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Der „Lebensborn e.V.“ – Ein Instrument ... - M. Sander-Gaiser

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<strong>Der</strong> <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong> <strong>–</strong> <strong>Ein</strong> <strong>Instrument</strong> nationalsozialistischer Rassenpolitik<br />

Von Simone Depner<br />

Mit der Machtergreifung kristallisierte sich eine konkrete NS-Unehelichenpolitik heraus. Diese<br />

Politik sollte das Ziel der rassenideologischen Programmatik Hitlers und Himmlers verfolgen<br />

und somit zum Geburtenanstieg beitragen. Die Parole lautete:<br />

Kinder für den Führer- aber : die Rasse muss rein sein. Für die Verwirklichung seiner Pläne<br />

benötigte Hitler eine umfangreiche Nachkommenschaft des Deutschen Volkes. Das Reinheitskriterium<br />

der arischen Rasse stand dabei im Vordergrund. Wer dieses Merkmal nicht<br />

vorweisen konnte, wurde selektiert und getötet. „Euthanasie<strong>“</strong> nennen die Nationalsozialisten<br />

dieses Programm, was nichts anderes bedeutet, als den Mord an wehrlosen behinderten Menschen.<br />

Hitler reduzierte auf diese Weise die deutschen Mütter auf Zuchtfrauen der germanischen<br />

Rasse.<br />

Die arische, deutsche Familie galt als „Keimzelle der Gesellschaft<strong>“</strong>. Dieser Grundgedanke<br />

war fester Bestandteil der NS-Propaganda, mit der Mädchen und Frauen in die Rassenlehre<br />

eingebunden wurden.<br />

Die Idee des <strong>„Lebensborn</strong> e. V.<strong>“</strong> bestand darin, die bevölkerungspolitische Sorge um die ledige<br />

Mutter zu mildern. Ohne die Klärung der theoretischen Diskussionen auf den ministeriellen<br />

Ebenen abzuwarten, ging man frühzeitig dazu über, die ledige Mutter und ihr Kind in eine<br />

überwiegend von der Partei organisierte Hilfe einzubeziehen. Auch für die Nationalsozialisten<br />

war es trotz der gemeinsamen ideologischen Überzeugungen mit den Reichsjustizministerium<br />

ein Problem, die Unehelichkeit rechtlich zu klären, d.h. die miteinander konkurrierenden Vorschläge<br />

in ein praktikable Form zu bringen. Um diesen Zweck zu erfüllen, war es erstrebenswert,<br />

die Lebensbedingungen der ledigen Mutter und ihres Kindes weitgehend dem ehelichen<br />

Status anzugleichen. Dahinter lag einzig und allein die Intention, der unverheirateten Frau die<br />

Angst vor einer Schwangerschaft zu mildern und die soziale Benachteiligung der unehelichen<br />

Geborenen abzubauen. Schließlich waren sie die Menschen, die Hitler für die Verwirklichung<br />

seiner Zukunftsutopien benötigte.<br />

Diesen Vorstellungen stand aber das geltende Recht entgegen. Mit dem Herrschaftsantritt der<br />

Nationalsozialisten erwarteten die Befürworter einer Förderung der Unehelichen eine Änderung<br />

dieses Rechts. Infolgedessen wurden von staatlicher und parteiamtlicher Seite mindestens<br />

vier Gesetzesentwürfe dazu vorgelegt. Trotzdem entwickelte sich der Lebensborn e.V.<br />

ungeachtet der gesetzgeberischen Auswertungen.<br />

Verschiedene Hilfswerke („Mutter und Kind<strong>“</strong>, „Winterhilfswerk<strong>“</strong>) hatten eine große Bedeutung<br />

für die Bevölkerungspolitik und speziell auch für den Lebensborn. Die Betonung lag auf<br />

dem Ausdruck des Willens der deutschen Volksgemeinschaft, das lebendige Leben des Volkes<br />

zu erhalten und zu schützen. Heinrich Himmler wurde durch die Anstrengungen solcher<br />

Hilfswerke immer mehr zu dem Entschluss bestärkt, ebenfalls fürsorglich für unverheiratete<br />

Mütter tätig zu werden. Als Chef der Gestapo und der deutschen Polizei wurde Himmler auf<br />

das Problem der Abtreibung und der damit verbundenen ledigen Mutter aufmerksam. So war<br />

er es, der bei dem Führer für die Bekämpfung der Abtreibung warb mit dem Argument, dass<br />

ein Plus an Geburten zusätzliche Rekruten bedeuten.


