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MusiklehrerInnenverband<br />

Nr. 48 März 2008<br />

S<strong>ch</strong>rammelmusik: Besseres kann i<strong>ch</strong> Ihnen ni<strong>ch</strong>t bieten<br />

Stufentest ist ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Stufentest


Inhalt<br />

Editorial<br />

Von der Redaktion 3<br />

HörBar<br />

Berühmte Vertreter der Wiener Volksmusik<br />

Von Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong> 5<br />

Kopfhörer<br />

Beurteilen, urteilen ... lernen von den Besten<br />

Von Sibylle S<strong>ch</strong>uppli 10<br />

Stufentest ist ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Stufentest<br />

Von Sibylle S<strong>ch</strong>uppli 15<br />

Grosse Harmonie für kleine Leute<br />

Erstes Frühinstrumentalsymposium für Klarinette, Fagott und Oboe<br />

Von Ulrike Warnecke 21<br />

Sti<strong>ch</strong>note<br />

Intergalaktis<strong>ch</strong>e (Anti-)Helden<br />

Von Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong> 26<br />

Fundstücke I<br />

Klarer Stri<strong>ch</strong>, unverkennbares Profil<br />

Über den Comiczei<strong>ch</strong>ner Nicolas Mahler<br />

Von Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong> 27<br />

In eigener Sa<strong>ch</strong>e<br />

Infos und Anmeldetalon<br />

Infos und Anmeldetalon 28<br />

Erfolg für den <strong>MuV</strong><br />

Beri<strong>ch</strong>t aus dem Vorstand 30<br />

Neu im Sekretariat: Luzia Bertogg 31<br />

Fundstücke II 31<br />

Impressum 31<br />

Zeitgenössis<strong>ch</strong> Unfassbares – Charles Uzor<br />

Von Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong> 31<br />

2 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Editorial<br />

Editorial<br />

Die leeren Champagnerflas<strong>ch</strong>en sind inzwis<strong>ch</strong>en im Altglascontainer<br />

entsorgt, und eine mögli<strong>ch</strong>e Katerstimmung dürfte längst wieder dem<br />

geregelten Alltagsleben gewi<strong>ch</strong>en sein. Wir wüns<strong>ch</strong>en all unseren<br />

Leserinnen und Lesern ein verspätetes «Prosit Neujahr» – wie dies die Wiener<br />

Philharmoniker in ihren traditionellen Neujahrskonzerten jeweils tun. Um den<br />

Silvester no<strong>ch</strong>mals kurz anklingen zu lassen, stellen wir in der «HörBar» eine<br />

musikalis<strong>ch</strong>e Stilri<strong>ch</strong>tung vor, die ebenfalls sehr eng mit der Stadt Wien<br />

verbunden ist: die S<strong>ch</strong>rammelmusik.<br />

Beurteilen, urteilen, verteilen: Was oder wer immer uns über den Weg<br />

läuft, sehr s<strong>ch</strong>nell ist unsere Meinung gefasst, und dies oft in<br />

Bru<strong>ch</strong>teilen einer Sekunde. Und steht der erste Eindruck einmal fest,<br />

lässt si<strong>ch</strong> unsere Meinung kaum no<strong>ch</strong> revidieren, wie dies aufgrund von<br />

etli<strong>ch</strong>en Beurteilungsmas<strong>ch</strong>inerien an vielen Institutionen erfors<strong>ch</strong>t wurde.<br />

Do<strong>ch</strong> vielfa<strong>ch</strong> ist diese Form von «Bewertung» eine tagtägli<strong>ch</strong>e Grundlage für<br />

unsere Ents<strong>ch</strong>eidungen und Handlungen. In dieser Ausgabe befragen wir<br />

unter anderem Heinri<strong>ch</strong> Baumgartner von der ZhdK zum Thema «Stufentest»<br />

(u. a. über Begabtenförderung, Ans<strong>ch</strong>luss an Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen etc.). In einem<br />

längeren Artikel tau<strong>ch</strong>t das Thema Bewerten und Beurteilen zudem im<br />

Zusammenhang mit den Pisa-Studien auf. Mehr zu erfahren gibt es zusätzli<strong>ch</strong><br />

über «Opportunity-to-learn-», «Content» und «Performance Standards», somit<br />

einen interessanten Rundblick über die derzeit gross angelegte<br />

Leistungsmessungen an S<strong>ch</strong>ulen.<br />

Wir wüns<strong>ch</strong>en Ihnen au<strong>ch</strong> im 2008 eine spannende Lektüre mit<br />

unseren <strong>MuV</strong>-INFO-Ausgaben, mit viel Musik, sowohl im<br />

Unterri<strong>ch</strong>t als au<strong>ch</strong> an aussergewöhnli<strong>ch</strong>en Konzertanlässen.<br />

Sollte es dabei ni<strong>ch</strong>t immer nur harmonis<strong>ch</strong> her und zu gehen, wüns<strong>ch</strong>en wir<br />

Ihnen do<strong>ch</strong>, ganz themenbezogen auf diese Ausgabe, zunä<strong>ch</strong>st eine mögli<strong>ch</strong>st<br />

«wertfreie Begegnung».<br />

Die Redaktion<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

3


HörBar<br />

Berühmte Vertreter der<br />

Wiener Volksmusik<br />

Ein Millionen-Fernsehpublikum verfolgt am ersten<br />

Jahrestag das traditionelle und beliebte Neujahrskonzert<br />

der Wiener Philharmoniker. Do<strong>ch</strong> ebenso eng mit<br />

Wien ist vor allem ein Begriff verbunden: die S<strong>ch</strong>rammelmusik.<br />

Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong><br />

«Besseres kann i<strong>ch</strong> Ihnen ni<strong>ch</strong>t bieten», s<strong>ch</strong>rieb der Dirigent<br />

Hans Ri<strong>ch</strong>ter an die Wiener Philharmoniker, als er<br />

sie anlässli<strong>ch</strong> seines 100. Konzertes mit diesem Or<strong>ch</strong>ester<br />

zu einem gemütli<strong>ch</strong>en Beisammensein einlud,<br />

bei dem die S<strong>ch</strong>rammeln aufspielten. Das Wien des ausklingenden<br />

19. Jahrhunderts, eine kulturell ungemein<br />

fru<strong>ch</strong>tbare Epo<strong>ch</strong>e, bildet Nährboden und Umfeld für das<br />

S<strong>ch</strong>rammelnquartett. Mit enormer Musikalität und Virtuosität<br />

wurden die vier Instrumentalisten alsbald zum<br />

Inbegriff der volkstümli<strong>ch</strong>en Wiener Musik. Zwei von<br />

ihnen, die Brüder Johann (1850–1893) und Josef<br />

(1852–1895) S<strong>ch</strong>rammel, komponierten selbst eifrig<br />

zahlrei<strong>ch</strong>e Walzer, Polkas, Mazurkas oder Märs<strong>ch</strong>e.<br />

S<strong>ch</strong>rammelmusik oder die S<strong>ch</strong>rammeln – weit häufiger<br />

steht «s<strong>ch</strong>rammeln» im Volksmund als unmotiviertes,<br />

dilettantis<strong>ch</strong>es Musizieren s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin. Leider zu<br />

Unre<strong>ch</strong>t, aber was steckt tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> dahinter? Eine<br />

s<strong>ch</strong>nelle und einfa<strong>ch</strong>e Antwort darauf wäre: Musikanten,<br />

die bei einem Wiener Heurigen von Tis<strong>ch</strong> zu Tis<strong>ch</strong> gehen,<br />

um dort mit Hilfe der Darbietung von Wuns<strong>ch</strong>melodien<br />

Oben: Hans S<strong>ch</strong>rammel mit seinem Quartett in Aktion<br />

Links: Das S<strong>ch</strong>rammelquartett posiert für den Fotografen.<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

5


Hörbar<br />

Anton Strohmayer<br />

Anton Ernst<br />

die Gäste zu unterhalten. Do<strong>ch</strong> hätten vor etwa 120<br />

Jahren die Brüder S<strong>ch</strong>rammel auf diese Weise in ihrer nur<br />

siebenjährigen Wirkungszeit zu einer derartigen<br />

Berühmtheit gelangen können, dass sie zu Namensgebern<br />

typis<strong>ch</strong>er Wiener Volksmusik wurden und von Zeitgenossen<br />

wie Brahms oder Strauss ho<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ätzt<br />

wurden?<br />

Börsenkra<strong>ch</strong> und Neubeginn<br />

Die Brüder S<strong>ch</strong>rammel wu<strong>ch</strong>sen in der regen Volksmusikszene<br />

des damaligen Wiener Vergnügungsvorortes<br />

Neuler<strong>ch</strong>enfeld auf. Die Eltern waren beide hauptberufli<strong>ch</strong>e<br />

Volksmusikanten, Vater Kaspar S<strong>ch</strong>rammel war Klarinettist<br />

und die Mutter Aloisia Volkssängerin. Die hohe<br />

musikalis<strong>ch</strong>e Begabung der beiden Söhne wurde s<strong>ch</strong>nell<br />

erkannt, weshalb die Eltern sie aufs Wiener Konservatorium<br />

s<strong>ch</strong>ickten, wo sie Violinunterri<strong>ch</strong>t erhielten.<br />

Dana<strong>ch</strong> gingen die Brüder getrennte Wege, Johann als<br />

Or<strong>ch</strong>estermusiker in Wiener Salon- und Theateror<strong>ch</strong>estern,<br />

Josef als Volksmusiker in Gaststätten und Heurigen-<br />

Lokalen.<br />

Na<strong>ch</strong> dem Börsekra<strong>ch</strong> von 1873 sanken die Verdienstmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

eines Or<strong>ch</strong>estermusikers weit unter die<br />

eines Volksmusikers. Der Vors<strong>ch</strong>lag Josefs an seinen<br />

Bruder Johann, mit ihm gemeinsam ein Volksmusikterzett<br />

zu gründen, fiel daher auf fru<strong>ch</strong>tbaren Boden. Es wird<br />

zwar erzählt, Johann habe diesen Vors<strong>ch</strong>lag seines<br />

Bruders zunä<strong>ch</strong>st mit den Worten zurückgewiesen: «Ein<br />

Heurigenmusikant? Dazu hat mi<strong>ch</strong> der Vater ni<strong>ch</strong>t ins<br />

Konservatorium ges<strong>ch</strong>ickt.» Johann beendete jedenfalls<br />

seine Or<strong>ch</strong>esterlaufbahn und gründete 1878 mit seinem<br />

Bruder und dem Gitarristen Draskovits ein Terzett. 1879<br />

wurde Draskovits dur<strong>ch</strong> den damals als einer der besten<br />

geltende Gitarristen Anton Strohmayer (1848–1937)<br />

ersetzt. Damit war der Grundstein des Urs<strong>ch</strong>rammel-Terzetts<br />

gelegt, und die Brüder S<strong>ch</strong>rammel mit Anton<br />

Strohmayer nannten si<strong>ch</strong> zunä<strong>ch</strong>st «D'Nussdorfer», da<br />

das Terzett hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in dem berühmten Weinort<br />

Nussdorf auftrat. Die Kombination von perfekter Spielte<strong>ch</strong>nik<br />

mit im Volkstümli<strong>ch</strong>en wurzelnder Musikalität<br />

bewirkte einen aussergewöhnli<strong>ch</strong>en Erfolg. Das Wiener<br />

«Extrablatt» vom 7. Oktober 1883 s<strong>ch</strong>reibt über einen<br />

Auftritt des Terzetts: «Da wird mit einem Fiedelbogen auf<br />

den Resonanzboden einer Geige dreimal geklopft. In<br />

einem Nu ist der Lärm verstummt, eine heilige Ruhe<br />

herrs<strong>ch</strong>t in dem Saal, der plötzli<strong>ch</strong> in eine Kir<strong>ch</strong>e umgewandelt<br />

zu sein s<strong>ch</strong>eint, und aller Augen sind na<strong>ch</strong> dem<br />

Podium geri<strong>ch</strong>tet, auf wel<strong>ch</strong>em drei Männer sitzen. Zwei<br />

legen den Bogen auf die Saiten, der dritte hat die Finger<br />

auf den dicken Leib der Gitarre gelegt, das sind die<br />

S<strong>ch</strong>rammeln. Da gibt es keine bezahlten Applaus-Fabrikanten,<br />

keine befreundeten Stimmungs-Erzeuger, da gibt<br />

es nur Verehrer und Fanatiker, die ernstli<strong>ch</strong> bös werden<br />

können, wenn jemand während der Produktion mit dem<br />

Sessel rückt oder ein lautes Wort spri<strong>ch</strong>t. So süss, so innig,<br />

so rein im Ton spielt niemand die lieben Volksmelodien<br />

als diese drei Leute. Es ist der anheimelnde Wiener<br />

6 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


HörBar<br />

gewirkt.» – «(...) muss man es offen sagen, dass der Name<br />

dieses Quartetts von heute an in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te Wiens<br />

für alle Zeiten genannt werden wird, wenn man von der<br />

Wiener Volksmusik spri<strong>ch</strong>t.» Vor allem Johann S<strong>ch</strong>rammels<br />

Kompositionen fanden breite Anerkennung. So<br />

wirkte er 1885 an einer Ballettproduktion des Wiener<br />

Hofoperntheaters über die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des «Wiener<br />

Walzers» mit und wurde au<strong>ch</strong> für die Betreuung des<br />

Musikteils der neu ers<strong>ch</strong>einenden Zeitung «Wiener Spezialitäten»<br />

herangezogen.<br />

Johann S<strong>ch</strong>rammel<br />

Dialekt, der in Noten gesetzt aus dem Winseln der<br />

S<strong>ch</strong>rammels<strong>ch</strong>en Brüder und der Klampfen Strohmayers<br />

zu uns spri<strong>ch</strong>t.»<br />

Allseits beliebt und gea<strong>ch</strong>tet<br />

Zu den beiden Geigern und dem Gitarristen der Wiener<br />

Volksmusik stiess 1884 Georg Dänzer (1848–1893)<br />

hinzu, der zu seiner Zeit unbestrittene Meister des<br />

«picksüssen Hölzls», wie die kleine G-Klarinette liebevoll<br />

von den Wienern genannt wird. Die regelmässigen Produktionen<br />

des neuen Quartetts fanden dort statt, von wo<br />

der Erfolg des Terzetts seinen Ausgang genommen hatte:<br />

in Nussdorf. Die «S<strong>ch</strong>rammeln», wie sie längst im Volksmund<br />

genannt wurden, wurden fortan immer populärer.<br />

Das Publikum, das ihretwegen zum Heurigen na<strong>ch</strong> Nussdorf<br />

kam, kannte keine Standesunters<strong>ch</strong>iede: ob Adeliger,<br />

Hausherr oder Fiaker, beim Heurigen waren sie alle nur<br />

begeisterte Zuhörer der S<strong>ch</strong>rammeln und der in ihrem<br />

Gefolge auftretenden Sänger, Jodler und Pfeifer. Neben<br />

den Heurigenauftritten gab das S<strong>ch</strong>rammelnquartett aber<br />

au<strong>ch</strong> rein konzertante Darbietungen der Alten Wiener<br />

Tänze und spielte auf fast allen wi<strong>ch</strong>tigen Bällen, wie dem<br />

Fiaker- oder dem Wäs<strong>ch</strong>ermädlball.<br />

Beri<strong>ch</strong>terstatter lobten die Musik der S<strong>ch</strong>rammeln in den<br />

hö<strong>ch</strong>sten Tönen. Im «Extrablatt» vom 18. August 1886<br />

stand: «... Die S<strong>ch</strong>rammeln haben, ganz abgesehen von<br />

ihrer Meisters<strong>ch</strong>aft in der Behandlung der Instrumente,<br />

(...) veredelnd auf den Ges<strong>ch</strong>mack der grossen Menge<br />

Die S<strong>ch</strong>rammeln, die eigentli<strong>ch</strong>en Volksmusiker, traten<br />

aber ni<strong>ch</strong>t nur bei den Volksbällen auf, sondern spielten<br />

ebenso erfolgrei<strong>ch</strong> bei der Aristokratie auf und wurden<br />

in die Salons der Adeligen geladen oder von ihnen in die<br />

vornehmsten Lokale bestellt. Sie musizierten ni<strong>ch</strong>t nur<br />

für die Aristokratie, sondern komponierten au<strong>ch</strong> für sie:<br />

Unter den Widmungsträgern der Kompositionen Johann<br />

S<strong>ch</strong>rammels findet si<strong>ch</strong> beinahe die gesamte Aristokratie<br />

der damaligen Zeit, als Beispiele seien genannt: Fürstin<br />

Pauline von Metterni<strong>ch</strong> («Frühlingsgruss an Pauline»),<br />

Erzherzog Johann («Meran-Mars<strong>ch</strong>»), Kronprinz Rudolf<br />

(«Kronprinz-Rudolf-Mars<strong>ch</strong>»), der zum bedeutendsten<br />

Förderer der S<strong>ch</strong>rammeln werden sollte, und Kaiser<br />

Franz Joseph I. («Alte österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Volksmelodien»).<br />

Für die Wiener Philharmoniker komponierte Johann<br />

S<strong>ch</strong>rammel den Mars<strong>ch</strong> «Wiener Künstler» und für den<br />

eingangs erwähnten Kapellmeister und Dirigenten den<br />

«Hans-Ri<strong>ch</strong>ter-Mars<strong>ch</strong>».<br />

1884 kam Johann Strauss na<strong>ch</strong> Nussdorf, um die berühmten<br />

S<strong>ch</strong>rammeln zu hören. Ein Besu<strong>ch</strong> des Walzerkönigs,<br />

des zu dieser Zeit weltbekannten und berühmtesten Vertreters<br />

der «Wiener Musik», war für sie eine ganz besondere<br />

Auszei<strong>ch</strong>nung. Die S<strong>ch</strong>rammeln verfehlten au<strong>ch</strong> bei<br />

ihm ihre Wirkung ni<strong>ch</strong>t: Er blieb statt der geplanten einen<br />

Stunde se<strong>ch</strong>s und s<strong>ch</strong>rieb an Josef S<strong>ch</strong>rammel im März<br />

1884 folgenden Brief: «Erkläre hiermit mit Vergnügen<br />

und Überzeugung, dass die musikalis<strong>ch</strong>e Leitung der<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft in der Ausführung und im Vortrag im wahren<br />

Sinn des Wortes von künstleris<strong>ch</strong>er Bedeutung ist und<br />

jedermann, der für die getreue musikalis<strong>ch</strong>e Wiedergabe<br />

des Wiener Humors, der poetis<strong>ch</strong>en Eigentümli<strong>ch</strong>keit des<br />

Wiener Volksmusikgenres Sinn besitzt, auf das Wärmste<br />

zu empfehlen ist.»<br />

Johannes Brahms s<strong>ch</strong>ätzte die S<strong>ch</strong>rammeln ebenfalls<br />

sehr. Na<strong>ch</strong> einem Brahms-Liederabend liess es si<strong>ch</strong><br />

Brahms ni<strong>ch</strong>t nehmen und besu<strong>ch</strong>te hö<strong>ch</strong>st persönli<strong>ch</strong><br />

ein Konzert der S<strong>ch</strong>rammeln. Der Musikhistoriker und<br />

-kritiker Max Graf sah Johannes Brahms in Begleitung mit<br />

der damals «als grösste Sängerin klassis<strong>ch</strong>er Lieder» gefeierten<br />

Alice Barbi bei den S<strong>ch</strong>rammeln und hielt in der<br />

S<strong>ch</strong>rift «Legende einer Musikstadt» fest: «... Na<strong>ch</strong>-dem<br />

die S<strong>ch</strong>rammeln mehrere Wiener Lieder und Tänze<br />

gespielt hatten, stimmten sie au<strong>ch</strong> ein amerikanis<strong>ch</strong>es<br />

Lied an, das damals in Wien volkstümli<strong>ch</strong> war: 'Ta-ra-raboom-de-ay'.<br />

