01.11.2013 Aufrufe

Text öffnen - AKUT-CH Aktion Kirche und Tiere

Text öffnen - AKUT-CH Aktion Kirche und Tiere

Text öffnen - AKUT-CH Aktion Kirche und Tiere

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Das Tier im Bewusstsein des alttestamentlichen Menschen<br />

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Marie-Louise Henry<br />

VORWORT<br />

Die folgenden Ausführungen enthalten den im wesentlichen unverändert gebliebenen Wortlaut<br />

einer doppelstündigen Vorlesung. Sie war ein Beitrag zu der theologischen Woche, welche die<br />

Theologische Fakultät der Universität Rostock im September 1957 veranstaltete.<br />

Rostock, den 18. Dezember 1957, Marie-Louise Henry<br />

1. EINLEITUNG<br />

Der beseelte Blick des <strong>Tiere</strong>s gibt dem Menschen geheimnisvolle K<strong>und</strong>e von dem Dasein fremden<br />

Lebens <strong>und</strong> bringt ihm zugleich die Besonderheit <strong>und</strong> das Rätsel des eigenen Seins innerhalb der<br />

Fülle der Arten klar zum Bewusstsein. In der Begegnung mit dem Tier erfährt er das Phänomen<br />

Leben in seiner schillernden Buntheit <strong>und</strong> zwingenden Mächtigkeit <strong>und</strong> aus der Art, wie er es<br />

ergreift <strong>und</strong> deutend auf sein eigenes Dasein bezieht, werden sich Wesen <strong>und</strong> Tiefe (seines<br />

religiösen Weltgefühles) bestimmen lassen. Denn ist des Menschen Verhältnis zur Kreatur,<br />

zunächst sehr allgemein gefasst, ein Gradmesser seiner Ehrfurcht vor dem Leben schlechthin, so<br />

muss es auch in irgendeiner Weise sinnenfällige <strong>und</strong> wesenhafte Merkmale seines<br />

Gottesverhältnisses umschliessen. Wo auch immer er in den numinosen Bannkreis fremden, dem<br />

eigenen seltsam fernen <strong>und</strong> doch so nah vertrauten Lebens getreten ist, da hat er aus dieser<br />

Berührung mit dem ganz Anderen, Nichtmenschlichen starke Impulse zur Entfaltung religiöser<br />

Kräfte <strong>und</strong> theologischer Reflexion empfangen. Das Phänomen des Lebens ist ihm zu einem<br />

religiösen Phänomen geworden. Im Mittelpunkt dieses Erfahrungsablaufes steht das Tier. Von<br />

hier aus erklärt sich die schwerwiegende, in den Einzelheiten gar nicht abzuschätzende Bedeutung,<br />

welche das Tier im weiten Bereich der Religionsgeschichte gewonnen hat.<br />

Dass der alttestamentliche Mensch an einem so wesentlichen <strong>und</strong> allgemeinen Antrieb zur<br />

Erfassung religiöser Erfahrungsinhalte keinen Anteil gehabt haben sollte, ist von vornherein<br />

nicht anzunehmen. Gleichwohl hat das für diesen Problemkreis aufschlussreiche Quellenmaterial<br />

des Alten Testamentes, soweit ich sehe, bisher wenig Beachtung gef<strong>und</strong>en, obwohl mannigfaltige<br />

Anregungen zu dessen Behandlung gegeben worden sind 1) .<br />

Bedenkt man, dass sich aus dem Verhältnis des Menschen zum Tier notwendig das Verständnis<br />

seines eigenen Seins im Umschluss des Lebens ergeben muss, dann wird man unschwer ermessen,<br />

welche Bedeutung die zahlreichen, sich auf <strong>Tiere</strong> beziehenden Erzählungen, Legenden <strong>und</strong> Sprüche<br />

im Bereich der religiösen Literatur haben. Sie sind die entscheidenden Quellen, aus denen wir<br />

erfahren, wie der Mensch je <strong>und</strong> dann sein eigenes Leben auf dasjenige seiner Umwelt bezog, ob er<br />

es ihm in magischem Sinne einordnete oder ob er sein Dasein in reflektierender Distanzierung von<br />

allem anderen Leben diesem nur zuordnete. Sie erteilen, indem sie vom Tier handeln, Auskunft<br />

über den Menschen, über sein Selbstbewusstsein <strong>und</strong> sein Weltgefühl, wenn er die Einheit alles<br />

Lebens noch empfand, über sein Selbstverständnis <strong>und</strong> sein Weltverständnis, wenn ihm der<br />

Abstand seines Lebens von jedem anderen schon bewusst war. Die im Alten Testament so reichlich


vorhandenen Tiermotive dürfen also keineswegs nur als verzierendes Beiwerk gelten, welches mit<br />

Recht ein von Wissenschaft <strong>und</strong> Verkündigung unbeachtetes Winkeldasein führt.<br />

Nun sind sie freilich so mannigfaltig <strong>und</strong> so durchaus verschiedenartiger Natur, dass es geboten<br />

erscheint, aus der Fülle des Materials eine beschränkende Auswahl zu treffen. Sie soll in der Weise<br />

vollzogen werden, dass nur diejenigen Äusserungen zur Verhandlung kommen, an denen die<br />

angedeuteten Momente klar in Erscheinung treten, an denen sich also die Art <strong>und</strong> die Intensität des<br />

religiösen Bewusstseins ihrer Urheber feststellen lässt. Ausser Betracht bleiben dann alle Gedanken<br />

<strong>und</strong> Vorstellungen, welche in irgendeinem Sinne als mythisch bezeichnet werden dürfen:<br />

Darstellungen, in denen das Tier als heiliges Wesen erscheint, das dem Bereich der Gottheit<br />

angehört 2) , dazu alle jene Stellen, wo es ins Gigantische gesteigert, zum Abbild <strong>und</strong> Symbol von<br />

Weltreichen 3) oder dämonischen Kräften im positiven oder negativen Sinn geworden ist 4) .<br />

Praktisch wird der Umkreis des zu betrachtenden Stoffes also eingeengt auf Motive, in welchen<br />

eine Bewertung des <strong>Tiere</strong>s als Partner <strong>und</strong> Begleiter menschlichen Lebens enthalten ist.<br />

2. TIER UND MENS<strong>CH</strong> ALS FREUNDE<br />

Ludwig Köhler hat einmal die Bemerkung gemacht, dass wir in der alttestamentlichen Literatur<br />

über »persönliche, fre<strong>und</strong>liche Beziehungen« zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier »nichts erfahren« 5) .<br />

Wenn dieses Urteil vorbehaltlos zuträfe, wäre das Bild des guten Hirten in PS. 23 schwerlich in der<br />

vorliegenden Form überliefert worden. Wie stark diese seinem Tier liebend verpflichtete Gestalt die<br />

Gemüter angesprochen haben muss, zeigt die Art, wie Jesus sie in seine Gleichnisreden aufnahm<br />

<strong>und</strong> auf seine Person bezog. Die Veranschaulichung des stärksten religiösen Phänomens, des<br />

gläubigen Vertrauens zu dem fürsorgenden Gott, mit einem Zug aus dem Bereich der Beziehung<br />

des Menschen zum Tier, wäre ohne ein lebhaftes Zuneigungsgefühl für dieses kaum möglich<br />

gewesen 6) . Aus der gleichen Voraussetzung ist 2. Sam. 12,1-10 die bekannte Parabel des Nathan<br />

gestaltet worden. Ein armer Mann hält sein einziges Lamm gleich einer Tochter, lässt es von seinem<br />

Bissen essen, aus seinem Becher trinken, an seinem Busen ruhen. Dieses rührende Idyll birgt den<br />

Kerngedanken des Gleichnisses, welcher darin liegt, dass der Reiche dem Armen nicht nur einen<br />

Geldwert, sondern einen Herzenswert entriss, als er ihm dieses Lamm nahm <strong>und</strong> für seine Zwecke<br />

tötete. Die Beziehung der Erzählung auf die hinterlistige Verführung der einzigen Frau eines<br />

Mannes lässt an solcher Deutung keinen Zweifel. Die gleichnishafte Abbildung innigster<br />

menschlicher Gemeinschaft durch ein Fre<strong>und</strong>schaftsverhältnis zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier konnte<br />

nur aus einem warmen Gefühl für dieses entstehen, <strong>und</strong> das spontane Aufbrausen des Königs, dem<br />

das im Rahmen der Gleichniserzählung Geschehene zur Rechtsbeurteilung vorgetragen wird, zeigt<br />

unzweideutig, dass die Verletzung solchen Gefühles als Frevel empf<strong>und</strong>en wurde. »Ein Kind des<br />

Todes ist der Mann, der das getan hat«, heisst es, obwohl nach dem Gesetz im Fall der geschilderten<br />

Schädigung nur Ersatz zu leisten gewesen wäre 7) . Aber für den Verlust des mit dem<br />

Tier vernichteten Herzenswertes kann kein Ersatz geleistet werden. So sollte es der Hörer<br />

empfinden, wie die Deutung der Erzählung auf die durch frevelhafte Verführung der Gattin<br />

zerstörte Ehe Urias bezeugt 8) . Die Bildgebung des Berichtes ist deutlich geprägt von einer starken<br />

Gefühlsnähe zum Tier. Diesem Empfinden entsprechend werden Ex. 23,12 die arbeitenden <strong>Tiere</strong>:<br />

Rind <strong>und</strong> Esel unter den Schutz des Gesetzes gestellt <strong>und</strong> in das Gebot kultischer Ruhehaltung<br />

einbezogen. Das geschieht nicht etwa um des Menschen willen, denn ausdrücklich wird formuliert:<br />

»Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun <strong>und</strong> am siebenten sollst du Sabbatruhe halten, , damit<br />

dein Rind <strong>und</strong> dein Esel ruhe... «Es ist auffallend <strong>und</strong> charakteristisch genug, dass ausgerechnet in<br />

der Spruchliteratur unter den nüchternen Regeln zur Gewinnung praktischer Lebensklugheit ein<br />

Satz steht, welcher aus der Art, wie sich ein Mensch seines <strong>Tiere</strong>s annimmt, den gültigen Massstab<br />

für dessen religiöse Bewertung zu gewinnen versucht. Prov. 12,10 preist den Gerechten als einen<br />

2/2


Mann, der die, , seiner Haustiere kenne, d. h. den Sitz ihrer Lebens- <strong>und</strong> Herzensbedürfnisse,<br />

während der Sinn des Gottlosen unbarmherzig <strong>und</strong> hart sei.<br />

Das Fre<strong>und</strong>schaftsverhältnis zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier ist also im Altertum nicht wesentlich<br />

anders gewesen als in der Neuzeit, <strong>und</strong> ein liebenswürdiges Detail im 5. <strong>und</strong> 11. Kapitel des Buches<br />

Tobit zeigt, dass schon der antike Mensch für seine Neigung zum Tier dessen liebende<br />

Anhänglichkeit an seinen Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Beschützer als beglückenden Lohn empfing. Als Tobias zu<br />

langer <strong>und</strong> gefahrvoller Reise aus dem Vaterhaus fortzieht, läuft sein H<strong>und</strong> mit ihm, <strong>und</strong> obwohl die<br />

weitere Darstellung des Tobitbuches das Interesse des Lesers auf schwerwiegende Reiseerlebnisse<br />

des Ausgezogenen ablenkt, wird doch nicht versäumt, bei der Schilderung der Heimkehr des Tobias<br />

noch einmal auf diesen H<strong>und</strong> zu verweisen, der seinem Herrn treulich gefolgt war <strong>und</strong> an seiner<br />

Seite wieder in dessen Vaterhaus einzieht.<br />

3. DIE EINHEIT VON TIER UND MENS<strong>CH</strong> IM<br />

UMS<strong>CH</strong>LUSS MAGIS<strong>CH</strong> RELIGIÖSEN WELTGEFÜHLES<br />

Nun wäre es freilich falsch, wenn man annehmen wollte, dass die Beziehung des antiken <strong>und</strong> des<br />

neuzeitlichen Menschen zur Tierwelt sich aus der gleichen Gefühlsvoraussetzung erklären liesse.<br />

Die beigezogenen Stellen scheinen solche Vermutung zwar nahezulegen. Doch die Tatsache, dass<br />

ihr Typus sich nicht ohne weiteres vermehren lässt, spricht wenig für ihre Richtigkeit. Zudem weist<br />

schon die Art der Einbeziehung des <strong>Tiere</strong>s in die Feiertagsruhe auf ein Moment, welches<br />

neuzeitlichem Empfinden mehr oder weniger fremd ist. Der antike, <strong>und</strong> das heisst, auch der<br />

alttestamentliche Mensch ältester erkennbarer Zeit empfand Tier <strong>und</strong> Mensch noch als wesenhaft<br />

zusammengehörig <strong>und</strong> von einem geheimnisvoll magischen Umschluss des Lebens umfangen, so<br />

dass noch keine scharf markierte Trennungslinie, sei es im Bereich seines Fühlens oder seines<br />

Denkens, eine Spaltung in dies Einheitsbewusstsein brachte. Dieser Mensch war erfüllt von dem<br />

Urbewusstsein eines geheimnisvollen Zusammenhanges aller beseelten Kreaturen, von einer Art<br />

instinktgeprägtem Wissen, dem sich die Einheit alles Lebens noch sicher erschloss. Das Phänomen<br />

dieses Weltgefühls ist mit der Bezeichnung unio magica 9) in seinem Gehalt andeutend umschrieben<br />

worden.<br />

In der alttestamentlichen Literatur ist der Schöpfungsbericht in Gen. 2, die Erzählung vom Urstand<br />

im Paradies, am stärksten gezeichnet von den Spuren solchen Lebensgefühles. Sie darf deswegen<br />

als das schönste Kapitel gelten, welches die heilige Schrift über das Verhältnis des Menschen zum<br />

Tier enthält. Hier hat intuitive Gewissheit untergründiger Verwandtschaft aller Lebewesen Mensch<br />

<strong>und</strong> Tier noch als ein einheitliches Ganzes umfasst. Zart <strong>und</strong> verhalten berichtet der Erzähler, wie<br />

beide füreinander geschaffen wurden, indem die Tierwelt in der Fülle ihrer Arten die Bestimmung<br />

empfing, den Menschen aus seiner Einsamkeit zu erlösen. Der Gott selbst führt ihm die um<br />

seinetwillen ins Leben gerufenen Geschöpfe zu, »um zu sehen, wie er sie benennen würde, <strong>und</strong><br />

ganz so, wie der Mensch sie benennen würde, sollte ihr Name sein«.<br />

Die sachliche Bedeutung dieses betont herausgestellten Motives liegt nicht in dem rein formalen<br />

Akt der Namengebung, noch weniger in der plastischen Hervorhebung einer Herrenstellung<br />

des namengebenden Menschen 10) . Hier gilt es zu bedenken, dass sich für antikes Empfinden im<br />

Vorgang der Benennung nicht nur die markierende Bezeichnung eines Gegenstandes oder<br />

Lebewesens vollzieht. Diese ist sogar mehr oder weniger untergeordneter Natur gegenüber der<br />

wesenhaften Erfassung des Genannten, die sich unter Ausrufung seines Namens ereignet. Das<br />

Gemeinte lässt sich einleuchtend verdeutlichen an einem genugsam bekannten Märchenmotiv, das<br />

nur aus einem noch vorhandenen Bewusstsein der Wesenhaftigkeit des Namens entstanden sein<br />

kann. »Gott sei Dank, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiss« jubelt ein hinterlistiger<br />

Kobold, der sich eines königlichen Kindes zu bemächtigen gedenkt <strong>und</strong> dessen sicher ist, dass der<br />

Königin die Findung seines Namens, die allein seine Absicht wirksam hindern könnte, nicht<br />

gelingen werde. In dem Augenblick jedoch, als er ihm entgegengerufen wird, ist die unheimliche<br />

3/3


Sphäre des Unberechenbaren, Dunklen, Unerkannten <strong>und</strong> Spukhaften durchbrochen. Der Kobold ist<br />

seiner Dämonie beraubt, denn durch die Ausrufung seines Namens wurde sein Wesen erfasst, in das<br />

helle Licht der Bewusstheit des Benennenden gezogen <strong>und</strong> dadurch die Gefahr, von dem<br />

Unberechenbaren überwältigt zu werden, gebannt.<br />

Name enthält also Mächtigkeit, <strong>und</strong> wo ein Name genannt wird, ist ein Gegenüber in seiner<br />

besonderen Mächtigkeit erkannt <strong>und</strong> auf das eigene Sein bezogen worden. In der Namengebung<br />

bek<strong>und</strong>et sich die Erfahrung eines Anderen, das in irgendeinem Sinne ein vertrautes Du ist.<br />

Spontane Benennung kann nur erfolgen, wo ein Gegenüber spontan erkannt wurde, wo Wesen vom<br />

gleichen Wesen ist, das sich sofort <strong>und</strong> mühelos erschliesst. Aus solcher Voraussetzung empfängt<br />

die Szene der Tierbenennung in Gen. 2 ein bedeutsames Schwergewicht. Der Erzähler legt Wert<br />

darauf festzustellen, dass der Mensch die <strong>Tiere</strong> ohne Zögern ruft. Er weiss ihre Namen, weil ihr<br />

