Straf- und schadensersatzrechtliche Haftung von ...
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10. Produkt- <strong>und</strong> Betriebssicherheitstage<br />
Köln, 18. März 2013<br />
<strong>Straf</strong>- <strong>und</strong> <strong>schadensersatzrechtliche</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>von</strong><br />
Unternehmensmitarbeitern für Produktsicherheit<br />
Mythos <strong>und</strong> Rechtsrealität, die gr<strong>und</strong>legenden<br />
Gerichtsurteile <strong>und</strong> Abwehrmaßnahmen<br />
Rechtsanwalt Dr. Thomas Wilrich<br />
Fachanwalt für Verwaltungsrecht<br />
Madeggerweg 13a<br />
82541 Münsing<br />
Telefon: 08177 / 929 557<br />
E-Mail: info@rechtsanwalt-wilrich.de<br />
Website: www.rechtsanwalt-wilrich.de<br />
Professur Wirtschaftsprivatrecht, Arbeitsrecht, Produkt- <strong>und</strong> Technikrecht<br />
Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen<br />
Hochschule München<br />
© Prof. Dr. Thomas Wilrich, Rechtsanwalt <strong>und</strong> Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (Email: thomas.wilrich@web.de)
Mythos<br />
nicht überprüfbar: Kassebohm/Malorny, <strong>Straf</strong>rechtliche Verantwortlichkeit des Managements, BB 1994, 1362<br />
„Einleitung <strong>von</strong> 20.000 strafrechtlichen Ermittlungsverfahren<br />
im Zusammenhang mit der Verwirklichung <strong>von</strong> Produktrisiken“<br />
zutreffend, aber die – vielen – <strong>Haftung</strong>svoraussetzungen nicht benennend:<br />
„<strong>Straf</strong>bar sein können nicht nur die Mitglieder der Geschäftsleitung, sondern jeder Mitarbeiter,<br />
der am Entwicklungs-, Herstellungs- <strong>und</strong> Vermarktungsprozess beteiligt ist“.<br />
„Wer in einem Mitarbeiterteam einer Entscheidung zustimmt, die einen Produktfehler<br />
verursacht <strong>und</strong> später zu Rechtsgutsverletzungen führt, kann dafür strafrechtlich<br />
verantwortlich sein“ Eisenberg/Gildeggen/Reuter/Willburger, Produkthaftung, 2008<br />
Gliederung<br />
● Rechtsrealität – Zusammenfassung der persönlichen <strong>Haftung</strong>srisiken<br />
● Zivilrechtliche persönliche Produkthaftung = Schadensersatzhaftung<br />
● <strong>Straf</strong>rechtliche Produkthaftung<br />
● Absicherung<br />
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Rechtsrealität<br />
Was kann passieren? Was kann ich tun?<br />
Wer kann etwas <strong>von</strong> mir „wollen“?<br />
1. Arbeitgeber kann Schadensersatz verlangen<br />
2. Kollege kann Schadensersatz verlangen<br />
3. Dritter kann Schadensersatz verlangen<br />
4. BG kann nach Arbeitsunfall Rückgriff nehmen<br />
5. Staat(sanwalt) kann <strong>Straf</strong>e wollen<br />
„innerbetrieblicher<br />
Schadensausgleich“<br />
SGB VII: Gesetzliche<br />
Unfallversicherung<br />
1. bis 4. = Geld zB zivilrechtliche persönliche Produkthaftung (3.)<br />
5. = <strong>Straf</strong>e zB strafrechtliche Produkthaftung<br />
Was kann ich tun?<br />
● Fehlervermeidung<br />
● Risikosteuerung = Risikominimierung durch Unternehmensorganisation<br />
● Risikoverlagerung durch Verträge<br />
● Versicherung<br />
● „Arbeitnehmer sein“<br />
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Gr<strong>und</strong>lagen: Zivilrechtliche Produkthaftung<br />
Vertragliche (Produkt-)<strong>Haftung</strong><br />
