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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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von Maria<br />

Windhager<br />

Was heißt<br />

Trotzdem wollte über die<br />

Entscheidung offenbar keine<br />

<strong>recht</strong>e Freude aufkommen: Beschämend<br />

und peinlich sei sie<br />

(Unterrichtsministerium), absurd<br />

(Zilk). Während der Wiener<br />

Stadtrat Hatzllaut Standard stoischen<br />

Gleichmut an den Tag gelegt<br />

haben soll ("Ja so ist es eben<br />

das Gesetz"), habe Wiens Bürgermeister<br />

Häupl "getobt" und<br />

"Spielräume" im Aufenthaltsgesetz<br />

geortet, die nicht immer<br />

voll genützt würden; die<br />

Menschlichkeit müsse in die<br />

Magistratsstuben Einzug halten.<br />

Warum aber zürnte Häupl<br />

angesichts der Korrektheit der<br />

Entscheidung? Aus bloßer<br />

Rechtsunkenntnis (die dem in<br />

seiner Funktion als Landeshauptmann<br />

<strong>für</strong> den Vollzug des<br />

Aufenthaltsgesetzes Zuständigen<br />

gar nicht gut anstehen würde)?<br />

Weil jenem unglücklichen<br />

. hier grotesk?<br />

Bei dem in § 6 Absatz 2<br />

" Aufenthaltsgesetz 1992<br />

normierten Erfordernis, daß der<br />

Antrag auf Erteilung einer Bewilligung<br />

vor der Einreise nach<br />

Österreich vom Ausland aus zu<br />

stellen ist, handelres sich um eine<br />

Voraussetzung, deren Nichterfüllung<br />

zwingend die Nichtstattgebung<br />

des Antrages nach<br />

sich zieht. Ein solcher Antrag<br />

muß grundsätzlich vom Heimatstaat<br />

aus gestellt werden, damit<br />

der Mißbrauch von Besuchssichtvermerken<br />

bzw. der Be<strong>recht</strong>igung<br />

zur sichtvermerksfreien<br />

Einreise zu Besuchszwecken<br />

... verhindert werden".{])<br />

Im Klartext: Die sogenannte<br />

Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung<br />

<strong>für</strong> den emigrierten<br />

Hollywood-Star ("Standard«) A<br />

war nicht nur gesetzmäßig, die<br />

MA 62 war zur Abweisung des<br />

Antrages sogar gesetzlich verpflichtet.<br />

Obermagistratsrat der MA 62<br />

nicht bekannt war, daß es sich<br />

um einen, ja den emigrierten<br />

Hollywood-Star handelte, sodaß<br />

er ohne Ansehen der Person entschieden<br />

hat? Weil dieser, obwohl<br />

ihm die Person von Herrn<br />

A bekannt war, so entschieden<br />

hat wie <strong>recht</strong>lich vorgesehen<br />

und nicht wie politisch erwünscht?<br />

Oder sollte auch der<br />

Wiener Bürgermeister mittlerweile<br />

am Lorenz Böhler-Syndrom<br />

leiden, einer zwanghaften<br />

Aversion gegen gesetzmäßiges<br />

Verwaltungshandeln verbunden<br />

mit libidinöser Besetzung demonstrativ<br />

zur Schau gestellter<br />

Gesetzesbrüche?<br />

Eben dieser Krankheit<br />

scheint auch Thomas Mayer<br />

(»Standard«) zum Opfer gefallen<br />

zu sein. Die Entscheidung der<br />

MA 62 sei grotesk; Herr A sei in<br />

einer "Rechtsmittelbelehrung"<br />

in einem von einem Obermagistratsrat<br />

gezeichneten Papier<br />

darauf hingewiesen worden, daß<br />

er binnen zwei Wochen berufen<br />

könne, spöttelt Mayer über<br />

,,(d)ie Mühlen der Bürokratie".<br />

Grotesk ist am Fall A in der<br />

Tat allerhand:<br />

Zunächst einmal der Sturm<br />

der Entrüstung darüber, daß das<br />

Aufenthaltsgesetz so vollzogen<br />

wurde, wie es vom Gesetzgeber<br />

beabsichtigt war, wie es bis zum<br />

Fall von Herrn A in Hunderten<br />

Fällen vollzogen wurde und wie<br />

es natürlich auch in Zukunft<br />

vollzogen werden wird: Vor dem<br />

Aufenthaltsgesetz ist Herr A lediglich<br />

Fremder, der einen ordentlichen<br />

Wohnsitz in Österreich<br />

begründen möchte; nicht<br />

anders als Frau B, die wegen Erschöpfung<br />

der Zuwanderungsquote<br />

keine Aufenthaltsbewilligung<br />

erhält, obwohl ihr Mann<br />

seit Jahren in Österreich lebt<br />

oder sogar österreichischer<br />

Staatsbürger ist, oder Herr C,<br />