Wesen ihm nicht fremd, sondern nah <strong>und</strong> vertraut ist, <strong>und</strong> so werden sie heissen, wie er sie genannt<br />

hat 11) .<br />

Die Bedeutung dieses Motives für das religiöse Welt- <strong>und</strong> Selbstbewusstsein des Menschen lässt<br />

sich in den Einzelheiten erst auf dem Hintergr<strong>und</strong> einer in Ex. 3,13 f. überlieferten Darstellung<br />

voll ermessen. Dort wird erzählt, dass Mose die ihm begegnende Gottheit nicht benennen kann. Er<br />

wird nicht zu sagen wissen, wie sie heisst, wenn die Seinen ihn nach ihrem Namen fragen sollten,<br />

<strong>und</strong> so muss der Gott selbst dem Erschrockenen seinen Namen k<strong>und</strong>tun. Das göttliche Wesen ist so<br />

fremd, so geheimnisvoll <strong>und</strong> unbegreiflich, dass der Mensch dieses ganz Andere, unheimlich<br />

Undurchschaubare nicht zu benennen vermag. Er kann nicht sagen, wer der Gott ist, darum kann er<br />

nicht sagen, wie er heisst. Göttliches Wesen erschliesst sich nur durch göttliche Selbstmitteilung, d.<br />

h., um ein Wort der Dogmatik zu gebrauchen, durch Offenbarung; <strong>und</strong> so empfängt Mose den<br />

Namen der Gottheit, weil er ihr Wesen nicht begreift <strong>und</strong> die Mächtigkeit des Gottes nicht in den<br />

Bereich eigener Wesenhaftigkeit zu ziehen vermag 12) . Schlechthin Wesensfremdes kann also nicht<br />

benannt werden.<br />

Erst von hier aus lässt sich die Bedeutung der Tierbenennung in Gen. 2 richtig erfassen. Der<br />

Mensch, so darf nunmehr geurteilt werden, weiss die Namen der <strong>Tiere</strong>, weil er in freudigem<br />

Erstaunen ihr Wesen erkennt, indem er es als ein zu sich gehörendes wahrnimmt. An diesem<br />

einfachen Motiv zeigt sich, dass der Erzähler das menschliche Sein noch in unbefangener<br />

Selbstverständlichkeit in den verborgenen Zusammenhang hintergründiger Gemeinsamkeit alles<br />

Erschaffenen einordnete. In der ganz als Einheit empf<strong>und</strong>enen Welt weist er dem Menschen seine<br />

Stätte an unter allen Kreaturen. Erfüllt von der Ahnung rätselhaft unergründlicher Verwandtschaft<br />

aller Lebewesen versteht er sich selbst in naiver Einfalt als ein Glied ihrer langen Reihe, ohne dass<br />

eine besondere Reflexion über den Wert des Menschen oder seine herausgehobene Stellung Raum<br />

gewinnt.<br />

Die Details des Schöpfungsberichtes in Gen. 2 erhärten diese Beobachtung in höchst sinnenfälligerweise<br />

durch die umständliche Beschreibung, wie Mensch <strong>und</strong> Tier zur , zum<br />

lebenden Wesen, gebildet wurden. Der Verfasser vermeidet auch hier sorgsam die Herausstellung<br />

irgendeines unterscheidenden Merkmales legt hingegen Wert auf die ausdrückliche Feststellung,<br />

dass sich der Gott des gleichen Stoffes, der Ackererde, bediente, um Mensch <strong>und</strong> Tier zu formen.<br />

Zwar fehlt bei der Erschaffung der <strong>Tiere</strong> der Zug, dass ihnen der Odem Gottes, durch den der<br />

Mensch das Leben empfing, mitgeteilt wird. Doch scheint dieser Mangel nur auf einem mehr oder<br />

weniger zufälligen Versäumnis des Verfassers zu beruhen, <strong>und</strong> man wird es dabei bewenden lassen<br />

müssen, denn das Lebensprinzip des <strong>Tiere</strong>s ist kein anderes als dasienige des Menschen, es ist<br />

lebendes Wesen, wie jener 13) . Was der Erzähler deuten will, ist also das Phänomen Leben,<br />

nur dieses allein, <strong>und</strong> indem er es in seiner Vielgestaltigkeit unter Einschluss des Menschen auf<br />

einen gemeinsamen Ursprung, das Schöpfungswerk Gottes zurückführt, erfasst er es als ein<br />

religiöses Phänomen. Hinter der einfachen Feststellung, dass Mensch <strong>und</strong> Tier als lebende Wesen<br />

von der Hand des Gottes geschaffen wurden, verbirgt sich ein ganz naives Bewusstsein<br />

untergründiger Zusammengehörigkeit <strong>und</strong> einheitlicher Herkunft aller beseelten Kreaturen. So<br />

4/4


verbinden Ursprung, Lebensprinzip <strong>und</strong> Wesen Mensch <strong>und</strong> Tier zu unauflöslicher Gemeinschaft<br />

<strong>und</strong> ihnen gegenüber steht der Gott als der ganz andere, Unbegreifliche, Nichtkreatürliche,<br />

Unbenennbare, der den Kreaturen das W<strong>und</strong>er des Lebens zuteilte. die Welterfahrung <strong>und</strong><br />

das Lebensgefühl, welche sich in dieser Darstellung ausprägten, sind noch ausschliesslich religiös<br />

bestimmt. Aus ihrer Sphäre muss sich ein unmittelbarer Zugang zu den innersten Bezirken der<br />

Anbetung eröffnet haben 14) .<br />

Man mag einwenden, das diese Interpretation durch den weiteren Verlauf der Darstellung in Gen. 2.<br />

entkräftigt werde. In der Tat stellt der Verfasser fest, dass die <strong>Tiere</strong> einen Zweck ihres Daseins nicht<br />

erfüllen konnten. Sie vermochten nicht, zu einer dem Menschen entsprechenden Hilfe zu werden.<br />

Gleichwohl gilt es zu beachten, dass die Perspektive, sie hätten es eigentlich sein sollen <strong>und</strong> auch<br />

wohl sein können, als Möglichkeit erfasst ist. Nirgends hat sich die intensive Gefühlsnähe zum Tier<br />

deutlicher ausgeprägt, dieses Einheitsbewusstsein, welches das eigene Dasein noch so fest <strong>und</strong><br />

wesenhaft mit dem des <strong>Tiere</strong>s verband. Liegt nun in der Konstatierung des Versagens der <strong>Tiere</strong> die<br />

halb ironische Feststellung, dass ihre Erschaffung ein fehlgeschlagener Versuch, ein der Korrektur<br />

bedürftiger Irrtum des Gottes war? Diese Meinung ist oft vertreten worden. Oder ist hier die erste<br />

Andeutung eines neu erwachenden Weltgefühles anderer Art wahrnehmbar, die Ahnung der<br />

tragischen Isolierung des Menschen im Bereich der Schöpfung? 'Oder sollte etwa gar dem<br />

Gedanken Ausdruck gegeben werden, dass die Entscheidung des Menschen ein Irrtum war, ein<br />

Frevel gegen den Gott, der ihm das Tier zur Gemeinschaft zuführte? Dann wäre der Mensch der<br />

Versagende gewesen 15) . Wollte der Verfasser das im nächsten Kapitel geschilderte Unheil des<br />

Falles aus dem Urstand, an dem er ein Tier entscheidend beteiligt sein lässt, mit solchem Versagen<br />

des Menschen vorbedeutsam erklären? Wir wissen es nicht. Doch kann die Erzählung<br />

hier abgründiger sein, als gemeinhin angenommen wird.<br />

Jedenfalls fühlte sich der Erzähler gedrungen, den Sachverhalt näher zu entfalten, dass sich eine<br />

dem Menschen entsprechende Hilfe nur innerhalb der eigenen Art findet. Der Ausruf freudiger<br />

Überraschung, mit dem der Mann die aus einem Teil seiner selbst ins Leben gerufene Frau begrüsst,<br />

weist eindeutig auf diesen Gedanken. »Dieses Mal endlich Bein von meinem Bein <strong>und</strong> Fleisch<br />

von meinem Fleisch; diese wird man , Männin, heissen, denn vom Mann ward sie genommen.<br />

« Wahrscheinlich begründet <strong>und</strong> erklärt diese Szene zunächst nur die Art, wie der Mensch sich in<br />

seinem Erdendasein vorfindet, nämlich als Mann <strong>und</strong> Frau. Dass sie als solche schon eine<br />

Isolierung des Menschen, seine Loslösung von den übrigen Kreaturen, in den Bericht von Gen. 2<br />

einzuführen bestimmt war, liegt nicht unmittelbar nahe. Sicher aber ist sie Hinweis darauf, dass sich<br />

die Entsprechung, die Hilfe, die der Gott dem Menschen geben wollte, nur innerhalb der eigenen<br />

Gattung zu realisieren vermag. Nun interpretiert der Verfasser das Moment »entsprechende Hilfe«,<br />

welches sich sehr weit, vor allem auch geistig hätte fassen lassen, in durchaus naturhafter Weise.<br />

Der Mann wird seinen Vater <strong>und</strong> seine Mutter verlassen <strong>und</strong> seiner Frau anhangen, <strong>und</strong> sie werden<br />

ein Fleisch werden. Dieses anscheinend nur beiläufige Motiv ist beachtenswert, zeigt es doch,<br />

dass der Erzähler kein den Menschen vom Tier unterscheidendes Merkmal hervorheben wollte.<br />

Gerade hier wäre ein solches zu erwarten gewesen. Statt dessen erwähnt er ein Moment, was<br />

den Menschen in stärkster <strong>und</strong> erdhaftesterweise mit dem Tier eint. Die Szene der Begegnung mit<br />

der Frau lässt also kein anderes Lebensgefühl wahrnehmen als diejenige der Begegnung mit<br />

den <strong>Tiere</strong>n 16) . Sie ist gleich jener erfüllt von der religiösen Gewissheit göttlicher Setzung alles<br />

sinnhaft kreatürlichen Daseins, von dem Mensch <strong>und</strong> Tier in gleicher Weise umfangen sind. Die<br />

Erzählung ruht in einem einheitlichen religiösen Weltgefühl. Sie ist, man kann fast sagen,<br />

problemlos. Als reiner Ausdruck der Wahrnehmung dessen, was ist, aus dem Gr<strong>und</strong>e dieses<br />

Weltgefühles enthält sie die Deutung alles Erfahrenen als Wille <strong>und</strong> Werk des Gottes. Die Haltung,<br />

aus welcher der Verfasser schrieb, ist die der Anbetung. Im folgenden Kapitel, Gen 3 berichtet der<br />

Erzähler, wie das Tier, zum engsten Lebensbereich des Menschen gehörend, auch dessen Geschick<br />

in Paradies <strong>und</strong> Verdammung, teilt. Das in diesem Zusammenhang überlieferte Gespräch zwischen<br />

der Frau <strong>und</strong> der als Verführer auftretenden Schlange trägt noch deutliche Spuren des Bewusstseins<br />

einer rätselhaften Verb<strong>und</strong>enheit aller Kreaturen im Bereich der sittlichen Entscheidung. Ihre<br />

5/5


Einheit in Gut <strong>und</strong> Böse vor dem Angesicht des richtenden Gottes erscheint als ein wesentliches<br />

Merkmal ihres paradiesischen Zustandes. Der Erzähler gestaltet seinen Bericht aus der<br />

Voraussetzung, dass dieses das edelste Zeichen ihrer gemeinsamen Gottesnähe war. In solcher<br />

Gemeinschaft reden Mensch <strong>und</strong> Tier miteinander, sie verstehen sich.<br />

Unmittelbare Gefühls- <strong>und</strong> Bewusstseinsnähe zum Tier ist in diesem Motiv lebendig erhalten. Es ist<br />

noch ein starkes Empfinden dafür da, dass es so sein sollte. Doch es ist nicht mehr so, <strong>und</strong> diese<br />

Tatsache wird als schmerzlicher Mangel erfahren, auf den sich das bohrende Fragen des<br />

erwachenden Verstandes richtet. Missbraucht in dunkler Schuldverflechtung - so berichtet der<br />

Erzähler weiter - ging gegenseitiges Verstehen, das Anzeichen vertrauter Gemeinschaft zwischen<br />

Mensch <strong>und</strong> Tier, mit dem gemeinsamen Sturz aus paradiesischem Urstand für immer verloren. Der<br />

Verlust dieses Teiles der Schöpfungseinheit ist nunmehr das Merkmal ihres weiteren Daseins. Es<br />

wirkt sich aus in dem Erfahrungsbef<strong>und</strong>, den jeder kennt, in dem verwirrenden Widereinander<br />

gegenseitigen Kampfes, in welchem sie sich seit Menschengedenken vorfinden.<br />

An solchen Motiven ist das alle Kreaturen umschliessende Einheitsbewusstsein zwar noch<br />

wahrnehmbar, doch kündigt sich daneben schon das erwachende Eigenbewusstsein des Menschen<br />

an, welches ihn innerhalb der Schöpfung vereinsamen <strong>und</strong> isolieren wird. Er weiss sich vom Tier<br />

getrennt, aber diese Trennung wird empf<strong>und</strong>en als etwas Widersinniges, ursprünglicher Ordnung<br />

Fremdes. Sie wird darum gedeutet als das bittere Ergebnis gemeinsamen Falles aus der Einheit mit<br />

Gott, als eine Mensch <strong>und</strong> Tier auferlegte Strafe des erzürnten Gottes, verhängt in dem schaurigen<br />

Fluch, der ewige Feindschaft zwischen dem Samen der Frau <strong>und</strong> der Schlange setzte. Hier sind die<br />

ersten Anzeichen eines neuen <strong>und</strong> anderen Weltgefühles verborgen, die Ahnung, dass der Mensch<br />

sich aus dem Schöpfungsumschluss absondern <strong>und</strong> den Lebenszusammenhang mit ihm verlieren<br />

wird.<br />

4. DAS ERWA<strong>CH</strong>EN RATIONALEN SELBSTBEWUSSTSEINS<br />

UND DIE S<strong>CH</strong>EIDUNG DES MENS<strong>CH</strong>EN VOM TIER<br />

Wer sich von Gen. 2 <strong>und</strong> 3 dem ersten Schöpfungsbericht in Gen. 1 zuwendet, tritt in eine andere<br />

Welt ein. In der Tat sollte es w<strong>und</strong>ernehmen, wenn dem nicht so wäre, ist dieses Kapitel doch<br />

nachweislich mehrere Jahrh<strong>und</strong>erte jünger als die soeben betrachteten. Schon dem oberflächlichsten<br />

Leser wird es auffallen, dass hier keine Erzählung vorliegt, sondern eine nach wissenschaftlichem<br />

Ordnungsgesetz entfaltete Darstellung. Sie verrät in ihrer nahezu juristischen Präzision deutlich ein<br />

lehrhaftes Interesse. Auf der Basis eines exakten Schemas entwickelt der Verfasser den Vollzug der<br />

Schöpfung im Rahmen eines Sechstagewerkes unter genauer Einhaltung des Prinzipes, dass<br />

Niederes vor Höherem entsteht. In dieses Schema ist die Erschaffung der Tierwelt eingeordnet <strong>und</strong><br />

nur einmal durch die segnende Anrede des Gottes an die Fische <strong>und</strong> Vögel im Gleichmass des<br />

Berichtes entscheidend akzentuiert. Doch wird dieses Motiv, das ein bedeutsames hätte sein<br />

können, sofort wieder fallen gelassen <strong>und</strong> im Hinblick auf die den Erdboden bevölkernden <strong>Tiere</strong><br />

nicht wiederholt. War das Zufall oder Absicht <strong>und</strong> welche Bedeutung sollte der Leser dem allzu<br />

flüchtigen Auftauchen dieses unterscheidenden Merkmales beimessen? Hätte er nicht mit Bezug auf<br />

diejenigen <strong>Tiere</strong>, die als Haustiere, in besondererweise in das Gemeinschaftsleben des<br />

Menschen einbezogen zu sein pflegen, eine Bemerkung erwarten sollen, welche geeignet gewesen<br />

wäre, diese Gemeinschaft irgendwie herauszustellen? Aber gerade hier zeigt sich der Verfasser<br />

auffallend reserviert, vermeidet er es doch auch, die Entstehung, dieser dem Menschen besonders<br />

nah vertrauten <strong>Tiere</strong> wie die der Seetiere <strong>und</strong> Vögel mit dem für göttliches Schaffen gebräuchlichen<br />

Stichwort einzuführen. Von ihnen heisst es nur - fast beiläufig -, dass die Erde sie hervorgebracht<br />

habe, <strong>und</strong> man wird dieses Motiv schwerlich anders als im Sinne einer Scheidung des<br />

<strong>Tiere</strong>s von dem auf ganz andere Weise in die Welt eintretenden Menschen deuten dürfen 17) .<br />

Bleibt hier das Verhältnis des Menschen zum Tier <strong>und</strong> sein religiöser Sinn in schattenhaftem<br />

Dunkel verborgen, so tritt die pointierte Heraushebung des Menschen aus dem Bereich der<br />

6/6


übrigen Schöpfung in desto helleres Licht. Schon die Tatsache, dass die Menschwerdung in der<br />

Verfolgung des Entwicklungsprinzipes vom Niederen zum Höheren den Abschluss des<br />

Schöpfungswerkes bildet, also offenbar als dessen Krönung <strong>und</strong> Vollendung empf<strong>und</strong>en wurde, ist<br />

bedeutsam. Auch die bekannte Eröffnung dieses Schlussaktes der Schöpfung mit dem markierenden<br />

Wort: »Lasst uns Menschen machen nach unserem Bilde!« bereitet den Leser auf etwas<br />

Aussergewöhnliches vor. Diese Momente weisen auf ein ausgeprägtes Eigenbewusstsein des<br />