– trifft immer nur den Schuldner<br />
= Verkäufer = Unternehmer<br />
Außervertragliche/deliktische (Produkt-)<strong>Haftung</strong><br />
● ProdHaftG sieht verschuldensunabhängige <strong>Haftung</strong> vor<br />
– diese trifft aber immer nur den Inverkehrbringer = Unternehmen also:<br />
● keine verschuldensunabhängige <strong>Haftung</strong> <strong>von</strong> Individualpersonen<br />
● <strong>Haftung</strong> (nur) nach § 823 BGB natürliche Personen sind auch ein „Wer“<br />
● Rechtsprechung hat Produkt-Verkehrssicherungspflichten entwickelt<br />
– diese treffen aber primär den Inverkehrbringer = Unternehmen<br />
● aber auch Unternehmensmitarbeiter,<br />
„die eine herausgehobene <strong>und</strong> verantwortliche Stellung innehaben“<br />
● <strong>Haftung</strong> aber nur bei Rechtswidrigkeit (Pflichtverletzung), Verschulden<br />
(Fahrlässigkeit) <strong>und</strong> Schadensverursachung (Kausalität)<br />
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Vorspann:<br />
<strong>Haftung</strong> allein aus Unterschrift ist nicht möglich, denn:<br />
1. Leistung einer Unterschrift ist nicht rechtswidrig ≠ Pflichtverletzung<br />
2. Leistung einer Unterschrift ist nicht schuldhaft ≠ Fahrlässigkeit<br />
3. Niemand wird durch eine Unterschrift geschädigt/verletzt ≠ Kausalität<br />
4. Unterschrift wird für den Hersteller geleistet<br />
● zB EG-Maschinenrichtlinie 2006/42 Anhang II 1. A. Nr. 10 zur EG-Konformitätserklärung:<br />
„Angaben zur Person, die zur Ausstellung dieser Erklärung im Namen des Herstellers<br />
oder seines Bevollmächtigten bevollmächtigt ist, sowie Unterschrift dieser Person“<br />
● Anhang II 1. A. Nr. 2 EG-Maschinenrichtlinie: „Name <strong>und</strong> Anschrift der Person, die<br />
bevollmächtigt ist, die technischen Unterlagen zusammenzustellen“<br />
das ist ein „Dokumentationszusammenstellungsbevollmächtigter“<br />
– nur dafür (also für das „Zusammenstellen“) ist er verantwortlich<br />
Zwar: Wer unterzeichnet, ist zunächst „im Visier“, denn man vermutet, dass<br />
der Unterzeichner eine „herausgehobene Stellung im Unternehmen“ hat<br />
Aber: Verantwortliche Stellung + <strong>Haftung</strong> ist nur möglich bei Verursachung<br />
eines (materiellen) Produktfehlers, zB Einfluss auf die Konstruktion<br />
des Produkts, nicht aber (nur) aus formellen Gesichtspunkten<br />
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Beispiele: Der „Sitzredakteur“ <strong>und</strong> die nicht selbst geschriebene<br />
Statik beim Einsturz der Eissporthalle Bad Reichenhall<br />
Keine <strong>Haftung</strong> nur durch Unterschrift: „Die Benennung im Impressum ist<br />
lediglich ein Beweiszeichen für die Verantwortlichkeit“ so Ambs/Erbs/Kohlhaas, <strong>Straf</strong>recht<br />
„Demzufolge ist der bloße ‚Sitzredakteur‘, d. h. derjenige, der ohne Verfügungsmacht<br />
über den Inhalt nur seinen Namen für das Impressum hergibt,<br />
nicht nach … strafbar“ – strafbar ist nur, wer „tatsächlich verantwortlich<br />
ist, nicht der nur formal Benannte“ OLG Stuttgart Urteil September 1980<br />
<strong>Haftung</strong> auch ohne Unterschrift bei Pflichtverletzung: zB der Konstrukteur<br />
<strong>und</strong> Bauleiter nach Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall obwohl<br />
