Das Sachverständigengutachten im Betreuungsverfahren ... - PEA eV
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17. Jahrestagung 2013 der Leiterinnen und <br />
Leiter von Betreuungsbehörden in Erkner <br />
<strong>Das</strong> <strong>Sachverständigengutachten</strong> <strong>im</strong> <br />
<strong>Betreuungsverfahren</strong>. Kriterien, Inhalte <br />
und Fehlerquellen <br />
Dr. Christoph Lenk <br />
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie <br />
Facharzt für Nervenheilkunde <br />
Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes Hamburg-‐Wandsbek
Arbeitsgruppe <br />
• 17. Juni 2009: Hamburger Fachtag rechtliche <br />
Betreuung: Die Qualität der Gutachten ist <br />
verbesserungswürdig. <br />
• März 2010: Einladung an alle in Hamburg tätigen <br />
Sachverständigen und Betreuungsrichter zur einer <br />
gemeinsamen Fortbildung <br />
• Im Anschluss: Konstitution der Arbeitsgruppe, <br />
bestehend aus einer Richterin, einem Richter, vier <br />
Ärztinnen und Ärzte für Psychiatrie pp. sowie der <br />
stellvertretenden Justiziarin der Ärztekammer HH
Ergebnisse der Arbeitsgruppe <br />
• Nach insgesamt zehn Arbeitssitzungen wurden <strong>im</strong> <br />
August 2011 die Ergebnisse veröffentlicht: <br />
• Anforderungen an Gutachten <strong>im</strong> <br />
betreuungsrechtlichen Verfahren – Eine Information <br />
für Ärzte, Richter und Verfahrensbeteiligte <br />
(Ärztekammer Hamburg) <br />
• Betreuungsrechtliche Praxis (BtPrax) 4/2011: <br />
Ergebnisse einer interdisziplinären Arbeitsgruppe: <br />
Qualitätskriterien für Gutachten
Gutachten <br />
Ein Gutachten zur Bestellung eines Betreuers hat sich <br />
gemäß § 280 Abs. 3 FamFG in jedem Fall auf folgende <br />
Bereiche zu erstrecken: <strong>Das</strong> Krankheitsbild <br />
einschließlich der Krankheitsentwicklung, die <br />
durchgeführten Untersuchungen und die diesen <br />
zugrundeliegenden Forschungserkenntnisse, den <br />
körperlichen und psychiatrischen Zustand des <br />
Betroffenen, den Umfang des Aufgabenkreises und die <br />
voraussichtliche Dauer der Maßnahme.
Vor Abfassung des Gutachtens I <br />
• Der beauftragte Sachverständige sollte zunächst <br />
prüfen, ob er zur Erstattung des Gutachtens <br />
ausreichend sachkundig ist, bzw. die gesetzlich <br />
vorgeschriebenen Qualifikationen erfüllt und ob der <br />
Auftrag ohne Hinzuziehung weiterer <br />
Sachverständiger erledigt werden kann. <br />
• Der Sachverständige ist grundsätzlich verpflichtet, <br />
das Gutachten persönlich zu erstatten und darf <br />
dieses nicht einem anderen übertragen (§ 407 a Abs. <br />
2 ZPO).
Vor Abfassung des Gutachtens II <br />
• Der Sachverständige sollte ferner prüfen, ob er in <br />
der Lage ist, das Gutachten innerhalb der seitens des <br />
Gerichts festgelegten Frist zu erstatten. <br />
• Es sollte möglichst zeitnah und in geeigneter Weise <br />
Kontakt mit dem Betroffenen aufgenommen und <br />
ein Termin für die Begutachtung vereinbart werden. <br />
Hierbei sollte auf die Bedürfnisse und Wünsche des <br />
Betroffenen (Termin in oder außerhalb der <br />
Wohnung, an einem neutralen Ort, etc.) Rücksicht <br />
genommen werden
Vor Abfassung des Gutachtens III <br />
• Die Exploration sollte unter fachlich akzeptablen <br />
Bedingungen durchgeführt werden, bei denen ein <br />
diskretes, ungestörtes und konzentriertes Arbeiten <br />
möglich ist. Ein wertschätzender Umgang mit dem <br />
Betroffenen und seinen Sorgen und eventuellen <br />
Ängsten sollte für einen Arzt selbstverständlich sein. <br />
• <strong>Das</strong> Gutachten sollte zeitnah nach der Untersuchung <br />
des Betroffenen abgefasst werden. Es sollte ohne <br />
tiefere medizinische oder psychiatrische <br />
Fachkenntnisse verständlich sein.