Wurde die Silbe 'boom' gespielt, s<strong>ch</strong>lug man<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

7


Hörbar<br />

Eine Heurigenszene<br />

mit dem<br />

S<strong>ch</strong>rammelquartett.<br />

Gemälde<br />

von Johann<br />

Mi<strong>ch</strong>ael Kupfer<br />

mit dem Spazierstock oder einem Bierglas auf dem Tis<strong>ch</strong><br />

den Takt dazu. An diesem Tag konnte i<strong>ch</strong> sehen, dass<br />

au<strong>ch</strong> Brahms voll überströmender Freude mit seinem<br />

Regens<strong>ch</strong>irm den Takt s<strong>ch</strong>lug, wann immer das 'boom'<br />

ertönte. Ein Knabe mit einem grauen Bart.»<br />

Auslandreisen und Zerfall eines Erfolgsquartetts<br />

1888 gastierten die S<strong>ch</strong>rammeln erstmals im Ausland, in<br />

Budapest und in Pressburg, wo sie au<strong>ch</strong> dort ihre mittlerweile<br />

gewohnten Erfolge feiern konnten. Bald traten<br />

sie ihre erste grössere Auslandsreise an und konzertierten<br />

in Berlin, Frankfurt, Stuttgart und abs<strong>ch</strong>liessend in<br />

Mün<strong>ch</strong>en. Angeregt dur<strong>ch</strong> ihre grossen Erfolge, traten die<br />

S<strong>ch</strong>rammeln bereits Anfang 1889 ihre grosse Auslandsreise<br />

an, die wiederum dur<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land und ans<strong>ch</strong>liessend<br />

dur<strong>ch</strong> die südli<strong>ch</strong>en, österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Kronländer<br />

führte. Wieder in Wien, kehrten die S<strong>ch</strong>rammeln<br />

zum Heurigen na<strong>ch</strong> Nussdorf zurück. Der Andrang zu<br />

ihren ersten Auftritten na<strong>ch</strong> ihrer langen Abwesenheit<br />

von Wien war so enorm, dass Hunderte Mens<strong>ch</strong>en<br />

umkehren mussten, weil sie keinen Platz finden<br />

konnten. Im Herbst 1889 bra<strong>ch</strong> das Quartett zur dritten<br />

und letzten grossen Reise auf. Sie dauerte drei Monate<br />

und führte na<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land und in die heutige Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ei.<br />

Aber grosse Probleme kennzei<strong>ch</strong>neten den Beginn<br />

dieser Reise: Die Organisation der Konzerte klappte<br />

8 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


HörBar<br />

wurde zum ersten und zuglei<strong>ch</strong> einzigen Höhepunkt des<br />

Quartetts mit der Ziehharmonika. Bald na<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>liessung<br />

der Musik- und Theaterausstellung verliess Anton<br />

Strohmayer das Quartett (an seiner Stelle trat Karl<br />

Daroka). In dieser Zeit vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terte si<strong>ch</strong> der Gesundheitszustandes<br />

Johann S<strong>ch</strong>rammels, damit s<strong>ch</strong>wand aber<br />

au<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong>e Kraft des Ensembles. Am 17. Juni<br />

1893 starb Johann S<strong>ch</strong>rammel im Alter von 43 Jahren<br />

unter grosser Anteilnahme dur<strong>ch</strong> die Öffentli<strong>ch</strong>keit und<br />

die Presse. Na<strong>ch</strong> dem Tod seines Bruders setzte Josef<br />

S<strong>ch</strong>rammel mit dem Geiger Knoll das Ensemble fort. Er<br />

konnte den Erfolg des früheren Quartetts mit Auftritten<br />

in Wien und im Rahmen einer Konzertreise no<strong>ch</strong> fortsetzen.<br />

Als er jedo<strong>ch</strong> am 24. November 1895 starb, war<br />

die ruhmrei<strong>ch</strong>e Wirkungszeit des Quartetts endgültig<br />

erlos<strong>ch</strong>en.<br />

Das Werk der Brüder S<strong>ch</strong>rammel, wovon die Kompositionen<br />

Johanns einen Grossteil einnehmen, umfasst mehr<br />

als 250 Werke. Wie bereits erwähnt, sind viele Kom-positionen<br />

Freunden und Gönnern gewidmet, wobei Johann<br />

S<strong>ch</strong>rammel im August 1886 in seinem populärsten<br />

Mars<strong>ch</strong> «Wien bleibt Wien» glei<strong>ch</strong> alle miteins<strong>ch</strong>loss:<br />

«Den lieben Wienern ho<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>tungsvoll gewidmet». Die<br />

Kompositionen Johann S<strong>ch</strong>rammels wurden ob ihrer<br />

Beliebtheit von vers<strong>ch</strong>iedenen Verlagen in der Klavierfassung<br />

publiziert, wodur<strong>ch</strong> sie der Na<strong>ch</strong>welt erhalten<br />

geblieben sind und das vom S<strong>ch</strong>rammeln-Quartett<br />

geprägte Genre dur<strong>ch</strong> eine gezielte Traditionspflege<br />

derzeit eine neue Blüte erlebt.<br />

Quellenna<strong>ch</strong>weis und empfohlene Literatur:<br />

Kurt Diemann: «S<strong>ch</strong>rammelmusik», Verlag Styria,<br />

Köln 1981, ISBN 3-222-11324-6.<br />

Margarethe Egger: «Die S<strong>ch</strong>rammeln in ihrer Zeit»,<br />

Österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Bundesverlag, Wien 1989,<br />

ISBN 3-215--07219-X.<br />

ni<strong>ch</strong>t, und Johann S<strong>ch</strong>rammels kritis<strong>ch</strong>er Gesundheitszustand<br />

ma<strong>ch</strong>te das Reisen für ihn nahezu unerträgli<strong>ch</strong>.<br />

Beinahe sieben Jahre musizierten die Brüder S<strong>ch</strong>rammel,<br />

Dänzer und Strohmayer miteinander. In dieser Zeit<br />

hatten sie Erfolge errungen wie kein Volksmusikensemble<br />

zuvor in ihrer Zeit. Mit dem Ersatz der Klarinette<br />

dur<strong>ch</strong> die Ziehharmonika (der Klarinettist Georg Dänzer<br />

s<strong>ch</strong>ied aus gesundheitli<strong>ch</strong>en Gründen aus und wurde<br />

dur<strong>ch</strong> Anton Ernst ersetzt) veränderte si<strong>ch</strong> das spezifis<strong>ch</strong>e<br />

Klangbild des Quartetts. Trotzdem hielt ihre Popularität<br />

unvermindert an. Ihre Auftritte während der Wiener<br />

internationalen Musik- und Theaterausstellung 1892<br />

Susanne S<strong>ch</strong>edtler (Hrsg.): «Wiener Lied und<br />

Weana Tanz», Löcker, Wien 2004,<br />

ISBN 3-85409-412-4.<br />

Anhör-Tipps:<br />

«Die besten S<strong>ch</strong>rammeln», zusammengestellt von<br />

Roland Josef Leopold Neuwirth,<br />

Trikont Mün<strong>ch</strong>en.<br />

Die Philharmonia-S<strong>ch</strong>rammeln Wien,<br />

«Tu felix Austria», BMG Ariola.<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

9


Kopfhörer<br />

Beurteilen, urteilen...<br />

lernen von den Besten?<br />

Von Sibylle S<strong>ch</strong>uppli<br />

Wenn wir einem Mens<strong>ch</strong>en begegnen, dauert es nur<br />

einen Bru<strong>ch</strong>teil einer Sekunde und unser erster Eindruck<br />

steht fest; dieser lässt si<strong>ch</strong> nur no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wer revidieren.<br />

Es gibt kein Entrinnen, wir sind, man könnte<br />

fast sagen zum Beurteilen und Urteilen verdammt. Nur<br />

dur<strong>ch</strong> das Bewerten können wir für unser Handeln<br />

und für unsere Ents<strong>ch</strong>eidungen eine Grundlage<br />

finden. In einer zunehmend komplexen Welt stützen<br />

wir uns ni<strong>ch</strong>t nur auf unsere eigenen Ohren und<br />

Augen, überall sind Experten im Einsatz, die unser<br />

Vertrauen stärken oder unser Misstrauen wecken. Das<br />

geht vom Auto- oder Aktienkauf bis zur Frage, wel<strong>ch</strong>es<br />

Hotel wir bu<strong>ch</strong>en wollen, oder zur Qualitätsbeurteilung<br />

des Honigs, den wir im Laden auswählen<br />

müssen. Der Bedarf an Beurteilung und Bewertung ist<br />

bemerkenswert gross, und die Bedeutung von Beurteilungen<br />

– Vorurteile mit einges<strong>ch</strong>lossen –, Bewertungen,<br />

Leistungsausweisen, Wertmassstäben und<br />

Indikatoren wird in Zukunft no<strong>ch</strong> wa<strong>ch</strong>sen. Beurteilen<br />

und urteilen spielt au<strong>ch</strong> in der Musikbildung eine<br />

immer grössere Rolle.<br />

So si<strong>ch</strong>ert si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die öffentli<strong>ch</strong>e Hand vermehrt über<br />

Studien und Beurteilungsinstrumente ab. Vor allem im<br />

Umwelt- und Bildungsberei<strong>ch</strong> haben Befunde aus wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Studien heftige Diskussionen ausgelöst.<br />

Das IPCC, die Zwis<strong>ch</strong>enstaatli<strong>ch</strong>e Sa<strong>ch</strong>verständigengruppe<br />

über den Klimawandel, zum Beispiel oder im<br />

Berei<strong>ch</strong> der Bildung die PISA-Studien. Seit dem Jahr 2000<br />

misst PISA im dreijährigen Turnus die Effizienz unserer<br />

Bildungseinri<strong>ch</strong>tungen und untersu<strong>ch</strong>t die alltags- und<br />

berufsrelevanten Kenntnisse und Fähigkeiten der 15-<br />

jährigen S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler. Die meisten Staaten<br />

der OECD nehmen an diesem «S<strong>ch</strong>ulwettbewerb» teil<br />

und darüber hinaus eine steigende Anzahl von Partnerstaaten.<br />

Erklärtes Ziel der OECD ist es, dur<strong>ch</strong> den Länderverglei<strong>ch</strong><br />

bei PISA von den anderen Ländern zu<br />

lernen, indem man es so ma<strong>ch</strong>t wie «die Besten». Es zeigt<br />

si<strong>ch</strong> aber, dass es sehr s<strong>ch</strong>wierig ist, einzelne Systemmerkmale<br />

(Selektionsformen, Eins<strong>ch</strong>ulungszeitpunkt<br />

etc.) zu isolieren und deren Einfluss auf die Ergebnisse<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>zuweisen. Das «Lernen von den<br />

Besten» ist daher vielen Bes<strong>ch</strong>ränkungen unterworfen.<br />

Denno<strong>ch</strong> löste jede Untersu<strong>ch</strong>ung von PISA in der Folge<br />

vor allem in den getesteten Fä<strong>ch</strong>ern in den Kantonen und<br />

au<strong>ch</strong> international eine Bildungsoffensive aus. So wurde<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz na<strong>ch</strong> den ersten Befunden ein S<strong>ch</strong>werpunkt<br />

bei der Leseförderung gesetzt. Neu sollen die naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Fä<strong>ch</strong>er besser gefördert werden. Es<br />

fliesst viel Energie und Geld in die Entwicklung von Beurteilungsinstrumenten,<br />

und dort, wo Beurteilungen bestellt<br />

werden, fliessen wiederum Gelder, um die Ergebnisse<br />

zu verbessern. Für die nä<strong>ch</strong>ste PISA-Untersu<strong>ch</strong>ung<br />

2009 sind bereits 3,5 Mio Franken je hälftig von Bund<br />

und Kantonen reserviert. Wissens<strong>ch</strong>aftler gehen davon<br />

aus, dass diese Studien es ermögli<strong>ch</strong>en, die Folgen des<br />

Sparens und Umverteilens im Bildungswesen so zu<br />

gestalten, dass es keinen Qualitätsverlust gibt.<br />

Ob dem so ist,<br />

werden wir wohl nie wirkli<strong>ch</strong> überprüfen<br />

können. Do<strong>ch</strong> die Ergebnisse der Studien sind<br />

ni<strong>ch</strong>t nur für die jeweils überprüften Fä<strong>ch</strong>er relevant.<br />

PISA hat au<strong>ch</strong> grundlegende S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en unseres Systems<br />

aufgedeckt. Zum Beispiel die Abhängigkeit der Leistung<br />

der Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en vom sozialen und au<strong>ch</strong> öko-<br />

10 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

nomis<strong>ch</strong>en Hintergrund ihrer Familien (das beinhaltet<br />

namentli<strong>ch</strong> den Bildungsstand der Eltern). Staatsrätin Isabelle<br />

Chassot (FR), Präsidentin der EDK (S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren), stellt<br />

fest: «Das S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Bildungssystem agiert im internationalen<br />

Verglei<strong>ch</strong> in einem exponierten Umfeld. Es<br />

wäre fals<strong>ch</strong>, das ni<strong>ch</strong>t zu thematisieren: das s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Bildungssystem muss eine höhere Integrationsleistung<br />

erbringen als die meisten anderen an PISA beteiligten<br />

Staaten. Ein kürzli<strong>ch</strong> ausserhalb von PISA<br />

ers<strong>ch</strong>ienener OECD-Beri<strong>ch</strong>t zur wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Entwicklung<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz stellt diese Situation sehr gut<br />

dar. Eine Darstellung aus diesem OECD-Beri<strong>ch</strong>t zeigt den<br />

Anteil der ausländis<strong>ch</strong>en Bevölkerung in der S<strong>ch</strong>weiz im<br />

Verglei<strong>ch</strong> mit einigen ausgewählten europäis<strong>ch</strong>en<br />

Ländern. Der Anteil ist in der S<strong>ch</strong>weiz beispielsweise<br />

mehr als doppelt so ho<strong>ch</strong> wie in Deuts<strong>ch</strong>land oder Österrei<strong>ch</strong>.<br />

Interessant au<strong>ch</strong>, dass von der ausländis<strong>ch</strong>en<br />

Bevölkerung in der S<strong>ch</strong>weiz nahezu ein Viertel im<br />

Ausland geboren ist. Dieser Anteil ist gerade mal verglei<strong>ch</strong>bar<br />

mit Australien, einem typis<strong>ch</strong>en Einwanderungsland.<br />

Weiter muss man au<strong>ch</strong> sagen, dass die hohe<br />

Immigration in die S<strong>ch</strong>weiz bis vor wenigen Jahren sehr<br />

stark geprägt war dur<strong>ch</strong> Einwanderer aus tieferen sozioökonomis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Dies beginnt si<strong>ch</strong> seit 1997<br />

deutli<strong>ch</strong> zu ändern. Die OECD würdigt in diesem Beri<strong>ch</strong>t<br />

au<strong>ch</strong> explizit die im Rahmen von HarmoS vorgesehenen<br />

Massnahmen als S<strong>ch</strong>ritt in die ri<strong>ch</strong>tige Ri<strong>ch</strong>tung. Die<br />

grösste Risikogruppe bei PISA sind tendenziell Jugendli<strong>ch</strong>e<br />

mit bildungsfernem Hintergrund in Verbindung mit<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>igkeit. Es ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>, diese Hintergründe<br />

gut darzustellen und korrekt zu transportieren.<br />

Sie bergen die Gefahr von Paus<strong>ch</strong>alisierungen und damit<br />

von Stigmatisierungen. Wir haben die Tendenz, Systemaussagen<br />

auf eine individuelle Ebene zu transportieren.<br />

Diese Aussagen gelten au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t für alle Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

mit diesen Merkmalen. Denn es sind ni<strong>ch</strong>t Regeln,<br />

sondern Tendenzen. Diese Erklärungen sollen – wie<br />

gesagt – ni<strong>ch</strong>t ablenken. Das s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Bildungssystem<br />

hat ein Verbesserungspotenzial, es muss und wird<br />

no<strong>ch</strong> Verbesserungen erfahren.»<br />

Dieser allgemeine Hintergrund hat au<strong>ch</strong> für die Musikbildung<br />

an den öffentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulen, aber au<strong>ch</strong> an den<br />

Musiks<strong>ch</strong>ulen eine Bedeutung. Do<strong>ch</strong> wie steht es überhaupt<br />

mit der Kultur und der Freizeitbes<strong>ch</strong>äftigung der<br />

Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en? Das international arbeitende<br />

Kinderhilfswerk WORLD VISION hat eine Studie in<br />

Auftrag gegeben, die 2007 ers<strong>ch</strong>ienen ist. Die Studie soll<br />

in regelmässigen Abständen wiederholt werden. Die<br />

World-Vision-Kinderstudie zeigt in einer erstaunli<strong>ch</strong>en<br />

Deutli<strong>ch</strong>keit wie stark au<strong>ch</strong> das Freizeitverhalten von der<br />

sozialen Zugehörigkeit abhängig ist (siehe Käst<strong>ch</strong>en 1).<br />

Für die Studie haben Sozialfors<strong>ch</strong>er 1600 Kinder in<br />

Deuts<strong>ch</strong>land befragt. Au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Mehrheit von<br />

ihnen mit ihrem Leben re<strong>ch</strong>t zufrieden zeigt, werden<br />

soziale Unters<strong>ch</strong>iede sehr deutli<strong>ch</strong> wahrgenommen.<br />

Bereits kleine Kinder, die aus sozial bena<strong>ch</strong>teiligten<br />

S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten kommen, sehen für si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tere Start<strong>ch</strong>ancen,<br />

und dies ni<strong>ch</strong>t nur in der S<strong>ch</strong>ule, sondern au<strong>ch</strong><br />

in den Freizeitbes<strong>ch</strong>äftigungen. Nur gerade ein Viertel<br />

der Kinder wird dur<strong>ch</strong> das Elternhaus gefördert und treibt<br />

Sport, Musik, Kunst oder liest viel. Der Medienkonsum<br />

ist bei diesem Viertel gering. Der Anteil der Mäd<strong>ch</strong>en<br />

jedo<strong>ch</strong> besonders ho<strong>ch</strong>. Demgegenüber kann ein Viertel<br />

der Eltern aufgrund der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Situation ihrem<br />

Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s gar kein Anregungspotenzial bieten. Dies<br />

zeigt si<strong>ch</strong> ganz besonders in der Freizeit. Viele Jungen der<br />

bildungsferneren S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t verbringen ihre freie Zeit vorwiegend<br />

vor dem Fernseher und vor Computerspielkonsolen,<br />

was wiederum ents<strong>ch</strong>eidend auf die gesamte Entwicklung<br />

und Bildung der Kinder dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lägt.<br />

Ob diese Beurteilungen au<strong>ch</strong> Auswirkungen im Handeln<br />

der öffentli<strong>ch</strong>en Hand in der S<strong>ch</strong>weiz haben werden, wird<br />

si<strong>ch</strong> zeigen müssen. Die Chancen stehen aus folgenden<br />

Gründen ni<strong>ch</strong>t so gut:<br />

• Studien, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vor allem auf die öffentli<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>ule bes<strong>ch</strong>ränken oder von der öffentli<strong>ch</strong>en Hand<br />

bestellt werden, haben in der Regel no<strong>ch</strong> einen<br />

weiten Weg vor si<strong>ch</strong>, bis au<strong>ch</strong> die nötigen Konsequenzen<br />

folgen.<br />

• Obwohl man mit gutem Grund annehmen kann, dass<br />

die Musiks<strong>ch</strong>ulen au<strong>ch</strong> einen Beitrag zur Integration<br />

der Kinder beitragen und in Zukunft au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> vermehrt<br />

beitragen könnten, wird es no<strong>ch</strong> einige<br />

Anstrengungen brau<strong>ch</strong>en, bis diesem Zusammenhang<br />

au<strong>ch</strong> politis<strong>ch</strong> Re<strong>ch</strong>nung getragen wird.<br />

