verachtet, <strong>das</strong>s er<br />

aufhort, dieses o<strong>der</strong> jenes unvernunftig'e Tier fur Gott halten <strong>und</strong> lie-<br />

'"<br />

270 '1"0::;<br />

107, Die Akten des Apollonius 34/KNKR, S, 33 zum letzten Zitat S. 270).<br />

108. Apologeticum, 2/CSEL, 69. S. 28.


Das spottische Duell <strong>zwischen</strong> Christen <strong>und</strong> Heiden<br />

611<br />

ber sterben zu wollen, als Fleisch einem solchen Tiere zu geniessen.»109<br />

Der Macht <strong>der</strong> Gewohnheit sind aber nicht nur die Ungebildeten<br />

ausgesetzt, auch die Vornehmen sind ihr unterworfen. Wenn auch seitens<br />

<strong>der</strong> gebildeten Heiden mehrfacll <strong>der</strong> Vorwurf, sie beteten Gotzenbil<strong>der</strong><br />

an, entschieden<br />

wurde, so kritisierten die Christen<br />

doch damit einen tatsachlichen Sachverhalt. Gewiss waren die Nuancen<br />

<strong>zwischen</strong> wahrer Anbetung <strong>und</strong> Aberglauben in dieser Zeit stark<br />

<strong>der</strong> personlichen Einstellung gepragt, dennoch meint Origenes, in diesem<br />

angeblich wahren Glauben <strong>der</strong> Vornehmen - <strong>und</strong> <strong>das</strong> spricht ganz<br />

offen aus - einen nicht geringen Anteil Volksglauben zu entdecken.110<br />

den Pseudoklementinen sind auf wenigen Seiten Verteidig'ungsargumente<br />

<strong>der</strong> heidnischen Apologetik gegen den Vorwurf des Aberglaubens<br />

zusammengetragen, was ein indirekter, aber klarer Beweis die Meinung<br />

des Origenes ist. 11l<br />

Wenn die christliche Polemik gegen die Gotzen auch schon in<br />

apostolischer Zeit beginnt 11\ so setzt <strong>der</strong> Spott erst viel spater ein. Das<br />

ist auch ein ganz folgerichtiges Phanomen, setzt doch <strong>der</strong> Spott ein gewisses<br />

Selbstbewusstsein ob seiner sozialen Kraft voraus. Diese<br />

deckung)) fehlte in den ersten Anfan.gen <strong>der</strong> Kirche ganz <strong>und</strong> gar; Ja, man<br />

war ausserst vorsichtig: Aus <strong>der</strong> Apostelgeschichte geht deutlich hervor<br />

(19,37), wie angstlich die alte Kirche war, nur ja nicht den<br />

Eindruck einer Gotteslasterung zu erwecken.<br />

Vergleicht man etwa die Satyre «De morte peregrini)) (um 170)<br />

Lucian mit dem Celsischen<br />

(um 180), so<br />

man einen grossen Unterschied: Das Bild, <strong>das</strong> die erste Schrift entwirft,<br />

ist verachtend, aber wohlwollend. Sie zeigt, <strong>das</strong>s Lucian nie den Stich<br />

<strong>der</strong> christlichen Ironie erfahren hat. Celsus hat ihn dagegen zu<br />

bekommen 113 , ja, er nimmt die Lehre des neuen Christenglaubens so eI'nst,<br />

109. Gegen Celsus, 1/52/GCS, 1. S.103-Vbers. v. Paul Koetschau i. d.<br />

Aus <strong>der</strong> gl'ossen Zahl Bel'ichten hieri.iber einige Auswahlen: Pseudoklementinen,<br />

Homilia /GCS, S. 89; e m e n s v. e a n d r e n, Mahnrede<br />

an die Heiden 89, 1-3 /GCS, 1. S. 66.<br />

110. Gegen Celsus, 43/GCS, 2. S. 47; 46/GCS, 2. S. 197.<br />

111. s e u d k e m e n t i n e Homilia t, /GCS, S. 147; Homilia<br />

/GCS, S. 159. vg]. C h a C e r c, Les theories relatives au culte des images<br />

chez les auteurs grecs du IIme siecle apres J.C., Paris (1915) S. 171-255.<br />

112. Kor. 8,4; 10,20; 12,2; Gal. 4,8; Rom. 1,23. 25; Apg'. 17,29; 19,26; Apok.<br />

9,20.<br />

113. Orige nes, Gegen Celsus 19/GCS, 1. S. 216; 43/GCS, 1. S. 238;<br />

41/GCS, S. 2. S. 255.


612 Elias Vou!garakis<br />

<strong>das</strong>s er sich anschickt, sie schriftlich <strong>und</strong> mit beissendem Spott wi<strong>der</strong>legen.<br />

Diese beiden Zeugnisse verdeutlichen die Wende, die sich innerhalb<br />

des Christentums vol1zogen hat. Und in <strong>der</strong> Tat hat sich manches<br />

Neue herausentwickelt: Die \vestliche Kirche schickt sich an, die<br />

lateinische Sprache verwenden, <strong>der</strong> Kanon des kristal1isiert sich<br />

heraus, die ersten Synoden treten zusammen, die Verfolgungen <strong>der</strong> jungen<br />

Kirche \verden harter. Das Christentum, bisher nur in dem Einzel<strong>christen</strong><br />

greifbar, immer mehr in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> 114 • die Kirche<br />

tritt al1mahlich a1s ein sozialer Faktor in die Welt. diese Zeit fal1en<br />

auch die ersten Anfange des christlichen Spottes, dessen erster Vertreter<br />

Tatian ist. llG<br />

Die Christen richten zuerst ihre Angriffe auf die Mythologien<br />

<strong>der</strong> Heidenre1igion. Tertul1ian sich, die profanen Vorstellungen<br />

Himmel <strong>und</strong> Erde ins Lacherliche ziehen: «Et tamen Caeli et<br />

Terrae originem omitto, erant <strong>und</strong>e<strong>und</strong>e, caelibes diu et orbi, antequam<br />

mariti et parentes. longo sci1icet aevo crescendum il1is fuit ad tantam<br />

proceritatem denique simul coepit et Cael0 insolescere et ubera<br />

Terrae lapilliscere; faciunt nuptias inter se. credo, aut Caelum descendit<br />

ad sponsam, aut Terra ascendit ad sponsum.»116<br />

(Doch ich den Usprung Himmel <strong>und</strong> Erde; sie stammten<br />

woher immer, waren lange ehe- <strong>und</strong> kin<strong>der</strong>los, bevor sie<br />

Gatten <strong>und</strong> Eltern wurden; in langem Zeitraum mussten sie heranwachsen<br />

zu solcher Riesengrosse! Endlich, sobald dem Himmel die Stimme<br />

anzuschwellen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erde die sich zu straffen begannen, hielten<br />

sie Hochzeit miteinan<strong>der</strong>; ich glaube, es stieg entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Himmel<br />

herab zur Braut o<strong>der</strong> die Erde stieg empor zum Brautigam).<br />

Sodann kommt die Theogonie an die Reihe:<br />

114. Noch vie! spiiter (im Jahre 212) erwiihnt noch Tertullian diesen Vorgang:<br />

Ad Scapulam 2,10/CSEL, 76. S. 11.<br />

115. Es ist aufsch!ussreich, <strong>das</strong>s man bei Justin, dessen Schriften uns grosser<br />

Zah! erha!ten geb!ieben sind, keiner!ei spottische Anspie!ungen findet. Die einzige<br />

Stelle, die man nach meiner Meinung auszuk!ammern hiitte, richtet sich gegen<br />

die Juden (Dialog mit Tryphon 113,2/GOOD, S. 229), gegen die Heiden schreibt<br />

er nichts <strong>der</strong>g!eichen, wenn man nicht mit Hans Kampenhausen ebd. (s. Anm. 3,<br />

S. 190) einem Wortspie! (Apo!ogia 3, 1-2 /GOOD, S. 80) einen ironischen Unterton<br />

zu unterschieben geneigt ist.<br />

116. Ad nationes 12 /CSEL, 20. S. 117. - Vbers. e d e t h a!! r;<br />

Tertullians 2. Buch Ad nationes u. De test. animae, Pa<strong>der</strong>born, 1942.


