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Interne Konflikte in Nigeria 2006.pdf - Peterhunziker.ch

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1<br />

<strong>Interne</strong> <strong>Konflikte</strong> <strong>in</strong> <strong>Nigeria</strong><br />

Deuts<strong>ch</strong>e Fassung der Powerpo<strong>in</strong>tpräsentation der Weiterbildung vom Juni 4. -6. Juni 2006<br />

für Caritas Luxemburg und der Präsentation vom 20. /21. Oktober 2006 für das Forum der<br />

Afrikastudien <strong>in</strong> Züri<strong>ch</strong>.<br />

Inhaltsübersi<strong>ch</strong>t<br />

1. Allgeme<strong>in</strong>e Übersi<strong>ch</strong>t<br />

1.1. Verwaltungsmässige Aufteilung<br />

1.2. Ethnien<br />

1.3. Aufteilung na<strong>ch</strong> Religionen<br />

2. Die dom<strong>in</strong>anten ethnis<strong>ch</strong>en Gruppen und deren kulturelle Charakteristika<br />

2.1. Die Yoruba<br />

2.2. Die Haussa-Fulani<br />

2.2.1. Soziale S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung der Fulbe<br />

2.3. Die Ibo oder Igbos<br />

3. Konfliktfaktor Patrimonialstaat<br />

3.1. Dom<strong>in</strong>ante Stellung der Yoruba im Patrimonialstaat<br />

3.1.1. Politis<strong>ch</strong>e Funktionen des Geisterglaubens<br />

3.1.3. Soziale Funktionen traditioneller Altersklassen<br />

3.1.4. Geheimgesells<strong>ch</strong>aften der Yoruba<br />

3.1.4. Die studentis<strong>ch</strong>en Kultgruppen<br />

4. Ressourcenkonflikte um städtis<strong>ch</strong>e Warenmärkte, Landnutzung und Erdöl<br />

4.1. <strong>Konflikte</strong> um die Kontrolle der städtis<strong>ch</strong>en Warenmärkte<br />

4.1.1. Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Yoruba<br />

4.1.2. Ause<strong>in</strong>adersetzungen zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Ibo<br />

4.2. <strong>Konflikte</strong> um Landbesitz und politis<strong>ch</strong>e Vorma<strong>ch</strong>t im Middle Belt<br />

4.2.1. Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Tiv<br />

4.3. <strong>Konflikte</strong> um Erdölausbeutung und die Verteilung der Erdölressourcen im Nigerdelta<br />

(<strong>in</strong>terethnis<strong>ch</strong>e <strong>Konflikte</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Ibos, Ogoni, Itsekeri, Jiaws et Urhobos)<br />

4.3.1. Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Bena<strong>ch</strong>teiligung lokaler Ethnien dur<strong>ch</strong> die Zentralregierung<br />

4.3.2. Die Rebellenbewegungen im Nigerdelta<br />

5. Vers<strong>ch</strong>ärfte <strong>in</strong>terethnis<strong>ch</strong>e <strong>Konflikte</strong> zwis<strong>ch</strong>en Norden und Süden<br />

5.1. Ursa<strong>ch</strong>en und Folgen


2<br />

5.2. Zerfall nationaler E<strong>in</strong>heit<br />

5.3. Des<strong>in</strong>tegration der Haussa<br />

5.4. Entstehen ethnis<strong>ch</strong>er Wä<strong>ch</strong>tergruppen als Ordnungskräfte<br />

5.4.1. Verbreitungsgebiet der Bakassy Boys<br />

6. Religionskonflikte zwis<strong>ch</strong>en Moslems und Christen<br />

6.1. Ursa<strong>ch</strong>en<br />

6.2. Zahlenmässige Übersi<strong>ch</strong>t<br />

6.3. Regionale Aufteilung<br />

6.4. Islam<br />

6.5 S<strong>ch</strong>ematis<strong>ch</strong>e Übersi<strong>ch</strong>t<br />

6.6. E<strong>in</strong>führung der sharia<br />

6.7. Gefahr der Eskalation mit den Wahlen 2007?<br />

7. Zusammenfassende Konflikttypologie und s<strong>ch</strong>ematis<strong>ch</strong>e Übersi<strong>ch</strong>t<br />

Literaturverzei<strong>ch</strong>nis


3<br />

1. Allgeme<strong>in</strong>e Übersi<strong>ch</strong>t<br />

Landflä<strong>ch</strong>e: 910,771 Quadrat/meile; Gesamtflä<strong>ch</strong>e 923,768 Quadrat/pro Meile<br />

Bevölkerung (2006 ges<strong>ch</strong>ätzt.): 131,859,731 (Bevölkerungszuwa<strong>ch</strong>srate: 2.4%);<br />

Geburtenrate: 40.4/1000; K<strong>in</strong>dersterbli<strong>ch</strong>keit 97.1/1000; Lebenserwartung: 47.1;<br />

Bevölkerungsdi<strong>ch</strong>te pro Meile: 375. <strong>Nigeria</strong> ist das bevölkerungsrei<strong>ch</strong>ste Land <strong>in</strong> Afrika mit<br />

der weltweit grössten Bevölkerungszunahme.<br />

Hauptstadt (2003 S<strong>ch</strong>ätzung): Abuja, 590,400 (E<strong>in</strong>wohner mit E<strong>in</strong>zugsgebiet), 165,700<br />

(Stadtkern)<br />

Größte Städte: Lagos (2003 S<strong>ch</strong>ätzung), 9,529,700 (mit E<strong>in</strong>zugsgebiet), 8,349,700<br />

(Stadtkern); Kano, 3,329,900; Ibadan, 3,139,500; Kaduna, 1,510,300<br />

Währungse<strong>in</strong>heit: Naira<br />

Spra<strong>ch</strong>en: Englis<strong>ch</strong> (offizielle Landesspra<strong>ch</strong>e), Haussa, Yoruba, Ibo, Fulani, und weitere 200<br />

Lokalspra<strong>ch</strong>en<br />

Alphabetisierungsgrad: 68% (2003 S<strong>ch</strong>ätzung)<br />

1.1. Verwaltungsmäßige Unterteilung


4<br />

1.2. Ethnien<br />

Man s<strong>ch</strong>ätzt, daß es zwis<strong>ch</strong>en 200 bis 400 vers<strong>ch</strong>iedene ethnis<strong>ch</strong>e Gruppen gibt. Die<br />

prozentuale Aufteilung der bevölkerungsrei<strong>ch</strong>sten ethnis<strong>ch</strong>en Gruppen ist wie folgt:<br />

Hausa-Fulani 29%, Yoruba 21%, Ibo 18%, Ijaw 10%, Kanuri 4%, Ibibio 3.5%, Tiv 2.5%<br />

E<strong>in</strong>e ausführli<strong>ch</strong>e Übersi<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>zelnen ethnis<strong>ch</strong>en Gruppen bef<strong>in</strong>det si<strong>ch</strong> im Anhang 1<br />

von Accord: „Ethnic and language communities <strong>in</strong> <strong>Nigeria</strong>“ <strong>in</strong> country of orig<strong>in</strong> (siehe<br />

Literaturverzei<strong>ch</strong>nis).


5<br />

1.3. Aufteilung na<strong>ch</strong> Religionen<br />

Islam 50%, Christentum 40%, Traditionelle Glaubensri<strong>ch</strong>tungen 10%<br />

Verbreitungsgebiete Christentum: Die Protestanten bilden die Mehrheit im Gebiet der<br />

Yoruba, die Katholiken im Gebiet der Ibos<br />

Verbreitungsgebiet traditionelle Religionen: Süden des Landes


6<br />

2. Die dom<strong>in</strong>anten ethnis<strong>ch</strong>en Gruppen und deren<br />

kulturelle Charakteristika<br />

Die bevölkerungsmässig und kulturell wi<strong>ch</strong>tigsten Ethnien, wel<strong>ch</strong>e das politis<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>ehen<br />

<strong>in</strong> <strong>Nigeria</strong> bestimmen, s<strong>in</strong>d: die Haussa-Fulani, die Yoruba, Ibo, Ibibio, Kanuri, Tiv, Nupe,<br />

Edo, Ijaw. Die Haussa-Fulani s<strong>in</strong>d im Norden des Landes beheimatet, die Yoruba im<br />

Südwesten, die Ibo im Südosten.<br />

2.1. Die Yoruba<br />

Die Yoruba bewohnen das Gebiet im Südwesten des Landes, wo sie zwis<strong>ch</strong>en 500 vor<br />

Christus bis zur britis<strong>ch</strong>en Kolonisierung 1897 <strong>in</strong> der Region von Ife und Ben<strong>in</strong> (ni<strong>ch</strong>t zu<br />

verwe<strong>ch</strong>seln mit dem heutigen Staat Ben<strong>in</strong>) ihre Stadtstaaten erri<strong>ch</strong>tet hatten. Sie umfassen<br />

e<strong>in</strong>e Bevölkerungszahl von 28 Millionen oder 21 Prozent der Gesamtbevölkerung.


