Ausgabe 7 - Luke & Trooke
Ausgabe 7 - Luke & Trooke
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CASHNG-<br />
Dasr<br />
bestechlic he Culture- Screen! nq<br />
COUCH<br />
i<br />
Amok-<br />
Almanach<br />
Ein neues Ratgeberbuch ist erschienen. Noch<br />
eines", werden jetzt vielleicht einige denken und,<br />
ob es dessen denn wirklich bedurft hätte. In der<br />
Tat lagert ja ein schierer Wust von advisitorischen<br />
Publikationen zu unterschiedlichsten<br />
Problematiken in den Buchhändlerregalen und<br />
verstaubt nicht selten dort. Alle geben sie vor,<br />
Auswege aus Lebenskrisen zu weisen und<br />
Aufschluß über Naturheilkunde, Psychostress<br />
ý-<br />
e[c. zu sehen. Die Erfahrung lehrt, daß dieser<br />
Anspruch oft nicht eingelöst wird.<br />
Eine abwartende<br />
Skepsis gegenüber jeder neuen Veröffent-<br />
lichung, die sich<br />
der vorgeblich wohlmeinenden,<br />
in Wahrheit genau wie alle anderen Bücher auf<br />
Umsatz abzielenden Ratgeberflut beigesellt,<br />
erscheint somit nur allzu angebracht, zumal,<br />
da<br />
es sich<br />
bei<br />
vielen großspurig annoncierten<br />
Werken um hastig zusammengehauene Breviers<br />
handelt, die nicht mehr als eine Auflistung der<br />
gängigsten Allgemeinplätze zum Thema bergen.<br />
Im vorliegenden Fall dagegen ist jede Form so<br />
gelagerter Skepsis deplaciert: Beinah zwei Jahre<br />
lang hat der früher bei Kreudenreuther<br />
als<br />
Lektor tätige, jetzt ganz mit der Kuratierung<br />
von<br />
Anthologien und<br />
der freien Schriftstellerei<br />
befaßte Hans-Ulf Blenger recherchiert, bevor<br />
genügend Material für<br />
Augen<br />
auf beim<br />
Amoklauf" versammelt war, und das Buch im<br />
praktischen Pocketformat erscheinen<br />
konnte<br />
(Edition Volkmarstein, 280 S., 38,50 DM). Im<br />
Resultat liefert<br />
es buchstäblich alles Wissens-<br />
werte zu Themenkreisen wie<br />
Verschiedene<br />
Techniken des Amoklauf<br />
- welche kommt für<br />
mich in Frage",<br />
Die<br />
große Herausforderung:<br />
Vollkommen durchdrehen und trotzdem<br />
kühlen<br />
Kopf bewahren"<br />
und, nicht zu vernachlässigen,<br />
PR-Management<br />
und richtiger Umgang mit<br />
den Medien", ohne daß der an handfesten<br />
Hintergrundinformationen und ebensolchen<br />
Tips interessierte Leser mit endlosen<br />
histori-<br />
42 <strong>Luke</strong> 9 <strong>Trooke</strong> 1/91<br />
schen oder ethisch-moralischen Betrachtungen<br />
ermüdet würde. Dabei läßt Blenger nichts aus:<br />
Vom Amoklauf, täglichen<br />
wie ihn jede berufstätige<br />
Frau kennt, die zwei Kinder im Flegelalter<br />
zu versorgen und nebenbei einen<br />
Haushalt<br />
zu<br />
führen hat, bis hin<br />
zum politisch motivierten<br />
Himmelfahrtskommando mit mehreren hundert<br />
Toten reicht das abgedeckte Spektrum.<br />
Nur zu verständlich, daß dabei das ein oder<br />
andere Erwähnung findet, was von vornherein<br />
für selbstverständlich gelten kann; es schadet<br />
aber auch nicht, beispielsweise noch mal schwarz<br />
auf weiß zu lesen, daß beim Amoklauf mit der<br />
Schußwaffe unbedingt darauf zu achten ist,<br />
nicht auch die letzte Kugel sinnlos zu verballern,<br />
will man nicht eine unerquickliche Restexistenz<br />
hinter Gittern fristen -<br />
Dutzende frustrierter<br />
Gefängnisinsassen, die in ihrer aktiven Phase<br />
noch keinen Zugriff auf Augen auf beim<br />
Amoklauf` hatten, können ein Lied davon singen.<br />
Um es also kurz zu machen: Jedem, der<br />
schon einmal den Gedanken daran gehegt hat,<br />
seinem verpfuschten Leben mit Hilfe eines stilvollen<br />
Abgangs doch noch jenen gewissen<br />
Glamour zu verleihen, oder der sich einfach nur<br />
über das bisher weitgehend unterbeleuchtete,<br />
nichtsdestoweniger hochspannende Bestätigungsfeld<br />
Amoklauf informieren will, sei<br />
Blengers überaus informativer Leitfaden wärmstens<br />
zum Kauf anempfohlen. Das handliche<br />
Format, die übersichtliche Gliederung, sowie ein<br />
seitliches Griffregister machen es zudem zu<br />
einem praktischen Begleiter auch in Extremsituationen.<br />
Holm Friebe<br />
Paradieschen<br />
Spätestens seit seinem vielbeachteten Erstling<br />
Das zweigleisige Schwert" genießt der junge<br />
nordhessische Comic-Künstler Armin Gips in<br />
Kennerkreisen Kultstatus und gilt nicht von<br />
ungefähr als eine der herausragendsten Neuentdeckungen<br />
auf<br />
dem Gebiet des anspruchsvollen<br />
Erwachsenencomic.<br />
Mit legt Paradieschen" er nun ein Werk vor,<br />
dessen graphische wie literarische Qualität weit<br />
über den Durchschnitt des Genres hinausweist.<br />
Sein Protagonist, der introvertierte Park-<br />
wächter Knuth Schmalwieder findet eines<br />
Abends in seiner einsamen Wohnung ein mysteriöses<br />
zerfleddertes Buch mit dem Titel<br />
So<br />
werde ich Autodidakt", was sein tristes Leben<br />
grundlegend verändert.<br />
Fasziniert von der Lektüre beginnt er voller<br />
Enthusiasmus, im Schuppen hinter dem Haus<br />
eine Werkstatt einzurichten, um sich einen lang<br />
gehegten Traum zu erfüllen und kleine<br />
Holzmännchen mit roten Nasen zu schnitzen.<br />
Mit einfühlsamen, in zarten Pastelltönen<br />
gehaltenen Bildern zeigt Gips, wie der scheue<br />
Mann nach und nach ein inniges, fast liebevolles<br />
Verhältnis zu seinem Werkzeug aufbaut, insbe-<br />
sondere zu seinem rosa Taschenmesser, das er<br />
zärtlich Mehr--weckschweinchen" Mein nennt.<br />
Durch<br />
geschickt kombinierte<br />
narrative und<br />
visuelle Erzähltechniken gelingt es dem Autor,<br />
die Ambivalenz von Traum und Wirklichkeit<br />
aufrecht zu erhalten, als die Gegenstände plötzlich<br />
ebenfalls anfangen, mit Knuth zu sprechen,<br />
und ihn in seiner Persönlichkeit und seinem<br />
kreativen Schaffen unterstützen. Der Leser spürt<br />
förmlich die daraus entstehende Atmosphäre<br />
von<br />
Überschwang<br />
und euphorischer<br />
Produktivität.