Menschen. Er weiss sich vom Tier geschieden, empfindet sich als prinzipiell andersartig <strong>und</strong> sucht<br />

nach entsprechenden Ausdrücken, Vorstellungen <strong>und</strong> Bildern, die diesem Bewusstsein<br />

hinreichenden Ausdruck verleihen können. Das Tier ist , lebendes Wesen, <strong>und</strong> nur solches;<br />

der Mensch hingegen ist mehr, er allein ist <strong>und</strong> Abbild des Gottes. Die Frage, was mit<br />

dieser Bezeichnung im einzelnen gemeint sei, darf in diesem Zusammenhang auf sich beruhen. Für<br />

das hier zu verhandelnde Problem ist sie jedenfalls ein deutliches Anzeichen bewusst vollzogener<br />

Distanzierung von der Welt des <strong>Tiere</strong>s. Der Mensch ist anderes <strong>und</strong> mehr als das Tier, <strong>und</strong><br />

dementsprechend wird es seine Aufgabe sein, dieses zu beherrschen. Der Empfang des göttlichen<br />

Segens ist Erteilung einer Herrenstellung. Das Lebens- <strong>und</strong> Weltgefühl des Menschen hat sich dem<br />

an Gen. 2 <strong>und</strong> 3 wahrnehmbaren gr<strong>und</strong>sätzlich gewandelt. Der Mensch steht nicht mehr auf der<br />

Seite des <strong>Tiere</strong>s <strong>und</strong> mit diesem dem Gott gegenüber. Wollte der Verfasser sagen, dass er auf der<br />

Seite des Gottes stehe? Er drückt das nicht aus, aber man fühlt, das menschliche Selbstbewusstsein<br />

hat zum Höhenfluge angesetzt.<br />

Jedenfalls ist dem schon von einem stark rationalen Moment durchdrungenen Lebensgefühl des<br />

theologischen Denkers, der Gen. 1 aufzeichnete, das Tier als ein dem Menschen wesenhaft<br />

zugehöriges Geschöpf so gut wie völlig entrückt. Das alle Kreaturen umfassende<br />

Einheitsbewusstsein hat sich aufgelöst. Das zeigt sich nirgends deutlicher als an den harten, man<br />

möchte fast sagen brutalen Ausdrücken, mit welchen die Weisung zur Unterwerfung der Erde <strong>und</strong><br />

der Tierwelt formuliert ist: tretet unter die Füsse, tretet nieder, eine Vokabel, die gelegentlich<br />

auch für das Keltertreten verwandt wird. Allein diese Wortwahl ist aufschlussreich. Der<br />

Mensch, der Niedertreter, der Schrecken aller Kreaturen - ein Motiv, welches an anderer Stelle noch<br />

einmal auftreten wird. Hier ist es nur angedeutet, ohne dass ein negativer Akzent darauf ruht; als<br />

Ausdruck des stolzen Bewusstseins unbeschränkter Überlegenheit des Menschen über die Welt der<br />

übrigen Kreaturen wird man die Worte gleichwohl verstehen dürfen. Diese Details, welche im<br />

Rahmen einer gewaltigen Konzeption universaler Glaubensgewissheit als nebensächlich erscheinen<br />

mögen, sind doch ein beredtes Zeugnis dafür, dass der Verfasser von Gen. 1 schon ein kräftiges,<br />

von der ratio gespeistes Eigenbewusstsein hatte, welches ihn drängte, in seiner Darstellung den<br />

Menschen von der Tierwelt zu distanzieren. Das Gefühl der Gemeinschaft <strong>und</strong> der Zusammengehörigkeit<br />

mit dieser ist der klaren Erfassung des eigenen Seins gewichen. Indem der Darsteller im<br />

Rahmen seines Schöpfungsberichtes dessen religiöse Deutung zu fixieren sucht, tritt er selbst aus<br />

der Reihe der übrigen Kreaturen heraus: betrachtend, kritisch, wissenschaftlich abwägend, fragend,<br />

was sie seien <strong>und</strong> was er selbst sei vor dem Angesicht Gottes. War in Gen. 3 dem Menschen die<br />

Scheidung von der Tierwelt zwar bewusst, aber doch schmerzlich bewusst als etwas, was nicht sein<br />

sollte, so ist sie in Gen. 1 vollständig vollzogen, ohne dass der Verfasser in diesem Faktum ein ihn<br />

bedrängendes Problem sieht. In Gen. 9, einem Kapitel, welches der gleichen Quellenschicht wie<br />

Gen. 1 angehört, wird sie im Rahmen der Erzählung von der Errichtung des Noahb<strong>und</strong>es als<br />

vollendete Tatsache hingenommen in dem beglückenden Bewusstsein der Herrschaft des Menschen<br />

über alle Kreaturen. Furcht <strong>und</strong> Schrecken vor ihm soll hinfort über allen <strong>Tiere</strong>n liegen, in seine<br />

Hand sind sie gegeben als Jagdbeute <strong>und</strong> Nahrung 18) .<br />

5. DIE NA<strong>CH</strong>WIRKUNG DER EINHEIT VON TIER UND MENS<strong>CH</strong> IN DER<br />

ZIVILRE<strong>CH</strong>TLI<strong>CH</strong>EN UND KULTIS<strong>CH</strong>EN GESETZGEBUNG, IN LYRIK UND PROPHETIE<br />

Legt man sich die Frage vor, welche dieser beiden Anschauungen stärkere religiöse Triebkräfte<br />

ausgelöst hat, so lässt sich unschwer eine reiche Nachwirkung der älteren Darstellung, ihrer<br />

7/7


Gefühls- <strong>und</strong> Wesensnähe zum Tier feststellen. Die theologische Reflexion über die Herrenstellung<br />

des Menschen <strong>und</strong> die bewusst vollzogene Distanzierung von allen anderen Geschöpfen sind<br />

hingegen mehr oder weniger auf Gen. 1 <strong>und</strong> Ps. 8 beschränkt geblieben, wie es scheint, ein Beweis<br />

dafür, dass die Ausrichtung des Denkens <strong>und</strong> Fühlens auf das eigene Sein selbst dann, wenn sie<br />

vom Gottesgedanken aus vollzogen wurde, keine lebenskräftigen religiösen Antriebe zu entbinden<br />

vermochte. Nur wo die Weite der kreatürlichen Welt <strong>und</strong> das menschliche Dasein in lebensvoller<br />

Wechselwirkung aufeinander bezogen blieben, wo also auch die Nähe des <strong>Tiere</strong>s den Menschen als<br />

reale Mächtigkeit begleitete, da eröffneten sich immer neue Perspektiven für die Erfassung geistiger<br />

<strong>und</strong> religiöser Gehalte.<br />

Es sei zunächst an einigen Beispielen gezeigt, wie sich das an Gen. 2 <strong>und</strong> 3 wahrgenommene<br />

Weltgefühl im Lebensumschluss des von ihm geprägten Menschen praktisch auswirkte. Das<br />

Bewusstsein der nahen Zusammengehörigkeit von Mensch <strong>und</strong> Tier hat seinen markantesten<br />

Ausdruck im Bereich kultischer <strong>und</strong> zivilrechtlicher Gesetzgebunz gef<strong>und</strong>en. An der juristisch<br />

fixierten Einbeziehung des <strong>Tiere</strong>s in die menschliche Gesellschaft erweist sich die Gestaltungskraft<br />

dieses Weltgefühles. Sie tritt wohl am eindrücklichsten in Erscheinung in einigen Ex. 21,28 ff.<br />

überlieferten kriminalrechtlichen Gesetzen. Diese enthalten im Rahmen eines einfachen bäuerlichen<br />

Verhältnissen angemessenen Zivilrechtes eine Reihe von Verordnungen zur Regelung des Kriminalverfahrens<br />

für den Fall, dass ein Mann oder eine Frau durch ein Rind zu Tode gestossen wurde.<br />

Das Gesetz erkennt auf Todesstrafe durch Steinigung, die das Tier trifft, während der Besitzer<br />

straflos bleibt. Durch diese Bestimmung, welche das Institut des Tierprozesses voraussetzt, werden<br />

Mensch <strong>und</strong> Tier im Bereich des Rechtslebens nahezu gleichgestellt 19) . Das Tier trägt die Last<br />

seiner Verschuldung wie der Mensch <strong>und</strong> steht unter denselben Gesetzen wie er. Der Urteilsspruch<br />

der Gottheit über die Schlange, welche im Paradies das erste Menschenpaar zur Auflehnung gegen<br />

das göttliche Gebot verführte, zeigt das gleiche Rechtsempfinden. In wie hohem Masse dieses auf<br />

einem echten, Mensch <strong>und</strong> Tier umfassenden Gemeinschaftsbewusstsein beruhte, geht daraus<br />

hervor, dass dem Tier auch Rechte zuerkannt werden. Seine Rechtsstellung ist derjenigen<br />

des Sklaven <strong>und</strong> Beisassen, des , angeglichen. In dem schon erwähnten Gebot der Sabbatruhe<br />

Ex. 23,12 sind Rind <strong>und</strong> Esel sogar dem in Abhängigkeit dienenden <strong>und</strong> lebenden Menschen<br />

vorgeordnet. Hat das Haustier an der Festtagsruhe Anteil, so soll dem freilebenden Wild im<br />

Sabbatjahr gleich dem Armen der Ertrag des Feldes zugute kommen 20) . Dem arbeitenden Rind<br />

steht ein von ihm selbst bemessenes Kontingent an dem Ertrag der Ernte zu, bei deren Einbringung<br />

es beteiligt ist. »Du sollst dem dreschenden Ochsen keinen Maulkorb anlegen«, bestimmt<br />

das Gesetz Dt. 25,4, d. h., dem beim Drusch über das Getreide getriebenen Tier wird nichts<br />

Geringeres zuerkannt als die Freiheit, sich an der neuen Ernte seinem Bedürfnis entsprechend zu<br />

sättigen 21) . Mit Stolz wird in der rabbinischen Tradition betont, dass es eben dieses Gesetz sei,<br />

durch welches sich Israel von den Völkern der Welt unterscheide. Ein stärkeres Zeugnis für seine<br />

Popularität noch in späterer Zeit lässt sich schwerlich denken, freilich auch kein stärkeres Zeugnis<br />

für die liebende Bewahrung tierlicher Rechte, hat doch gerade diese Verordnung eine reiche<br />

Diskussion angeregt, aus der hervorgeht, dass man keine Erweichung duldete, Übertretung mit<br />

Geisselhieben ahndete <strong>und</strong> beim Dreschen des für die Gottheit bestimmten Zehnten dem Tier das<br />

Seine durch das Umhängen eines Futterkorbes sicherte, eine Bestimmung, an welche sich der<br />

rührende Vorschlag knüpft, man möge ihn mit Wicken füllen, da »diese dem Tier lieber als alles<br />

andere« seien 22) .<br />

Das Tier steht also unter dem Schutz des Gesetzes wie der rechtsschwache Mensch <strong>und</strong> wird wie<br />

jener kraft gültigen Rechtssatzes vor Ausbeutung 23) <strong>und</strong> Hunger bewahrt. Die genannten Verordnungen<br />

gehören dem ältesten Quellengut des Alten Testamentes an. Sie sind ein überzeugendes<br />

Beispiel dafür, wie unmittelbar der antike Mensch die Nähe des <strong>Tiere</strong>s erfuhr. Sein Selbstgefühl hat<br />

noch keine unübersteigbare Schranke zwischen den Kreaturen aufgerichtet, weil das Geheimnis<br />

nicht zu erklärender <strong>und</strong> doch vorhandener Gemeinsamkeit seinem Bewusstsein noch lebenskräftig<br />

gegenwärtig ist. Und so empfängt das Tier als ein dem Menschen nah verwandtes Wcsen auch im<br />

Gemeinschafts- <strong>und</strong> Rechtsleben seine Stätte an dessen Seite.<br />

8/8


Dass sich die Nähe zum Tier unter Umständen auch in fragwürdiger Weise auswirken konnte, zeigt<br />

das Verbot der Tierbegattung, welches, aus ältesten Überlieferungsschichten stammend 24) , bis in<br />

die Zeit priesterlicher Gesetzesbearbeitung tradiert worden ist 25) . Die zähe Bewahrung dieses<br />

Verbotes in der Rechtsüberlieferung lässt darauf schliessen, dass praktische Gründe für seine<br />

lange Erhaltung vorhanden gewesen sein müssen. Welcher Art sie waren, ist nicht mehr mit<br />

Sicherheit feststellbar, wahrscheinlich darf mit einem gewissen Recht an die Abwehr heidnischer<br />

Kultbräuche gedacht werden. Doch wird nicht nur diese allein massgebend für seine Ausformung<br />

gewesen sein. Bedenkt man, dass in ältester Zeit die Grenze zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier, ja selbst<br />

zwischen Mensch, Tier <strong>und</strong> Gott auch im physischen Sinne als fliessend empf<strong>und</strong>en wurde - man<br />

vergegenwärtige sich etwa nur den allgemein bekannten Zug griechischer Sage, wie Zeus sich in<br />

Tiergestalt irdischen Frauen naht, oder aus dem Bereich ucaritischer Mythologie die Liebe des<br />

Gottes Aliyan Baal zu einer jungen Kuh 26) , so wird man urteilen dürfen, dass sich in solchem<br />

Verbot auch die klare Bewusstwerdung der Artunterschiede durchgesetzt hat. Deren deutliche<br />

Erfassung vollzog sich nunmehr ebensosehr unter religiösem Gesichtspunkt wie sich einst ihre<br />

schwankenden Beziehungen zueinander religiös auswirkten. Die verschiedenen Gattungen werden -<br />

einmal als solche erkannt - als Tabubezirke erfahren, deren Grenzüberschreitung den Tod nach sich<br />

ziehen musste. Nur aus dieser Voraussetzung lässt sich die Lev. 20,15 f vorgesehene harte Ahndung<br />

verbotener Beziehungen zum Tier mit dem Tode der Beteiligten einigermassen erklären. An<br />

diesem Punkt ist in der Tat eine scharfe Trennung von Mensch <strong>und</strong> Tier vollzogen worden, deren<br />

Begründuno, in Gen. 2 in dem Motiv enthalten ist, dass der Mann die ihm entsprechende Hilfe nur<br />

in einer Artgenossin erkennt. Diese Scheidung vom Tier ist freilich in den Gesetzen Ex. 22,18; Dt.<br />

27,21 <strong>und</strong> Lev. 18,23; 20,15 ebensowenig prinzipiell wesenhafter Natur wie in jener Erzählung,<br />

sondern eben eine solche der Arten, was ganz deutlich daraus hervorgeht, dass die gleiche<br />

Scheidung der Gattungen auch im Tierreich, ja sogar in der Pflanzenwelt streng gewahrt bleibt<br />

<strong>und</strong> gesetzlich geschützt ist. Zweierlei Arten von Haustieren dürfen nicht miteinander gepaart<br />

werden 28) , selbst Rind <strong>und</strong> Esel nicht an einem Gespann pflügen 29) , denn Artmischung ist ein<br />

Sakrileg, Durchbrechung gottgesetzter Ordnung 30) . Dass diese Grenze zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier<br />

durch ein ausdrückliches Verbot ihrer Überschreitung sanktioniert werden musste, ist ein<br />

bedeutsames Anzeichen für die noch empf<strong>und</strong>ene wesenhafte Nähe zum Tier wie für die massiven,<br />

bis ins Naturhafte abirrenden Konsequenzen, zu welchen sie gelegentlich geführt hat.<br />

Vielleicht darf in diesen Zusammenhang noch eine andere Verordnung einbezogen werden: das<br />

Gesetz der Auslösung menschlicher Erstgeburt durch ein Tieropfer, gleichfalls im Rahmen ältesten<br />

Quellengutes Ex. 34,20 überliefert 31) . In der Ex. 22,28 erhaltenen Forderung der menschlichen<br />

Erstgeburt als Gabe an den Gott ist die ursprüngliche Opfervorstellung noch deutlich erhalten. Sie<br />

beruht auf dem Gedanken eigener Lebenshingabe. Der Opfernde muss in irgendeinem Sinne einen<br />

Teil seiner selbst darbringen, um durch solche Lebenshingabe die Lebensbeziehung mit der Gottheit<br />

zu wahren 32) . Die Verordnung, dass Tierleben als gültiges Äquivalent für Menschenleben geopfert<br />

werden darf, basiert, so scheint es, auf dem Bewusstsein engster Wesensgemeinschaft von Mensch<br />

<strong>und</strong> Tier. Auf Gr<strong>und</strong> solcher Voraussetzung konnte die Auslösung des einen durch das andere noch<br />

in naiver Selbstverständlichkeit als zulässig empf<strong>und</strong>en werden 33) . Die bekannte Erzählung von der<br />

Opferung Isaaks Gen. 22, hat diese Zusammenhänge noch hintergründig bewahrt, desgleichen<br />

die dramatische Schilderung, wie Jonathan, der Sohn Sauls, an einem heissen Kampftag ahnungslos<br />

das Fastengelübde bricht, welches sein Vater für sich <strong>und</strong> das ganze Heer abgelegt hatte 34) . Der<br />

Königssohn wäre dem Tode verfallen gewesen. Doch das Volk will den Sieger des Tages nicht<br />

geopfert sehen. »Da«, so heisst es, »löste das Volk Jonathan aus, so dass er nicht sterben musste.«<br />