Das spottische Duell z\vischen Crhisten <strong>und</strong> Heiden<br />

613<br />

(;)<br />

... »117<br />

(Lasst ihr die Gotter geboren werden, so erklart ihr sie damit<br />

auch sterblich. Warum ist denn Hera jetzt nicht mehr schwanger?<br />

1st sie alt geworden o<strong>der</strong> habt ihr niemanden, <strong>der</strong> es euch verraten konnte?<br />

Lasst euch endlich mir ihr Bekenner des Griechentums,<br />

<strong>und</strong> erklart eure Mythen nnd Gotter doch nlcht Allegol'ien...)<br />

nnd: «Cnr enim, si nati sunt, hodie quoque nascuntur? nisi<br />

forte iam sennit et partus defecit et Minerva canuit<br />

antequam peperit. an ideo cessavit ista generatio, quoniam nulla huiusmodi<br />

fabulis praebetnr adsensio ?»1l8<br />

(Warnm werden denn nicht auch heute noch Gotter geboren, wenn<br />

solche jegeboren werden? Aber Jupiter ist eben viellelcht altel'sschwach<br />

nnd Juno unfrnchtbar geworden <strong>und</strong> Minerva, ergraut, ehe sie gebo1'en<br />

hat! O<strong>der</strong> horte et"ya jene Zeugungskraft auf, weil <strong>der</strong>lei Ma1'chen keinen<br />

Glauben mehr finden?)<br />

Tertullian bekampft die Theogonie dadnrch, <strong>das</strong>s e1' de1'en Dichte1'<br />

ve1'ulkt: «Hunc vobis patria1'cham deo1'um Caelum et Te1'1'a poetis<br />

obstet1'icantibus p1'ocreave1'unt.»llU<br />

(Diesen haben euch als Patriarchen <strong>der</strong> Gotter I-limmel nnd Erde<br />

zntage gefo1'<strong>der</strong>t, "yobei die Dichter Hebammendienste leisteten).<br />

Die Streitigkeiten entfachten sich immer wie<strong>der</strong> an de1' Pe1'son des<br />

Gotte1'vate1's Zeus, nicht weil e1' <strong>der</strong> Hausvater im Gotterhimmel war,<br />

vielmellr nahmen die Cll1'isten an seinem<br />

Lebens"vandel<br />

stoss, dem die Poeten einen b1'eiten Raum ih1'em Schaffen 1'ese1'vie1'-<br />

ten. dem folgenden Beispiel gerat Klemens Alexand1'ien bei seine1'<br />

Absicht, <strong>das</strong> Haupt <strong>der</strong> Gotterfamilie ve1'hohnen, wegen de1' sittlichen<br />

Verfehlnngen des Zens eine solche Unbeherrschtheit, <strong>das</strong>s gleich<br />

im zweiten Satz eine e1'bitterte Anklage daraus entsteht:<br />

117. a t a 11, Rede an die Hellenen 21, 2/GOOD, S. 288. - Vbers, R.<br />

C. u k a d. vgl. Autolycus 3/SCh, 20, S. 96.<br />

118. n u c u s F e 1 Dia\og 21, 11 /CSEL, 2. S. 31. - Vbers.<br />

f n s ii 11 e r i. d.<br />

119. Ad nationes 12/CSEL, 20. S. 118.- Vbel's. e (1 e t h a] 1e<br />

2. Buch Ad nationes <strong>und</strong> De testimonio animae, Pa<strong>der</strong>born 1942.


614 Elias Voulgarakis<br />

ae<br />

aoxoucrL<br />

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ouae<br />

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, 6 "\" ) , - ,<br />

c1'><br />

(Herrlich ist <strong>der</strong> Zeus, <strong>der</strong> Seher, <strong>der</strong> des Gastrechts,<br />

<strong>der</strong> Hort <strong>der</strong> Schutzflehenden, <strong>der</strong> Gnadige, <strong>der</strong> QuelJ <strong>der</strong> Orakel,<br />

<strong>der</strong> Racher des Frevels; vielmehr <strong>der</strong> Ungerechte, <strong>der</strong> Verachter<br />

Recht <strong>und</strong> Gesetz, <strong>der</strong> Unheilige, <strong>der</strong> Unmenschliche, <strong>der</strong> Ge\valttatige,<br />

<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Ehebrecher, <strong>der</strong> Verliebte! Aber damals lebte er doch,<br />

als er all dies war, als er Mensch ,var; jetzt aber sind nach meiner Meinung<br />

auch eure Sagenerzahlungen alt geworden. Zeus ist kein Drache mehr,<br />

kein Schwan, kein Adler, kein verliebter Mensch; nicht mehr fliegt <strong>der</strong><br />

Gott, nicht er mehr Knaben, nicht liebt <strong>und</strong> vergewaltigt, er<br />

mehr, obwohl es auch jetzt noch viele schOne Weiber gibt, besser gestaltet<br />

als Leda <strong>und</strong><br />

als Semele, <strong>und</strong> knabenschoner an Gestalt<br />

<strong>und</strong> feiner an Manieren als <strong>der</strong> phrygische Hirtenknabe. ist jetzt<br />

jener Adler? Wo <strong>der</strong> Schwan? Wo Zeus selbst? Er ist mitsamt seinem<br />

Gefie<strong>der</strong> alt geworden; denn er bereut doch wohl seine Liebschaften nicht<br />

120. Klemens v. Alexandrien, Mahnrede an die Heiden 37,1-4/<br />

GCS, 1. S. 27. - v. t t S t a 111 i n i. d. BKV. Der Tod <strong>und</strong> <strong>das</strong> Grab des<br />

Zeus waren beliebte AI'gumente, die Sterblichkeit <strong>der</strong> Gotter beweisen: a t i a n,<br />

Rede an die Hellenen 27, 1/GOOD, S. 293; Theophil tolycus,<br />

'10 /SCh, 20. S. 80; i u c i u s F e i Dialog Octavius 21, 8/CSEL, 2. S. 30.<br />

r i g e n e s, Gegen Celsus 43 /GCS, 1, S. 238; Akten des Apollonius 22 /KNKR<br />

S. 32; Sibyllische Weissagungen (ed. Alf. u r f e s s) Logos 160,45; Eusebius, Praeparatio<br />

evangelica 10, 21/GCS, S. 8, 1. S. 134.


