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Zum Informationsbegriff der Informationstheorie

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ZUM INFORMATIONSBEGRIFF DER INFORMATIONSTHEORIE<br />

Inflation des <strong>Informationsbegriff</strong>s<br />

Die vermeintliche Messbarkeit von Information<br />

und die Nichtunterscheidung <strong>der</strong> beiden Informationsarten<br />

waren sicherlich auch unter den Ursachen<br />

für die Inflation des <strong>Informationsbegriff</strong>s, wie er<br />

uns in den Schlagwörtern von <strong>der</strong> „informierten<br />

Gesellschaft„ und <strong>der</strong> „Informationsgesellschaft“<br />

entgegentritt. Der nächste Schritt war dann die<br />

Gleichsetzung von Information mit Wissen, die uns<br />

die „Wissensgesellschaft“ und allerlei Aussprüche<br />

über den Wissensvorrat im Internet und die Verdopplung<br />

des menschlichen Wissens in so und so<br />

vielen Jahren beschert hat: Lauter Behauptungen,<br />

die einer sorgfältigen Begriffsanalyse nicht standhalten.<br />

Doch das gehört nicht mehr zum Thema<br />

dieses Beitrags.<br />

Abschließende Bemerkungen<br />

Aus dieser Analyse <strong>der</strong> Sachlage lässt sich m. E.<br />

<strong>der</strong> Schluss ziehen, dass die Shannon’sche <strong>Informationstheorie</strong><br />

und ihr quantitativer <strong>Informationsbegriff</strong><br />

für die Informatik nicht nur irrelevant, son<strong>der</strong>n<br />

sogar irreführend ist. Und daraus ergibt sich,<br />

dass die <strong>Informationstheorie</strong> in Zukunft nicht<br />

mehr als ein Grundbaustein zum Gebäude <strong>der</strong> Informatik<br />

angesehen werden sollte.<br />

Es ging in diesem Aufsatz nicht darum, was<br />

Information ist, son<strong>der</strong>n um das, was sie nicht ist.<br />

Wenn man Philosophen und philosophierende<br />

Informatiker danach befragt, was sie ist, bekommt<br />

man viele verschiedene und oft recht komplizierte<br />

Antworten (s. darüber beson<strong>der</strong>s die Diskussionen<br />

in Janich [4] und Ropohl [8]). Für mich – und ich<br />

denke, für die meisten Informatiker – reicht es aus,<br />

zu definieren: Information ist gedeutete Nachricht<br />

o<strong>der</strong> gedeutete Mitteilung o<strong>der</strong> Informationen sind<br />

gedeutete Daten. „Nachricht“, „Mitteilung“, „Daten“<br />

und „Deutung“ können dabei undefinierte Grundbegriffe<br />

bleiben.<br />

Wenn man bereit ist, „Information“ durch<br />

„Daten“ o<strong>der</strong> „Nachrichten“ o<strong>der</strong> „Mitteilungen“<br />

zu ersetzen und zugibt, dass Information nicht<br />

messbar ist, stürzt <strong>der</strong> Mythos von <strong>der</strong> Grundlagenbedeutung<br />

<strong>der</strong> Information in sich zusammen.<br />

Er lautet dann:<br />

Daten, Nachrichten, Mitteilungen sind für uns<br />

undefinierbare, aber zugleich unentbehrliche<br />

Grundbegriffe, die als gleichberechtigt neben<br />

die physikalischen Grundbegriffe Materie und<br />

Energie zu stellen sind. Man kann sie wie<br />

Materie transportieren, speichern und verarbeiten;<br />

und wie Energie die Fähigkeit hat,<br />

Arbeit zu leisten, haben Daten, Nachrichten<br />

und Mitteilungen die Fähigkeit, Wirkungen auf<br />

ihre Empfänger auszuüben. Aber sie sind we<strong>der</strong><br />

Materie noch Energie.<br />

Übrig geblieben durch diese Entmythologisierung<br />

ist eine Trivialität. Zwar scheinen wir gleich drei<br />

neue Grundbegriffe gewonnen zu haben, und man<br />

kann leicht weitere, wie etwa „Gedanken“<br />

und „Ideen“ hinzufügen. Mir scheint jedoch, dass<br />

die Unzulässigkeit, diese Begriffe den physikalischen<br />

Grundbegriffen „Materie“ und „Energie“ an<br />

die Seite zu stellen, gerade durch dieses Verfahren<br />

überzeugend klargestellt wird.<br />

Literatur<br />

1. Bense, M.: Philosophie <strong>der</strong> Technik. Phys. Bl. 10, 481–485 (1954)<br />

2. Brillouin, L.: Science and information theory. New York 1956; zit. nach Taube [12]<br />

3. Denning, P.: Leserbrief-Antwort. Comm. ACM 44(11), 12–13 (2001)<br />

4. Janich, P.: <strong>Informationsbegriff</strong> und methodisch-kulturalistische Philosophie. EuS<br />

(Ethik und Sozialwissenschaft) 9(2), 169–268 (1998). (Darin enthalten: Antworten an<br />

Janich von 31 Personen und Replik von Janich)<br />

5. Meyer-Eppler, W.: Grundlagen und Anwendungen <strong>der</strong> <strong>Informationstheorie</strong>. Berlin<br />

Göttingen Heidelberg: Springer 1959<br />

6. Neidhardt, P.: Einführung in die <strong>Informationstheorie</strong>. Berlin: Verlag Technik 1957<br />

7. Ropohl, G.: Technologische Aufklärung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1991<br />

8. Ropohl, G.: Der <strong>Informationsbegriff</strong> im Kulturstreit. EuS (Ethik und Sozialwissenschaft)<br />

12(1), 3–67 (2001). (Darin enthalten: Antworten an Ropohl von 21 Personen und<br />

Replik von Ropohl)<br />

9. Rothschild, L.: zit. nach Taube [12]. Erscheint dort unter dem Verfassernamen<br />

Rothschild ohne bibliografische Angaben<br />

10. Shannon, C.E.: A mathematical theory of communication.The Bell System Technical<br />

Journal 27(3), 379–423 (1948)<br />

11. Shannon, C.E., Weaver W.: Mathematische Grundlagen <strong>der</strong> <strong>Informationstheorie</strong>. München:<br />

Oldenbourg 1976<br />

12. Taube, M.: Der Mythos <strong>der</strong> Denkmaschine. Reinbek: Rowohlt 1969<br />

Der vorliegende Artikel entstand unabhängig von dem im letzten Heft<br />

(Informatik-Spektrum 26 (4), S. 267ff.) zur Diskussion gestellten Beitrag<br />

„Ein großes Elend“ von Helmut Klemm und ist keine Replik auf diesen<br />

Beitrag. – HE<br />

326<br />

Informatik_Spektrum_14_Oktober_2003

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