die Statik für ihn „handschriftlich“ <strong>von</strong> einer Person geschrieben wurde,<br />
„an dessen Namen er sich aber jetzt nicht mehr erinnere“ LG Traunstein Urteil 2008<br />
Fazit: Verantwortlichkeit bestimmt sich nach<br />
● Einfluss<br />
– jeder Mitarbeiter für seine (technische) Tätigkeit<br />
– Führungskräfte für die Organisation <strong>und</strong> Koordination<br />
● Aufgaben <strong>und</strong> Befugnisse der jeweiligen „Stelle“<br />
– vom „einfachen“ Arbeitnehmer bis zum Geschäftsführer<br />
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Schadensersatzhaftung des Arbeitnehmers<br />
Zusammenfassung<br />
Betriebliche Sphäre (Beteiligte nur innerhalb des Betriebs)<br />
● für Personenschäden bei Arbeitsunfällen<br />
<strong>Haftung</strong> ggü Arbeitgeber <strong>und</strong> Kollegen beschränkt §§ 104, 105 SGB VII:<br />
unmittelbare <strong>Haftung</strong> (nur) bei Vorsatz<br />
<strong>Haftung</strong> ggü Sozialversicherungsträgern beschränkt § 110 SGB VII:<br />
„Rückgriff“ (nur) bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit<br />
● für Sachschaden (Beschädigung <strong>und</strong> Zerstörung einer Sache) <strong>und</strong><br />
● für Vermögensschäden (= geldwerter Nachteil)<br />
<strong>Haftung</strong> ggü Arbeitgeber beschränkt: § 280 BGB iVm BAG-Gr<strong>und</strong>sätzen<br />
zum „innerbetrieblichem Schadensausgleich“ bei betrieblicher Veranlassung<br />
<strong>Haftung</strong> ggü Kollegen unbeschränkt nach §§ 823 ff. BGB<br />
Außerbetriebliche Sphäre<br />
● für alle Schäden<br />
aber:<br />
Freistellungsanspruch ggü<br />
Arbeitgeber gemäß innerbetrieblichem<br />
Schadensausgleich<br />
<strong>Haftung</strong> ggü Dritten unbeschränkt nach §§ 823 ff. BGB<br />
► gilt auch bei zivilrechtlicher persönlicher Produkthaftung gegenüber Dritten<br />
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Die drei Fragen bei der zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung<br />
<strong>von</strong> Unternehmensmitarbeitern gegenüber Externen<br />
1. Wann <strong>und</strong> wie können Unternehmensmitarbeiter überhaupt <strong>von</strong> Externen<br />
in Anspruch genommen werden?<br />
2. Wann können Unternehmensmitarbeiter bei Mitverursachung<br />
<strong>von</strong> Produktfehlern in Anspruch genommen werden?<br />
3. Wie ist die <strong>Haftung</strong> <strong>von</strong> Unternehmensmitarbeitern beschränkt,<br />
wenn sie in Anspruch genommen werden?<br />
innerbetrieblicher Schadensausgleich<br />
● „Zusammenfassend dürfte einem Mitarbeiter letztlich nur in äußerst seltenen Fällen<br />
ernsthaft Gefahr drohen, für Schäden, die er im Rahmen seiner Berufstätigkeit bei<br />
Dritten verursacht hat, aus eigener Tasche aufkommen zu müssen“ Richter a.D. Peter<br />
Anhalt, Die <strong>Haftung</strong> für fehlerhafte Produkte sowie für hierdurch verursachte (Folge-)Schäden, 2003, 66.4.3, S. 220<br />
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Rechtsfolgen <strong>von</strong> Schäden bei Dritten<br />
durch unmittelbare Handlung des Unternehmensmitarbeiters<br />
1. Frage<br />
§ 823 Schadensersatzpflicht<br />
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Ges<strong>und</strong>heit, die Freiheit,<br />
das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem<br />
anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.<br />
● Außenverhältnis zu Verletztem: keine Änderung durch Arbeitnehmerstatus<br />
● auch bei Insolvenz des Arbeitgebers BGH Urteil 21.12.1993<br />
anders zB Frankreich: Cour de Cassation im Jahr 2000 – Hubschrauberpilot in der<br />
Camarque <strong>und</strong> Insektenvernichtungsmittel auf Gemüsefeldern<br />
vgl. Gert Brüggemeier, <strong>Haftung</strong>srecht: Struktur, Prinzipien, Schutzbereich, 2006, § 3 B.I., S. 156<br />
● Innenverhältnis zu Arbeitgeber: Freistellung nach den zwingenden<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen des „innerbetrieblichen Schadensausgleichs“ (siehe Frage 3)<br />
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2. Frage<br />
Wann sind Mitarbeiter verantwortlich für<br />
Schäden bei Dritten durch die Unternehmensprodukte<br />
1<br />
§ 823 Schadensersatzpflicht<br />
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Ges<strong>und</strong>heit, die Freiheit,<br />
das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem<br />
anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.<br />
● „Wer“ ist primär das Unternehmen = Inverkehrbringer<br />
● auch Unternehmensmitarbeiter, „die eine herausgehobene <strong>und</strong> verantwortliche<br />
Stellung innehaben“ BGH-Urteil Juli 1975 – „Spannhülsenriss“ – „Geschäftsleiter Produktion“<br />
„Von untergeordneten Mitarbeitern eines Betriebs oder einer Verwaltungsstelle<br />
kann nämlich im allgemeinen nicht verlangt werden, dass sie über den Stand<br />
oder die Ergebnisse der für ihre Tätigkeit einschlägigen wissenschaftlichen<br />
Diskussion oder bestimmter schwieriger technischer Zusammenhänge informiert<br />
sind, sondern nur <strong>von</strong> Arbeitnehmern, die in diesem Bereich Leitungsfunktion<br />
haben“ BGH, Urteil aus April 1987 – Drehpilz auf Spielplatz – Gärtnermeister<br />
keine <strong>Haftung</strong> weil die „Anstellungsbehörde ihn als Gärtnermeister ohne<br />
detaillierte Anweisung ließ“ – „Die Dienstanweisung hätte deshalb dem<br />
Beklagten erläutern müssen, worauf er besonders zu achten hatte“<br />
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2. Frage<br />
Personen, Sach- <strong>und</strong> Vermögensschäden<br />
bei Dritten durch die Unternehmensprodukte<br />
2<br />
Führungskräfte „tragen jedoch im allgemeinen nur Verantwortung im<br />
Konstruktions- <strong>und</strong> Fabrikationsbereich, haben jedoch nur in besonders<br />
gelagerten Ausnahmefällen die Aufgabe, auch für die Erfüllung der<br />
Instruktionspflichten des Herstellers, insbesondere für den Aufdruck <strong>von</strong><br />
Warnhinweisen auf Verpackungen, zu sorgen“<br />
BGH, Urteil aus Oktober 1986 – Verzinkungsspray<br />
– Laboratoriumsleiter: „verantwortlich“ für die Herstellung des Verzinkungssprays<br />
Fazit / Zusammenfassung:<br />
1. Möglichkeit persönlicher <strong>Haftung</strong> für fehlerhafte Konstruktion + Fabrikation<br />
des Leitungspersonals<br />
2. Möglichkeit persönlicher <strong>Haftung</strong> für fehlerhafte Konstruktion + Fabrikation<br />
<strong>von</strong> weiteren Unternehmensmitarbeitern,<br />
wenn <strong>von</strong> ihnen „Besonderes“ erwartet werden kann [siehe BGH „Drehpilz“]<br />
3. Gr<strong>und</strong>sätzlich keine persönliche Verantwortung für Instruktion – Vorsicht:<br />