• Im Rahmen der öffentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule ist die Musik in<br />

der Hierar<strong>ch</strong>ie der Fä<strong>ch</strong>er immer no<strong>ch</strong> abseits.<br />

Denno<strong>ch</strong>, es wird zurzeit abgeklärt, ob si<strong>ch</strong> für das Fa<strong>ch</strong><br />

Musik an der Volkss<strong>ch</strong>ule überhaupt überprüfbare Standards<br />

entwickeln lassen. «Mit Unterstützung der Nordwests<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Erziehungsdirektorenkonferenz<br />

(NW EDK) haben die Pädagogis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Zentrals<strong>ch</strong>weiz<br />

(PHZ) und die Musikho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Luzern (MHS)<br />

im Dezember 2006 die gemeinsame Pilotstudie «HarmoS<br />

Musik» lanciert. Das einjährige Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt soll<br />

Vorarbeiten zu einem den HarmoS-Fä<strong>ch</strong>ern entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Vorgehen für das Fa<strong>ch</strong> Musik leisten. Ziel der<br />

Pilotstudie ist es, exemplaris<strong>ch</strong> für einzelne Teilberei<strong>ch</strong>e<br />

des Fa<strong>ch</strong>es ein mögli<strong>ch</strong>es Kompetenzmodell zu skizzieren<br />

und konkrete Anforderungen für einzelne Klassenstufen<br />

zu formulieren, so wie das heute für Erstspra<strong>ch</strong>e,<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>en, Mathematik und Naturwissens<strong>ch</strong>aft<br />

in der Volkss<strong>ch</strong>ule bereits entwickelt und getestet wird.<br />

Jürg Huber der Musikho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Luzern ist Projektbeauftragter.<br />

Die Resultate dieser Studie sollten bis Ende<br />

2007 vorliegen.<br />

Wie man Leistung in der Bildung überhaupt objektiv<br />

messen kann, ist eine knifflige Angelegenheit. Die Diskussionen<br />

zu diesem Thema werden heiss geführt, und<br />

sie sind für die Musikwelt au<strong>ch</strong> von Interesse. Denn es<br />

gilt: wer seine Leistungen ni<strong>ch</strong>t darstellen kann, läuft<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

11


Kopfhörer<br />

World-Vision-Kinderstudie<br />

Gruppenaktivitäten und Vereine: Kinder aus der Unters<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t und Migranten bleiben<br />

eher aussen vor<br />

Rund drei Viertel der Kinder im Alter von 8 bis 11 Jahren gehen in ihrer Freizeit einer regelmässigen<br />

Gruppenaktivität zum Beispiel in einem Verein, in einer Musiks<strong>ch</strong>ule oder in<br />

einer sonstigen Gruppe na<strong>ch</strong>. Jungen sind insgesamt betra<strong>ch</strong>tet mit 76% im Verglei<strong>ch</strong> zu<br />

Mäd<strong>ch</strong>en mit 71% sogar no<strong>ch</strong> etwas häufiger einbezogen. Im Einzelnen dominieren Aktivitäten<br />

in einem Sportverein. Jungen haben hier mit 65% im Verglei<strong>ch</strong> zu Mäd<strong>ch</strong>en mit 50%<br />

die Nase vorn. Immerhin jedes fünfte Kind besu<strong>ch</strong>t eine Musiks<strong>ch</strong>ule. Regelmässiges Mitma<strong>ch</strong>en<br />

in Vereinen oder die Nutzung von sonstigen Angeboten ist in Deuts<strong>ch</strong>land ebenfalls<br />

s<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tabhängig. Bei Kindern aus der untersten Herkunftss<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t ist sogar nur die<br />

Minderheit in diesem Sinne aktiv. Je gehobener die S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t, desto grösser der Anteil der<br />

Aktiven. Verglei<strong>ch</strong>bares gilt für Kinder mit Migrationshintergrund. Einheimis<strong>ch</strong>e deuts<strong>ch</strong>e<br />

Kinder gehen zu 77%, Migrantenkinder hingegen nur zu 63% regelmässigen Aktivitäten in<br />

ihrer Freizeit na<strong>ch</strong>.<br />

Normale Freizeitler – vielseitige Kids – Medienkonsumenten<br />

Die erhobenen Freizeitaktivitäten umfassen vier Dimensionen: Sport, Medienkonsum,<br />

Kultur sowie häusli<strong>ch</strong>-familiäre Aktivitäten. Typisiert man die Kinder anhand dieser Berei<strong>ch</strong>e,<br />

so ergibt si<strong>ch</strong> auf der einen Seite ein Mainstream von Kindern (50%), die in ihrer Freizeit<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Aktivitäten na<strong>ch</strong>gehen. Hierzu gehören sowohl Sport und Bewegung,<br />

Freunde treffen, Unternehmungen mit der Familie als au<strong>ch</strong> die Mediennutzung. Je<br />

na<strong>ch</strong> Neigung werden hierbei unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Aktivitäten ausgeübt, und die Kinder unters<strong>ch</strong>eiden<br />

si<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong> im Einzelnen in ihren jeweiligen Vorlieben.<br />

Literatur:<br />

Kinder in Deuts<strong>ch</strong>land 2007<br />

1. Worl Vision Kinderstudie von Prof. Dr. K.<br />

Hurrelman, Prof. Dr. S. Andresen. TNS<br />

Infratest Sozialfors<strong>ch</strong>ung<br />

Die 1. WORLD VISION Kinderstudie<br />

ers<strong>ch</strong>eint im Fis<strong>ch</strong>er Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong>-Verlag<br />

unter dem Titel «Kinder in Deuts<strong>ch</strong>land<br />

2007» und ist im Bu<strong>ch</strong>handel erhältli<strong>ch</strong><br />

ISBN 978-3-596-17720-2.<br />

Anselm Ernst<br />

«Lehren und Lernen im Instrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

», Ein pädagogis<strong>ch</strong>es Handbu<strong>ch</strong> für<br />

die Praxis S<strong>ch</strong>ott<br />

ISBN 3-7957-8718-1<br />

Abgrenzen lassen si<strong>ch</strong> von diesen «normalen Freizeitlern» zwei andere Gruppen, die si<strong>ch</strong><br />

deutli<strong>ch</strong> in ihren Alltagswelten voneinander unters<strong>ch</strong>eden. Zur Gruppe der «vielseitigen<br />

Kids» (24%) re<strong>ch</strong>net die Studie sol<strong>ch</strong>e Kinder, die si<strong>ch</strong> neben Aktivitäten mit Freunden und<br />

Sport in ihrer Freizeit vor allen Dingen musis<strong>ch</strong>-kulturellen Kreativangeboten widmen.<br />

Vielseitige Kids lesen viel, ma<strong>ch</strong>en selber Musik, basteln oder malen oder sind in den<br />

Berei<strong>ch</strong>en Ballett, Tanzen oder Theater aktiv. Mäd<strong>ch</strong>en stellen in dieser Gruppe die absolute<br />

Mehrheit. Fast s<strong>ch</strong>on entgegengesetzt hierzu ist das Freizeitprofil der «Medienkonsumenten»<br />

(26%). Diese Kinder sind zwar ebenfalls häufig mit Freunden zusammen und<br />

sportli<strong>ch</strong> aktiv, bes<strong>ch</strong>äftigen si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> ansonsten vor allem mit Fernsehen oder Computerspielen.<br />

Kulturelle Aktivitäten und Lesen sind hier ni<strong>ch</strong>t übli<strong>ch</strong>. In dieser Gruppe stellen<br />

Jungen die absolute Mehrheit.<br />

12 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

Gefahr, von den Ents<strong>ch</strong>eidungsträgern ni<strong>ch</strong>t ernst<br />

genommen zu werden. Do<strong>ch</strong> die Heterogenität und die<br />

Vielfalt der Inhalte des Fa<strong>ch</strong>s ist gross. Was soll man<br />

messen, was ist messbar und au<strong>ch</strong> wesentli<strong>ch</strong> für die<br />

Musikbildung? Es wird auf der Volkss<strong>ch</strong>ulebene ni<strong>ch</strong>t<br />

ganz einfa<strong>ch</strong> sein, die für HarmoS nötigen verbindli<strong>ch</strong>en<br />

Normen und Kompetenzniveaus festzulegen. Diese<br />

Normen legen fest, na<strong>ch</strong> wie viel Unterri<strong>ch</strong>t und zu<br />

wel<strong>ch</strong>em Zeitpunkt S<strong>ch</strong>ülerInnen eines Altersjahrgangs<br />

ganz bestimmte Fähigkeiten aufweisen bzw. Leistungsoder<br />

Ziele errei<strong>ch</strong>en müssen. Do<strong>ch</strong> bis gemessen werden<br />

kann, müssen au<strong>ch</strong> weitere Voraussetzungen erfüllt sein:<br />

In der Bildung wird von dreierlei Standards ausgegangen:<br />

1. «Opportunity-to-learn-Standards»<br />

«Opportunity-to-learn-Standards» beziehen si<strong>ch</strong> auf die<br />

Voraussetzungen und die Prozesse des s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en<br />

Lernens. Zum Beispiel auf die Gestaltung von Unterri<strong>ch</strong>t:<br />

Gruppen- oder Einzelunterri<strong>ch</strong>t, die Unterri<strong>ch</strong>tsdauer<br />

und auf die Ausbildung der Lehrpersonen. Opportunityto-learn-Standards<br />

sind in der Musikbildung besonders<br />

sensibel. Während jede S<strong>ch</strong>ulkü<strong>ch</strong>e über eine ganz<br />

bestimmte Ausrüstung und einen Dampfabzug verfügt,<br />

sind das Instrumentarium und die S<strong>ch</strong>alldämpfung in den<br />

Musikzimmern immer no<strong>ch</strong> sehr zufällig. Bei der Ausbildung<br />

der Lehrpersonen für die Volkss<strong>ch</strong>ule besteht die<br />

Befür<strong>ch</strong>tung, dass mittelfristig au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> mit einem Lehrermangel<br />

an Musiklehrern gere<strong>ch</strong>net werden muss, da<br />

si<strong>ch</strong> an den Pädagogis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>end<br />

Studenten für Musik ausbilden lassen. Anders bei<br />

den Musiks<strong>ch</strong>ulen, hier sind es vor allem die Unterri<strong>ch</strong>tszeiten,<br />

die immer kürzer werden. Für den Musikunterri<strong>ch</strong>t<br />

wäre es si<strong>ch</strong>er sinnvoll, Standards wenigstens<br />

einmal so zu fassen, dass verbindli<strong>ch</strong>er definiert ist, wie<br />

die «Opportunity-to-learn-Standards» aussehen sollten,<br />

damit die S<strong>ch</strong>ülerInnen überhaupt ein passables Ausmass<br />

an Förderung erfahren können.<br />

2. «Content Standards»<br />

2. «Content Standards» oder inhaltli<strong>ch</strong>e Standards<br />

bes<strong>ch</strong>reiben, was Lehrpersonen unterri<strong>ch</strong>ten und S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>üler lernen müssen. Sie bes<strong>ch</strong>reiben eindeutig<br />

und klar die aufzubauenden Kompetenzen und das<br />

zu errei<strong>ch</strong>ende Wissen. (EDK Erziehungsdirektorenkonferenz<br />

in der Bros<strong>ch</strong>üre HARMOS-Weissbu<strong>ch</strong>, 2004).<br />

Dafür muss geklärt sein, was überhaupt unterri<strong>ch</strong>tet<br />

wird: Als Beispiel: Anselm Ernst unters<strong>ch</strong>eidet in seinem<br />

Bu<strong>ch</strong> «Lehren und Lernen im Instrumentalunterri<strong>ch</strong>t» 12<br />

Lernfelder (siehe Tabelle unten), die im Instrumental--<br />

unterri<strong>ch</strong>t vorkommen sollten. Die 6 Lernfelder im<br />

Komplex I betreffen die aktiven Formen der Musikausübung.<br />

Die se<strong>ch</strong>s Lernfelder unter dem Komplex II stellen<br />

die Voraussetzungen für das instrumentale und vokale<br />

Musizieren dar, indem sie die notwendigen Hilfsmittel<br />

bereitstellen. Die einzelnen Lernfelder sind ihrerseits<br />

wieder in Teilberei<strong>ch</strong>e unterteilt, die von Instrument zu<br />

Instrument in der Wi<strong>ch</strong>tigkeit und Ausprägung variieren.<br />

Zwei weitere Lernfelder rahmen die übrigen 12 ein, da<br />

sie überall vorkommen und eine ganz zentrale Bedeutung<br />

haben: Sie betreffen in hohem Masse den Unterri<strong>ch</strong>t und<br />

die Kompetenzen der Lehrpersonen: Es sind dies das persönli<strong>ch</strong><br />

Gesprä<strong>ch</strong> oder der Dialog (mit allen Sinnen) im<br />

Unterri<strong>ch</strong>t und die Übe-Methoden und Lernspiele. Sie<br />

bilden den eigentli<strong>ch</strong>en Kern des Lernens.<br />

Komplex I<br />

Zusammenspiel<br />

Interpretation<br />

Improvisation<br />

Komposition<br />

Blattspiel<br />

Auswendigspiel<br />

Komplex II<br />

Spielte<strong>ch</strong>nik<br />

Körpers<strong>ch</strong>ulung<br />

Musiktheorie<br />

Werkanalyse<br />

Hörerziehung<br />

Musikges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

Die Inhaltli<strong>ch</strong>en Vorgaben und die äusseren Bedingungen<br />

(Opportunity-to-learn-Standards) sind die Basis, auf der<br />

dann die Leistungsstandards «Performance Standards»<br />

erst aufbauen. Das Festlegen von «Content Standards» für<br />

den Musikunterri<strong>ch</strong>t würde si<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> helfen, den<br />

Dialog und die Zusammenarbeit zwis<strong>ch</strong>en den Musiks<strong>ch</strong>ulen<br />

und den öffentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulen zu versa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en,<br />

indem ein Konsens erarbeitet wird, was die Volkss<strong>ch</strong>ule<br />

in der Musikbildung abdecken muss.<br />

3. Performance Standards<br />

Performance Standards beziehen si<strong>ch</strong> dann auf den<br />

«Output des Lernens» und damit auf die Leistungen der<br />

S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler. Diese Leistungen werden<br />

mittels eines wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Testverfahrens erfasst.<br />

Dabei muss ein Minimalniveau festgelegt werden, das alle<br />

errei<strong>ch</strong>en sollten. Es kann aber zusätzli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ein Regelstandard<br />

festgehalten werden, den die Hälfte der Kinder<br />

oder Jugendli<strong>ch</strong>en errei<strong>ch</strong>en sollte, und ni<strong>ch</strong>t zuletzt<br />

kann au<strong>ch</strong> ein Maximalstandard festgelegt werden, der<br />

bes<strong>ch</strong>reibt, was die besten S<strong>ch</strong>ülerInnen errei<strong>ch</strong>en<br />

sollen. Diese Kompetenzen werden exemplaris<strong>ch</strong> überprüft,<br />

dabei müssen ni<strong>ch</strong>t alle S<strong>ch</strong>üler alles ma<strong>ch</strong>en, denn<br />

diese Testverfahren sind ni<strong>ch</strong>t dazu da, den einzelnen<br />

S<strong>ch</strong>üler oder die einzelne S<strong>ch</strong>ülerin zu beurteilen,<br />

sondern sie sollen den allgemeinen Zustand der Bildung<br />

aufzeigen. Sie sollen damit den Pädagogen helfen, ihren<br />

Unterri<strong>ch</strong>t weiterzuentwickeln, eine realistis<strong>ch</strong>e Vorstellung<br />

von der eigenen Wirksamkeit aufzubauen, und<br />

an der Weiterentwicklung der eigenen Professionalität<br />

und der eigenen S<strong>ch</strong>ule (mit)zu arbeiten.<br />

Im Grunde lässt si<strong>ch</strong> die Funktion von Bildungsstandards<br />

mit einem Satz bes<strong>ch</strong>reiben: Die Ziele und Anforderungen<br />

der S<strong>ch</strong>ule sollten für alle Beteiligten transparent<br />

werden. Bildungsstandards könnten dazu führen, dass<br />

bestimmte Erwartungen an das Kompetenzniveau als<br />

selbstverständli<strong>ch</strong> gelten, für deren Einlösung S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>üler, Eltern und die S<strong>ch</strong>ule und ihre<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

13


Kopfhörer<br />

Erfors<strong>ch</strong>ung der Kreativität<br />

Die Neurologie hat versu<strong>ch</strong>t, diese Vorgänge im<br />

Zusammenhang mit Musik anhand der Vorgänge<br />

beim Improvisieren besser zu verstehen. Häufig<br />

wird Kreativität mit einem starken Austaus<strong>ch</strong><br />

neuronaler Informationen in weit verzweigten<br />

neuronalen Netzwerken in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t.<br />

Die Kohärenz ist ein Mass des Informationsaustaus<strong>ch</strong>s<br />

zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iedenen Hirnregionen.<br />

Beim Komponieren entsteht ein deutli<strong>ch</strong> stärkerer<br />

Informationsaustaus<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iednen<br />

Hirnregionen als beim Hören einer Komposition<br />

von Mozart. Derartige Veränderungen werden aber<br />

au<strong>ch</strong> bei vielen anderen anspru<strong>ch</strong>svollen Denkvorgängen<br />

festgestellt. So konnte gezeigt werden,<br />

dass zwanzig Minuten andauerndes Klaviertraining<br />

eine ganz ähnli<strong>ch</strong>e Zunahme der Kohärenz bewirken.<br />

Die geistige Kohärenz kann als notwendig,<br />

aber ni<strong>ch</strong>t hinrei<strong>ch</strong>ende Bedingung des kreativen<br />

Vorgangs aufgefasst werden. Weitere Ergebnisse<br />

deuten darauf hin, dass Kreativität ni<strong>ch</strong>t nur einer<br />

Hirnhemisphäre zugespro<strong>ch</strong>en werden kann,<br />

sondern auf der Kooperation beider Hemisphären<br />

beruht. Denkbar wäre, dass die re<strong>ch</strong>te Hirnhälfte<br />

den ganzheitli<strong>ch</strong>en Verarbeitungsmodus, die<br />

Vogelperspektive, repräsentiert, während die linke<br />

Hemisphäre die einzelnen Elemente der Wissensbasis<br />

neu anordnet. Ein weiterer Faktor für die<br />

Kreativität wurde an der Universität Bo<strong>ch</strong>um<br />

erfors<strong>ch</strong>t. Gesunde Probanden wurden dur<strong>ch</strong><br />

psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Tests als «stärker kontrolliert» und<br />

«weniger kontrolliert» klassifiziert. Dann wurde<br />

den Probanden die Aufgabe gestellt, ein ausserirdis<strong>ch</strong>es<br />

Tier zu zei<strong>ch</strong>nen. Die stärker kontrollierten<br />

Probanden hielten si<strong>ch</strong> dabei eher an<br />

traditionelle Vorstellungen und übernahmen<br />

Konzepte wie Gliedmassen und Kopf, und Augen<br />

etc. Die weniger kontrollierten Probanden<br />

tendierten zu viel kreativeren Lösungen und lösten<br />

si<strong>ch</strong> von überkommenen Vorstellungen. Die<br />

notwendigen Voraussetzungen für eine kreative<br />

Improvisation konnten also ums<strong>ch</strong>rieben werden,<br />

ni<strong>ch</strong>t aber der eigentli<strong>ch</strong>e Prozess. Prof Dr.<br />

Eckehart Altenmüller in «rohrblatt» Heft 4 (2007)<br />

Lehrer gemeinsam die Verantwortung übernehmen. Die Standards<br />

sollten eben au<strong>ch</strong> so gefasst sein, dass Eltern und S<strong>ch</strong>üler<br />

sie na<strong>ch</strong>vollziehen können, denn Eltern wie S<strong>ch</strong>üler sollten am<br />

