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Zum Informationsbegriff der Informationstheorie

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ZUM INFORMATIONSBEGRIFF DER INFORMATIONSTHEORIE<br />

Organismen in <strong>der</strong> Lage sein wird, eine Theorie<br />

<strong>der</strong> Bedeutung dieser Signale zu ersetzen. Das<br />

erscheint unzulässig. [...] Die Bedeutung dieser<br />

Zeichen, das Semantische, findet keine Erklärung<br />

im mathematisch-physikalischen Rahmen<br />

<strong>der</strong> Kommunikations- und <strong>Informationstheorie</strong>.<br />

Letztere handelt von <strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> Übermittlung,<br />

Verwertung und Speicherung von<br />

Signalen. Die Bedeutung <strong>der</strong> Signale muß als<br />

gegeben hingenommen werden.<br />

Wenn man diese und an<strong>der</strong>e Zitate aus <strong>der</strong> großen<br />

Zeit <strong>der</strong> <strong>Informationstheorie</strong> heute liest, kann man<br />

den Eindruck gewinnen, dass ihre Verfasser zwar<br />

den Unterschied zwischen <strong>der</strong> syntaktischen und<br />

semantischen Information erwähnten (weil sie das<br />

ihrer Reputation als Wissenschaftler schuldig<br />

waren), dass sie es aber nebenbei und unauffällig,<br />

fast verschämt taten, um den neuen Erkenntnissen,<br />

die sie propagierten, ja nichts von ihrer Größe zu<br />

nehmen.<br />

Seitdem haben sich des Themas auch Philosophen<br />

bemächtigt und den Unterschied zwischen<br />

syntaktischer und semantischer Information bemerkt.<br />

<strong>Zum</strong> Beispiel vertritt G. Ropohl die Ansicht,<br />

dass Informationen Zeichen (in dem weiten Sinn<br />

<strong>der</strong> Semiotik, nicht in dem engen eines endlichen<br />

Alphabets) sind und wie Zeichen drei Komponenten<br />

haben: eine syntaktische, eine semantische und<br />

eine pragmatische. Er definiert [7]:<br />

Eine Information ist ein Zeichen aus einer<br />

Zeichenmenge, das durch folgende Merkmale<br />

gekennzeichnet ist:<br />

· Das Zeichen ist ein physisches (d. h. stoffliches o<strong>der</strong><br />

energetisches) Ereignis, das mit einer bestimmten<br />

Häufigkeit o<strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit auftritt.<br />

· Das Zeichen hat eine bestimmte Bedeutung, die ihm<br />

durch Konvention zugeschrieben wird.<br />

· Das Zeichen hat einen bestimmten Bezug zum Verhalten<br />

seines Benutzers.<br />

Ein brauchbarer <strong>Informationsbegriff</strong> muß alle<br />

drei Komponenten enthalten. Diese For<strong>der</strong>ung<br />

wird freilich von <strong>der</strong> <strong>Informationstheorie</strong> im<br />

engeren Sinne nicht erfüllt, denn diese und ihr<br />

mathematisch definiertes Informationsmaß<br />

betreffen nur die syntaktische Dimension <strong>der</strong><br />

Zeichen. [...] Dieser verengte, rein formale <strong>Informationsbegriff</strong><br />

hat wohl darum beson<strong>der</strong>e<br />

Beachtung gefunden, weil er mathematisch<br />

präzisiert wurde, während entsprechende<br />

Versuche für die semantische und pragmatische<br />

Dimension bisher erfolglos blieben. Aber<br />

selbstverständlich geht es nicht an, einen<br />

wissenschaftlichen Begriff allein nach Maßgabe<br />

seiner Formalisierbarkeit zu dimensionieren;<br />

entscheidend ist vielmehr seine Aussagekraft<br />

bezüglich realer Erscheinungen und Probleme,<br />

und da ist inzwischen oft genug gezeigt worden,<br />

daß ein auf die syntaktische Dimension<br />

verkürzter <strong>Informationsbegriff</strong> sehr unergiebig<br />

wäre.<br />

Das scheint mir ein sorgfältig durchdachter Versuch<br />

zu sein, den Kern <strong>der</strong> verschiedenen Variationen<br />

des <strong>Informationsbegriff</strong>s zu beschreiben. Doch<br />

auch Ropohl kommt nicht ohne eine Verbeugung<br />

vor Shannon aus, indem er die Auftrittshäufigkeit<br />

o<strong>der</strong> -wahrscheinlichkeit ins Spiel bringt. Wer mehr<br />

darüber wissen will, in welcher Weise sich Philosophen<br />

mit dem <strong>Informationsbegriff</strong> beschäftigen<br />

(und sie tun es intensiv), <strong>der</strong> sei auf die lange Diskussion<br />

[4] hingewiesen, an <strong>der</strong> sich auch eine ganze<br />

Reihe von Informatikern beteiligt hat.<br />

Als die Kunde von <strong>der</strong> Messbarkeit <strong>der</strong> Information<br />

nach Europa gekommen war, schien die<br />

Zeit anzubrechen, in <strong>der</strong> über den quantitativen<br />

<strong>Informationsbegriff</strong> auch die Geisteswissenschaften<br />

und Künste an den Erkenntnissen und Arbeitsweisen<br />

<strong>der</strong> exakten Wissenschaften teilhaben konnten.<br />

Wenn Information mit Struktur, Ordnung, Form<br />

eng verwandt war und man sie messen konnte, bestand<br />

die Aussicht, ästhetische Kategorien auf eine<br />

wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Es entstanden<br />

über Nacht neue Wissenschaftszweige wie<br />

Informationspsychologie, kybernetische Pädagogik,<br />

quantitative Ästhetik, Redundanztheorie und wohl<br />

noch mehr. Literaturwissenschaftler vermaßen<br />

Texte, indem sie die Häufigkeit <strong>der</strong> Wörter, die Satzlängen<br />

und an<strong>der</strong>es zählten und daraus die Shannon’sche<br />

Information berechneten, die <strong>der</strong> Text enthält.<br />

Sie glaubten damit dem Geheimnis des Stils<br />

<strong>der</strong> einzelnen Schriftsteller auf die Spur zu kommen,<br />

demjenigen, das sich bis heute je<strong>der</strong> Messung<br />

entzieht. Man untersuchte auch Musikwerke mit<br />

statistischen Methoden auf die Tonhöhen und Intervalle,<br />

die in ihnen vorkommen, ebenfalls um die<br />

Merkmale von Personalstilen und Epochenstilen<br />

quantitativ zu erfassen. Das war die sog. „Informationsästhetik“.<br />

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Informatik_Spektrum_14_Oktober_2003

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