Was ist ein „besonderer Ausnahmefall“? [siehe BGH „Verzinkungsspray“]<br />
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3. Frage<br />
Wie ist die <strong>Haftung</strong> des Arbeitnehmers beschränkt?<br />
innerbetrieblicher Schadensausgleich<br />
= Beschränkung der <strong>Haftung</strong> durch Freistellungs- bzw. Zahlungsanspruch<br />
des Arbeitnehmers gegen Arbeitgeber nach folgenden Gr<strong>und</strong>sätzen:<br />
1. bei betrieblicher (Veranlassung der) Tätigkeit <strong>und</strong><br />
2. abhängig <strong>von</strong> Schwere des Verschuldens:<br />
● keine <strong>Haftung</strong> bei leichtester = geringer Fahrlässigkeit<br />
= Fälle des „vermeidbaren Abirrens der Arbeitsleistung“,<br />
insbesondere einfaches „Sich-Versprechen“, „Sich-Vergreifen“ oder „Sich-Vertun“<br />
● Schadensteilung bei mittlerer = normaler Fahrlässigkeit (§ 276 BGB)<br />
= „Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ („das kann vorkommen“)<br />
● in der Regel voll <strong>Haftung</strong> bei grober Fahrlässigkeit = schwerer Schuld<br />
= krasse Pflichtwidrigkeit („Das darf wirklich nicht vorkommen“ / „Wie konnte er nur“?)<br />
● selbst bei „gröbster Fahrlässigkeit“ Ausnahmen <strong>von</strong> voller <strong>Haftung</strong> möglich<br />
● volle <strong>Haftung</strong> bei Vorsatz<br />
3. Arbeitgeber hat Verschulden zu beweisen (§ 619a BGB)<br />
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Wie wird konkret die <strong>Haftung</strong> des Arbeitnehmers beschränkt?<br />
Abwägung der Gesamtumstände<br />
● „Abwägung der Gesamtumstände“,<br />
● „die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen<br />
nicht abschließend bezeichnet werden können“ BAG 23.1.1997<br />
● zwar keine starre summenmäßige Begrenzung<br />
● aber auch Berücksichtigung der finanziellen Situation<br />
● höchste mir bekannte Begrenzung nach Gehalt:<br />
LAG Niedersachsen, Urteil vom 7.7.2003 – 5 Sa 188/02 – Kreditprokurist <strong>und</strong> Filialleiter<br />
2 Jahresgehälter = DM 100.000,-<br />
● höchste mir bekannte <strong>Haftung</strong>ssumme:<br />
● volle <strong>Haftung</strong> bei „besonders grober (gröbster) Fahrlässigkeit“ BAG Urteil 1997<br />
BAG Urteil 1997 – knapp über DM 110.000,-<br />
Narkoseärztin hatte, „ohne daß eine besondere Streßsituation vorlag,<br />
gleich mehrere Sicherheitsmaßnahmen mißachtet“<br />
Fazit:<br />
- das alles ist SEHR ungenau, aber auch SEHR gerecht !<br />
- der Gesetzgeber muss hier dem Ziel der Einzelfallgerechtigkeit<br />
Vorrang geben gegenüber dem Prinzip Rechtssicherheit<br />
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Der alkoholisierte Flughafenmitarbeiter<br />
BAG 23.1.1997 – 8 AZR 893/95 = NZA 1998, 140<br />
Sachverhalt: Ein DM 3.500,- verdienender Mitarbeiter der Wartungsabteilung<br />
des Flughafen München fuhr ein 30 t schweres Enteiserfahrzeug <strong>und</strong> schlief<br />
auf der Fahrt kurz ein. Der Schaden betrug DM 150.000,-. Der Arbeitnehmer<br />
hatte 1,41 Promille. Was muss er ersetzen?<br />
ArbG München: DM 120.000,-<br />
LAG München: DM 20.000,-<br />
BAG: Bestätigung des LAG<br />
Warum nur so wenig?<br />
„entscheidend darauf ankommen kann, daß der Verdienst des Arbeitnehmers<br />