Einleitung des Gutachtens I <br />
• Einleitend sollten zunächst der Auftraggeber des <br />
Gutachtens und die Fragestellung des <br />
Beweisbeschlusses genannt werden <br />
• Die Qualifikation des Arztes sollte aus dem <br />
Gutachten erkennbar sein. Bei Ärzten, die eine <br />
einschlägige Facharztbezeichnung führen (z.B. <br />
Facharzt für Psychiatrie (und Psycho-‐therapie), <br />
Facharzt für Nervenheilkunde, Facharzt für <br />
Neurologie), ergibt sich deren Qualifikation in der <br />
Regel aus der erworbenen Facharztbezeichnung.
Einleitung des Gutachtens II <br />
• Vor Beginn der Exploration hat eine Aullärung <br />
durch den Sachverständigen zu erfolgen. Der <br />
Betroffene ist auf Grund und Anlass der <br />
Begutachtung, insbesondere auf die fehlende <br />
Schweigepflicht des Sachverständigen gegenüber <br />
dem Gericht hinzuweisen, und dies ist <strong>im</strong> Gutachten <br />
zu dokumentieren. <br />
• Ferner soll in Form einer Übersicht aufgezeigt <br />
werden, auf welche Erkenntnisquellen sich das <br />
Gutachten stützt.
Einleitung des Gutachtens III <br />
• Der Inhalt der Erkenntnisquellen, die Grundlage der <br />
anschließenden Beurteilung und Beantwortung der <br />
Fragestellung sind, ist nachvollziehbar und getrennt <br />
wiederzugeben. Interpretierende und <br />
kommentierende Äußerungen sollten in diesem <br />
Abschnitt des Gutachtens unterbleiben. <br />
• Die objektiven Befunde sollten so dokumentiert <br />
werden, dass ein Nichtmediziner sie verstehen kann, <br />
gegebenenfalls sind Fachbegriffe zu erläutern.
Exploration des Betroffenen I <br />
• <strong>Das</strong> Gespräch mit dem Betroffenen (einschließlich <br />
der Dauer) und dessen eigene Angaben sollen <br />
dargestellt werden. Der Betroffene ist regelmäßig <br />
zu folgenden Punkten zu befragen: <br />
• Anlass des Gutachtens, Aktuelle Lebenssituation <br />
(ggf. Tagesablauf), Zukunftsperspektive, <br />
Psychiatrische/neurologische-‐ und Suchtanamnese, <br />
Körperliche Erkrankungen, Medikation, <br />
Lebensgeschichte und Familienanamnese
Exploration des Betroffenen II <br />
• Der Sachverständige sollte die <br />
Untersuchungssituation (Zustand der Wohnung, <br />
Zustand des Probanden, Begleitumstände) <br />
nachvollziehbar beschreiben <br />
• Der psychopathologische Befund stellt aus ärztlicher <br />
Sicht den zentralen Inhalt des Gutachtens dar. Er <br />
sollte vollständig sein, d. h. nicht nur die <br />
festgestellten Pathologien enthalten. Eine <br />
Orientierung am AMDP-‐System ist sinnvoll.
Diagnose <br />
• Der Sachverständige hat eine Diagnose zu stellen <br />
oder in Ausnahmefällen zumindest eine möglichst <br />
präzise syndromale Zuordnung zu treffen und diese <br />
in einen – für Nichtmediziner verständlichen – <br />
differenzialdiagnostischen Kontext zu setzen. <br />
• Falls es in seltenen Fällen nicht möglich ist, eine <br />
Diagnose zu stellen, sollte dies nachvollziehbar <br />
begründet werden. Eine syndromale Zuordnung hat <br />
in jedem Fall zu erfolgen. Die individuellen Defizite, <br />
die zu der sachverständigen Empfehlung führen, <br />
sind dezidiert darzulegen.