7<br />

Die Yoruba s<strong>in</strong>d aber au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> den Städten der anderen Regionen des Landes zu f<strong>in</strong>den.<br />

Von ihrer Religionszugehörigkeit her s<strong>in</strong>d sie sowohl Moslems als au<strong>ch</strong> Christen.<br />

Haupt<strong>ch</strong>arakteristika ihrer geme<strong>in</strong>sam geteilten Kultur bestehen <strong>in</strong> ihrem Respekt vor den<br />

religiösen Kulten der traditionellen königli<strong>ch</strong>en Clans. Die traditionellen Königrei<strong>ch</strong>e der<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Stadtstaaten waren: Oyo; Kabba; Ekiti; Egba; Ife, Ondo et Ijebu.<br />

Au<strong>ch</strong> wenn heute die königli<strong>ch</strong>en Clans offiziell ke<strong>in</strong>en politis<strong>ch</strong>en E<strong>in</strong>fluss mehr ausüben, so<br />

haben sie do<strong>ch</strong> weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wi<strong>ch</strong>tige symbolis<strong>ch</strong>e Bedeutung. Die vers<strong>ch</strong>iedenen Kulte<br />

der heutigen Geheimgesells<strong>ch</strong>aften stammen von den vers<strong>ch</strong>iedenen traditionellen religiösen<br />

Kulten ab.<br />

Früher wurden die Könige als heilige Personen angesehen. Ihr Ers<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der<br />

Öffentli<strong>ch</strong>keit und au<strong>ch</strong> ihr Tod war mit spezifis<strong>ch</strong>en Ritualen verbunden. Starb z.B. der<br />

König der Ijebu, dann wurde se<strong>in</strong> Herz verspiesen und se<strong>in</strong> Kopf aufbewahrt. Au<strong>ch</strong> verfügten<br />

die Könige das Re<strong>ch</strong>t über Leben und Tod ihrer Untergebenen zu ents<strong>ch</strong>eiden. Trotzdem war<br />

die Ma<strong>ch</strong>t des Königs ni<strong>ch</strong>t absolut, denn falls die Bevölkerung unzufrieden war, wurde der<br />

König gezwungen, si<strong>ch</strong> umzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Au<strong>ch</strong> die Thronna<strong>ch</strong>folge war e<strong>in</strong>e politis<strong>ch</strong> heikle Angelegenheit. Zwar gab es klare<br />

Bestimmungen, aus wel<strong>ch</strong>er Familie des königli<strong>ch</strong>en Clans der Na<strong>ch</strong>folger zu wählen war,<br />

do<strong>ch</strong> mußte dieser den traditionellen Geheimgesells<strong>ch</strong>aften und den traditionellen<br />

Würdenträgern genehm se<strong>in</strong>.<br />

2.2. Die Haussa-Fulani<br />

Die Bevölkerung der Haussa-Fulani umfaßt s<strong>ch</strong>ätzungsweise 38 Millionen Mens<strong>ch</strong>en oder 29<br />

Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie s<strong>in</strong>d im Nordwesten <strong>Nigeria</strong>s, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den<br />

Prov<strong>in</strong>zen Kano, Sokoto und Zaria beheimatet. Man f<strong>in</strong>det sie aber au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> den meisten<br />

Städten im Süden des Landes.<br />

Die Haupt<strong>ch</strong>arakteristika dieser Volksgruppe bestehen <strong>in</strong> ihrer geme<strong>in</strong>samen Spra<strong>ch</strong>e, wel<strong>ch</strong>e<br />

als Händlerspra<strong>ch</strong>e e<strong>in</strong>e weit über die Region h<strong>in</strong>ausgehende Bedeutung hat im Islam als<br />

geme<strong>in</strong>sam geteilten Glauben.<br />

Die Fulbe (au<strong>ch</strong> Peul oder Fulani genannt) waren ursprüngli<strong>ch</strong> Nomaden aus dem Gebiet<br />

sowie Futa Jallon (heutiges Gu<strong>in</strong>ea). Im Verlaufe der ab dem 18. Jahrhundert e<strong>in</strong>setzenden<br />

kriegeris<strong>ch</strong>en Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die Vorherrs<strong>ch</strong>aft <strong>in</strong> den nördli<strong>ch</strong>en Haussastaaten<br />

vermis<strong>ch</strong>ten sie si<strong>ch</strong> mit der Lokalbevölkerung. E<strong>in</strong> Grossteil von ihnen wurde seßhaft,<br />

weshalb heutzutage nur no<strong>ch</strong> von der Ethnie der Haussa-Fulani die Rede ist.<br />

2.2.1. Soziale S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung der Fulbe<br />

Die soziale S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung der Fulbe <strong>in</strong> vier vers<strong>ch</strong>iedene Gruppen stammt aus der Zeit des<br />

Emirates von Sokoto (1808 – 1903).<br />

Die Gruppe, wel<strong>ch</strong>e das Emirat politis<strong>ch</strong> führte, war der Familienclan von Osman Fodio. Se<strong>in</strong><br />

Clan, die Torobee stellten die politis<strong>ch</strong>en Führer der eroberten Haussa-Städte. Ihre


8<br />

Angehörigen wurden zu den wi<strong>ch</strong>tigsten Warenhändlern und rei<strong>ch</strong>sten Sklavenhaltern. Dur<strong>ch</strong><br />

ihre Lebensweise, Spra<strong>ch</strong>e und ethnis<strong>ch</strong>e Dur<strong>ch</strong>mis<strong>ch</strong>ung mit den Haussa unters<strong>ch</strong>eiden sie<br />

si<strong>ch</strong> heutzutage vollkommen von den anderen Fulbe.<br />

Die zweite Fulbegruppe, die si<strong>ch</strong> vollständig vom Nomadismus losgelöst hat, s<strong>in</strong>d die Fulbe<br />

Ure. Die meisten von ihnen s<strong>in</strong>d sesshafte Ackerbauern, die politis<strong>ch</strong> von der dom<strong>in</strong>anten<br />

Fulani-Haussa Händlers<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t abhängig s<strong>in</strong>d.<br />

Die dritte und vierte Fulbegruppe verstehen si<strong>ch</strong> als die wahren Fulbe, weil sie immer no<strong>ch</strong><br />

Nomaden s<strong>in</strong>d. Die Gruppe, wel<strong>ch</strong>e unter der Bezei<strong>ch</strong>nung Fulbe na‘i (= Kuh-Fulbe) oder<br />

Fulbe ladde (= Bus<strong>ch</strong>-Fulbe) bekannt ist, era<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> den ackerbautreibenden sesshaften<br />

Fulbe als überlegen, ni<strong>ch</strong>t aber der vierten Gruppe, den Vollnomaden der Bororo. Dies, weil<br />

die Fulbe na‘i ni<strong>ch</strong>t über genügend Kühe besitzen, um vom Ackerbau vollständig unabhängig<br />

zu se<strong>in</strong>. Na<strong>ch</strong> Ansi<strong>ch</strong>t e<strong>in</strong>iger Autoren führt diese prekäre soziale Stellung zwis<strong>ch</strong>en seßhaften<br />

Ackerbauern und Vollnomaden dazu, daß die Fulbe na’i e<strong>in</strong>en „fundamentalistis<strong>ch</strong>en Islam“<br />

praktizieren, um si<strong>ch</strong> von den anderen Gruppen klar abzugrenzen.<br />

Die Bororo s<strong>in</strong>d Vollnomaden, die gemäß Jahreszyklus ihr Vieh auf die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Weiden au<strong>ch</strong> über die Landesgrenzen h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> den Niger und na<strong>ch</strong> Ben<strong>in</strong> führen. Sie legen<br />

Wert auf ihre traditionelle Lebensweise, die u.a. auf der Pflege von Ästhetik und S<strong>ch</strong>önheit<br />

beruht. Wegen ihrer sehr hellen Hautfarbe s<strong>in</strong>d gerade die Bororofrauen für Heiraten sehr<br />

begehrt.<br />

2.3. Die Ibo oder Igbos<br />

Die Ibos, wel<strong>ch</strong>e etwa 23 Millionen oder 18 Prozent der Bevölkerung ausma<strong>ch</strong>en, bewohnen<br />

den Südosten des Landes. Bei Ausgrabungen wurden erste Spuren ihrer Kultur <strong>in</strong> Form von<br />

Bronzeobjekten gefunden, wel<strong>ch</strong>e bis <strong>in</strong>s 9. Jahrhundert na<strong>ch</strong> Christus zurückrei<strong>ch</strong>en.<br />

Das traditionelle politis<strong>ch</strong>e System der Ibos wird <strong>in</strong> der Literatur als „Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aft ohne<br />

Staat“ bes<strong>ch</strong>rieben, d.h. es gab ke<strong>in</strong>en politis<strong>ch</strong>en oder religiösen Führer, der die<br />

Zentralgewalt auf si<strong>ch</strong> vere<strong>in</strong>igte. Die Gesells<strong>ch</strong>aftsordnung beruhte vielmehr auf dem<br />