in einem deutlichen Mißverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht“<br />
„Ein Arbeitgeber, der einfache Arbeitnehmer mit der Bedienung teuerster<br />
Maschinen beauftragt, muß sich dieses <strong>von</strong> ihm veranlaßte Risiko im Rahmen<br />
einer gerechten Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis zurechnen lassen“<br />
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<strong>Straf</strong>rechtliche Produkthaftung – „Nebenstrafrecht“<br />
● Im Nebenstrafrecht abstrakte Gefährdungsdelikte im Vorfeld einer Verletzung<br />
● zB § 40 ProdSG:<br />
„Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft,<br />
wer eine in … bezeichnete vorsätzliche Handlung beharrlich wiederholt<br />
oder durch eine solche vorsätzliche Handlung Leben oder Ges<strong>und</strong>heit<br />
eines anderen oder fremde Sachen <strong>von</strong> bedeutendem Wert gefährdet“´.<br />
● „Wer“ = Wirtschaftsakteur = Unternehmen<br />
● aber keine <strong>Straf</strong>e möglich gegen Unternehmen – auch keine Geldstrafe<br />
● „Verlagerung“ der Sanktion durch § 14 StGB (bzw. § 9 OWiG) auf<br />
Geschäftsführer <strong>und</strong> Unternehmensmitarbeiter bei<br />
1. Betriebs(teil)leiterfunktion <strong>und</strong><br />
2. ausdrückliche Beauftragung mit eigenständig wahrzunehmenden Aufgaben<br />
● „Verantwortungsverschiebung nach unten“ Petra Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2011, § 6 Rn. 77<br />
● Bedeutung fast bei Null<br />
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<strong>Straf</strong>rechtliche Produkthaftung – „Kernstrafecht“<br />
● Im Kernstrafrecht keine eigenständige Regelung für Produkthaftung<br />
● Lösung mit den allgemeinen Vorschriften zum Schutz <strong>von</strong> Leib <strong>und</strong> Leben<br />
● Fahrlässige Körperverletzung <strong>und</strong> fahrlässige Tötung (§ 222 <strong>und</strong> § 230 StGB)<br />
● keine verschuldensunabhängige <strong>Haftung</strong> wie beim ProdHaftG<br />
● keine Beweislastumkehr wie bei § 823 BGB<br />
● keine Besonderheiten, wenn „Pflichtverletzer“ = Unternehmensinhaber – zB:<br />
OLG Stuttgart, Urteil v. 16.8.1994 – 3 Ss 316/94 = wistra 1995, 112 – Inhaber eines Eiscafés, der für sein<br />
Eis rohe, mit Salmonellen verseuchte Eier verwendet hatte: Verwarnung mit <strong>Straf</strong>vorbehalt wegen fahrlässige<br />
Körperverletzung in 86 Fällen 100 Tagessätze zu je DM 70,- vom Amtsgericht, dann OLG je 5<br />
Tagessätze für die 86 Fälle ohne <strong>Straf</strong>vorbehalt, vgl. §§ 53 <strong>und</strong> 54 StGB<br />
● Wer ist verantwortlich, wenn „Pflichtverletzer“ = Unternehmensmitarbeiter?<br />
● ähnlich zivilrechtlichen Produkt-Verkehrspflichten: „herausgehobene Position“<br />
● Garantenstellung hängt „letztlich <strong>von</strong> den Umständen des konkreten Einzelfalles<br />
ab; dabei bedarf es einer Abwägung der Interessenlage <strong>und</strong> des<br />
Verantwortungsbereichs“ BGH im Fall des Einsturzes der Eisporthalle in Bad Reichenhall<br />
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<strong>Straf</strong>rechtliche Produkthaftung<br />
Beispielsfälle für Inverkehrbringen fehlerhafter Produkte:<br />
● Monza Steel LG München 1978: 1 Jahr auf Bewährung<br />
● Plastik-Saugflasche zum Dauernuckeln OLG Frankfurt 2003:<br />