Gründung des <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong><br />

Am 12. Dezember 1935 wurde der <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong> auf Veranlassung der Reichsführer-SS<br />

von zehn SS-Führern in Berlin gegründet. Obwohl er organisatorisch in die SS eingegliedert<br />

wurde, gab man ihm die rechtlich selbstständige Form eines eingetragenen Vereins. Zweck<br />

und Organisation des Vereins wurden von der Satzung verabschiedet, die am Gründungsdatum<br />

zusammentraten:<br />

1. Die rassisch und erbbiologisch wertvolle, kinderreiche Familie soll unterstützt werden.<br />

2. Die rassisch und erbbiologisch wertvolle werdenden Mütter sollen betreut werden, und<br />

zwar solche, bei denen nach sorgfältiger Prüfung der eigenen Familie und der Familie des<br />

Erzeugers durch das Rasse- und Siedlungshauptamt-SS anzunehmen ist, dass gleich wertvolle<br />

Kinder zur Welt kommen.<br />

3. Für diese Kinder soll gesorgt werden.<br />

4. Für die Mütter der Kinder soll gesorgt werden.<br />

Die Statuten sind eindeutig: Sie banden die Tätigkeit des Vereins grundsätzlich an den Rassengedanken.<br />

Mit welchen Mitteln das Ziel des Vereins erreicht werden sollte, verrät die Satzung<br />

nicht. Nur die SS-internen Befehle und Verlautbarungen geben bekannt, den <strong>„Lebensborn</strong><br />

e.V.<strong>“</strong> in den Dienst der Bevölkerungspolitik zu stellen.<br />

Betreuung von Mutter und Kind <strong>–</strong> ein Vorwand der <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong>-Ideologie<br />

Vor dem aufgeführten Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong><br />

eine Grundbedingung stellte: Für die erfolgreiche Betreuung lediger Mütter und ihrer Kinder<br />

sollte die Möglichkeit verfolgt werden, Entbindungen geheim zu halten. Die Notwendigkeit,<br />

ein Geburt zu verschweigen lag darin, dass ledige Mütter von der Gesellschaft immer noch<br />

missachtet wurden. <strong>Der</strong> Verein warb dafür, dass eine gesellschaftliche Zurücksetzung mit<br />

Hilfe der Geheimhaltung verhindert werden sollte.<br />

<strong>Der</strong> <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong> bediente sich vorwiegend fürsorglicher Maßnahmen; Mutter und Kind<br />

standen während ihres Heimaufenthaltes unter ständiger ärztlicher Kontrolle. Außerdem wurde<br />

ihnen der Unterhalt gezahlt und sie bekamen Arbeitsplätze vermittelt. Allerdings verbargen<br />

sich hinter diesen Tätigkeiten des Vereins Absichten, die nicht primär am Wohl von Mutter<br />

und Kind orientiert waren. Allein die weltanschauliche Schulung der Mütter und die Tatsache,<br />

dass sie aus Geheimhaltungsgründen dazu verleitet wurden, rechtswidrig vor Behörden unzutreffende<br />

Angaben zu machen, stellte das Paradox deutlich vor. Auch das Betreben des Vereins,<br />

sich dem zum Schutz der Kinder vom Gesetzgeber vorgeschriebenen staatlichen Aufsichten<br />

zu entziehen, trägt zu einer widersprüchlichen Haltung bei.<br />

Rechtfertigung der <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong>-Führung zur Gründung des Vereins<br />

Um noch einmal konkret die Absichten der Gründer des Vereins hervorzuheben, ist es sinnvoll,<br />

die Rechtfertigungsgründe zu beleuchten. Nur dann kann einigermaßen verstanden werden,<br />

welche Intentionen dem Verein zu Grunde lagen und wie dies öffentlich verteidigt wurde.<br />

• Die ledige Mutter und ihr Kind sollten vor Diffamierungen durch die Gesellschaft geschützt<br />

werden.


• Man wollte mit dem Verein dazu beitragen, das Deutsche Volk biologisch zu stärken, um<br />

Hitlers Plan der Eroberung neuen Lebensraums nicht nur militärisch, sondern auch bevölkerungspolitisch<br />

durchzuführen.<br />

Mit diesem Hintergrundwissen kann aus heutiger Sicht zweifelsfrei festgestellt werde, dass<br />

der <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong> eingebunden war in die nationalsozialistische Rassenpolitik. <strong>Ein</strong> sichtbarer<br />

Niederschlag dieser Annahme zeigt sich in konkreten Fakten:<br />

• Die offensive Geburtenpolitik nach `39,<br />

• Die Germanistische Politik,<br />

• Die Volkstumspolitik.<br />

Ohne eine verschönende Sichtweise vorzustellen, kann behauptet werden, dass hier die Forderung<br />

nach züchterischer Auslese mit konkreten Maßnahmen verfolgt wurde. Dabei lassen sich<br />

rassenzüchterische Funktionsmechanismen aufdecken, die den <strong>„Lebensborn</strong> e.V.<strong>“</strong> keineswegs<br />

als karitative <strong>Ein</strong>richtung vorstellen. Dieser Verein bedurfte der gelenkten Fortpflanzung, um<br />

als <strong>Instrument</strong> züchterischer Rassenpolitik zu gelten.<br />

Quellen:<br />

1. TELE-Manuskriptdienst. HAUSNER, Thomas: Hitler und die Frauen. Manuskript zur<br />

gleichnamigen Sendung des Bayerischen Rundfunks vom xx.xx.2000. München 2000.<br />

2. Bundeszentrale für politische Bildung(BpB): Information zur politische Bildung: Nationalsozialismus<br />

II, Führerstaat und Vernichtungskrieg. Heft 266. 1. Quartal 2000. München 2000.<br />

3. LILIENTHAL, Georg: <strong>Der</strong> "Lebensborn e.V.". <strong>Ein</strong> <strong>Instrument</strong> nationalsozialistischer Rassenpolitik.<br />

Überarbeitete und erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main 1993.

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