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Rasterstörung - Trennlinie und Nahtstelle - Christian Wild

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Theorie des Städtebaus<br />

<strong>Rasterstörung</strong> - <strong>Trennlinie</strong> <strong>und</strong> <strong>Nahtstelle</strong><br />

Madrid <strong>und</strong> New York im Vergleich


SS 2001<br />

Institut für Städtebau <strong>und</strong> Landschaftsplanung, TU Braunschweig<br />

Prof. Walter Ackers<br />

Betreuer:<br />

Johannes Schwarzkopf<br />

Henning Kahmann<br />

Bearbeiter:<br />

Oliver Heinen<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Wild</strong>


Theorie des Städtebaus<br />

<strong>Rasterstörung</strong> - <strong>Trennlinie</strong> <strong>und</strong> <strong>Nahtstelle</strong><br />

New York <strong>und</strong> Madrid im Vergleich<br />

1


1. Einleitung 4<br />

Teil A:<br />

Madrid<br />

A.2 Stadtgeschichtliche Entwicklung Madrids<br />

A.2.1 Frühgeschichte / Mittelalter 8<br />

A.2.2 Habsburgerzeit 11<br />

A.2.3 Bourbonenzeit 12<br />

A.2.4 Industrialisierung 13<br />

A.2.5 Entwicklungen des 20. Jhd. 15<br />

A.3. Madrid <strong>und</strong> Salamanca heute<br />

A.3.1 Die heutige Stadtsituation 19<br />

A.3.2 Das Projektgebiet 20<br />

A.4. Die typische Rasterstruktur 22<br />

A.5. Die Calle de Alcala 27<br />

A.6. Beschreibung <strong>und</strong> Analyse einzelner Kreuzungspunkte<br />

A.6.1 Plaza de Escuelas Aquirre 33<br />

A.6.2 Kreuzung Calle de Alcala mit Calle Antonio Acuna<br />

<strong>und</strong> Calle Jorge Juan 37<br />

A.6.3 Goya 41<br />

A.7. Bewertung der Störsituationen 49<br />

2


Teil B:<br />

New York<br />

B.2 Stadtgeschichtliche Entwicklung New Yorks<br />

B.2.1 Die holländische <strong>und</strong> die britische Siedlungsepoche 54<br />

B.2.2 Stadtbauepoche 57<br />

B.3. New York heute<br />

B.3.1 Heutige Stadtsituation 65<br />

B.3.2 Infrastruktur 66<br />

B.3.3 Das Projektgebiet 67<br />

B.4. Die typische Rasterstruktur<br />

B.4.1 Das Raster 69<br />

B.4.2 Ein ausgewählter Block im Raster 71<br />

B.5. Der Broadway 73<br />

B.6. Beschreibung <strong>und</strong> Analyse einzelner Kreuzungspunkte<br />

B.6.1 Madison Square 81<br />

B.6.2 Times Square 87<br />

B.6.3 Columbus Circle 93<br />

B.7. Bewertung der Störsituationen 97<br />

8. Fazit 98<br />

9. Bibliographie 100<br />

3


1. Einleitung<br />

Das Thema „<strong>Rasterstörung</strong>en - <strong>Trennlinie</strong> <strong>und</strong> <strong>Nahtstelle</strong>“, ursprünglich im Rahmen des<br />

Städtebauseminars „Inbetween“ begonnen, soll vergleichend die spezifischen Situationen <strong>und</strong><br />

Qualitäten von Kreuzungspunkten einer diagonalen Spur mit einem streng orthogonalen Raster<br />

in zwei unterschiedlichen Städten beschreiben. Diese selbstgewählten Orte sind New York <strong>und</strong><br />

Madrid, zwei Millionenstädte in denen wir für längere Zeit studierten <strong>und</strong> täglich die architektonischen<br />

<strong>und</strong> städtebaulichen Besonderheiten direkt erfahren konnten.<br />

Doch auch wenn wir unsere persönlichen Beobachtungen einbringen können, stellt sich die<br />

Frage, ob überhaupt Orte <strong>und</strong> Situationen existieren, die zur Vergleichbarkeit des Phänomens<br />

der Trennung <strong>und</strong> Verbindung taugen.<br />

New York war <strong>und</strong> ist das Tor zur „Neuen Welt“, mit dem Anspruch, die kulturelle <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Metropole der Vereinigten Staaten zu sein. Madrid hingegen steht für eine europäische<br />

Hauptstadt, auch wenn hier ein enormes kulturelles Wechselspiel mit den Staaten Südamerikas<br />

stattfindet. Abgesehen von der zufälligen gleichen geographischen Breite, bestehen zwischen<br />

New York <strong>und</strong> Madrid viele Ähnlichkeiten <strong>und</strong> Parallelen. So existieren in beiden Städten wichtige<br />

Einrichtungen in den Bereichen Politik <strong>und</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> ein vergleichbares Angebot an<br />

kulturellen Stätten <strong>und</strong> kosmopolitischem Leben, es gibt aber auch die Schattenseiten einer<br />

Millionenstadt wie Lärm- <strong>und</strong> Abgasbelastungen, überfüllte Straßen <strong>und</strong> Verkehrsmittel, teure<br />

Lebenshaltungskosten <strong>und</strong> eine hohe Kriminalitätsrate. Zusammengefaßt treten in New York<br />

<strong>und</strong> Madrid eben diese Phänomene auf, die sie als Metropolen auszeichnen.<br />

4


Die geschichtliche Entwicklung beider Städte hat, wie in den Einzelbearbeitungen eingehend<br />

beschrieben werden wird, recht unterschiedliche Wege genommen. Doch im 19. Jhd. erlebten<br />

beide Metropolen einen starken Bevölkerungsanstieg, wobei New York als Handelszentrum mit<br />

wichtigem Überseehafen schon zu Anfang des Jahrh<strong>und</strong>erts mit dem „Commissioners Plan“<br />

(1811) städtebaulich reagiert, wohingegen in Madrid erst ab 1859 mit den Planungen C. M. de<br />

Castros, der „Ensanche de Madrid“, auf die notwendige Stadtexpansion eingegangen wird. Die<br />

Ähnlichkeit beider Planungen lag jedoch in der Anlage eines orthogonalen Rasters aus Haupt<strong>und</strong><br />

Nebenstraßen <strong>und</strong> einer verdichteten Blockbebauung.<br />

In beiden Städten existierten dabei wichtige, historisch belegte Verkehrswege, die in die<br />

Rasterstruktur als diagonale Spuren eingefügt wurden: In New York der Broadway als ehemaliger<br />

Handelspfad zwischen New Amsterdam an der Südspitze Manhattens <strong>und</strong> dem Inland <strong>und</strong> in<br />

Madrid die Calle de Alcala als Verbindungsweg vom Zentrum zur alten Universitätsstadt Alcala<br />

de Henares.<br />

Auch wenn beide Straßen heute eine extrem unterschiedliche Wichtigkeit besitzen, einerseits<br />

die Calle de Alcala als großer Verkehrsraum, der nur Madrilenen bekannt sein dürfte <strong>und</strong> anderseits<br />

der weltberühmte Broadway in New York, dessen Name so viel mehr bedeutet als nur eine<br />

Straßenbezeichnung, so ist es doch gerade diese Unterschiedlichkeit bei ansonsten ähnlichen<br />

geometrischen <strong>und</strong> historischen Voraussetzungen, die einen Vergleich beider Situationen rechtfertigt<br />

<strong>und</strong> spannend machen sollte.<br />

5


7<br />

Teil A: Madrid


A.2. Stadtgeschichtliche Entwicklung Madrids<br />

Das islamische Madrid<br />

A.2.1 Frühgeschichte / Mittelalter<br />

Das Dorf Madrid wird unter der Maurenherrschaft im 9.Jhd. zur Garnison links des Rio Manzanares<br />

ausgebaut. In den folgenden Jahrzehnten wechseln in den maurisch-christlichen Auseinandersetzungen<br />

häufig die Besatzer. Der kastilische König Alfonso IV. erobert Madrid 1085<br />

endgültig von den Mauren zurück <strong>und</strong> läßt die erste Stadtmauer errichten. Heute erinnert nur<br />

das engere Straßennetz östlich vom Schloß an das mittelalterliche Madrid.<br />

8


Madrid im XV. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Ab 1350 erlangte die Stadt größere Wichtigkeit, weil sie ein strategischer Punkt auf dem<br />

Hauptweg zwischen Alt- <strong>und</strong> Neukastilien wurde. Die kastilischen Herrscher machten häufig auf<br />

ihren Reisen in Madrid Halt <strong>und</strong> prägten so die gegenseitigen Beziehungen zwischen Hof <strong>und</strong><br />

Stadt.<br />

1503 wurde mit dem Bau des Klosters Jeronimo el Real östlich der Altstadt begonnen, wohin<br />

sich die kastilischen Könige während Fasten- <strong>und</strong> Kriegszeiten flüchteten, weshalb der später<br />

an dieser Stelle angelegte Schloßpark „Buen Retiro“ (retiro = Zuflucht) genannt wurde, der<br />

heute noch für die Madrilenos die größte innerstädtische Grünfläche darstellt.<br />

9


Madrid zur Habsburgerzeit<br />

10


B.2.2 Habsburgerzeit<br />

Carlos I. (gleichzeitig deutscher Kaiser Karl V.) ließ Anfang des 16. Jhd. den bestehenden<br />

Alcazar in ein prächtiges Schloß umbauen, um von Madrid aus zeitweise regieren <strong>und</strong> vornehmlich<br />

jagen zu können. In dieser Zeit stiegen die Einwohnerzahlen durch den Zuzug von Teilen<br />

des Königshofes <strong>und</strong> ihrem Gefolge rapide an. Unter Philipe II., der seinen Hofstaat komplett<br />

von Toledo nach Madrid verlegte, was einen Zuzug aller Hofangestellten, Beamten <strong>und</strong> großen<br />

Teilen der Geistlichkeit zur Folge hatte, schwoll die Bewohnerzahl auf 100000 an.<br />

Jedoch erbrachte die neue Aufgabe der Stadt kein adäquates Erscheinungsbild. Madrid bot in<br />

keinster Weise das Bild einer Hauptstadt, die notwendige Stadterweiterung geschah ähnlich<br />

unstrukturiert wie schon im Mittelalter. Die Straßen waren eng <strong>und</strong> unbequem, die Vielzahl<br />

der Gebäude war nur ein- zweigeschoßig, was mit einer Verordnung Philipes zusammenhing<br />

die besagte, daß die Besitzer mehrgeschoßiger Häuser Hofangestellte aufzunehmen hätten. So<br />

baute man in der Folgezeit niedrig, aber äußerst verdichtet. Die entstehenden Adelspaläste<br />

waren im Gegensatz zu ihren Pendants anderer europäischer Staaten von bescheidenem Äußeren<br />

<strong>und</strong> unterschieden sich von den Bürgerhäusern nur in ihrer Größe <strong>und</strong> der Gestalt der Fassaden.<br />

Zur Regentschaft Philipes IV. nahmen Klöster <strong>und</strong> religiöse Gebäude mehr als ein Drittel<br />

der Stadtfläche ein. Die „Plaza Mayor“, 1617-1619 errichtet <strong>und</strong> für Stierkämpfe, Markt u. A.<br />

genutzt, stellt die einzige größere städtebauliche Neuerung dar.<br />

Die Bevölkerungszunahme ging bis über die von Philipe II. errichtete Stadtmauer hinaus, so<br />

daß 1625 eine neue Befestigungsanlage gebaut wurde, deren Verlauf noch heute an den Avenidas<br />

abzulesen ist.<br />

Auch östlich in Richtung Alcala de Henares wurde ein Stadttor errichtet was die Wichtigkeit<br />

dieser Verbindung anzeigt.<br />

11


A.2.3 Bourbonenzeit<br />

Um 1700, nach den Erbfolgekriegen, bestieg ein Bourbone den spanischen Thron. Mit den<br />

neuen Monarchen hielt auch eine barocke Weltanschauung <strong>und</strong> Ausprägung Einzug in das städtebaulich<br />

unterentwickelte Madrid. Viele historische Monumente <strong>und</strong> strukturelle Neuerungen<br />

sind Carlos III. zu verdanken, der versucht hat, den herrschaftlichen Anspruch der Hauptstadt<br />

im Sinne des Barocks zu repräsentieren. Dabei wurden keine innerstädtischen Bauvorhaben<br />

verfolgt, sondern nur Planungen an der Peripherie der Stadt. So wurden z.B. alle Zugänge zu<br />

den umliegenden Königsschlössern monumental aufgewertet <strong>und</strong> das südliche Gebiet zwischen<br />

der Stadtmauer <strong>und</strong> dem Rio Manzanares neu überplant. Hier wurden großangelegte Diagonalen,<br />

die sternenförmig auf R<strong>und</strong>plätze <strong>und</strong> Points de Vue zuliefen, realisiert. Diese fre<strong>und</strong>lich<br />

bepflanzten Promenaden fielen ein Jahrh<strong>und</strong>ert später jedoch entstehenden Industrieflächen<br />

zum Opfer.<br />

Zu den großen Leistungen Carlos III. gehören auch die Anlage des Paseo de Prado <strong>und</strong> die<br />

Errichtung der Puerta de Alcala, eines Triumphbogens zu Ehren seiner Thronbesteigung. Hier,<br />

am Beginn des Untersuchungsgebietes, war der Ort an dem der König erstmalig nach Madrid<br />

hineinzog.<br />

Bis ins 19. Jhd. hinein gab es, abgesehen von einigen punktuellen <strong>und</strong> infrastruktuellen Verbesserungen,<br />

keine größeren Neuerungen des Stadtbilds Madrids, der Innenstadtbereich wurde<br />

nach wie vor von den ärmlichen 1-3 geschossigen Häusern in einer mittelalterlich anmutenden<br />

Straßenstruktur geprägt.<br />

12


A.2.4 Industrialisierung<br />

Erst mit der beginnenden Industrialisierung <strong>und</strong> der einhergehenden Bevölkerungsexplosion<br />

wurden erstmals konkrete Versuche unternommen, das Stadtwachstum kontrolliert zu planen.<br />

Während der Herrschaft Isabellas II. änderte sich das Bild Madrids gr<strong>und</strong>legend. Die kleinen<br />

ärmlichen Gebäude wurden durch modernere, 4-5 geschossige Bürgerhäuser ersetzt, ein<br />

Großteil vieler religiöser Bauten wurde abgerissen <strong>und</strong> statt dessen Plätze, Wohnbauten <strong>und</strong><br />

eine Vielzahl von Markthallen errichtet. Dieses neue Bild einer Hauptstadt sollte sich auch in<br />

den notwendigen Stadterweiterungsplanungen fortsetzen.<br />

1860 wurde von Carlos Maria de Castro der Versuch unternommen, die Stadterweiterungen konzentrisch<br />

voranzutreiben. Er plante einen Schachbrettraster mit Blockrandbebauungen, der im<br />

Norden, Osten <strong>und</strong> Süden an die Stadtmauer von 1625 anschließen sollte. Nach Schleifung<br />

aller Stadtmauern wurde jedoch nur das heutige Salamanca verwirklicht, in östlicher Richtung<br />

oberhalb des Parque del Buen Retiro gelegen, genau dort, wo sich das Untersuchungsgebiet<br />

befindet.<br />

Auch wurden viele Charakteristika der Planungen Castros nicht oder nur in Ansätzen verwirklicht.<br />

So kam es beispielsweise nicht zur Anlage der großzügigen Grünflächen zwischen<br />

den einzelnen Erweiterungsgebieten. Außerdem kamen geplante öffentliche Gebäude (Theater,<br />

Schulen, Museen) <strong>und</strong> Rasterfreistellen für große Plätze <strong>und</strong> Grünanlagen aus privaten Profitinteressen<br />

zugunsten einer verdichteten Wohnbebauung nicht zur Ausführung.<br />

Als einzige diagonale Störung des Rasters verblieb die Calle de Alcala, nun aber aufgr<strong>und</strong> einer<br />

harmonischeren Einpassung in das Raster, leicht aus ihrer ursprünglichen Lage entlang des<br />

13


links: Stadterweiterungsplan, 1860<br />

rechts: Die Stadtentwicklungsachse Castellana, 1929<br />

Parque del Buen Retiro heraus gedreht, wodurch der<br />

heute immer noch bestehende Knick im Straßenverlauf<br />

zu erklären ist.<br />

Zur Komplettierung der verschiedenen Entwicklungsansätze<br />

soll hier noch kurz auf das Konzept von Arturo<br />

Soria y Mata eingegangen werden , der 1882 die<br />

international viel beachtete Idee der „Bandstadt“ einbrachte.<br />

Sein Plan beinhaltete eine Stadterweiterung<br />

in Form von parallelen Ebenen, die die unterschiedlichen<br />

Stadtfunktionen aufnehmen <strong>und</strong> so ein geschichtetes<br />

Band bilden, dessen Länge die Größe der Stadt<br />

definiert. Für Madrid hatte Soria y Mata eine 48 km<br />

lange Hufeisenstruktur um das Stadtzentrum herum<br />

geplant, wovon dann wirklich im Nordosten 5 km realisiert<br />

worden sind.<br />

A.2.5 Entwicklungen des 20. Jhd.<br />

Wollte Castro die Stadtentwicklung noch konzentrisch als Ringstruktur festlegen, so sollte doch<br />

ein in den 20er Jahren entstandenes Konzept das heutige Erscheinungsbild Madrids prägen.<br />

Dieses Konzept, das die Stadtplaner Sec<strong>und</strong>io Zuazo Ugalde <strong>und</strong> Herrman Jansen 1929 für<br />