Es ist anzunehmen, dass diese Auslösung im Sinne von Ex. 34,20 zu verstehen ist. Ein Tier stirbt<br />

statt seiner, sein Leben vertritt das Leben Jonathans.<br />

Auffallenderweise findet sich nirgends eine Erwägung über das unendliche Leid, welches durch<br />

solche Stellvertretung <strong>und</strong> durch die Opferpraxis überhaupt über die Tierwelt gebracht wurde,<br />

wie ja auch im Rahmen des Sintflutberichtes der Untergang der <strong>Tiere</strong> um des Menschen willen<br />

9/9


dargestellt wird, ohne dass dem Verfasser das Phänomen als solches ein Problem gewesen zu sein<br />

scheint.<br />

Die vermutlich priesterliche Bemerkung, die Gottheit habe »alles Fleisch« für verderbt bef<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> deswegen sein Ende beschlossen 35) , ist ganz <strong>und</strong>urchsichtig, <strong>und</strong> es muss wohl eine offene<br />

Frage bleiben, ob man sie als Ausdruck der Vorstellung einer sittlichen Verantwortung der <strong>Tiere</strong>,<br />

also als Begründung ihrer gerechten Verurteilung verstehen darf, wie manche Interpreten gemeint<br />

haben. Das für die Tierwelt so verhängnisvolle Gesetz ihrer Solidarität mit dem Menschen ist in<br />

diesem Satz jedenfalls als Erfahrungsbef<strong>und</strong> fixiert, <strong>und</strong> vielleicht hat der Erzähler in Gen. 3 mit<br />

dem Schlangenmotiv eine religiöse Begründung solcher tragischen Verknüpfung tierlichen <strong>und</strong><br />

menschlichen Geschickes bieten wollen. Das Schweigen der Quellen zu dem bedrückenden<br />

Problem tierlichen Leides um des Menschen willen mutet fast so an wie ein Erweis dessen, dass<br />

Tier <strong>und</strong> Mensch auch an diesem Punkt als unaufhebbare Einheit vor dem Angesicht der Gottheit<br />

empf<strong>und</strong>en wurden. Vielleicht war es das sachliche Schwergewicht solcher Anschauung, welches<br />

die überlieferten Aussagen so <strong>und</strong>urchlässig für gefühlsbetonte Motive machte. Mensch <strong>und</strong> Tier<br />

gehören dem Gott <strong>und</strong> sind durch dieses religiöse Faktum über alle naturhaften Gegebenheiten<br />

hinweg schicksalhaft <strong>und</strong> stellvertretend aneinander geb<strong>und</strong>en.<br />

Man sieht an solchen Zusammenhängen, wie nachhaltig sich das an Gen. 2 <strong>und</strong> 3 wahrgenommene<br />

Lebensgefühl ausgewirkt hat <strong>und</strong> in welchem Masse es alle Kreaturen als dem Gott angehörig <strong>und</strong><br />

vor ihm gleichwertig umschloss. Der neuzeitliche Mensch findet von seinem Weltgefühl aus,<br />

welches ihn mehr in die Breite als in die Tiefe führt, nur schwer einen Zugang, zu solchen<br />

Phänomenen. Die Welt des antiken, <strong>und</strong> das heisst, auch des alttestamentlichen Menschen war<br />

gewiss kleiner als die unsrige, aber sie war abgründiger <strong>und</strong> an jedem Teile mittelpunktsbezogen.<br />

Er erfuhr sie ganz als Welt Gottes <strong>und</strong> er selbst fand sich in ihr vor als Teil gleich anderen Teilen,<br />

als Kreatur Gottes in sie eingefügt <strong>und</strong> unauflöslich mit allen anderen Kreaturen verb<strong>und</strong>en. Die<br />

Beziehung zum Tier, welche für den neuzeitlichen Menschen weithin nur noch eine blasse Idee ist<br />

oder Ornamentik zum Schöpfungsgedanken, bestenfalls ein Gefühl, erschloss sich ihm als<br />

lebensvolle Realität, zwingend, unausweichlich <strong>und</strong> darum zur Anbetung nötigend.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist das Tier für das Weltgefühl des alttestamentlichen Menschen dem Gott in<br />

ganz realem Sinne nicht ferner als er selbst. Die Vorstellung, dass auch das Tier der Gottheit nahe<br />

sei, hat vor allem in der Sphäre des Gebetes lebenskräftige religiöse Impulse ausgelöst, doch ist sie<br />

auch in einer grossen Anzahl später literarischer Quellen höchst anschaulich wirksam geworden: in<br />

den von Priesterhand stammenden Teilen des Flutberichtes, in zahlreichen Psalmen, im 39. Kapitel<br />

des Hiobbuches <strong>und</strong> an einigen Stellen der gleichfalls jungen Bücher Joel <strong>und</strong> Jona. Der Gott<br />

gedenkt der <strong>Tiere</strong>, wie er des Menschen gedenkt, als die Schrecken der Sintflut über die Erde<br />

hereinbrechen <strong>und</strong> die wenigen Überlebenden in der Arche auf den Fluten dahintreiben. Er errichtet<br />

seinen B<strong>und</strong>, der für alle Zukunft eine Wiederholung einer solchen Katastrophe ausschliessen soll,<br />

nicht nur mit dem Menschen, sondern mit allen Lebewesen: mit den Vögeln, den Haustieren <strong>und</strong><br />

allen anderen <strong>Tiere</strong>n der Erde, denn die göttliche Barmherzigkeit gilt allen Kreaturen 36) . Der<br />

Schluss des kleinen Jonabüchleins hat diesem Gedanken wohl den rührendsten <strong>und</strong> ergreifendsten<br />

Ausdruck verliehen. Ninive, die Grossstadt, soll durch prophetische Predigt vor verderblichem<br />

Untergang bewahrt werden, weil in ihr 120’000 Menschen sind ... <strong>und</strong> viele <strong>Tiere</strong>, die der Gott<br />

gleich jenen erretten will 31) . Denn sein ist das Wild des Waldes <strong>und</strong> das Vieh auf den Bergen, er<br />

kennt alle Vögel des Himmels <strong>und</strong> alle <strong>Tiere</strong> des Feldes 38) . Das Tier steht im Schutze der Gottheit<br />

wie der Mensch <strong>und</strong> empfängt gleich ihm seine Nahrung aus der Hand seines Schöpfers, die allem<br />

Fleisch Brot gibt 39) , den Haustieren nicht weniger wie den jungen Raben, die danach rufen 40) , oder<br />

den Junglöwen, die brüllend ihre Nahrung von ihm erheischen 41) . Sie alle, Mensch <strong>und</strong> Tier, warten<br />

auf ihn, dass er ihnen ihre Nahrung zu seiner Zeit gebe: gibt er ihnen, so nehmen sie, tut er seine<br />

Hand auf, so werden sie satt mit Gut 42) . Schrecken erfasst sie alle, wenn er sein Angesicht verhüllt.<br />

Nimmt er ihren Lebenshauch, ihren Atem, von ihnen, so sterben sie <strong>und</strong> kehren zum Staub zurück<br />

43) . Sie alle werden in gleicher Weise durch die Entsendung des göttlichen Lebenshauches, seiner<br />

10/10


, geschaffen 44) , eine bedeutsame Ergänzung zu Gen. 2, insofern als diese Stelle voraussetzt,<br />

dass auch das Tier nicht zu leben vermag ohne jenen Gotteshauch, durch welchen in Gen. 2 der<br />

Mensch zum Leben erweckt wurde. So ist das Tier dem Menschen durch Geburt <strong>und</strong> Tod <strong>und</strong> die<br />

Bedingungen seines irdischen Daseins verb<strong>und</strong>en. Von Gott gleich dem Menschen ins Leben<br />

gerufen <strong>und</strong> erhalten, abgerufen gleich ihm, wenn seine Zeit erfüllt ist. Motive dieser Art hat Jesus<br />

in der Bergpredigt aufgegriffen in dem schönen Wort von den Vögeln unter dem Himmel, die<br />

weder säen noch ernten <strong>und</strong> gleichwohl von dem Vater im Himmel erhalten werden 43) .<br />

Die eigentümliche Tiefendimension dieser Äusserungen liegt darin, dass sie das Tier in einem ganz<br />

bestimmten religiösen Sinn auf die Ebene des Menschen heben als ein Wesen, welches<br />

gleich diesem eine "Seele" hat, die sich dem Gott zuzuwenden vermag. Das Tier kennt seinen<br />

Schöpfer, es wartet auf ihn gleich dem Menschen, es erschrickt wie er, wenn der Gott sich verbirgt,<br />

ja es erheischt gleich jenem seine Nahrung von ihm. Der in diesem Zusammenhang in Ps. 104,21<br />

gebrauchte Ausdruck bedeutet eigentlich suchen, forschen <strong>und</strong> empfängt häufig den Sinn,<br />

das Angesicht der Gottheit suchen, um Rat <strong>und</strong> Hilfe zu finden. Er ist nicht nur ein profaner,<br />

sondern durchaus auch ein religiöser Terminus, dem der Sinn der Anbetung innewohnen kann.<br />

Der Verfasser hat also dem Gedanken Ausdruck verleihen wollen, dass auch das Tier eine Haltung<br />

einzunehmen vermöge, welche derjenigen des menschlichen Gebetes ähnlich ist. Die Wurzel<br />

solcher Aussagen ruht in der dunklen Ahnung rätselhaft irrationaler Beziehungen zwischen allen<br />

Kreaturen <strong>und</strong> der Gottheit, die beim Menschen nur dadurch besonders gekennzeichnet sind, dass er<br />

sie über die Schwelle des Bewusstseins in das klare Licht des Verstandes zu heben vermag. Der<br />

ganze 104. Psalm ist erfüllt von dieser Vorstellung, dass auch das Tier auf seine Art von einem<br />

geheimnisvollen Zusammenhang mit seinem Schöpfer weiss, dass es gleich dem Menschen in<br />

Schrecken <strong>und</strong> Beglückung die Erfahrung des Numinosen kennt <strong>und</strong> sich der Macht, von der es sich<br />

abhängig fühlt, zuwendet - in einem Sinne freilich, den der Mensch nicht zu deuten vermag, weil<br />

ihm die Hintergründe des tierlichen Seelenlebens fremd <strong>und</strong> rätselhaft sind.<br />

Soweit ich sehe, haben im Bereich der alten vorderorientalischen Religionen nur israelitische<br />

Glaubensaussagen in dieser Weise der Auffassung Raum gegeben, dass dem Tier ein<br />

Gottesverhältnis eigne, welches demjenigen des Menschen analog ist. Die altägyptische Literatur<br />

weist Andeutungen ähnlicher Art auf. In einem an den Sonnengott Re gerichteten Lobpreis heisst<br />

es: »... ihn verehren die Paviane. >Lob dir


Aus solcher Gewissheit allumfassender geistig religiöser Lebenszusammenhänge ist das grossartige<br />

Heilsbild im II. Kapitel des Jesajabuches gestaltet worden. Das Tier, von Urzeit her im Mit- <strong>und</strong><br />

Widereinander Begleiter des Menschen, wird auch an der endzeitlichen Vollendung Anteil<br />

gewinnen <strong>und</strong> in das Reich göttlichen Friedens eingehen. Hier ist das Gesetz des Kampfes<br />

zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier <strong>und</strong> der <strong>Tiere</strong> untereinander, in Gen. 3 gedeutet als das furchtbare Erbe<br />

gemeinsamen Falles aus der Einheit mit Gott, für immer aufgehoben. Dieser in Jes. 11,1-9<br />

geschilderte Zustand gleicht dem in Gen. 2 »Dann wird der Wolf bei dem Lamm zu Gast sein <strong>und</strong><br />

der Parder bei dem Böcklein lagern. Rind <strong>und</strong> Löwe weiden zusammen <strong>und</strong> ein kleiner Knabe leitet<br />

sie 54) . Raubtiere ruhen bei Haustieren <strong>und</strong> sind den Weidetieren kein gefährlicher Feind mehr, ja<br />

selbst der Löwe, der gefürchtete Räuber, wird zu einem friedlichen, Hackfrucht fressenden<br />

Weidetier werden. Offensichtlich hat den Verfasser in sehr rationaler Weise die Frage bedrängt,<br />

wovon Raubtiere bei der allgemeinen Tierverbrüderung leben sollen. Es ist rührend <strong>und</strong> ergreifend<br />

zu beobachten, wie dieses Problem in einfältiger Schlichtheit beseitigt wird <strong>und</strong> untertaucht in der<br />

gewaltigen Vision endzeitlichen Gottesfriedens, deren reale Mächtigkeit dieses Bild geformt hat.<br />

Was im Bereich irdischer Erfahrung selbst ein starker Mann nicht vermöchte: durch ihre Art<br />

getrennte Wesen zu einer Gemeinschaft zu bringen, wird einem Kinde mühelos gelingen, weil es<br />

kein feindliches Widereinander <strong>und</strong> darum kein Schutzbedürfnis mehr gibt. Auch die Urfeindschaft<br />

zwischen Mensch <strong>und</strong> Schlange, nach Gen. 3 das Charakteristikum der aus dem Paradies<br />

Vertriebenen, existiert nicht mehr, so dass ein ahnunosloses Kleinkind unbehütet im Bereich des<br />

gefährlichsten Basilisken spielen kann, denn der Urstand ungetrübter Einheit der Natur ist<br />

wiederhergestellt, <strong>und</strong> kein Lebewesen ist aus dieser Gemeinschaft göttlichen Heiles<br />

ausgeschlossen. »Sie tun keinen Schaden <strong>und</strong> richten kein Unheil an auf meinem ganzen heiligen<br />

Berge, denn voll ist die Erde der Erkenntnis Jahwes wie Wasser, die das Meer bedecken« 55) . Dieser<br />

das Heilsbild abschliessende Satz ist gelegentlich als redaktionelle Erweiterung angesehen worden<br />

56) , weil man Anstoss an dem Gedanken genommen hat, dass die <strong>Tiere</strong>, von denen unmittelbar<br />

vorher die Rede war, auf Gr<strong>und</strong> einer Gotteserkenntnis, die sie früher nicht hatten, nunmehr keinen<br />

Schaden <strong>und</strong> kein Unheil mehr anrichten werden. Möglicherweise vergewaltigt solche Kritik aber<br />

gerade die Absicht des Verfassers. Doch gleichviel, wer den Satz geschrieben hat, ob er der<br />

ursprüngliche Schluss des Friedensbildes ist oder später hinzugefügt wurde; er soll doch offenbar<br />

dem Leser verdeutlichen, dass die entworfene Szene ein W<strong>und</strong>er umschliesst, widersinnig für den<br />

menschlichen Verstand, doch überzeugend in seinem religiösen Gehalt. Es kann nicht anders sein:<br />

wenn das Heil Gottes sich vollendet, muss es alle Wesen umfassen, die nach seinem Schöpferwillen<br />

ins Leben gerufen wurden. Dann wird ihr kämpfendes Widereinander, ihre Erbfeindschaft, die im<br />

irdischen Erfahrungsbereich das Wesensmerkmal ihrer Art ist, ein Ende haben, weil sie alle des<br />

Gottes inne geworden sind, denn Frieden ist nur dort, wo die Gottheit wahrgenommen wird - das<br />

gilt für das Tier nicht weniger als für den Menschen; ein Gedanke von verwirrender Kühnheit, doch<br />

von andringender religiöser Überzeugungsgewalt. Göttlicher Heilswille umschliesst die Welt mit<br />

allen Kreaturen. Mensch <strong>und</strong> Tier in Schöpfung <strong>und</strong> Fall geheimnisvoll verb<strong>und</strong>en, Leid <strong>und</strong><br />

Kampf des irdischen Daseins als Zeichen ihrer Gottesferne tragend, werden gemeinsam erlöst in<br />

den befreienden Frieden der Gottheit eingehen 57) .<br />

6. DIE IRRATIONALE MÄ<strong>CH</strong>TIGKEIT DES TIERES<br />

Neben den Zeugnissen vertrauter Nähe zum Tier gibt es zahlreiche Stellen, welche auf der<br />

Wahrnehmung beruhen, dass dem Tier etwas Fremdes, Unheimlich-Gefährliches, ja Ehrfurchtgebietendes<br />

innewohnt, wodurch es aus dem Umkreis menschlichen Erfahrungsvermögens in<br />

unerreichbare Ferne entrückt wird. Unzugänglich <strong>und</strong> <strong>und</strong>urchschaubar ist dem Menschen die<br />

Psyche des <strong>Tiere</strong>s, so nah sie ihm auch gelegentlich zu sein scheint. Er weiss nicht, was in ihr<br />

vorgeht <strong>und</strong> in welche Tiefen sie hinabreicht. Dieses rätselhaft Andere im Tier war der Gr<strong>und</strong><br />

seiner weit verbreiteten Verehrung als ein göttlich numinoses Wesen. Zwar hat diese im<br />

israelitischen Lebensbereich, wo eine stark ausgepragte Gotteserfahrung schon früh mono-<br />

12/12


theistische Elemente zur Entfaltung brachte, keine deutlich greif baren Spuren hinterlassen.<br />

Gleichwohl ist auch dem alttestamentlichen Menschen das Tier bekannt als ein Wesen,<br />

welches eine seltsam hintergründige <strong>und</strong> nicht fassbare Beziehung zum Irrationalen, zur<br />

übersinnlichen Welt der Gottheit besitzt. Es vermag Dinge zu sehen, die der Mensch<br />

nicht wahrnimmt, an denen er töricht gleich einem Tölpel vorbeitaumelt, während das Tier wissend<br />

ist <strong>und</strong> instinktsicher handelt.<br />

Num. 22,20-35 ist eine Legende überliefert, in der nicht ohne einen Anflug von Sarkasmus berichtet<br />

wird, wie Bileam, ein Gottesmann, im gewichtigen Bewusstsein einer Art prophetischer<br />

