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Berliner Zustände 2012 - Mbr

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Diskriminierungen auf Grund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität<br />

„Frau rutscht aus, Männer treten zu.“<br />

Was ist passiert?<br />

von Leo Yannick Wild, StandUp<br />

Motiviert durch den Start des Allgemeinen<br />

Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr<br />

2006 hat das Land Berlin mit der Landesstelle<br />

für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung<br />

eine dringend benötigte Beratungsstruktur für<br />

Diskriminierungen auf Grund der sexuellen<br />

und geschlechtlichen Identität geschaffen und<br />

damit Pionierarbeit geleistet. Schwule, lesbische,<br />

bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche<br />

Menschen, die in Berlin wohnen, erhalten seit<br />

2008 Beratung und Unterstützung.<br />

v<br />

Eine Frau, ca. 60 Jahre alt, rutscht im<br />

Winter bei Glätte aus, zwei Männer eilen<br />

zu Hilfe, wollen ihr aufhelfen. Sie schauen<br />

sie an, treten zu, und laufen weg.<br />

Das ist einer der Fälle aus der Antidiskriminierungsberatung<br />

der Schwulenberatung Berlin, die seit<br />

2008 im Projekt StandUp Beratung und Unterstützung<br />

im Diskriminierungsfall bietet. Zielgruppen<br />

sind schwule und bisexuelle Männer, transgeschlechtliche<br />

Menschen sowie Männer, die Sex mit<br />

Männern haben (MSM), sich aber nicht als schwul<br />

oder bisexuell identifizieren.<br />

Die oben genannte Passantin wurde körperlich<br />

misshandelt, weil die herbeieilenden Männer sie<br />

als transgeschlechtlich „befanden“ und transphobe<br />

Gewalt anwendeten. Sie stellte Strafanzeige gegen<br />

Unbekannt und machte eine Gewalterfahrung, von<br />

der besonders transgeschlechtliche Menschen betroffen<br />

sind – weltweit – auch in Deutschland und<br />

Berlin. Zahlen, die jährlich vom europäischen Dachverband<br />

„Transgender Europe“ (TGEU) und seinem<br />

Projekt „Transrespect vs. Transphobia“ erhoben<br />

werden, sprechen eine genauso deutliche Sprache<br />

wie andere Erhebungen; allein in Berlin wurden in<br />

den vergangenen zwei Jahren über 150 Diskriminierungsfälle<br />

von transgeschlechtlichen Menschen<br />

in den Beratungsstellen der Schwulenberatung, des<br />

Sonntags-Clubs, der Lesbenberatung und des LSVD<br />

bearbeitet, die gemeinsam das <strong>Berliner</strong> Netzwerk<br />

Lesben, Schwule, Transgender für Gleichbehandlung<br />

– gegen Diskriminierung bilden. Die Fälle<br />

handeln von Menschen, die körperliche Gewalt<br />

wie im obigen Beispiel erfahren haben, regelmäßig<br />

Beschimpfungen und Bedrohungen im öffentlichen<br />

Raum ausgesetzt sind oder im Gesundheitswesen<br />

oft so abschätzig behandelt werden, dass sie auf<br />

die nötige medizinische Versorgung lieber verzichten.<br />

Solche und andere Gewalt trifft viele, die vermeintlichen<br />

Normen scheinbar nicht entsprechen,<br />

aufgrund ihres Geschlechtsausdrucks, ihrer Hautfarbe,<br />

ihrer sexuellen Identität, körperlichen Befähigungen,<br />

Religion oder politischer Weltanschauung<br />

und anderer Merkmale abgewertet werden.<br />

Mit größten Beschwerden kommt ein<br />

Mann in eine Zahnarztpraxis, eine Entzündung<br />

verlangt sofortige Behandlung;<br />

er füllt den Anmeldebogen aus, nimmt<br />

kurz darauf im Zahnarztstuhl Platz, der<br />

Arzt erscheint und weist ihm die Tür,<br />

man sei ein Ausbildungsbetrieb und seine<br />

Behandlung sei potentiell gefährdend –<br />

auf Grund seiner HIV-Infektion.<br />

HIV-positive Menschen erfahren die Infektion<br />

immer noch als Diskriminierungsgrund, selbst im<br />

zahnmedizinischen Notfall. Im Jahr <strong>2012</strong> wurden<br />

von StandUp 81 Diskriminierungsfälle beraten, begleitet<br />

und dokumentiert; darunter über ein halbes<br />

Dutzend auf Grund einer HIV-Infektion. Wie funktioniert<br />

die Beratung? Ein_e Klient_in wendet sich<br />

mit einem Fall an das Projekt, im Gespräch mit dem<br />

Berater klärt er_sie die jeweiligen Bedürfnisse, z.B.<br />

nach Rechtsinformation, Begleitung zur Polizei,<br />

konfliktvermittelnden Gesprächen, sich auszusprechen,<br />

Stellungnahmen von diskriminierenden Einrichtungen<br />

anzufragen, etwa von Arztpraxen, Hausverwaltungen,<br />

Arbeitgeber_innen, Behörden u.a.<br />

Die Beratung ist parteilich, kostenfrei und empowernd,<br />

es können sich ihr mehrere Folgekontakte anschließen.<br />

Das <strong>Berliner</strong> Netzwerk Lesben, Schwule,<br />

Transgender für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung<br />

beriet in insgesamt 146 Fällen. Davon<br />

wurden ca. 45 Fälle von den Berater_innen als<br />

unmittelbar relevant für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG) eingestuft. Die anderen<br />

Fälle betrafen Diskriminierungen, die nicht unter<br />

das AGG fallen, weil sie z.B. einen Straftatbestand<br />

BERLINER ZUSTÄNDE<br />

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