Prozess mitbeteiligt werden. Standards können damit einen<br />

Bezugspunkt bilden für Gesprä<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en Eltern, S<strong>ch</strong>ülern und<br />

Lehrern. Unter Berufung auf klare und verbindli<strong>ch</strong>e Erwartungen<br />

wird es mögli<strong>ch</strong>, den individuellen Lernweg besser zu planen,<br />

Lernhindernisse zu erkennen und bestmögli<strong>ch</strong>e Fördermögli<strong>ch</strong>keiten<br />

abzuspre<strong>ch</strong>en. Standards gehen von den zentralen Ideen<br />

aus, die ein Fa<strong>ch</strong> ausma<strong>ch</strong>t, und stellen dar, in wel<strong>ch</strong>en Lernfeldern<br />

und Niveaustufen si<strong>ch</strong> die Kompetenzen der S<strong>ch</strong>üler entfalten.<br />

Aufgabenbeispiele, mit denen die Kompetenzstufen in den<br />

Standards illustriert werden, geben – wenn sie intelligent und<br />

anspru<strong>ch</strong>svoll gestaltet sind – Anregungen au<strong>ch</strong> für Unterri<strong>ch</strong>tsaufgaben<br />

und für die Unterri<strong>ch</strong>tsplanung. Indem Bildungsstandards<br />

das Lernen über mehrere Jahrgänge und Niveaustufen<br />

hinweg darstellen, verändern sie den Blick auf den Unterri<strong>ch</strong>t von<br />

einer reinen fa<strong>ch</strong>systematis<strong>ch</strong>en Perspektive hin zu einer stärker<br />

«s<strong>ch</strong>ülerorientierten», Perspektive. Bildungsstandards arbeiten<br />

in klarer und konzentrierter Form heraus, worauf es ankommt.<br />

Bewertungssysteme haben jedo<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> beweisbare negative<br />

Auswirkungen: So hat si<strong>ch</strong> beispielsweise «in den USA, dem Staat<br />

mit der grössten Di<strong>ch</strong>te an gross angelegten Leistungsmessungen<br />

inzwis<strong>ch</strong>en die Einsi<strong>ch</strong>t verbreitet, dass zu häufiges Testen und<br />

zu oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Messen negative Folgen für die Qualität des<br />

Unterri<strong>ch</strong>ts haben können. Au<strong>ch</strong> Grossbritannien hat man<br />

erkannt, dass ein öffentli<strong>ch</strong>es Ranking von S<strong>ch</strong>ulen auf der Basis<br />

von Testmittelwerten unfair und häufig kontraproduktiv ist.»<br />

(Klieme, S. 84). Im s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Alltag werden oft kleinere Prüfungen,<br />

die aus mehreren kurzen Fragen bestehen, als «Test»<br />

bezei<strong>ch</strong>net. Diese Tests sind ebenso wenig Tests in wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>em<br />

Sinne wie alle anderen übli<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Leistungserhebungen,<br />

seien das nun Stufentests oder Wettbewerbe<br />

an denen Instrumentals<strong>ch</strong>üler teilnehmen können. Dort, wo die<br />

Lehrpersonen zu stark auf Tests und Leistungsausweise fokussieret<br />

sind, was als «tea<strong>ch</strong>ing to the test» bezei<strong>ch</strong>net wird ,<br />

kommt es s<strong>ch</strong>nell zu inhaltli<strong>ch</strong>en und didaktis<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>ränkungen<br />

im Unterri<strong>ch</strong>t. Qualitätsentwicklung ist si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t<br />

glei<strong>ch</strong>bedeutend mit: «S<strong>ch</strong>rumpfung des Unterri<strong>ch</strong>ts zur Produktion<br />

von Leistungen na<strong>ch</strong> Massgabe der Leistungsbeurteilungsinstrumente»<br />

(Armin Kremer). Unterri<strong>ch</strong>t beinhaltet au<strong>ch</strong><br />

mehr als das, was in einem Konzert, einem Wettbewerb oder in<br />

einem Stufentest gezeigt wird.<br />

Es fehlen au<strong>ch</strong> geeignete Verfahren, um komplexe Kompetenzen<br />

wie Kreativität, Motivation oder bestimmte Einstellungen<br />

überhaupt zu beurteilen. (siehe Käst<strong>ch</strong>en 2 «Erfors<strong>ch</strong>ung der<br />

Kreativität»). Wenn wir jedo<strong>ch</strong> im Konzert sitzen, fällt uns das<br />

Beurteilen lei<strong>ch</strong>t. Wir wissen sofort, was uns überzeugt hat und<br />

was ni<strong>ch</strong>t, und unsere Kriterien decken si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t selten mit<br />

denen unserer Na<strong>ch</strong>barn. Sobald wir den Weg oder den Prozess,<br />

der zu diesem Können führt, bes<strong>ch</strong>reiben oder au<strong>ch</strong> begehen<br />

müssen, wird es s<strong>ch</strong>wieriger. Dies ist die Herausforderung der<br />

Pädagogen. Au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Leistungen nur s<strong>ch</strong>wer messen<br />

lassen, ist es wi<strong>ch</strong>tig, in Zukunft die nötigen Ressourcen zu erhalten,<br />

um an Musiks<strong>ch</strong>ulen, Konservatorien und an der Volkss<strong>ch</strong>ule<br />

diesen Prozess au<strong>ch</strong> in der Musik anzuregen.<br />

14 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

Stufentest<br />

Stufentest<br />

von Sibylle S<strong>ch</strong>uppli<br />

Auf Anregung des VZM (Verband Zür<strong>ch</strong>er Musiks<strong>ch</strong>ulen)<br />

erarbeitet eine Arbeitsgruppe mit VertreterInnen<br />

vers<strong>ch</strong>iedener Musiks<strong>ch</strong>ulen, des SMPV und<br />

des Departements Musik der ZHdK ein Konzept für<br />

Stufentests für den Kanton Züri<strong>ch</strong>, die von den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Musiks<strong>ch</strong>ulen in derselben Form dur<strong>ch</strong>geführt<br />

werden können.<br />

Die Tests dienen zu Standortbestimmungen für S<strong>ch</strong>ülerInnen<br />

und Lehrpersonen. Die S<strong>ch</strong>ülerInnen nehmen<br />

freiwillig daran teil. Sie sollen in sieben vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en, musikalis<strong>ch</strong>en, rhythmis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>wierigkeitsgraden<br />

dur<strong>ch</strong>geführt werden. Die ersten drei Stufen<br />

werden von den Musiks<strong>ch</strong>ulen vor Ort organisiert. Die<br />

Stufen 4 bis 6 finden regional statt; die 7. Stufe wird von<br />

der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule organisiert und dur<strong>ch</strong>geführt. Der Test<br />

umfasst einen theoretis<strong>ch</strong>en Teil (Musikkunde) und das<br />

Vorspiel/Vorsingen von zwei Stücken: einem Pfli<strong>ch</strong>t- und<br />

einem Wahlstück. Das Wahlstück kann ab der ersten<br />

Stufe au<strong>ch</strong> improvisiert sein. Ab der dritten Stufe wird<br />

zusätzli<strong>ch</strong> des Spielen oder Singen eines Blattspielstückes<br />

verlangt.<br />

Ab der 3. Stufe steht eine Begleitung zur Verfügung,<br />

und es ist mögli<strong>ch</strong>, einen Korrepetitor oder eine Korrepetitorin<br />

für die Begleitung einer Probe zu engagieren.<br />

Die S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler können si<strong>ch</strong> aber au<strong>ch</strong> ab<br />

Tonband oder Computer begleiten lassen. (Siehe dazu das<br />

Käst<strong>ch</strong>en mit dem Beitrag von Heinri<strong>ch</strong> Baumgartner,<br />

Leiter Musikpädagogik der ZHdK, S. 16.)<br />

Stufentests in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

und international<br />

Der folgende Überblick über Stufentests ist si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t<br />

vollständig. Denno<strong>ch</strong> zeigt si<strong>ch</strong>, wie unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />

Aufbau, Inhalte und au<strong>ch</strong> die dahinter liegenden Qualitätsvorstellungen<br />

sind. Die Unters<strong>ch</strong>iede sind erhebli<strong>ch</strong>.<br />

Es gibt Stufentests für alle Altersgruppen, und beim smpv<br />

bere<strong>ch</strong>tigten die höheren Tests sogar zum Studieneintritt,<br />

oder in einigen Teilen der S<strong>ch</strong>weiz gelten sie als Weiterbildung<br />

für ni<strong>ch</strong>t diplomierte Berufsleute, die denno<strong>ch</strong><br />

eine Stelle an einer Musiks<strong>ch</strong>ule haben. Gemeinsam ist<br />

allen Stufentests einzig, dass die KandidatInnen ein Wahlund<br />

ein Pfli<strong>ch</strong>tstück vor spielen und dass eine kleine Fa<strong>ch</strong>jury<br />

dazu Stellung nimmt. Bei den vers<strong>ch</strong>iedenen Stufentests<br />

stehen jedo<strong>ch</strong> sehr unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Aspekte im<br />

Zentrum: Einige legen Wert auf die Individualität, die<br />

Performance, die Kreation oder au<strong>ch</strong> die Idee und den<br />

Witz hinter dem Musizieren, bei anderen ist es das te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e<br />

Können, und wieder andere beurteilen das Zusammenspiel<br />

und die musikalis<strong>ch</strong>e Reife der KandidatInnen.<br />

Je na<strong>ch</strong>dem werden die Lehrpersonen au<strong>ch</strong> die Vorbereitungen<br />

anders anlegen. Es wäre interessant, eine breitere<br />

Diskussion über diese Ziele zu führen. Dahinter liegt<br />

die bere<strong>ch</strong>tigte Frage: Was für Laienmusiker brau<strong>ch</strong>en<br />

wir eigentli<strong>ch</strong>, und wie können wir sie optimal fördern<br />

und fordern?<br />

Die Blasmusiken kennen, seit es sie gibt, das System<br />

der Übertrittprüfungen. Diese Prüfungen haben zum Teil<br />

ähnli<strong>ch</strong>e Element wie die Stufentests, aber sie haben eine<br />

andere Verwendung. Diese Vorspiele sollen vor allem<br />

gewährleisten, dass die S<strong>ch</strong>üler in der nä<strong>ch</strong>sten Kategorie<br />

von Or<strong>ch</strong>ester mithalten können. Kenntnisse der Tonarten,<br />

das Können am Instrument und das Rhythmusverständnis<br />

stehen im Vordergrund. Die verlangten<br />

Pfli<strong>ch</strong>tstücke, die extra für diese Prüfungen ges<strong>ch</strong>rieben<br />

wurden, sind musikalis<strong>ch</strong> häufig fragwürdig. Die Stücke<br />

der Stufentests haben den Vorteil, dass die Pfli<strong>ch</strong>t- und<br />

Selbstwahlstücke aus dem grossen Fundus bestehender<br />

Kompositionen gewählt werden. Die Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

sollen an den Stufentests zeigen, wie sie Musik<br />

ma<strong>ch</strong>en und wie sie Musik verstehen. An vielen Orten<br />

werden darüber hinaus no<strong>ch</strong> weitere Teilgebiete des<br />

Unterri<strong>ch</strong>ts geprüft: Gehörbildung, Stilkunde, Musikges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />

Blattspiel und Improvisation, aber au<strong>ch</strong> das<br />

Ensemblespiel und die Performance vor Publikum. Was<br />

die Fa<strong>ch</strong>jury, wel<strong>ch</strong>e diese Tests beurteilt, von ihrer Si<strong>ch</strong>t<br />

her ins Zentrum stellt, ist wiederum ein breites Feld. Sie<br />

sollen den Kandidaten und Kandidatinnen ein Feedback<br />

abgeben. Die S<strong>ch</strong>üler und S<strong>ch</strong>ülerinnen sollen das Vorspielzimmer<br />

mit einem positiven Gefühl und wenn<br />

immer mögli<strong>ch</strong> voller Tatendrang verlassen. Ihre Motivation<br />

sollte mit dem Stufentest gestärkt werden, was<br />

au<strong>ch</strong> heisst, dass die S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler Aspekte<br />

erfahren, die sie verändern können. Wir alle wissen, wie<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

15


Kopfhörer<br />

Heinri<strong>ch</strong> Baumgartner, Leiter Musikpädagogik der ZHdK<br />

beantwortet Fragen zum Thema Stufentest<br />

Sind die Stufen über die Instrumente hinweg verglei<strong>ch</strong>bar?<br />

Das ist – je na<strong>ch</strong> methodis<strong>ch</strong>-didaktis<strong>ch</strong>er Ausri<strong>ch</strong>tung – Ansi<strong>ch</strong>tssa<strong>ch</strong>e. Das Ziel der<br />

Arbeitsgruppe ist es ni<strong>ch</strong>t, die Tafeln Jehowas zu erfinden, sondern spannende Literaturempfehlungen<br />

für unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wierigkeitsgrade zu sammeln und den Lehrpersonen<br />

der betreffenden Musiks<strong>ch</strong>ulen zugängli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en. Es ist so geda<strong>ch</strong>t, dass die<br />

ersten drei Stufen an den einzelnen S<strong>ch</strong>ulen, ab Stufe 4 die Tests überregional organisiert<br />

werden. Die AG sammelt aus vers<strong>ch</strong>iedenen Stufentestmodellen Vors<strong>ch</strong>läge und ergänzt<br />

diese in einigen Fällen u. a. dur<strong>ch</strong> Anregungen der ZHdK-Dozierenden. Die Feinauswahl der<br />

Pfli<strong>ch</strong>tstücke ist, wenigstens bei den ersten drei Stufen, ni<strong>ch</strong>t mehr Aufgabe der AG.<br />

Die letzte Stufe 7 wird von der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule organisiert und dur<strong>ch</strong>geführt.<br />

Sind die Stufentests so angelegt, dass mit dem Errei<strong>ch</strong>en der letzen Stufe ein Ans<strong>ch</strong>luss<br />

an die Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule erlei<strong>ch</strong>tert werden soll?<br />

Um einen Ans<strong>ch</strong>luss kann es si<strong>ch</strong> dabei ni<strong>ch</strong>t handeln, da bei der Eignungsprüfung an die<br />

Musikho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen ni<strong>ch</strong>t nur ein instrumentaler Stand beurteilt wird, sondern au<strong>ch</strong> eine<br />

Eignung fürs Studium, die oft au<strong>ch</strong> eine sinnvolle Zusammenarbeit mit einem/einer<br />

bestimmten Dozierendenperson eins<strong>ch</strong>liesst. Die Literaturempfehlungen für die 7. Stufe<br />

werden zum Teil von den Dozierenden der ZHdK formuliert, und in diesem Sinne sollen sie<br />

ungefähr dem S<strong>ch</strong>wierigkeitsgrad einer Eignungsprüfung entspre<strong>ch</strong>en. Ni<strong>ch</strong>t mehr und<br />

ni<strong>ch</strong>t weniger.<br />

Sollen die Stufentests eine gezielte Begabtenförderung im Kanton ermögli<strong>ch</strong>en?<br />

Das kann i<strong>ch</strong> mir ni<strong>ch</strong>t vorstellen. Im besten Fall können sie auf besondere Talente aufmerksam<br />

ma<strong>ch</strong>en. Eine eigentli<strong>ch</strong>e Förderung können sie kaum bieten.<br />

Die Tests dienten bisher zur persönli<strong>ch</strong>en Standortbestimmung für S<strong>ch</strong>ülerInnen und<br />

Lehrpersonen. Viele Musiks<strong>ch</strong>ulen haben jedo<strong>ch</strong> zunehmend mit einer Verknappung von<br />

Ressourcen zu kämpfen. An einigen Musiks<strong>ch</strong>ulen gibt es überhaupt nur no<strong>ch</strong> 30 Minuten<br />

Lektionen, an anderen wird es von Jahr zu Jahr s<strong>ch</strong>wieriger, eine 40-Minuten-Lektion zu<br />

bekommen. Damit sind au<strong>ch</strong> die Voraussetzungen und Chancen zum Errei<strong>ch</strong>en der Lernziele<br />

im Unterri<strong>ch</strong>t auf den vers<strong>ch</strong>iedenen Ebenen (Theorie, Stilkunde, Instrument, Improvisation<br />

etc.) wie sie in den Stufentests geprüft werden, ni<strong>ch</strong>t für alle Kinder glei<strong>ch</strong> gut.<br />

Sind die Stufentests au<strong>ch</strong> dazu geeignet, den S<strong>ch</strong>ulleitungen als Grundlage beim Verteilen<br />

der verknappten Unterri<strong>ch</strong>tszeiten zu dienen?<br />

Dass der Spardruck die wunderli<strong>ch</strong>sten Blüten treibt, wissen wir. I<strong>ch</strong> kann mir ni<strong>ch</strong>t vorstellen,<br />

dass ein einziges Mitglied der AG au<strong>ch</strong> nur einen klitzekleinen Teil der Motivation<br />

für diese Arbeit aus finanziellen Antrieben bezieht. Man kann zu jedem Thema auf der<br />

ganzen Welt den Bogen zu völlig absurden Sparmassnahmen s<strong>ch</strong>lagen. Beim Thema<br />

Stufentest finde i<strong>ch</strong> es – gelinde gesagt – alles andere als nahliegend. Thematisiert wurde<br />

in der Arbeitsgruppe die Ausdehnung der Tests auf «ausserinstrumentale» Themen. Beim<br />

momentan vorliegenden Entwurf steht das instrumentale Spiel (mit Betonung auf Spiel) im<br />

Zentrum. Musikkundli<strong>ch</strong>e Aspekte werden soweit wie mögli<strong>ch</strong> im Zusammenhang mit<br />

diesem Spiel thematisiert.<br />

16 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

anspru<strong>ch</strong>svoll diese Aufgabe ist. Na<strong>ch</strong> einer intensiven<br />

Vorbereitung und einem grossen persönli<strong>ch</strong>en Engagement<br />

sind wir gegenüber fremden Beurteilungen besonders<br />

hellhörig und mitunter verletzli<strong>ch</strong>.<br />

Für Jugendli<strong>ch</strong>e und Kinder, die bereits einiges an<br />

Konzerterfahrung gesammelt haben und/oder vor allem<br />

in Gruppen aufgetreten sind, kann das solistis<strong>ch</strong>e Spielen<br />

vor einer Fa<strong>ch</strong>jury denno<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weissaubrü<strong>ch</strong>e verursa<strong>ch</strong>en.<br />

Es spielt eben au<strong>ch</strong> hier eine Rolle, wie wir musikalis<strong>ch</strong><br />

sozialisiert wurden. Spielten wir vor allem in einer<br />

Gruppe oder haben wir solistis<strong>ch</strong>e Erfahrungen? Die<br />

meisten Anlagen von Stufentests gehen unbesehen davon<br />

von solistis<strong>ch</strong>en Beiträgen aus. Für die Jury ist es so lei<strong>ch</strong>ter,<br />

den Spieler oder die Spielerin zu erfassen.<br />

Viele Musikanten haben zwar ausrei<strong>ch</strong>end solistis<strong>ch</strong>e<br />

Publikumserfahrung, aber eine Jury aus Fa<strong>ch</strong>personen ist<br />

kein normales Publikum. Das Wort «Test» erinnert au<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> an die S<strong>ch</strong>ule, und das rie<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Fehlersu<strong>ch</strong>e. Nur<br />

an wenigen Orten werden die Stufentests als Konzerte<br />

mit Publikum angeboten. Das Konzert ist und bleibt der<br />

beste Rahmen für die Musik. Hier können Performance,<br />

Witz und die Fantasie einer Präsentation zum Thema<br />

werden.<br />

Das Mogeln oder «Bs<strong>ch</strong>isse» hat in der Musik, im<br />

Theater, beim Tanzen oder Reden eine besondere Bedeutung.<br />

Diese Geistesgegenwart, au<strong>ch</strong> in einer kniffligen<br />

Situation den Rank zu erwis<strong>ch</strong>en und im Fluss zu bleiben,<br />

s<strong>ch</strong>afft Gelassenheit, fördert den Überblick und die Souveränität.<br />