Beantwortung der Fragestellung I <br />
• Leidet der Betroffene an einer psychischen Erkrankung <br />
oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen <br />
Behinderung? <br />
• Welche normalerweise vorhandenen physischen, <br />
psychischen oder geistigen Strukturen und Fähigkeiten <br />
sind bei dem Betroffenen krankheitsbedingt <br />
beeinträchtigt oder verloren gegangen? <br />
• Ist der Betroffene aufgrund dieser krankheitsbedingten <br />
Beeinträchtigungen ganz oder teilweise nicht <strong>im</strong>stande, <br />
seine anfallenden Angelegen-‐heiten <br />
eigenverantwortlich zu besorgen?
Beantwortung der Fragestellung II <br />
• Welche anderweitigen Hilfsmöglichkeiten könnten eine <br />
Betreuung entbehrlich machen, insbesondere: Ist der <br />
Betroffene in der Lage, eine Vollmacht zu erteilen? <br />
• Was kann durch die Bestellung eines Betreuers zum <br />
Wohle des Betroffenen erreicht werden und welche <br />
Folgen würden sich für diesen voraussichtlich ergeben, <br />
wenn keine Betreuung eingerichtet würde? <br />
• Welche Prognose besteht für die weitere Entwicklung <br />
des Zustandes des Betroffenen; bestehen <br />
Rehabilitationsmöglichkeiten? Für welche Dauer ist eine <br />
Betreuung voraussichtlich erforderlich?
Beantwortung der Fragestellung III <br />
• Kann der Betroffene aufgrund der Erkrankung oder <br />
Behinderung seinen Willen nicht frei best<strong>im</strong>men? <strong>Das</strong> <br />
heißt, ist er in der Lage, die für und gegen eine <br />
Betreuung sprechenden Umstände zu erfassen, <br />
gegeneinander abzuwägen und gemäß einem aufgrund <br />
dieser Abwägung gebildeten Willen zu handeln? <br />
• Ist davon abzusehen, dem Betroffenen das Gutachten <br />
zur Verfügung zu stellen oder ihm die Gründe eines <br />
Beschlusses bekanntzugeben, weil dies erforderlich ist, <br />
um erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu <br />
vermeiden?
Entscheidungs-‐ und Abgrenzungsprobleme <br />
• (Reine) Suchterkrankung ist keine psychische <br />
Erkrankung <strong>im</strong> juristischen Sinne. <br />
• Ausnahme: (Alkoholfolge-‐)Krankheiten <br />
(amnestisches Syndrom, sog. „Korsakow“) oder <br />
Sucht als Folge einer geistigen oder seelischen <br />
Behinderung (sekundäre Abhängigkeit) <br />
• Problematisch können auch Erkrankungen mit <br />
fluktuierendem Verlauf sein <br />
• UN-‐Behindertenrechtskonvention (konkurrierendes <br />
Bundesgesetz)
Behandlung I <br />
• Einwilligungsfähigkeit ist gesondert zu prüfen <br />
• Besitzt der Betroffene genügend konkrete Einsichts-‐ <br />
und Steuerungsfähigkeit? <br />
• Besitzt er die Reife und Fähigkeit, die Tragweite des <br />
ärztlichen Eingriffs für Körper, Beruf und <br />
Lebensglück zu ermessen und danach <br />
selbstverantwortlich Entschlüsse zu fassen? <br />
• Ist dies der Fall, ist allein seine konkrete <br />
Willensäußerung (Einwilligung/Weigerung) rechtlich <br />
maßgebend.