Das spottische Duell <strong>zwischen</strong> Christen <strong>und</strong> Heiden<br />

615<br />

<strong>und</strong> Jernt nicht, sittsam zu sein. Eure Sage ist bJossgesteJJt: es starb<br />

Leda, es starb <strong>der</strong> Schwan, es starb <strong>der</strong> AdJer; suchst du nach deinem<br />

Zeus? Richte deinen BJick nicht auf den HimmeJ, son<strong>der</strong>n auf die Erde!<br />

Der Kreter wird dir Auskunft geben; denn bei ihm ist er bestattet.<br />

Ka]]imachos sagt in seinen Hymnen:<br />

«Denn auch dein GrabmaJ, Herrscher,<br />

Haben die Kreter errichtet.»<br />

Denn Zeus ist tot (nimm es nicht<br />

wie<br />

Mensch <strong>und</strong> Drache).<br />

wie Leda, wie Schwan <strong>und</strong> Ad]er,<br />

Aus dem Spott gegen einige mytho]ogische Begebenheiten hier eine<br />

k]eine Kostprobe: «<br />

OL<br />

;»121<br />

(Denn entwe<strong>der</strong> geschieht nach ihrer Erzah]ung den Gottern<br />

den Menschen etwas zu]eide, <strong>das</strong> aber beweisen, <strong>das</strong>s die Gotter<br />

den Menschen sind, wenn ihnen uns etwas zu]eide geschieht,<br />

o<strong>der</strong>, wenn dies nicht <strong>der</strong> Fa]] ist, warum ]assen sie sich wie ein jahzorniges,<br />

zur Wut gereiztes a]tes Weib etwas, wodurch ihnen nichts<br />

zu]eide geschieht, erbittern, wie Artemis erzah]t wird, <strong>das</strong>s sie wegen<br />

des Oineus auf die Ato]er zornig geworden sei. Denn warum kam es ihr,<br />

die doch eine Gottin war, nicht zum Bewusstsein, <strong>das</strong>s Oineus nicht<br />

aus Verachtung gegen sie etwas versaumte, son<strong>der</strong>n entwe<strong>der</strong> weiJ er<br />

es vergass o<strong>der</strong> weil er <strong>der</strong> Meinung war, <strong>das</strong>s er schon geopfert habe).<br />

Nach <strong>der</strong> Mytho]ogie waren die verschiedenen Arten <strong>der</strong> G6tter<br />

<strong>das</strong> Objekt <strong>der</strong> christJichen Verspottung: «Tum si certos habebant, contenti<br />

esse debuerunt nec e]ectos desi<strong>der</strong>are. quo etiam inre]igiosi deprehenduntur.<br />

si enim dei ut bu]bi qui se]iguntur reprobi<br />

pronuntiantur».122<br />

(vVeiter, wenn sie Gewissheit hatten, so hatten sie sich<br />

gen solJen <strong>und</strong> nicht noch nach Auser]esenem ver]angen, worin sie auch<br />

121. e m e n s e a 11 d r i e n, Stromata VII, 23,2-3 jGCS, 3. S. 16.<br />

Vbers. t t S t ah] i i. d. BKV.<br />

122. e r t u ]] ian, Ad nationes 9 jCSEL, 20. S. 11'1. - Vbers. e<br />

d e n t h a ] ] e


616 Elias Voulgarakis<br />

als irreligios bef<strong>und</strong>en werden: wenn namlich die Gotter wie Zwiebeln<br />

ausgesucht werden, so die nicht Ausgewahlten Verworfenen<br />

gestempelt).<br />

Einen Hieb diese Richtung teilt auch Apollonius in seiner<br />

Apologie aus, wie sie in <strong>der</strong> heute uns vorliegenden Fassung seiner Martyrerakten<br />

auf uns ilberkommen ist:<br />

&.<br />

poaov<br />

»123<br />

...<br />

&.<br />

(Denn es verfehlen sich die gar unterwi.irfigen Menschen, wenn<br />

sie <strong>das</strong> anbeten, was ki.instlich zusammengefi.igt ist: einen kalten Ausschnitt<br />

aus einer Steinmasse, di.irres Holz, hartes Metall <strong>und</strong> entseelte<br />

Gebeine; was soll <strong>der</strong> Schwindel eines solcllen Betruges? ahnlicller<br />

Weise beten die Agypter ein Becken, die bei vielen genannte Fussschale,<br />

nebst an<strong>der</strong>en Scheusslichkeiten an; welche Einfalt eines solchen Mangels<br />

an Bildung!... Zweitens llinwie<strong>der</strong>um silndigen die Menscllen gegen den<br />

Himmel droben, wenn sie selbst <strong>das</strong> anbeten, was durch YVachstum zustande<br />

kommt: Die Zwiebel <strong>und</strong> den Knoblauch - die Gottheit <strong>der</strong> Pelusier,<br />

Dinge, die den Bauch eingellen <strong>und</strong> den Abort ausgeworfen<br />

werden.)<br />

Schliesslich Tertullian; «Deus est dictus et ab effatu Farinus et<br />

alius a loquendo Locutius. adest oculum gravem ad cavendum sumministratque<br />

quietem Cunina. est educatrjx et Leyana et una Runcina. mirum<br />

infantum sordibus eluendis deos esse proyisos.»124<br />

(Ein Gott wird nach dem Weissagen Farinus benannt, ein an<strong>der</strong>er<br />

nach dem Sprechen Locutius. Cunina ist da, den bosen Blick abzuwenden,<br />

<strong>und</strong> sie verleiht Schlaf. Fi.ir die Erziehung hat man Levana <strong>und</strong> zusammen<br />

mit ihr Runcina. Merkwilrdig, <strong>das</strong>s keine Gotter dafi.ir yorgesehen<br />

sind, kleinen Kin<strong>der</strong>n den Schmutz abzU\'vaschen).<br />

Spezjell an die Adresse <strong>der</strong> Stadtgotter mit jhrem Anspruch einer<br />

123. Die Akten des Apollonius 17 u. 20 JKN S. 32. - G e r h a r d<br />

R a u s c h e d. BKV.<br />

124. e r t u 11 j a Ad nationes jCSEL, 20. S. 115.


Das spottische Duell <strong>zwischen</strong> Christen <strong>und</strong> Heiden<br />

617<br />

10kaI verpflichtenden Devotion richtet sich <strong>der</strong> folgende Passus Tertu11ian:<br />

«Satis rideo etiam deos decuriones cuiusque municipii, quibus<br />

honor intra muros suos determinatur».l25<br />

(vVeidIich Iachen muss ich auch tiber die gottIichen Gemein<strong>der</strong>ate<br />

je<strong>der</strong> Stadt, denen die Ehrenbezeigung innerhaIb ihrer Mauern abgegrenzt<br />

wird.)<br />

Hatten schon die Gotter die Christen gereizt, so wurde <strong>der</strong> Brand<br />

des Spottes erst recht an die BiI<strong>der</strong> <strong>und</strong> Denkmaler geIegt, weIche<br />

ihren Ehren errichtet worden waren. TertulJian machte seine GIossen<br />

dartiber, weIchen QuaIen die Gotter bei ihrer Enstehung ausgesetzt seien:<br />

«Quantum autem de simuIacris ipsis, nihil aIiud reprehendo quam materias<br />

sorores esse vasclJIorum instrumentorumque commulium vel ex<br />

isdem vasculis et instrumentis quasi fatum consecratione mutantes,<br />

Iicentia artis transfig'urante, et quidem contumeliosissime et in ipso<br />

opere sacriIege, ut revera nobis maxime, qui propter ipsos deos pIectimur,<br />

solatium poenarum esse possit, quod eadem et ipsi patiuntur, ut<br />

fiant.,)l26<br />

(Was aber die Gotterbil<strong>der</strong> seIbst ang'eht, so finde ich nichts an<strong>der</strong>es,<br />

als <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Stoff dazu dem Stoffe<br />

Gefasse <strong>und</strong> Gerate<br />

verwandt ist, o<strong>der</strong> gar denseIben Gefassen <strong>und</strong> Geraten herindem<br />

er, sozusagen ein Los dnrch die \iVeihe verbessert <strong>und</strong> die<br />

Macht <strong>der</strong> Knnst in ihm umg'estaItet - <strong>und</strong> zwar auf eine ganz schmachvo11e<br />