Madrid vorlegten, zeichnet sich, anders als die radikaleren Utopien der spanischen GATCPAC-<br />

15


links: Entwicklungsplan Großraum Madrid, 30er Jahre<br />

Gruppe, durch einen Sinn für das Machbare aus. Die Planungen schlossen an die gleichzeitigen<br />

europäischen Städtebauströmungen an <strong>und</strong> nutzten die dort entwickelten Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Kenntnisse.<br />

Der Vorschlag überzeugt durch seine Klarheit <strong>und</strong> die Evidenz der Technik als Gr<strong>und</strong>lage aller<br />

Überlegungen. Eine breite Nord- Südachse, die heutige Castellana im Süden mit dem Paseo<br />

de Prado beginnend, wird zum Rückgrat der Stadt <strong>und</strong> zu derem repräsentativem Zentrum.<br />

An dieser Achse sollten weite Grünflächen, begrenzt durch hohe öffentliche Gebäude <strong>und</strong><br />

Wohnhäuser, entstehen, der Altstadtkern sollte respektiert <strong>und</strong> unangetastet bleiben.<br />

Das Konzept sah zudem ein riesiges Industrieareal im Süden <strong>und</strong> die Bildung von Satelliten in<br />

Anlehnung an die radial auf die Stadt zuführenden Hauptstraßen vor, zwischen den Siedlungskernen<br />

sollten sich weite Grünflächen erstrecken.<br />

In diesem 1939 verabschiedetem Plan Regional de Madrid wurde die Gr<strong>und</strong>lage für die Madrider<br />

Stadtentwicklung gebildet. Jedoch wurde die Eigendynamik, die diese Siedlungsgebilde im<br />

Laufe weniger Jahrzehnte entwickelten, falsch eingeschätzt.<br />

Heute zeigt sich Madrid als riesiger Moloch, dessen Vorstädte sich scheinbar ohne konkrete<br />

Planung bis weit ins Umland der Mancha ausdehnen. Die städtebaulichen Planungen halten mit<br />

dem Wachstum der Massenquartiere nicht Schritt <strong>und</strong> haben nur eine Bestimmung: Nachbesserung<br />

<strong>und</strong> Organisation des vorhandenen Chaos.<br />

17


A.3. Madrid <strong>und</strong> Salamanca heute<br />

A.3.1 Heutige Stadtsituation<br />

Madrid, im Zentrum Spaniens auf einem felsigen Hochplateau gelegen, zeigt sich heute als<br />

annähernd 4- Millionen- Metropole, deren Expansion in einem enormen Tempo voranschreitet.<br />

Nach dem Ende der Franco- Ära wurden zwar von den neuen sozialistischen Machthabern<br />

große planerische Anstrengungen zur Verbesserung der Wohnverhältnisse <strong>und</strong> dem Ausbau<br />

öffentlicher Verkehrsmittel unternommen, doch immer noch entstehen an den Peripherien<br />

slumähnliche Unterkünfte <strong>und</strong> der Verkehr scheint häufig im Chaos zu versinken.<br />

Die Stadt breitet sich heute, besonders in nördlicher Richtung scheinbar unkontrolliert aus <strong>und</strong><br />

dieser Bevölkerungszuwachs mit seinem Verkehr wirkt sich zusätzlich auf die ohnehin schon<br />

stark frequentierten Strukturen der Kernstadt aus.<br />

Trotz all dieser Lärm- <strong>und</strong> Schadstoffbelastungen scheinen die meisten Bewohner jedoch mit<br />

ihrem Umfeld zufrieden zu sein, man könnte annehmen, daß ihnen ohne das tägliche Chaos<br />

etwas fehlen würde. Man ist schließlich stolz ein Madrileno zu sein. Madrid ist „Mucho Madrid“,<br />

wie die Menschen ihre Stadt nach der politischen <strong>und</strong> kulturellen Öffnung der Nach- Franco-<br />

Zeit bezeichnen.<br />

19


echts: Stadtzentrum mit Salamanca <strong>und</strong> Retiropark im Osten<br />

A.3.2 Das Projektgebiet<br />

Das gründerzeitliche Viertel Salamanca, nordöstlich des Stadtzentrums gelegen, ist eines der<br />

gefragtesten <strong>und</strong> teuersten Stadtteile Madrids. Hier wohnen überwiegend Angehörige einer<br />

wachsenden gutverdienenden Mittelschicht.<br />

Nach Aussage spanischer Fre<strong>und</strong>e die dort leben, liegt die Attraktivität von Salamanca gegenüber<br />

anderen Vierteln besonders in der Großzügigkeit <strong>und</strong> dem Komfort der Wohnungen. Aber<br />

auch die Nähe zum Stadtzentrum <strong>und</strong> zum Parque del Buen Retiro erhöhen die weiträumige<br />

Qualität des Stadtteils. Zudem ist Salamanca, im besonderen die Calle de Goya, eine bekannte<br />

Adresse für exklusivere Bekleidungs- <strong>und</strong> Asessoirgeschäfte.<br />

Beachtet man, daß dieses Viertel in den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren des 19.Jhd. für eine gutsituierte<br />

Bürgerschaft angelegt wurde, fragt man sich, was genau die Attraktivität des Barrios auch<br />

heute noch ausmacht. Diese Fragestellung soll im weiteren anhand von Beschreibungen <strong>und</strong><br />

Analysen des Stadtraums geklärt werden.<br />

20


A.4. Die typische Rasterstruktur<br />

Nebenstraßensituation<br />

Salamanca fällt bei Betrachtung eines Stadtplans aufgr<strong>und</strong> seiner typischen Struktur schnell ins<br />

Auge. Ein strenger Nord- Süd <strong>und</strong> Ost- West orientierter Schachbrettraster setzt sich deutlich<br />

gegenüber den unregelmäßigeren Blockstrukturen der benachbarten Stadtteile ab. Im Westen<br />

wird Salamanca von der Castellana begrenzt, im Osten reicht es an eine Ringstraße heran <strong>und</strong><br />

von Süden schiebt sich der Parque del Buen Retiro in das Viertel hinein.<br />

Der Straßenraum ist klar in Nebenstraßen (15m Breite) <strong>und</strong> Hauptachsen (30m Breite)<br />

gegliedert. Die eingefügten Baublöcke beinhalten<br />

überwiegend bis zu 9- geschossige Wohngebäude, vereinzelt<br />

aber auch Bauten öffentlicher Nutzung, wie<br />

Schulen, Krankenhäuser u.ä.. Platz- <strong>und</strong> Grünstrukturen<br />

sind nur punktuell zu finden, dort wo Blöcke teilweise<br />

rückgebaut wurden oder wo die Nutzung der Gebäude<br />

sie benötigt (z.B. Schulhof). Es existiert praktisch fast<br />

kein öffentlicher verkehrsloser Freiraum innerhalb des<br />

Viertels. Diese Verdichtung setzt sich auch im Inneren<br />

der Blöcke fort. Die für unsere Breiten typische Blockrandbebauung<br />

ist in Salamanca nur selten zu finden.<br />

Der typische Rasterblock (ca. 60x60m -80x100m) weist,<br />

egal ob es sich um ein gründerzeitliches Haus oder ein<br />

moderneres Gebäude handelt, keine Innenhofflächen<br />

auf. Lüftung <strong>und</strong> Belichtung vieler in Blockmitte lie-<br />

22


gender Wohnbereiche erfolgt in der Regel über gering dimensionierte offene Lichthöfe- oder<br />

Schächte, die weniger das Ergebnis einer klimatischen Notwendigkeit (in Madrid sind die<br />

Sommer sehr heiß <strong>und</strong> trocken), als vielmehr einer gewinnbringenden Flächenausnutzung sind.<br />

Diese intensive Verdichtung läßt keinen Platz für halböffentliche Freiflächen im Innern der<br />

Blöcke. Dagegen fällt auf, daß alle straßenseitigen Fassaden sehr häufig Balkone, zumindest<br />

aber „Französische Fenster“ aufweisen.<br />

Nebenstraßenstruktur<br />

oben: Ladenfassade<br />

unten: Kreuzungsbereich<br />

In den Nebenstraßen gibt es in den Erdgeschoßzonen<br />

pro Gebäude wenigstens eine gewerbliche Nutzung,<br />

aber auch die (repräsentativen) Eingänge <strong>und</strong> Tiefgarageneinfahrten<br />

der moderneren Bauten prägen das<br />

Straßenbild nachhaltig. Man findet hier Geschäfte für<br />

den täglichen Bedarf: Kleine Supermärkte, spezialisierte<br />

Läden (z.B. Brautkleider, Photogeschäft), vereinzelt<br />

Handwerksbetriebe (Elektriker, Autowerkstätten)<br />

<strong>und</strong> eine Vielzahl kleinerer Mode- <strong>und</strong> Schuhgeschäfte.<br />

Für das leibliche Wohl sorgen einige wenige Bars<br />

<strong>und</strong> Restaurants. Ab dem 1. OG werden die Häuser<br />

in der Regel bewohnt, nur selten befinden sich hier<br />

Büroflächen oder Arztpraxen. Es fällt auf, daß die<br />

Erdgeschoßnutzungen der Ecksituationen sehr oft mit<br />

Bankfilialen besetzt sind, vereinzelt aber auch mit besseren<br />

Lokalen <strong>und</strong> exklusiveren Modegeschäften.<br />

Die Gebäudeecken sind generell abgeschrägt (meist auf<br />

eine 3-4m breite Front), was die Kreuzungsbereiche<br />

spürbar aufweitet. Ursprünglich war die Straßenbreite<br />

von 15m für eine 3- 4geschoßige Bebauung geplant,<br />

doch auch bei den heutigen Gebäudehöhen wirken die<br />

Straßenräume ausreichend. Besonders die Nord- Süd<br />

23


Schnitt Nebenstraße<br />

Kreuzung Nebenstraße<br />

ausgerichteten Nebenstraßen wirken hell <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich, bieten aber<br />

nur dem Verkehr genügend Platz. In allen Straßen herrscht Einbahnverkehr,<br />

so kann der Großteil des Breite für Parkbuchten (diagonal <strong>und</strong><br />

parallel) verwendet werden. Der ca.3- 4m breite verbleibende Restraum<br />

bietet Verweilmöglichkeiten nur vor interessanten Schaufenstern <strong>und</strong><br />

ist ansonsten ein reiner Verkehrsweg für Fußgänger. Die Gaststätten<br />

können aus Platzmangel keine Außensitzmöglichkeiten anbieten <strong>und</strong><br />

dort wo es möglich wäre, an den aufgeweiteten Kreuzungsbereichen,<br />

sind die Erdgeschosse meist durch andere Nutzungen besetzt.<br />

Die im Abstand von ca. 5m beidseitig der Straße gepflanzten Laubbäume<br />

bewirken zwar eine Auflockerung des Straßenraums <strong>und</strong> erfüllen<br />

überdies auch wichtige klimatische Funktionen (Schattenspende, Sauerstoffproduktion),<br />

aber sie können die Tatsache, daß es sich hier um<br />

einen reinen Verkehrsraum ohne wirkliche Verweilqualitäten handelt,<br />

nicht verbessern. Dennoch zeigen sich die Nebenstraßen als bewegte,<br />

belebte Stadträume.<br />

Madrid ist ohne seinen hektischen Verkehr <strong>und</strong> ohne die lärmenden<br />

Autofahrer nicht vorstellbar. Auch in dem Untersuchungsgebiet versinkt<br />

der Verkehr beinahe im Chaos, wenn in den Einbahnstraßen die rasche<br />

Durchfahrt wegen haltender Lieferwagen oder Taxis verhindert wird.<br />

Von den frühen Morgenst<strong>und</strong>en bis um 13- 14 Uhr sind die Straßen<br />

verstopft <strong>und</strong> die Gehsteige mit Passanten bevölkert. Ab dann herrscht<br />

ungewohnte Ruhe, nur wenige Menschen <strong>und</strong> Fahrzeuge sind unterwegs,<br />

die meisten Geschäfte sind geschlossen <strong>und</strong> viele Angestellte<br />

halten sich in den Bars <strong>und</strong> Restaurants auf bis plötzlich um 17 Uhr<br />

das Leben in den Straßen erneut erwacht. Bis spät am Abend funktioniert<br />

die Stadt dann ähnlich hektisch wie schon am Vormittag, bis nach<br />

Schließung der meisten Geschäfte um ca. 20 Uhr langsam der Trubel<br />

abflacht. In den St<strong>und</strong>en danach wird das Straßenbild von einigen<br />

24


Fahrzeugen, meist auf Parkplatzsuche <strong>und</strong> wenigen Passanten,<br />

häufig aus Hauseingängen kommend oder darin verschwindend,<br />

geprägt. Anders zeigt sich diese Situation in<br />

den Sommermonaten, wenn es erst in den Abend- <strong>und</strong> Nachtst<strong>und</strong>en<br />

erträglich wird, hinaus zu gehen. Dann nimmt der<br />

Verkehr zu <strong>und</strong> die Bürgersteige sind belebter, Kinder rennen<br />

herum <strong>und</strong> viele Anwohner sind unterwegs zu anderen Orten,<br />

wo man sich mit Fre<strong>und</strong>en treffen <strong>und</strong> draußen etwas trinken<br />

kann.<br />

Die Hauptstraßen zeigen ein anderes Bild. Da viele von ihnen<br />

Hauptverkehrswege zwischen den Stadtteilen sind, reißt der<br />

Fahrzeugstrom während der Siesta- <strong>und</strong> Abendzeit kaum<br />

merklich ab. Aber bei der Belebtheit der Bürgersteige gibt<br />

es Differenzierungen: Die Bereiche der großen Hauptstraßen,<br />

die entfernter von den Kreuzungspunkten mit der Calle de<br />

Alcala liegen, ähneln zu den Zeiten zwischen den Rush-<br />

Hours der Situation in den Nebenstraßen. Denn auch hier<br />

gibt es eine vergleichbare Geschäftsstruktur mit ähnlichen<br />

Öffnungszeiten, so daß sich der Fußgängerstrom zur Siesta<strong>und</strong><br />

Abendzeit verringert. Das Angebot an Gastronomiebetrieben<br />

ist an diesen Straßen größer, vereinzelt gab es<br />

auch einige wenige Tische <strong>und</strong> Stühle vor den Lokalen.<br />

Hier lassen aber auch die Gehwegbreiten von ca. 4-5m<br />

solche Maßnahmen zu, ebenso wie das Aufstellen von öffentlichen<br />

Bänken zwischen den Bäumen, die hier, wie in den<br />

Nebenstraßen, die Grenze zwischen Fußweg <strong>und</strong> Straße markieren.<br />

Eine Reihe parkender Autos schirmt den Fußgängerbereich<br />

gegen die bis zu 5- spurige Hauptstraße ab. Die<br />

25<br />

Schnitt Hauptstraße<br />

Kreuzung Hauptstraße


Sitzmöglichkeiten <strong>und</strong> auch anderes Straßenmobiliar<br />

wie Once- Häuschen (Blindenlotterie), kleinere Verkaufsbuden,<br />

Telefonzellen <strong>und</strong> Werbetafeln ändern den<br />

Charakter des Gehsteigs weg vom reinen Verkehrsraum<br />

hin zu einer Zone, die durchaus urbane Verweilqualitäten<br />

besitzt, <strong>und</strong> das um so stärker, je weiter man sich<br />

den eigentlichen Störstellen nähert.<br />

Anhand der klaren Straßenhierarchien könnte man<br />

annehmen, daß die Häuserfassaden an den Hauptachsen<br />

bedeutender seien als die der Nebenstraßen, doch<br />

dem ist nicht so. Repräsentative Architektur in historisierenden<br />

Stilen <strong>und</strong> modernere Gebäude hinterlassen<br />

hier die gleiche Wirkung wie in den Nebenstraßen.<br />

Die Häuser des typischen Rasters zeigen keine gr<strong>und</strong>legenden<br />

