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Heinz Janisch / Wolf Erlbruch (Illustration)<br />

Der König und das Meer.<br />

21 Kürzestgeschichten<br />

Sanssouci Verlag<br />

München 2009<br />

ISBN 978-3-8<strong>36</strong>3-0118-3<br />

Textauszug<br />

S. 1-48<br />

© 2008 Sanssouci Verlag, München


Der König und das Meer<br />

»Ich bin der König«, sagte der König.<br />

Das Meer rauschte eine Antwort.<br />

»Ich weiß«, sagte der König.<br />

Er wurde still und nachdenklich.<br />

»Ich weiß«, murmelte er.<br />

Dann hörte er lange dem Rauschen zu.<br />

Der König und die Katze<br />

»Was machst du?«, fragte der König die Katze.<br />

»Ich lasse mir von der Sonne das Fell wärmen«,<br />

sagte die Katze und streckte sich auf der Wiese aus.<br />

»Dann ist die Sonne heute das Größte für dich?«<br />

»Heute schon«, sagte die Katze. »Heute ist die Sonne<br />

mein König!«<br />

Der König dachte kurz nach. Dann zog er sein Hemd<br />

aus und legte sich neben die Katze in die Wiese und ließ<br />

sich die Sonne auf die Haut scheinen.<br />

Der König und der Schatten<br />

»Warum folgst du mir ?«, fragte der König seinen Schatten.<br />

»Damit du auf keine dummen Ideen kommst«, sagte der<br />

Schatten.<br />

»Und damit du nicht vergisst, das alles zwei Seiten hat.«<br />

»Wie könnte ich das vergessen«, sagte der König und<br />

wunderte sich über den großen Schatten, den seine kleine<br />

Krone in der Sonne machte.<br />

Der König und die Wolke<br />

»Na, ihr!«, sagte der König zu den Wolken. »Schon wieder<br />

unterwegs! Kann ich Euch gar nicht zum Bleiben überreden?<br />

Ich habe das schönste Land weit und breit. Hier gibt es<br />

saftiges Grün, Wiesen und schwarze Felder. Hier gibt es<br />

Türme, so hoch wie – «<br />

Aber die Wolken waren schon weitergezogen.<br />

»Verstehe«, sagte der König leise. Dann seufzte er.<br />

1


Der König und der Regen<br />

»Meine Krone wird rosten«, sagte der König zum Regen.<br />

»Kannst du nicht aufhören?«<br />

»Deine Krone wird rosten. Und du auch«, sagte der Regen.<br />

»Auch wenn ich aufhöre.«<br />

»Du hast recht«, sagte der König nach einer Weile.<br />

»Dann will ich mich wenigstens von dir erfrischen lassen.«<br />

Er trat einen Schritt vor und hielt das Gesicht in den<br />

strömenden Regen.<br />

Der König und der Baum<br />

»Was machst du mit deiner Krone ?«, fragte der König<br />

den Baum.<br />

»Ich lasse die Vögel darin wohnen. Und den Wind. Und<br />

die Kinder haben ihr Versteck hier«, sagte der Baum.<br />

»Verstehe«, sagte der König und hörte lange dem Rauschen<br />

des Windes in den Blättern zu.<br />

Der König und das Eichhörnchen<br />

»Ich kann einen Handstand«, sagte der König.<br />

»Und einen Kopfstand!«<br />

Das Eichhörnchen sah zu, wie der König einen Handstand<br />

und einen Kopfstand machte.<br />

»Ich kann auf einem Bein stehen«, rief der König.<br />

»Und ich kann mit geschlossenen Augen rückwärts gehen!«<br />

Der König zeigte es vor.<br />

Das Eichhörnchen sagte kein Wort.<br />

Dann war es mit zwei, drei Sprüngen auf dem höchsten<br />

Baum und verschwand zwischen den Ästen und Zweigen.<br />

Der König sah ihm lange nach.<br />

»Ich kann schnell laufen«, rief er und bewegte sich nicht<br />

vom Fleck.<br />

Der König und der Hund<br />

»Sitz! Platz! Komm!«, rief der König.<br />

»Ich bin dein König!«<br />

»Hierher! Halt! An die Leine !«, rief der König.<br />

Dann rannte er dem Hund nach.<br />

2


Der König und der Geist<br />

»Es gibt keine Geister«, sagte der König zum Geist.<br />

»Und ich dachte, es gibt keine Könige«, sagte der Geist.<br />

»Dann hat sich eben einer von uns geirrt«, sagte der König.<br />

»Sieht ganz so aus«, sagte der Geist und begann mit der<br />

Geisterstunde.<br />

Der König und die Trompete<br />

»Ich bin der König«, sagte der König zur Trompete.<br />

»Spiel für mich!«<br />

Die Trompete gab keinen Laut von sich.<br />

»Ich befehle es dir«, sagte der König.<br />

Die Trompete blieb stumm.<br />

Da nahm der König die Trompete in die Hand<br />

und blies vorsichtig hinein.<br />

Die Trompete gab einen leisen Laut von sich.<br />

»Na also«, sagte der König.<br />

Er schaute die Trompete an.<br />

»Du willst wohl nicht allein spielen«, sagte er.<br />

Er dachte kurz nach.<br />

»Na, meinetwegen«, sagte er und holte tief Luft.<br />