Behandlung II <br />
• Ist der Betreute einwilligungsfähig, darf der Betreuer <br />
nicht an Stelle des Betreuten handeln. <br />
• In Zweifelsfällen entscheidet der behandelnde Arzt <br />
oder ein Gutachter, ob der Betroffene <br />
einwilligungsfähig ist. <br />
• Wenn jemand einwilligungsunfähig ist und keine <br />
Betreuung hat, muss eine Betreuung für ihn <br />
eingerichtet werden, Ausnahme: Notfall <br />
• Weitere Ausnahme: Verschlechterung des Zustands <br />
bei initial freiwilliger Krankenhausbehandlung
Behandlung III <br />
• Cave: Dauert der Zustand der Verschlechterung an, <br />
muss dennoch eine Genehmigung des Gerichts <br />
eingeholt werden. <br />
• Risikoreiche Eingriffe bei einwilligungsunfähigen <br />
Betroffenen müssen durch das Betreuungsgericht <br />
genehmigt werden (§ 1904 BGB) <br />
• Eine zwangsweise ambulante Behandlung ist <strong>im</strong> <br />
Rahmen einer rechtlichen Betreuung nicht möglich
§ 1896 BGB (1) <br />
Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen <br />
Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder <br />
seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz <br />
oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das <br />
Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts <br />
wegen für ihn einen Betreuer.
§ 1903 BGB (Einwilligungsvorbehalt) <br />
(1) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen <br />
Gefahr für die Person oder das Vermögen des <br />
Betreuten erforderlich ist, ordnet das <br />
Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer <br />
Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers <br />
betrifft, dessen Einwilligung bedarf <br />
(Einwilligungsvorbehalt).
§ 1904 BGB (Genehmigung des Betreuungs-gerichts<br />
bei ärztlichen Maßnahmen) <br />
(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine <br />
Untersuchung des Gesundheitszustands, eine <br />
Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf <br />
der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die <br />
begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf <br />
Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und <br />
länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. <br />
Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur <br />
durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr <br />
verbunden ist.
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den <br />
Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, <br />
ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten <br />
erforderlich ist, weil <br />
1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder <br />
geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten <br />
die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder <br />
erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen <br />
gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des <br />
Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein <br />
ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die <br />
Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt <br />
werden kann und der Betreute auf Grund einer <br />
psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen <br />
Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung <br />
nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln <br />
kann.
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung <br />
ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem <br />
Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist <br />
unverzüglich nachzuholen. Der Betreuer hat die <br />
Unterbringung zu beenden, wenn ihre <br />
Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der <br />
Unterbringung dem Betreuungsgericht anzuzeigen.
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
(3) Widerspricht eine ärztliche Maßnahme nach Absatz <br />
1 Nummer 2 dem natürlichen Willen des Betreuten <br />
(ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in <br />
sie nur einwilligen, wenn <br />
1. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit <br />
oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die <br />
Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht <br />
erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln <br />
kann,
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der <br />
Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu <br />
überzeugen, <br />
3. die ärztliche Zwangsmaßnahme <strong>im</strong> Rahmen der <br />
Unterbringung nach Absatz 1 zum Wohl des Betreuten <br />
erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen <br />
gesundheitlichen Schaden abzuwenden, <br />
4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine <br />
andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme <br />
abgewendet werden kann und
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen <br />
Zwangsmaßnahme die zu erwartenden <br />
Beeinträchtigungen deutlich überwiegt. <br />
(3a.) Die Einwilligung in die ärztliche <br />
Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts. Der Betreuer hat die Einwilligung <br />
in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, <br />
wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat den <br />
Widerruf dem Betreuungsgericht anzuzeigen.
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn dem <br />
Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem He<strong>im</strong> oder <br />
einer sonstigen Einrichtung auuält, ohne <br />
untergebracht zu sein, durch mechanische <br />
Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise <br />
über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die <br />
Freiheit entzogen werden soll.
§ 1906 BGB (Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts bei der Unterbringung) <br />
(5) Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten <br />
und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in <br />
Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4 setzen voraus, <br />
dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den <br />
Absätzen 1, 3 und 4 genannten Maßnahmen <br />
ausdrücklich umfasst. Im Übrigen gelten die Absätze 1 <br />
bis 4 entsprechend.