Unterschiede in Höhe, Ausprägung oder Akzentuierung,<br />

sogar die Ecklösungen der Gebäude an den<br />

Kreuzungsstellen von Haupt- <strong>und</strong> Nebenstraßen gleichen<br />

im Normalfall den schon beschriebenen.<br />

Dieses homogene Bild ändert sich bei der Annäherung<br />

an die Calle de Alcala <strong>und</strong> auch die Calle de Goya stellt<br />

hier eine Ausnahme da.<br />

Calle de Goya: Blicke in Nebenstraßen<br />

26


oben: Plaza de Independencia/Puerta de Alcala<br />

mitte: Entlang des Retiroparks<br />

unten: Blick auf Plaza de Escuelas Aquirre<br />

A.5. Die Calle de Alcala<br />

Nachdem im vorherigen Abschnitt die Strukturen der<br />

typischen Rastersituation beschrieben worden sind,<br />

soll nun näher auf die Achse eingegangen werden, die<br />

den Raster diagonal schneidet <strong>und</strong> zu den Störstellen<br />

führt: Die Calle de Alcala.<br />

Die Beschreibung ihres Verlaufs von der Plaza de Independencia<br />

bis zur Plaza de Manuel Becerra soll verdeutlichen<br />

wie weit sich der Straßenraumcharakter bei<br />

der Durchschneidung des Rasters ändert <strong>und</strong> welche<br />

Qualitäten an unterschiedlichen Punkten aus der Perspektive<br />

dieser Spur entstehen.<br />

Der Weg beginnt an der Plaza de Independencia einem<br />

riesigen Verkehrsplatz mit der Puerta de Alcala in<br />

seiner Mitte. Hier werden die Avenida de Alfonso<br />

XII <strong>und</strong> die Calle de Alcala im vielspurigen Kreisverkehr<br />

zusammengeführt <strong>und</strong> letztere direkt über die<br />

Castellana hinweg zur Puerta del Sol geleitet.<br />

Die Calle de Alcala in nordöstliche Richtung ist hier<br />

ein breiter 9- spuriger Verkehrsraum, der links von<br />

typischer Blockbebauung <strong>und</strong> rechts vom Nordrand des<br />

Parque del Buen Retiro begrenzt wird. Im weiteren Verlauf<br />

tut sich ein ca. 10m breiter, verkehrstrennender<br />

Grünstreifen mit einem Reiterstandbild Carlos III auf,<br />

dahinter steht, scheinbar mitten im Weg, die Fassade<br />

der Escuelas Aquirre mit vorgelagerten Bäumen. Davor<br />

27


oben <strong>und</strong> mitte: typische Ecksituation<br />

unten: Blick auf Goya <strong>und</strong> Busbahnhof<br />

befinden sich baumbestandene Grünflächen, die aber<br />

zum Teil nur den Verkehr trennen <strong>und</strong> nicht betreten<br />

werden können. Die Calle de Alcala knickt hier leicht<br />

nach links ab <strong>und</strong> rechter Hand geht ein Teil des bis<br />

dahin gemeinsamen Verkehrsflusses über in die Calle<br />

O´Donnell.<br />

Konnte der aufgeweitete Straßenraum im Bereich vor<br />

der Trennung beider Stränge noch zwischen der dichten<br />

Bebauung im Norden <strong>und</strong> den Grünanlagen des<br />

Retiroparks im Süden vermitteln, so wird die Breite<br />

der Calle de Alcala im weiteren Verlauf geringer <strong>und</strong><br />

an den Seiten von bis zu 9- geschoßigen Blöcken<br />

begrenzt.<br />

Durch das stärkere Abknicken nach Nordosten <strong>und</strong><br />

der damit notwendigen Ausformung von spitzeren<br />

<strong>und</strong> stumpferen Winkeln der Gebäudegr<strong>und</strong>risse im<br />

Verschneidungsbereich zeigt die Calle de Alcala ihre<br />

29


oben <strong>und</strong> mitte: Goya<br />

unten: Ecksituation hinter Goya<br />

Dominanz gegenüber der Rasterstruktur. Dadurch wirkt<br />

sie formal als ein trennendes Element.<br />

Die Gebäude im Anfangsbereich der beidseitigen Bebauung<br />

weisen die gleichen äußeren Merkmale in Höhe<br />

<strong>und</strong> Fassadengestaltung auf, wie ein typischer Block<br />

im Raster, auch hier sind die Häuserecken auf eine<br />

Front von 3-v<br />

4m abgeschrägt, was den<br />

Bauten ein wenig ihr formalen Kraft nimmt. Generell<br />

wurden die Gebäudeecken so weit in die Kreuzungszonen<br />

gebaut, daß nur die fußläufigen Bereiche leicht<br />

aufgeweitet sind, für kleinere Plätze aber kein Raum<br />

mehr vorhanden ist. Die Kreuzung der Calle de Alcala<br />

<strong>und</strong> zwei anderen Straßen (c/ Antonio Acuna, c/ Jorge<br />

Juan) bildet hier eine der wenigen Ausnahmen. Hier<br />

wurde ein kleines dreieckiges Blockgr<strong>und</strong>stück nicht<br />

vollständig bebaut, sondern schafft mit seiner breiten<br />

Front <strong>und</strong> dem vorgelagertem, spitz zulaufendem Privathof<br />

etwas wie einen Platz am rechten Rand der Diagonale.<br />

Im weiteren Verlauf bricht rechts im 45° Winkel<br />

eine breite unbebaute Fläche auf, die als zentraler Busbahnhof<br />

genutzt wird. Diese Zone setzt sich über zwei<br />

Straßen hinweg bis zum Palacio de los Deportes (Sportpalast)<br />

als Plaza de Salvador Dali fort <strong>und</strong> wirkt als<br />

ungewohnt weiträumige Form inmitten dieses dichtbebauten<br />

Viertels. Die Calle de Alcala stößt kurz danach<br />

an der Plaza de Goya mit zwei anderen Hauptverkehrswegen<br />

des Viertels zusammen: Mit der Calle Conde de<br />

Penalver <strong>und</strong> der Calle Goya. Dieser riesige Verkehrsraum,<br />

über weite Bereiche optisch mit dem Busbahnhof<br />

30


<strong>und</strong> der Plaza de Salvatore Dali verb<strong>und</strong>en, stellt ein Raumgebilde da, in dem die Orientierung<br />

stellenweise recht schwer fällt. Der Blick kann sich schnell in den imposanten weiten Straßenfluchten<br />

verlieren, doch die besondere Gestaltung der Eckgebäude auf diesem Platz erleichtert<br />

eine Einordnung des Standpunktes. Hier (wie auch im weiteren Umfeld der Plaza de Goya) sind<br />

die Eckarchitekturen der Blöcke besonders ausgebildet. Einige Gebäude, bei denen die Fassaden<br />

r<strong>und</strong> zusammenlaufen, hinterlassen einen expressionistischen<br />

Eindruck, andere tragen übersteigernde historisierende<br />

Turmarchitekturen, die alle gemeinsam von<br />

der Weite des Straßenraums profitieren, diesem aber<br />

auch eine besondere Wichtigkeit geben. Die Plaza de<br />

Goya stellt überdies hinaus den höchsten Punkt einer<br />

topographischen Entwicklung da. Die Calle de Alcala<br />

ist bis hierher stetig angestiegen, in Richtung Plaza<br />

de Manuel Becerra senkt sich ihr Verlauf nun wieder.<br />

Auf diesem Weg zeigt sich wenig Ungewöhnliches. Nur<br />

an wenigen Stellen sind die Gebäudeecken ein wenig<br />

zurückgenommen worden, so daß dreieckige platzartige<br />

Ausbuchtungen enstehen konnten, die jedoch den Verkehrs-<br />

<strong>und</strong> Parkflächen zugegeben wurden. In diesem<br />

Bereich nimmt die Calle de Alcala einen optisch gradlinischeren<br />

Verlauf als im Anfangsteil, da hier keine<br />

Raumstrukturen entstehen, die von der Orientierung<br />

in Richtung Plaza de Manuel Becerra ablenken. An<br />

diesem Platz endet die Beschreibung der Straßenraumeindrücke,<br />

da hier die Grenzen der Rasterstruktur<br />

Salamancas erreicht sind.<br />

31<br />

oben: Kreuzungssituation<br />

unten: Plaza de Manuel Becerra


BB<br />

B<br />

BBB<br />

32


oben <strong>und</strong> unten: Blick auf die Plaza<br />

A.6. Beschreibung <strong>und</strong> Analyse einzelner Kreuzungspunkte<br />

Im folgenden Teil soll auf drei unterschiedliche Raumsituationen,<br />

die im vorherigen Abschnitt als besondere<br />

Straßenräume beschrieben worden sind, näher<br />

eingegangen werden. Auch hierbei sollen, wie auch<br />

bei den Beschreibungen der typischen Rasterstruktur,<br />

die vier verschiedenen Parameter Raumbildung, Ort/<br />

Weg, Nutzungsstruktur/ Geschäfte <strong>und</strong> dem Faktor Zeit<br />

eine Vergleichbarkeit zwischen den Störstellen <strong>und</strong><br />

dem Raster <strong>und</strong> den einzelnen Orten untereinander<br />

ermöglichen. Die wichtigste Fragestellung dabei soll<br />

sein, ob die Calle de Alcala an den untersuchten Orten<br />

als ein trennendes oder ein verbindendes Element zwischen<br />

den Rasterteilen fungiert <strong>und</strong> welche besonderen<br />

Qualitäten vorhanden sind.<br />

A.6.1 Plaza de Escuelas Aquirre<br />

Die nach Südwesten konisch zulaufenden Plaza ist dem Gebäude der Escuelas Aquirre vorgelagert.<br />

Schon aus weiter Entfernung sieht man den Schulturm, der über den Platz zu wachen<br />

scheint. Das kompakte 5- geschoßige Schulgebäude wird von den auf der Plaza stehenden<br />

33


oben: Gegenüberliegende Rasterbebauung<br />

unten: Vorbereich des Retiroparks<br />

Bäumen fast verdeckt, aber die dahinter sichtbaren Blöcke geben einen Vorgeschmack auf die<br />

dichten Bauvolumen im weiteren Sraßenverlauf.<br />

Die Fassaden der im Norden liegenden Häuser sind trotz ihrer attraktiven Lage direkt gegenüber<br />

des Retiroparks nicht exklusiver gestaltet, als die typischen Rasterblöcke. In ihren Erdgeschossen<br />

gibt es Geschäfte aller Bereiche, aber keine<br />

Güter für gehobene Ansprüche, von ein paar besseren<br />

Restaurant einmal abgesehen. Es gibt eine Reihe von<br />

Gründen, weswegen dieser räumlich offene <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liche<br />

Bereich der Calle de Alcala nicht so stark frequentiert<br />

wird, wie Zonen im weiteren Verlauf der Spur.<br />

Zum einen liegt das Gebiet am Rande des Viertels, zum<br />

anderen sind die Fußwege hier nur so breit wie in den<br />

Nebenstraßen <strong>und</strong> der Autoverkehr beansprucht eine<br />

enorm breite Fläche.<br />

Die Calle de Alcala wirkt von der Plaza de Independecia<br />

bis zum Beginn der Aufweitung des Straßenraums<br />

mit seinen Grüninseln wie eine klare Begrenzungslinie<br />

der Bebauung, die sagen will: bis hier hin <strong>und</strong> nicht<br />

weiter! In Richtung der Plaza de Escuelas Aquirre<br />

ändert sich dieses Bild. Die in die breite Fläche eingestreuten<br />

Grüninseln leiten <strong>und</strong> verteilen den Verkehr<br />

in mehrere kleine Stränge <strong>und</strong> bewirken gleichzeitig<br />

einen behutsamen Übergang von dem dichten Stadtraum<br />

hinüber in eine grüne Parklandschaft. Dieser<br />

Übergang wird von dem Fußgänger, der sich in der<br />

fußläufigen Zone um die Plaza herum bewegt, erlebbar.<br />

Optisch verschmilzt diese Zone über die Straße<br />

hinweg mit dem Vorbereich des Parkeingangs zu einer<br />

Einheit (gleiche Fluchten, gleicher Bodenbelag), was<br />

34


den Übergangseffekt verdeutlicht. Diese Zonen haben trotz des starken Verkehrs durchaus<br />

Verweilqualitäten. Der aufgeweitete Parkvorbereich ist ein Treffpunkt Spaziergänger <strong>und</strong> Sportler,<br />

von dort kann der gesamte Straßenbereich mit den Gebäuden als Hintergr<strong>und</strong> betrachtet<br />

werden. Auf dem Gehsteig vor der Plaza fühlt man sich, trotz des hohen Verkehrsaufkommens,<br />

im Zentrum einer weiten begrünten Fläche mit dem imposanten Blick zur Puerta de Alcala.<br />

Die Situation an der Plaza de Escuelas Aquirre stellt einen Sonderfall bei der Betrachtung der<br />

Störstellen da, weil hier nicht die Beziehung zweier durchschnittener Rasterteile beschrieben<br />

wurde, sondern zu dem Übergang von einer baulichen Verdichtung zu einem Grünraum eingegangen<br />

worden ist. Aber als Teil <strong>und</strong> Ausgangspunkt der eigentlichen Durchschneidungsspur<br />

erhält dieser Ort eine besondere Wichtigkeit in der Gesamtbetrachtung aller Störstellen.<br />

35


BB<br />

BB<br />

<br />

BB<br />

36


A.6.2 Kreuzung Calle de Alcala mit Calle Antonio<br />

Acuna <strong>und</strong> Calle Jorge Juan<br />

Im Bereich des Kreuzungspunkts der Calle de Alcala<br />

<strong>und</strong> den Nebenstraßen Calle Antonio Acuna <strong>und</strong> Calle<br />

Jorge Juan kommt es zu einer schon beschriebenen<br />

Aufweitung im rechten Teil des Straßenraums. Ein<br />

kleines dreieckiges Gr<strong>und</strong>stück wurde nur im hinteren<br />

Bereich mit einem trapezförmigen Gebäude bebaut,<br />

dessen Westfront sich der Kreuzung zuwendet. Aber<br />

nicht nur die breite Fassade unterscheidet dieses, als<br />

Ministerialgebäude genutzte Haus von der Nachbarbebauung.<br />

Die geringe Höhe ( 5- geschoßig), das Fehlen<br />

von Balkonen <strong>und</strong> kommerzieller Erdgeschoßnutzung<br />

sowie der vorgelagerte begrünte Privatgarten verleihen<br />

diesem Komplex eine Sonderrolle in dem bis<br />

dahin homogenen Straßenbild. Dieses wird von bis zu<br />

8- geschoßigen Wohn- <strong>und</strong> Bürogebäuden beherrscht,<br />

wobei ein heller gründerzeitlicher Baukörper optisch<br />

aus der Reihe der übrigen Häuser hervorsticht. An<br />

der Spitze eines Blocks gelegen ragt er, aufgr<strong>und</strong><br />

der geringen Höhe des Nachbarhauses, wie ein Turm<br />

hervor <strong>und</strong> bildet zusammen mit dem freistehenden<br />

Ministerialgebäude, dem es gegenüber liegt, eine Art<br />

Torsituation. Dieser Eingang <strong>und</strong> der räumlich aufgeweitete<br />

Bereich, der den Platzwandcharakter der nun<br />

einsehbaren Nebenstraßenfassaden betont, schaffen<br />

es, der Calle de Alcala ein wenig ihrer linearen Domioben:<br />

Torsituation<br />

unten: Ministerialgebäude mit Gartenhof<br />

37


Turmwirkung<br />

nanz zu nehmen. Doch zur Ausbildung eines platzähnlichen Ortes der Verweilqualitäten aufweist<br />

konnte es hier nicht kommen. Zwar wirkt die üppige Begrünung der dreieckigen Fläche<br />

<strong>und</strong> des Gehsteigs davor als angenehme Abwechslung im tristeren Straßenverlauf doch der Hof<br />

kann nur vom Ministerium betreten <strong>und</strong> genutzt werden <strong>und</strong> für die Passanten verbleibt lediglich<br />

ein leicht aufgeweiteter Restraum an der Spitze<br />

des Gartenhofs.<br />

Die Fußgängerwege in diesem Abschnitt haben die für<br />

Hauptstraßen typischen Dimensionen, sind aber hinter<br />

den Baumreihen noch durch Gitter gegen den Fahrzeugverkehr<br />

geschützt, da hier häufig ein puffernder<br />

Parkstreifen fehlt. In diesem Bereich ist auch auf das<br />

Aufstellen öffentlicher Bänke verzichtet worden, weiteres<br />

Straßenmobiliar besteht nur aus einer Vielzahl von<br />

Werbetafeln, die den Passanten in den Weg gestellt<br />

wurden <strong>und</strong> einigen Telefonzellen. Man bemerkt jedoch,<br />

daß die Materialien <strong>und</strong> Musterungen des Gehbelags<br />

in diesem Bereich der Calle de Alcala aufwendiger <strong>und</strong><br />

qualitätsvoller ausgebildet sind, was den Passanten<br />

aber nur eher beiläufig auffällt.<br />

Die allgemeine Aufwertung dieses Abschnitts der Spur<br />

(in Richtung Goya) bemerkt man auch bei der Betrachtung<br />

der Ladenstruktur. Wie in anderen Hauptstraßen<br />

gibt es hier eine Vielzahl von Geschäften für spezielle<br />

Waren des täglichen Bedarfs wie Papierladen, Apotheke,<br />

Optiker oder kleine Supermärkte, allerdings findet man<br />

hier auch einige exklusivere Mode- <strong>und</strong> Schmuckläden<br />

<strong>und</strong> bessere Gaststätten. Viele der Geschäfte schließen<br />

während der Siestazeit- es sind dann auch merklich<br />

weniger Passanten unterwegs- jedoch macht das<br />

38


Gebiet einen belebteren Eindruck als eine typische<br />

Hauptstraße des Rasters. Auch in den Abendst<strong>und</strong>en<br />

sind die Bürgersteige bevölkerter, was wohl durch die<br />

zahlreicheren Lokale <strong>und</strong> die Nähe zur Plaza de Goya zu<br />

begründen ist.<br />

Auffällig ist, das die Erdgeschoßzonen der, in<br />

den Kreuzungsbereich hineinstoßenden Eckgebäude<br />

ausschließlich von Filialen verschiedener Banken<br />

besetzt sind. So stehen sich in diesem Bereich fünf<br />

Banken an repräsentativen Orten gegenüber <strong>und</strong> bewirken<br />

somit eine Verknüpfung des Straßenraums durch<br />

identische Nutzungen. Die Entwicklung der besonderen<br />

Eckbesetzung durch Bankfilialen zeigt aber auch,<br />

daß man sich einer Zone mit einem großen Kaufangebot<br />

nähert <strong>und</strong> hier auch die Bankhäuser ihre K<strong>und</strong>en<br />

bedienen wollen.<br />

Die Analyse dieser Störstelle zeigt, daß kleine Eingriffe <strong>und</strong> Veränderungen in die gewohnte<br />

lineare Struktur des Straßenraums einen spürbaren Einfluß auf das Raumempfinden haben <strong>und</strong><br />

die trennende Wirkung des dominanten Verkehrswegs merklich ändern können. Doch in diesem<br />

