HITLISTE 1991 Schönste/r: 1. Christine Singer 2 ... - Ziehen-abi91.de
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Das auf den ersten Blick friedfertig anmutende Wesen des Gierschlundes<br />
steht, ebenso wie das bereits erwähnte, scheinbar harmlose Erscheinungsbild,<br />
in einem trtigerischen Kuntrast zu der aggressiven Gier, mit der er sich<br />
auf die unschuldigen Opfer seiner ungebändigten Freßsucht stürzt. Der Uneingeweihte<br />
mag sich wohl täuschen lassen, der Kenner jedoch entlarvt den<br />
Gierschlund anhand der gewaltigen Vorräte, die dieser stets mit sich führt,<br />
und zwar in solchen Massen, als gälte es, nicht etwa eine Unterrichtsstunde,<br />
sondern eine monatelange Expedition durch das dürre Steppenland der<br />
Sahelzone zu überstehen. Sind diese Vorräte erst einmal ausgepackt und<br />
ordentlich auf dem Holztisch vor ihm ausgebreitet, so dauert es nicht lange,<br />
und der Gemeine Gierschlund wird zur reißenden Bestie.<br />
Der Betrachter, selbst von adeligem Geblüte und daher dem einfachen Volke<br />
wohl gesonnen , senkt beschämt den Blick vor dem nun beginnenden Drama der<br />
Massenvernichtung. Seine feinen Ohren vernehmen das jämmerliche Wehklagen<br />
der Schinkenbrote, das erbärmliche Wimmern der Schokoriegel und das herzzerreißende<br />
Flehen der zarten Mohrrübe, deren kurzes, hoffnungsvolles Leben<br />
zwischen den gnadenlos malmenden Kiefern des Mampfus Giganticus ein<br />
ach so jähes Ende findet. Oh, es zerreißt mir das Herz, wie all die lieben<br />
Gummibärchen, die süßen Schokoladenhäslein und putzmunteren Speckmäuschen<br />
- erhobenen Hauptes die Männer, in stillem Schmerz die Mütter und flehenden<br />
Blickes die Kindlein, mit einern Wort: die Einwohnerschaft ganzer<br />
Schachteln und Tüten - ihren letzten Gang durch den gierigen Schlund antreten.<br />
Voll Abscheu wendet der Betrachter sein edles Antlitz der Tafel zu, 1m<br />
verzweifelten, aber aussichtslosen Versuch, den Gierschlund durch das Angebot<br />
geistiger Nahrung von seinem animalischen Treiben abzulenken. Doch<br />
finden weder die erbaulichen Worte, noch die zeitlosen Weisheiten, die der<br />
Erhabene mit zitternder Hand auf grauem Schiefer verewigt, die Beachtung<br />
der Mampfi. Denn kaum wendet er sein über derart schnöde Sinnesgenüsse so<br />
unendlich erhabenes Haupt erneut der grausamen Wirklichkeit zu, wird er<br />
Zeuge eines sich ewig widederholdenden Kreislaufes: Der Gierschlund hat in<br />
den kurzen Augenblicken, in denen er sich unbeobachtet glaubte, alles,<br />
wirklich alles, verputzt!<br />
Eben noch: Das paradiesische Schlaraffenland in seiner verwirrenden<br />
Vielfalt und orientalischen Pracht auf den Tafeln chaotischer Sultane,<br />
und jetzt: Kahlfraß! Wüste! Nacktes Holz! Die Leere im Auge des Hurrikans.