Freispruch für 3 Führungskräfte <strong>und</strong> Verurteilung <strong>von</strong> 2 Geschäftsführern<br />
[BGH, Urteil aus Dezember 2000 nur zu Verjährungsfragen]<br />
● Eschede LG Lüneburg 2003: Einstellung des Verfahrens nach 52 Verhandlungstagen<br />
[● Bad Reichenhall LG Traunstein 2008: 1,5 Jahre auf Bewährung]<br />
Beispielsfälle für Nichtrückruf unsicherer Produkte:<br />
● Bienenstich BGH 1988<br />
● Lederspray BGH 1990<br />
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Monza Steel<br />
LG München II, Urteil v. 21.4.1978 – IV Kls 58 Js 5534/76<br />
Sachverhalt: Bei Reifen lösen sich aufgr<strong>und</strong> eines Konstruktionsfehlers nach<br />
längerer Fahrt mit hoher Geschwindigkeit die Laufflächen (Karkassen)<br />
ab. Folge waren zahlreiche Unfälle mit Toten <strong>und</strong> Verletzten.<br />
Anklage gegen 4 Personen, zwei werden prozessunfähig, einer verstirbt,<br />
übrig bleibt Leiter der Abteilung „Reifentechnische Entwicklung“<br />
(nicht „Konstrukteur“, wie DER SPIEGEL sagt)<br />
Pflichtverletzung: Freigabe <strong>von</strong> unsicheren Reifen<br />
[den drei Vorstandsmitgliedern wurde Produktbeobachtungsfehler vorgeworfen]<br />
Fahrlässigkeit: nicht Orientierung an Durchschnittsanforderungen, sondern<br />
am „Optimum, was in der konkreten Lebenssituation geleistet werden kann“<br />
„An diesem Maßstab gemessen musste vom Angeklagten verlangt werden,<br />
dass er die <strong>von</strong> dem Reifen ausgehenden Gefahren erkannte <strong>und</strong> deren<br />
Freigabe für die Produktion vermied. Der Angeklagte war aufgr<strong>und</strong> seiner<br />
Fähigkeiten als Reifenfachmann dazu in der Lage“.<br />
Urteil: Freiheitsstrafe 1 Jahr auf Bewährung<br />
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Sachverhalt: Angeklagt u.a.<br />
Eschede<br />
● Abteilungsleiter „Konstruktion <strong>und</strong> Berechnung“<br />
● ein „Konstruktionsingenieur“<br />
Vorwurf: sie hätten Bruchgefahr erkennen müssen<br />
Ergebnis: Einstellung gegen Zahlung <strong>von</strong> € 10.000,-<br />
„Die bisherigen Ausführungen aller Sachverständigen haben eindrucksvoll gezeigt,<br />
dass die Bewertung der ausreichenden Sicherheit des Radreifens keinen einfachen<br />
Lösungen zugänglich ist. Je nach Ansatz sind eine Vielzahl <strong>von</strong> Einflussgrößen zu<br />
berücksichtigen, die oftmals in komplizierten Wechselwirkungen zueinander stehen“<br />
Kernfrage Verschulden:<br />
Entscheidung zur individuellen Zurechnung einer Pflichtverletzung kann „allein auf der<br />
Basis <strong>von</strong> Fakten, nicht <strong>von</strong> Emotionen getroffen werden, so verständlich diese auch<br />
sein mögen. Dies bedingt hier im besonderen Maße eine Beschäftigung mit technischen<br />
Fragestellungen“<br />
Erklärung des Vorsitzenden der 1. <strong>Straf</strong>kammer des LG Lüneburg am 52. Verhandlungstag zur Anregung der Einstellung<br />
des Verfahrens nach dem Unfall des ICE bei Eschede – vgl. Pressemitteilung des OLG Celle v. 28. April 2003<br />
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Absicherung<br />
1. Arbeitnehmer sein sichert<br />
1. bei Personenschäden nach Arbeitsunfällen iSd SGB VII gegen die <strong>Haftung</strong><br />
- ggü Geschädigtem für jede Art der Fahrlässigkeit = <strong>Haftung</strong> nur bei Vorsatz<br />