Beispiel sind es weniger die straßenräumlichen Bedingungen, die eine Verknüpfung zweier<br />

Rasterteile herstellen können, sondern vielmehr die Verwandtschaft von Nutzungen auf beiden<br />

Seiten der Straße <strong>und</strong> deren optischer Verbindung. Die Bankensituation stellt hier ein extremes<br />

Beispiel da, aber auch das Nebeneinander <strong>und</strong> Gegenüber von Geschäften mit ähnlichen Angebot<br />

oder für eine spezielle K<strong>und</strong>engruppe, kann die Enden verschiedener Rasterteile aneinanderbinden.<br />

Rückblick auf den Kreuzungsbereich<br />

39


BB<br />

BB<br />

BBB<br />

40


A.6.3 Goya<br />

Den zentralsten <strong>und</strong> wichtigsten Punkt bei der Betrachtung der Störstellen nimmt die Plaza de<br />

Goya, kurz Goya ein. Hier stoßen zwei große Hauptverkehrswege des Rasters, die Calle Conde<br />

de Penalver <strong>und</strong> die Calle Goya auf die Calle de Alcala.<br />

In den Planungen Castros war an diesem besonderen Ort ein kreisförmiger Platz mit konkav<br />

ger<strong>und</strong>eten Eckgebäuden angedacht, doch heute treffen die beiden Achsen unvermittelt aufeinander<br />

<strong>und</strong> formen einen aufgeweiteten, aber im Vergleich zu Kreisverkehrplätzen (wie die Plaza<br />

de Independencia) relativ kompakten Straßenraum, der einen enorm hohen Fahrzeugverkehr<br />

Kreuzungssituation Goya<br />

41


<strong>und</strong> die höchste Passantendichte des Viertels aufzunehmen hat. Die nahe<br />

Plaza de Salvador Dali soll, obwohl sie ein eigenständiger Bereich ist <strong>und</strong><br />

innerhalb der Barriostruktur eine Sonderstellung einnimmt, bei der Untersuchung<br />

von Goya mit hinzugezogen werden, da viele optische <strong>und</strong> funktionale<br />

Verbindungen zwischen beiden Orten bestehen.<br />

Die Erfassung der räumlichen Begebenheiten <strong>und</strong> die Einordnung der<br />

Straßenraumwirkung fällt bei Goya sehr viel schwerer, als bei allen anderen<br />

betrachteten Störstellen. Erreicht man den Ort beispielsweise mit der U-<br />

Bahn <strong>und</strong> kommt durch einen der zahlreichen Zu- <strong>und</strong> Aufgänge ans Tageslicht,<br />

fällt die Orientierung zunächst schwer <strong>und</strong> der Ortsunk<strong>und</strong>ige kann<br />

sich nur durch einen Blick auf die vielen öffentlichen Stadtpläne lokalisieren.<br />

Den Autofahrern, die sich meist mit höherer Geschwindigkeit bewegen <strong>und</strong><br />

den Blick nach vorne oder bei Richtungswechsel zu ihrer näheren Umgebung<br />

wenden, bleiben die vielschichtigen Raumbeziehungen weitgehend verborgen,<br />

doch die Passanten erfahren diesen Ort als komplexes Raumgebilde, das<br />

so ganz anders erscheint als die anderen Kreuzungspunkte.<br />

42


Es sind zwei straßenräumliche Eindrücke die besonders auffallen <strong>und</strong><br />

den Ort prägen. Zum einen erhält der Kreuzungsbereich aufgr<strong>und</strong> des<br />

Zusammentreffens dreier Hauptverkehrsachsen eine besondere Wichtigkeit,<br />

die durch die exponierte Lage <strong>und</strong> die weite Sicht in die imposanten<br />

Straßenfluchten hinein noch gesteigert werden. Zum anderen, <strong>und</strong> das ist<br />

der wichtigere Aspekt, kommt es durch die Straßenaufweitung im Kreuzungsbereich<br />

mit den allseitig spitz hineinstoßenden Eckbauten der Blöcke<br />

<strong>und</strong> den optisch angeschlossenen Flächen des Busbahnhofs <strong>und</strong> der Plaza<br />

de Salvador Dali zu einer ungewohnten Weiträumigkeit <strong>und</strong> Leitheit innerhalb<br />

der sonst so verdichteten Rasterstruktur. So existieren z. B. zwischen<br />

Goya <strong>und</strong> dem Busbahnhof spannende Blickbeziehungen <strong>und</strong> nur das trennende,<br />

auf einer kleinen dreieckigen Gr<strong>und</strong>fläche stehende Gebäude an<br />

der Calle de Alcala verhindert, daß beide Bereiche als ein Platzraum wahrgenommen<br />

werden könnten. Doch durch dieses Gebäude wird der lineare<br />

Straßenverlauf der Calle de Alcala gestärkt <strong>und</strong> die Busbahnhoffläche als<br />

Teil <strong>und</strong> Endzone der Plaza de Salvador Dali gelesen. Dennoch kennzeichnet<br />

der Übergangsbereich von der Straße zum Busplatz die stärkste Verbindung<br />

von diagonaler Spur <strong>und</strong> Rasterstruktur da hier ein optisch <strong>und</strong><br />

funktional zusammengezogener Raum entstanden ist, der aus manchen<br />

Blickwinkeln durchaus Platzcharakter entwickelt. In der Verlängerung dieses Bereiches steht in<br />

Blickweite von Goya mit der Plaza de Salvador Dali ein verkehrsfreier Großraum zu Verfügung,<br />

auf dessen Qualitäten später noch eingegangen wird.<br />

Ein anderes hervorstechendes Element beim Erleben des Straßenraums im Kreuzungsbereich <strong>und</strong><br />

der weiteren Umgebung ist die besondere Ausbildung der Eckbauten. Die meist gründerzeitlichen<br />

Gebäude bedienten sich hierbei historisierender Architekturen, um die Wirkung in den<br />

Straßen- <strong>und</strong> Platzbereich hinein repräsentativ zu steigern. Die spitzen Gebäude sind dabei<br />

abger<strong>und</strong>et <strong>und</strong> diese R<strong>und</strong>ungen setzen sich als turmartige Frontgebilde übersteigert nach<br />

oben fort. Rechtwinklig zum Platz stehende Häuser weisen abgeschrägte Ecken auf, deren obere<br />

Abschluß meist mit einem Türmchen oder einer Kuppel bekrönt wurden. Alle diese einpräglinks<br />

oben:<br />

Calle de Alcala mit<br />

Busbahnhof<br />

links unten:<br />

Goya in Richtung<br />

Busbahnhof<br />

oben:<br />

Goya in Richtung Plaza de<br />

Salvador Dali<br />

43


oben: Prägnante Ecksituation<br />

unten: Blick auf den Corte d‘Ingles<br />

samen Eckausbildungen erleichtern die Orientierung, da sie besondere Orte definieren, gleichzeitig<br />

werten sie den Kreuzungsbereich auf, sowie auch die geometrische Form von Goya die<br />

Wirkung der Gebäudeecken verstärkt. Die Häuserfassaden im weiteren Kreuzungsbereich unterscheiden<br />

sich nur wenig von denen im übrigen Straßenverlauf, vielleicht sind sie ein wenig<br />

repräsentativer <strong>und</strong> großzügiger ausgeführt, doch die<br />

Gebäudehöhen bleiben mit denen im Raster vergleichbar.<br />

Auch die allgemeinen Nutzungen sind dieselben.<br />

Die Obergeschosse werden in der Regel bewohnt (Büros<br />

<strong>und</strong> Praxen sind die Ausnahme) <strong>und</strong> fast alle Wohnungen<br />

besitzen einen Balkon oder „Französische Fenster“.<br />

Die Erdgeschoßzonen sind ausnahmslos mit Geschäften<br />

besetzt, auch hier befinden sich in den Gewerbeflächen<br />

der Eckhäuser überwiegend Bankfilialen. Eine<br />

Ausnahme in diesem homogenen Fassadenbild stellen<br />

die beiden riesigen Kaufhäuser der Corte d`Ingles-<br />

Kette da, ein Gebäude in der Calle Goya, das andere<br />

direkt am Rand des Kreuzungsbereichs, wo es sehr<br />

klobig <strong>und</strong> dominant wirkt. Die Existenz zweier exklusiver<br />

Corte d`Ingles- Kaufhäuser in direkter Nachbarschaft<br />

zeigt die Bedeutung dieses Ortes als „bessere“<br />

Einkaufgegend. Auch die Geschäftsstruktur der angrenzenden<br />

Straßen bekräftigt dieses Bild. Besonders die<br />

Calle Goya hat sich als Verkaufsmeile für eine mittlere<br />

bis gehobene K<strong>und</strong>schaft herausgebildet. Hier gibt es<br />

fast ausschließlich Läden für teure Kleidung, Schuhe,<br />

Schmuck <strong>und</strong> andere Lifestyleartikel, häufig gehören<br />

die Geschäfte zu exklusiveren Ketten. Auch fallen<br />

die Galerien <strong>und</strong> Kunsthandlungen auf die sich hier<br />

vereinzelt angesiedelt haben, wohingegen Gastrono-<br />

44


oben: Blick auf Cafe<br />

unten: Besondere Gehwegnutzung<br />

miebetriebe die Seltenheit sind. Neben einem Hotel<br />

mit Restaurant, einem obligatorischen Hamburgerbräter<br />

(Burger King) <strong>und</strong> wenigen kleinen Lokalen fällt<br />

besonders ein Cafe auf, das in der Spitze des Eckgebäudes<br />

zwischen der Calle de Alcala <strong>und</strong> der Calle Goya<br />

untergebracht ist. Nur hier in besonderer Lage mit Blick<br />

auf die Fläche des Busbahnhofs <strong>und</strong> in andere Richtung<br />

auf den Kreuzungsbereich stellt man im Außenbereich<br />

Tische <strong>und</strong> Stühle auf. Wenn man einen Ort sucht der<br />

so etwas wie das Zentrum Goyas definiert, dann ist er<br />

an dieser Stelle gef<strong>und</strong>en.<br />

So wie vor dem Cafe bieten besonders die aufgeweiteten<br />

Fußgängerbereiche in direkter Kreuzungsnähe<br />

Möglichkeiten um Nutzungen, die einen Teil des<br />

Gehwegs mitbenutzen, unterbringen zu können. Die<br />

Vergrößerungen der ohnehin schon relativ breiten<br />

Fußwege der Hauptstraßen wurden erreicht, indem die,<br />

im normalen Straßenverlauf für Parken oder Taxis vorgesehenen<br />

Zonen im Kreuzungsbereich den fußläufigen<br />

Bereichen zugegeben wurden. So konnten Fußwege<br />

merklich aufgeweitet werden <strong>und</strong> beispielsweise mit<br />

zwei parallelen Baumreihen bepflanzt oder, wie im<br />

Bereich vor dem Cafe, zu einer breiten, sich in den<br />

Verkehrsraum schiebenden Zungenform ausgebaut werden. Doch die Aufenthaltsqualität dieser<br />

Orte ist beschränkt, die Verbreiterungen dienen lediglich dazu, den Fußgängerstrom aufzunehmen<br />

<strong>und</strong> weiterzuleiten oder z.B. Zugänge zur U- Bahn zu ermöglichen oder Werbetafeln aufzustellen.<br />

Zur Absicherung gegen den Verkehr wurden, wie auch im Verlauf der Calle de Alcala<br />

(nicht in den beiden anderen Hauptachsen) kniehohe Metallgitter aufgestellt, abgrenzende<br />

Bäume befinden sich nur in den Straßenverläufen <strong>und</strong> nicht im direkten Kreuzungsbereich.<br />

45


oben: Cafeszene<br />

unten: Ungenutzte Restflächen<br />

In den Bereichen entlang der Schaufenster ändert sich die Qualität der fußläufigen Zone, denn<br />

hier befinden sich die Bestandteile des Straßenmobiliars, die den Gehweg vom reinen Verkehrsraum<br />

abheben. Zwar dient der Bürgersteig den Passanten primär um von einem Punkt zum<br />

nächsten zu gelangen, doch er bietet auch eine spezielle<br />

Freiraum- <strong>und</strong> Freizeitqualität durch die Möglichkeiten<br />

des Verweilens <strong>und</strong> der Information. Gerade im<br />

Bereich von Goya sind die Gehwege sehr belebt, hier<br />

gibt es für eine kaufwillige K<strong>und</strong>schaft die größte Auswahl,<br />

die in den Schaufenstern begutachtet wird. Die<br />

Bäume an der Straße <strong>und</strong> die Markisen <strong>und</strong> Überstände<br />

der Gebäude spenden Schatten, öffentliche Bänke sind<br />

hier vermehrt aufgestellt <strong>und</strong> bieten die Möglichkeit<br />

auszuruhen. Once- Häuschen (Blindenlotterie) <strong>und</strong> Verkaufsbuden<br />

für Churros, Zeitungen oder Erfrischungen<br />

stellen sich den Fußgängern in den Weg <strong>und</strong> laden zum<br />

Anhalten <strong>und</strong> zur Ablenkung ein, für Kinder sind vereinzelt<br />

mechanische Schaukelgeräte aufgestellt worden<br />

<strong>und</strong> Telefonzellen findet man vermehrt hier.<br />

Auch der Gehwegbelag in den Straßen um Goya erfährt<br />

eine Aufwertung. Die Muster in verschiedenen Grautönen<br />

bleiben zwar sparsam, doch die Qualität <strong>und</strong><br />

Kleinteiligkeit der verwendeten Materialien wirkt edler,<br />

passend zu dem Angebot der Geschäfte. In der Calle<br />

Goya sind zudem noch die rechteckigen Löcher für<br />

die Bäume mit einem Metallrost versehen. Nähert man<br />

sich dem Busbahnhof, ändert sich auch die Materialität<br />

spürbar. Der Gehsteig an der Calle de Alcala weist<br />

noch die gleiche Qualität <strong>und</strong> Musterung wie im übri-<br />

46


gen Straßenverlauf auf, doch an der Schnittstelle zwischen<br />

Straße <strong>und</strong> Platz ist eine recht große dreieckige<br />

Fußgängerinsel entstanden, die mit denselben einfachen<br />

Betonplatten belegt wurde wie der übrige fußläufige<br />

Teil des Busbahnhofs. Diese Fläche, als reiner<br />

Fußgängerweg vollkommen überdimensioniert, ist frei<br />

von Straßenmobiliar, Bänke befinden sich nur an ihrem<br />

Rand an der Calle de Alcala. Für diesen Ort würde man<br />

sich eine geignetere Nutzung mit höherer Verweilqualität<br />

wünschen.<br />

Der einzige Bereich der autofrei gehalten wurde <strong>und</strong><br />

weiträumige urbane Freizeitmöglichkeiten bietet, ist<br />

die Plaza de Salvador Dali. Ursprünglich als Avenida,<br />

also als breite Promenade angelegt, die im Westen von<br />

den Fassaden der schräg kreuzenden Calle de Alcala<br />

<strong>und</strong> im Osten von dem am Ende der Platzmittelachse<br />

stehenden Palacio de los Deportes begrenzt wird, zeigt<br />

sich die Plaza heute als ca. 40x140m großer Freiraum,<br />

der den Mittelteil zweier Blöcke vereinnahmt. An den<br />

Langseiten wird sie von Wohnbauten <strong>und</strong> in Richtung<br />

Goya vom Corte d`Ingles begrenzt. Parallel zu den<br />

Fassaden stehen Baumreihen <strong>und</strong> eine Vielzahl von<br />

Bänken. Die Mitte des Platzes wurde freigehalten. Hier<br />

veranstaltet der Corte d`Ingles zu Werbezwecken häufig<br />

Großevents wie Halfpipeaction, Schlittschuhbahn oder einen Abfahrtskihügel (!). Zu diesen<br />

Ereignissen ist die Plaza dann natürlich zu jeder Tageszeit überfüllt. Aber auch wenn keine<br />

Aktionen veranstaltet werden, ist der Bereich ganztägig gut besucht, denn nur hier können die<br />

Menschen Dinge tun, die an den anderen Orten des Barrios nicht oder nur teilweise möglich<br />

sind. Vom Vormittag bis in die frühen Abendst<strong>und</strong>en scheint die Plaza gleichmäßig belebt<br />

oben:<br />

Busbahnhof<br />

unten:<br />

Plaza de Salvador Dali<br />

47


Nachtsituation<br />

oben: Cafe<br />

unten:<br />

Plaza de Salvador Dali<br />

zu sein bis um ca. 18 Uhr die Freifläche merklich voller<br />

wird. Dann sind hier alle Bänke besetzt, man sieht viele<br />

umher rennende Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> Mütter oder<br />

junge Paare mit Kinderwagen, Menschen aller Altersstufen<br />

mit auffallend vielen Einkaufstüten. Dieser Ort<br />

wird dann bis zum Geschäftsschluß ein beliebter Treffpunkt<br />

für viele der Viertelbewohner <strong>und</strong> Kauflustige<br />

aus anderen Stadtteilen.<br />

Ein ähnliches Bild zeigt der gesamte Bereich um Goya.<br />

Fast alle Geschäfte haben hier durchgehend von 9 Uhr<br />

bis 22 Uhr geöffnet <strong>und</strong> innerhalb dieser Zeit wirken<br />

die Straßen gleichbleibend belebt. Der Autoverkehr<br />

verringert sich nur unmerklich während der allgemeinen<br />

Siestazeit, so daß er als konstant stark bezeichnet<br />

werden kann. Nach Ladenschluß ist der Verkehrsstrom<br />

immer noch relativ stark, aber die Belebtheit der Gehwege<br />

im Bereich von Goya <strong>und</strong> der Plaza de Salvador<br />

Dali nimmt spürbar ab. Hieran sieht man, daß die weitere<br />

Umgebung von Goya neben der Wohnnutzung eine<br />

reine Geschäftszone ist, die nach Schließung der Läden<br />

wenig andere Qualitäten bietet, wie die Madrilenos<br />

sie für die Abend- <strong>und</strong> Nachtzeit schätzen. Die wenigen<br />

Lokale in den Nebenstraßen werden nur von einigen<br />

Bewohnern des Barrios besucht, zum „Ausgehen“<br />

bevorzugt man andere Viertel, die ein attraktiveres<br />

Kneipen- <strong>und</strong> Gaststättenangebot bieten <strong>und</strong> um diese Uhrzeit sehr gut besucht sind. Nachts<br />

sieht man nur vereinzelt Menschen in der Gegend um Goya herumlaufen, meist sind es Bewohner<br />

des Viertels, die auf dem Weg zur U- Bahn oder zum Busbahnhof sind um an andere belebtere<br />