Amtswürde, sich auf den Weg nach Moab macht, um im Auftrag des moabitischen Königs das<br />

gefahrdrohend an seinen Grenzen lagernde Israel durch ein beschwörendes Wort zu bannen.<br />

Unterwegs tritt ihm geheimnisvoll <strong>und</strong> unsichtbar ein Bote der Gottheit entgegen. Der Mensch<br />

nimmt ihn nicht wahr <strong>und</strong> will ahnungslos seine Strasse an ihm vorüberziehen. Nur sein Reittier<br />

erkennt den göttlichen Gesandten, weicht ihm aus <strong>und</strong> sinkt schliesslich in einem Hohlweg, wo kein<br />

Ausweichen mehr möglich ist, ehrfürchtig vor ihm in die Knie. Bileam im selbstbewussten<br />

Vollgefühl seiner Überlegenheit über das, wie er meint, störrische Tier will dieses in sinnloser Wut<br />

mit brutaler Gewalt vorantreiben. Im märchenhaften Stil wird weiter erzählt, wie das Tier zu reden<br />

beginnt, um sich vor seinem Treiber zu rechtfertigen, dem nunmehr die Augen geöffnet werden, so<br />

dass auch er den göttlichen Boten sieht, welcher dem Törichten sagt, dass er ihn längst getötet<br />

haben würde, wenn nicht sein Tier instinktsicher begreifend, für ihn richtig gehandelt hätte 58) .<br />

Offenbar soll diese schönste Legende des alten Testamentes das anmassende Selbstbewusstsein<br />

des Menschen korrigieren <strong>und</strong>, wie es scheint, gerade das Selbstbewusstsein dessen, der meint, im<br />

Namen der Gottheit in entscheidungsschwerer St<strong>und</strong>e ein gültiges Wort sagen zu können. Der<br />

voreilig seines Vermögens <strong>und</strong> seiner Sendung Gewisse wird beschämt von seinem Tier, das des<br />

Gottes inne ward, während Bileam zunächst nur seiner selbst inne ist, unfähig das geheimnisvolle<br />

Dasein jener anderen irrationalen Wesenheit in sich aufzunehmen, auf welche sein Tier mit<br />

sicherem Ahnungsvermögen der Seele reagiert 59) . So eignet dem Tier ein w<strong>und</strong>erbares Wissen, das<br />

in eine Dimension reicht, die der menschlichen Vernunft, dem reinen Intellekt, nicht zugänglich ist.<br />

Doch sucht der Mensch sich gelegentlich in gefahrdrohender, zweifelhafter Lage dieses<br />

geheimnisvollen Wissens der <strong>Tiere</strong> zu bemächtigen, um zu erfahren, was Rechtens ist.<br />

Als der heilige Schrein des Israelgottes, die sogenannte B<strong>und</strong>eslade, nach einem verlorenen Krieg<br />

in die Hände der Philister gefallen war, wünschten die siegreichen Eroberer, sich dieses heiligen<br />

Gegenstandes wieder zu entledigen, weil man Seuchen <strong>und</strong> Unglücksfälle, die das Land<br />

heimsuchten, auf die Gegenwart dieses Palladiums einer fremden Gottheit zurückführen zu müssen<br />

meinte. Um Gewissheit in dieser Frage zu gewinnen, lud man den Schrein des Israelgottes auf einen<br />

Wagen, der mit zwei säugenden Kühen bespannt wurde. Würden diese, wie normalerweise zu<br />

erwarten war, ihrem mütterlichen Instinkt folgend, den Weg zurück zu ihren Kälbern suchen, so<br />

sollte dies die Gewähr dafür sein, dass die erfahrenen Unglücks- <strong>und</strong> Krankheitsfälle nicht mit der<br />

Lade zusammenhingen, sondern Zufall waren. Würden sie jedoch gegen ihren Instinkt mit dem<br />

heiligen Gegenstand den Weg nach Israel antreten, so durfte man annehmen, dass es das Gericht<br />

des Israelgottes war, welches die Philister um der Verschleppung des heiligen Schreines willen<br />

getroffen hatte. In der Tat wenden sich die <strong>Tiere</strong> gegen ihr eingeborenes Gefühl nach Israel <strong>und</strong> tun<br />

dem auf sie schauenden Menschen in dieser Sache Willen <strong>und</strong> Weisung der Gottheit k<strong>und</strong> 60) .<br />

Berichte dieser Art lassen noch deutlich erkennen, in welchem Masse der alttestamentliche Mensch<br />

das Tier auch als realen Träger göttlicher Willensäusserungen ansehen konnte. Einige in den<br />

Königsbüchern überlieferte Legenden haben dieses Moment noch besonders schön <strong>und</strong><br />

überzeugend bewahrt, vor allem das Kapitel 1 Kö. 13. Dort wird berichtet, wie ein Prophet in der<br />

Erfüllung einer göttlichen Weisung, deren er gewiss zu sein glaubte, wankend wird durch das Wort<br />

eines anderen Gottesmannes, welcher eine der seinigen entgegengesetzte Weisung empfangen<br />

zu haben meinte. Der Prophet gibt die eigene ihm erteilte Weisung preis <strong>und</strong> nimmt die des andern<br />

13/13


als gültig an, seine Handlungsweise nach dieser korrigierend. Doch auf dem Heimweg wird ihm<br />

<strong>und</strong> der entsetzten Umwelt durch ein Tier k<strong>und</strong>getan, dass er allein das gültige Wort des Gottes zu<br />

vertreten hatte, dessen voreilige Preisgabe an ihm gerächt wird durch einen aus dem Dickicht<br />

hervorbrechenden Löwen, der den Wankelmütigen tötet. Das Tier vollzieht an ihm das Gericht der<br />

Gottheit. Diese Meinung des Berichterstatters wird unterstrichen durch den legendären Zug, dass<br />

der Löwe <strong>und</strong> das Reittier des Propheten demonstrativ neben dem Toten stehen bleiben - ein<br />

W<strong>und</strong>er: der Löwe verschlingt den Getöteten nicht, noch zerreisst er den Esel, der den Gottesmann<br />

in seine Heimat zurücktragen sollte.<br />

Hier wird das Tier als Vollstrecker göttlichen Gerichtes dargestellt <strong>und</strong> in dieser Eigenschaft noch<br />

deutlich als ein numinoses Wesen empf<strong>und</strong>en. Die Erzählung kann durchaus auf einem<br />

geschichtlichen Vorgang beruhen. Irgendeine Begegnung zweier Gottesmänner, die mit einem<br />

durch ein Raubtier verursachten Unfall endete, mag ihr zugr<strong>und</strong>e liegen. Der Wert des uns<br />

erhaltenen legendär übermalten Berichtes liegt jedoch nicht in solchen noch schattenhaft<br />

erkennbaren historischen Daten, sondern in der durch die legendären Züge herausgehobenen<br />

religiösen Deutung des erfahrenen Ereignisses. Es hat sich - das will der Verfasser eindringlichst<br />

zur Geltung bringen - kein durch ein unwissendes Tier heraufbeschworener unseliger Zufall<br />

ereignet, sondern religiöse Inkorrektheit, leichtfertiges Missverstehen göttlichen Willens, das nach<br />

der Meinung des Berichterstatters hätte vermieden werden können <strong>und</strong> vermieden werden müssen,<br />

wird durch den geschilderten Vorgang als solches gekennzeichnet. Die Gottheit aber bedient sich<br />

des <strong>Tiere</strong>s, um zu zeigen, auf wessen Seite ihr legitimes Wort war, <strong>und</strong> um den zu williger<br />

Konzession an menschliche Bequemlichkeit Geneigten als einen für die Sache Gottes<br />

unbrauchbaren zu brandmarken. Sein plötzlicher, durch den Löwen gewirkter Tod ist die plastische<br />

Veranschaulichung dieser göttlichen Wahrheit, durch welche eine für menschliches Einsichtsvermögen<br />

zweifelhafte Lage erhellt werden soll 61) .<br />

Abgesehen von solchen legendären Berichten, wird das Tier auch sonst in gelegentlich nahezu<br />

rationaler Weise als göttliches Gerichtswerkzeug angesehen. 2. Kö. 17,25 finden wir die Notiz,<br />

dass die neu angesiedelten Fremdlinge in Samarien, welche der König von Assur an Stelle der<br />

deportierten israelitischen Bevölkerung dort sesshaft gemacht hatte, während der ersten Zeit ihres<br />

Aufenthaltes hart von Löwen bedrängt wurden, weil sie den Israelgott nicht verehrten. Dieser Stelle<br />

fehlt jedes sagenhaft legendäre Beiwerk, <strong>und</strong> sie ist deswegen besonders aufschlussreich, zeigt sie<br />

doch, dass Tierplage höchst unsentimental <strong>und</strong> sachlich als Gottesgericht gedeutet werden konnte<br />

62) . Unabhängig von irgendeiner weiteren Voraussetzung ist diese schlichte Bemerkung ein<br />

Ausdruck der religiösen Gewissheit, dass sich der Gott unter Umständen des <strong>Tiere</strong>s als Werkzeug<br />

seiner Willensäusserung <strong>und</strong> seines Handelns bedient, um den Menschen in seine Schranken zu<br />

weisen, seine Gottesbeziehung zu korrigieren oder sein hypertrophes Selbstbewusstsein einzudämmen<br />

63) .<br />

7. DAS TIER ALS RELIGIÖSES LEITBILD<br />

Möglicherweise spielt 2. Kö. 17,25 der numinose Faktor kaum noch eine Rolle, so dass diese Stelle<br />

schon im engeren oder weiteren Zusammenhang mit jenen Äusserungen steht, in denen das Tier in<br />

mehr lehrhafter als magischer Weise dem Menschen zugeordnet, ja ihm als Vorbild<br />

gegenübergestellt wird. »Selbst der Storch am Himmel kennt seine Zeiten, Turteltaube, Schwalbe<br />

<strong>und</strong> Drossel beachten die Zeit ihrer Rückkehr, " aber mein Volk kennt die Rechtsordnung des Herrn<br />

nicht« 64) . »Ein Rind kennt seinen Besitzer, ein Esel die Krippe seines Herrn, Israel erkennt nicht,<br />

mein Volk ist nicht einsichtig« 65) . Instinktsicher folgt das Tier seinem eingeborenen Gesetz <strong>und</strong><br />

erfüllt auf diese Weise den ihm geltenden Willen des Gottes. Der Mensch hingegen - Israel, ein<br />

ganzes Volk - ist bar solchen Instinktes. Er weiss nichts mehr von der ihm einborenen Ordnung, die<br />

ihn zur Gottheit <strong>und</strong> ihrem Recht weisen müsste. Er kennt <strong>und</strong> tut den Willen Gottes nicht, weil er<br />

sich anderen Dingen verschrieben hat. Rind <strong>und</strong> Esel wissen, zu wem sie gehören; der Mensch<br />

14/14


weiss nicht oder will nicht wissen, dass er Gottes ist. Stellen dieser Art muten fast neuzeitlich an.<br />

Sie sind gezeichnet von einer tiefen Skepsis gegen den Menschen, dieses orientierungsloseste<br />

Wesen der Schöpfung, das starrsinnig nur sich selber folgt, nichts mehr ahnend von der ihm<br />

eingesenkten Setzung Gottes. Wieviel bittere Erfahrung spricht aus solchen Worten, wieviel<br />

schmerzliches Wissen um hartnäckige Unbelehrbarkeit <strong>und</strong> wieviel liebende Zuwendung zur Welt<br />

des <strong>Tiere</strong>s, in welcher göttliche Ordnung gelebt <strong>und</strong> bewahrt wird. Es scheint, als seien diese Sätze<br />

schon stark geprägt von dem aus der Erfahrung religiösen Versagens entstandenen Gefühls, dass<br />

der Mensch ausserhalb der einst Mensch <strong>und</strong> Tier umfassenden Schöpfungseinheit stehe, sich selbst<br />

von ihr gelöst habe, während das Tier noch von der Geborgenheit der alten Ordnung umschlossen<br />

ist. Wie dem auch sei; eines jedenfalls wollten die Propheten mit diesen prägnanten Sätzen ihren<br />

Hörern nahebringen: das Tier ist dem Menschen an einem wesentlichen <strong>und</strong> vielleicht<br />

entscheidenden Punkt überlegen. Es lebt nach dem Gesetz, nachdem es berufen ward, <strong>und</strong> es<br />

lebt darin mit seinem Schöpfer. Der Mensch hingegen hat das Gesetz seiner Berufung, das ein<br />

religiöses ist, in sich zum Schweigen gebracht. Er lebt deswegen nicht mehr mit seinem Schöpfer,<br />

ja ist ihm bereits so fern gerückt, dass er nicht einmal mehr um diese Tatsache weiss.<br />

Und so kann dem Instinktlosen in fragwürdiger Situation gesagt werden: »Frage doch die Haustiere,<br />

dass sie dich's lehren, <strong>und</strong> die Vögel des Himmels, dass sie dir's k<strong>und</strong>tun, oder die wilden <strong>Tiere</strong> 66) ,<br />

dass sie dich unterweisen, dass dir's erzählen die Fische des Meeres ... « 67) . Sollte etwa die<br />

Bemerkung, dass Jesus bei den <strong>Tiere</strong>n war, welche Mark. 1,13 in unmittelbarem Zusammenhang<br />

mit dem Hinweis auf die Versuchung des Herrn steht, von hier aus zu verstehen sein? Dann<br />

bestände zwischen der Anfechtung Jesu <strong>und</strong> seinem Rückzug in die Welt der <strong>Tiere</strong> ein tiefer<br />

innerer Zusammenhang, der wohl im Sinne einer Orientierung an der »religiösen« Lauterkeit<br />

tierlichen Lebens verstanden werden dürfte. Wo hätte die Verwerfung aller säkularen Chancen auch<br />

eine bessere Bestätigung finden können als im Reich der <strong>Tiere</strong>, in welchem die Reinheit<br />

ursprünglicher Schöpfungsordnung noch ungebrochen vorhanden ist <strong>und</strong> wo sich darum Echtes <strong>und</strong><br />

Falsches, Wahrheit <strong>und</strong> Lüge klarer voneinander scheiden als im menschlich weltlichen Raum. In<br />

der Nähe des <strong>Tiere</strong>s konnte dessen dämonisch-satanische Anziehungskraft, die säkulare Anfechtung<br />

aus der Tiefe endgültig überw<strong>und</strong>en werden; <strong>und</strong> da, so wird bedeutsam hinzugefügt, »dienten die<br />

Engel ihm«. Was heisst das anderes, als dass die Klarheit Gottes ihn umfing, um hinfort<br />

richtunggebend sein Denken <strong>und</strong> Tun für alle Zukunft zu bestimmen. So wäre also die Notiz, dass<br />

Jesus bei den <strong>Tiere</strong>n war, durchaus keine beiläufige Randbemerkung, sondern Erweis dessen, dass<br />

der Mensch des <strong>Tiere</strong>s bedarf, um des Gottes innezuwerden 68) . Ähnliches hat wohl auch der<br />

Verfasser des Satzes Hiob 12-,7 ff. andeuten wollen, wenn er den Rat erteilt, dass der Mensch bei<br />

Haustieren <strong>und</strong> Vögeln, bei Haustieren <strong>und</strong> Vögeln, Wild <strong>und</strong> Fischen Weisung holen möge, »...<br />

denn wer von ihnen allen wüsste nicht, dass die Hand des Herren dieses gemacht hat, in dessen<br />

Macht alles Lebendigen Seele <strong>und</strong> alles Menschenfleisches Geist ist«. Dieses? Der Kontext gibt<br />

keine eindeutig logische Antwort auf die Frage, was damit gemeint sei, <strong>und</strong> man hat den<br />

Passus deswegen für eine Lesereinfügung, halten wollen 69) . Im Zusammenhang geht es aber um die<br />

religiöse Bewältigung unerträglich widersinnigen Geschickes. Darauf weist dieses Demonstrativum<br />

in der vorliegenden Fassung des <strong>Text</strong>es, gleichviel ob der Satz von dem Verfasser des Hiobbuches<br />

oder von einem das verhandelte religiöse Problem mit Sicherheit aufgreifenden Lesers stammt.<br />

Von dem <strong>und</strong>urchdringlich dunklen Rätsel leidvollen Daseins - nicht des Frevlers, sondern des an<br />

Gott Geb<strong>und</strong>enen - lenkt der Schreiber dieser Worte den Blick des Menschen auf das Tier,<br />

welches, gleich ihm widersinniges Leid tragend, dennoch in gottgesetzter Ordnung verharrt <strong>und</strong><br />

darum »wissend« ist, wissender als der Mensch, der Rätsel lösen will, wo es kein Rätsel zu lösen<br />

gibt, wenn in Gottes Hand alles Lebendigen Seele steht. Das Tier ist also in der Situation säkularer<br />

Anfechtung des Denkens oder der Willensentscheidung geistlicher Orientierungspunkt oder kann<br />

es wenigstens sein; <strong>und</strong> kein Geringerer als der Herr selbst hat nach dem Zeugnis des Markus in<br />

entscheidungsschwerer, gefährlicher St<strong>und</strong>e solche Orientierung in der Nähe des <strong>Tiere</strong>s gesucht<br />

<strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en.<br />

15/15


8. VERFALLSERS<strong>CH</strong>EINUNGEN UND S<strong>CH</strong>LUSSBETRA<strong>CH</strong>TUNG<br />

Auf den soeben dargelegten Gedanken <strong>und</strong> Vorstellungen ruht ein starker religiöser Akzent. Das<br />