Der König und das Netz<br />

»Warum hast du Löcher ?«, fragte der König das Netz.<br />

«Wie willst du alles für mich fangen, wenn du Löcher hast?«<br />

»Das Meer will ich nicht für dich fangen«, sagte das Netz.<br />

»Nur ein paar Fische daraus. Das Meer muss bleiben, wo<br />

es ist. Darum habe ich die Löcher.«<br />

»Mir soll es Recht sein«, brummte der König. «Was soll<br />

ich mit einem Meer zu Hause? Wer hat schon Platz für ein<br />

ganzes Meer?«<br />

Er ließ das Netz ins Wasser gleiten und sagte kein Wort mehr.<br />

Der König und die Biene<br />

»Weg da!«, sagte der König und versuchte<br />

eine Biene von seiner Blume zu verscheuchen.<br />

»Ich bin hier der König«, rief der König.<br />

»Ich auch«, sagte die Biene und stach zu.<br />

3


Der König und das Bild<br />

»Du siehst schön aus«, sagte der König zum gezeichneten Vogel.<br />

»Danke«, sagte der Vogel. «Finde ich auch. Trotzdem fehlt<br />

noch etwas.«<br />

»Was denn ?«, fragte der König.<br />

»Der Wind unter meinen Flügeln«, sagte der Vogel und fl og<br />

aus dem Bild.<br />

Der König und die Müdigkeit<br />

»Glaub nur ja nicht, dass du hier das Sagen hast«,<br />

sagte der König zur Müdigkeit.<br />

»Ich bin der König, und ich entscheide, wann ich<br />

müde werde.«<br />

Er musste gähnen.<br />

»Deine ganzen Tricks werden dir nichts helfen!«,<br />

rief der König und setzte sich kerzengerade auf.<br />

»Ein König lässt sich nicht von anderen sagen,<br />

was er zu tun hat!«<br />

Der König redete noch eine Weile auf die Müdigkeit ein,<br />

aber sein Kopf wurde immer schwerer.<br />

Plötzlich rutschte ihm die Krone vom Kopf.<br />

»Hoppla«, dachte er noch, als er sie auffing.<br />

Dann fielen ihm die Augen zu.<br />

Der König und die Nacht<br />

»Du bist ganz schön dunkel«, sagte der König zur Nacht.<br />

»Geht’s nicht ein wenig heller?«<br />

»Da musst du mit dem Tag reden«, sagte die Nacht.<br />

»Der ist fürs Helle zuständig, ich für die Dunkelheit.«<br />

Der König suchte nach Streichhölzern.<br />

»Ich bin für beides zuständig«, sagte er und zündete<br />

eine Kerze an.<br />

Der König und der Stern<br />

»Wozu bist du gut?«, fragte der König den Stern.<br />

»Du bist weit weg. Ich kann dich nicht greifen.<br />

Was soll ich mit dir anfangen?«<br />

Da verschwand der Stern.<br />

»Wie dunkel alles ist!«, rief der König und starrte<br />

in den schwarzen Himmel.<br />

»Komm zurück! Du fehlst mir!«<br />

»Also doch«, sagte der Stern und zeigte sein<br />

schönstes Strahlen.<br />

4


Der König und der Himmel<br />

»Ich wünsche mir eine Decke«, sagte der König.<br />

»Und zwar sofort! Auf der Stelle! Und – schön soll sie sein!«<br />

Da begann es zu schneien.<br />

Der Schnee fi el in dichten, weichen Flocken.<br />

»Da ist sie, deine Decke«, sagte der Himmel und legte ein<br />

Glitzern übers Land.<br />

»Danke«, sagte der König erstaunt.<br />

Der König und das Salz<br />

»Das hat keinen Geschmack!«, rief der König beim Essen.<br />

»Da fehlt das Salz!«<br />

Da hörte man ein Brausen von allen Seiten, die Fenster und<br />

Türen sprangen auf, und das Meer rauschte über den Tisch.<br />

»Das nenne ich gesalzen«, sagte der König und ließ es sich<br />

schmecken.<br />

Der König und der Bleistift<br />

»Erzähl mir etwas«, sagte der König zum Bleistift.<br />

»Sag etwas! Irgendwas! HUCH oder HEPP oder<br />

KARAWANKEN!«<br />

»Schon geschehen«, sagte der Bleistift und legte<br />

sich schlafen.<br />

Der König und das Buch<br />

»Wie geht es dir?«, fragte der König das Buch.<br />

»Das frage ich dich schon die ganze Zeit«, sagte das Buch.<br />

Der König und die Könige<br />

Der König stand am Strand.<br />

»Das Meer ist da, der Himmel, die Sonne – und ich.<br />

Lauter Könige«, sagte der König stolz.<br />

Da erhob sich ein schwarzes Gebirge aus dem Wasser,<br />

ein gewaltiger Schatten teilte die Wellen.<br />

»Ein Wal!«, rief der König erstaunt.<br />

In der nächsten Sekunde krabbelte ein kleiner Krebs über<br />

seine nackte Zehe.<br />

5


Und ein weißer Schmetterling streifte seine Nasenspitze.<br />

»Schon gut!«, sagte der König. »Schon gut! Ich habe verstanden.«<br />

Er nahm seine Krone vom Kopf und legte sie in den Sand.<br />

Dann sprang er mit einem lauten Lachen ins Blau.<br />

6

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