Verwandts<strong>ch</strong>aftssystem selbst, wobei die Altersgruppen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e soziopolitis<strong>ch</strong>e<br />

Funktionen wahrnahmen. Die Ältesten etwa zei<strong>ch</strong>neten si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> besondere religiöse oder<br />

politis<strong>ch</strong>e Kompetenzen aus.<br />

Die religiösen Vorstellungen der Ibos waren stark von ihrer landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Lebensweise<br />

als Ackerbauern geprägt. Personifizierte Naturgewalten, Fru<strong>ch</strong>tbarkeitsrituale und<br />

Erntedankfeste spielten e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Das bei der Ignamernte abgehaltene Oru Owerri<br />

ist wohl das bekannteste Erntedankfest.<br />

Die hö<strong>ch</strong>ste Strafe, wel<strong>ch</strong>e die egalitäre Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aft gegen dissidente Gruppenmitglieder<br />

ausübte, bestand <strong>in</strong> ihrem gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Auss<strong>ch</strong>luß. Diese werden <strong>in</strong> der Ibospra<strong>ch</strong>e als<br />

Osu bezei<strong>ch</strong>net, was Sklave heißt und dürfen an den Anlässen der Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

teilnehmen.<br />

Aufgrund der egalitären Organisation ihres politis<strong>ch</strong>en Ordnungssystems waren die Ibos<br />

besonders anfällig für Außene<strong>in</strong>flüsse und Eroberungen. Im 11. Jahrhundert wurden sie dur<strong>ch</strong><br />

die Königrei<strong>ch</strong>e der Yourba und Ben<strong>in</strong> unterworfen, was ihre Lebensweise und ihre politis<strong>ch</strong>e<br />

Organisationsform stark veränderte (Erri<strong>ch</strong>tung von Stadtstaaten).


9<br />

Auf den E<strong>in</strong>fluß der Yoruba folgte die katholis<strong>ch</strong>e Missionierung des Gebietes der Igbo.<br />

Vom 15. Jahrhundert bis im Jahre 1807 trieben die Ibo von den Stadtstaaten Bonny, Owome<br />

und Okrika aus, e<strong>in</strong>en blühenden Sklavenhandel mit den auf diesem Markt<br />

konkurrenzierenden Portugiesen, Holländern, Franzosen und Engländern. Im Rahmen der<br />

damals anhaltenden kriegeris<strong>ch</strong>en Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Stadtstaaten wurden sie oft aber selbst zum Opfer des Sklavenhandels. In der erwähnten<br />

Zeitepo<strong>ch</strong>e wurden <strong>in</strong>sgesamt gegen 3.5 Millionen Sklaven, ihrer Abstammung na<strong>ch</strong> Igbo,<br />

Yoruba, Hausa und Ibibo, na<strong>ch</strong> Amerika vers<strong>ch</strong>ifft.<br />

Im Jahre 1887 erri<strong>ch</strong>teten die Briten das Oil Rivers Protectorate und <strong>in</strong> der Folge wurden die<br />

Ibos dur<strong>ch</strong> ihren Handel mit Palmöl bekannt.<br />

3. Konfliktfaktor Patrimonialstaat<br />

3.1. Dom<strong>in</strong>ante Stellung der Yoruba im Patrimonialstaat<br />

3.1.1. Politis<strong>ch</strong>e Funktionen des Geisterglaubens<br />

Die historis<strong>ch</strong>en Feudalstaaten der Yoruba beruhten auf der magis<strong>ch</strong>-religiösen Vorstellung,<br />

daß der König (oba genannt) und dessen verstorbene Ahnen für das Wohlergehen der<br />

Untergeben verantwortli<strong>ch</strong> s<strong>in</strong>d. Die Ergebenheit des Volkes beruhte auf dieser Vorstellung,<br />

daß der göttli<strong>ch</strong> <strong>in</strong>spirierte Monar<strong>ch</strong> ihnen Wohlstand und Si<strong>ch</strong>erheit verleihe.<br />

Viele dieser traditionellen religiös-magis<strong>ch</strong>en Vorstellungen bestehen im heutigen<br />

patriomonialistis<strong>ch</strong>en Staatssystem weiter. Die Yoruba, Ibos, die Edo und Ijaws und viele<br />

weitere Ethnien des Südens glauben, daß die Seelen der verstorbenen Ahnen als Geister<br />

weiterleben und sie für<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> vor deren negativen Sanktionen, daß sie ihnen Krankheiten<br />

und Tod s<strong>ch</strong>icken. No<strong>ch</strong> heute werden deshalb viele gewöhnli<strong>ch</strong>e Alltagsereignisse als<br />

Manifestationen übernatürli<strong>ch</strong>er Kräfte wahrgenommen und zum Anlaß für e<strong>in</strong>e Klärung im<br />

Ritual. Da die Krankheit übernatürli<strong>ch</strong>en Ursprungs ist, wird der oder die Kranke zuerst e<strong>in</strong>en<br />

Hexer oder Fetis<strong>ch</strong>eur aufsu<strong>ch</strong>en, um herauszuf<strong>in</strong>den, wer ihm s<strong>ch</strong>aden will und deshalb den<br />

krankma<strong>ch</strong>enden Geist ges<strong>ch</strong>ickt hat.<br />

Gemäß traditioneller Vorstellungen handeln sowohl die Gottheiten als au<strong>ch</strong> die<br />

personifizierten und ni<strong>ch</strong>t-personifizierten Geister zum Nutzen oder S<strong>ch</strong>aden der Mens<strong>ch</strong>en.<br />

Die von Glück oder Unglück betroffenen Mens<strong>ch</strong>en wenden si<strong>ch</strong> über rituelle Experten und<br />

Fetis<strong>ch</strong>eure an diese Kräfte des Universums. Der S<strong>ch</strong>langenkult, dessen Symbolik mit<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Gottheiten verbunden ist, hat <strong>in</strong> diesem Zusammenhang e<strong>in</strong>en besonders<br />

grossen Bekanntheitsgrad erlangt und ist no<strong>ch</strong> heute sehr wi<strong>ch</strong>tig.<br />

Der herausragenden Bedeutung der Wirkung der Magie im Alltag entspri<strong>ch</strong>t auf der Ebene<br />

der sozialen Beziehungen, der Vorrang der <strong>in</strong>terpersonellen Beziehungen vor den<br />

Notwendigkeiten staatli<strong>ch</strong>er Bürokratie. Für das <strong>in</strong>dividuelle Wohlergehen und das<br />

ökonomis<strong>ch</strong>e Handeln ist das Erfüllen geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er sozialer Normen wi<strong>ch</strong>tiger als das<br />

Erfüllen bürokratis<strong>ch</strong>er Erfordernisse.


10<br />

Wi<strong>ch</strong>tige <strong>in</strong>dividuelle Eigens<strong>ch</strong>aften <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es patrimonialen Systems bestehen deshalb<br />

<strong>in</strong> dessen Fähigkeit, si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> kultis<strong>ch</strong>en Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aften zusammenzus<strong>ch</strong>ließen, um mit dem<br />

erhaltenen Informationsvorsprung den politis<strong>ch</strong>en Gegner zu übervorteilen oder ihn mit<br />

rituellen Handlungen e<strong>in</strong>zus<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>tern.<br />

Auf die glei<strong>ch</strong>e Weise, d.h. dur<strong>ch</strong> den Me<strong>ch</strong>anismus spiritueller Sanktionen ahndet die lokale<br />

Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aft oder die Kultgruppe ihre eigenen Mitglieder, die si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> ihrer Ansi<strong>ch</strong>t<br />

dissident verhalten.<br />

Im südli<strong>ch</strong>en <strong>Nigeria</strong> gibt es ni<strong>ch</strong>t nur e<strong>in</strong>e Vielzahl von unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aften, Kultgruppen, Bruders<strong>ch</strong>aften und Geheimbünden, sondern ebenso<br />

viele magis<strong>ch</strong>e Experten, Fetis<strong>ch</strong>eure und Hexer. Diese werden regelmäßig aufgesu<strong>ch</strong>t, um<br />

die Gründe der Heimsu<strong>ch</strong>ung dur<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>en s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Geist herauszuf<strong>in</strong>den oder e<strong>in</strong>er<br />

verhaßten Person selbst e<strong>in</strong>en bösen Geist zu s<strong>ch</strong>icken.<br />

Zusammenfassend können wir über die soziopolitis<strong>ch</strong>en Funktionen aktuellen Geister- und<br />

Fetis<strong>ch</strong>glaubens festhalten, daß die vers<strong>ch</strong>iedenen Glaubensvorstellungen, Kulte und Rituale<br />

e<strong>in</strong>e zentrale normative Funktion für die jeweilige Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aft haben und das E<strong>in</strong>halten<br />

dieser Regeln für das ökonomis<strong>ch</strong>en Handelns des E<strong>in</strong>zelnen ebenso wi<strong>ch</strong>tig s<strong>in</strong>d wie für den<br />