Orte zu gelangen, oder die von dort zurückkommen.<br />

48


Die Untersuchung der Plaza de Goya zeigt, daß durch das Aufeinandertreffen <strong>und</strong> die Durchdringung<br />

der diagonalen Spur <strong>und</strong> zwei weiteren Hauptachsen ein Straßenraum entstanden ist, der<br />

ähnliche <strong>und</strong> spannende Ecksituationen hervorbrachte, die an diesem Ort eine Verknüpfung verschiedener<br />

Rasterteile ermöglichten. In der Folge der Anlage dieses besonderen Straßenraums<br />

entstand im weiteren Umfeld der Kreuzung eine Geschäftsstruktur, die der Wichtigkeit des Ortes<br />

gerecht wurde <strong>und</strong> Goya zu einer „Adresse“ machte. Somit konnten die einzelnen Bereiche r<strong>und</strong><br />

um Goya nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich verb<strong>und</strong>en werden.<br />

Die Calle de Alcala schließt die Fläche des Busbahnhofs an den Kreuzungsbereich der Plaza<br />

de Goya an, wobei ein großer Raumkomplex mit spannenden Blickbeziehungen entstanden ist,<br />

der innerhalb von Salamanca eine verbindende Mitte darstellt. Sieht man von der trennenden<br />

Wirkung durch den enormen Fahrzeugverkehr ab, erfüllt die Calle de Alcala an diesem Ort die<br />

Aufgabe eines zusammenführenden Elements.<br />

A.7. Bewertung der Störsituationen<br />

Zum Abschluß der Untersuchungen über Madrid soll nun zusammenfassend auf die generellen<br />

Besonderheiten <strong>und</strong> Qualitäten der „Störstellen“ an den Kreuzungspunkten der Calle de Alcala<br />

mit dem Raster eingegangen werden.<br />

Bei der anfänglichen Betrachtung der städtebaulichen <strong>und</strong> geometrischen Begebenheiten im<br />

Untersuchungsgebiet schien die Situation im Viertel (zumindest auf dem Stadtplan) eindeutig:<br />

Ein strenger orthogonaler Raster wird von einer diagonalen Spur in zwei Teilgebiete separiert.<br />

Formal ist die Calle de Alcala demnach ein trennendes Element innerhalb einer homogenen<br />

Stadtstruktur. Diese Struktur von dichten Blockbebauungen, deren Wohnflächen zu den beliebtesten<br />

<strong>und</strong> teuersten der Kernstadt Madrids gezählt werden, bietet im Inneren nur äußerst<br />

49


egrenzt Freiflächen <strong>und</strong> die eher monoton- orthogonalen Straßenräume werden nur die Hierarchisierung<br />

von Neben- <strong>und</strong> Hauptwegen unterschieden <strong>und</strong> aufgelockert. Der angrenzende<br />

Parque del Buen Retiro bietet natürlich eine hohe Freiraumqualität, doch der Weg dorthin ist<br />

für die meisten Barriobewohner sehr weit.<br />

Beim Blick auf den Stadtplan bemerkt man zudem, daß die Calle de Alcala hinter der Plaza de<br />

Independencia <strong>und</strong> der Plaza de Manuel Becerra ihre Fortsetzung findet. Wie schon beschrieben<br />

ist die Straße als Verbindung des Stadtzentrums <strong>und</strong> der ehemals wichtigen Universitätsstadt<br />

Alcala de Henares historisch belegt <strong>und</strong> wurde bei Anlage Salamancas leicht gedreht in das<br />

neue System eingefügt. In ihrer Breite (30m) gleicht sie den Hauptachsen der Rasterstruktur.<br />

An den meisten Kreuzungspunkten der Straßen des Rasters <strong>und</strong> der Calle de Alcala zeigt diese<br />

ihre starke Dominanz, besonders an Schnittstellen mit Nebenstraßen, wo es keine Ampeln gibt,<br />

die den Verkehrsfluß verlangsamen würden, wird der trennende Charakter der Spur sichtbar. So<br />

kann man beispielsweise nicht als Autofahrer oder Fußgänger dem Verlauf einer Nebenstraße<br />

über die Zäsur der Calle de Alcala hinweg folgen. Andererseits ist es diesem Argument nach aber<br />

auch nicht möglich, eine Verkehrsachse des Rasters zu überwinden, so das hier eine gleichwertige<br />

Trennung erfolgt.<br />

Die räumlich wirksamsten Elemente zur Wahrnehmung der Verschneidung der Calle de Alcala<br />

sind die spitz- <strong>und</strong> stumpfwinklig auftreffenden Straßen <strong>und</strong> Blockecken. Die Rasterstruktur<br />

wird an den Störstellen verknüpft <strong>und</strong> weitergedacht, die orthogonale Spur wird räumlich als<br />

Trennung des gewohnten Systems empf<strong>und</strong>en.<br />

Im Verlauf der Calle de Alcala sind die begrenzenden Gebäude in der Regel so angelegt, daß<br />

sie die Linearität der Spur verstärken. Vereinzelt auftretende seitliche Aufweitungen durch<br />

Gebäuderücknahmen im Kreuzungsbereich werden meist dem Verkehrsraum zugegeben oder als<br />

Parkflächen genutzt. Das Beispiel der Kreuzung der Calle de Alcala mit der Calle Acuna <strong>und</strong><br />

der Calle Jorge Juan zeigt die Möglichkeit einer aufgeweiteten Randausbildung, die bei konse-<br />

50


quenter baulicher Gestaltung ein nutzbarer platzähnlicher Bereich hätte werden können, der<br />

die Dominanz der Spur bricht <strong>und</strong> die Rasterteile optisch ein wenig verschmelzen kann. Doch<br />

das Beispiel zeigt klar, daß es vor allem die Nutzungsähnlichkeit in den Geschäftszonen der<br />

Eckgebäude sind, die den Kreuzungsbereich inhaltlich an einander binden. Und der räumliche<br />

Reiz der repräsentativ wirksamen Eckbauten ist wiederum die Folge der besonderen geometrischen<br />

Form der Verschneidung von Raster <strong>und</strong> Diagonale.<br />

Im Bereich von Goya wird die Wichtigkeit der inhaltlichen Verknüpfung verschiedener<br />

Straßenseiten noch deutlicher, hier sind es die Läden für Mode <strong>und</strong> exklusive Waren die allseitig<br />

des Kreuzungsbereich zu finden sind. An dieser Plaza wurden aber auch die baulichen<br />

Voraussetzungen geschaffen, daß hier das Zentrum des Viertels entstehen konnte. An diesem<br />

Ort verschwimmt aber auch der Eindruck der Calle de Alcala als trennender Verkehrsweg, da sich<br />

hier drei gleichwertige Straßen verschneiden <strong>und</strong> gleichwertig den Straßenraum bestimmen.<br />

Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, wie die Achsen hier aufeinanderstoßen. Man wird sich<br />

bewußt, daß die spannende räumliche Beziehung <strong>und</strong> Anbindung der Plaza de Salvador Dali<br />

<strong>und</strong> in ihrer Verlängerung der Busbahnhof, nur über eine diagonal zum Raster laufende Spur<br />

möglich wurde.<br />

Die Untersuchung der Calle de Alcala macht deutlich, daß eine verkehrsreiche Diagonale, die<br />

eine orthogonale Struktur formal zweiteilt, sehr unterschiedliche Qualitäten bieten kann. Zum<br />

einen, <strong>und</strong> da kommt die Realität den ersten Beobachtungen sehr nah, weist die Calle de<br />

Alcala mit ihrem hohem Verkehrsaufkommen einen trennenden Charakter auf, der an den meisten<br />

Kreuzungspunkten baulich noch verstärkt wird. Zum anderen aber haben sich durch die<br />

geometrischen Besonderheiten der Verschneidung Orte herausgebildet, die durch spannende<br />

Raumbeziehungen, hervortretende Gebäudeausformungen <strong>und</strong> (als Resultat dessen) eine spezielle<br />

Geschäftsstruktur eine eigene urbane Qualität schaffen, die es ermöglicht, verschiedene<br />

Rasterteile zu verbinden.<br />

51


53<br />

Teil B: New York


„Duke Map“ von Neu Amsterdam, 1664<br />

B.2. Stadtgeschichtliche Entwicklung New Yorks<br />

B.2.1 Die holländische <strong>und</strong> die britische Siedlungsepoche<br />

Im Jahre 1615 errichteten die Holländer an der Südspitze der Halbinsel Manhattans eine Station<br />

für den Pelzhandel, die 1623 der holländischen Westindien-Kompanie zufiel <strong>und</strong> seither<br />

Neu-Amsterdam hieß. 1626 kaufte der holländische Gouverneur die ganze Halbinsel Manhattan<br />

den Indianern im Tauschhandel zu einem Gegenwert von heute 24 Dollar ab <strong>und</strong> errichtete das<br />

Fort Amsterdam nach den Plänen des holländischen Ingenieurs Dryn Fredericksz.<br />

1664 musste mir dem Erscheinen einer starken englischen Kriegsflotte vor Neu-Amsterdam die<br />

54


Stadt kapitulieren, worauf in Europa die Niederländer England den Krieg erklärten. Mit dem Vertrag<br />

von Breda kam Neu-Amsterdam offiziell in englischen Besitz <strong>und</strong> wurde nach dem Herzog<br />

von York in New York umbenannt. Der von den Holländern Heere Street benannte Indianerpfad<br />

wurde von den Engländern in Broadway umgenannt. Der Pfad war eine wichtige Nord-Süd Verbindung.<br />

Er war Handelsweg für die Pelzhändler aus dem Innland.<br />

Die Besiedlung der Halbinsel ging von der Südspitze aus. Der engere Gründungskern New Yorks<br />

umfasste das Gebiet zwischen dem heutigen Broadway, der Beaver- <strong>und</strong> Bridge Street <strong>und</strong><br />

erweiterte sich bis zur Wall Street. Zentrum das Fort Amsterdam, dem Anfangspunkt des Broadways.<br />

Von den Anfängen 1926 bis zum „Castello Plan“ von 1660 wuchs die Stadtstruktur bis<br />

zur 14ten Strasse an. Trotz zahlreicher Brandkatastrophen hat sich der Stadtgr<strong>und</strong>riss bis heute<br />

erhalten können. Auf dem „Castello Plan“, der ersten Straßenkarte von Neu Amsterdam, erkennt<br />

man zwischen dem Fort Amsterdam <strong>und</strong> Wall Street den Broadway, der die Verbindung zwischen<br />

Siedlung <strong>und</strong> Umland herstellte <strong>und</strong> als Handelsweg so bedeutsam wurde, dass er in seinem<br />

55


„Castello-Plan“, 1660<br />

56


Verlauf nicht den späteren Gitternetzplanungen<br />

angepasst wurde.<br />

Bis 1700 lassen sich neue Siedlungsflächen<br />

nördlich des alten Walls entlang des East<br />

River etwa bis zur Höhe der heutigen Fulton<br />

Street unterhalb der Brooklyn Bridge nachweisen.<br />

Man muss annehmen, dass die<br />

Neubautätigkeit mit der Hafenerweiterung am<br />

East River zusammenfiel. Ein Entwicklungskonzept<br />

bestand nicht.<br />

B.2.2 Die Stadtbauepoche<br />

links: „Lyne-Plan“, 1729<br />

rechts: „Ratzen-Plan“, 1767<br />

Die ersten geplanten Stadterweiterungen lassen sich auf dem „Ratzen Plan“ von 1767 ausmachen.<br />

Der erste Siedlungsschwerpunkt liegt nördlich der Trinity Church <strong>und</strong> erstreckt sich bis<br />

zur Chambers Street, die 1775 bebaut wurde. Hier hat sich das historische Straßennetz, mit<br />

Ausnahme des Gebietes am World Trade Center, erhalten können. Ab 1763 wurde die Fläche<br />

östlich der Bewery Lane bis zur Stanton Street auf der Gr<strong>und</strong>lage eines schachbrettartigen<br />

Straßennetzes bebaut, dann, östlich davon, eine Fläche entlang der Delancy Street mit einem<br />

„Great Square“ zwischen der heutigen Essex- <strong>und</strong> Suffolk Street.<br />

Nach Beendigung des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775 - 1789) begann eine<br />

stürmische Aufwärtsentwicklung. 1789 wurde New York das wirtschaftliche Zentrum des noch<br />

jungen Staates. Die Einwohnerzahl stieg von ca. 24.000 im Jahre 1786 auf etwa 200.000 im<br />

Jahre 1830, obwohl in dieser Zeit etliche Tausend Bewohner New Yorks in Gelbfieberepidemien<br />

hinweggerafft wurden.<br />

57


Der Bereich bis zur 14ten Strasse ist durch die Zeit bis zum Beginn der<br />

Planungsphase von 1785 bis 1811 geprägt worden. Deutlich ablesbar sind<br />

die einzelnen Stadterweiterungen. Zweifellos ist es aber die Planungsphase<br />

zu Beginn des 1900 Jahrh<strong>und</strong>erts gewesen die den Stadtgr<strong>und</strong>riss von Manhattan<br />

bis heute geprägt hat. Neben einem Stadterweiterungskonzept von<br />

Casimir Goerck von 1803, ist der „Commissioners Plan“ von 1811 von zentraler<br />

Bedeutung. Es handelt sich hier um ein Planwerk, das für ein Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

gedacht war <strong>und</strong> eine größtmögliche Zahl von Bauplätzen zu schaffen<br />

suchte. Dabei wurde eine Wohndichte von 175 bis 200 Personen pro Hektar,<br />

zwei- bis dreigeschossige Gebäude an zwölf 100 Fuß breiten Nord-Süd Avenuen<br />

von nahezu 20 Kilometer Länge <strong>und</strong> 155 Ost-West Straßen von 60<br />

Fuß Breite <strong>und</strong> über 5 Kilometer Länge angestrebt. Es wurde ein Schachbrettmuster<br />

gewählt, weil die Kommissare ausführten, „... rectilinear and<br />

rectangular streets are good for business“. Kreisförmige <strong>und</strong>, ovale oder<br />

sternförmige Straßen mit entsprechend zugeschnittenen Baublöcken bzw.<br />

Parzellen würden den Bodenverkehr erschweren.<br />

Stadtkarte, 1803<br />

Obwohl schon 1811 eine Planung bis zur 155ten Straße vorlag, lag die nördliche Bebauungsgrenze<br />

im Jahre 1850 etwa an der 42ten Straße. 1890 war die ganze Halbinsel Manhattan<br />

überbaut, zu einer Zeit, als die Einwohnerzahl New Yorks sich insgesamt der 3 Milliongrenze<br />

näherte. Abweichend vom Gitternetzschema wurde Greenwich Village gebaut, ein Ortsteil, der<br />

lange Zeit der bevorzugte Aufenthaltsort für Künstler <strong>und</strong> Schriftsteller war. Man beachte aber<br />

auch hier, wie rücksichtslos die Seventh Avenue das unregelmäßige angelegte Straßennetz<br />

durchschneidet. Auffälligste Störung des Rasters ist der Central Park. Der 4 Kilometer lange<br />

<strong>und</strong> 1 Kilometer breite Park war 1811 noch nicht vorgesehen. Die von Frederic Law-Olmsted<br />

(1822-1903) geplante organische Parklandschaft sollte den Formalismus des künstlichen<br />

58


Rasters hervorheben. Die Entstehung des Central Parks lief parallel zur europäischen Parkbewegung,<br />

d.h. der Förderung der Grünflächen in Städten, kurz nach 1850.Im Jahre 1898 wurde<br />

durch die Eingemeindung von Brooklyn, Bronx, Queens <strong>und</strong> Staten Island (Richmond) Greater<br />

New York City geschaffen. Für die Stadt ergaben sich damit riesige Verkehrs- <strong>und</strong> Transportprobleme.<br />

Bereits 1883 war die Brooklyn Bridge dem<br />

Verkehr übergeben worden. Ab 1900 wurden Brücken-,<br />

Tunnel- <strong>und</strong> Bahnbauten sowie Straßendurchbrüche<br />

zur Alltäglichkeit, <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>besitzer in Manhattan<br />

profitierten davon auf Kosten der übrigen<br />

Stadtbevölkerung.<br />

59<br />

Von erstaunlicher Offenheit sind die „Commissioners´ Remarks“ aus dem Jahre<br />