Musik ma<strong>ch</strong>en, selbst das Üben, verlangen<br />

na<strong>ch</strong> einem kreativen Umgang mit den eigenen Fehlern,<br />

denn jeder Fehler ist au<strong>ch</strong> eine Erfindung. Es erstaunt<br />

daher, weshalb die Improvisation ni<strong>ch</strong>t mehr praktiziert<br />

und verlangt wird. In den meisten Stufentests ist sie zwar<br />

als Mögli<strong>ch</strong>keit vorgesehen, aber keineswegs als Pfli<strong>ch</strong>t.<br />

Viele Jugendli<strong>ch</strong>e wollen keine Stufentests ma<strong>ch</strong>en. Fast<br />

alle Kinder stellen s<strong>ch</strong>on bald die Frage: Warum Stufentest?<br />

Wofür soll der gut sein? Wenn i<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> Musik<br />

ma<strong>ch</strong>e, an Konzerten spiele, übe und in die Stunde<br />

komme, brau<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> keinen Test. Es ist dies au<strong>ch</strong><br />

die Erfahrung der Jurys. Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>e wissen<br />

und spüren, wo sie stehen. In den allermeisten Fällen<br />

sind sie si<strong>ch</strong> und ihrer Leistung gegenüber au<strong>ch</strong> ausrei<strong>ch</strong>end<br />

kritis<strong>ch</strong>, bisweilen sogar sehr kritis<strong>ch</strong> eingestellt.<br />

Sie wissen, ob sie das Stück gut gespielt haben oder eben<br />

ni<strong>ch</strong>t. Sie wissen aber ni<strong>ch</strong>t so genau, was man von<br />

aussen eigentli<strong>ch</strong> hört und sieht. Der Sinn der Stufentest<br />

ist es denn au<strong>ch</strong>, von unbeteiligten, aussenstehenden<br />

Fa<strong>ch</strong>experten zu erfahren, was diese beim Zuhören und<br />

Zusehen erfahren. Man<strong>ch</strong> ein Kind, aber au<strong>ch</strong> die Eltern<br />

staunen, wie klar es wird, dass nur gerade dreimal pro<br />

Wo<strong>ch</strong>e geübt wurde und darum zum Beispiel die Kondition<br />

zu wüns<strong>ch</strong>en übrig lässt, au<strong>ch</strong> wenn die Stufenteststücke<br />

dur<strong>ch</strong>aus gut gespielt wurden.<br />

Die Wi<strong>ch</strong>tigkeit der Stufentests für die Eltern darf ni<strong>ch</strong>t<br />

unters<strong>ch</strong>ätzt werden. Eltern können grundsätzli<strong>ch</strong> nie<br />

genug Informationen über ihre Kinder bekommen. Wie<br />

sie dann mit den Informationen umgehen, ist dann<br />

wieder eine zweite Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Ob die Eltern an den Vorspielen<br />

dabei sein sollen, ist von Fall zu Fall zu ents<strong>ch</strong>eiden.<br />

Es ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er einen Unters<strong>ch</strong>ied, ob die Fa<strong>ch</strong>jury<br />

au<strong>ch</strong> für die Ohren der Eltern spri<strong>ch</strong>t oder ni<strong>ch</strong>t. Die<br />

Kinder verhalten si<strong>ch</strong> bei der Anwesenheit der Eltern<br />

anders als wenn diese ni<strong>ch</strong>t da sind. Darum muss der<br />

Wuns<strong>ch</strong> der Kinder unbedingt berücksi<strong>ch</strong>tigt werden.<br />

Meistens melden si<strong>ch</strong> mehrere S<strong>ch</strong>ülerinnen und<br />

S<strong>ch</strong>üler einer Lehrperson an. Damit kann die Fa<strong>ch</strong>jury<br />

au<strong>ch</strong> den Lehrpersonen Rückmeldungen geben. Jede<br />

Klasse hat ihr Gesi<strong>ch</strong>t und ihre eigene, vom Unterri<strong>ch</strong>tstil<br />

der Lehrperson geprägte Ausri<strong>ch</strong>tung. Wenn ein Stufentest<br />

sein Ziel errei<strong>ch</strong>t, erfährt au<strong>ch</strong> die Lehrperson<br />

bereits dur<strong>ch</strong> das Mithören der Kommentare an die S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>üler, wie ihr Unterri<strong>ch</strong>t wirkt.<br />

Wofür sind Stufentests ni<strong>ch</strong>t ausgelegt?<br />

Mit Stufentests sind wir ni<strong>ch</strong>t in der Lage, die Leistungen<br />

zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen Instrumenten zu verglei<strong>ch</strong>en.<br />

Au<strong>ch</strong> ein Verglei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Kindern ist<br />

fragwürdig, denn allein s<strong>ch</strong>on die äusseren Bedingungen:<br />

Unterri<strong>ch</strong>tsbeginn, Lektionsdauer, Gruppen- oder Einzelunterri<strong>ch</strong>t,<br />

sind von Kind zu Kind zu vers<strong>ch</strong>ieden. Es gibt<br />

in der Musik bis heute keinen Standard, der bes<strong>ch</strong>reibt.<br />

wann und unter wel<strong>ch</strong>en Bedingungen ein Kind im Normafall<br />

eine bestimmte Leistung hervorbringt. Das Arrangement<br />

der Stufentests ist ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>end, um Selektion<br />

zu betreiben. Selektion, die zum Beispiel<br />

S<strong>ch</strong>ülerInnen auss<strong>ch</strong>eidet, die Anre<strong>ch</strong>t auf mehr Unterri<strong>ch</strong>tszeit<br />

haben. Eine sol<strong>ch</strong>e Auslegung der Stufentests<br />

würde bedeuten, dass S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler, die<br />

mehr Zeit brau<strong>ch</strong>en, ni<strong>ch</strong>t so s<strong>ch</strong>nell lesen können,<br />

körperli<strong>ch</strong> unges<strong>ch</strong>ickter sind oder keine guten Voraussetzungen<br />

zum Üben zu Hause haben gegenüber ihren<br />

KollegInnen, die aus was für Gründen bessere Voraussetzungen<br />

antreffen, s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter gestellt werden. Viele<br />

Musiks<strong>ch</strong>ulen haben in ihren Zielvorgaben festgehalten,<br />

dass die Musiks<strong>ch</strong>ule allen offen steht. Wenn die Stufentests<br />

als Selektionsinstrument benutzt werden, um zum<br />

Beispiel Sparvorgaben einzuhalten, kann dieses Ziel ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr realisiert werden. Dann steht die Musiks<strong>ch</strong>ule<br />

einigen plötzli<strong>ch</strong> etwas mehr offen als anderen. Au<strong>ch</strong> die<br />

Auswahl in ein Begabtenförderungsprogramm muss auf<br />

anderen Wegen realisiert werden. Die Musiks<strong>ch</strong>ulen<br />

s<strong>ch</strong>mälern ihre Daseinsbere<strong>ch</strong>tigung und ihren Stellenwert,<br />

wenn sie für die Zukunft diese Problemstellung, die<br />

au<strong>ch</strong> die Volkss<strong>ch</strong>ule kennt, ni<strong>ch</strong>t mit kreativeren Innovationen<br />

angehen als mit Tests.<br />

Bisherige Stufentests im Kanton Züri<strong>ch</strong><br />

Die Stadt Züri<strong>ch</strong> kennt die Stufentests seit 1984. In der<br />

Stadt werden se<strong>ch</strong>s Teststufen angeboten. Die Tests<br />

sollten die S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler motivieren und<br />

anspornen, die gesteckten Ziele auf dem Instrument zu<br />

errei<strong>ch</strong>en. Die Fragen zur elementaren Musikkunde<br />

beziehen si<strong>ch</strong> auf die gespielten Stücke. Die ursprüngli<strong>ch</strong>e<br />

Idee war es, dass die Kinder alle zwei Jahre einen<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

17


Kopfhörer<br />

Stufentest ma<strong>ch</strong>en. Wie si<strong>ch</strong> gezeigt hat, ist für viele<br />

jüngere Kinder der Zweijahresrhythmus zu lang. Sie<br />

ma<strong>ch</strong>en jedes Jahr einen Test, um ihre Serie von Pins<br />

mögli<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>nell wa<strong>ch</strong>sen zu lassen. Au<strong>ch</strong> die Eltern<br />

s<strong>ch</strong>ätzen die Stufentests als Bestätigung für die Forts<strong>ch</strong>ritte<br />

ihrer Kinder. Es gibt ihnen ein si<strong>ch</strong>eres Gefühl,<br />

dass alles mit re<strong>ch</strong>ten Dingen zu und her geht. 2007<br />

haben 1148 Kinder an den Stufentests teilgenommen.<br />

1122 haben ihn bestanden und 26 Kinder haben ihn<br />

ni<strong>ch</strong>t bestanden. Do<strong>ch</strong> gut die Hälfte ma<strong>ch</strong>en keine Stufentests.<br />

Au<strong>ch</strong> dies ist gut verständli<strong>ch</strong>, denn es entsteht<br />

dur<strong>ch</strong> diese Tests ni<strong>ch</strong>t mehr Musik. Diese Standortbestimmungen<br />

können jedo<strong>ch</strong> für die Kinder und Lehrpersonen<br />

neben Konzerten und Projekten eine sinnvolle<br />

Herausforderung bieten. Wenn Stufentests zum Selbstzweck<br />

werden und si<strong>ch</strong> das Musikjahr vor allem auf<br />

diesen Moment ausri<strong>ch</strong>tet, dann ist das si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t<br />

besonders sinnvoll. Konzerte und Projekte und ein Unterri<strong>ch</strong>t,<br />

der ni<strong>ch</strong>t nur auf ein na<strong>ch</strong> aussen geri<strong>ch</strong>tetes Ziel<br />

geri<strong>ch</strong>tet ist, dürfen ni<strong>ch</strong>t zu kurz kommen.<br />

Im Hinblick auf die neuen regionalen Stufentests im<br />

Kanton Züri<strong>ch</strong> werden die Musiks<strong>ch</strong>ulen Erlenba<strong>ch</strong>,<br />

Zumikon, Küsna<strong>ch</strong>t und Zollikon ab diesem S<strong>ch</strong>uljahr für<br />

die unteren Stufen 1 bis 3 gemeinsam Stufentests dur<strong>ch</strong>führen.<br />

Es ist geplant, neben dem Vorspiel auf dem Instrument,<br />

in einem weiteren S<strong>ch</strong>ritt au<strong>ch</strong> Gehörbildung,<br />

Werkkunde und Theorie allgemein und eventuell kleine<br />

Aufsätze über Epo<strong>ch</strong>en oder Komponisten im Test mit<br />

einzus<strong>ch</strong>liessen. Es stellt si<strong>ch</strong> die Frage, wie die Lehrpersonen<br />

diesen si<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tigen Stoff in ihrer<br />

bereits knappen Unterri<strong>ch</strong>tszeit so komplett abdecken<br />

werden. Dieser Stoff lässt si<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>t in Klassen oder<br />

Gruppen unterri<strong>ch</strong>ten, und viellei<strong>ch</strong>t müssten hier au<strong>ch</strong><br />

neue Unterri<strong>ch</strong>tsmodelle entwickelt werden. Der Bezug<br />

zu den Inhalten im Instrumentalunterri<strong>ch</strong>t dürfte ni<strong>ch</strong>t<br />

einfa<strong>ch</strong> verloren gehen, andererseits könnten die Kinder<br />

au<strong>ch</strong> nur ab und zu in einen Theorie-Gruppenstunde<br />

zusammen genommen werden. Ab dem S<strong>ch</strong>uljahr<br />

2007/08 hat au<strong>ch</strong> die Jugendmusiks<strong>ch</strong>ule Winterthur<br />

und Umgebung (JMS) den freiwilligen Stufentest einge-<br />

18 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

führt. Zu bereits vier bestehenden Elementarstufen na<strong>ch</strong><br />

den Ri<strong>ch</strong>tlinien des SMPV Zentrals<strong>ch</strong>weiz sollen weitere<br />

vier Stufen entstehen. Damit würden a<strong>ch</strong>t Elementarstufen,<br />

hin zur Stufe I der Stufenprüfungen des SMPV heranführen.<br />

Stufentage in Winterthur<br />

Eine lebendige Variante der Stufentests sind die Stufentage,<br />

wie sie dur<strong>ch</strong> die Musiks<strong>ch</strong>ule und Konservatorium<br />

Winterthur seit 2006 dur<strong>ch</strong>führt werden. Diese Stufentage<br />

bestehen aus einer öffentli<strong>ch</strong>e Veranstaltung, bei der<br />

Animation und Motivation der S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler<br />

im Zentrum stehen. Beim s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Feedback sollen<br />

au<strong>ch</strong> originelle Aspekte und Themata Berücksi<strong>ch</strong>tigung<br />

finden. Es gibt keinen theoretis<strong>ch</strong>en Teil.<br />

Weitere Musiks<strong>ch</strong>ulen der Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz<br />

Im Rahmen ihres Leistungsauftrages und gemäss den Vorgaben<br />

aus ihrem Leitbild führt die Musiks<strong>ch</strong>ule Oberrheintal<br />

im Mai 2007 bereits zum dritten Mal Stufentests<br />

für ihre Instrumentals<strong>ch</strong>ülerinnen und -s<strong>ch</strong>üler dur<strong>ch</strong>.<br />

Voraussetzung für das Bestehen der praktis<strong>ch</strong>en Prüfung<br />

ist ein Na<strong>ch</strong>weis von musiktheoretis<strong>ch</strong>en Kenntnissen.<br />

Die MSO bietet freiwillige Theoriekurse an vier Samstagen<br />

an. Nur wer die Theorieprüfung bestanden hat, darf<br />

zur praktis<strong>ch</strong>en Prüfung antreten! Es hat si<strong>ch</strong> gezeigt,<br />

dass die Kinder die erste Prüfungen frühestens im 5. und<br />

die zweite Prüfung im 7. S<strong>ch</strong>uljahr ablegen sollten. Au<strong>ch</strong><br />

die Musiks<strong>ch</strong>ule Glarus führte 2002 Stufentest ein. An<br />

einigen Musiks<strong>ch</strong>ulen werden von einzelnen Fa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>aften<br />

Stufentests organisiert, so z. B. von den Gitarristen an<br />

der Jugendmusiks<strong>ch</strong>ule Rapperswil-Jona. Sie kennen<br />

Stufentests für ihre S<strong>ch</strong>üler seit 2003.<br />

Stufentest als Fortbildung<br />

für undiplomierte Lehrpersonen<br />

In der Zentrals<strong>ch</strong>weiz sind die Stufentests auf fünf vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Niveaus ausgelegt: Stufe I entspri<strong>ch</strong>t den einfa<strong>ch</strong>en<br />

Grundkenntnissen na<strong>ch</strong> etwa zwei Jahren Musikunterri<strong>ch</strong>t,<br />

Stufe IV entspri<strong>ch</strong>t dem Ausbildungsstand,<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

19


Kopfhörer<br />

Die Wi<strong>ch</strong>tigkeit der Stufentests<br />

für die Eltern darf<br />

ni<strong>ch</strong>t unters<strong>ch</strong>ätzt werden.<br />

Eltern können grundsätzli<strong>ch</strong><br />

nie genug Informationen<br />

über ihre Kinder<br />

bekommen.<br />

der nötig ist, um eine Aufnahmeprüfung an einer Musikho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />

bestehen zu können. Die Stufe V entspri<strong>ch</strong>t<br />

etwa dem Niveau, wel<strong>ch</strong>es Musikstudierende na<strong>ch</strong> zwei<br />

Jahren Studium errei<strong>ch</strong>en sollen. Die Prüfung der Stufe<br />

V mit zusätzli<strong>ch</strong>er Pädagogik-Teilprüfung ist so gründli<strong>ch</strong><br />

und umfangrei<strong>ch</strong>, dass sie als Fortbildung von ni<strong>ch</strong>t diplomierten<br />

Lehrkräften an Musiks<strong>ch</strong>ulen in der Zentrals<strong>ch</strong>weiz<br />

zur Höherstufung bei der Besoldung anerkannt<br />

wird. Diese Tests sind jedo<strong>ch</strong> kein Ersatz für ein Musikstudium.<br />

Der Pädagogikteil der Prüfung darf deshalb nur<br />

von Personen absolviert werden, die bereits das 30.<br />

Lebensjahr errei<strong>ch</strong>t haben. Weitere Informationen<br />

findet man im Bu<strong>ch</strong> «Stufenprüfungen Musik» des SMPV<br />

Zentrals<strong>ch</strong>weiz.<br />

Wests<strong>ch</strong>weiz<br />

In Biel existieren die Stufentests seit 10 Jahren. Sie gliedern<br />

si<strong>ch</strong> in 1. Grundstufe, 2. Mittelstufe I und II, 3.<br />

Oberstufe. Das Errei<strong>ch</strong>en einer Teststufe soll eine<br />

stufengemässe musikalis<strong>ch</strong>e Reife ausdrücken. Als<br />

Abs<strong>ch</strong>luss kann ein «Diplôme Amateur» erworben<br />

werden, bei dem 30 bis 40 Minuten vor allem kammermusikalis<strong>ch</strong><br />

am Stück musiziert wird. Der Kanton Wadt<br />

bietent die «Waadtländis<strong>ch</strong>e Vereinigung der Konservatorien<br />

und die Musiks<strong>ch</strong>ulen» (Association Vaudoise<br />

des Conservatoires et Ecoles de Musique AVCEM)<br />

vers<strong>ch</strong>iedene Abs<strong>ch</strong>lüsse für Amateur-Musikerinnen und<br />

-Musiker an.<br />

Internationale Stufentests<br />

und weitere Feedbackangebote<br />

ABRSM (London) heisst: «Associated Board of the Royal<br />

S<strong>ch</strong>ools of Music». ABRSM ist eine weltweit verbreitete<br />

Examensdur<strong>ch</strong>führung (Stufentests) auf freiwilliger Basis<br />

für Musik. Jedes Jahr nehmen über 600`000 Kandidierende<br />

in 90 Ländern teil. ABRSM hat s<strong>ch</strong>on eine sehr<br />

lange Tradition, und kennt Stufen von I bis VIII. Will man<br />

z. B. in die Stufe VI eintreten, muss auf der Stufe V ein<br />

theoretis<strong>ch</strong>er Teil absolviert werden. Am Test werden<br />

Tonleitern, Akkorde, Gehörbildung und au<strong>ch</strong> das Blattlesen<br />

geprüft. Der ABRSM hat aber no<strong>ch</strong> eine Reihe weiterer<br />

Test oder Feedback-Angebote. Bei diesen gibt es<br />

kein «bestanden» oder «ni<strong>ch</strong>t bestanden» sie dienen<br />

allein dem Fortkommen der Lernenden. Es gibt spezielle<br />

Performance-Tests für Erwa<strong>ch</strong>sene über 21 Jahre, Angebote<br />

für den Jazz, Ensembles, Chor-Examen oder so<br />

genannte «Music Medals» (siehe Käst<strong>ch</strong>en unten:<br />

«Musik Medals»)., wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> speziell an S<strong>ch</strong>ülerInnen,<br />

die im Gruppenunterri<strong>ch</strong>t unterri<strong>ch</strong>tet wurden, ri<strong>ch</strong>ten.<br />

Die Homepage unter www.abrsm.org ist beeindruckend<br />

komplett. Es können alle Titel der Teststücke sowie die<br />

Gehöraufgaben heruntergeladen werden. Bei vielen<br />

Instrumenten sind die Teststücke aller «Grads» au<strong>ch</strong> auf<br />

CD erhältli<strong>ch</strong>. Die nötigen Angaben, um diese Hefte im<br />

Musikges<strong>ch</strong>äft zu bestellen, finden si<strong>ch</strong> ebenfalls auf der<br />