Erhalt se<strong>in</strong>er Gesundheit.<br />

Die <strong>in</strong> <strong>Nigeria</strong> stark verbreitete „s<strong>ch</strong>warze Magie“ ist als Negation und Asymmetrie des<br />

ursprüngli<strong>ch</strong>en Konzeptes der Wiederherstellung der Gruppenharmonie dur<strong>ch</strong> Sanktion e<strong>in</strong>es<br />

angebli<strong>ch</strong>en unsolidaris<strong>ch</strong>en Verhaltens zu verstehen. Sie bezweckt dur<strong>ch</strong> rituelles Töten die<br />

Gültigkeit bestehender sozialer Gruppennormen und – beziehungen wiederherzustellen. Sie<br />

dient e<strong>in</strong>zelnen Lokalpotentaten aber au<strong>ch</strong> dazu die physis<strong>ch</strong>e Verni<strong>ch</strong>tung des Gegners<br />

kulturell als spirituelle Sanktion zu re<strong>ch</strong>tfertigen. E<strong>in</strong>e sehr gute Darstellung dieses<br />

Me<strong>ch</strong>anismus für den kriegeris<strong>ch</strong>en Kontext <strong>in</strong> Sierra Leone und <strong>in</strong> Liberia gibt das Bu<strong>ch</strong> von<br />

Ahmadou Kourama: „Allah muss ni<strong>ch</strong>t gere<strong>ch</strong>t se<strong>in</strong>.“ éditions de seuil 2000.<br />

3.1.2. Soziale Funktion traditioneller Altersklassen<br />

Wie viele afrikanis<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aften kennen au<strong>ch</strong> die Yoruba e<strong>in</strong> Altersklassensystem<br />

In der Yorubaspra<strong>ch</strong>e werden die Altersklassen Egbe genannt. E<strong>in</strong> Egbe besteht aus etwa<br />

fünfzig Personen glei<strong>ch</strong>en Alters und glei<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts. Die traditionelle Funktion der<br />

Altersklassen war politis<strong>ch</strong>-religiöser Art. Während der Zeremonien und Rituale der<br />

Potentaten der historis<strong>ch</strong>en Stadtstaaten manifestierten si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedern die<br />

Seelen der verstorbenen Ahnen, wel<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> sie zu den Lebenden spra<strong>ch</strong>en. Die damals<br />

politis<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tigste Altersklasse war Egbe Egungun, deren Anführer aus der königli<strong>ch</strong>en<br />

Familie stammte. Andere wi<strong>ch</strong>tige Altersklassen waren die Oro, Adamu-Oris<strong>ch</strong>a, Ek<strong>in</strong>e,<br />

Eluku und Gelede.<br />

Egbe Egungun übte die wi<strong>ch</strong>tige Aufgabe der normativen Kontrolle des „sakralen“<br />

Königtums aus. Egungun unterstützte die Wahl des neuen Königs, hatte die Ma<strong>ch</strong>t ihn <strong>in</strong> die<br />

Pfli<strong>ch</strong>t zu nehmen und konnte ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fällen zum Selbstmord zw<strong>in</strong>gen, um ihn zu<br />

entma<strong>ch</strong>ten.<br />

Heute wird der Begriff Egbe synonym zum Begriff Geheimgesells<strong>ch</strong>aft verwendet, von denen<br />

es e<strong>in</strong>e Vielzahl gibt. Analog zum traditionellen Egbe besteht deren Hauptfunktion <strong>in</strong> der


11<br />

Stiftung e<strong>in</strong>er Gruppenidentität, der E<strong>in</strong>haltung ihrer Konformität und <strong>in</strong> der sozialen<br />

Kontrolle ihrer Mitglieder. Diese festigen während ihrer öffentli<strong>ch</strong>en Auftritte als maskierte<br />

Tänzer die geme<strong>in</strong>sam geteilten Werte und kritisieren glei<strong>ch</strong>zeitig bestehende moralis<strong>ch</strong>e<br />

Defizite der nigerianis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft.<br />

Au<strong>ch</strong> die Berufsausübung der vers<strong>ch</strong>iedenen Berufsgruppen ist traditionellerweise <strong>in</strong> Zünften<br />

organisiert. Das traditionelle Zunftwesen stellt grundsätzli<strong>ch</strong> ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis für das Erlernen<br />

und Ausüben e<strong>in</strong>es modernen Berufs als Staatsbeamter, Jurist oder Mediz<strong>in</strong>er dar, es fördert<br />

aber sehr wohl Klientelismus und Korruption.<br />

3.1.3. Geheimgesells<strong>ch</strong>aften der Yoruba<br />

Der Geheimbund der Ogboni<br />

Die historis<strong>ch</strong> erste und soziologis<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tigste Geheimgesells<strong>ch</strong>aft <strong>Nigeria</strong>s ist der<br />

Geheimbund der Ogbonis (Mondes rebelles 2001 bes<strong>ch</strong>reibt sie unter dem Namen Oouda<br />

People‘s Congress). Sie s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e der Egbe Egungun analoge politis<strong>ch</strong>e Funktion zu haben.<br />

Gemäß des Beri<strong>ch</strong>ts von Accord ist die spezifis<strong>ch</strong>e Clanzugehörigkeit no<strong>ch</strong> heute Bed<strong>in</strong>gung<br />

für e<strong>in</strong>e Mitglieds<strong>ch</strong>aft.<br />

Die Ogbonis spielen offenbar e<strong>in</strong>e wi<strong>ch</strong>tige Rolle Innerhalb des modernen nigerianis<strong>ch</strong>en<br />

Patrimonialstaates spielen die Ogbonis e<strong>in</strong>e wi<strong>ch</strong>tige Rolle beim Zugang zu politis<strong>ch</strong>en<br />

Ämtern und dem Zugang zu den ökonomis<strong>ch</strong>en Ressourcen.<br />

Accord spri<strong>ch</strong>t von e<strong>in</strong>er mafiaähnli<strong>ch</strong>en Organisation, wel<strong>ch</strong>e gegenüber se<strong>in</strong>en Mitgliedern<br />

die S<strong>ch</strong>weigepfli<strong>ch</strong>t auferlegt und deren Übertretung im s<strong>ch</strong>limmsten Fall mit dem Tode<br />

bestraft wird.<br />

Gemäß staatli<strong>ch</strong>er Gesetzgebung ist die Geheimgesells<strong>ch</strong>aft der Ogboni verboten, so wie au<strong>ch</strong><br />

alle anderen Geheimgesells<strong>ch</strong>aften <strong>Nigeria</strong>s. Die Regierung, selbst s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t aber mit deren<br />

Anhängern zu dur<strong>ch</strong>setzt zu se<strong>in</strong>, als dass sie Willen und benötigte Mittel zur Verfügung<br />

stellte, um dieses Gebot dur<strong>ch</strong>zusetzen.<br />

Die dissidente Reformed Ogboni Fraternity (ROF)<br />

Die „Reformed Ogboni Fraternity“ (ROF) wurde 1914 von Erzbis<strong>ch</strong>of Thomas Ogubiyi<br />

gegründet. Es handelt si<strong>ch</strong> um e<strong>in</strong>e als dissidente Bruders<strong>ch</strong>aft, wel<strong>ch</strong>e die glei<strong>ch</strong>e<br />

Zielsetzung wie die Ogbonis haben, nämli<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> Netzwerk zu bilden, das se<strong>in</strong>e Anhänger<br />

politis<strong>ch</strong> und ökonomis<strong>ch</strong> fördert und diese <strong>in</strong> ihren öffentli<strong>ch</strong>en Aufgaben unterstützt.<br />

Au<strong>ch</strong> hier drohen im Falle e<strong>in</strong>es Verrats die Sanktionen wie Vergiften oder Tod dur<strong>ch</strong><br />

Hexerei.<br />

Accord geht davon aus, daß heutzutage e<strong>in</strong>e Mitglieds<strong>ch</strong>aft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geheimgesells<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t<br />

erzwungen werden kann, daß diese aber für die Wahrnehmung politis<strong>ch</strong>er Funktionen<br />

notwendig ist.