der seit Jahren in Österreich lebt<br />

und wegen verspäteter Stellung<br />

des Veriängerungsantrages einen<br />

Erstantrag vom Ausland aus stellen<br />

muß, was zwar nicht minder<br />

grotesk ist, aber halt nicht so<br />

medienwirksam sein dürfte.<br />

Grotesk ist, daß die angekündigte<br />

Wiederverleihung der<br />

Staatsbürgerschaft die einzige<br />

legale Möglichkeit ist, um Herrn<br />

A die Begründung eines Wohnsitzes<br />

in Österreich zu ermöglichen.<br />

Daß ungeachtet der Erschöpfung<br />

der Zuwanderungsquote<br />

an der Niederlassung von<br />

AusländerInnen (aus Nicht-EU­<br />

Staaten) Interesse bestehen'<br />

könnte, überstieg augenscheinlich<br />

die Vorstellungskraft der<br />

Spitzenlegisten des Innenministeriums,<br />

die mit ihrer sogenannten<br />

Gesamtreform des Asyl- und<br />

Wanderungswesens einen lükkenlosen<br />

Schutz vor Überfremdung<br />

geplant hatten.<br />

Dieser grandiose Akt xenophober<br />

Selbstfesselung des Innenminsteriums<br />

ist es, der gebührende<br />

Aufmerksamkeit verdient<br />

hätte und an dem Thomas<br />

Mayer konsequent vorbeischreibt,<br />

wenn sich seine Kritik<br />

gegen die sogenannten Bürokraten<br />

und nicht gegen das Gesetz<br />

selbst richtet, das den so Geschmähten<br />

keine Wahl läßt. (Ins<br />

Leere geht daher im gegebenen<br />

Zusammenhang auch die Forderung<br />

des Wiener Bürgermeisters<br />

nach mehr Menschlichkeit in<br />

den Magistratsstuben: Auch no-<br />

torische Philanthropen wie<br />

Franz Löschnak oder Manfred<br />

Matzka hätten Herrn A aufgrund<br />

der geltenden Rechtslage keine<br />

Aufenthaltsbewilligung erteilen<br />

dürfen.) Im Ergebnis entsteht<br />

der Eindruck, das Aufenthaltsgesetz<br />

sei auch ohne Gesetzesänderung<br />

einem sogenannten<br />

humanen Vollzug (2) zugänglich.<br />

An der Auf<strong>recht</strong>erhaltung dieses<br />

Mythos haben freilich gerade<br />

die Proponenten der restriktiven<br />

Ausländerpolitik das allergrößte.<br />

Interesse, gilt doch in der Logik<br />

des politischen Diskurses jede<br />

Änderung des Aufenthaltsgesetzes<br />

als Eingeständnis politischer<br />

Schwäche, mögen die Kritikpunkte<br />

auch noch so begründet<br />

sein.<br />

Grotesk ist, daß sich Thomas<br />

Mayer in seiner Kritik an <strong>recht</strong>er<br />

Ausländerpolitik des <strong>recht</strong>s populistischen<br />

Stereotyps der<br />

"bürgerfernen bürokratischen<br />

Apparate" bedient (und damit<br />

der "Bürokratie<strong>kritik</strong>" der Neuen<br />

Rechten indirekt <strong>recht</strong> gibt):<br />

daß einem" von einem Obermagistratsrat<br />

gezeichneten Papier"<br />

nur mißtraut werden kann, zumal<br />

dann, wenn es verdächtigerweise<br />

eine "Rechtsmittelbelehrung"<br />

enthält (was auch immer<br />

das sein mag), haben die LeserInnen<br />

der »Neuen Kronen Zeitung«<br />

und von »täglich Alles«<br />

immer schon gewußt; Thomas<br />

Mayer unternimmt es nunmehr,<br />

dies auch den LeserInnen des<br />

Standard zu vermitteln.<br />

Grotesk ist schließlich, daß<br />

die Inaussichtstellung eines verspäteten,<br />

lediglich symbolischen<br />

Aktes der" Wiedergutmachung"·<br />

an einem Opfer des NatiSlnalsozialismus<br />

zur Folge hat, daß die<br />

Kritik an einem Gesetz verstummt,<br />

das in seinen Erläuterungen<br />

wörtlich von einer<br />

"Strukturbereinigung zur Lösung<br />

des Gastarbeiterproblems"<br />

spricht. Herr A soll dem Vernehmen<br />

nach über die ganze Angelegenheit<br />

herzlich gelacht haben;<br />

ob ihm bei diesen Worten<br />

nicht das Lachen vergeht?<br />

(1) VwGH 3. 3. 1994,<br />

Zl. 94/18/0064.<br />

(2) S. Mayer, Rechtsgrundlagen der<br />

Integration von Fremden,<br />

AnwBI. 1994,6 (10).<br />

Ich bin übrigens auch der Meinung,<br />

die Mediaprint muß zerschlagen<br />

werden.<br />

Nr 4/94<br />

JURIDIKUM<br />

Seite 5

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