1811: Ein solcher Plan biete keine Schwierigkeiten der Art, wie sie bei unregelmäßig<br />

zugeschnittenen Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> Grenzlinien vorhanden sind. Jeder Interessent<br />

könne ausrechnen, wie viel ein zum Verkauf stehendes Gr<strong>und</strong>stück misst. Der<br />

Anwalt könne den erforderlichen Kaufvertrag aufsetzen, indem er einfach in das<br />

übliche Formular die entsprechenden Maße einträgt. Und der Planer könne mit<br />

Winkelmaß die Form von Einheitsgr<strong>und</strong>stücken, Einheitsblocks <strong>und</strong> Einheitsstraßen<br />

entwerfen, also von ihren einheitlichen, vergleichbaren <strong>und</strong> unverwechselbaren<br />

Teilen ausgehen. Und schließlich wird das Fehlen von Plätzen <strong>und</strong> Freiflächen kurz<br />

<strong>und</strong> bündig mit dem Hinweis gerechtfertigt: „Plätze sind unnötig: man lebt in den<br />

Häusern, nicht auf den Plätzen“.<br />

Mit der Weltausstellung 1898 in Chicago nahm die sog.<br />

„City-Beautiful-Bewegung“ seinen Lauf. Die Bewegung<br />

war, grob vereinfacht, der erste Versuch, den<br />

amerikanischen Städten mit einem aus Europa entlehnten Städtebaurepertoire in der Tradition<br />

der „Beaux-Arts-Schule“ etwas mehr Qualität zu verleihen. Ihrem Einfluss kann sich auch New<br />

York nicht entziehen: Die Stadt setzt durch Gesetz vom 20.07.1907 eine Kunstkommission<br />

(einem Ausschuss zur Stadtbildpflege) ein, die sich um die Gestaltung der öffentlichen Plätze<br />

<strong>und</strong> Gebäude zu kümmern hatte. Zunehmend begann man, Hochhäuser mit gotischen Stilmerkmalen<br />

zu dekorieren. Als berühmtestes Beispiel dieser Epoche gilt das 1914 gebaute Woolworth<br />

Building (zwischen Barclay Street <strong>und</strong> Park Lane): „The Mozart of the Skyscrapers“.<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in New York keinerlei Bauvorschriften. Mit dem Bau des „Equitable<br />

Building“ (zwischen Pine <strong>und</strong> Cedar Street) wurde der Ruf nach Gesetzen zum ersten Mal<br />

lauter. Das Gebäude, ein 42 Stockwerke hoher Turm, nahm den Nachbargebäuden nicht nur<br />

das Licht weg, sondern versperrte ihnen auch die Aussicht. Als Konsequenz erließ die Stadt<br />

im Jahre 1916 planungsrechtliche Vorschriften, die sog. „zoning ordinance“. Die Vorschriften<br />

kamen einer Revolution in der Geschichte des amerikanischen Städtebaus nahe. Erstmals wurde<br />

in die bislang unbeschränkten Eigentumsrechte eingegriffen <strong>und</strong> der totalen Freiheit der Unter-


61<br />

„Commissioners-Plan“, 1811


Im amerikanischen Recht konnte jeder Eigentümer<br />

nach dem alten Gr<strong>und</strong>satz aus dem frühen 17.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert „Cuius est solum, eius est usque ad<br />

coelum“ auf seinem Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden so hoch <strong>und</strong><br />

so nahe an der Gr<strong>und</strong>stücksgrenze bauen wie er<br />

wollte. Noch im Jahre 1838 bestätigte der Oberste<br />

Gerichtshof in New York die aus dem englischen<br />

Recht des späten 12. Jahrh<strong>und</strong>erts (Richard<br />

Löwenherz) entlehnten Lichtrechte, dass nämlich<br />

„bei Stadt- <strong>und</strong> Dorferweiterungen das Lichtrecht<br />

keine Anwendung finden kann, es sei denn, dass<br />

dies mit den schädlichsten Konsequenzen verb<strong>und</strong>en<br />

wäre“.<br />

links:<br />

Woolworth Building, 1913<br />

rechts:<br />

Equitable Building, 1915<br />

nehmer Grenzen gesetzt. So wurden in der neuen Bauordnung erstmals Flächen ausgewiesen<br />

in denen nur Wohnbauten, andere, in denen nur Betriebs- <strong>und</strong> Bürobauten errichtet werden<br />

durften. Einer dritten Gebietskategorie wies man eine weiterhin gemischte Bauweise zu. Die<br />

Bauhöhe wurde ins Verhältnis zur Breite angrenzender Straßen gesetzt. Das Bauvolumen musste<br />

ab einer gewissen Höhe, dem Einfallswinkel des Lichtes, zurückgesetzt werden. Lediglich ein<br />

Viertel der Gr<strong>und</strong>fläche durfte unbegrenzt in der Höhe bebaut werden. So entstanden die für<br />

Manhattan typisch dünnen, nadelartigen Türme auf einer pyramidenförmigen Basis.<br />

Die Zeit vom Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ist geprägt durch die Epoche der<br />

„Wolkenkratzer“ in Midtown Manhattan. Die technischen Fortschritte der Stahlkonstruktionen<br />

machen es möglich immer höher zu bauen. 1930 überschreitet das Chrysler Building erstmals<br />

die 300 Meter. Kurze Zeit später wird es vom Empire State Building mit 342 Metern überholt.<br />

Seitdem hat sich im Stadtbild nicht allzu viel verändert. Wichtigste Veränderung in New York<br />

62


ist die zunehmende Umnutzung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. So erleben diese<br />

Gebiete, meist ehemalige Produktionsstätten oder soziale Wohnungsbauten, einen ähnlichen<br />

Wandel. Von den ursprünglichen Bewohnern oder Firmen verlassen besetzen Künstler <strong>und</strong><br />

andere die verfallenen Gebäude. Eine eigene Szene entwickelt sich. Makler <strong>und</strong> Spekulanten<br />

entdecken diese Stadtteile <strong>und</strong> kaufen großflächig Land <strong>und</strong> Häuser. Die Häuser werden<br />

geräumt <strong>und</strong> dann teuer renoviert. Das Resultat sind teure Wohngegenden für die Besserverdienenden.<br />

Diese Entwicklung lässt sich in Manhattan für Greenwich Village, East Village, SoHo<br />

<strong>und</strong> neuerdings auch für die Lower East Side verfolgen.<br />

links:<br />

„Zoning Ordinance“<br />

rechts:<br />

Variationen des Zoning<br />

Laws von 1916<br />

1950 war New York mit fast 8 Millionen Einwohnern<br />

die größte Stadt der Welt. Seitdem ist die<br />

Einwohnerzahl konstant geblieben. Heute leben<br />

in New York Menschen aus 170 ethnischen Gruppen<br />

(Lateinamerikaner, Weiße, Schwarze, Asiaten,<br />

Indianer, Inuiten <strong>und</strong> Sonstige).<br />

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden wir uns<br />

ausschließlich auf den Bereich nördlich der 14ten<br />

Straße, d.h. den nach 1811 geplanten Bereich,<br />

beziehen.<br />

63


Lower Manhattan 1855, 1906, heute<br />

64


Trump World Tower<br />

B.3. New York heute<br />

B.3.1 Heutige Stadtsituation<br />

New York ist heute mehr denn je die Weltmetropole. Die Stadt boomt <strong>und</strong> wächst. Heute leben<br />

fast 8 Millionen Menschen in New York City, davon 1.6 Mio. in Manhattan, 1.3 Mio. in der Bronx,<br />

2.5 Mio. in Brooklyn, 2.2 Mio. in Queens <strong>und</strong> 0.4 Mio. in Staten Island.<br />

Der derzeitige Bürgermeister Ruldoph Guliani, sorgte in den letzten Jahren mit seinen radikalen<br />

Methoden für den Aufschwung New Yorks. So wurde New York sicherer für die Menschen.<br />

Man muss heute keine Angst mehr haben, dass man ausgeraubt oder verprügelt wird. Vielmehr<br />

muss man Angst vor den Stöcken der Polizisten haben. Die Polizei New Yorks wirft in letzter Zeit<br />

schlechte Schlagzeilen auf, zu viele Menschen wurden Opfer der radikal durchgreifenden Polizeitruppe.<br />

Auch sind viele Drogensüchtige <strong>und</strong> Bettler aus dem Straßenbild verschw<strong>und</strong>en. Dies<br />

liegt allerdings weniger an einer besseren Suchtprävention als einer Verlagerung der Probleme<br />

in die Vororte. So wird New York immer attraktiver für Touristen. Die Schätzungen belaufen sich<br />

auf ca. 37 Millionen Touristen pro Jahr. Die Tendenz ist steigend.<br />

Städtebaulich gesehen expandiert Manhattan nicht in der Fläche sondern in der Höhe. Vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> nicht vorhandener Baugr<strong>und</strong>stücke ist die einzige Lösung die Höhe soweit es die<br />

„Zoning“ Gesetze zulassen. Neustes Gebäude wird der Trump World Tower gegenüber der UN. Es<br />

wird selbst das Chrysler <strong>und</strong> das Empire State Building übertreffen <strong>und</strong> den besonders Reichen<br />

65


Heim bieten. Dazu boomen die Renovierungen fast überall in Manhattan.<br />

Negativer Nebeneffekt sind die daraus die Mieterhöhungen<br />

die immer mehr Arbeitnehmer in die Vororte verdrängt.<br />

Daneben gibt es mehrere Strukturverbesserungsprojekte. Größtes<br />

ist das Gebiet östlich von Penn Station inkl. Madison Square<br />

Garden. Erst kürzlich fand ein internationaler Wettbewerb zu<br />

diesem Stadtgebiet statt. Bei der Auswahl der Teilnehmer, es war<br />

schließlich ein eingeladener Wettbewerb, wurde besonders Wert<br />

auf die Zukunftsorientierung der Architekten gelegt. Teilnehmer<br />

waren u.a. Peter Eisenmann, Reiser & Usemoto <strong>und</strong> Morphosis.<br />

B.3.2<br />

Infrastruktur<br />

New York hat eins der größten <strong>und</strong> am stärksten frequentiertes<br />

Nahverkehrssysteme de Welt. Aufgr<strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>stückspreise ist<br />

Bauland extrem teuer. Dementsprechend wenig Parkplätze stehen<br />

zur Verfügung <strong>und</strong> dementsprechend teuer ist es zu parken. So<br />

kostet die Gebühr für einen Parkplatz in Manhattan bis zu 12<br />

Dollar pro St<strong>und</strong>e. Bedenkt man die ständigen Staus auf den für die Menschenmenge zu kleinen<br />

Straßen, ist das Subwayticket für 1,50 Dollar zugleich erschwinglich als auch komfortabel. Die<br />

Subway ist meist das schnellste Fortbewegungsmittel. Sie fährt 24 St<strong>und</strong>en am Tag <strong>und</strong> kommt<br />

im Minutentakt. In Manhattan folgt sie hauptsächlich den Avenues <strong>und</strong> dem Broadway. Dazu<br />

gibt es einige Querverbindungen die den Anschluss an Queens <strong>und</strong> Brooklyn übernehmen. Das<br />

Tunnelsystem ist meist nur wenige Meter unter der Strassendecke angeordnet <strong>und</strong> durch die<br />

Lüftungsgitter in den Straßen in der ganzen Stadt präsent. Dazu gibt es ein dichtes Netz von<br />

Busverbindungen.<br />

Jeder der im weiterem Verlauf dieser Arbeit beschriebenen Punkte hat eine eigene Subwaystation<br />

<strong>und</strong> eigene Bushaltestellen. Der Aspekt der infrastrukturellen Erschließung ist somit<br />

66


vernachlässigbar, weil er bei allen Situationen ausreichend gesichert ist. So ist eine Erreichbarkeit<br />

zu jeder Tageszeit mit der Subway, dem Bus oder zu Fuß vorhanden. Mit dem Auto<br />

ist dies nicht möglich. Der Broadway ist zum Teil Einbahnstraße. Daneben gibt es außer den<br />

Randstreifen kaum Parkmöglichkeiten.<br />

B.3.3 Das Projektgebiet<br />

Das Projektgebiet beschränkt sich auf kleine Auswahl von Plätzen<br />

die durch ihre Nähe <strong>und</strong> ihre Verschiedenheit im Zusammenhang<br />

stehen. Prinzipiell könnte man sich am Beispiel New York, anders<br />

als am Beispiel Madrid, auf das gesamte Stadtgebiet nördlich der<br />

14ten Straße beziehen. Das würde aber den Rahmen dieser Arbeit<br />

sprengen. So beschränken wir uns auf den Teil des Broadways<br />

zwischen der 23ten <strong>und</strong> der 59ten Straße, also zwischen Madison<br />

Square über Times Square bis zum Columbus Circle. Die Angabe<br />

bestimmter Stadtteile ist nicht möglich, weil die Übergänge<br />

untereinander fließend sind. So lässt sich z.B. die Grenze zwischen<br />

Koreatown <strong>und</strong> Little India nicht genau definieren. Noch<br />

weniger kann man sagen, dass der Broadway die Grenzlinie ist.<br />

Der Broadway verläuft durch Stadtteile hindurch.<br />

67


B.4.1 Die typische Rasterstruktur<br />

B.4.1 Das Raster<br />

Das heutige Raster nimmt die gesamte Halbinsel Manhattans ein. Es beginnt, wie oben<br />

erwähnt, aus historischen Gründen an der 14ten Straße <strong>und</strong> lässt sich bis zur 193ten Straße<br />

verfolgen. Die Nord-Süd Verbindung besteht aus 12 Avenuen <strong>und</strong> die West-Ost Verbindung aus<br />

179 Querstraßen. Die Ausbildung folgte dem „Commissioners-Plan“ von 1811: Die Avenuen<br />

sind etwa 30 Meter, die Querstraßen etwa 20 Meter breit. Daneben gibt es in regelmäßigen<br />

Abschnitten breite (auch 30m) Querstraßen (14te, 23te, 34te, 42te, 52te, 59te, 72te, 79te,<br />

86te, 96te, 110te, 116te, 125te, 135te, 145te, 155te) die die schmaleren Querstraßen entlasten.<br />

In der Regel sind die schmalen Querstraßen Einbahnstraßen <strong>und</strong> die breiten Querstraßen<br />

<strong>und</strong> die Avenuen in beiden Richtungen befahrbar. Das Raster bringt eine einfache Hausnummerierung<br />

mit: Die Fifth Avenue teilt die Nummern in Ost- <strong>und</strong> West, aufsteigend beginnend an<br />

der Fifth Avenue mit Null <strong>und</strong> zum Hudson River bzw. East River hin aufsteigend. Die ungeraden<br />

Nummern sind dabei jeweils die nördliche Straßenseite. Die Avenuen sind von Norden nach<br />

Süden durchnummeriert. Da jedoch diese Straßen nicht auf einer Höhe beginnen, benötigt man<br />

einen Schlüssel um die Hausnummer zu lokalisieren.<br />

69


B.4.2 Wie sähe NY ohne Broadway aus? - Ein ausgewählter Block im Raster<br />

Die Frage wie New York ohne Broadway aussähe, ist schwierig. Fakt ist, dass sich an den Kreuzungen<br />

des Rasters mit dem Broadway Attraktoren gebildet haben, d.h. Gebiete oder Orte von<br />

höherer Anziehungskraft als im umliegenden Raster. Ob es sich bei der Anziehungskraft aber<br />

um Qualitäten oder aber um fehlende Qualitäten handelt sei hier noch nicht beantwortet.<br />

Was macht diese Punkte in der Stadt aus? Sind sie nur<br />

Kreuzungen oder sind sie mehr?<br />

Um der Frage nach der <strong>Rasterstörung</strong> näher zu kommen,<br />

ist ein Blick auf einen ungestörten Punkt, bzw. Block,<br />

im Raster unabdingbar. Betrachten wir also zum Beispiel<br />

einen Wohnblock im Stadtteil Hell´s Kitchen auf<br />

Höhe der 45ten Straße <strong>und</strong> der 10ten Avenue:<br />

Die Blöcke sind durchgehend sechsstöckig bebaut.<br />

Sowohl die Nord- <strong>und</strong> Südseite zu den Querstraßen<br />

als auch die West- <strong>und</strong> Ostseite zu den Avenuen<br />

sind gleichwertig. Polaritäten bestehen nicht. Überall<br />

herrscht Betrieb. Die Hauptannäherungsrichtung ist<br />

nicht zu definieren.<br />

Der Block ist parzelliert, im Innenhof bilden sich<br />

schmale <strong>und</strong> dunkle Höfe. Die Höfe sind nur durch die<br />

Gebäude selber erschlossen. Jede Parzelle ist einzeln<br />

bebaut worden. Absprachen in bezug auf Material oder<br />

Gestaltung sind selten. Der Eingang befindet sich im<br />

ersten Geschoss. Im Souterrain befinden sich entweder<br />

billigere, wenig belichtete Wohnungen oder kleinere<br />

Läden oder Wäschereien. Der Müll lagert unterhalb der<br />

Treppe <strong>und</strong> wartet auf die tägliche Abholung.<br />

Die Bebauung ist dicht <strong>und</strong> es fehlen Freizeiteinrich-<br />

Oben: Rasterkreuzung<br />

Unten: Eingangssituation<br />

71


Unbebaute Parzelle als<br />

Parkplatz oder Spielplatz<br />

tungen <strong>und</strong> Parkplätzen. Zum Ausgleich sind einzelne Parzellen nicht bebaut worden (oder noch<br />

nicht?). Hier finden sich dann lokale Ausgleichsflächen. Viele Flächen dieser Art sind von kleinen<br />

„Community Gardens“, d.h. privat verwaltete Grünflächen die von den Anwohnern gepflegt<br />