12<br />

Verbreitungsgebiet der beiden Gruppen<br />

3.1.4. Die studentis<strong>ch</strong>en Kultgruppen<br />

Die erste Studentenorganisation war „The National Association of Seadogs or Pyrates<br />

Confraternity.“ Sie wurde 1952 mit dem Ziel gegründet gegen den Unterri<strong>ch</strong>t der aus der<br />

Kolonialzeit stammenden Dozenten an der Universität Ibadan zu protestieren.<br />

Die Gründung der „Supreme Eiye Confraternity“ im Jahre 1968 an der Universität Ibadan<br />

stellte den Ri<strong>ch</strong>tungswe<strong>ch</strong>sel von e<strong>in</strong>er studentis<strong>ch</strong>en Protestbewegung zu e<strong>in</strong>er okkulten<br />

Bewegung dar. In der Folge s<strong>ch</strong>ossen die okkulten Bewegungen an den Universitäten wie<br />

Pilze aus dem Boden. Das Hauptziel aller dieser Bewegungen besteht dar<strong>in</strong>, den<br />

Universitätsabs<strong>ch</strong>luss notfalls au<strong>ch</strong> mit unlauteren Mitteln zu erzw<strong>in</strong>gen, wobei sie au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

davor zurücks<strong>ch</strong>recken Professoren massiv zu bedrohen.<br />

Die heutzutage wi<strong>ch</strong>tigsten okkulten Studentenorganisationen s<strong>in</strong>d: Black Axe, Black Cats,<br />

Buccaneers, Pirates Confraternity, Maphites, Sea Dogs, Black Beret Fraternity, Green Beret<br />

Fraternity, Panama, The Dragons, The Frigates, The Walrus, The Baracudas, The Canary, The


13<br />

Himalayas, The Vik<strong>in</strong>gs, Neo Black Movement, Musketeers Fraternity, Trojan Horse<br />

Fraternity (Oasis of the Silhouette), Temple of Eden Fraternity, the Mafioso Fraternity, Osiri<br />

Fraternity, Ostri<strong>ch</strong> Fraternity, Eiye or Airlords Fraternity, Burk<strong>in</strong>a Faso Revolution Fraternity,<br />

The Scorpion Fraternity, Mgba Mgba Brothers Fraternity, Cappa Vendetto, KKK<br />

Confraternity, Third Eye Confraternity, The Black Brassieres, The Amazon, Daughters of<br />

Jezebel.<br />

Die Regierung g<strong>in</strong>g nur zögerli<strong>ch</strong> gegen diese Studentengruppen vor und bes<strong>ch</strong>ränkte si<strong>ch</strong> auf<br />

verbale Proteste und Drohungen diese Organisationen aufzulösen. Aus diesem Grund<br />

organisierten si<strong>ch</strong> die Studenten, wel<strong>ch</strong>e ke<strong>in</strong>er okkulten Studentenorganisation beitreten<br />

wollten, ihrerseits <strong>in</strong> Selbstverteidigungsgruppen.<br />

Bei den vers<strong>ch</strong>iedenen Ause<strong>in</strong>andersetzungen, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> diese Gruppen regelmässig<br />

gegenseitig liefern, kam es regelmäßig zu s<strong>ch</strong>werwiegenden Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsverletzungen.<br />

4. Ressourcenkonflikte um städtis<strong>ch</strong>e<br />

Warenmärkte, Landnutzung und Erdöl<br />

4.1. Kontrolle der städtis<strong>ch</strong>en Warenmärkte<br />

Ursa<strong>ch</strong>e: Die Warenmärkte <strong>in</strong> den Grosstädten werden dur<strong>ch</strong> ethnis<strong>ch</strong>-patrimoniale Gruppen<br />

kontrolliert.<br />

Primärer sozialer Ordnungsfaktor und Referenzsystem <strong>in</strong> den Grosstädten ist die ethnis<strong>ch</strong>e<br />

Zugehörigkeit. Gegenseitige Solidaritäts- und S<strong>ch</strong>utzbeziehungen laufen über das ethnis<strong>ch</strong>patrimoniale<br />

Netzwerk. Die Raumaufteilung na<strong>ch</strong> Quartieren <strong>in</strong> den vers<strong>ch</strong>iedenen Städten<br />

aufgrund ethnis<strong>ch</strong>-patrimonialer Zugehörigkeit ist ganz klar erkennbar. Der Autor J. Paden<br />

gibt anhand der Stadt Kano e<strong>in</strong> gutes Beispiel für diese Unterteilung <strong>in</strong> die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Quartiere (Paden J.: „Urban pluralism, <strong>in</strong>tegration, and adaptation of communal Identity <strong>in</strong><br />

Kano, <strong>Nigeria</strong>“ (p. 241- 270), <strong>in</strong> Cohen Ronald and Middleton Jon: „From Tribes to Nation <strong>in</strong><br />

Africa, Studies <strong>in</strong> Incorporation Processes.“ Library of Congress, 1970).<br />

4.1.1. Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Yoruba<br />

Seit 1999 kam es vers<strong>ch</strong>iedene Male zu Konfliktausbrü<strong>ch</strong>en zwis<strong>ch</strong>en den Haussa und den<br />

Yoruba. In den vers<strong>ch</strong>iedenen Grossstädten des Landes, wel<strong>ch</strong>e mehrheitli<strong>ch</strong> von diesen<br />

beiden Ethnien bewohnt werden, kam es zu blutigen <strong>Konflikte</strong>n über den Zugang zu lokalen<br />

Warenmärkten. Diese <strong>Konflikte</strong> zogen e<strong>in</strong>e Welle <strong>in</strong>terethnis<strong>ch</strong>er <strong>Konflikte</strong> zwis<strong>ch</strong>en Haussa<br />

und Yoruba <strong>in</strong> den anderen Städten des Landes na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>.<br />

4.1.2. Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Ibo<br />

Im Norden des Landes kam es zwis<strong>ch</strong>en den Haussa-Fulani und den Ibos um die Kontrolle<br />

der lokalen Waren- und Lebensmittelmärkte ebenfalls zu gewalttätigen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen. In der Stadt Kano im Norden des Landes griffen militante islamis<strong>ch</strong>e<br />

Gruppen mehrmals Ibos an und töteten diejenigen, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> weigerten das Alkoholverbot<br />

e<strong>in</strong>zuhalten.


14<br />

Au<strong>ch</strong> diese Zwis<strong>ch</strong>enfälle hatten ethnis<strong>ch</strong> motivierte Ra<strong>ch</strong>eakte <strong>in</strong> anderen Städten zur Folge.<br />

Na<strong>ch</strong> der Überführung der Lei<strong>ch</strong>en der getöteten Ibos <strong>in</strong> die südli<strong>ch</strong>en Heimatstädte, zündeten<br />

deren Verwandte die Häuser von Moslems <strong>in</strong> der Region an.<br />

4.2. <strong>Konflikte</strong> um Landbesitz und politis<strong>ch</strong>e Vorma<strong>ch</strong>t im<br />

Middle Belt<br />

E<strong>in</strong> zusätzli<strong>ch</strong>er Konfliktfaktor betrifft den Landbesitz im Middle Belt: Das bekannteste<br />

Beispiel dafür s<strong>in</strong>d die <strong>Konflikte</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Tiv und den Jukuns, wel<strong>ch</strong>e <strong>in</strong> den<br />

nördöstli<strong>ch</strong>en Bundesstaaten Benue, Taraba, Nasawara et Plateau leben. Die Jukuns als<br />

Ure<strong>in</strong>wohner dieses Gebiets ma<strong>ch</strong>en den Tiv, wel<strong>ch</strong>e erst im 19. Jahrhundert <strong>in</strong> dieses Gebiet<br />

e<strong>in</strong>wanderten, das Re<strong>ch</strong>t auf Landbesitz und Landnutzung streitig.<br />

Auf staatspolitis<strong>ch</strong>er Ebene wird dieser Konflikt zwis<strong>ch</strong>en den beiden Bundesstaaten Taraba<br />

und Benue ausgetragen. In Taraba verfügen die Jukuns über die Bevölkerungsmehrheit; im<br />

Bundesstaat Benue, die Tiv.<br />

Zusätzli<strong>ch</strong> wird dieser Konflikt dur<strong>ch</strong> die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Religionszugehörigkeit vers<strong>ch</strong>ärft.<br />

Die Mehrheit der Tiv ist <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Glaubens, während die Jukuns mehrheitli<strong>ch</strong> Moslems<br />

s<strong>in</strong>d. In der Folge kam es zwis<strong>ch</strong>en 1998 und 1999 zu regelre<strong>ch</strong>ten ethnis<strong>ch</strong>en Säuberungen <strong>in</strong><br />

den Bundesstaaten Taraba und Wukari. Als die Spannungen <strong>in</strong> den Jahren 2001 und 2002<br />

e<strong>in</strong>en erneuten Höhepunkt errei<strong>ch</strong>ten, entsandte die Zentralregierung Truppen, um Ruhe und<br />

Ordnung wiederherzustellen.<br />

4.2.1. Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Tiv<br />

Seit 1999 kommt es regelmäßig zu Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en den Haussa und den Tiv<br />

um die politis<strong>ch</strong>e und kulturelle Vorma<strong>ch</strong>tstellung <strong>in</strong> der Region. Im Jahre 2001 wurde der<br />

Gouverneur im Bundesstaat Benue, Musa Ibrahim, von den Tivs umgebra<strong>ch</strong>t. Diese<br />

bes<strong>ch</strong>uldigten ihn, se<strong>in</strong>e Ma<strong>ch</strong>t zugunsten der eigenen ethnis<strong>ch</strong>en Gruppe, den moslemis<strong>ch</strong>en<br />

Azeris mißbrau<strong>ch</strong>t zu haben und ihnen große den Tiv gehörende Landwirts<strong>ch</strong>aftsgebiete<br />