<strong>und</strong> sakriIegische Weise. Daher konnte es gerade uns, die wir<br />

<strong>der</strong> Gotter wegen Strafen Ieiden,<br />

zum Troste in unseren Verfolgungen<br />

gereichen, <strong>das</strong>s sie <strong>das</strong>seIbe wie wir er'leiden mtissen, um<br />

zur Existenz g·eIangen.)<br />

Die LebIosigkeit <strong>der</strong> Statuen war <strong>das</strong> haufigste <strong>und</strong> aIteste Argument.<br />

127 Eine gI'Osse Reihe Spottversionen bedient sich dieses<br />

Vorwurfes: XpucrlCfJ ouo'<br />

ou oux


618 Elias VouIgarakis<br />

OUXL<br />

8.<br />

(Aber dem<br />

Stein <strong>und</strong> Ho1z <strong>und</strong> dem reichen Go1d liegt<br />

durchaus nichts an Fettdampf o<strong>der</strong> B1ut o<strong>der</strong> Opferrauch, mit dem sie<br />

geehrt <strong>und</strong> berauchert werden, so <strong>das</strong>s sie s c h w a r werden; aber<br />

auch nichts an Ehre o(ler Schande; sie, die Gotterbi1<strong>der</strong>, sind aber weniger<br />

Ehre wert a1s irgendein 1ebendes Wesen. Und wie man <strong>das</strong> Gehat<br />

vergott1ichen konnen, <strong>das</strong> ist mir ein Ri:itse1, <strong>und</strong> ich muss<br />

die Verirrten wegen ihrer Torheit wie<br />

bemit1eiden. Zwar<br />

haben einige Lebewesen nicht alle Sinne, wie die <strong>und</strong> die Raupen<br />

<strong>und</strong> ,,,ie alle die Tiere, die gleich Geburt an unvollkommen<br />

erscheinen, wie die<br />

<strong>und</strong> die Spitzmaus, die Nikandros 'b1ind<br />

<strong>und</strong> scheuss1ich' nennt. Aber sie sind doch besser als diese Schnitzwerke<br />

<strong>und</strong> Gotterbi1<strong>der</strong>, die ganz unempfindlich sind; denn sie haben wenigstens<br />

e i e Sinn, <strong>das</strong> Gehor, o<strong>der</strong> den Tastsinn o<strong>der</strong> den dem Geruch<br />

o<strong>der</strong> Geschmack entsprechenden Sinn; sie aber, die Gotterbi1<strong>der</strong>,<br />

haben keinen einzigen Sinn. Es gibt aber vie1e Tiere, die we<strong>der</strong> Gesicht<br />

noch Gehor noch Stimme haben, wie die Gattung <strong>der</strong> Schaltiere; aber<br />

sie1eben wenigstens <strong>und</strong> wachsen <strong>und</strong> unter1iegen dem Einfluss des Mondwechse1s.<br />

Die Gotterbi1<strong>der</strong> aber sind 1eb1os, unti:itig,<br />

sie werden<br />

angeb<strong>und</strong>en, ang'enag·e1t. angeheftet, geschmo1zen, g'efei1t, gesi:igt,<br />

geg1i:ittet, behauen.)<br />

"1\ ""...." " \, "" ,<br />

ou-<br />

...<br />

128. e m e s v. e a n d r i e n Mahnrede an die Heiden 51,2-6/<br />

GCS, 1. S. 39. - v. t t S t ah i n i. d. BKV.


Das spottische DuelI zvvischen Crhisten <strong>und</strong> Heiden<br />

619<br />

(Gesetzt den Fall, eure Gotterbil<strong>der</strong> lebten wirklich, sie konnten<br />

sich durch eigenen Antrieb be\vegen <strong>und</strong> sprechen, dann wurden sie doch<br />

die an ihnen emporlcletternden Spinnen abschutteln <strong>und</strong> diejenigen,<br />

welche mit ihnen Vbles vorhaben o<strong>der</strong> sie gar stehlen, abwehren, sowie<br />

jene, welche die ihnen dargebrachten \iVeihegeschenke rauben, leicht<br />

ergreifen... 1st es nicht so, <strong>das</strong>s die ausserhalb unserer Gottesverehrung<br />

Stehenden <strong>und</strong> denen namentlich die Priester viele den Weihegaben<br />

unterschlagen, weil sie die<br />

ihres Kultes erkennen<br />

?)<br />

Dem gleichen Thema wendet sich Octavius zu. Er schreibt u.a.:<br />

forte nondum deus saxum est vellignum vel argentum. quando igitur<br />

hic nascitur? ecce f<strong>und</strong>itur, fabricatur, sculpitur: nondum deus est:<br />

ecce plumatur, constrnitur, erigitur: nec adhuc deus est: ecce ornatur,<br />

consecratur, oratur: tunc postremo deus est, cum homo illum voluit<br />

et dedicavit. quanto verius de diis "estris animalia muta naturaliter<br />

iudicant! mures, hir<strong>und</strong>ines, milui sentire eos sciunt: rodunt, inculcant,<br />

insident, ac nisi abigatis, in ipso dei "estri ore nidificant: araneae<br />

vero faciem eius intexunt et de ipso capite sua fila suspendunt.»130<br />

(Aber "ielleicht ist eben <strong>der</strong> Stein o<strong>der</strong> <strong>das</strong> Holz o<strong>der</strong> <strong>das</strong> Silber<br />

noch nicht <strong>der</strong> Gott? Wann er dann ins Dasein? Er wird gegossen,<br />

gezimmert, gemeisselt: noch ist's kein Gott.. Er wird verlOtet, zusammengesetzt,<br />

aufgerichtet: noch ist's kein Gott. Er vvird geschmuckt,<br />

geweiht, angebetet: endlich ist es ein Gott, wenn namlich <strong>der</strong> Mensch<br />

ihm diese Bestimmung gegeben <strong>und</strong> ihm diese Bestimmung· gegeben<br />

<strong>und</strong> ihn dazu geweiht hat. Viel richtiger beurteilen die stummen Tiere<br />

eure Gotter infolge ihres naturlichen<br />

Die Mause, Schwalben<br />

<strong>und</strong> Geier wissen wohl, <strong>das</strong>s jene keine Empfindung haben. Sie nagen<br />

daran, treten sie mit Ftissen, setzen sich darauf, <strong>und</strong> wenn ihr sie nicht<br />

"erjagt, sie sogar im M<strong>und</strong>e eures Gottes. Die Spinnen vollends<br />

tiberweben sein Gesicht <strong>und</strong> hangen an seinem Haupte ihre Faden auf).<br />

129. s e u d e m e n t i e Homilia L, 22 jGCS, S.151. vgl. ri s t i d es,<br />

Apologia 3,2 jGOOD, S, 5; Brief an Diognet jSCJ1, 33, S. 54; e r t u 11 i a<br />

logeticum XV, 7 jCSEL, 69 S. 40; C r a Ad Demetrianum 15jCSEL, 3 S. 361.<br />

130. i n u c i u s F e i Dialog Octavius 23, 13-24, 1 jCSEL, 2. S. 34. -<br />

v. f n s 11 e r i. d. BKV. vgl. h e h i Autolycus<br />

2 jSCh, 20, S. 96.


