Interne Konflikte in Nigeria 2006.pdf - Peterhunziker.ch

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5.2. Zerfall nationaler Einheit
Bei der Unabhängigkeit erfolgte die verwaltungsmässige Unterteilung des Landes nach
ethnischen Gesichtspunkten, was der Herausbildung einer neuen nationalen Einheit nicht
förderlich war.
Die neu gegründeten politischen Parteien konstituierten sich entlang ethnischer Linien, d.h.
sie beschäftigten sich fast ausschliesslich mit den Problemen ihrer eigenen Ethnie etwa den
Problemen der Moslems im Norden oder denjenigen der Yoruba und der Ibos im Süden.
Der Wettbewerb um Regierungsposten erhielt auf diese Weise eine Komponente ethnischer
Rivalität, bei der die jeweils dissidente politische Meinung mit der ethnischen Zugehörigkeit
zu einer anderen Ethnie übereinstimmte. Bei der regierungsbildung erfolgte die Besetzung der
Ämter deshalb einzig nach ethnischen Gesichtspunkten (siehe dazu auch IDMC: Nigeria:
heightened risk of violence and displacement ahead of 2007 elections; 21. September 2006).
5.3. Desintegration der Haussa
Die Integration der Haussa-Fulani in den heutigen Staat variiert aufgrund ihrer eigenen
sozialen Schichtung sehr stark. Die schon früher im Emirat Sokoto politisch dominanten
Gruppen spielen weiterhin als Händler und Militärs der nigerianischen Armee eine wichtige
Rolle – ganz im Gegensatz etwa zu den vollnomadisierenden Bororo, die ein vom modernen
Staat unabhängiges Leben führen.
Die Wahl des Yoruba-Präsidenten Obasanjo gefährdete jedoch die dominante Stellung der
Haussa innerhalb der nigerianischen Armee, welche sie bisher innehatten. Obasanjo entliess
einen Grossteil ihrer Armee-Führer, wobei er deren Entlassung damit begündete, ein
ausgewogenes ethnisches Gleichgewicht in der Armeeführung herbeiführen zu wollen. In
Wirklichkeit ging es Obasanjo aber auch darum, die korrupten Machenschaften der
Armeeführung, die sich an den Erdöleinkünften schamlos bereicherten, einzuschränken.
Als Reaktion auf ihren verminderten Einfluss in der Zentralregierung führten die aus dem
Militär Entlassenen in zwölf nördlichen Teilstaaten Nigerias die sharia ein. Sie begründeten
diese Massnahme mit dem unverhältnismässigen Einfluss der „Südisten“ in der
Zentralregierung.
5.4. Entstehen ethnischer Wächtergruppen als
Ordnungskräfte
Die Bildung von Wächtergruppen war eine Folge der fehlenden Durchsetzungskraft und der
Korruption der nigerianischen Sicherheitskräfte. Die verschiedenen lokalen Milizen wurden
von Repräsentanten einzelner ethnischer Gruppen ins Leben gerufen, die sich von der Polizei
nicht mehr geschützt fühlten.
Auf dem Territorium der Yoruba stellt die Bruderschaft der Ogboni eine Wächtergruppe,
welche Personen unter ihrer Obhut schützt. Im Gebiet der Ibos sind es die Bakassy Boys,
welche diese Aufgabe wahrnehmen und vor allem Ibo-Händler schützen.