übers<strong>ch</strong>rieben zu haben. Auf diese Mordtat folgten massive <strong>in</strong>terethnis<strong>ch</strong>e<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwis<strong>ch</strong>en Moslems und Christen, wel<strong>ch</strong>e auf den ganzen Middle Belt<br />

übergriffen.<br />

4.3. <strong>Konflikte</strong> um Erdöl<br />

Ausbeutungsgebiet der Erdölressourcen s<strong>in</strong>d die Gebiete im Südosten <strong>Nigeria</strong>s und im<br />

Nigerdelta, den Bundsstaaten Rivers, Imo, Anambra, Abia, Cross River et Akwi Ibom. Hier<br />

ist vor allem die Ethnie der Ibo verbreitet, wel<strong>ch</strong>e mit 23 Millionen E<strong>in</strong>wohnern über die<br />

Bevölkerungsmehrheit verfügt.<br />

Seit der Entdeckung der Erdölvorkommen <strong>in</strong> dieser Region stellen deren Ausbeutung und die<br />

Verteilung der Erdöle<strong>in</strong>künfte e<strong>in</strong>en permanenten Streitpunkt zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

lokalen ethnis<strong>ch</strong>en Gruppen, den Bundesstaaten und der Zentralregierung dar.<br />

E<strong>in</strong> erster blutiger bewaffneter Konflikt um diese Ressourcen entbrannte zwis<strong>ch</strong>en 1967 und<br />

1970 als si<strong>ch</strong> unter Führers<strong>ch</strong>aft der Ibo drei Teilstaaten den unabhängigen Staat Biafra


15<br />

ausriefen. Dieser als „Biafrakrieg“ bekannte Sezessionskrieg endete mit der Niederlage der<br />

Aufständis<strong>ch</strong>en unter der Führung von Oberst Ojukwu und dem Sieg der damaligen<br />

Zentralregierung unter General Gowon.<br />

Die <strong>Konflikte</strong> um die Erdölressourcen <strong>in</strong> der Region s<strong>ch</strong>welen seither aber weiter und sie s<strong>in</strong>d<br />

heute aktueller denn je. Zusätzli<strong>ch</strong> zu den Ibo und dem Zentralstaat s<strong>in</strong>d neu die ethnis<strong>ch</strong>en<br />

Gruppen der Ogoni, Itsekeri, Jiaws et Urhobos <strong>in</strong>volviert.<br />

4.3.1. Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Bena<strong>ch</strong>teiligung lokaler Ethnien dur<strong>ch</strong> die<br />

Zentralregierung<br />

Den Lebensraum der Ibos teilen weitere wi<strong>ch</strong>tige Bevölkerungsgruppen im Nigerdelta, die<br />

Ogoni, Itsekeri, Jiaws und Urhobos. Alle diese Gruppen spre<strong>ch</strong>en die glei<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e wie die<br />

Ibos.<br />

Die Jiaws (ca. 13 Millionen) s<strong>in</strong>d vor allem im Flußgebiet der beiden Bundesstaaten Kaiama<br />

und Bayelsa beheimatet, wo sie Fis<strong>ch</strong>fang treiben.<br />

In der Vorkolonialzeit lebten die Bewohner des Deltas im Frieden mite<strong>in</strong>ander und heirateten<br />

sogar untere<strong>in</strong>ander. In der Kolonialzeit kam es aufgrund des unglei<strong>ch</strong>en E<strong>in</strong>bezugs der<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Stämme <strong>in</strong> die Verwaltung zu Spannungen zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Gruppen. Insbesondere die Urhobos fühlten si<strong>ch</strong> bena<strong>ch</strong>teiligt, weil die Briten die Itsekeris<br />

angebli<strong>ch</strong> bei der Besetzung von Verwaltungsposten bevorzugten.<br />

Na<strong>ch</strong> Erlangen der Unabhängigkeit vers<strong>ch</strong>ärfte si<strong>ch</strong> dieser Konflikt um die Ämterbesetzung,<br />

weil die korrupte Zentralregierung offenbar ni<strong>ch</strong>t <strong>in</strong> der Lage war, die Erdöle<strong>in</strong>künfte<br />

zwis<strong>ch</strong>en den lokalen Bevölkerungsgruppen gere<strong>ch</strong>t zu verteilen.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Konfliktfaktor betrifft die Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung. Davon besonders betroffen<br />

s<strong>in</strong>d die im Flussgebiet lebenden Ijaws und die etwa 0.5 Millionen zählende Bevölkerung der<br />

Ogbonis. Da beide Gruppen mit ihrem Anliegen von der nigerianis<strong>ch</strong>en Regierung ni<strong>ch</strong>t ernst<br />

genommen wurden, wandten sie si<strong>ch</strong> unter der Führung von Ken Saro Wiwa mit e<strong>in</strong>er<br />

Medienkampagne an die <strong>in</strong>ternationale Öffentli<strong>ch</strong>keit.<br />

4.3.2. Die Rebellenbewegungen im Nigerdelta<br />

Die Rebellenbewegungen und Milizen der ethnis<strong>ch</strong>en Gruppe der Ijaws im Nigerdelta s<strong>in</strong>d<br />

die Folgenden:<br />

- der Ijaw Youth Council: Dieser wurde 1998 im Bundesstaat Bayelsa gegründet. In der<br />

sogenannten Kaima Deklaration fordert die Gruppe die Regierung auf das Militär aus der<br />

Region abzuziehen und droht die Erdölgesells<strong>ch</strong>aften anzugreifen.<br />

- der Egbesu-Kult;<br />

- das Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND), angeführt von Diepreye<br />

Alamieyeseigha;<br />

- the Niger Deltas People‘s Volunteer Force an dessen Spitze der zum Islam konvertierte<br />

und Al-Kaida Bewunderer, Dokubo Asari steht;<br />

- die Befreiungsbewegung der Urohobo, die Urhobo Progress Union, wel<strong>ch</strong>e 2001 dem<br />

Stamm der Itsekeri den Krieg erklärte.<br />

- Das „Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra„ (Massob), wel<strong>ch</strong>es<br />

si<strong>ch</strong> für die Souveränität der Igbo engagiert.


16<br />

- Die Bewegung der Ogonis: die <strong>in</strong>ternational wohl bekannteste Persönli<strong>ch</strong>keit, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong><br />

mit friedli<strong>ch</strong>en Mitteln für e<strong>in</strong>e gere<strong>ch</strong>te Verteilung der Erdölressourcen engagierte, war<br />

der S<strong>ch</strong>riftsteller Ken Saro Wiwa. Dieser wurde vom Militärregime von Sani Aba<strong>ch</strong>a<br />

ermordet.<br />

Massob<br />

5. Vers<strong>ch</strong>ärfte <strong>in</strong>terethnis<strong>ch</strong>e <strong>Konflikte</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />

Norden und Süden<br />

5.1. Ursa<strong>ch</strong>en und Folgen<br />

Historis<strong>ch</strong>e Konfliktursa<strong>ch</strong>e: Fehlende Nationalitätenbildung <strong>in</strong> der Kolonialzeit und na<strong>ch</strong> der<br />

Unabhängigkeit.<br />

Strukturelle Konfliktursa<strong>ch</strong>en: Es handelt si<strong>ch</strong> um die typis<strong>ch</strong>en Ma<strong>ch</strong>tdefizite des<br />

Patrimonialstaates (dom<strong>in</strong>ante Kultur der regierenden Ethnie, Besetzung der Staastämter<br />

dur<strong>ch</strong> deren Angehörige, fehlende Gewaltenteilung, korrupte Wirts<strong>ch</strong>aftsbeziehungen).<br />

Folgen:<br />

- Zunehmende politis<strong>ch</strong>e Des<strong>in</strong>tegration der Haussa ab dem Jahre 2000.<br />

- Ethnis<strong>ch</strong>e Zugehörigkeit und Religion als Mobilisierungsfaktor für Proteste<br />

- Gründung von parastaatli<strong>ch</strong>en Gruppen als Si<strong>ch</strong>erheitskräfte


17<br />

5.2. Zerfall nationaler E<strong>in</strong>heit<br />

Bei der Unabhängigkeit erfolgte die verwaltungsmässige Unterteilung des Landes na<strong>ch</strong><br />

ethnis<strong>ch</strong>en Gesi<strong>ch</strong>tspunkten, was der Herausbildung e<strong>in</strong>er neuen nationalen E<strong>in</strong>heit ni<strong>ch</strong>t<br />

förderli<strong>ch</strong> war.<br />

Die neu gegründeten politis<strong>ch</strong>en Parteien konstituierten si<strong>ch</strong> entlang ethnis<strong>ch</strong>er L<strong>in</strong>ien, d.h.<br />

sie bes<strong>ch</strong>äftigten si<strong>ch</strong> fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit den Problemen ihrer eigenen Ethnie etwa den<br />

Problemen der Moslems im Norden oder denjenigen der Yoruba und der Ibos im Süden.<br />