620 Elias Voulgarakis<br />

Noch scharfer schHigt<br />

Alexandrien<br />

, ' ,.,. , - , ,<br />

(Die Schwalben aber <strong>und</strong> viele an<strong>der</strong>e Voge1 herangef1ogen<br />

<strong>und</strong> verunreinigen gerade die Gotterbil<strong>der</strong> <strong>und</strong> sich nicht<br />

um den 01ympischen Zeus o<strong>der</strong> den AsJ{lepios Epidauros o<strong>der</strong> die<br />

Athene Polias o<strong>der</strong> den agyptischen Serapis. Aber nicht einmaJ<br />

ihnen lernt ihr, <strong>das</strong>s die Gotterbi1<strong>der</strong> yoJ1ig sind.)<br />

End1ich Tertullian: «V010 et ritus yestros recensere. dico<br />

quales sitis in sacrificando, cum enecta er tabidosa et scabiosa quaeque<br />

mactatis, cum de opimis et integris supervacua quaeque truncatis, capitula<br />

et ungulas, quae domi quoque pueris vel canibus destinassetis,<br />

cum de decima Hercu1is nec tertiam partem in aram eius imponitis; laudabo<br />

magis sapientiam, quod de perdito aliquid eripitis.»133<br />

(Auch eure Religionsgebrauche will ich durchgehen. lch yerbreite<br />

micll nicllt eure beimOpfern, wie ihr namlich<br />

alles, was abgerackert, hinfal1ig o<strong>der</strong> raudig ist, als Opfer schlachtet,<br />

wie ihr dem fetten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Vieh nur <strong>das</strong> abschneidet, was entbellr1icll<br />

ist, die Kopfe <strong>und</strong> Klauen, die ihr Hause wohl auch euren<br />

Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> den H<strong>und</strong>en bestimmt haben <strong>das</strong>s ihr vom Zehntel<br />

des nicht einmal den dritten Teil auf seinen Altar 1egt -<br />

son<strong>der</strong>n ich wiJ] vieJmehr eure Weisheit loben, womit ihr dem, was<br />

sonst doch verloren ist, etwas rettet.)<br />

Den Gbttern folgt <strong>der</strong> Celsus, <strong>der</strong> sicll gibt,<br />

die Prophezeihungen wi<strong>der</strong>legen, verweist auf die Vogelschau <strong>und</strong><br />

auf die OraJ{el, <strong>der</strong>en Weissagungen er mehr<br />

beimisst<br />

als dem Gerede <strong>der</strong> Menschen. Origenes envi<strong>der</strong>t ihm darauf:<br />

131. e m e s, e a d r e Mahnrede an die Heiden 52,t.jGCS,<br />

1. S. 40. tlbers. t t S t ah d. BKV.<br />

132. Apologeticum XIV, 1 CSEL, 69. S. 37 tlbers. e r c h<br />

e 11 n e r i. d. BKV.


Das spottische Duell <strong>zwischen</strong> Christen <strong>und</strong> Heiden<br />

621<br />

\ " - "'" ,<br />

,<br />

.<br />

(J a, wenn es auf Celsus ankiime, so hiitten die Vogel erhabenere<br />

<strong>und</strong> gottlichere orstellungen, ich will nicht sagen als ,vir Christen o<strong>der</strong><br />

als die Juden, die dieselben heiligen Schriften haben wie wir, son<strong>der</strong>n<br />

auch hohere VorsteJlungen als die Gottesgelehrten <strong>der</strong> Griechen; denn<br />

diese waren doch auch «Menschefij>. Nach Celsus hat also <strong>das</strong> Geschlecht<br />

<strong>der</strong> sogenannten «(weissagenden Vogel» <strong>das</strong> vVesen <strong>der</strong> Gottheit besser<br />

erfasst als Pherekydes <strong>und</strong> Pythagoras <strong>und</strong> Sokrates <strong>und</strong> Plato. Da<br />

hatten wir wirklich den Vogeln in die Schule gehen damit sie,<br />

wie sie uns nach des Celsus Ansicht «weissagend» die Zukunft Jehren, so<br />

auch «die Menschefij> <strong>der</strong> Ungewissheit wegen des Gottlichen dadurch<br />

befreien konnten, <strong>das</strong>s sie ihnen die<br />

Vorstellung dadie<br />

sie selbst gewonnen haben, mitteilen).<br />

dem Dialog Octavius Caecilius, <strong>das</strong>s die Christen die<br />

heidnischen Opferhandlungen glossierten. 134 Bei Klemens v. Alexandrien<br />

kann man dazu foJgenden sehr heftigen Passus finden: «<br />

(1st denn <strong>der</strong> Rauch verbrannten Opfern nicht sogar die<br />

Tiere unertraglich? Wenn aber in <strong>der</strong>. Tat <strong>der</strong> Fettdampf eine Ehrengabe<br />

die griechischen Gotter ist, dann sollten sie nicht zogern, auch<br />

die Koche gottlich verehren, die des gleichen werden,<br />

<strong>und</strong> den Rauchfang selbst anzubeten, <strong>der</strong> dem hochgeschatzten<br />

Fettdampf noch naher ist).<br />

Das steigende Desinteresse<br />

den a)ten Gotterre1igionen<br />

nnd die sich darans erg'ebende Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> finanziellen Einnahmen<br />

133. Origenes, Gegen Ce!sus IV, 89/GCS, 1. S. 361. - LJbers. Pau!<br />

e t s c h a u i. d. BKV.<br />

134. n u c u s F e ! Dia!og Octavius 8,5/CSEL, 2. S. 12. Zweife!haft<br />

ist, ob <strong>das</strong> allgemein zutraf. Vgl. die Ha!tung <strong>der</strong> bei heidnischen Opferhand!ungen<br />

anwesenden Christen bei Tertullian: De ido!o!atria 11 /CSEL, 20. S. 42.<br />

135. Stromata VII, 31,2/CSEL, 3. S. 23. - LJbers. S t ah! n i. d.<br />

BKV.


622 Elia,s "Voulgarakis<br />

die Tempel tut Tertul1ian mit einer geradezu als hochnasig bezeichnenden<br />

wegwerfenden Geste ab: «'Certe', inguitis, 'templorum vectiga1ia<br />

cotidie decoquunt; stipes iam iactat?' enim<br />

sufficimus et hominibus et deis vestris<br />

opem ferre, nec putamus<br />

aliis quam petentibus impertiendum denique porrigat manum<br />

Iupiter et accippiat, cum interim plus nostra misericordia insumit<br />

vicatim quam vestra religio templatim»136<br />

(Sicher ist, klagt ihr, <strong>das</strong>s die Tempelsteuern taglich mehr zusammenschmelzen;<br />

wie wenige geben noch Spenden den Tempeln! J awohJ;<br />

wir sind nicht imstande, zu gleicher Zeit den Betteleien <strong>der</strong> Menschen <strong>und</strong><br />

denen eurer Gotter Hilfe zu gewahren, <strong>und</strong> sind auch <strong>der</strong> Meinung, <strong>das</strong>s<br />

man nur denen, die darum bitten, etwas geben miisse. So strecke denn<br />

Jupiter erst seine Hand aus, dann sol1 er etwas bekommen. Vorlaufig<br />

gibt unsere mitleidige Gesinnung auf den Gassen mehr Gold aus, als<br />

eure Religiositat den Tempeln).<br />

Die Verunglimpfung <strong>der</strong> heidnischen Religion schloss auch <strong>der</strong>en<br />

Ethik mit ein. den Augen <strong>der</strong> Christen war <strong>der</strong> Gotterkult g'eradezu<br />

<strong>der</strong> Nahrboden <strong>und</strong> die Ursache fiir den al1gemeinen sittlichen <strong>und</strong> moralischen<br />