Homepage. Aber au<strong>ch</strong> die Eltern und Lehrpersonen<br />

werden bestens bedient. Es finden si<strong>ch</strong> relativ ausführli<strong>ch</strong>e<br />

Hinweise, wie sie ihre Kinder unterstützen können.<br />

Für die Eltern existiert ein Chatraum, der au<strong>ch</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

benutzt wird. Im Weiteren kann man au<strong>ch</strong> Links zu<br />

Musikspielen anwählen, lei<strong>ch</strong>te Gehörbildungsübungen<br />

ma<strong>ch</strong>en, Musikrätsel lösen, Stil- und Instrumentalkunde<br />

betreiben, allerdings ist die Qualität hier sehr dur<strong>ch</strong>zogen.<br />

«Musik Medals» gibt es nur in England. Sie<br />

wurden in den letzten fünf Jahren entwickelt, und<br />

sie sind die jüngste Erfindung der ABRSM London.<br />

Sie ri<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> an S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler, die<br />

von Anbeginn an im Gruppenunterri<strong>ch</strong>t unterri<strong>ch</strong>tet<br />

wurden. Es gibt fünf Stufen. Jede Stufe besteht aus<br />

drei Teilen: Ensemble, Solo und allgemeine Musikaufgaben.<br />

Bei jedem Test wird nur ein Mitglied<br />

einer Gruppe getestet. Die Lehrpersonen ma<strong>ch</strong>en<br />

diese Prüfungen selber, indem sie ein Video an die<br />

Jury s<strong>ch</strong>icken. Die Kinder bekommen zur Mediale<br />

ein Certificat und einen s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Kommentar.<br />

20 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

Grosse Harmonie<br />

für kleine Leute<br />

Erstes Frühinstrumentalsymposium für Klarinette, Fagott und Oboe<br />

Von Ulrike Warnecke<br />

Im Zuge der vertieften Diskussionen um allgemeine<br />

Frühförderung rückt Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

immer mehr in den Mittelpunkt der Musikpädagogik.<br />

Au<strong>ch</strong> wenn Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t mit Ni<strong>ch</strong>t-<br />

Rohrblattinstrumenten im Alltag der Musikpädagogen<br />

verankert ist, ist für einen sol<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>t mit<br />

Oboe, Klarinette oder Fagott no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die nötige<br />

Offenheit vorhanden. In zahlrei<strong>ch</strong>en Gesprä<strong>ch</strong>en mit<br />

Pädagogen und Instrumentalisten ist immer wieder zu<br />

erfahren, dass der Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t mit<br />

Rohrblattinstrumenten keineswegs eine Selbstverständli<strong>ch</strong>keit<br />

ist, teilweise sogar als ni<strong>ch</strong>t sinnvoll,<br />

ni<strong>ch</strong>t ma<strong>ch</strong>bar oder au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t notwendig era<strong>ch</strong>tet<br />

wird. Die Oboistin Antje LOTZ sowie die Holzblasinstrumentenfirma<br />

Guntram WOLF aus Krona<strong>ch</strong><br />

su<strong>ch</strong>ten na<strong>ch</strong> einem Forum, das aus der Praxis heraus<br />

für den Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t aller Rohrblattinstrumente<br />

glei<strong>ch</strong>ermassen plädiert und argumentiert.<br />

Mit dem Symposium «Grosse Harmonie für kleine<br />

Leute» kam es zu einem sol<strong>ch</strong>en Treffen, das vielfältige<br />

Anregungen zum fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Austaus<strong>ch</strong> bot und so<br />

die Mögli<strong>ch</strong>keit zu einer umfassenden Weiterbildung<br />

s<strong>ch</strong>uf.<br />

Vom 12. bis 14. Oktober 2007 fand in Krona<strong>ch</strong>/Oberfranken<br />

das 1. Symposium «Grosse Harmonie für kleine<br />

Leute» statt. Im Zentrum des Symposiums stand dann der<br />

Einsatz von Rohrblasinstrumenten im frühinstrumentalen<br />

Unterri<strong>ch</strong>t. Als Zielgruppe wandte si<strong>ch</strong> das Symposium<br />

an Lehrer, S<strong>ch</strong>üler und deren Eltern; der Trias, die<br />

im Alltag eng mit den Instrumentalunterri<strong>ch</strong>t für Kinder<br />

verbunden ist. Mit der Teilnahme von hundert Kindern<br />

im Alter von 5–15 Jahren war der Praxisbezug mehr als<br />

deutli<strong>ch</strong> und zeigte unübersehbar die Ausri<strong>ch</strong>tung der<br />

Veranstaltung auf: Ein Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong> aus der<br />

Praxis für die Praxis.<br />

Oboen-Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s<br />

mit Antje Lotz<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

21


Kopfhörer<br />

Die Inhalte<br />

Fa<strong>ch</strong>vorträge und Workshops beleu<strong>ch</strong>teten den Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

ausgiebig von vielen Seiten. Das<br />

Fa<strong>ch</strong>publikum wurde von Beginn an aktiv miteinbezogen,<br />

sodass auf der Basis von massiv gebündelter Kompetenz<br />

ein grösstmögli<strong>ch</strong>er Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong> stattfand.<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong> konnten au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>üler – je na<strong>ch</strong><br />

Alter – den einen oder anderen Vortrag besu<strong>ch</strong>en. Die<br />

einzelnen Themen seien hier kurz vorgestellt:<br />

«Permanent atmen – neugierig sein auf eine Atemte<strong>ch</strong>nik,<br />

die Erlei<strong>ch</strong>terung vers<strong>ch</strong>afft.»<br />

Die stetige Bes<strong>ch</strong>äftigung der im Unterri<strong>ch</strong>ten äusserst<br />

erfahrenen Oboistin Birgit Heller-Meisenburg (Nürnberg)<br />

mit dieser besonderen Atemte<strong>ch</strong>nik zeigte für viele Teilnehmer<br />

grossen Erfolg. Sie hatte den pädagogis<strong>ch</strong>en Kniff<br />

heraus, wie man die meisten No<strong>ch</strong>-ni<strong>ch</strong>t-Permanentatmer<br />

auf den Erfolgskurs bra<strong>ch</strong>te.<br />

«Arundo donax – das Riesengras oder Musik aus Gras»<br />

Der Oboist Jürgen Krebs (Frankfurt a. M.) mit einer Werkstatt<br />

für Oboenrohrbau konnte aus seiner doppelten<br />

Erfahrung s<strong>ch</strong>öpfen und insbesondere für die Oboisten<br />

wertvolle Tipps verteilen. Der eine oder andere Rohrblattbläser<br />

träumt jetzt ni<strong>ch</strong>t mehr nur auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

vom optimalen Blatt, sondern kann zumindest hörbare<br />

Verbesserungen selbst herbeiführen.<br />

«Oboe spielen – wird man davon ni<strong>ch</strong>t verrückt?<br />

Frühinstrumentaler Unterri<strong>ch</strong>t für Oboe ohne Wenn und<br />

Aber» Dur<strong>ch</strong> den frühinstrumentalen Beginn hat Antje<br />

Lotz (Bayreuth) eine grosse Anzahl an Oboens<strong>ch</strong>ülern,<br />

die stetig wä<strong>ch</strong>st. Dur<strong>ch</strong> ihre enge Zusammenarbeit mit<br />

der Holzblasinstrumentenfirma WOLF nimmt sie aktiv<br />

auf die Entwicklung und Verbesserung der Kinderoboen<br />

Einfluss. Sie überzeugte – ohne Wenn und Aber – in<br />

ihrem Vortrag über den sinnvollen und unbedenkli<strong>ch</strong>en<br />

Frühstart mit der Oboe.<br />

22 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

Erste Probe mit<br />

Hans-Martin Gräbner<br />

im Historis<strong>ch</strong>en Rathaus.<br />

«Instrumentenpflege – kleine Reparaturen an der<br />

Oboe»<br />

Die Holzblasinstrumentenbauerin Eva Ries (London) war<br />

diejenige, die allen Oboisten mit ihren fragilen und empfindli<strong>ch</strong>en<br />

Instrumenten Mut zuspra<strong>ch</strong> und so man<strong>ch</strong>e<br />

Verzweiflung im Oboistenalltag zu mindern wusste.<br />

Neben den spezifis<strong>ch</strong>en Ausführungen zur Oboe bot sie<br />

au<strong>ch</strong> einen Erweiterungskurs für Klarinettisten und<br />

Fagottisten an.<br />

«Die Bläserbande – frühinstrumentaler Unterri<strong>ch</strong>t auf<br />

kleinen Holzblasinstrumenten»<br />

Bernhard Gortheil (Emsland) war die Fa<strong>ch</strong>kraft für den<br />

Berei<strong>ch</strong> Klassenmusizieren. Der Klarinettenpädagoge ist<br />

Herausgeber einer S<strong>ch</strong>ule für kleine Holzblasinstrumente<br />

(Querflöte, Oboe, G-Klarinette, Fagottino) mit dem Titel<br />

«Die Bläserbande». Dieses Unterri<strong>ch</strong>tswerk stellte er in<br />

einer praktis<strong>ch</strong>en Vorführung sehr ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> vor. Die<br />

Stücke sind so gema<strong>ch</strong>t, dass Klarinetten, Oboen, Fagotte<br />

jeweils dieselben Griffe haben und damit au<strong>ch</strong> gut im<br />

Ensemble unterri<strong>ch</strong>tet werden können.<br />

«Tigerklarinetten: Open lecture»<br />

Hanstoni Kaufmann (Luzern) führte in einer offenen<br />

Unterri<strong>ch</strong>tsstunde in die Welt seiner fünf- und se<strong>ch</strong>sjährigen<br />

Klarinettens<strong>ch</strong>üler ein, um zu zeigen, wie er mit<br />

ihnen Musik entdeckt. Dabei prägten nonverbale<br />

Führungsmittel und tätiges Imitieren die ersten musikpädagogis<strong>ch</strong>en<br />

Lerns<strong>ch</strong>ritte auf den winzigen G-Klarinetten<br />

im Tigerlook der Firma WOLF.<br />

«Vom Ensemble Kwiets<strong>ch</strong>eton zum Trio d’an<strong>ch</strong>es»<br />

Qualitätsvolles, erlebnisorientiertes und musikverständiges<br />

Musizieren im Ensemble für S<strong>ch</strong>üler aus dem Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

hält Ulrike Warnecke (Erftstadt)<br />

für problemlos ma<strong>ch</strong>bar und unabdingbar. Aus jahrelangen<br />

Erfahrungswerten im Klarinetten-, Ensemble- und<br />

EMP-Unterri<strong>ch</strong>t hob sie in ihrer Disskussionsrunde die<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

23


Kopfhörer<br />

«Bläserbandenunterri<strong>ch</strong>t»<br />

mit Bernhard GORTHEIL.<br />

Di<strong>ch</strong>t gedrängte, aber hö<strong>ch</strong>st<br />

konzentrierte Fagottbläsers<strong>ch</strong>ar.<br />

«Die S<strong>ch</strong>weizer Tiger» mit ihrem<br />

Lehrer Hanstoni KAUFMANN.<br />

24 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Kopfhörer<br />

Bedeutung des ersten Ensemblespiels in Bezug auf die<br />

musikalis<strong>ch</strong>e Entwicklung hin zum kunstvollen Zusammenspiel<br />

in späteren Jahren hervor.<br />

«Gruppenunterri<strong>ch</strong>t – mit und ohne Instrument,<br />

für S<strong>ch</strong>üler und Lehrer »<br />

Ralf Müller (Regensburg), in Fagottkreisen bekannt als<br />

Autor der erste S<strong>ch</strong>ule für das Fagottino, nahm si<strong>ch</strong> des<br />

wi<strong>ch</strong>tigen Themenkomplexes eines «Aufwärmprogramms»<br />

an. Auf der Basis des JUBA-Unterri<strong>ch</strong>tswerkes<br />

von Jürgen ZIMMERMANN bes<strong>ch</strong>äftigte er auf kindgere<strong>ch</strong>te<br />

Weise seine Zuhörer mit Bodypercussion, die<br />

begeistert aufgenommen wurde.<br />

«Quint-/Quartfagott – Probleme mit Rohr und/oder<br />

Instrument?»<br />

Stefan Pantzier (Leipzig) initiiert seit 1999 die Leipziger<br />

Fagottino-Symposien mit und widmet si<strong>ch</strong> seitdem mit<br />

wa<strong>ch</strong>sendem Interesse der frühinstrumentalen Fagottmethodik.<br />

Als Fagottinodoktor stand er während des<br />

Symposiums jederzeit zu Verfügung.<br />

Die S<strong>ch</strong>üler wurden in vers<strong>ch</strong>iedenen Formationen von<br />

den eingeladenen Dozenten unterri<strong>ch</strong>tetet. Unter<br />

anderem wurde gemeinsam die Auftragskomposition für<br />

grosse Harmoniebesetzung «Krona<strong>ch</strong>er Blattsalat» des<br />

Bayreuther Komponisten Hans-Martin GRÄBNER erarbeitet<br />

und unter dessen Leitung im Abs<strong>ch</strong>lusskonzert<br />

aufgeführt. Am überzeugenden Klangergebnis war zu<br />

hören, wie erfolgrei<strong>ch</strong> der Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

sein kann.<br />

Ni<strong>ch</strong>t nur für die Organisation rund um das anspre<strong>ch</strong>ende<br />

Rahmenprogramm (abendli<strong>ch</strong>e Vorlesezeit für<br />

Kinder, Sternenbeoba<strong>ch</strong>tung, Burgführungen oder<br />

Werksführungen der Firma WOLF) war die die Fagottpädagogin<br />

Sonja Sengpiel (Nürnberg) allzeit verständige<br />

Anspre<strong>ch</strong>partnerin, sondern au<strong>ch</strong> für alle Na<strong>ch</strong>fragen,<br />

Wüns<strong>ch</strong>e und Sorgen, die si<strong>ch</strong> während des Symposiums<br />

ergeben haben. Es fehlten au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die Aussteller, die<br />

das Programm dur<strong>ch</strong> ihre Präsenz abrundeten: Accolade<br />

– Notenversand und Musikverlag (Warngau), Egge-<br />

Verlag (Koblenz), KREBS & HEINRICH – Oboenrohrbau<br />

(Frankfurt a. M.), Oboenbörse NAUMANN (Ulm),<br />

Fagottholz RIMPL (Lauf), Guntram WOLF Holzblasinstrumente<br />

(Krona<strong>ch</strong>), TW HOWARTH (London), Uwe<br />

HENZE (Neuss).<br />

Fazit und Ausblick<br />

Das Frühinstrumentalsymposium für Oboe, Klarinette<br />

und Fagott dürfte deuts<strong>ch</strong>landweit einmalig sein. Für die<br />

Na<strong>ch</strong>frage eines sol<strong>ch</strong>en Symposiums spri<strong>ch</strong>t ganz si<strong>ch</strong>er<br />

au<strong>ch</strong> die Anwesenheit einer australis<strong>ch</strong>en Delegation,<br />

die das Symposium mit Filmaufnahmen begleitete, um<br />

in Australien die Mögli<strong>ch</strong>keiten von frühinstrumentaler<br />

Erziehung zu präsentieren und aufzugreifen.<br />

Wie alle Symposiumsteilnehmer dürften au<strong>ch</strong> sie<br />

erkannt haben, dass der Erfolg des Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>ts<br />

eine Kombination einer speziellen Didaktik<br />

und Methodik mit entspre<strong>ch</strong>end kindgere<strong>ch</strong>ten Instrumenten<br />

ist. In letzterem Berei<strong>ch</strong> bot die Firma WOLF<br />

einen hervorragenden Einblick. Ihr Anliegen war es<br />

s<strong>ch</strong>on immer, Kinder frühzeitig mit den Rohrblattinstrumenten<br />

Oboe, Klarinette und Fagott vertraut zu<br />

ma<strong>ch</strong>en. Da es keine geeigneten Vorbilder gab, ging die<br />

Firma selbst daran, kindgere<strong>ch</strong>te Instrumente zu entwickeln<br />

und s<strong>ch</strong>uf ein komplettes Kinderprogramm, das<br />

s<strong>ch</strong>nell einen festen Platz in der musikalis<strong>ch</strong>en Erziehung<br />

fand.<br />

Die Einigkeit und Aufges<strong>ch</strong>lossenheit der Symposiumsteilnehmer<br />

sollte jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t darüber hinwegtäus<strong>ch</strong>en,<br />

dass dieses Symposium ledigli<strong>ch</strong> der erste S<strong>ch</strong>ritt war,<br />

um auf die Bedeutung von Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

in einer breiteren Fa<strong>ch</strong>welt aufmerksam zu ma<strong>ch</strong>en. Um<br />

Verständnis und damit eine grosse Akzeptanz über<br />

diesen Kreis hinaus zu erzielen, wird ein ständig wa<strong>ch</strong>sender<br />

Kreis Interessierter stetig na<strong>ch</strong> wie vor harte<br />

Überzeugungsarbeit in den Ausbildungsstätten für den<br />

kleinen Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s leisten müssen. Insbesondere<br />

wäre es wüns<strong>ch</strong>enswert, dass si<strong>ch</strong> die Ausbildungsstätten<br />

für die Pädagogen von morgen – also die Musikho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen<br />

– dieses Themas intensiv annähmen.<br />

Um das Medium «Rohrblatt» zu nutzen, seien die<br />

Hauptargumente, die für Frühinstrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

spre<strong>ch</strong>en, hier zum S<strong>ch</strong>luss no<strong>ch</strong> einmal aufgeführt:<br />

• Die Zeit zwis<strong>ch</strong>en se<strong>ch</strong>s und zehn Jahren ist für<br />

Kinder die prägendste Zeit. In dieser Spanne lernen<br />

sie motiviert, unbefangen und mit grosser Na<strong>ch</strong>haltigkeit.<br />

• Dur<strong>ch</strong> die veränderte S<strong>ch</strong>ulstruktur verbleibt den<br />

Kindern effektiv weniger Zeit, um si<strong>ch</strong> mit einem<br />

Instrument auseinanderzusetzen.<br />

• Von ihrem musikalis<strong>ch</strong>-kulturellen Bildungsauftrag<br />

und im Hinblick auf die Freizeitgesells<strong>ch</strong>aft sollte es<br />

ein allgemeines Anliegen sein, mögli<strong>ch</strong>st viele ihrer<br />

S<strong>ch</strong>üler auf ein lebenslanges aktives Musizieren in<br />

einem Ensemble vorzubereiten.<br />

Angemerkt sei no<strong>ch</strong>, dass es mittlerweile eine DVD gibt,<br />

die den Symposiumsverlauf dokumentiert, erstellt vom<br />

Journalisten und Australienkorrespondenten Alexander<br />

LORENZ sowie Thomas PINSCHOF als Vertreter der<br />

australis<strong>ch</strong>en Fa<strong>ch</strong>welt. Vertiefte Informationen sowie<br />

Weiteres, wie etwa über zukünftige Planung, sind über<br />

den Internetauftritt www.holzblaeser-u10.de zu erhalten.<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

25


Sti<strong>ch</strong>note<br />

Intergalaktis<strong>ch</strong>e<br />

(Anti-)Helden<br />

Eigentli<strong>ch</strong> begehe er literaris<strong>ch</strong>en Selbstmord, sagte Christian Gasser erst kürzli<strong>ch</strong> zu Beginn seiner<br />

Lesung. «Dies erst no<strong>ch</strong> in einem fortges<strong>ch</strong>rittenen Alter», ergänzte der sympathis<strong>ch</strong>e Mittvierziger<br />

trocken, worauf das altersdur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>te Publikum s<strong>ch</strong>munzelte. Christian Gasser bewegt si<strong>ch</strong> in einem<br />

weiten Betätigungsfeld. Er ist unter anderem Hörspielautor, Journalist und Mitherausgeber des Comic-<br />