- ggü BG für normale Fahrlässigkeit = <strong>Haftung</strong> nur bei grober Fahrlässigkeit<br />
2. bei Sach- <strong>und</strong> Vermögenschäden des Arbeitgebers nach den Gr<strong>und</strong>sätzen<br />
über den innerbetrieblichen Schadensausgleich gegen die <strong>Haftung</strong><br />
- für geringe Fahrlässigkeit vollständig<br />
- für normale Fahrlässigkeit nach umfassender Abwägung <strong>und</strong> selbst<br />
- für grobe <strong>und</strong> gröbste Fahrlässigkeit nach Billigkeitskriterien<br />
3. bei Sach- <strong>und</strong> Vermögensschäden der Kollegen durch einen Freistellungsanspruch<br />
gegen den Arbeitgeber nach den Gr<strong>und</strong>sätzen des innerbetrieblichen<br />
Schadensausgleichs (siehe Nr. 2)<br />
4. bei Personen-, Sach- <strong>und</strong> Vermögensschäden <strong>von</strong> Dritten/Betriebsfremden<br />
durch einen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber nach den<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs (siehe Nr. 2)<br />
5. durch Mitversicherung in der (Betriebs-)Haftpflichtversicherung (§ 102 VVG)<br />
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Absicherung<br />
2. Vertragliche Regelungen möglich<br />
zur Abänderung der Gr<strong>und</strong>sätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs<br />
- nicht zuungunsten des Arbeitnehmers (zwingendes Gewohnheitsrecht!)<br />
- zugunsten des Arbeitnehmers:<br />
Gr<strong>und</strong>sätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs also nicht<br />
verschlechterbar, aber verbesserbar durch weitergehende Freistellung<br />
zB<br />
- immer vollständige Freistellung bei normaler Fahrlässigkeit<br />
(nicht nur <strong>Haftung</strong>sbeschränkung auf „Anteil“)<br />
- begrenzt auf eine bestimmte Summe (zB kalkuliert nach Monatsgehältern)<br />
im Falle grober Fahrlässigkeit<br />
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Absicherung<br />
3. Versicherung schützt<br />
1. Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII)<br />
- Pflichtversicherung für Arbeitsunfälle<br />
- immer geltender Schutz für Arbeitnehmer<br />
- aber Rückgriffsmöglichkeit bei grober Fahrlässigkeit § 110 SGB VII<br />
2. Haftpflichtversicherung<br />
- freiwillige Versicherung<br />
- § 102 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Mitversicherung aller<br />
„Personen, die in einem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen stehen“<br />
- in den Verträgen häufig erstreckt auf „alle Betriebsangehörigen“<br />
- „Ansprüche aus § 110 SGB VII sind mitversichert“: also Rückversicherung<br />
aller Rückgriffs“angriffe“ der Sozialversicherungsträger nach § 110 SGB VII<br />
- AHB Nr. 7.1 – Ausschlussklausel: Versicherungsansprüche sind nur für Personen<br />
ausgeschlossen, „die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben“<br />
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !<br />
Autor zum Produktsicherheitsrecht:<br />
Autor zum Arbeitsschutzrecht:<br />
Beuth-Verlag<br />
monatlich eine Fallbesprechung<br />
in „Zeitschrift für betriebliche Prävention<br />
<strong>und</strong> Unfallversicherung“<br />
(BPUVZ) <strong>und</strong> „sicher ist sicher“ (sis)<br />
Erich Schmidt-Verlag<br />
© Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, München (thomas.wilrich@web.de) 23