§ 1907 BGB (Genehmigung des Betreuungs-gerichts<br />
bei der Aufgabe der Mietwohnung) <br />
• (1) Zur Kündigung eines Mietverhältnisses über <br />
Wohnraum, den der Betreute gemietet hat, bedarf <br />
der Betreuer der Genehmigung des <br />
Betreuungsgerichts. Gleiches gilt für eine <br />
Willenserklärung, die auf die Auuebung eines <br />
solchen Mietverhältnisses gerichtet ist.
Definition Psychische Störung (früher <br />
Krankheit) <br />
Die DSM-‐IV charakterisiert psychische Störungen als <br />
klinisch bedeutsame Verhaltens-‐ und <br />
Erlebensmuster, die durch <br />
• Störungen von psychischen, biologischen oder <br />
Verhaltensfunktionen bedingt sind (beispielsweise <br />
eine Störung der St<strong>im</strong>mungsregulation (psychische <br />
Funktion) wie beispielsweise bei der Depression) und <br />
aktuell bei einer Person zu beobachten sind und zu <br />
Leiden (beispielsweise Schmerz) oder
Psychische Störung (früher Krankheit) <br />
• zu Beeinträchtigungen und Freiheitsverlust führen <br />
(beispielsweise der Freiheit, öffentliche <br />
Verkehrsmittel zu benutzen oder einem Beruf <br />
nachzugehen) oder <br />
• die das stark erhöhte Risiko mit sich bringen, dass <br />
die Person Leiden oder Beeinträchtigungen und <br />
Freiheitsverlust erfährt.
Psychische Störung (früher Krankheit) <br />
Als psychische Störung wird nicht angesehen, wenn <br />
Verhalten und Erleben zu Leiden oder Beeinträchtigungen <br />
oder zu einem stark erhöhten Risiko, Leiden oder <br />
Beeinträchtigungen und Freiheitsverlust zu erfahren, <br />
führen und <br />
• aus der Kultur der Person erklärbar sind (beispielsweise <br />
Trauer nach dem Tod eines nahestehenden <br />
Angehörigen) oder <br />
• lediglich auf Konflikte der Person mit gesellschaftlichen <br />
Normen und Anforderungen zurückzuführen sind <br />
(beispielsweise Angehörigkeit zu einer in einem Staat <br />
verbotenen politischen Organisation).
Behinderungsbegriff § 2 SGB IX <br />
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche <br />
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit <br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate <br />
von dem für das Lebensalter typischen Zustand <br />
abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der <br />
Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von <br />
Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu <br />
erwarten ist.
BSHG§47V (Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches <br />
Sozialgesetzbuch (Eingliederungshilfe-‐Verordnung)) : <br />
§ 1 Körperlich wesentlich behinderte Menschen <br />
Durch körperliche Gebrechen wesentlich in ihrer <br />
Teilhabefähigkeit eingeschränkt <strong>im</strong> Sinne des § 53 Abs. <br />
1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind <br />
• Personen, deren Bewegungsfähigkeit durch eine <br />
Beeinträchtigung des Stütz-‐ oder <br />
Bewegungssystems in erheblichem Umfange <br />
eingeschränkt ist <br />
• Personen mit erheblichen Spaltbildungen des <br />
Gesichts oder des Rumpfes oder mit abstoßend <br />
wirkenden Entstellungen vor allem des Gesichts
§ 1 Körperlich wesentlich behinderte Menschen <br />
• Personen, deren körperliches Leistungsvermögen <br />
infolge Erkrankung, Schädigung oder Fehlfunktion <br />
eines inneren Organs oder der Haut in erheblichem <br />
Umfange eingeschränkt ist <br />
• Blinden oder solchen Sehbehinderten, bei denen mit <br />
Gläserkorrektion ohne besondere optische <br />
Hilfsmittel a) auf dem besseren Auge oder beidäugig <br />
<strong>im</strong> Nahbereich bei einem Abstand von mindestens <br />
30 cm oder <strong>im</strong> Fernbereich eine Sehschärfe von <br />
nicht mehr als 0,3 besteht
§ 1 Körperlich wesentlich behinderte Menschen <br />
oder <br />
• durch Buchstabe a nicht erfasste Störungen der <br />
Sehfunktion von entsprechendem Schweregrad <br />
vorliegen, <br />
• Personen, die gehörlos sind oder denen eine sprachliche <br />
Verständigung über das Gehör nur mit Hörhilfen <br />
möglich ist, <br />
• Personen, die nicht sprechen können, Seelentauben und <br />
Hörstummen, Personen mit erheblichen <br />
St<strong>im</strong>mstörungen sowie Personen, die stark stammeln, <br />
stark stottern oder deren Sprache stark unartikuliert ist.