Magazins «Strapazin». Bereits in seinem erfolgrei<strong>ch</strong>en Literaturdebüt «Mein erster Sanyo» finden si<strong>ch</strong><br />

Bekenntnisse eines Pop-Besessenen. Ende letzten Jahres ers<strong>ch</strong>ien nun sein zweites Bu<strong>ch</strong> «Blam! Blam!<br />

Und du bist tot!», wel<strong>ch</strong>es den Leser in einen anderen entdeckungsrei<strong>ch</strong>en Pop-Kosmos entführt: in die<br />

bunte Welt der Comics.<br />

«Comic-Hefte gehören ni<strong>ch</strong>t in die S<strong>ch</strong>ule», insistiert die Lehrerin Hunziker in Gassers Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te «Peter<br />

Parker ist doof». Sind Comic niedrige S<strong>ch</strong>und- und Trivialliteratur und somit nur etwas für die S<strong>ch</strong>muddelecke?<br />

Wer si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> im Erwa<strong>ch</strong>senenalter an gezei<strong>ch</strong>neten und getexteten Panels erfreut, ist auf einer<br />

infantilen Stufe stehen geblieben, so jedenfalls will es ein landläufiges und böses Vorurteil. Wer darüber<br />

hinaus no<strong>ch</strong> ein seitenfüllendes Bu<strong>ch</strong> über<br />

Comic s<strong>ch</strong>reibt, muss si<strong>ch</strong> wohl nahe am<br />

Abgrund eines literaris<strong>ch</strong>en Harakiris bewegen.<br />

Dabei ist Christian Gasser der Comic-Experte<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin, der trotz seines enormen Wissens vor<br />

allem eines geblieben ist: ein spürbar leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />

und begeisterter Fan.<br />

In seinem neusten Wurf gelingt Christian Gasser mühelos de<br />

kühne Ho<strong>ch</strong>seilakt zwis<strong>ch</strong>en der (vermeintli<strong>ch</strong>) hohen und niedrigen<br />

Kultur. Seine Erzählungen über S<strong>ch</strong>urken jagende intergalaktis<strong>ch</strong>e<br />

Super- und Antihelden, die aberwitzige Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te über einen depressiv gealterten Charlie<br />

Brown in seinem demütigenden Alltag als Strip-Superstar kommen ohne knallige Lautmalereien aus. Au<strong>ch</strong><br />

wenn Gasser über mirakulöse Bilderges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten sinniert oder persönli<strong>ch</strong>e Erlebnisse und Erinnerungen<br />

zum Besten gibt, s<strong>ch</strong>ildert er dies in einer gewählten und gepflegten Spra<strong>ch</strong>e. Die Erzählungen sind wahre<br />

Wimmelbilder an Anspielungen, so etwa in «...und ihr seid tot», darin na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> bekannte Comic-<br />

Figuren auf- und abtau<strong>ch</strong>en.<br />

Christian Gasser gelingt ein angenehm selbstironis<strong>ch</strong>er Umgang mit der Materie Comic. Ein fabelhafter<br />

Leseband, fundiert und sehr kenntnisrei<strong>ch</strong> in Szene gesetzt, deswegen zwingend mit dem Prädikat<br />

«pädagogis<strong>ch</strong> besonders wertvoll» zu versehen – oder wer hätte wohl vorher gewusst, dass die Spinne auf<br />

S<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong> «Spindelman» und Batman «Laederlappen» heissen?<br />

Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong><br />

Christian Gasser: «Blam! Blam! Und du bist tot!», Edition TIAMAT, Berlin 2007, CHF 29.50.<br />

Lesung: Montag, 10. März, 20 Uhr, sphères, Hardturmstrasse 66, Züri<strong>ch</strong>.<br />

26 <strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008


Fundstücke I<br />

Der österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Comiczei<strong>ch</strong>ner<br />

Nicolas Mahlers zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> einen<br />

radikal reduzierten Stri<strong>ch</strong> aus. Für die<br />

<strong>MuV</strong>-INFO-Glosse Sti<strong>ch</strong>note steuert er<br />

jeweils eine Karikatur bei.<br />

Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong><br />

Lang und dünn, die Haare und Kleider<br />

s<strong>ch</strong>warz, s<strong>ch</strong>warz au<strong>ch</strong> die Brille, das Profil<br />

auffällig, na<strong>ch</strong>lässig die Rasur und griesgrämig<br />

die Miene. Im Aufsatz «Ein Mann, sein<br />

Humor und seine Klagen» bes<strong>ch</strong>reibt der<br />

Comicexperte Christian Gasser auf diese Art<br />

seine erste Begegnung mit Mahler. Nicolas<br />

Mahler gehört zu den ganz wenigen Zei<strong>ch</strong>nern<br />

im deuts<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>raum, die si<strong>ch</strong> auf<br />

die hohe, indes hartnäckig unters<strong>ch</strong>ätzte<br />

Kunst des Comicstrips verstehen. Er weiss,<br />

wie man aus Bes<strong>ch</strong>ränkungen eine Tugend<br />

ma<strong>ch</strong>t, wie man die immer glei<strong>ch</strong>e Situation<br />

in drei Bildern ohne zu langweilen dur<strong>ch</strong>und<br />

ausspielt.<br />

Mahlers Figuren tragen überdimensionierte<br />

Nasen auf kleinen Körpern, und damit erntet<br />

der Cartoonist mit dem unverkennbaren<br />

Stri<strong>ch</strong> und dem ausgeprägten Humor laufend<br />

neue Auszei<strong>ch</strong>nungen. In der Würdigung<br />

des im 2006 verliehenen Max-und-Moritz-<br />

Preises heisst es: «Die Figuren von Nicolas<br />

Mahler haben keine Augen, keine Ohren,<br />

keine Münder – aber sie haben zweifellos<br />

Charakter. Stets gelingt es Mahler, mit minimalistis<strong>ch</strong>en<br />

Zei<strong>ch</strong>nungen und marginalem<br />

Humor seine wenigen Stri<strong>ch</strong>e auf den Punkt<br />

zu bringen. Dabei pendelt er virtuos zwis<strong>ch</strong>en<br />

banal, absurd und kafkaesk.» Die Präzision,<br />

mit der Mahler ohne Worte erzählt<br />

und seine Figuren zei<strong>ch</strong>net, Stimmungen,<br />

Gefühle und Gedanken vermittelt, die<br />

Si<strong>ch</strong>erheit, mit der der die Komik der Situation<br />

inszeniert, ist umso verblüffender, als er<br />

so einfa<strong>ch</strong> und minimal zei<strong>ch</strong>net, wie nur<br />

mögli<strong>ch</strong>. Virtuos führt er dem Betra<strong>ch</strong>ter<br />

vor, was mittels reduziert dargestellter<br />

Zei<strong>ch</strong>nungen alles angestellt werden kann,<br />

wie viel Hintergründiges und Komplexes<br />

si<strong>ch</strong> selbst in den einfa<strong>ch</strong>sten Zei<strong>ch</strong>nungen<br />

ausdrücken lässt. Für die <strong>MuV</strong>-INFO-Glosse<br />

Sti<strong>ch</strong>note steuert Nicolas Mahler jeweils<br />

eine seiner unverkennbaren Karikaturen<br />

bei. Grund genug, dabei auf zwei besonders<br />

empfehlenswerte Mahler-Publikationen im<br />

Folgenden kurz einzugehen.<br />

Die Ansi<strong>ch</strong>ten und Meinungen zum Thema<br />

Paralleluniversum sind sehr unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />

und wohl s<strong>ch</strong>on von daher etwas ges<strong>ch</strong>wätzig.<br />

Dagegen s<strong>ch</strong>eint Mutter Flas<strong>ch</strong>kos Universum<br />

weit fassli<strong>ch</strong>er in Bild und Wort darstellbar.<br />

Da wäre zunä<strong>ch</strong>st ihr Sohn, der stets<br />

eingehüllt in einer Heizdecke vor dem TV-<br />

Gerät s<strong>ch</strong>witzt. Zudem sind Alkohol und<br />

Tabletten im Spiel. Do<strong>ch</strong> eine weit grössere<br />

(Erd-)Anziehung üben Putzmittel auf Mutter<br />

Flas<strong>ch</strong>ko aus; sie sind ihr ein geradezu aufputs<strong>ch</strong>endes<br />

Lebenselexier. Wenn die verbitterte<br />

Hausfrau wieder einmal der Putzteufel<br />

reitet, ruft Flas<strong>ch</strong>ko ihr unvermittelt<br />

zu, sie gäbe dem Staub ni<strong>ch</strong>t einmal die Gelegenheit,<br />

si<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig zu sammeln. «Wenn i<strong>ch</strong><br />

auf die Befindli<strong>ch</strong>keit vom Staub au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />

Rücksi<strong>ch</strong>t nehme, komme i<strong>ch</strong> ja zu überhaupt<br />

ni<strong>ch</strong>ts mehr!», s<strong>ch</strong>allt es aus dem<br />

langnasigen Universum prompt zurück.<br />

Spritzige Unterhaltungen und bärbeissige,<br />

oft lakonis<strong>ch</strong>e Kommentare we<strong>ch</strong>seln si<strong>ch</strong> in<br />

diesen heizbedeckten und putzbesenreinen<br />

Sitz-Dramen ab. Der Humor bleibt rabens<strong>ch</strong>warz,<br />

selbst dann, wenn der Arzt bei<br />

Mutter Flas<strong>ch</strong>ko eine Staublunge diagnostiziert.<br />

So gilt der Weisheit letzter S<strong>ch</strong>luss: «Es<br />

gibt mehr im Leben als Putzen, Mutter.» –<br />

«I<strong>ch</strong> weiss. Dreck ma<strong>ch</strong>en.»<br />

Was es heisst, sein Leben als Humorzei<strong>ch</strong>ner<br />

zu bestreiten, um darauf gelegentli<strong>ch</strong> an Verständnisgrenzen<br />

zu stossen, ist im autobiographis<strong>ch</strong><br />

gefärbten Band «Kunsttheorie<br />

versus Frau Goldgruber» na<strong>ch</strong>zublättern.<br />

Frau Goldgruber nämli<strong>ch</strong>, eine altjüngferli<strong>ch</strong>e<br />

Mamselle mit der Bienenkorbfrisur, ist<br />

Finanzberaterin. Sie soll davon überzeugt<br />

werden, dass Comic und Kunst glei<strong>ch</strong>wertig<br />

sind, auf dass der Künstler einen tieferen<br />

Steuersatz beanspru<strong>ch</strong>en kann. Eine ganz<br />

und gar verzwickte, weil sehr knifflige<br />

Aufgabe, wie dies Nicolas Mahler sehr<br />

ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> vor Augen führt. Immerhin<br />

s<strong>ch</strong>öpft Mahler daraus so man<strong>ch</strong> skurrile<br />

Dialogszenen, sehr zum Vergnügen des<br />

Lesers, wobei eigentli<strong>ch</strong> selbst der Amtss<strong>ch</strong>immel<br />

wiehern müsste. Mit minimalistis<strong>ch</strong>en<br />

Zei<strong>ch</strong>nungen und wieneris<strong>ch</strong>em Flair<br />

bringt Mahler Ambivalenz und Anerkennung<br />

rund um die «neunte Kunst» hervorragend<br />

auf den Punkt. Und wenn einem der<br />

Erfolg als Comiczei<strong>ch</strong>ner versagt bleibt,<br />

bleibt wohl ni<strong>ch</strong>ts anderes als ein lausig<br />

bezahlter Job in einer Videothek übrig.<br />

Davon bleibt Nicolas Mahler aber mittlerweile<br />

weitgehend vers<strong>ch</strong>ont. Seine Kunst<br />

hat längst überall breite Anerkennung erfahren.<br />

Frau Goldgruber mö<strong>ch</strong>te man darüber<br />

die lange Nase zeigen.<br />

Klarer Stri<strong>ch</strong>, unverkennbares Profil<br />

Empfohlene Auswahl:<br />

«Flas<strong>ch</strong>ko – der Mann in<br />

der Heizdecke», Edition<br />

Moderne/Falter Verlag;<br />

«Kunsttheorie versus Frau<br />

Goldgruber», Galerie der<br />

Stadt Wels (Hg.), Reprodukt.<br />

Nicolas Mahler<br />

Nicolas Mahler ist 1969 in<br />

Wien geboren, wo er heute<br />

no<strong>ch</strong> lebt und arbeitet.<br />

Spätestens seit 2006 ist<br />

Mahler dur<strong>ch</strong> seine regelmässigen<br />

Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />

im Satiremagazin<br />

«Titanic» bekannt geworden.<br />

Seit längerer Zeit<br />

zei<strong>ch</strong>net er für österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e,<br />

deuts<strong>ch</strong>e und<br />

S<strong>ch</strong>weizer Zeitungen,<br />

Zeits<strong>ch</strong>riften und Anthologien.<br />

Mahler publizierte<br />

in den letzten Jahren über<br />

zwanzig Bü<strong>ch</strong>er, die vor<br />

allem in Frankrei<strong>ch</strong>,<br />

Kanada und den USA<br />

ers<strong>ch</strong>ienen. Seine<br />

Flas<strong>ch</strong>ko-Comics wurden<br />

als Trickfilme adaptiert<br />

und liefen auf vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Kurzfilm-Festivals in<br />

Europa; der Comic<br />

Krato<strong>ch</strong>vil wurde als<br />

Marionettenstück in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz, in Österrei<strong>ch</strong> und<br />

Frankrei<strong>ch</strong> aufgeführt.<br />

In Wien betreibt Nicolas<br />

Mahler zusammen mit<br />

Rudi Klein und Heinz Wolf<br />

im Museumsquartier den<br />

Ausstellungsraum Kabinett<br />

für Wort und Bild. Dort<br />

finden ni<strong>ch</strong>t nur Comicund<br />

Cartoonausstellungen<br />

statt, es werden au<strong>ch</strong><br />

immer wieder Künstler zu<br />

einem einmonatigen<br />

Stipendium eingeladen.<br />

Mahler erhielt für sein<br />

Werk vers<strong>ch</strong>iedene Auszei<strong>ch</strong>nungen,<br />

im 2006 den<br />

begehrten Max-und-<br />

Moritz-Preis für den<br />

besten deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />

Comic und im 2007 den<br />

Deuts<strong>ch</strong>en Karikaturenpreis,<br />

«Geflügelter Bleistift».<br />

www.mahlermuseum.at<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

27


Was wir bieten<br />

Der <strong>MuV</strong> gibt Rückhalt.<br />

Wir greifen aktuelle Themen in allen Berei<strong>ch</strong>en der Musikbildung über alle S<strong>ch</strong>ulstufen<br />

hinweg auf und stellen sie zur Diskussion. Wir sind überzeugt, dass uns die aktive<br />

Meinungsbildung inhaltli<strong>ch</strong> und berufspolitis<strong>ch</strong> weiterbringt.<br />

in eigener Sa<strong>ch</strong>e<br />

Der <strong>MuV</strong> informiert.<br />

Mit der 2- bis 3-mal jährli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einenden Zeits<strong>ch</strong>rift <strong>MuV</strong>-INFO werden Mitglieder über die<br />

Aktivitäten des Verbandes sowie über Bildungs- und berufspolitis<strong>ch</strong>e Themen informiert.<br />

Der <strong>MuV</strong> handelt.<br />

Wir su<strong>ch</strong>en die konstruktive Zusammenarbeit.<br />

Wo nötig, werden wir aktiv und setzen uns für Ihre Re<strong>ch</strong>te ein.<br />

Wir organisieren Vertretungen in Arbeitsgruppen und Kommissionen.<br />

Wir arbeiten bei übergreifenden Themen mit anderen Verbänden zusammen.<br />

Wir veranstalten Tagungen zu wi<strong>ch</strong>tigen Themen.<br />

Beratung.<br />

Wir beraten Sie bei Ihren persönli<strong>ch</strong>en Fragen zu Beruf und Arbeitsplatz.<br />

Als Aktivmitglied haben Sie Anre<strong>ch</strong>t auf Re<strong>ch</strong>tsberatung und – falls nötig – au<strong>ch</strong> auf Re<strong>ch</strong>tsbeistand.<br />

Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz.<br />

Für Aktivmitglieder ist eine Arbeitsre<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz-Versi<strong>ch</strong>erung im Mitgliederbeitrag mit einges<strong>ch</strong>lossen,<br />

die s<strong>ch</strong>weizweit gültig ist.<br />

Als Aktivmitglied des <strong>MuV</strong> haben Sie die Mögli<strong>ch</strong>keit, ohne Angst vor Anwalts- und Geri<strong>ch</strong>tskosten<br />

Ihre Re<strong>ch</strong>te wahrzunehmen. Wir klären Ihre allfälligen Prozessaussi<strong>ch</strong>ten ab.<br />

Im Prozessfall haben Sie als <strong>MuV</strong>-Mitglied die Wahl eines Vertrauensanwaltes.<br />

Gute Gründe, dabei zu sein,<br />

Weil wir für alle Lehrpersonen offen sind, wel<strong>ch</strong>e in der Musikausbildung tätig sind.<br />

• MusiklehrerInnen an Musiks<strong>ch</strong>ulen und/oder mit Privatunterri<strong>ch</strong>t<br />

• S<strong>ch</strong>ulmusikerInnen aller Stufen<br />

• Grunds<strong>ch</strong>ullehrerInnen Sektion GruV: der Berufsverband der LehrerInnen für<br />

musikalis<strong>ch</strong>e Grundausbildung<br />

Weil es eine Vernetzung brau<strong>ch</strong>t.<br />

• Musikbildung wird an vielen Orten und von unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Institutionen angeboten. Erst<br />

die Zusammenarbeit aller Berei<strong>ch</strong>e gibt der Musikbildung Gewi<strong>ch</strong>t und ma<strong>ch</strong>t stark.<br />

Weil Sie ein Zei<strong>ch</strong>en der Solidarität setzen.<br />

• Vom berufspolitis<strong>ch</strong>en Auftreten des <strong>MuV</strong> profitieren alle Lehrkräfte, seien sie Mitglied<br />

oder ni<strong>ch</strong>t.<br />

Weil Sie im <strong>MuV</strong> einen Partner für Ihre bildungs- und berufspolitis<strong>ch</strong>en Anliegen haben.<br />

Weil ein selbstbewusstes Berufsbild gefördert werden muss.<br />

• Die Diskussion mit anderen Berufskolleginnen und -kollegen bringt mi<strong>ch</strong> weiter.<br />

Weil Sie in persönli<strong>ch</strong>en Fragen zu Beruf und Arbeitsplatz Beratung und notfalls Unterstützung<br />

sowie Re<strong>ch</strong>tshilfe erhalten.<br />

• Für gute Arbeits- und Anstellungsbedingungen müssen wir uns immer wieder einsetzen.<br />

Deshalb seien Sie herzli<strong>ch</strong> willkommen!