<strong>und</strong> finanziert werden, besetzt. Andere sind für Parkflächen freigehalten. Aus Platzmangel sind<br />

hier keinerlei Gassen freigehalten, sondern es ist üblich das alle Autos von Parkplatzwächtern<br />

dicht eingeparkt werden.<br />

Wichtigste Erkenntnis dieser Beobachtung ist das<br />

Fehlen von Zentren. Durch die Homogenität des<br />

Rasters fehlt es gänzlich an öffentlichen Räumen<br />

die das Leben in der Stadt beeinflussen <strong>und</strong> gestalten.<br />

Dieses Beispiel eines Wohnblocks ist genauso<br />

auf einen Büroblock, wie z.B. in Midtown anwendbar.<br />

Einziger Unterschied ist die zehn- bis zwanzigfache<br />

Traufehöhe.<br />

72


B.5. Der Broadway<br />

Mit seinem Ursprung im Fort Amsterdam behauptete der Broadway schon seit den Anfängen von<br />

New York seine Bedeutung. War er früher nur ein Trampelpfad für Pelzhändler, so ist er heute<br />

bedeutender als alle Avenuen. Nur deshalb konnte er auch seine Position gegen den Plan von<br />

1811 behaupten. Er ist mit fast 25 Kilometer Länge eine der längsten Stadtstraßen der Welt. Die<br />

Bedeutsamkeit bezieht sich sowohl auf die Infrastruktur aber vielmehr auf den Namen. Welches<br />

Musical, welches Theater möchte nicht „On Broadway“ sein, ist aber nur „Off Broadway“, oder<br />

sogar „Off-Off Broadway? Er verspricht Glanz <strong>und</strong> Glamour, Geld <strong>und</strong> Ruhm.<br />

Unter holländischer Herrschaft war der Broadway (De Heere Straet) ein breiter Trampelpfad. Die<br />

Westseite war gesäumt von ländlichen Hütten dessen Gärten bis zum Hudson reichten während<br />

die Ostseite von ärmlichen Handwerkerbaracken gezeichnet war. Unter britischer Herrschaft<br />

wurden schließlich St. Paul‘s <strong>und</strong> Trinity Church gebaut. Der Broadway wurde mehr <strong>und</strong> mehr<br />

zur guten Adresse. An der nun befestigten Strasse wohnten wohlhabende Leute, vor allem<br />

Rechtsanwälte, Kapitäne <strong>und</strong> Kaufleute. Das große Feuer von 1776 zerstörte den kolonialen<br />

Broadway. Der Wiederaufbau erfolgte mit drei- bis vierstöckigen Gebäuden. Noch war der Broadway<br />

eine Strasse privater Residenzen. Aber mit dem Bau eines Hotels oberhalb der Trinity<br />

Church 1794 <strong>und</strong> der Eröffnung des Park Theaters in Park Row vier Jahre später, begann eine<br />

Tendenz der Bebauung Richtung Norden. Bis 1850 waren die modischsten Läden noch unter-<br />

73


74


Broadway<br />

75


halb der Canal Street. Die Strassen unterhalb von City Hall fielen mehr <strong>und</strong> mehr in die Hände<br />

von Kaufleuten. Währendessen trug der Broadway sein helles Licht nordwärts, Jahrzehnt für<br />

Jahrzehnt. Höhepunkte waren dann die „Ladies‘ Mile“ von eleganten Läden zwischen Union<br />

Square <strong>und</strong> Madison Square <strong>und</strong> „The Great White Way“ von Theatern oberhalb des Times<br />

Squares. Im 20ten Jahrh<strong>und</strong>ert verlor der Broadway aber wieder an Glanz. Das Modegeschäft<br />

<strong>und</strong> die Luxushotels wanderten über zur Fifth <strong>und</strong> Park Avenue <strong>und</strong> die Großkinos machen den<br />

Theatern das Leben schwer.<br />

Heute wechselt der Broadway aber auch extrem sein Gesicht. Von dem Glanz <strong>und</strong> Glamour ist<br />

im Norden, in dem Bereich in dem der Broadway die West End Avenue ersetzt, nichts zu spüren.<br />

Dort folgt er den Avenuen oder ist parallel zu diesen angeordnet. Außer dem Namenschild ist<br />

kein Unterschied zu den Nord-Süd Verbindungen zu erkennen. Broadway ist nicht gleich Broadway.<br />

Aus verkehrstechnischer Sicht ist der Broadway zwar wichtig, aber nicht unumgänglich.<br />

Die Hauptverkehrsströme werden auf die beiden Highways direkt am Hudson River <strong>und</strong> East<br />

River umgeleitet. So erfolgt eine Entlastung der Rasterstraßen aber auch eine Verbauung der<br />

Uferzone. Diese ist nur teilweise erreichbar. Folgt der Broadway noch nördlich der 79ten Straße<br />

den Avenuen, so verläuft er südlich davon diagonal zum Raster. Aufgr<strong>und</strong> seiner Breite ist der<br />

Broadway hier aber nur in einer Richtung befahrbar. Trotzdem ist er eine schnelle Diagonalverbindung.<br />

Südlich der 14ten Straße verläuft er dann wieder im historischen Kontext.<br />

An den Stellen an denen der Broadway auf die Avenuen trifft, haben sich wichtige <strong>und</strong><br />

markante Orte herausgebildet. Hier treffen dementsprechend viele Straßen aufeinander: die<br />

Avenue, die Querstraße <strong>und</strong> der Broadway. Durch den spitzen Winkel entstanden an jeder Kreuzungsstelle<br />

prägnante Restflächen die verschieden genutzt oder bebaut sind. Spricht man sonst<br />

von Restflächen, so assoziiert man meist ungenutzten Raum. Ungenutzter Stadtraum ist in New<br />

York, <strong>und</strong> besonders in den Toplagen am Broadway so gut wie ausgeschlossen.<br />

Insgesamt trifft der Broadway an neun prägnanten Stellen auf das Raster. Alle Stellen bilden<br />

verschiedene Qualitäten, aber auch Schwachpunkte aus. Sie haben verschiedene Funktionen<br />

<strong>und</strong> dementsprechend verschiedene demographische Schwerpunkte.<br />

76


Herald Square<br />

Broadway/Sixth Avenue<br />

Madison Square<br />

Broadway/Fifth Avenue<br />

Union Square<br />

Broadway/Park Avenue<br />

77


Lincoln Square<br />

Broadway/Ninth Avenue<br />

Columbus Circle<br />

Broadway/Eigth Avenue<br />

Times Square<br />

Broadway/Seventh Avenue<br />

78


Mitchell Square<br />

Broadway/St. Nicolas Avenue<br />

Strauss Park<br />

Broadway/West End Avenue<br />

Verdi Square<br />

Broadway/Amsterdam Avenue<br />

79


Annäherung<br />

Oben: von Norden<br />

Unten: von Süden<br />

B.6. Beschreibung <strong>und</strong> Analyse einzelner Kreuzungspunkte<br />

Wie auch schon ber der Bearbeitung Madrids werden im folgenden Teil drei verschiedene<br />

Raumsituationen genauer betrachtet. Die wichtigste Fragestellung soll<br />

dabei auch hier sein, ob der Broadway an den untersuchten Orten ein trennendes<br />

oder ein verbindendes Element zwischen den Rasterelementen ist <strong>und</strong> welche<br />

besonderen Qualitäten vorhanden sind.<br />

B.6.1 Madison Square<br />

Hier trifft der Broadway auf der Höhe der 23ten Straße auf die Fifth Avenue. Die<br />

Erwartungshaltung an eine Kreuzung von zwei weltbekannten Straßen ist groß.<br />

Der Madison Square ist vor allem durch das Flatiron Building geprägt. Welcher<br />

Reiseführer, welcher Bericht über New York enthält nicht eine Abbildung dieses<br />

Gebäudes? Auch für das Thema der Störstellen ist es von zentraler Bedeutung.<br />

Wäre das Flatiron Building genauso bekannt oder wäre es genauso ausgebildet<br />

wenn es auf einem rechteckigen Gr<strong>und</strong>stück stehen würde? Wohl kaum. Allein<br />

durch den markanten Zuschnitt durch den Verlauf des Broadways entstand eines<br />

der bekanntesten Gebäude der Welt.<br />

81


Nähert man sich von Norden aus an, so sticht das Gebäude ins Auge. Es ist der einzig wichtige<br />

Punkt an diesem Ort. Kommt man von Süden, so ist die Gefahr groß, Madison Square zu übersehen<br />

<strong>und</strong> sich auf das Empire State Building zu konzentrieren. Dieses ist nur einige Blöcke<br />

weiter nördlich gelegen <strong>und</strong> dominiert durch seine Höhe <strong>und</strong> seinen Bekanntheitsgrad den Blick<br />

des Passanten.<br />

Betrachtet man die Raumbildung des Madison Squares, so fällt die Undefiniertheit der Gebäudekanten<br />

auf. Die angrenzenden Bauten bilden keine gemeinsame Kante, sie haben verschiedene<br />

Höhen, Maßstäbe <strong>und</strong> Gliederungen. Durch diese Undefiniertheit <strong>und</strong> durch die Breite der<br />

Vekehrswege ist auch der für den Fußgänger nicht bestimmt. Nur durch die Ansammlung von<br />

hohen Bäumen bildet sich der Raum des Parks ab.<br />

Die Kreuzung des Brodaways mit der Fifth Avenue bildet die südwestliche Ecke des eigentlichen<br />

Madison Square Parks. Der Kreuzungsbereich selbst ist durch eine unüberschaubare Verkehrsführung<br />

für den Fußgänger nicht nutzbar. Er ist eine Ansammlung von überdimensionierten Verkehrswegen<br />

<strong>und</strong> Absperrungen. Die Fußgänger werden durch Gitter daran gehindert die Straße<br />

zu überqueren. So sind nur wenige Überquerungsmöglichkeiten vorhanden <strong>und</strong> man unterwirft<br />

sich einer dominaten Führung von Ampeln <strong>und</strong> Verkehrsinseln. Auch der Bodenbelag ist <strong>und</strong>efiniert.<br />

Überall ist nur die übliche Ortbetonbauweise der Gehwege zu finden. Dieser wird<br />

hergestellt, indem man zuerst eine hohe Bordsteinkante aus Stahl setzt, dann diese Kante verfüllt<br />

wird <strong>und</strong> letztlicht den Rest einfach ausbetoniert.<br />

Zum Schluss wird der noch feuchte<br />

Beton glatt gestrichen <strong>und</strong> in ein willkürliches<br />

Raster aufgeteilt. Sind Rohrarbeiten gefordert,<br />

so wird einfach der Beton entsprechend aufgeschnitten<br />

<strong>und</strong> später wieder mit der gleichen<br />

Methode verfüllt.<br />

Der Park selbst ist das Gegenteil vom Verkehrsraum.<br />

Er ist eine grüne Oase inmitten de Stadt<strong>und</strong><br />

Verkehrsstruktur. Seine Form ist aufgr<strong>und</strong><br />

Straßenbreite<br />

83


Madison Square Park<br />

des Broadways trapezförmig zulaufend. Er bietet Verweilqualitäten <strong>und</strong> ist bis ins Detail ausgeformt.<br />

Neben einer Vielzahl von gestalteten <strong>und</strong> gepflasterten Wegen, Wiesen <strong>und</strong> Plätzen,<br />

gibt es einen sogenannten „Dog Run“, ein eingezäunter Bereich für H<strong>und</strong>e. Er ist Treffpunkt für<br />

H<strong>und</strong>ebesitzer, die ihre H<strong>und</strong>e hier frei herumlaufen lassen können.<br />

Die angrenzenden Gebäude beinhalten hauptsächlich Wohnungen <strong>und</strong> Büros. Betrachtet man<br />

auf Fußgängerniveau die Schaufenster, so lassen sich nur wenige gewerbliche Nutzungen<br />

finden. Trotz der repräsentativen Lage am Broadway <strong>und</strong> an der Fifth Avenue sind hier nur<br />

einige wenige Banken <strong>und</strong> Telefongesellschaften zu finden.<br />

Betrachtet man die Personen, die sich den Tag über am Madison Square aufhalten, so sind drei<br />

verschiedene Personenkreise zu erkennen: Anwohner, Angestellte der ansässigen Firmen <strong>und</strong><br />

Touristen. Die Touristen verweilen nur kurz auf dem Weg zum Empire State Building am Flatiron<br />

Building um ein Foto zu machen. Die Angestellten nutzen den Madison Square Park während<br />

der Mittagspause <strong>und</strong> die Bewohner, vor allem die H<strong>und</strong>ebesitzer, sind vor <strong>und</strong> nach der Arbeit<br />

im Park anzutreffen.<br />

Im Kontext des Themas stellt sich die Frage nach den Qualitäten. Der Hauptanziehungspunkt ist<br />

ohne Zweifel das Flatiron Building. Nur durch den Zuschnitt des Gr<strong>und</strong>stücks entstand ein Beispiel<br />

außergewöhnlicher Architektur. Daneben wurden drei Häuserblöcke für den Park freigelassen.<br />

Der Park bietet einen qualitätsvolle öffentliche Grünzone inmitten eines hoch verdichteten<br />

Stadtraums. Der Central Park ist für die kurzzeitige Entspannung zu weit entfernt.


Zusammenfassend sei gesagt, dass es der Madison Square trotz<br />

seiner trennenden Wirkung schafft, ein Attraktor für die umliegenden<br />

Blöcke zu sein. Er ist dementsprechend eine <strong>Nahtstelle</strong><br />

trotz überdimensioniertem Straßenraum.<br />

Geschäftsfassaden


Annäherung<br />

Oben: von Süden<br />

Unten: von Norden<br />

B.6.2 Times Square<br />

Eine der wohl bekanntesten Störstellen ist der Times Square. Hier trifft der Broadway<br />

auf die 7th Avenue. Durch den spitzen Winkel des Broadways ist der Kreuzungspunkt<br />

extrem lang <strong>und</strong> schmal, so dass ist der Städtebau zwischen der<br />

42ten <strong>und</strong> 47ten Straße direkt beeinflusst wird.<br />

Der Times Square ist von weit her sichtbar. Die Gebäude werden höher <strong>und</strong><br />

machen durch Displays <strong>und</strong> Plakate auf sich aufmerksam. Nähert man sich dem<br />

Times Square, so ist der Eindruck sowohl von Norden als auch von Süden gleich.<br />

Das Auge wird überfrachtet von glitzernden <strong>und</strong> leuchtenden Monitoren. Punkte<br />

der Fokussierung gibt es nicht, alles ist maßstabslos. Differenzierungen gibt es<br />

nur in der Verschiedenheit der Werbebotschaften.<br />

Betrachtet man die Kanten der umliegenden Gebäude, so ist in den letzten<br />

Jahren eine deutliche Entwicklung zu erkennen. War früher noch das zweiflügelige<br />

Mariott Marquis Hotel das höchste Haus am Platz, so sind inzwischen mehrere<br />

andere Gebäude direkt zum Times Square hin höher <strong>und</strong> prägnanter. Das<br />

Letzte fertiggestelltes Gebäude ist das „Condé-Nast Building“ von Fox and Fowle<br />

mit der Cafeteria von Frank O. Gehry. Gegenüber steht das nächste Hochhaus kurz<br />

vor der Fertigstellung. Die drastische Entwicklung schließt die letzten Baulükken<br />

zum Times Square <strong>und</strong> trägt zur genaueren Definierung des Raumes bei. Die<br />

87


1. Preis zur Neugestaltung der tkts-Ticketgeschäftstelle<br />

Stirnseiten des Times Square sind nicht wie beim Madison Square mit einem<br />

markanten Gebäude versehen, sondern bestehen aus einem überdimensionierten<br />

Billboard. Diese Billboards sind in den unteren Etagen mit Geschäften <strong>und</strong> Bars<br />

abgefüllt.<br />

Der eigentliche Platz des Times Squares ist, genau genommen, gar kein Platz,<br />

sondern eine Ansammlung von Verkehrs- <strong>und</strong> Restflächen. Der Times Square<br />

besteht nur aus einer Aufweitung im Straßenraum, ein Block wurde hier nicht<br />

freigelassen. Betrachtet man nun diese als Times Square definierten Restflächen,<br />

so w<strong>und</strong>ert man sich warum dieser Ort so wichtig geworden ist. Es gibt keinerlei<br />

Orte zum Verweilen, nur lange Wege zwischen Absperrungen <strong>und</strong> über Verkehrsinseln.<br />

Sämtliche Bodenbeläge sind aus der üblichen Ortbetonbauweise. Auf<br />

diesen trapezförmigen Inseln stehen insgesamt drei kleine Baracken. Zum einen<br />

eine Polizeistation <strong>und</strong> ein Armee Rekrutierungspavillon <strong>und</strong> zum anderen der<br />

tkts-Verkaufsstand am Duffy Memorial zum Erwerb von verbilligten Theater- <strong>und</strong><br />

Musicalkarten. Alle drei Gebäude widersetzen sich der Gr<strong>und</strong>stückssituation <strong>und</strong><br />

steuern nicht zur Raumbildung bei. Aber auch hier sind Anstrengungen um die<br />

Situation zu verbessern zu erkennen. Aktuellstes Beispiel ist der Wettbewerb für<br />

die Neugestaltung des tkts-Verkaufsstandes. Allein schon die Teilnehmerzahl von<br />

fast 800 Arbeiten zeigt die Popularität dieses Ortes. Bei der Auswahl des ersten<br />

Preises wurde auf den Städtebau Wert gelegt. Der Entwurf bezieht die Verkehrsinsel<br />

