Interne Konflikte in Nigeria 2006.pdf - Peterhunziker.ch

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Wichtige individuelle Eigenschaften innerhalb eines patrimonialen Systems bestehen deshalb
in dessen Fähigkeit, sich in kultischen Gemeinschaften zusammenzuschließen, um mit dem
erhaltenen Informationsvorsprung den politischen Gegner zu übervorteilen oder ihn mit
rituellen Handlungen einzuschüchtern.
Auf die gleiche Weise, d.h. durch den Mechanismus spiritueller Sanktionen ahndet die lokale
Gemeinschaft oder die Kultgruppe ihre eigenen Mitglieder, die sich nach ihrer Ansicht
dissident verhalten.
Im südlichen Nigeria gibt es nicht nur eine Vielzahl von unterschiedlichen
Religionsgemeinschaften, Kultgruppen, Bruderschaften und Geheimbünden, sondern ebenso
viele magische Experten, Fetischeure und Hexer. Diese werden regelmäßig aufgesucht, um
die Gründe der Heimsuchung durch einen schlechten Geist herauszufinden oder einer
verhaßten Person selbst einen bösen Geist zu schicken.
Zusammenfassend können wir über die soziopolitischen Funktionen aktuellen Geister- und
Fetischglaubens festhalten, daß die verschiedenen Glaubensvorstellungen, Kulte und Rituale
eine zentrale normative Funktion für die jeweilige Gemeinschaft haben und das Einhalten
dieser Regeln für das ökonomischen Handelns des Einzelnen ebenso wichtig sind wie für den
Erhalt seiner Gesundheit.
Die in Nigeria stark verbreitete „schwarze Magie“ ist als Negation und Asymmetrie des
ursprünglichen Konzeptes der Wiederherstellung der Gruppenharmonie durch Sanktion eines
angeblichen unsolidarischen Verhaltens zu verstehen. Sie bezweckt durch rituelles Töten die
Gültigkeit bestehender sozialer Gruppennormen und – beziehungen wiederherzustellen. Sie
dient einzelnen Lokalpotentaten aber auch dazu die physische Vernichtung des Gegners
kulturell als spirituelle Sanktion zu rechtfertigen. Eine sehr gute Darstellung dieses
Mechanismus für den kriegerischen Kontext in Sierra Leone und in Liberia gibt das Buch von
Ahmadou Kourama: „Allah muss nicht gerecht sein.“ éditions de seuil 2000.
3.1.2. Soziale Funktion traditioneller Altersklassen
Wie viele afrikanische Gesellschaften kennen auch die Yoruba ein Altersklassensystem
In der Yorubasprache werden die Altersklassen Egbe genannt. Ein Egbe besteht aus etwa
fünfzig Personen gleichen Alters und gleichen Geschlechts. Die traditionelle Funktion der
Altersklassen war politisch-religiöser Art. Während der Zeremonien und Rituale der
Potentaten der historischen Stadtstaaten manifestierten sich in den einzelnen Mitgliedern die
Seelen der verstorbenen Ahnen, welche durch sie zu den Lebenden sprachen. Die damals
politisch wichtigste Altersklasse war Egbe Egungun, deren Anführer aus der königlichen
Familie stammte. Andere wichtige Altersklassen waren die Oro, Adamu-Orischa, Ekine,
Eluku und Gelede.
Egbe Egungun übte die wichtige Aufgabe der normativen Kontrolle des „sakralen“
Königtums aus. Egungun unterstützte die Wahl des neuen Königs, hatte die Macht ihn in die
Pflicht zu nehmen und konnte ihn in einzelnen Fällen zum Selbstmord zwingen, um ihn zu
entmachten.
Heute wird der Begriff Egbe synonym zum Begriff Geheimgesellschaft verwendet, von denen
es eine Vielzahl gibt. Analog zum traditionellen Egbe besteht deren Hauptfunktion in der