§ 2 Geistig wesentlich behinderte Menschen <br />
Geistig wesentlich behindert <strong>im</strong> Sinne des § 53 Abs. 1 <br />
Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind <br />
Personen, die infolge einer Schwäche ihrer geistigen <br />
Kräfte in erheblichem Umfange in ihrer Fähigkeit zur <br />
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt <br />
sind.
Geistige Behinderung <br />
Definition der American Association on Mental Retardation <br />
Geistige Behinderung bezieht sich auf substanzielle <br />
Einschränkungen der situativen Handlungsfähigkeit. <br />
Die intellektuellen Fähigkeiten sind signifikant <br />
unterdurchschnittlich; gleichzeitig liegen damit <br />
zusammenhängende Erschwernisse in zwei oder mehreren <br />
der nachfolgend genannten Bereiche des täglichen Lebens <br />
vor: Kommunikation, Sozialverhalten, Selbstversorgung, <br />
Selbstbest<strong>im</strong>mung, Wohnen, Gesundheit und Sicherheit, <br />
Benutzung der Infrastruktur, lebensbedeutsame <br />
Schulbildung, Arbeit und Freizeit. <br />
AAMR: Mental Retardation: Definition, classification, and systems of supports. Washington, DC: AAMR 1992a
§ 3: Seelisch wesentlich behinderte Menschen <br />
Seelische Störungen, die eine wesentliche <br />
Einschränkung der Teilhabefähigkeit <strong>im</strong> Sinne des § 53 <br />
Abs. 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch <br />
zur Folge haben können, sind <br />
• Körperlich nicht begründbare Psychosen <br />
• Seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder <br />
Verletzungen des Gehirns, von Anfallsleiden oder <br />
von anderen Krankheiten oder körperlichen <br />
Beeinträchtigungen <br />
• Suchtkrankheiten <br />
• Neurosen und Persönlichkeitsstörungen
§ 1903 BGB: Einwilligungsvorbehalt (sowie entsprechend bei <br />
Verlängerung des Einwilligungsvorbehaltes, § 295 Abs. 1 S.1 <br />
FamFG) <br />
Ist die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes (<strong>im</strong> <br />
Aufgabenkreis …) zur Abwendung einer erheblichen <br />
Gefahr für die Person oder das Vermögen der/des <br />
Betroffenen erforderlich? (D.h. welche konkreten und <br />
erheblichen Gefahren würden der/dem Betroffenen <br />
ohne Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes <br />
drohen und ist der Einwilligungsvorbehalt geeignet <br />
und notwendig, diese Gefahren abzuwenden, oder <br />
sind andere Möglichkeiten hierfür gegeben?) Für <br />
welchen Zeitraum ist die Anordnung erforderlich?
