Jahresbericht 2010 - Evangelische Jugend von Westfalen
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Bericht der türkischen<br />
Tageszeitung Zaman über die<br />
Arbeit des Integrationsrates<br />
Castrop-Rauxel vom<br />
19. September 2009<br />
14<br />
liche Ansprüche stellen, müsste ein<br />
Großteil der deutschen Bevölkerung<br />
seine Heimat verlassen.<br />
Ein Fallbeispiel<br />
Die aus dem Kosovo stammende Familie<br />
S. lebt seit ca. 10 Jahren in<br />
Deutschland. Die vier Kinder sowie<br />
die Mutter sprechen gut bis sehr gut,<br />
der Vater ausreichend deutsch. Alle<br />
Kinder besuchen die Schule und erzielen<br />
gute Leistungen.<br />
Herr S. fährt an sechs Tagen in der Woche<br />
nach Rheda-Wiedenbrück, um im<br />
Schlachthof eines auf Schalke sehr<br />
populären Mannes als Ausbeiner zu<br />
arbeiten. Zu seinen Aufgaben gehört<br />
es, tote Schweine zu zerlegen. Herr S.<br />
ist Moslem.<br />
Herr S. ist arbeitsbedingt ca. 70 Stunden<br />
wöchentlich außer Haus. Seine<br />
Kinder sieht er nur noch sonntags.<br />
Herr S. erhält monatlich ca. 1.000 Euro<br />
Lohn sowie 800 Euro Kindergeld<br />
für die vier Kinder. Nach Abzug seiner<br />
Fahrtkosten verbleiben der Familie S.<br />
ca. 1.500 Euro monatlich.<br />
Die Familie S. kann da<strong>von</strong> nach eigenen<br />
Angaben sehr gut leben, ohne<br />
öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen.<br />
Den Kriterien der Altfallregelung<br />
genügen sie damit nicht. Ihr Gesamtnettoeinkommen<br />
müsste ca. 2.640 Euro<br />
betragen.<br />
Die lokale Politik hat diese Probleme<br />
erkannt und reagiert. Der Rat der<br />
Stadt Herne votierte einstimmig für eine<br />
vom Flüchtlingsreferenten über den<br />
Arbeitskreis Flüchtlinge eingereichte<br />
Resolution bezüglich der Umsetzung<br />
und Verlängerung der sogenannten<br />
Altfallregelung. Eine über die Arbeitsgruppe<br />
Flüchtlinge eingebrachte Resolution<br />
des Flüchtlingsreferenten erhielt<br />
in Castrop-Rauxel die einstimmige Zustimmung<br />
des Integrationsrates sowie<br />
kurz darauf auch die Zustimmung des<br />
Stadtrates. Beide Resolutionen waren<br />
sehr dicht an die Entwürfe der christlichen<br />
Kirchen angelehnt. Die Räte und<br />
Bürgermeister intervenierten bei der<br />
Landesregierung bezüglich der Modifikation<br />
der geltenden Regelung.<br />
Leider wurde diese Bitte nicht berücksichtigt.<br />
Die Innenministerkonferenz der Länder<br />
beschloss Ende 2009 eine Fortschreibung<br />
der Altfallregelung. Die geltenden<br />
Kriterien wurden jedoch nicht<br />
zugunsten der Betroffenen geändert.<br />
Die geforderte Streichung der Stichtagsregelung<br />
fand nicht statt. Das<br />
heißt, dass in Zukunft niemand durch<br />
die Dauer seines Aufenthalts in die<br />
Stichtagsregelung hineinwachsen und<br />
weiterhin nur ein Bruchteil der potenziell<br />
infrage kommenden Personen <strong>von</strong><br />
dieser Regelung profitieren kann.<br />
Menschen, die in der Vergangenheit<br />
nicht abgeschoben werden konnten,<br />
weil die Konsulate ihrer Herkunftsländer<br />
Reisepässe ausschließlich zum<br />
Zweck der Aufenthaltsverfestigung ausstellten,<br />
müssen nun nach auslaufender<br />
Altfallregelung mit der Deportation<br />
in eine ihnen oft unbekannte<br />
Heimat rechnen.<br />
Um so wichtiger ist es nun, dass die<br />
dem Stadtrat als ausführendes Organ<br />
dienende Verwaltung, wo immer möglich<br />
dem politischen Willen Folge leistet.<br />
Das heißt, dass in jedem Einzelfall<br />
sorgfältig, differenziert und umfassend<br />
geprüft werden muss, wie die<br />
Meistbegünstigung der Betroffenen<br />
realisiert werden kann. Die Politik sollte,<br />
die Kirchen und die Verbände werden<br />
einerseits weiterhin bei den Verantwortlichen<br />
in Land und Bund intervenieren,<br />
andererseits die Verwaltung<br />
bei einer humanitären Umsetzung<br />
unterstützend begleiten.<br />
Ein wenig Statistik<br />
Frauen 35%<br />
Im Berichtszeitraum suchten 144 Einzelpersonen/Familien<br />
zu 526 Einzelberatungen<br />
das Flüchtlingsbüro auf.<br />
Gegenüber 2008 entspricht das einer<br />
Steigerung <strong>von</strong> ca. 10 Prozent. Dass<br />
wegen der weiterhin steigenden Fallzahlen<br />
die Qualität der Beratungen<br />
Schaden nimmt, soll hier nicht verschwiegen<br />
werden. Die zahlreichen<br />
telefonischen Anfragen sind in dieser<br />
Summe nicht enthalten. Dazu<br />
kamen zahlreiche Einzelberatungen<br />
bei Hausbesuchen und Gruppenberatungen<br />
in den Wohnheimen und<br />
bei Einzelveranstaltungen. Annähernd<br />
65 Prozent der Ratsuchenden waren<br />
männlich. Darüber hinaus fanden 87<br />
nicht einzelfallbezogene Beratungen<br />
statt. Im Bereich der Multiplikatorenund<br />
Öffentlichkeitsarbeit wurden in<br />
Einzel- und Gruppengesprächen sowie<br />
bei Veranstaltungen 2.751 Personen<br />
erreicht. Das entspricht einer<br />
Steigerung <strong>von</strong> ca. 200 Prozent gegenüber<br />
2008. Der Flüchtlingsreferent<br />
nahm an 33 Arbeitstreffen (Arbeitskreise,<br />
Runde Tische, Ausschusssitzungen,<br />
etc.) teil. Am Zechenring<br />
fanden 170 Spielnachmittage und<br />
schulunterstützende Maßnahmen in<br />
Gruppenform mit insgesamt 1.281<br />
TeilnehmerInnen statt. Menschen aus<br />
32 Nationen nahmen im Berichtszeitraum<br />
die Einzelfallberatung wahr.<br />
Finanzsituation<br />
Die Finanzsituation hat sich gegenüber<br />
dem Vorjahr kaum verändert.<br />
Der veranschlagte Gesamtetat des<br />
Flüchtlingsreferats betrug 65.450 Euro<br />
auf der Ausgabenseite. Die Einnahmen<br />
setzten sich wie folgt zusammen:<br />
28.100 Euro kamen als Fördermittel<br />
für Personalkosten vom Innenministerium<br />
NRW. Das Diakonische Werk<br />
Anteil der weiblichen bzw. männlichen Rat Suchenden<br />
aus der Gesamtmenge der Einzelfallberatungen<br />
Männer 65%