Tier ist Vorbild, eigentlich Gegenbild des Menschen im religiösen Sinn. In der vorwiegend auf das<br />

lehrhaft Nützliche eingestellten Spruchliteratur werden Motive dieser Art gelegentlich in ganz<br />

profanerweise aufgegriffen: »Geh zur Ameise, du Fauler! Sieh ihre Weise an, dass du<br />

klug werdest« 70) . Das nüchtern Sachliche dieses Satzes fällt sofort auf. Er scheint keine religiöse<br />

Wertung des <strong>Tiere</strong>s mehr zu enthalten, nur dessen emsige Geschäftigkeit wird dem Trägen als<br />

praktisches Beispiel ertragverheissender Lebensführung vor Augen gestellt. Überhaupt ist in der<br />

späten Weisheitsliteratur stellenweise schon ein stark rationalisertes Lebensgefühl erkennbar,<br />

welches seinen Ausdruck in der resignierten Feststellung findet, dass es keinen Vorzug des<br />

Menschen vor dem <strong>Tiere</strong> gibt, denn einen Odem haben beide. Der Mensch stirbt wie jenes, sie<br />

kehren an ihren Ort - zum Staub - zurück <strong>und</strong> keiner weiss, ob der Geist der Menschenkinder in die<br />

Höhe, derjenige der <strong>Tiere</strong> hinab in die Erde fährt 71) . Gedanken dieser Art sind fern von dem<br />

religiösen Einheitsbewusstsein, welches sich an Gen. 2, Jes. II <strong>und</strong> vielen anderen Stellen wahrnehmen<br />

liess. Mensch <strong>und</strong> Tier sind nur noch im negativen Sinn miteinander verb<strong>und</strong>en in dem<br />

Bewusstsein, dass derweg beider ins Ungewisse führt. Solche Äusserungen sind vor bedeutsame<br />

Anzeichen der beginnenden Auflösung des religiösen Weltgefühls <strong>und</strong> seiner nicht mehr fernen<br />

Einmündung in das grosse Sammelbecken der mannigfaltigen Strömungen aufgeklärten Denkens.<br />

Damit ist ein gewisser Endpunkt der betrachteten Zusammenhänge erreicht. Sie zeigten, dass die<br />

Tierwelt dem religiösen Bewusstsein des alttestamentlichen Menschen als Welt göttlicher<br />

Schöpfungsw<strong>und</strong>er in ganz realem Sinne nahe war. An seinem Verhältnis zum Tier liessen<br />

sich die Abstufungen seines religiösen Weltgefühls wahrnehmen. Im Bereich der Anbetung, also<br />

vorzugsweise in der Psalmenliteratur, aber auch in anderen literarischen Gattungen treten sie als<br />

lebensvolle Zeugnisse seiner Glaubenskraft in Erscheinung. Sie sind dort am überzeugungskräftigsten<br />

<strong>und</strong> universalsten gefasst, wo die Einheit alles Lebens noch als eine den Menschen<br />

durch sein Dasein begleitende Mächtigkeit empf<strong>und</strong>en wurde.<br />

Der neuzeitliche Mensch hat diesem Erfahrungsbereich der Antike nichts Entsprechendes<br />

entgegenzusetzen. Als Mensch der Vielheit, dem Mechanismus der hastigen Aufnahme einer Fülle<br />

von Details verfallen, nimmt er zwar eine breite Oberfläche wahr, aber die Dimensionen der Tiefe<br />

bleiben ihm verborgen. Von den religiösen Hintergründen des Lebens gelöst, hat er die<br />

Aufnahmefähigkeit für alle Erscheinungen, welche das Irrationale, die übersinnliche Welt des<br />

Göttlichen betreffen, weithin verloren. Er umfasst die W<strong>und</strong>er der Schöpfung, bestenfalls als<br />

religiöser Theoretiker oder theologischer Denker, aber nur selten führen sie ihn noch in die<br />

innersten Bezirke der Anbetung <strong>und</strong> der Ehrfurcht. Der Alttestamentliche Mensch liess sich, wenn<br />

auch nicht ausschliesslich, so doch häufig durch das Dasein des <strong>Tiere</strong>s in diesen einzigen Bereich<br />

führen, wo der Mensch der Gottheit lebensvoll innezuwerden vermag. Dieses erkennen, heisst<br />

vielleicht eigene Armut bekennen. Sie empfinden aber heisst Begehren empfinden, Begehren nach<br />

der Nähe der Gottheit, von welcher sich der antike Mensch noch ganz umfangen wusste. Auf<br />

solchem Begehren aber mag die Verheissung ruhen, dass es auch eine Erlösung aus der Welt des<br />

Vielerlei gibt, eine Heimkehr zu der Welt der Einheit, deren der Mensch ein Teil ist gleich allen<br />

anderen Kreaturen.<br />

16/16


ANMERKUNGEN:<br />

1)<br />

2)<br />

3)<br />

4)<br />

5)<br />

6)<br />

7)<br />

8)<br />

9)<br />

10)<br />

Joh. Hempel, Gott, Mensch <strong>und</strong> Tier im Alten Testament. In: Zeitschrift für systematische Theologie<br />

1932 <strong>und</strong> Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten. ZAW, NF. 1 1/2,1924.<br />

EZ.1 ; vgl. Offb. 4<br />

Dan. 7; Jes . 27,1. Offb. 12 u. 13<br />

Ps. 91,13; 22,22; Num. 23,22; Dt. 33,17; Ps. 92,11.<br />

Theologie des Alten Testamentes. Tübingen 3 1953 S. 145.<br />

Vgl. Jes. 40,11; Ez. 34,12; Jer. 31,10b.<br />

Ex. 21,37.<br />

Dass die Erzählung einer Anspielung auf Urias Beseitigung durch die Erteilung eines<br />

Heldentodkommandos entbehrt, macht diese Deutung nicht hinfällig, darf aber möglicherweise als Erweis<br />

dessen gelten, dass sie nicht ad hoc entstanden ist, sondern erst nachträglich zur Veranschaulichung<br />

des dargelegten Sachgehaltes dem Zusammenhang eingefügt wurde. Vgl. hierzu H. Gunkel, Das Märchen<br />

im Alten Testament. Tübingen 1921, S. 35 f. Zum literarischen Problem schon K. Budde, Kommentar zur<br />

Stelle.<br />

Vgl. C. H. Ratschow, Magie <strong>und</strong> Religion. Gütersloh 1947, S. 43 ff. Die inzwischen erschienene 2.<br />

Auflage war mir leider nicht zugänglich.<br />

Die gegenteilige Ansicht ist freilich häufig vertreten worden. Vgl. neuerdings wieder Th. C. Vriezen,<br />

Theologie des Alten Testamentes in Gr<strong>und</strong>zügen. Neukirchen 1956, S. 170.<br />

11)<br />

Dieser Sachverhalt schliesst natürlich nicht aus, dass Namengebung unter Umständen auch die<br />

Dokumentierung einer Herrenstellung einschliessen kann. Vgl. hierzu den Brauch der Änderung von<br />

Thronnamen, der möglicherweise als Ausdruck des Vasallenverhältnisses unterworfener Könige zu<br />

verstehen ist (2. Kö. 23,34; 24,17). Ob freilich zur Zeit der Entstehung dieser Gepflogenheit das alte<br />

Bewusstsein um die Wesenhaftigkeit des Namens noch lebendig war, mag dahingestellt sein. Die<br />

Deutung der Tierbenennung in Gen. 2 im Sinne der Ergreifung einer Herrenstellung empfiehlt sich vor<br />

allem deswegen nicht, weil der geschilderte Vorgang als ein vorsichtig tastender Versuch des Gottes<br />

erscheint, welcher die Frage klären soll, in welcher Weise der Mensch ein Verhältnis zu den <strong>Tiere</strong>n<br />

suchen werde. Eben darum heisst es, dass der Gott zu sehen wünsche, wie! er sie benenne (V. 19). Hätte<br />

der Verfasser die Vorstellung gehabt, dass Namengebung von vornherein die Ergreifung einer<br />

Herrenposition einschliesse, dann hätte die Frage nach der Art der Benennung gar nicht entstehen können.<br />

Es wäre dann nur das Problem zu verhandeln gewesen, ob der Mensch überhaupt zur Namengebung, also<br />

zur Ergreifung einer Machtstellung schreiten werde, was im Hebräischen die Einleitung der indirekten<br />

Frage mit oder erfordert hätte (vgl. Gen. 8,8). Diese Zuspitzung ist in der vorliegenden hebräischen<br />

Formulierung gerade nicht enthalten. Daraus wird man schliessen dürfen, dass der Gedanke an<br />

den Gewinn einer Herrenstellung hier ausser Betracht zu bleiben hat, dass also die Benennung in ihrem<br />

urtümlichsten Sinne zu verstehen ist, als Setzung einer Beziehung zwischen dem Benennenden <strong>und</strong> dem<br />

Benannten.<br />

12)<br />

So wird man den Vorgang auffassen müssen, obwohl in dem, was Mose als der Gottheit mitgeteilt<br />

wird: schon wieder ein Zurückweichen vor einer direkten Preisgabe des göttlichen Namens<br />

enthalten zu sein scheint. Möglicherweise liegt ein Tiqqun Soph e rim vor, durch welches die<br />

polytheistische Voraussetzung, die in der Frage nach dem Namen eines bestimmten Gottes implicite<br />

enthalten ist, abgewehrt werden sollte. Vgl. G. Quell, Art. , in: Theol. Wörterbuch zum Neuen<br />

Testament, Bd. III, Stuttgart 1938, Sp. 1071. Doch liesse sich wohl auch die Auffassung vertreten, dass<br />

dem Menschen nur eine andeutende Umschreibung göttlicher Wesenhaftigkeit gewährt wird, weil er die<br />

ganze im Namen liegende Mächtigkeit des Gottes nicht zu ertragen vermöchte. Wesen, welche der<br />

irrationalen Sphäre des Göttlichen oder Dämonischen angehören, nennen darum ihre Namen nicht. Vgl.<br />

Gen. 32,30, vor allem Ri. 13,18. In der religiösen Literatur Ägyptens aus der Zeit des neuen Reiches<br />

findet sich in einem Hymnus auf den Gott von Theben das gleiche Motiv: »Auf der Stelle stürzt man tot<br />

17/17


vor Schrecken hin, wenn man seinen geheimen Namen ausspricht, den niemand kennt. Kein Gott kann<br />

ihn damit anrufen, ihn, den Beseelten (?), der seinen Namen verbirgt, denn er ist geheim«. A. Erman, Die<br />

Literatur der Ägypter. Leipzig 1923, S- 370 f.<br />

13)<br />

Die Bezeichnung in V. 19 ist zwar häufig als Zusatz angesehen worden, <strong>und</strong> die Stellung des<br />

Ausdruckes im grammatischen Gefüge des Satzes spricht in der Tat für dieses Urteil. Sollte die<br />

Bezeichnung hier von zweiter Hand stammen, so dürfte sie als ein besonders eindrücklicher<br />

Erweis dessen gelten, dass auch spätere Leser den Bericht noch in der beschriebenen Weise empfanden<br />

<strong>und</strong> Wert darauf legten, dieses Moment der Gemeinsamkeit von Mensch <strong>und</strong> Tier zu unterstreichen.<br />

14)<br />

Schon A. Menes hat hervorgehoben, dass die Anschauung einer Urverwandtschaft von Mensch <strong>und</strong> 'I'icr<br />

dem Kapitel Gen. 2 zugr<strong>und</strong>e liege. Er führt sie jedoch nicht auf ein noch vorhandenes magisch-religiöses<br />

Weltgefühl zurück, sondern darauf, dass die Paradiessage ein »tierähnliches Leben des Urmenschen« als<br />

Idealzustand voraussetze (Die sozialpolitische Analyse der Urgeschichte. ZAW, NF. Bd. 11, 1925, S. 33<br />

ff.). Durch dieses Urteil scheint Gen. 2 allzu energisch auf säkulare, in soziologische Richtung weisende<br />

Antriebe bezogen zu werden, <strong>und</strong> man darf fragen, ob dadurch nicht eine Perspektive an die Erzählung<br />

herangetragen wird, die zwar neuzeitlichem Denken <strong>und</strong> Empfinden, schwerlich jedoch antiken<br />

Voraussetzungen entspricht. Abgesehen davon, lassen sich an dem Motiv tierähnlichen Lebens des<br />

Urmenschen, dort wo es echt <strong>und</strong> überzeugend gestaltet wurde, keine Züge wahrnehmen, welche innere<br />

Zusammenhänge mit Gen. 2 aufweisen. Auch werden dem Motiv selbst in seiner originalen Fassung<br />

kaum Tendenzen der von Menes angegebenen Art innegewohnt haben. Die im Gilgameschepos<br />

überlieferten Enkiduszenen scheinen jedenfalls nicht darauf hinzuweisen, dass diese Gestalt tierähnliches<br />

Leben im Sinne eines sozialen Idealzustandes verkörpern sollte (<strong>Text</strong> bei H. Gressmann, Altorientalische<br />

<strong>Text</strong>e zum Alten Testament, Berlin-Leipzig 1926 2 , S. 152 ff.). Prinzipiell liegt ja überhaupt die Gefahr<br />

nahe, dass auf Gr<strong>und</strong> neuzeitlicher Voraussetzungen die ältesten Beziehungen des Menschen zum Tier<br />

entweder in dieser Weise idealisierend oder abwertend als »Anzeichen hilflosen Denkens <strong>und</strong><br />

Schliessens« <strong>und</strong> eines »noch unentwickelten Selbstbewusstseins« des Menschen beurteilt werden (vgl. I.<br />

Lublinski, Eine weitere mythische Urschicht vor dem Mythos. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie <strong>und</strong><br />

Soziologie, 6. Jahrg., Leipzig 1930, S. 46 <strong>und</strong> 63). Mit solchen Deutungsversuchen wird indessen nur die<br />

vordergründige Seite eines in die Sphäre des Religiösen gehörenden Sachgehaltes angerührt. Das Tier<br />

umschliesst in ältester Zeit einen religiösen Wert, der noch nicht durch Aspekte des Denkens geformt ist<br />

(vgl. W. W<strong>und</strong>t, Völkerpsychologie, Bd. VI, Leipzig 1915 2 , S. 206 ff., <strong>und</strong> G. van der<br />

Leeuw, Phänomenologie der Religion, Tübingen 1933, S. 57 ff. - Die 2. Auflage war mir nicht erreichbar).<br />

Doch man beachte, dass die ursprünglich fliessenden Grenzen zwischen Gott <strong>und</strong> Tier <strong>und</strong> Tier <strong>und</strong><br />

Mensch, der Mangel fester Konturen, an Gen. 2 nicht mehr wahrnehmbar sind. Religionsphänomenologisch<br />

<strong>und</strong> religionspsychologisch geurteilt, scheint das Kapitel also eine wichtige Übergangsstufe<br />

zu markieren. Tier <strong>und</strong> Mensch, auf Gr<strong>und</strong> magisch religiösen Weltgefühles noch als wesenhaft<br />

zusammengehörig empf<strong>und</strong>en, stehen dem Gott gleichwohl in bewusster Erfassung einer Distanz<br />

gegenüber. Es vollzieht sich die Wende von der Magie zur Religion im Sinne der von C. H. Ratschow<br />

gegebenen Analyse (vgl. a. a. O.), was sich an Gen. 3 noch deutlicher wahrnehmen lässt.<br />

15)<br />

Vgl. die Andeutung dieses Gedankens bei A. Menes (a. a. O. S. 39) <strong>und</strong> seine Verwertung bei J. Hempel,<br />

Gott, Mensch <strong>und</strong> Tier im Alten Testament (a. a. O. S. 223 f.). Im Gilgameschepos scheint das Moment<br />

menschlichen Versagens deutlicher hervorzutreten. Nachdem Enkidu, der in engster Beziehung zu den<br />

<strong>Tiere</strong>n lebte, Gemeinschaft mit einer Frau hatte, fliehen die Gazellen vor ihm davon, <strong>und</strong> die <strong>Tiere</strong> des<br />

Feldes weichen ihm aus. Der also Gemiedene ist vor Schrecken gebannt, folgt aber doch halb willig, halb<br />

unwillig der Frau, die ihn in menschliche Gemeinschaft zog <strong>und</strong> ihn dadurch für immer aus der engen<br />

Bindung an die <strong>Tiere</strong> löste (<strong>Text</strong> bei H. Gressmann a. a. O. S. 154). Ein religiöser Akzent ruht auf dieser<br />

Erzählung freilich nicht, ein Erweis dessen, dass Gen. 2 auch in dieser Beziehung eine Grösse für<br />

sich darstellt.<br />

16)<br />

Doch vgl. die andere Auffassung bei J. Hempel a. a. O. S. 222.<br />

17)<br />

Man hat die Schärfe dieser Scheidung von der Tierwelt gelegentlich durch die Rückbeziehung des in V.<br />

28 ergehenden Segens auf die in V. 24 erwähnten <strong>Tiere</strong> mildern wollen. Die Einbeziehung ihrer<br />

Erschaffung in das sechste Tagewerk, dessen Krönung der Mensch ist, scheint diesen Versuch zu<br />

rechtfertigen; andererseits ist in V. 28 die Anrede des Gottes so pointiert an den zum Herren über die<br />

Kreaturen bestimmten Menschen gerichtet, dass sich ein solcher Ausgleich doch nicht zur völligen<br />