Der Wettbewerb um Regierungsposten erhielt auf diese Weise e<strong>in</strong>e Komponente ethnis<strong>ch</strong>er<br />

Rivalität, bei der die jeweils dissidente politis<strong>ch</strong>e Me<strong>in</strong>ung mit der ethnis<strong>ch</strong>en Zugehörigkeit<br />

zu e<strong>in</strong>er anderen Ethnie übere<strong>in</strong>stimmte. Bei der regierungsbildung erfolgte die Besetzung der<br />

Ämter deshalb e<strong>in</strong>zig na<strong>ch</strong> ethnis<strong>ch</strong>en Gesi<strong>ch</strong>tspunkten (siehe dazu au<strong>ch</strong> IDMC: <strong>Nigeria</strong>:<br />

heightened risk of violence and displacement ahead of 2007 elections; 21. September 2006).<br />

5.3. Des<strong>in</strong>tegration der Haussa<br />

Die Integration der Haussa-Fulani <strong>in</strong> den heutigen Staat variiert aufgrund ihrer eigenen<br />

sozialen S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung sehr stark. Die s<strong>ch</strong>on früher im Emirat Sokoto politis<strong>ch</strong> dom<strong>in</strong>anten<br />

Gruppen spielen weiterh<strong>in</strong> als Händler und Militärs der nigerianis<strong>ch</strong>en Armee e<strong>in</strong>e wi<strong>ch</strong>tige<br />

Rolle – ganz im Gegensatz etwa zu den vollnomadisierenden Bororo, die e<strong>in</strong> vom modernen<br />

Staat unabhängiges Leben führen.<br />

Die Wahl des Yoruba-Präsidenten Obasanjo gefährdete jedo<strong>ch</strong> die dom<strong>in</strong>ante Stellung der<br />

Haussa <strong>in</strong>nerhalb der nigerianis<strong>ch</strong>en Armee, wel<strong>ch</strong>e sie bisher <strong>in</strong>nehatten. Obasanjo entliess<br />

e<strong>in</strong>en Grossteil ihrer Armee-Führer, wobei er deren Entlassung damit begündete, e<strong>in</strong><br />

ausgewogenes ethnis<strong>ch</strong>es Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t <strong>in</strong> der Armeeführung herbeiführen zu wollen. In<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit g<strong>in</strong>g es Obasanjo aber au<strong>ch</strong> darum, die korrupten Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften der<br />

Armeeführung, die si<strong>ch</strong> an den Erdöle<strong>in</strong>künften s<strong>ch</strong>amlos berei<strong>ch</strong>erten, e<strong>in</strong>zus<strong>ch</strong>ränken.<br />

Als Reaktion auf ihren verm<strong>in</strong>derten E<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> der Zentralregierung führten die aus dem<br />

Militär Entlassenen <strong>in</strong> zwölf nördli<strong>ch</strong>en Teilstaaten <strong>Nigeria</strong>s die sharia e<strong>in</strong>. Sie begründeten<br />

diese Massnahme mit dem unverhältnismässigen E<strong>in</strong>fluss der „Südisten“ <strong>in</strong> der<br />

Zentralregierung.<br />

5.4. Entstehen ethnis<strong>ch</strong>er Wä<strong>ch</strong>tergruppen als<br />

Ordnungskräfte<br />

Die Bildung von Wä<strong>ch</strong>tergruppen war e<strong>in</strong>e Folge der fehlenden Dur<strong>ch</strong>setzungskraft und der<br />

Korruption der nigerianis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheitskräfte. Die vers<strong>ch</strong>iedenen lokalen Milizen wurden<br />

von Repräsentanten e<strong>in</strong>zelner ethnis<strong>ch</strong>er Gruppen <strong>in</strong>s Leben gerufen, die si<strong>ch</strong> von der Polizei<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr ges<strong>ch</strong>ützt fühlten.<br />

Auf dem Territorium der Yoruba stellt die Bruders<strong>ch</strong>aft der Ogboni e<strong>in</strong>e Wä<strong>ch</strong>tergruppe,<br />

wel<strong>ch</strong>e Personen unter ihrer Obhut s<strong>ch</strong>ützt. Im Gebiet der Ibos s<strong>in</strong>d es die Bakassy Boys,<br />

wel<strong>ch</strong>e diese Aufgabe wahrnehmen und vor allem Ibo-Händler s<strong>ch</strong>ützen.


18<br />

Zusätzli<strong>ch</strong> zu diesen beiden dom<strong>in</strong>anten Wä<strong>ch</strong>tergruppen im Süden des Landes gibt es aber<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl weiterer Wä<strong>ch</strong>tergruppen.<br />

Im Norden des Landes üben die von den Moslems bezahlten Hisbah e<strong>in</strong>e ähnli<strong>ch</strong>e Funktion<br />

aus. Diese überwa<strong>ch</strong>en, dass die Bevölkerung das islamis<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>t e<strong>in</strong>hält.<br />

Alle hier erwähnten Gruppen beg<strong>in</strong>gen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit<br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsverletzungen.<br />

5.4.1. Verbreitungsgebiet der Bakassy Boys<br />

6. Religionskonflikte zwis<strong>ch</strong>en Moslems und<br />

Christen


6. Religionskonflikte zwis<strong>ch</strong>en Moslems und<br />

Christen<br />

6.1. Ursa<strong>ch</strong>en<br />

Der Religionskonflikt zwis<strong>ch</strong>en Moslems und Christen steht im Zusammenhang mit:<br />

- der E<strong>in</strong>führung der sharia im Norden des Landes;<br />

- den unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> militanten islamis<strong>ch</strong>en Bewegungen im Norden;<br />

- den Missionierungsaktivitäten <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er und islamis<strong>ch</strong>er Missionare im Middle Belt;<br />

- der Mobilisierung der Religion für politis<strong>ch</strong>e Zwecke und <strong>in</strong>sbesondere den Zugang zu<br />

Ressourcen.<br />

6.2. Zahlenmäßige Übersi<strong>ch</strong>t<br />

19<br />

Aktuelle Angaben wieviel Personen den e<strong>in</strong>zelnen Glaubensri<strong>ch</strong>tungen gehören, liegen ni<strong>ch</strong>t<br />

vor. E<strong>in</strong> Grossteil der traditionellen Führer wies ihre Teilnahme an e<strong>in</strong>er Volkszählung<br />

zurück. Diese begründeten ihre Ablehnung mit der Fur<strong>ch</strong>t, daß die Ergebnisse negative<br />

Auswirkungen auf die Ressourcenverteilung auf lokaler Ebene haben könnte und bisherige<br />

Subventionen ni<strong>ch</strong>t mehr gewährleistet würden.<br />

Heutige S<strong>ch</strong>ätzungen über die religiöse Zugehörigkeit der Bevölkerung gehen davon aus, daß<br />

si<strong>ch</strong> die Zahl der Christen und der Moslem die Waage halten. H<strong>in</strong>zu kommt der relativ grosse<br />

Bevölkerungsanteil, der weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e traditionelle Religionen praktiziert. Die Volkszählung<br />

aus dem Jahre 1991 ergab, dass 47 Prozent Moslems und 35 Prozent Christen s<strong>in</strong>d, während<br />

18 Prozent e<strong>in</strong>e traditionelle Religion ausübten.<br />

6.3. Regionale Aufteilung<br />

Wie e<strong>in</strong>gangs bereits erwähnt, ist der Islam die dom<strong>in</strong>ante Religion bei den Haussa-Fulani im<br />

Norden. Es gibt <strong>in</strong> ihrem Gebiet aber au<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e zahlenmässig grosse <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e M<strong>in</strong>derheit.<br />

Im Middle Belt ist das Christentum relativ stark verbreitet. S<strong>ch</strong>ätzungen gehen davon aus, daß<br />

gegen 1‘000 <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Missionare hier tätig s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den Gebieten des Jos<br />

Plateau. Die Zahl der ebenfalls im Middle Belt aktiven moslemis<strong>ch</strong>en Missionare ist<br />

unbekannt.<br />

Im Süden des Landes, im Gebiet der Yoruba ist der Synkretismus von traditionellen<br />

Religionen und dem Protestantismus stark verbreitet. Zudem gibt es e<strong>in</strong>e große moslemis<strong>ch</strong>e<br />

Yoruba-Glaubensgeme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aft.<br />

Im Südosten, im Gebiet der Ibos s<strong>in</strong>d Katholizismus, Anglikanismus und Methodisten die<br />

häufigsten Religionen. Au<strong>ch</strong> hier ist der Synkretismus dieser Religionen mit traditionellen<br />

Glaubensvorstellungen sehr stark.<br />

Stark verbreitet s<strong>in</strong>d au<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene synkretistis<strong>ch</strong>-afrikanis<strong>ch</strong>-<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>en. E<strong>in</strong>e<br />

der bekanntesten ist die Aladura Kir<strong>ch</strong>e.