§ 1906 BGB: Genehmigung einer freiheitsentziehenden <br />
Unterbringung (gilt entsprechend für Verlängerung der <br />
Genehmigung, § 329 Abs. 2 S. 1 FamFG) <br />
• Leidet die/der Betroffene an einer psychischen <br />
Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder <br />
seelischen Behinderung? <br />
• Besteht aufgrund dieser Krankheit oder <br />
Behinderung die (ernstliche und konkrete) Gefahr, <br />
dass die/der Betroffene sich einen erheblichen <br />
gesundheitlichen Schaden zufügt oder selbst tötet <br />
• und/oder
§ 1906 BGB: Genehmigung einer freiheitsentziehenden <br />
Unterbringung (gilt entsprechend für Verlängerung der <br />
Genehmigung, § 329 Abs. 2 S. 1 FamFG) <br />
• ist eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, <br />
eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff <br />
notwendig? Worin besteht die Heilbehandlung <strong>im</strong> <br />
Einzelnen (insbesondere Angaben der erforderlichen <br />
Medikamente mit Höchstdosierung und <br />
Verabreichungshäufigkeit)? Muss diese ggfls. auch <br />
unter Anwendung von Zwang erfolgen?
§ 1906 BGB: Genehmigung einer freiheitsentziehenden <br />
Unterbringung (gilt entsprechend für Verlängerung der <br />
Genehmigung, § 329 Abs. 2 S. 1 FamFG) <br />
• Kann die unter Ziffer 2. festgestellte Gefahr nur <br />
durch eine geschlossene Unterbringung <br />
abgewendet werden <br />
• und /oder <br />
• kann die oben genannte Untersuchung, Behandlung <br />
oder dieser Eingriff ohne die geschlossene <br />
Unterbringung der/des Betroffenen nicht <br />
durchgeführt werden?
§ 1906 BGB: Genehmigung einer freiheitsentziehenden <br />
Unterbringung (gilt entsprechend für Verlängerung der <br />
Genehmigung, § 329 Abs. 2 S. 1 FamFG) <br />
• Mit welchen Chancen und Risiken ist eine <br />
Unterbringung neben den unter den Ziffern 2 und 3 <br />
aufgeführten Erwägungen aus ärztlicher Sicht <br />
verbunden, insbesondere: Welche Erfolge (mit <br />
welcher Wahrscheinlichkeit) sind aufgrund der <br />
Behandlung zu erwarten und welche <br />
Nebenwirkungen sind bei der erforderlichen <br />
medikamentösen Behandlung zu erwarten; welche <br />
negativen Folgen würde ein Absehen von der <br />
Maßnahme für die/den Betroffenen voraussichtlich <br />
haben?
§ 1906 BGB: Genehmigung einer freiheitsentziehenden <br />
Unterbringung (gilt entsprechend für Verlängerung der <br />
Genehmigung, § 329 Abs. 2 S. 1 FamFG) <br />
• Für welchen Zeitraum ist eine geschlossene <br />
Unterbringung erforderlich und in welcher Art von <br />
Einrichtung soll sie erfolgen? <br />
• Kann die/der Betroffene aufgrund der unter Ziffer 1 <br />
festgestellten Erkrankung oder Behinderung die <br />
Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen <br />
oder nicht nach dieser Einsicht handeln, also ihren/<br />
seinen Willen nicht frei von der Erkrankung oder <br />
Behinderung best<strong>im</strong>men?
§ 1906 BGB: Genehmigung einer freiheitsentziehenden <br />
Unterbringung (gilt entsprechend für Verlängerung der <br />
Genehmigung, § 329 Abs. 2 S. 1 FamFG) <br />
• Ist davon abzusehen, der/dem Betroffenen das <br />
Gutachten zur Verfügung zu stellen oder ihr/ihm die <br />
Gründe eines Beschlusses bekanntzugeben, weil <br />
dies erforderlich ist, um erhebliche Nachteile für <br />
ihre/seine Gesundheit zu vermeiden?
Literaturvorschläge <br />
• Jürgens, A.: Betreuungsrecht. 4. Auflage 2010. C. H. <br />
Beck, München. <br />
• Schneider, F., Frister, H., Olzen, D.: Begutachtung <br />
psychischer Störungen, 2. Auflage 2009, Springer, <br />
Berlin, Heidelberg. <br />
• Seichter, J.: Einführung in das Betreuungsrecht. 4. <br />
Auflage 2010. Springer, Berlin, Heidelberg. <br />
• Venzlaff, U., Foerster, K.: Psychiatrische <br />
Begutachtung. 6. Auflage 2008. Urban & Fischer, <br />
München.