VerfalJ.13 7 Tertul1ian erzahlt: «Certe sacl'ilegi de vestris semper<br />

apprehenduntur; Christiani enim templa nec interdiu norunt; spoliarent<br />

forsitan ea et ipsi, si et ipsi ea adorarent.»138<br />

(Ohne al1en Zweifel sind die Tempelrauber, die ergriffen werden,<br />

je<strong>der</strong>zeit Leute aus eurer Zah1. Denn die Christen sind in den Tempeln<br />

nicht einmal bei Tage k<strong>und</strong>ig. Sie wiirden sie aber viel1eicht auch<br />

berauben, wenn sie Verehrer <strong>der</strong>selben ,varen.)<br />

Der zweite Angriffspunkt <strong>der</strong> christlichen Literaten waren die<br />

Phi1osophie <strong>und</strong> die Phi1osophen. 1m Gegensatz zum Christentum, <strong>das</strong><br />

eine einheitliche Lehre darbotI 39 , bestand die Philosophie aus einer<br />

Reihe sich wi<strong>der</strong>sprechenden Theorien 140 , was natiirlich zu einem<br />

136. e r t u 11 a Apologeticum 8 jCSEL, 69. S. 102. - tJbers.<br />

e r c h e II r d.<br />

137. r g e e s, Gegen Celsus 41 jGCS, 2. S. 192; Kommentar zum R6-<br />

merbrief, SCHER, S. 210,2f.<br />

138. Apologeticum 7 jCSEL, 69. S. 1.0. - tJbers. e r c h<br />

e II n e r BKV.<br />

139. h e h Autolycus 3 JSCh, 20. S. 218; Brief an Diognet<br />

2 JSCh, 33. S. 70; e r t u II a Ad nationes 2 jCSEL, 20. S. 95; De patientia<br />

1/CSEL, 47. S. 2; Origenes, Homilien Exodus IV, 6jGCS, 6. S. 178.<br />

140. Klemens Alexandrien, Stromata 31, 8jGCS, 3. S. 24.


Das spiittische Duell <strong>zwischen</strong> Christen <strong>und</strong> Heiden<br />

623<br />

Hauptargument <strong>der</strong> christ1ichen Po1emik gemacht wurde. Hermias<br />

verfasste eine Spottschrift, <strong>der</strong> er die <strong>der</strong> phi10-<br />

sophischen Systeme herausstellt:<br />

' " " '<br />

" \ \ ' , 1 -<br />

(Wie sollman a1so <strong>das</strong> nennen? So vic1 mir scheint Abenteuer1ichkeit,<br />

Unsinn o<strong>der</strong> Wahnwitz o<strong>der</strong> Abson<strong>der</strong>1ichkeit o<strong>der</strong> alles zugleich.<br />

Wenn sie eine Wahrheit gef<strong>und</strong>en haben, so soHen sie<br />

mung sich einigen, <strong>und</strong> ich werde dann mit Freuden ihnen Glauben schenken.<br />

Wenn sie aber die See1e auseinan<strong>der</strong>reissen <strong>und</strong> sie hin - <strong>und</strong> herzerren,<br />

<strong>der</strong> eine sie diese Natur, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e eine an<strong>der</strong>e, a1so sie<br />

einem Stoff einen an<strong>der</strong>en verwandelt, so muss ich zugeben, <strong>das</strong>s eine<br />

<strong>der</strong>artige Unbestandigkeit <strong>der</strong> Dinge mich argert. Jetzt bin ich unsterb-<br />

1ich <strong>und</strong> freue mich darob; dann aber werde ich wie<strong>der</strong> sterb1ich <strong>und</strong><br />

weine desha1b; alsogleich 10se ich mich Atome auf, VI'erde \i\Tasser,<br />

werde Luft, werde Feuer; kurze Zeit darauf bin ich we<strong>der</strong> Luft noch<br />

Feuer, zum Tier macht man mich, zum ich habe also zur Abwechs1ung<br />

Delphine zu Wenn ich mich besehe, graut mich<br />

mein Leib <strong>und</strong> ich weiss nicht, wie ihn benennen: Mensch o<strong>der</strong> H<strong>und</strong> o<strong>der</strong><br />

Wolf o<strong>der</strong> Stier o<strong>der</strong> Vogel o<strong>der</strong> Schlange o<strong>der</strong> Drache o<strong>der</strong> Chimare.<br />

Denn in alle Tiere lassen mich die Phi10sophen sich verwandeln: Land<strong>und</strong><br />

Wassertiere, Vogel, Gestalt wechselnde, in vvilde <strong>und</strong> zahme,<br />

<strong>und</strong> lautbegabte, vernunftlose <strong>und</strong> ich schwimme, fliege,<br />

flattere, krieche, laufe, sitze. Da kommt <strong>der</strong> Empedok1es <strong>und</strong> macht<br />

mich zum Strauche).<br />

141. Spottschrift des Hermias (ed. Herm. D e ] s, Doxographi graeci,<br />

1929), 4/S. 652. - Vbers. J. L e t i,d. BKV.


624 Elias VouJgarakis<br />

i>e:<br />

gXEL<br />

...<br />

gpy


Das spottische Duell <strong>zwischen</strong> Crhisten <strong>und</strong> Heiden<br />

625<br />

Gewicht erfahren... Dies a1les bin ich deshalb durchgegangen, um die Widarzulegen,<br />

die in ihren (<strong>der</strong> Philosphen) Lehren herrschen,<br />

<strong>und</strong> wie sich ihre Erforschung <strong>der</strong> Dinge ins End - <strong>und</strong> Raumlose<br />

verliert <strong>und</strong> <strong>das</strong>s ihr Resultat ohne<br />

<strong>und</strong> ohne Nutzen ist,<br />

da es sich auf keine feste Tatsache <strong>und</strong> keinen klaren Gr<strong>und</strong><br />

Den Philosophen warf man ihr leeres Gerede 143 , Egoismus 144 ,<br />

Geldgier 145 <strong>und</strong> unmoralischen Lebenswandel 146 vor. Aber nicht a1le<br />

Christen dachten <strong>der</strong>art abwertend, es gab auch einige, die den Philosophen<br />

fre<strong>und</strong>lich gesonnen waren. 147<br />

Die Zahl <strong>der</strong> spottischen Bemerkungen gegen die Philosphen -<br />

in <strong>der</strong> Regel werden die Zyniker verunglimpft -, denen man in <strong>der</strong><br />

christlichen Literatur begegnet, ist nicht gross. Neben den Epikureern,<br />

gegen die die Christen den meisten Abscheu hatten 148 , nahmen die Zyniker<br />

in <strong>der</strong> Skala des Hasses den zweiten Platz ein. Ihre moralische<br />

143. s e u d e m e t e Homilia jGCS, S. 29; e r t u 11 a<br />

Apologeticum 18 jCSEL, 69. S. 109; C r a De bono patientiae3 jCSEL<br />

3. S. 398; r g e e s, Homilien Numeri 4 jGCS, 7. S. 106.<br />

144. s e u d k e m e t e Homilia jGCS, S. 146; jGCS,<br />

S. 90; a t an, Rede an die Hellenen 32,1 jGOOD, S. 297; C r a De bono<br />

patientiae 3 jCSEL, 3. S. 398; e m e s v. e a d r e Stromata j<br />

1,2jGCS, 7. S. 5; Gegen Celsus 46jGCS, 2. S. 198.<br />

145. s e u d k e m e t e Homilia jGts, S. 87; a t an, Rede<br />

an die Hellenen 25,1 jGOOD, S. 291.<br />

146. s e u d k e m e t e Homilia jGCS, S. 90; a t a<br />

Rede an die Hellenen 19,1 jGOOD, S. 286; u c u s F e Dialog Octavius,<br />

38,5, jCSEL, 2. S. 54. r g e e s, Exodus 6 jGCS, 6. S. 178;<br />

Gegen Celsus 49 jGCS, 2. S. 200. vgl. s e u d u s t u s, Ad gentiles<br />

(ed. Car. de Otto, Ienae 1879), 1 jBd. S. 1.<br />

147. Vgl. Die Einstellung <strong>der</strong> christlichen Literatur Sokrates;<br />

e Sokrates <strong>und</strong> die alte Kil'che, Zeitschr. f. neutest. Wissenschaft <strong>und</strong> die K<strong>und</strong>e<br />