20<br />

6.4. Islam<br />

Der im Norden des Landes vorherrs<strong>ch</strong>ende Islam ist ni<strong>ch</strong>t e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit. Die Mehrheit der<br />

Moslems s<strong>in</strong>d Sunniten. Die reformistis<strong>ch</strong>e Bewegung von Osman Fodio, der das Emirat von<br />

Sokoto gründete, begünstigte den Sufismus. Wi<strong>ch</strong>tige Glaubensgrundlagen des Sufismus<br />

bestehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em orthodoxen Mystizismus und <strong>in</strong> der mystis<strong>ch</strong>en H<strong>in</strong>gabe des Individuums.<br />

Es gibt zwei Sufibruders<strong>ch</strong>aften, die e<strong>in</strong>e ist die Qadiriyah, die andere die Tijaniyah. Die<br />

Qadiriyah, wel<strong>ch</strong>e historis<strong>ch</strong> mit dem Kalifat von Sokoto verbunden war, verfügt über e<strong>in</strong>e<br />

grössers Anhängers<strong>ch</strong>aft als die Tijaniyah. Beide Bruders<strong>ch</strong>aften werden von den<br />

Bundesstaaten des Nordens unterstützt und diese missionieren im Middle Belt.<br />

E<strong>in</strong>e weitere islamis<strong>ch</strong>e Strömung im Norden ist der Salafismus, der dur<strong>ch</strong> den saudis<strong>ch</strong>en<br />

Wahabismus <strong>in</strong>spiriert ist. Beim Salafismus handelt es si<strong>ch</strong> um e<strong>in</strong>e religiöse<br />

Erneuerungsbewegung, die si<strong>ch</strong> gegen die modernen Errungens<strong>ch</strong>aften ri<strong>ch</strong>tet und die<br />

Revitalisierung orthodoxer islamis<strong>ch</strong>er Werte fordert.<br />

Beim Mahdismus oder Maitats<strong>in</strong>e handelt es si<strong>ch</strong> um e<strong>in</strong>e starke religiöse Bewegung, die,<br />

wie der Sufismus vom Mystizismus <strong>in</strong>spiriert ist. Se<strong>in</strong>e Anhänger glauben, dass der große<br />

Prophet und Reformator am Ende aller Tage ers<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>en wird. Der Maitats<strong>in</strong>e-Kult hatte<br />

se<strong>in</strong>en Ursprung zwis<strong>ch</strong>en 1970 und 1980 <strong>in</strong> Kano. Ihr mystis<strong>ch</strong>er Führer, der ursprüngli<strong>ch</strong><br />

aus Kamerun stammt, behauptete er werde regelmäßig von Gott erleu<strong>ch</strong>tet. Er gründete <strong>in</strong> der<br />

Folge vers<strong>ch</strong>iedene Mos<strong>ch</strong>een und mit se<strong>in</strong>er neuen Lehre forderte er das islamis<strong>ch</strong>e<br />

Establishment im Norden des Landes heraus.<br />

Die yan’shia ist die vierte im Norden des Landes verbreitete Strömung. Sie wird oft als<br />

s<strong>ch</strong>iitis<strong>ch</strong>e Bewegung bezei<strong>ch</strong>net, da deren Lehrer im Iran ausgebildet wurden. Zur Zeit erhält<br />

sie weiterh<strong>in</strong> Unterstützung von dort, aber au<strong>ch</strong> von Libyen und dem Sudan.


6.5. S<strong>ch</strong>ematisierte Übersi<strong>ch</strong>t<br />

21


22<br />

6.6. E<strong>in</strong>führung der sharia<br />

Die E<strong>in</strong>führung der sharia war der wi<strong>ch</strong>tigste Anlaß für den ans<strong>ch</strong>ließenden Ausbru<strong>ch</strong><br />

<strong>in</strong>terethnis<strong>ch</strong>er Spannungen und religiöser <strong>Konflikte</strong>.<br />

Mit der E<strong>in</strong>führung der sharia versu<strong>ch</strong>ten die nördli<strong>ch</strong>en Politiker ihre regionale<br />

Ma<strong>ch</strong>tposition zu stärken und auf diese Weise e<strong>in</strong> Gegengewi<strong>ch</strong>t zur Zentralregierung zu<br />

s<strong>ch</strong>affen. Wie bereits erwähnt, waren na<strong>ch</strong> der Wahl Obasanjos viele Haussa aus ihren<br />

militäris<strong>ch</strong>en Spitzenpositionen entlassen worden.<br />

Vers<strong>ch</strong>iedene Beri<strong>ch</strong>te gehen dabei von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternen Ma<strong>ch</strong>tkampf um die Verteilung der<br />

Erdöle<strong>in</strong>künfte aus und um die damit verbundene Besetzung staatli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>lüsselstellen.<br />

Bis Ende 2000 führten zwölf nördli<strong>ch</strong>e Bundesstaaten die sharia und die damit verbundene<br />

Re<strong>ch</strong>tsspre<strong>ch</strong>ung e<strong>in</strong>. Währen vor dem Jahre 2000 das islamis<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>t nur auf kle<strong>in</strong>ere<br />

Vergehen, wel<strong>ch</strong>e das Zivilre<strong>ch</strong>t betrafen angewendet wurden, werden seither au<strong>ch</strong> Vergehen<br />

gegen das öffentli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> die sharia geahndet. Dies ist aus Si<strong>ch</strong>tweise des<br />

<strong>in</strong>ternationalen Mens<strong>ch</strong>en- und Völkerre<strong>ch</strong>ts ni<strong>ch</strong>t zulässig und widerspri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> der<br />

säkularen nigerianis<strong>ch</strong>en Staatsverfassung, wel<strong>ch</strong>e ausdrückli<strong>ch</strong> darauf h<strong>in</strong>weist, daß es ke<strong>in</strong>e<br />

Staatsreligion gibt.<br />

Während e<strong>in</strong>e Mehrheit der Moslems die neue Gesetzgebung der sharia befürwortet, fühlt si<strong>ch</strong><br />

der Grossteil der Christen <strong>in</strong>sbesondere im Norden <strong>Nigeria</strong>s dur<strong>ch</strong> deren E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> ihrer<br />

Kultur und Lebensweise bedroht. Sie verlangen deshalb an deren Stelle e<strong>in</strong>e Version, die mit<br />

der Erklärung der universellen Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te, dem Respekt von Pluralismus und<br />

Demokratie vere<strong>in</strong>bar ist.<br />

Die Zentralregierung Obasanjos reagierte auf die E<strong>in</strong>führung der sharia e<strong>in</strong>zig mit verbalen<br />

Protesten und sagte, diese sei verfassungswidrig. Gegenüber den Internationalen<br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsorganisationen und den Kir<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>es dieses Vorgehen stark verurteilten,<br />

re<strong>ch</strong>tfertigte si<strong>ch</strong> Obasanjo mit dem H<strong>in</strong>weis, daß er e<strong>in</strong>e drohende Spaltung des Landes<br />

verh<strong>in</strong>dern wolle.<br />

Au<strong>ch</strong> der Hö<strong>ch</strong>ste nigerianis<strong>ch</strong>e Geri<strong>ch</strong>tshof bezog bisher dazu ke<strong>in</strong>e Stellung.


6.7. Gefahr der Eskalation mit den Wahlen 2007?<br />

23


7. Zusammenfassende Konflikttypologie und<br />

s<strong>ch</strong>ematis<strong>ch</strong>e Übersi<strong>ch</strong>t<br />

Bei den wi<strong>ch</strong>tigsten <strong>in</strong>ternen <strong>Konflikte</strong>n <strong>Nigeria</strong>s handelt es si<strong>ch</strong> um:<br />

24<br />

- Ressourcenkonflikte zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Ibos um Waren- und Lebensmittelmärkte<br />

im Norden des Landes;<br />

- Ressourcenkonflikte zwis<strong>ch</strong>en Haussa und Yoruba um Warenmärkte <strong>in</strong> den<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Städten des Landes;<br />

- Ressourcenkonflikte zwis<strong>ch</strong>en den Haussa und den Tiv um Land und um die<br />

politis<strong>ch</strong>e und kulturelle Vorma<strong>ch</strong>tstellung im Middle Belt;<br />

- Ressourcenkonflikte um die Ausbeutung des Erdöls im Nigerdalta und damit<br />

verbunden politis<strong>ch</strong>e <strong>Konflikte</strong> um die Vorma<strong>ch</strong>stellung <strong>in</strong>nerhalb des Zentralstaates;<br />

Fazit: Alle diese <strong>Konflikte</strong> führen zu e<strong>in</strong>er Mobilisierung des ethnis<strong>ch</strong>en und religiösen<br />

Faktors, d.h. es entstehen zunehmend <strong>in</strong>terethnis<strong>ch</strong>en Spannungen zwis<strong>ch</strong>en e<strong>in</strong>zelnen<br />

Gruppen und e<strong>in</strong> vers<strong>ch</strong>ärfter Religionskonflikt zwis<strong>ch</strong>en Moslems im Norden und Christen<br />

im Süden.


25<br />

Literaturverzei<strong>ch</strong>nis<br />

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