Evidenz bringen lässt.<br />

18/18


18)<br />

19)<br />

20)<br />

21)<br />

22)<br />

23)<br />

24)<br />

25)<br />

26)<br />

27)<br />

28)<br />

29)<br />

Gen. 9,2<br />

Diese Tatsache wird auch dadurch nicht aufgehoben, dass der Vollzug der Steinigung eigentlich kein<br />

strafrechtlicher Akt im juristischen Sinne ist, sondern eine sakrale Handlung, sofern sie Sühne schafft für<br />

vergossenes Blut, d. h. Beseitigung der durch dieses entstandenen Verunreinigung des Landes. Dieser<br />

Sinn ist auch mit dem Vollzug der Todesstrafe an einem Mörder verb<strong>und</strong>en worden (Num. 35,31 ff., vgl.<br />

Gen. 9,5). Der Rechtsgedanke ist hier so eng mit kultisch religiösen Vorstellungen verwoben, dass eine<br />

reinliche Scheidung beider schwer möglich ist. Zur Rechtsgeschichte des Tierprozesses vgl. Karl v.<br />

Amira, Tierstrafen <strong>und</strong> Tierprozesse. In: Mitteilungen des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung,<br />

Bd. XII. Innsbruck 1891, S. 545 ff. Weiteres Material bei E. Westermarck, Ursprung <strong>und</strong><br />

Entwicklung der Moralbegriffe. Leipzig 1907, Bd. I, S. 216 ff.<br />

Ex. 23,10 f; vgl. Lev. 25,7.<br />

Vgl. hierzu die Bemerkung des Josephus, dass es nicht recht sei, den tierlichen Erntearbeitern die Frucht<br />

vorzuenthalten, bei deren Einbringung sie sich abgemüht haben (Ant. IV, 8,21).<br />

Das Material liegt gesammelt vor bei H. Strack <strong>und</strong> P. Billerbeck: Kommentar zum Neuen Testament aus<br />

Talmud <strong>und</strong> Midrasch, Bd. III, München 1956 , S. 383 f.). Paulus <strong>und</strong> der Verfasser des I. Timotheusbriefes<br />

haben Dt. 25,4 auf menschliche Voraussetzungen bezogen (I. Kor. 9,9; I. Tim. 5,18), woraus<br />

hervorzugehen scheint, dass sie kein echtes Verhältnis mehr zu dieser Tierschutzbestimmung hatten. Vgl.<br />

zum Zusammenhang noch die späte Stelle Jona 3,7 ff.<br />

Vgl. auch Dt. 22,6 f. Ex. 20,10<br />

Ex. 22,18; Dt. 27,21.<br />

Lev. 18,23; 20,15.<br />

<strong>Text</strong> 67, V Z. 18 ff., bei C. H. Gordon, Ugaritic Handbook, Rom 1947, S. 149.<br />

Lev. 19,19; Dt. 22,9.<br />

Lev. 19,19.<br />

Dt. 22,10.<br />

30)<br />

In diesen Zusammenhang scheint auch die Verordnung zu gehören, dass eine Frau keine Männertracht<br />

tragen darf (Dt. 22,5). Im weiteren Sinne sind hier wahrscheinlich überhaupt alle Bestimmungen<br />

einzubeziehen, welche im Bereich der Ehegesetzgebung die reinliche Scheidung von Verwandtschaftsgraden<br />

<strong>und</strong> Geschlecht vollziehen (Lev. 18; 20,10 ff.). Auch sie bringen wohl in irgendeinem<br />

Sinne Sippen- <strong>und</strong> Arttabu zum Ausdruck. Möglicherweise ist das in seinen Voraussetzungen ganz<br />

<strong>und</strong>urchsichtige Verbot, ein Böcklein in seiner Mutter Milch zu kochen, aus ähnlichen Antrieben<br />

entstanden (Ex. 23,19; 34,26). W. Rob. Smith vermutet, der Genuss von Fleisch in Milch sei als<br />

Äquivalent des Genusses von Fleisch in Blut empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> darum verboten worden (Die Religion der<br />

Semiten. Freiburg 1899, S. 167). Jedenfalls sind die Beweggründe der Entstehung dieses Gesetzes dem<br />

religiösen Bewusstsein schon früh entschw<strong>und</strong>en, was aus der rabbinischen Theologie hervorgeht, denn<br />

Ex. 23,19 wird denjenigen Verboten zugerechnet, für die keine Begründung bekannt war. Gott selbst<br />

werde - so hoffte man - durch eine künftige Offenbarung den Sinn solcher unverstandenen Gesetze<br />

enthüllen (vgl. Strack-Billerbeck, a. a. O., Bd. I, S. 66o; 11I S. 262). Dass dem speziellen Verbot, ein<br />

Böcklein in seiner Mutter, , Milch zu kochen, kein seiner Eigenart entsprechendes Verständnis mehr<br />

abgewonnen wurde, erhellt auch aus seiner schematischen Erweiterung zu der Forderung, keinerlei<br />

Fleisch in Milch zu kochen (a. a. O. Bd. III, S. 475). Religionsphänomenologisch geurteilt, scheint sich<br />

die Vermutung, dass es ursprünglich die "Tabugrenze enger verwandtschaftlicher Beziehung schützen<br />

sollte, als naheliegende Erklärung seiner Entstehung anzubieten. Vgl. Lev. 22,28 das Verbot, Rind <strong>und</strong><br />

Schaf mit seinem Jungen an einem Tag zu schlachten. Wie begründet freilich auch der Gedanke an<br />

illegitime Kultpraxis sein kann, zeigt die Tatsache, dass im ugaritischen Kulturkreis der Brauch, Lämmer<br />

in Milch zu kochen, nachweisbar ist, vorausgesetzt, dass die Ergänzung des entscheidenden "g" in dem<br />

Wort für Böckchen zutrifft. Vgl. Gordon, u. a. O., S. 144. <strong>Text</strong> 52,14. u. C.R. Driver, Canaanite<br />

Myths and Legends. Edinburgh 1956. (Den Hinweis auf diese Stelle verdanke ich G. Quell). Man mag<br />

fragen, ob unter ähnlichem Gesichtspunkt etwa auch die zahlreichen Gesetze einzuordnen sind, welche<br />

die Klassifizierung in reine <strong>und</strong> unreine <strong>Tiere</strong> festlegen. Dass diese nach einem sehr äusserlichen <strong>und</strong> der<br />

Sache sicher nicht entsprechenden Schema vollzogen wurde, ist ja längst erkannt worden. So hat sich<br />

19/19


auch die Vermutung immer wieder aufgedrängt, es möchten religiöse, mit Fremdkulten zusammenhängende<br />

Beweggründe zu dieser Klassifizierung geführt haben. Praktisch waren die in kultischen<br />

Brauch einbezogenen <strong>Tiere</strong> ursprünglich wohl überhaupt tabu, d. h. unrein. Das musste in erhöhtem<br />

Masse für solche <strong>Tiere</strong> gelten, die in Fremdkulturen eine Rolle spielten. Diese scheinen in den<br />

einschlägigen Gesetzen auf Gr<strong>und</strong> äusserer Merkmale nach Gattungen zusammengefasst worden zu sein<br />

ohne Rücksicht darauf, ob sie alle tatsächlich im ausserisraelitischen Kultus kultfähig waren oder gar<br />

religiöse Verehrung genossen, wie ja überhaupt zur Zeit der Aufzeichnung der priesterlichen Gesetze<br />

Lev. II <strong>und</strong> der ihnen entsprechenden Ordnung Dt. 14,4 ff. die ursprünglichen Motive, die zur Rein- oder<br />

Unreinerklärung bestimmter <strong>Tiere</strong> geführt haben, längst in Vergessenheit geraten sein konnten, ein<br />

Moment, demzufolge angesichts des vorliegenden Bef<strong>und</strong>es nur vage Vermutungen angestellt werden<br />

können.<br />

31)<br />

Vgl, Ex. 13,13. Num. 3,12 f.<br />

32)<br />

Vgl. G. van der Leeuw, a. a. O. S. 332 ff.<br />

33)<br />

34)<br />

35)<br />

36)<br />

37)<br />

38)<br />

39)<br />

40)<br />

41)<br />

42)<br />

43)<br />

44)<br />

45)<br />

46)<br />

Ein babylonischer religiöser <strong>Text</strong> veranschaulicht diese Vorstellung in höchst drastischer Weise: ». . . ein<br />

Lamm ist Ersatz für einen Menschen. Das Lamm gibt er für sein Leben. Den Kopf des Lammes gibt er<br />

für den Kopf des Menschen. Den Nacken des Lammes gibt er für den Nacken des Menschen. Die Brust<br />

des Lammes gibt er für die Brust des Menschen.« Leider ist der Rest verloren (Übersetzung bei H.<br />

Gressmann, a. a. O., S. 330).<br />

I. Sam. 14.35<br />

Gen. 6,12 f.<br />

Wenn die Sätze Gen. 8,1 <strong>und</strong> 9,9 der priesterlichen Überlieferung angehören, was wahrscheinlich ist,<br />

dann stammen sie aus der gleichen geistigen Sphäre wie der erste Schöpfungsbericht Gen. 1. Man sieht an<br />

ihnen, dass die theologische Reflexion über die Herrenstellung des Menschen in den Hintergr<strong>und</strong> treten<br />

konnte, sobald ein kraftvolles <strong>und</strong> echtes religiöses Motiv wirksam wurde, unbeschadet dessen, dass sie<br />

vielleicht auch noch den Gedanken der Erhaltung der Arten zum Ausdruck bringen sollten.<br />

Jona 4,11.<br />

Ps. 50,10.<br />

Ps. 136, 25. Die ägyptische Literatur ist reich an ähnlichen Motiven. Aus ihrer Fülle sei ein besonders<br />

schönes Beispiel herausgegriffen, an welchem deutlich wird, dass der Verfasser auch kleine,<br />

»verachtete«, dem Menschen lästige Lebewesen im Schutze göttlicher Fürsorge geborgen sieht. In dem<br />

grossen Amonhymnus, der aus der Zeit des neuen Reiches stammt, heisst es: »Der das Kraut für die<br />

Herde schuf <strong>und</strong> den Fruchtbaum für die Menschen; der macht, wovon die Fische im Strom leben <strong>und</strong> die<br />

Vögel, die den Himmel (bewohnen?), der dem im Ei Luft gibt <strong>und</strong> den Sohn des Würmchens ernährt. Der<br />

macht, wovon die Mücken leben <strong>und</strong> auch die Würmer <strong>und</strong> die Flöhe; der macht, was die Mäuse in ihren<br />

Löchern brauchen <strong>und</strong> die Vögel (?) ernährt auf allen Bäumen« (vgl. A. Erman, a. a. O., S. 355). Es mag<br />

wenige Stellen in der Weltliteratur geben, wo die Liebe zur Natur <strong>und</strong> der Glaube, dass sie auch in ihren<br />

kleinsten Erscheinungsformen göttlichen Erbarmens wert sei, einen so innigen <strong>und</strong> warmen Ausdruck<br />

gef<strong>und</strong>en hat. Solche Sätze sind ein echtes Zeugnis ehrfürchtiger Bew<strong>und</strong>erung des Lebens,<br />

überzeugend durch die Hinwendung zu seinen unscheinbarsten Gestalten, an denen gleichwohl göttlicher<br />

Erhaltungswille erkannt <strong>und</strong> verehrt wird.<br />

Ps. 147,9. vgl. Hi. 38,41<br />

Ps. 104,21<br />

Ps. 104,27 f.<br />

Ps. 104,29; Hiob 34,14 f.<br />

Ps. 104,30.<br />

Matth. 6,26<br />

A. Erman, a. a. O. S. 184.<br />

20/20


47)<br />

48)<br />

49)<br />

50)<br />

51)<br />

52)<br />

a. a. O. S. 357; vgl. dazu die Abbildung bei A. Erman, Die Religion der Ägypter. Berlin-Leipzig 1934, S.<br />

20.<br />

Jes. 43,20; Ps. 148, io.<br />

Hjob 39,3<br />

Ps. Sal. 5,10.<br />

im Pi.<br />

Die hier mit Bezug auf das Tier gebrauchte Vokabel<br />

menschlicher Gottessehnsucht verwendet.<br />

wird in Ps. 42,2 als besonders starker Ausdruck<br />

2,22. Im gleichen Sinne sind für den Beter des 36. Psalms Mensch <strong>und</strong> Tier Empfänger umfassender<br />

Gotteshilfe: V. 7.<br />

53)<br />

Vgl. Hiob 40,15 ff.<br />

54)<br />

55)<br />

56)<br />

57)<br />

58)<br />

59)<br />

60)<br />

Jes. 11,6.<br />

Jes. 11,9; vgl. Jes. 65,25.<br />

Duhm.<br />

Vgl. Hos. 2,20; Ez. 34,25; Jes. 35,9; Lev. 26,6. Die drei letztgenannten Stellen weisen auf eine definitive<br />

Trennung von Mensch <strong>und</strong> Raubtier, ja auf dessen völlige Vernichtung. Hier hat der Verfasser die<br />

Problematik des Verbrüderungsgedankens nicht überwinden können. Zu den historischen <strong>und</strong> literarischen<br />

Voraussetzungen der Vorstellung vom Tierfrieden <strong>und</strong> zu ihrem weiteren Zusammenhang mit der<br />

Vorstellung vom Paradies <strong>und</strong> Völkerfrieden vgl. H. Gressmann, Der Messias. Göttingen 1929, S. 151 ff,<br />

auch H. Gunkel, Schöpfung <strong>und</strong> Chaos in Urzeit <strong>und</strong> Endzeit. Göttingen 1895, S. 12 f. Zu ihrer<br />

Weiterentwicklung im Sinne der Ausgestaltung des Gedankens der Auferweckung der <strong>Tiere</strong> am jüngsten<br />

Tage Koran, Sure VI, 38. Die rabbinische Diskussion zur Frage des Fortlebens der <strong>Tiere</strong> nach dem<br />

Tode ist zu keiner einhelligen Meinungsbildung gelangt. Es sind negative <strong>und</strong> positive Urteile<br />

ausgesprochen worden. Vgl. H. Strack <strong>und</strong> P. Billerbeck a. a. O., Bd. 111, S. 248; Bd. I, S. 897, S. 980.<br />

Zur Gattung vgl. H. Gunkel, Das Märchen im Alten Testament. Tübingen 1921, S. 31 ff. Dort auch<br />

Analogien zur Bileamerzählung <strong>und</strong> weitere Beispiele zu dem über die ganze Erde verbreiteten<br />

Märchenmotiv redender <strong>Tiere</strong>. Es sei hier nur auf die redenden Kühe in dem ägyptischen Märchen von<br />

den zwei Brüdern verwiesen, weil dieses auch interessant ist durch eine Variante zu Josephs Erlebnis mit<br />

Potiphars Frau. Vgl. A. Erman, a. a. O., S. 201. Das babylonisch-assyrische Material ist gesammelt bei O.<br />

Weber, Literatur der Babylonier <strong>und</strong> Assyrer. Leipzig 1907, S. 303 ff. Die Bileamerzählung zeichnet sich<br />

vor den entsprechendenanalogien vor allem durch den religiösen Skopus aus, durch die in märchenhafter<br />

Einkleidung dargebotene gültige Wahrheit, dass geistliches Sendungsbewusstsein unter Umständen allzu<br />

menschlich f<strong>und</strong>iert sein kann <strong>und</strong> dann göttlicher Korrektur bedarf. Zur Geschichte des Stoffes vgl.<br />

ferner H. Gressmann, Mose <strong>und</strong> seine Zeit. Göttingen 1913, S- 322- f.<br />

Leider ist der für die Interpretation der Erzählung wesentliche V. 32 nicht ganz eindeutig, doch scheint er<br />

besagen zu wollen, dass die Gottheit dem Ausgezogenen als , Widersacher, in den Weg trat, um ihm<br />

entgegenzuhalten: »... die Unternehmung war übereilt mir gegenüber.« So hat es wohl auch Bileam<br />

verstanden, denn er gibt nicht nur seine Verfehlung zu, sondern ist auch sofort zur Umkehr bereit.<br />

Allerdings lässt sich die entscheidende Wurzel , die im Alten Testament nur hier <strong>und</strong> Hiob<br />

16,11 nachzuweisen ist, nicht ganz sicher deuten. Auf Gr<strong>und</strong> einer arabischen Analogie scheint sie im<br />

Sinne von »stürzen, hinabstürzen« verstanden werden zu müssen. Unter dieser Sinngebung der Vokabel<br />

sind freilich die beiden alttestamentlichen Stellen in ihrer speziellen Nuancierung nicht ganz sicher<br />

zu erfassen. So ist mit Bezug auf die vorliegende Stelle an »überstürzt, übereilt« gedacht worden. Vgl. W.<br />

Gesenius-F. Buhl, Hebräisches <strong>und</strong> aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, Leipzig 17)<br />

1921. Doch siehe auch die Erwägung von bei L. Köhler <strong>und</strong> W. Baumgartner, Lexikon in Veteris<br />

Testamemti Libros, Leiden 1953.<br />

I. Sam. 6. J. Wellhausen hat im Zusammenhang einer Darlegung verschiedener, im ominösen Sinne<br />

verwerteter Erscheinungen darauf hingewiesen, dass es möglicherweise »psychologische Gesetze« waren,<br />

welche auf diesem weiten, »phantastischer Willkür« offenem Gebiet die sich anbietende Möglichkeit zu<br />

einer uferlosen Ausgestaltung der Formen eingeschränkt haben. Diese Erwägung legte sich nahe, weil die<br />

an sich unendliche Reihe möglicher Zeichen bei den verschiedenen Völkern gleichwohl eine beachtliche<br />