<strong>der</strong> alt. Kirche, 43 S. 194-224; C a 1,1 s Pagan examples fortitude<br />

Latin Christ. apologists, Classical Philology, 43 (1948) S. 93-104. dazu e-<br />

mens v. Alexandrien, Stromata 159, 8jGCS, 2. S. 514; Origenes,<br />

zur Genesis 2 jGCS, 6. S. 68. auch: d f v. a r a c k, Der<br />

kirchengeschichtliche Ertrag <strong>der</strong> exegetischen Arbeiten des Origenes (Texte <strong>und</strong><br />

Untersuchungen, Bd. 42, 2), Leipzig 1918, S. 39-47.<br />

148. haben die Lehren <strong>der</strong> Philosophen sehr genau studiert, namentlich<br />

die gottlosesten, <strong>und</strong> ich meine damit die des Epikul' <strong>und</strong> des Pyrron. diese vVeise<br />

konnen wir sie umso besser wi<strong>der</strong>legen.» s e u d k e m e t e Homilia<br />

jGCS, S. 154.<br />

GEOAorIA, Mr', 3-4.<br />

40


626 Elias Voulgarakis<br />

sigkeit 149 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Umstand, <strong>das</strong>s die Heiden sie mit den Christen auf<br />

Stufe bildete den Hintergr<strong>und</strong>. Gegen die Philosophen<br />

ganz allgemein richten sich folgende Glossen:<br />

et<br />

»151<br />

...,<br />

()L'<br />

(Sodann wird sich geeigneterweise gegen die achtenswerten<br />

ter den Philosophen Liebe eingegebener Tadel richten sowohl<br />

wegen ihres Lebens als auch wegen <strong>der</strong> Erfindung <strong>der</strong> neuen Lehren,<br />

wegen ihres Lebens als auch wegen <strong>der</strong> Erfindung <strong>der</strong> neuen Lehren,<br />

wobei wir nicht ihre Anklager sein mi::\chten... , vielmehr ist unser Ziel<br />

ihre Bekehrung, indem wir verstIchen, ob sich die so tiberaus Weisen<br />

vielleicht schamen, wenn sie durch Tadelworte aus Barbarenm<strong>und</strong> zurechtgewiesen<br />

werden, so <strong>das</strong>s sie, wenn auch spat, schliesslich doch<br />

zusehen vermi::\gen, welchen Wert eigentlich die Gelehrsamkeit hat, <strong>der</strong>etwegen<br />

sie die Reisen <strong>das</strong> Weltmeer unternehmen.)<br />

«Sed physicorum auctoritas philosophorum ut mancipium sapientiae<br />

atrocinatur». 162<br />

(Doch <strong>das</strong> Ansehen <strong>der</strong> Naturgelehrten, welche die Weisheit<br />

sich gepachtet haben, lasst ihnen ihre Schirmherrschaft angedeihen.<br />

Allerdings Philosophenweisheit.)<br />

Und gegen die Zyniker:<br />

&.<br />

\', '10\ 1 '10 \<br />

149. «Viertens verg!eiche ich den Skarabiius (MistkiHer) mit <strong>der</strong> Sekte <strong>der</strong><br />

niker, die zu ihren<br />

Unehrenhaftigkeiten noch !ehren, die Wollust<br />

<strong>und</strong> die Sittenfreiheit seien <strong>das</strong> hochste GtIt.}) Origenes, Homilien Exodus IV, 6 j<br />

GCS, 6, S. 178.<br />

150. n u c u s F e ! Dialog Octavius 14,1 jCSEL, 2. S. 18.<br />

151. e m e n s e a n d e Stromata 2,2 jGCS, 2. S. 113.<br />

"Obers. t t S t a h ! n i.d. BKV.<br />

152. e r t u !! a Ad nationes 2 jCSEL, 20. S. 95. - "Obers. e<br />

d e n t h a !! e


Das spottische Duell <strong>zwischen</strong> Christen <strong>und</strong> Heiden<br />

627<br />

(Denn eure Philosophen v,rissen so wenig Abtotung, <strong>das</strong>s einige<br />

vom romischen Kaiser jahrlich 600 Dukaten nichts <strong>und</strong> wie<strong>der</strong><br />

nichts beziehen, damit sie nicht einmal ihren wallenden Bart umsonst<br />

wachsen zu lassen brauchen, Crescenus <strong>der</strong> sich in <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

eingenistet hat, Wal' <strong>der</strong> grosste Pa<strong>der</strong>ast <strong>und</strong> del' argste Geizehals.<br />

Den Tod selbst, den er «verachtete»,<br />

er so sehr, <strong>das</strong>s er<br />

. sowohl dem Justinus v,rie auch mir den Tod, als sei er ein Vbel, heraufzubeschworen<br />

suchte, weil Justinus in Verktindigung <strong>der</strong> Wahrheit die<br />

«Philosophen» als Schlemmer <strong>und</strong> entlarvte).<br />

e'Yjplwv<br />

, , " l' , \<br />

(Was Grosses <strong>und</strong> Bew<strong>und</strong>erung'swtirdiges tun denn eure<br />

Philosophen? Sie tragen die eine Schulter entblosst <strong>und</strong> lassen die Ftille<br />

des Haares herabwallen <strong>und</strong> den Bart wachsen <strong>und</strong> gehen mit Nageln<br />

umher wie die wilden Tiere <strong>und</strong> behaupten, keines Menschen bedtirfen,<br />

obwohl sie Proteus den Gerber wegen des Ranzens, den Weber wegen<br />

des Mantels, den Holzhauer wegen des Stockes, die Reichen <strong>und</strong> den<br />

Koch wegen ihrer Schlemmerei notig haben. du Mensch! Dem H<strong>und</strong>e<br />

willst du es nachtun, denn da du Gott nicht kennst, bist du auf die Nachahmung<br />

unverntinftiger Tiere verfallen. Nachdem du es offentlich<br />

ausgeschrien hast, sitzest du scheinheilig tiber dich selbst Gericht,<br />

<strong>und</strong> wenn man dir dann nichts gibt, so schimpfst du <strong>und</strong> die Philosophie<br />

wird dir zur Kunst des Erwerbes).<br />

«Prophetae universi divino spiritu repleti nihil aliud quam de gratia<br />

dei erga iustos et ira eius adversus impios locuntur. quorum testimonia<br />

nobis quidem satis sunt, verum his qnoniam credunt isti qui<br />

153. a t a n, Rede an die Hellenen 19, 1 jGood, S. 286.- R. C. u-<br />

k u a i.d.<br />

154. ebd. 25,1 jGOOD, S. 291.- v. R. C. u k u a i.d.