<strong>MuV</strong>-Sekretariat<br />

Unser Sekretariat ist jeweils am Donnerstag von 11.00 bis 15.00 Uhr telefonis<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>bar<br />

unter der Nummer 044 295 30 29. Zu den übrigen Zeiten ist ein Telefonbeantworter in<br />

Betrieb. Unter sekretariat@muv.<strong>ch</strong> können Sie uns au<strong>ch</strong> per Mail errei<strong>ch</strong>en. Gerne<br />

stehen wir Ihnen mit Informationen zur Verfügung, versu<strong>ch</strong>en Ihre Fragen zu beantworten,<br />

nehmen Anregungen und Kritik entgegen. Während der S<strong>ch</strong>ulferien und an Feiertagen ist<br />

das Sekretariat ges<strong>ch</strong>lossen.<br />

Anmeldung – <strong>MuV</strong> und Sektion GruV<br />

Eine Mitglieds<strong>ch</strong>aft interessiert mi<strong>ch</strong>, aber i<strong>ch</strong> habe zuerst no<strong>ch</strong> folgende Fragen dazu<br />

(bitte auf separatem Blatt eins<strong>ch</strong>icken oder telefonieren)<br />

I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te dem Musiklehrerinnen- und -lehrer-Verband <strong>MuV</strong> beitreten<br />

Name<br />

Strasse/Nr.<br />

Vorname<br />

PLZ/Ort<br />

Geburtsdatum Telefon E-Mail<br />

I<strong>ch</strong> arbeite an folgenden S<strong>ch</strong>ulen/ Musiks<strong>ch</strong>ulen<br />

1. Fa<strong>ch</strong>/Fä<strong>ch</strong>er Lektionen/Wo<strong>ch</strong>e<br />

2. Fa<strong>ch</strong>/Fä<strong>ch</strong>er Lektionen/Wo<strong>ch</strong>e<br />

3. Fa<strong>ch</strong>/Fä<strong>ch</strong>er Lektionen/Wo<strong>ch</strong>e<br />

4. Fa<strong>ch</strong>/Fä<strong>ch</strong>er Lektionen/Wo<strong>ch</strong>e<br />

I<strong>ch</strong> bin zurzeit: stellenlos pensioniert Student/in<br />

I<strong>ch</strong> unterri<strong>ch</strong>te ni<strong>ch</strong>t, bin aber am Musikunterri<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>ehen interessiert und mö<strong>ch</strong>te<br />

Passivmitglied beim <strong>MuV</strong> werden<br />

I<strong>ch</strong> bin Mitglied des VPOD, Sektion Lehrberufe (bitte Kopie des Mitgliederausweises beilegen)<br />

I<strong>ch</strong> bin Grunds<strong>ch</strong>ullehrerIn und mö<strong>ch</strong>te mi<strong>ch</strong> der Sektion GruV ans<strong>ch</strong>liessen<br />

I<strong>ch</strong> arbeite als S<strong>ch</strong>ulmusikerIn<br />

Wir sind eine S<strong>ch</strong>ule und mö<strong>ch</strong>ten das <strong>MuV</strong>-INFO für unsere Lehrers<strong>ch</strong>aft auflegen<br />

Anzahl Exemplare: ...........<br />

I<strong>ch</strong> bin an einer aktiven Mitarbeit (z. B. im Vorstand, in einer Arbeitsgruppe) interessiert<br />

Ort, Datum<br />

Unters<strong>ch</strong>rift:<br />

Mitgliederbeiträge Aktive Fr. 210.– Passive Fr. 110.– Mitglieder VPOD Fr. 170.–<br />

StudentInnen gratis (StudentInnen-Ausweis muss jährli<strong>ch</strong> einges<strong>ch</strong>ickt werden)<br />

Bitte die Anmeldung ans Sekretariat s<strong>ch</strong>icken:<br />

<strong>MuV</strong>, Postfa<strong>ch</strong> 8180, Birmensdorferstrasse 67, 8036 Züri<strong>ch</strong>, PC 80-48707-4


In eigener Sa<strong>ch</strong>e<br />

Erfolg<br />

für den <strong>MuV</strong><br />

Beri<strong>ch</strong>t aus dem Vorstand<br />

Im Mai 2007 starteten wir für die Jugendmusiks<strong>ch</strong>ule der<br />

Stadt Züri<strong>ch</strong> eine Petition gegen den Abbau des Instrumentalunterri<strong>ch</strong>ts.<br />

Anstoss für diese Petition gab der<br />

Umstand, dass in Züri<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr alle Kinder, die einen<br />

40-Minuten-Unterri<strong>ch</strong>t mö<strong>ch</strong>ten, diesen au<strong>ch</strong> bekommen.<br />

Anstoss gab aber au<strong>ch</strong>, die Einführung des Gruppenunterri<strong>ch</strong>ts.<br />

Die S<strong>ch</strong>ülers<strong>ch</strong>aft der Jugendmusiks<strong>ch</strong>ule<br />

der Stadt Züri<strong>ch</strong> ist, seit es sie gibt, stetig am Wa<strong>ch</strong>sen.<br />

Die Stadt hat dieses Wa<strong>ch</strong>stum in den 90er-Jahren, als sie<br />

die ersten Sparpakete s<strong>ch</strong>nürte, auf einen gewissen Prozentsatz<br />

bes<strong>ch</strong>ränkt. Glei<strong>ch</strong>zeitig war es oberstes Gebot<br />

der Politik, dass alle S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler aufgenommen<br />

werden. So wurden über die Jahre hinweg zwar<br />

immer mehr Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>e unterri<strong>ch</strong>tet, do<strong>ch</strong><br />

die Stellen konnten ni<strong>ch</strong>t im glei<strong>ch</strong>en Ausmass angehoben<br />

werden. Die Lektionslängen für die einzelnen Kinder<br />

wurden kürzer. Während die Kinder in den 80er-Jahren<br />

no<strong>ch</strong> 50 Minuten Unterri<strong>ch</strong>t pro Wo<strong>ch</strong>e bekamen und<br />

dazu ein Ensemble gratis besu<strong>ch</strong>en konnten, führte<br />

anfangs der 90er-Jahren die S<strong>ch</strong>ulleitung für das erste<br />

Unterri<strong>ch</strong>tsjahr den 30-Minuten-Unterri<strong>ch</strong>t als Folge der<br />

Sparmassnahme ein. Gewährleistet war es damals, dass<br />

man ab dem zweiten Unterri<strong>ch</strong>tsjahr in einen 40-<br />

Minuten-Unterri<strong>ch</strong>t we<strong>ch</strong>seln konnte. Erfreuli<strong>ch</strong> ist, dass<br />

die Mögli<strong>ch</strong>keit, ein Ensemble, eine Band oder ein<br />

Or<strong>ch</strong>ester neben dem Instrumentalunterri<strong>ch</strong>t gratis zu<br />

belegen bis heute als Teil des Angebotes dieser Musiks<strong>ch</strong>ule<br />

beibehalten wurde. Do<strong>ch</strong> der Druck der steigenden<br />

S<strong>ch</strong>ülerzahlen nahm ni<strong>ch</strong>t ab und löste neue Massnahmen<br />

aus. Na<strong>ch</strong> 2000 wurde der Gruppenunterri<strong>ch</strong>t<br />

eingeführt. Neu werden<br />

nun drei Kinder zusammen für eine 60-<br />

Minuten-Lektion unterri<strong>ch</strong>tet, oder au<strong>ch</strong> 2 Kinder für<br />

40-Minuten-Lektion. Den Eltern wurde dieses neue<br />

Angebot mehr als nur empfohlen, sodass sie damals bei<br />

der Einführung dieses Angebots praktis<strong>ch</strong> keine Wahlfreiheit<br />

hatten. Bei den Lehrpersonen führte das zu<br />

grossem Unmut. Denn der Gruppenunterri<strong>ch</strong>t wurde keineswegs<br />

als die Erfindung gefeiert, auf die man seit<br />

langem gewartet hatte. Der <strong>MuV</strong> hat das Anliegen aufgenommen<br />

und mit einer kleinen Gruppe von Lehrerinnen<br />

und Lehrern eine Petition ausgearbeitet. Am 4. Juli<br />

2007 überbra<strong>ch</strong>te eine kleine Delegation im Ratshaus der<br />

Stadt Züri<strong>ch</strong> dem Vorsteher des S<strong>ch</strong>ul-und Sportdepartements,<br />

Stadtrat Gerold Lauber, die erfreuli<strong>ch</strong> grosse Zahl<br />

von über 6000 Unters<strong>ch</strong>riften. Im Herbst fand ein<br />

Gesprä<strong>ch</strong> statt, bei dem die Lehrervertretung zusammen<br />

mit dem <strong>MuV</strong> Herrn Stadtrat Lauber die Not aufzeigen<br />

konnte. Herr Lauber wollte jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr Stellen im<br />

Gemeinderat beantragen. Er befür<strong>ch</strong>tete, der Gemeinderat<br />

würde kein Verständnis zeigen für die Anliegen des<br />

Instrumentalunterri<strong>ch</strong>ts. Dank der Verbindungen des<br />

<strong>MuV</strong> konnten wir das Anliegen direkt im Gemeinderat<br />

einbringen und errei<strong>ch</strong>ten, dass mehr Stellen als beantragt<br />

gespro<strong>ch</strong>en wurden, was den Engpass an der Jugendmusiks<strong>ch</strong>ule<br />

der Stadt Züri<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> mildern hilft. Dieser<br />

grosse Erfolg freut uns, und wir danken all jenen, die die<br />

Anliegen dieser S<strong>ch</strong>ule unterstützten und den Weg bereitet<br />

haben, eine Verbesserung zu bewirken. Wir danken<br />

au<strong>ch</strong> all jenen, die auf der Strasse und in ihrem privaten<br />

Kreis Unters<strong>ch</strong>riften für die Petition gesammelt haben.<br />

Der <strong>MuV</strong> hofft mit der Lehrers<strong>ch</strong>aft der Jugendmusiks<strong>ch</strong>ule<br />

zusammen, dass in Zukunft au<strong>ch</strong> all jene S<strong>ch</strong>üler<br />

und S<strong>ch</strong>ülerinnen, die einen 40-<br />

Minuten-Unterri<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong><br />

dem ersten Jahr Instrumentalunterri<strong>ch</strong>t<br />

wüns<strong>ch</strong>en, diesen<br />

au<strong>ch</strong> an der<br />

Jugendmusiks<strong>ch</strong>ule<br />

der Stadt<br />

Züri<strong>ch</strong> bekommen<br />

werden.<br />

30


Fundstücke II<br />

Neu Im Muv-Sekretariat: Luzia Bertogg<br />

Seit Anfang September 2007 arbeite i<strong>ch</strong> als politis<strong>ch</strong>e<br />

Regionalsekretärin in der Sektion Lehrberufe des vpod<br />

Züri<strong>ch</strong>s und bin somit au<strong>ch</strong> zuständig für das <strong>MuV</strong>-Sekretariat.<br />

Daneben betreue i<strong>ch</strong> die Gruppen Mittels<strong>ch</strong>ule,<br />

Berufss<strong>ch</strong>ule und Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule sowie den Rhythmikverband<br />

S<strong>ch</strong>weiz.<br />

I<strong>ch</strong> bin Sozialpädagogin FH mit einer kaufmännis<strong>ch</strong>en<br />

Grundausbildung und studiere in einem Teilzeitpensum<br />

«Gesells<strong>ch</strong>afts- und Kommunikationswissens<strong>ch</strong>aften» an<br />

der Uni in Luzern. Bisher war i<strong>ch</strong> vor allem im Feld der<br />

Sozialen Arbeit, d.h. in der Betreuung und Beratung von<br />

randständigen Mens<strong>ch</strong>en tätig.<br />

Aufgewa<strong>ch</strong>sen bin i<strong>ch</strong> in Chur, habe aber mittlerweile<br />

bereits ein paar Jahre in Züri<strong>ch</strong> und St. Gallen verbra<strong>ch</strong>t<br />

sowie zwis<strong>ch</strong>endur<strong>ch</strong> immer wieder ausgedehnte Reisen<br />

ins Ausland unternommen. Mit der Musik verbindet<br />

mi<strong>ch</strong> die Freude am Tanz und der Bewegung, das Hören<br />

und Eintau<strong>ch</strong>en in vers<strong>ch</strong>iedenste Musikstile, Konzertbesu<strong>ch</strong>e<br />

und natürli<strong>ch</strong> meine Erinnerungen an die<br />

Kinder- und Jugendzeit mit der Flöte, Klarinette und dem<br />

Saxophon, die endli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> wieder einmal aus dem Koffer<br />

geholt werden sollten...<br />

I<strong>ch</strong> freue mi<strong>ch</strong> sehr auf die neue Herausforderung im<br />

Bildungsberei<strong>ch</strong> und speziell die Arbeit für den <strong>MuV</strong> und<br />

au<strong>ch</strong> auf die Zusammenarbeit mit eu<strong>ch</strong> allen.<br />

Impressum<br />

<strong>MuV</strong>-INFO Nr. 48<br />

ers<strong>ch</strong>eint zweimal jährli<strong>ch</strong><br />

Herausgeber:<br />

MusiklehrerInnen Verband <strong>MuV</strong>,<br />

Birmenstorferstrasse 67, Postfa<strong>ch</strong> 8180, 8036 Züri<strong>ch</strong><br />

Telefon 044 295 30 29, Mail: sekretariat@muv.<strong>ch</strong><br />

Redaktion: Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong> und Sibylle S<strong>ch</strong>uppli<br />

Freie MitarbeiterInnen:<br />

Stefanie Dillier, Laurence Stein, Martin Franks, Sarah Erlanger,<br />

Nicolas Mahler (Karikaturen), Peter Heis<strong>ch</strong> (Korrektorat)<br />

Bezugspreise:<br />

Jahresabonnement Fr. 30.– (für Mitglieder<br />

im Jahresbeitrag inbegriffen)<br />

Inserate:<br />

1/1 A4 (210x297) Fr. 250.–<br />

1/2 A4 (210x148) Fr. 150.–<br />

Kleininserate Fr. 50.–<br />

Zus<strong>ch</strong>lag bei Grossauflage: 20 %<br />

Rabatte: ab 2 x 5 Prozent, ab 6 x 10 %,<br />

Mitglieder 5 %<br />

Redaktions- und Inserateannahmes<strong>ch</strong>luss:<br />

INFO 49 | 15 .6. 2008<br />

Satz | Gestaltung: DTP Atelier F. Gut, Uster<br />

Auflage: 700<br />

Druck: Ropress, Züri<strong>ch</strong><br />

RePrint FSC, 50% Altpapier, 50% Neufaser,<br />

mindestens 17,5% FSC-zertifiziert SGS-CoC 0474<br />

Zeitgenössis<strong>ch</strong> Unfassbares<br />

«Crossover»? Bedauerli<strong>ch</strong>erweise ist der Begriff zu einem blossen Mittel des Marketings<br />

verkommen. Renommierte Labels s<strong>ch</strong>mücken si<strong>ch</strong> damit und beanspru<strong>ch</strong>en diese<br />

Bezei<strong>ch</strong>nung im Rahmen einer «Verkaufsoptimierung». Und ebenso zu bedauern ist,<br />

dass es immer no<strong>ch</strong> jene einfältigen Eintopfkünstler gibt, die überall dort rühren, wo es<br />

stilistis<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>st viel abzus<strong>ch</strong>öpfen gibt. Serviert wird daraufhin ein eklektizistis<strong>ch</strong>er<br />

Brei, fad und selten bekömmli<strong>ch</strong> und zudem häufig zu üppig vorgesetzt.<br />

Vereinzelt treten hervorragende Musiker und Komponisten hervor, die in ihren musikalis<strong>ch</strong>en<br />

Kreuzungen eine pure Spiel- und Experimentierlust verströmen, ohne si<strong>ch</strong> des<br />

simplen Gemixe zu bedienen. Der in St. Gallen lebende Komponist Charles Uzor mit<br />

s<strong>ch</strong>warzafrikanis<strong>ch</strong>er Abstammung zählt mit Si<strong>ch</strong>erheit zu ihnen. Mit wie viel Ges<strong>ch</strong>mack<br />

und wel<strong>ch</strong>er Souveränität Charles Uzor über vers<strong>ch</strong>iedenste kulturelle, historis<strong>ch</strong>e und<br />

aktuelle Stile verfügt, ist bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> und glei<strong>ch</strong> zu Beginn seiner neuen CD<br />

«Quartets/Quintet» gespannt mitzuverfolgen. Im Klarinettenquintett «a <strong>ch</strong>antar m'er de<br />

so q'ieu no voldria...» (2004–2005), der Titel geht auf einen Cantus der Beatrix de Dia<br />

zurück («I<strong>ch</strong> werde singen, was i<strong>ch</strong> nie hätte singen wollen»), geht es um vers<strong>ch</strong>mähte<br />

und verratene Liebe. Das Carmina Quartett dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>reitet ein komplexes Rhythmusfeld,<br />

<strong>ch</strong>angierende Tonrepetitionen treffen auf Glissandozonen, und modal getönte Lands<strong>ch</strong>aften<br />

treten sanft hervor; die Klarinette (mit Wolfgang Meyer als klugem Interpreten<br />

mit klarer Vision) s<strong>ch</strong>wingt si<strong>ch</strong> ornamental darüber. Verstörend-rätselhaft der zweite<br />

Satz, darin eine vogels<strong>ch</strong>reiartige Tonbandeinspielung, die einem papuanis<strong>ch</strong>en<br />

Initiationsritus entstammt, erklingt. Es ist unüberhörbar: Charles Uzor verfügt gekonnt<br />

über die Te<strong>ch</strong>niken der Avantgarde, do<strong>ch</strong> seine Musik steuert weder hin zur Collage no<strong>ch</strong><br />

zu einem selig weltumspannenden Multikulti. Seine eigenständigen Werke bergen ni<strong>ch</strong>t<br />

selten einen geheimnisvollen Tonfall, viellei<strong>ch</strong>t gerade wegen des gelungenen Nebenoder<br />

Miteinanders in einem ästhetis<strong>ch</strong> weit geöffneten Feld?<br />

«Shakespeares’s Sonnet 65» (für Strei<strong>ch</strong>quartett und Tonband; mit Esther Uhland und<br />

James Aston als Spre<strong>ch</strong>er) ist eine musikalis<strong>ch</strong>e Exegese. In Shakespears fünfundse<strong>ch</strong>zigstem<br />

Sonett (es entstammt der Mitte des ersten Teils des Sonettzyklus 1 bis 126) geht<br />

das lyris<strong>ch</strong>e I<strong>ch</strong> auf spirituelle Reise und setzt si<strong>ch</strong> unter anderem mit S<strong>ch</strong>önheit, Selbstbezogenheit<br />

und Auss<strong>ch</strong>weifung auseinander. Ein paradox anmutender Reigen, der si<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> um Aspekte der Vergängli<strong>ch</strong>keit dreht. Die ni<strong>ch</strong>t greifbaren Töne klingen ebenso in<br />

den halluzinatoris<strong>ch</strong>en E<strong>ch</strong>oräumen des zweisätzigen Gitarrenquartetts «qui ainsi me<br />

refait... veoir seulement oïr» an, wo der Hau<strong>ch</strong> einer Guillaume de Ma<strong>ch</strong>aut-Ballade leise<br />

na<strong>ch</strong>weht. Im zweiten Satz zerfliessen Raum und Zeit, zur herkömmli<strong>ch</strong>en Stimmung<br />

spielen die Gitarren (Gitarrenensemble quasi fantasia) mit umgestimmten Klängen im<br />

Se<strong>ch</strong>steltonverhältnis. Au<strong>ch</strong> hierbei wanken die letzten Hörsi<strong>ch</strong>erheiten. Uzors Klänge<br />

bleiben unfassli<strong>ch</strong>, eigentli<strong>ch</strong> so unfassbar faszinierend, wie man si<strong>ch</strong> im Grunde zeitgenössis<strong>ch</strong>e<br />

Musik nur wüns<strong>ch</strong>en kann.<br />

Mi<strong>ch</strong>ael Heis<strong>ch</strong><br />

Charles Uzor,<br />

«Quartets/Quintet»,<br />

NEOS10714<br />

<strong>MuV</strong>-INFO 48 März 2008<br />

31


<strong>MuV</strong>-INFO<br />

In Ihrem Briefkasten. Jahresabonnement Fr. 30.–<br />

Ja, i<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te das <strong>MuV</strong>-INFO für das Lehrerzimmer an meiner S<strong>ch</strong>ule abonnieren.<br />

I<strong>ch</strong> bin an einer Mitglieds<strong>ch</strong>aft im <strong>MuV</strong> interessiert. Senden Sie mir bitte Unterlagen.<br />

Name:<br />

Strasse:<br />

PLZ/Ort:<br />

Einsenden an: <strong>MuV</strong> • Sekretariat • Postfa<strong>ch</strong> 8180 • Birmensdorferstrasse 67 • 8036 Züri<strong>ch</strong>

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