21/21


61)<br />

62)<br />

Übereinstimmung <strong>und</strong> Begrenzung zeigt, welche vor allem darin liegt, dass der Erweis dessen, was<br />

rechtens ist, <strong>und</strong> die Klärung einer zweifelhaften Lage vorzugsweise durch die Orientierung am Tier<br />

gesucht wurde (Reste arabischen Heidentums. Berlin 2 1897, S. 210 ff.). Hier mag die Frage hinzugefügt<br />

werden, ob der auffallende, wohl über die ganze Erde verbreitete Hang des Menschen, Weisung beim<br />

Tier zu suchen, nicht vor allem als Anzeichen numinoser Bewertung des andersartigen Lebens im Tier<br />

zu beurteilen ist, also als Ausdruck dessen, dass diesem fremden Leben eine geheimnisvolle Beziehung<br />

zum Irrationalen zugeschrieben wurde. Durch die Beachtung dieses Gesichtspunktes würde die<br />

Aufmerksamkeit zwar weniger auf das an dieser Erscheinung abzulesende »psychologische Gesetz«<br />

gelenkt werden, dafür aber desto nachdrücklicher auf die Besonderheit des in ihr verborgenen religiösen<br />

Phänomens. Vgl. hierzu das reiche Material bei Morris Jastrow, Die Religion Babyloniens <strong>und</strong> Assyriens.<br />

Giessen 19122, Bd. lI, 2. Hälfte, S. 775 ff. Das numinose Element ist in hervorragendem Masse an der<br />

Schlange empf<strong>und</strong>en worden, woraus sich ihre spezielle Beziehung zum Leben <strong>und</strong> ihre hohe Bedeutung<br />

in dem hier ausgesparten Bereich der Mythologie erklären wird. Das Unheimliche, Rätselhafte <strong>und</strong><br />

Gefährliche dieses <strong>Tiere</strong>s war geeignet, Irrationales mit elementarer Gewalt zur Anschauung zu bringen.<br />

Vgl. a. a. O. auch H. Bonnet, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin 1952, S. 681 ff.;<br />

ferner Num. 21,6-9; 2. Kg. 18,4; 1. Kö. 1,9; Neh. 2,13, <strong>und</strong> H. Gressmann, Mose <strong>und</strong> seine Zeit.<br />

Göttingen 1913, S. 286 ff.<br />

Das Gegenbild hierzu liegt vor in Dan. 6,17-25. Der standhaft seinem Gott verpflichtete Daniel übersteht<br />

unangetastet eine ganze Nacht in einer Löwengrube. In der Legende von Rabbi Meir <strong>und</strong> der<br />

Ehebrecherin wird das Motiv der Bewahrung vor dem Zugriff wilder <strong>Tiere</strong> im Sinne eines Ordals als<br />

Erweis der Unschuld <strong>und</strong> Gerechtigkeit des Rabbi verwertet. Eine zweite Fassung der Erzählung entbehrt<br />

dieses Zuges der Beteiligung des <strong>Tiere</strong>s. Hier ist ein Traum blasser <strong>und</strong> notdürftiger Ersatz für das, was in<br />

der ersten Fassung durch Löwen in dreimaliger dramatischer Probe bezeugt wird. G. B. bin Gorion, Der<br />

Born Judas. Leipzig 2, 1918, Bd. I, S. 131 ff. Vgl. ferner 1. Kö. 20,35 ff; 2. Kö 2,24.<br />

Vgl. Ez. 5,17 <strong>und</strong> die positive Wendung des Gedankens Hi. 5,22 f.<br />

63)<br />

Vgl. hierzu die Bemerkung Sir. 39,30, dass reissende <strong>Tiere</strong>, Skorpione <strong>und</strong> Ottern zur Strafe geschaffen<br />

seien. Ähnlich Weish, 11,15.<br />

64)<br />

65)<br />

66)<br />

67)<br />

68)<br />

Jer. 8,7.<br />

Jes.1,3.<br />

Hiob 12,7-10.<br />

, vgl. B. H. K.<br />

1. Kö. 17,1-6 ist eine Erzählung überliefert, welche ein analoges Motiv enthält. Der Prophet Elia zieht<br />

sich aus der menschlichen Geineinschaft zurück, damit diese sich selbst überlassen bleibe ohne Aussicht<br />

auf das lösende prophetische Wort, durch welches zu bestimmter Zeit das Ende einer als Gottesgericht<br />

heraufziehenden Hungersnot angekündigt werden sollte. In der Einsamkeit östlich des Jordans wird Elia<br />

von Raben bedient, die ihm morgens <strong>und</strong> abends eine Ration Fleisch <strong>und</strong> Brot bringen, ein Zug, aus dem<br />

geschlossen werden darf, dass die Erhaltung des Propheten während der Zeit todbringenden Mangels als<br />

ein W<strong>und</strong>er empf<strong>und</strong>en wurde. Möglicherweise hat dem Evangelisten dieser legendäre Bericht als<br />

Prototyp des Rückzuges Jesu in die Wüste vorgeschwebt. Dann wäre freilich die Schlichtheit der Notiz<br />

Mark. 1,13 besonders auffallend. Sie legt die Vermutung nahe, dass der Evangelist Versuchung,<br />

Aufenthalt bei den <strong>Tiere</strong>n <strong>und</strong> Dienen der Engel nur deswegen so sparsam andeutend in einem einzigen<br />

Satz erwähnte, um das Gesagte für eine massiv sinnliche Auffassung im Sinne von 1. Kö.<br />

17 <strong>und</strong>urchlässig zu machen, eben weil er auf ein geistiges Phänomen, die Stationen der Überwindung<br />

versuchlicher Anfechtung, hinweisen wollte. Die Eliaerzählung hingegen ist geprägt von dem<br />

faszinierenden Eindruck, den dieser Prophet auf seine Umwelt ausübte. Er ist in Krisenzeiten fort.<br />

Keiner weiss, wo er sich aufhält <strong>und</strong> wovon er lebt. In entscheidenden Augenblicken ist er da, um eine<br />

fragwürdige Situation mit einem Gotteswort zu erhellen. Hier dient das Tiermotiv dazu, das Rätselhafte<br />

<strong>und</strong> Unheimliche der Existenz dieses Gottverpflichteten zu veranschaulichen. Man wird also nicht umhin<br />

können Mark.1,13 unter ganz anderem Gesichtspunkt als 1. Kö. 17 auch mit Bezug auf die Erwähnung<br />

der <strong>Tiere</strong> zu interpretieren, , sofern angesichts der dürftigen Andeutungen überhaupt von Interpretation<br />

gesprochen werden darf. So ist auch die Auffassung der Interpreten des neuen Testamentes mit Bezug<br />

auf das Verweilen Jesu bei den <strong>Tiere</strong>n durchaus nicht einhellig. Der Meinung, die <strong>Tiere</strong> seien als<br />

22/22


69)<br />

70)<br />

71)<br />

Verbündete des Satans zu verstehen (vgl. E. Lohmeyer, Das Evangelium des Markus. Göttingen 1954, S.<br />

27) steht die andere gegenüber, dass der Aufenthalt bei ihnen die Wiederherstellung des paradiesischen<br />

Zustandes andeute (vgl. E. Klostermann, Das Markusevangelium. Tübingen 4 1950, S. 11). Letztere<br />

würde dem oben entwickelten Gedankengang Vorschub leisten.<br />

Vgl. K. Steuernagel bei E. Kautzsch <strong>und</strong> A. Bertholet, Die Heilige Schrift des Alten Testamentes, Bd. 11,<br />

Tübingen 1923, auch G. Hölscher, Das Buch Hiob, Tübingen 2 1952.<br />

Prov. 6,6.<br />

Qoh. 3,19 ff. vgl. Ps. 49,13 u. 21.<br />

‚Das Tier im Bewusstsein des alttestamentlichen Menschen’<br />

von Marie-Louise Henry.<br />

Erstveröffentlichung: Sammlung gemeinverständlicher Vorträge <strong>und</strong> Schriften aus dem Gebiet der Theologie <strong>und</strong><br />

Religionsgeschichte. 220/221, 1958. J.C.B Mohr Tübingen.<br />

Marie-Louise Henry<br />

Geb. 1911 in Brüssel, Theologiestudium in Rostock, 1942-1945 wissenschaftliche Mitarbeit in der Luther-Gesellschaft. 1948<br />

kirchengeschichtliche Doktorarbeit in Rostock. 1956 Berufung auf eine Theologie-Professur in Leipzig. 1959 übernimmt damit<br />

erstmals in der deutschsprachigen alttestamentlichen Bibelwissenschaft eine Frau das akademische Lehramt. 1963-1976 Lehramt an<br />

der Theologischen Fakultät Hamburg.<br />

Marie-Louise Henry verfasste verschiedene Aufsehen erregende Arbeiten wie z.B. 1990 "Gott im Leiden? Gott in Auschwitz?",<br />

Fragen nach Sinn <strong>und</strong> Wirkung von Gebet im Umfeld des Unmenschlichen. In ihrem 81. Lebensjahr veröffentlichte sie<br />

"Alttestamentliche Überlegungen zum Problem der Feministischen Theologie". Die in der Bibel dargestellte menschliche<br />

Gemeinschaft beruhe zwar - wie jede menschliche Gesellschaft - auf Auseinandersetzungen. Aber der in der Bibel bezeugte Wille<br />

Gottes schliesse eine Unterdrückung des Menschen, natürlich auch der Frau, kategorisch aus. Nur so könne eine demokratische<br />

Rechtsgemeinschaft wachsen <strong>und</strong> gedeihen. Marie-Louise Henry verstarb am 29. Juni 2006 in Hamburg.<br />

(Quelle: Nachruf „Eine Maßstäbe setzende Theologin aus Rostock: Marie-Louise Henry“ von Dr.-Ing. Karl-Heinz Kutz, Universität<br />

Rostock.)<br />

23/23


STELLENVERZEI<strong>CH</strong>NIS<br />

Gen.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

6, 12<br />

8, 1<br />

8, 8<br />

9, 2<br />

9, 5<br />

9, 9<br />

22<br />

32,30<br />

Ex.<br />

3,13<br />

13,13<br />

20,10<br />

21,37<br />

21,28 ff.<br />

22,18<br />

22,28<br />

23,10 ff.<br />

23,19<br />

34,20<br />

34,26<br />

Lev.<br />

11<br />

18<br />

18,23<br />

19,19<br />

20,10 ff.<br />

20,15 f.<br />

22,28<br />

25,7<br />

26,6<br />

Num.<br />

3, 12 f.<br />

21, 6-9<br />

22, 20-35<br />

23, 22<br />

35, 31 ff.<br />

Deut.<br />

14, 4-21<br />

22, 5<br />

22, 6 f.<br />

22, 9<br />

22, 10<br />

25, 4<br />

27, 21<br />

33, 17<br />

Ri.<br />

13, 18<br />

1. Sam.<br />

6<br />

14<br />

2. Sam.<br />

12, 1-10<br />

1. Kö.<br />

1, 9<br />

13<br />

17, 1-6<br />

20, 35 f.<br />

2. Kö.<br />

2, 24<br />

17, 25<br />

18, 4<br />

23, 34<br />

24, 17<br />

Jes.<br />

1 , 3<br />

11, 1-9<br />

27, 1<br />

35, 9<br />

40, 11<br />

43, 20<br />

65, 25<br />

Jer.<br />

8, 7<br />

31, 10<br />

Ez.<br />

1<br />

5, 17<br />

34, 12<br />

34, 25<br />

Hos.<br />

2, 20<br />

Joel<br />

1, 20<br />

2, 22<br />

Jona<br />

3, 7 ff.<br />

4, 11<br />

PS.<br />

22, 22<br />

23<br />

36, 7<br />

42, 2<br />

49, 13 u- 21<br />

50, 10<br />

91, 13<br />

92, 11<br />

104, 21<br />

104, 27<br />

104, 29<br />

104, 30<br />

136, 25<br />

147, 9<br />

148, 10<br />

Prov.<br />

6, 6<br />

12, 10<br />

Hiob<br />

5, 22<br />

12, 7 ff.<br />

34, 14<br />

38, 41<br />

39<br />

40, 15-24<br />

Qoh.<br />

3, 19 ff.<br />

Dan.<br />

6, 17-25<br />

7<br />

Neh.<br />

2,13<br />

Tobit<br />

5, 17<br />

11, 3<br />

Sir.<br />

39, 30<br />

Weish. Sal.<br />

11, 15<br />

Ps. Sal.<br />

5, 10<br />

5, 10<br />

Matth.<br />

6, 26<br />

Mark.<br />

1, 13<br />

1. Kor.<br />

9, 9<br />

1. Tim.<br />

5, 18<br />

Offb.<br />

4<br />

12<br />

13<br />

Josephus Ant. IV. 8, 21<br />

Koran, Sure VI, 38<br />

24/24


AUTORENVERZEI<strong>CH</strong>NIS<br />

1. Karl von Amira, Tierstrafen <strong>und</strong> Tierprozesse. In: Mitteilungen des Institutes für<br />

österreichische Geschichtsforschung, Bd. XII. Innsbruck 1891.<br />

2. H. Bonnet, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin 1952.<br />

3. K. Budde, Die Bücher Samuel. Tübingen-Leipzig 1902.<br />

4. C. R. Driver, Canaanite Myths and Legends. Edinburgh 1956.<br />

5. A. Erman, Die Literatur der Ägypter. Leipzig 1923.<br />

6. Ders., Die Religion der Ägypter. Berlin-Leipzig 1934.<br />

7. W. Gesenius <strong>und</strong> F. Buhl, Hebräisches <strong>und</strong> aramäisches Handwörterbuch über das Alte<br />

Testament. Leipzig 17 1921.<br />

8. C. H. Gordon, Ugaritic Handbook. Rom 1947.<br />

9. G. B. bin Gorion, Der Born Judas. Leipzig 2 1918.<br />

10. H. Gressmann, Altorientalische <strong>Text</strong>e zum Alten Tcstament. Berlin-Leipzig 2 1926.<br />

11. Ders., Der Messias. Göttingen 1929.<br />

12. Ders., Tylose <strong>und</strong> seine Zeit. Göttingen 1923.<br />

13. H. Gunkel, Das Märchen im Alten Testament. Tübingen 1921.<br />

14. Ders., Schöpfung <strong>und</strong> Chaos in Urzeit <strong>und</strong> Endzeit. Göttingen 1895.<br />

15. Joh. Hempel, Gott, Mensch <strong>und</strong> Tier im Alten Testament. In: Zeitschrift für systematische<br />

Theologie 1932.<br />

16. Ders., Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten. In: Zeitschrift für Alttestamentliche<br />

Wissenschaft, N. F. 1/2, 1924.<br />

17. G. Hölscher, Das Buch Hiob. Tübingen 2 1952.<br />

18. Morris Jastrow, Die Religion Babyloniens <strong>und</strong> Assyriens. Giessen 1912, Bd. II.<br />

19. E. Klostermann, Das Markusevangelium. Tübingen 4 1950.<br />

20. L. Köhler <strong>und</strong> W. Baumgartner, Lexicon in Veteris Testamenti libros, Leiden 1953.<br />

21. L. Köhler, Theologie des Alten Testamentes. Tübingen 3 1953.<br />

22. G. van der Leeuw, Phänomenologie der Religion. Tübingen 1933.<br />

23. E. Lohmeyer, Das Evangelium des Markus. Göttingen 13 1954.<br />

24. I. Lublinski, Eine weitere mythische Urschicht vor dem Mythos. In: Zeitschrift für<br />

Völkerpsychologie <strong>und</strong> Soziologie. 6. Jahrg. Leipzig 1930.<br />

25. A. Menes, Die sozialpolitische Analyse der Urgeschichte. In: Zeitschrift für alttestamentliche<br />

Wissenschaft, N.F. Bd. II, 1925.<br />

26. G. Quell, . In: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. III. Stuttgart 1938.<br />

27. C. H. Ratschow, Magie <strong>und</strong> Religion. Gütersloh 1947.<br />

28. W. R. Smith, Die Religion der Semiten. Freiburg 1899.<br />

29. K. Steuernagel, Hiob. In: E. Kautzsch <strong>und</strong> A. Bertholet, Die Heilige Schrift des Alten<br />

Testamentes, Bd. II. Tübingen I923.<br />

25/25


30. H. Strack <strong>und</strong> P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud <strong>und</strong> Midrasch.<br />

München 2 1956.<br />

31. Th. C. Vriezen, Theologie des Alten Testamentes. Neukirchen 1956.<br />

32. O. Weber, Die Literatur der Babylonier <strong>und</strong> Assyrer. Leipzig 1907.<br />

33. J. Wellhausen, Reste arabischen Heidentums. Berlin 2 1897.<br />

34. E. Westermarck, Ursprung <strong>und</strong> Entwicklung der Moralbegriffe. Leipzig 1907.<br />

35. W. W<strong>und</strong>t, Völkerpsychologie, Bd. Vl. Leipzig 2 1915.<br />

Weitere Informationen <strong>und</strong> Anregungen zum Thema <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> <strong>Tiere</strong> finden sie bei<br />

<strong>Aktion</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> <strong>Tiere</strong><br />

Sekretariat: <strong>AKUT</strong>-<strong>CH</strong> • Rübibachstr. 9 • <strong>CH</strong>-6372 Ennetmoos<br />

Tel+Fax 041 610 32 31 • E-mail: akut-ch@bluewin.ch • www.aktion-kirche-<strong>und</strong>-tiere.ch<br />

26/26

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!