628 Elias Vou]garakis<br />

sapientiam capillis et habitu iactant, ratione quoque et argumentis a<br />

nobis fuerant refellendi .»155<br />

(Die Propheten alle sprechen, vom gottlichen Geist, von<br />

nichts an<strong>der</strong>em als von <strong>der</strong> Gnade Gottes gegen die Gerechten <strong>und</strong><br />

seinem Zorn gegen die Ungerechten. Deren Zeugnisse sind uns wohl<br />

hinreichend, aber da ihnen ja die nicht glauben, die durch Haartracht<br />

<strong>und</strong> Kleidung mit ihrer Weisheit prahlen, mussten wir sie durch Vernunft<br />

<strong>und</strong> Beweise wi<strong>der</strong>legen).<br />

Endlich haben wir Klemens v. Alexandrien eine treffliche<br />

Spottbemerkung gegen die Sophisten:<br />

ot<br />

(tJber diese Kunst sich die elenden Sophisten redseliger<br />

Geschwatzigkeit: ihr Leben lang sie sich um die Unterscheidung<br />

Namen, den Wert, die Zusammensetzung <strong>und</strong> Verwicklung<br />

<strong>der</strong> Worter <strong>und</strong> erscheinen dadurch schwatzhafter als die<br />

Turteltauben. Mir scheint, <strong>das</strong>s sie in einer geradezu unmannlichen Art<br />

die Ohren <strong>der</strong>jenigen kitzeln <strong>und</strong> jucken, die danach lechzen; ein Redefluss<br />

nutzloser Worte-Betraufelung den Geist. Man kann sie mit<br />

alten Schuhen verg'leichen, bei denen alle Teile in die gehen <strong>und</strong><br />

nur die Zunge heil bleibt.)<br />

Es bleiben noch ein paar kurze Ironien gegen die Gegner des Christentums<br />

die entwe<strong>der</strong> allgemeiner Art sind o<strong>der</strong> die ihre Spitze<br />

konkret auf einzelne Personen richten. Die erste ist ein Passus aus dem<br />

«Bittge;uch die Christen» Athenagoras. Er bezieht ein gelaufiges<br />

Sprichwort auf die Heiden, die trotz ihrer Sittenverwil<strong>der</strong>ung es wagten,<br />

die Christen <strong>der</strong> Unmoral anzuklagen: ot<br />

155. L a c t a n t u s, De ira dei 22,3 jCSEL, 27. S. 123; - Vbers. v. S<br />

a r t] i.d. BKV.<br />

156. Stromata 22,4-5jGCS, 2. S. 15.<br />

157. die Christen 34,1 jGOOD, S. 355. - v. n s e] m<br />

b e r h a r d i.d. BKV.


Das spottische Duell z\'1ischen Christen <strong>und</strong> Heiden<br />

629<br />

(Trotz so erhabener Gr<strong>und</strong>satze - doch wozu sollte ich die Geheimnisse<br />

ausplau<strong>der</strong>n? - bekommen wir<br />

hbren, so <strong>das</strong>s<br />

sich <strong>das</strong> Sprichwort bewahrheitet: «Die Dirne (tadelt) die Anstandige».)<br />

Die zweite stammt Tertu11ian. Er yerlacht die Statthalter, welche<br />

dem allgemein verbreiteten Glauben schenkten, die Christen<br />

frassen kleine Kin<strong>der</strong>: quanta illius praesidis gloria, si eruisset aliquem,<br />

qui centum iam infantes comedisset!»lo8<br />

(Welcher Ruhm ware es einen Prasidenten, einen ausfindig<br />

gemacht haben, <strong>der</strong> schon h<strong>und</strong>ert Kin<strong>der</strong> gefressen hatte!)<br />

Origenes zieht Celsus ins Lacherliche, <strong>der</strong> vorgibt, die Christen<br />

glaubten, die Thermalquellen seien aus den Tranen <strong>der</strong> Engel entstanden:<br />

&'1<br />

(Und wir im Scherz auf <strong>das</strong> antworten, was Celsus im<br />

Ernste "vi<strong>der</strong> uns vorbringt, so ware sagen: Niemand hatte wohl «die<br />

warmen Quellen», <strong>der</strong>en Wasser grbsstenteils ist, als «Tranen <strong>der</strong><br />

Engel» bezeichnet, da ja die Tranen Natur salzig sind: es<br />

denn die Engel des Celsus Tranen vergiessen).<br />

158. Apologeticum 11, 5/GSEL, 69. S. 5. - Ljbers. v. e n e 1-<br />

n e r i.d.<br />

'159. Gegen Celsus 55/GCS, 2. S. 59.- Ubers. a u e t s c h a u i.d.<br />

BKV. vg!. Gegen Ce]sus 83/GCS, 1. S. 353. Diese Behatlptung des Celsus entspringt<br />

nicht etwa seiner Phantasie, son<strong>der</strong>n er nal1m sie aus einer Gnostikergruppe<br />

auf. Es ist interessant zu erwal1nen, <strong>das</strong>s auch Irenal1s die gleiche gnostische<br />

Sekte angriff, allerdings mit einer 1ronie, die hart an <strong>der</strong> Grenze des SchicJ(]jchen<br />

liegt: «Da will ich auch et\\'as zu ihrer Fruchtbarkeit beitragen. Weil ich' namlich<br />

seJ1e, <strong>das</strong>s ein Teil <strong>der</strong> Gewas5er suss ist, wie die Quellen, die <strong>der</strong> Regen,<br />

<strong>das</strong> Meerwasser aber salzig-, 50 meine ich, nicht alle stammen ihren Tranen,<br />

die ihrer Beschaffenheit nach salzig sind. AIso ist es offenbar, <strong>das</strong>s nur <strong>das</strong> salzige<br />

Wasser ihren Tranen stammt. Doch vermutlich hat sie ihrer schweren<br />

<strong>und</strong> Hilflosigkeit auch gesch\\,itzt. Daher muss man nach ihrer Weise annehmen, <strong>das</strong>s<br />

die Quellen <strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong> ubrige Susswasser ihrem Schweisse stammen.<br />

Ung'laublich namlich ist es, da die Tranen doch nur eine Beschaffenheit haben, <strong>das</strong>s<br />

die bitteren wie die stissen Gewasser ihnen gleicher Weise abstammen. Es ist<br />

glaublicher, <strong>das</strong>s die einen den Tranen, die an<strong>der</strong>en dem Schweiss herrtihren.<br />

Nun gibt es aber noch warme <strong>und</strong> atzende Gewasser <strong>der</strong> Welt. Da solltest du nachdenken,<br />

was die Enthymesis denn da tat, <strong>und</strong> aus welchem Gliede sie denn diese hervorbrachte.<br />

Diese Folgerungen ergeben sich just ihrer Hypothese.» Adversus<br />

haereses 4.4.


630 Elias VouJgarakis<br />

Lactantius geht auf <strong>das</strong> Werk des<br />

Hierokles, welches<br />

dieser zur Zeit <strong>der</strong> Diokletianischen erfolgungen herausg'ebracht hatte,<br />

ein <strong>und</strong> bemerkt: «Praecipue tamen Paulum Petrumque laceravit<br />

ceterosque discipulos tamquam falliciae seminatores, quos eodem tamen<br />

rudes et indoctos fuisse testatus est: nam quosdam piscatorio artificio<br />

fecisse quaestum; quasi aegre ferret quod illam religionem Aristophanes<br />

aliquis aut Aristarchus commentatus sit.»t60<br />

(Hierokles - verunglimpft beson<strong>der</strong>s Paulus <strong>und</strong> Petrus ebenso<br />

wie auch die an<strong>der</strong>en welche er wie Siileute behandelt,<br />

die er als Rohlinge <strong>und</strong> als Unwissende hinstellt, denen die<br />

meisten ihr Leben vom Ertrag des Fischfangs fristeten. Man konnte<br />

meinen, es missfiele ihm, <strong>das</strong>s diese Religion nicht irgendeinem Aristophanes<br />

o<strong>der</strong> Aristarch entworfen worden ist.)<br />

1.60, L a c t a n t u Divinae institHtiones V, 2,17/CSEL, 19. S, 406,

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