<strong>und</strong> das Duffy Memorial ein indem es sich zum Memorial abtreppt <strong>und</strong> so eine<br />

Verweilmöglichkeit bildet. Dazu bietet er dem Memorial eine würdige Bühne.<br />

Die Aktivitäten der letzten Jahre sind auf die wachsende Attraktivität des Times<br />

Squares zurückzuführen. Die angrenzenden Gebäude sind von Fernsehstationen<br />

(u.a. MTV, NBC), Musicals, Theatern, Hotels <strong>und</strong> Büros belegt. Wichtig ist für<br />

alle die ständige Medienpräsenz. Daneben haben sich auf dem Fußgängerniveau<br />

Geschäfte für den Bedarf der Touristen niedergelassen. Hier sind Fast Food,<br />

Sportbekleidung, Billigelektronik <strong>und</strong> Souvenirs zu finden. Das Gebiet um den<br />

89


86<br />

Geschäftsfassaden<br />

90


Times Square herum ist das Zentrum des Pauschal- <strong>und</strong> Billigtourismus in New York. Hier finden<br />

sich viele preiswerte Hotels. Die teuren <strong>und</strong> noblen Adressen sind an anderen Punkten, wie<br />

zum Beispiel mit Blick auf den Central Park, zu finden.Betrachtet man die Nutzungen am Times<br />

Square, so hat sich das Bild aus den glamourvollen 50er Jahren gewandelt. Viele der Broadway<br />

Theater sind großen Kinokomplexen, Musicals oder Videospielhallen zum Opfer gefallen. Überleben<br />

konnten am Broadway nur die weltbekannten Shows wie Chicago oder Cats.<br />

Entsprechend dem Angebot setzt sich die zeitliche Nutzung des Times Squares zusammen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist dies aber der Ort mit der höchsten Personendichte über 24 St<strong>und</strong>en verteilt.<br />

Stoßzeiten gibt es kaum, es herrscht immer das Gefühl der Überfüllung des engen Raumes. Hier<br />

trifft man auch noch um 4 Uhr früh Menschen an. Viele Geschäfte haben dementsprechend auch<br />

24 St<strong>und</strong>en geöffnet.<br />

Abschließend sei gesagt, dass der Times Square<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner Ausbildung, der schmalen Aufweitung<br />

des Broadways, nur bedingt als trennendes<br />

Element im Stadtraum bezeichnet werden kann.<br />

Er ist räumlich durch die angrenzende Bebauung<br />

gefasst, weist aber keinerlei Platzqualitäten auf.<br />

Insgesamt ist der Times Square aber eine <strong>Nahtstelle</strong>.<br />

Er ist Attraktor <strong>und</strong> Zentrum des Theater<br />

District <strong>und</strong> hat fast magische Magnetwirkung auf<br />

Besucher <strong>und</strong> das ganze Stadtgebiet.<br />

91


B.6.1 Columbus Circle<br />

Links: Annäherung von Süden<br />

Rechts: Gallery of Modern Art<br />

Der Columbus Circle ist die nach Union <strong>und</strong> Madison Square größte Störstelle. Hier trifft der<br />

Broadway auf die Eigth Avenue <strong>und</strong> die 59te Straße. Er bildet die Südwestliche Ecke des Central<br />

Parks <strong>und</strong> nimmt deshalb eine Sonderstellung ein.<br />

Nähert man sich dem Columbus Circle an, so bemerkt man zuerst die großzügige Öffnung des<br />

Raumes. Von Süden fällt der Blick direkt auf den Trump Tower, von Norden auf die Gallery of<br />

Modern Art. Die, wie der Name schon sagt, kreisförmige Ausformulierung des Platzes spiegelt<br />

sich nicht in der städtebaulichen Situation wieder. Allein die oriental anmutende Gallery of<br />

Modern Art <strong>und</strong> das angrenzende Wohnhaus haben sich dem Kreis des Columbus Circle unterworfen<br />

<strong>und</strong> folgen mit der Fassade der Straßenführung. Dominantestes Objekt ist das Coliseum,<br />

ein Veranstaltungs- <strong>und</strong> Ausstellungsgebäude. Es widersetzt sich dem Platz <strong>und</strong> zeigt neben<br />

einem Büroturm eine massige, maßstabs- <strong>und</strong> fensterlose Fassade. Allein die nordöstliche Ecke<br />

zeigt durch eine Abschrägung den Einfluss des Broadways. Auch der Trump Tower widersetzt<br />

sich der Störstellungssituation. Es sitzt mit seinem rechtwinkligem Gr<strong>und</strong>riss auf einem durch<br />

den Broadway geformten, trapezförmigen Gr<strong>und</strong>stück. Auf diesem befindet sich ein privater<br />

(Grün-)raum des Trump Towers.<br />

93


So ist die Raumbildung des Columbus Circles absolut <strong>und</strong>efiniert. Er zerfällt in einzelne Teile<br />

<strong>und</strong> wird nur durch die Verkehrsführung an den Kreis erinnert. Ambitionen für eine Shopping<br />

Mall oder einen Theater- <strong>und</strong> Opernkomplex von 1950 <strong>und</strong> 1957, die in ihrer städtebaulichen<br />

Geste den Kreis verstärken wollten, wurden nicht realisiert.<br />

Links: Trump Tower<br />

Rechts: Mittelkreis<br />

Betrachtet man die Oberflächen, so sind außer den typischen Ortbetongehwegen noch gepflasterte<br />

Abschnitte zu finden. Sie suggerieren eine angedachte Platzgestaltung, schaffen es aber<br />

nicht den Platz zu ordnen. Trotzdem gibt es fast keinerlei Aufenthaltqualitäten am Columbus<br />

Circle. Allein auf einer Insel in der Mitte des Kreises findet man ein Stück Rasen <strong>und</strong> Sitzgelegenheiten.<br />

Durch das sehr hohe Verkehrsaufkommen an dieser Stelle ist die Erreichbarkeit<br />

dieses Ortes aber äußerst schwierig <strong>und</strong> nur an wenigen Stellen möglich. Wichtigste Elemente<br />

am Columbus Circle sind die beiden Ausgänge der Subway. Einer befindet sich am Fuß des Trump<br />

Towers <strong>und</strong> der Andere gegenüber unter einem quadratischen Dach. So ist die Subwaystation<br />

wichtiger Startpunkt für den Besuch des Central Parks.<br />

Insgesamt sind am Columbus Circle nur wenige Nutzungen vorhanden. Vom Fußgängerniveau<br />

sind die meisten Fassaden abweisend <strong>und</strong> geschlossen. Allein das Eckhaus bietet eine Schreib-<br />

95


warenbedarfsladen. Dieses unterstreicht die These des Durchgangspunktes. Wer zum Columbus<br />

Circle kommt hat ein bestimmtes Ziel. Für den Touristen ist dies meist der Central Park, für den<br />

New Yorker meist eine umliegende Wohnung.<br />

Entsprechend der wenigen Nutzung ist der Platz Tag <strong>und</strong> Nacht nahezu verweist. Nur in den<br />

Stoßzeiten findet man Bewohner die eilig zur Subway gehen.<br />

Durch die Randlage des Columbus Circle zum Central Park ist der Ort nur schwer in den Kontext<br />

der Störstellen einzuordnen. Attraktor ist hier allein der Central Park. Der Columbus Circle ist<br />

durch seine Größe <strong>und</strong> sein Undefiniertheit als trennendes Element zu sehen.<br />

Wettbewerb zur Gestaltung des Columbus Circle<br />

Proposal 1: Shopping Mall, 1950<br />

96


Wettbewerb zur Gestaltung des Columbus Circle<br />

Proposal 2: Konzerthalle <strong>und</strong> Oper, 1957<br />

B.7. Bewertung der Störsituationen<br />

Zusammenfassend sei gesagt, dass man alle Störstellen als attraktive<br />

<strong>und</strong> verbindende Elemente im städtischen Kontext sehen kann.<br />

Nur der Columbus Square <strong>und</strong> der Lincoln Square nehmen Sonderrollen<br />

ein. An diesen Stellen wird durch die höhere Attraktivität des<br />

Central Parks <strong>und</strong> des Lincoln Centers die Aufmerksamkeit umgeleitet.<br />

Insgesamt wird jede auch noch so kleine Aufweitung des Straßenraumes<br />

genutzt, Attraktoren auszubilden. Nur an einigen Orte wie dem Madison Square <strong>und</strong> dem<br />

Union Square konnten öffentliche Grünflächen mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen. Andere<br />

machen Restflächen zum Programm. So entwickelten sich inmitten eines hoch verdichteten<br />

Stadtraumes qualitätsvolle Grün-, Platz <strong>und</strong> Straßenräume.<br />

Die Gemeinsamkeit der Orte, <strong>und</strong> man kann sie aufgr<strong>und</strong> ihrer Ausbildung mit Recht als<br />

Orte bezeichnen, ist die Undefiniertheit der Gebäudekanten. Zurückzuführen ist dies auf die<br />

ungenügenden städtebaulichen Vorgaben. Die Zoning Laws bestehen heute immer noch, d.h.<br />

die zulässige Gebäudehöhe ist abhängig von der Größe des Gr<strong>und</strong>stückes. Außerdem gibt es<br />

inzwischen auch Gesetze die die Geschosszahlen in verschiedenen Stadtbezirken definieren.<br />

Diese sind aber aufgr<strong>und</strong> von Ausnahmeregelungen <strong>und</strong> politischen Einflüssen nur bedingt<br />

wirksam. So ist es z.B. legitim, in einem Gebiet einer 12-stöckigen Bebauung, seinem 7 Stockwerke<br />

hohen Nachbar 5 Stockwerke des Luftraumes abzukaufen <strong>und</strong> so ein Gebäude mit 17<br />

Stockwerken zu errichten. Insgesamt ist allerdings eine stärkere städtebauliche Ambitionen zu<br />

erkennen. So werden noch bestehende Baulücken geschlossen <strong>und</strong> andere, niedrig bebaute,<br />

Gebäude aufgestockt.<br />

Auffallend ist, dass alle Orte, bis auf den Columbus Square, <strong>Nahtstelle</strong>n ausbilden. Sie bilden, in<br />

der jeweiligen Umgebung, zum einen ein Zentrum für die Bewohner selbst <strong>und</strong> üben außerdem<br />

eine starke Anziehungskraft auf Besucher aus.<br />

97


8. Fazit<br />

Am Anfang unserer Untersuchungen stand das große Interesse, die besondere städtebauliche<br />

Situation der Störstellen in zwei uns sehr vertrauten Städten untersuchen zu wollen. Der Reiz<br />

der Aufgabe lag in der Analyse von Straßenräumen, die wir uns nicht erst durch Pläne <strong>und</strong><br />

Photos erschließen mußten, sondern die uns bereits bekannt waren <strong>und</strong> durch die wir uns als<br />

Besucher <strong>und</strong> Bewohner der jeweiligen Stadt bewegten <strong>und</strong> erlebten. Im Vorfeld der Arbeit<br />

kehrten wir nach New York <strong>und</strong> Madrid zurück, diesmal jedoch um die Orte <strong>und</strong> das Phänomen<br />

der Störstellen mit den Augen des Forschenden zu erk<strong>und</strong>en.<br />

Im Laufe der Einzelbearbeitungen kristallisierte sich dann heraus, daß sich die formal sehr<br />

ähnlichen Situationen in den beiden Städten als doch recht unterschiedlich herausstellten, was<br />

eine abschließende vergleichende Bewertung der Rasterstörstellen schwierig macht. Doch trotz<br />

der unterschiedlichen baulichen <strong>und</strong> strukturellen Voraussetzungen wie Verkehr, Bauvorschriften,<br />

Gebäudehöhen, Bauformen, Nutzungen <strong>und</strong> der historischen <strong>und</strong> inhaltlichen Bedeutung<br />

der Orte, liefern beide Beispiele wichtige Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Rasterstruktur<br />

<strong>und</strong> durchschneidender Diagonale.<br />

So können in beiden Städten alle Störstellen als Attraktoren bezeichnet werden, als Orte, die<br />

gegenüber einer typischen Rasterkreuzung eine unverwechselbarere räumliche Gestalt <strong>und</strong> Geometrie<br />

aufweisen. Die sich ergebenden besonderen Gr<strong>und</strong>stücksformen sind mit einprägsamen<br />

Architekturen besetzt, wie z. B. das Flatiron Building in New York oder das tortenstückähnliche<br />

Gebäude an der Plaza Goya in Madrid.<br />

Die speziellen Bauformen an den Kreuzungsbereichen geben den Orten ein Gesicht <strong>und</strong> lassen<br />

98


sie zu „Adressen“ werden. So ist beispielsweise Goya heute ein beliebtes exklusives Shopping-<br />

Zentrum <strong>und</strong> der Times Square geprägt <strong>und</strong> berühmt durch die Präsens der Medienbranche. Die<br />

Besetzung der Kreuzungspunkte mit besonderen Funktionen läßt sie also zu Zentren werden,<br />

die eine starke Anziehung auf die Bewohner der umliegenden Viertel, aber auch auf Besucher<br />

anderer Stadtteile <strong>und</strong> auf Touristen ausüben.<br />

In den althergebrachten Raumstrukturen, wie z. B. der mittelalterlichen Stadt, wurden die<br />

beschriebenen Aufgaben wie Markt, Handel <strong>und</strong> Dienstleistungen von Plätzen erfüllt, die<br />

gleichzeitig auch Kreuzungspunkte vieler Straßen <strong>und</strong> Gassen waren. Bei den untersuchten<br />

Strukturen verdrängt der starke Verkehr an den Störstellen diese Funktionen an den Rand der<br />

Kreuzungsbereiche. Obwohl die Kreuzungen in ihrer räumlichen Anlage platzartig angedacht<br />

waren (primär als Verkehrsraum, bei jedoch geringerem Verkehrsaufkommen), so kann man<br />

heute nicht mehr von Plätzen im eigentlichen Sinn sprechen, denn hier findet durch den starken<br />

Verkehr eine klare räumliche Trennung von Bereichen statt. Aber durch den Mangel von<br />

Platzstrukturen innerhalb des Rasters konnten die Störstellen z. T. deren Aufgaben übernehmen<br />

<strong>und</strong> somit ein wichtiges kommunikatives <strong>und</strong> verbindendes Element in den jeweiligen Stadträumen<br />

werden, wobei die Qualität dieser Orte, wie in den Einzelbearbeitungen näher erläutert<br />

wurde, sehr differenziert sein kann.<br />

Als Hauptergebnis unserer Untersuchungen können wir also festhalten, daß die Rasterstörstellen<br />

einen wichtigen Beitrag leisten um die in rigiden <strong>und</strong> schematischen Planungen angelegten<br />

Stadtstrukturen attraktiver zu machen <strong>und</strong> Identifikationen mit den unterschiedlichen Orten zu<br />

ermöglichen.<br />

99


9. Bilbliographie<br />

A Madrid<br />

* „Zentralspanien <strong>und</strong> Madrid“, H. P. Burmeister, DuMont, Köln 1997<br />

* „Madrid“, H. Bloss, dtv, München 1990<br />

* „Länder <strong>und</strong> Städte“, R. Allebrand, Brockhausverlag, Leipzig 1999<br />

* „Kastilien- Madrid“, R. Winter, Artemis Kunst & Reisen, München 1992<br />

* „Spaniens Städte“, D. Mehldorn, Verlag für Bau- <strong>und</strong> Planungsliteratur, Dortm<strong>und</strong> 1996<br />

* Reader Exkursion Madrid- Barcelona, W. Springmeister, Institut für Gebäudelehre <strong>und</strong><br />

Entwerfen Prof. Ostertag, Braunschweig 1995<br />

* „Guia de Madrid“, Collegio Oficial de Arquitectos, Madrid 1984<br />

* „Madrid- Urbanismo y Historia“, D. Rignrose, Madrid 1986<br />

* Werk Bauen <strong>und</strong> Wohnen 9/1984, S/ 14-63<br />

B New York<br />

*„New York 1960 - Architecture and Urbanism Between the Second World War and the<br />

Bicentennial“, Robert A. M. Stern, T. Mellins, D. Fishman; New York, 1995<br />

*„Das Bild der Stadt“, Kevin Lynch, Berlin, 1965<br />

*„ Vier Jahrh<strong>und</strong>erte Bauen in den USA“, James M. Fitch, Berlin, 1966<br />

* „Manhattan Skycrapers“, Eric P. Nash, New York, 1999<br />

100


* „The Historical Atlas of New York City - A Visual Celebration of nearly 400 Years of New York<br />

City‘s History“, Eric Homberger, New York, 1994<br />

* „Delirious New York - A Retroactive Manifesto for Manhattan“, Koolhaas, Rem; New York,<br />

1994<br />

* „Above New York“, Robert W. Cameron; New York, 1988<br />

* „The Making of Urban America. A History of City Planning in the United States“, J.W.<br />

Reps, Princeton, 1965<br />

* „American City Planning since 1890“, M. Scott, Berkeley 1971<br />

* „ History of Urban Form before the Industrial Revolution“, A.E. Morris,<br />

London, 1979<br />

* „Sandborn Manhattan Landbook“, New York, 2000<br />

* GEO Special New York, 1986<br />

* Reader New York Exkursion 1998, Institut für Städtebau <strong>und</strong> Landschaftsplanung, TU<br />

Braunschweig<br />

* „Four Times Square - Hochhaus am Broadway“, Suyanne Stephens, Bauwelt, 06/01, S.<br />

20-23<br />

* „NY@tlas“, Stephan Van Dam, New York, 1998<br />

* verschiedene Webseiten<br />

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