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Maturarbeit Rahel Weber - youngCARITAS

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Das Menschenrecht<br />

auf Nahrung allein sättigt nicht<br />

Überlegungen zur Problematik des Hungers in der Welt.<br />

Beispiele von Lösungsansätzen.<br />

Gedankenanstösse zur Verantwortung der westlichen Länder.<br />

Kantonsschule Im Lee Winterthur<br />

Maturitätsarbeit von <strong>Rahel</strong> <strong>Weber</strong>, 4bN<br />

Betreuer: B. Müller<br />

Effretikon, 2.02.2007<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung ____________________________________________________________ 4<br />

2. Hungersnöte in der Vergangenheit _____________________________________ 6<br />

2.1. Allgemeine Entwicklung mit dem Schwerpunkt auf Europa __________________ 6<br />

2.2. Hungersnot in der Ostschweiz__________________________________________ 7<br />

3. Ursachen von Hunger in Entwicklungsländern _________________________ 10<br />

3.1. Strukturell bedingter Hunger__________________________________________ 10<br />

3.1.1. Armut ________________________________________________________ 10<br />

3.1.2. Unzureichende Infrastruktur ________________________________________ 11<br />

3.1.3. Politik ________________________________________________________ 12<br />

3.1.4. HIV/Aids und andere Krankheiten ___________________________________ 13<br />

3.1.5. Stellung der Frau ________________________________________________ 14<br />

3.1.6. Veränderungen der Umwelt ________________________________________ 15<br />

3.1.7. Ungenügende Produktionssteigerung__________________________________ 15<br />

3.2. Konjunkturell bedingter Hunger _______________________________________ 17<br />

3.2.1. Klimatische Ursachen und Katastrophen _______________________________ 17<br />

3.2.2. Kriege und Konflikte _____________________________________________ 18<br />

3.3. Fazit_____________________________________________________________ 18<br />

4. Hungerhilfe _________________________________________________________ 20<br />

4.1. Ein Entwicklungsprojekt gegen Hunger in Äthiopien ______________________ 20<br />

4.1.1. Projektgebiet ___________________________________________________ 20<br />

4.1.2. Problematik____________________________________________________ 21<br />

4.1.3. Ziele _________________________________________________________ 22<br />

4.1.4. Geschichte von ADDA____________________________________________ 22<br />

4.1.5. Wo steht ADDA heute? ___________________________________________ 24<br />

4.2. Taten der betroffenen Staaten am Beispiel von Äthiopien ___________________ 25<br />

4.2.1. Rückblick in die Vergangenheit (1977-1991)____________________________ 25<br />

4.2.2. Heutige Lage ___________________________________________________ 26<br />

4.3. Rolle und Aktionen der „internationalen Gemeinschaft“ ____________________ 27<br />

4.4. Zwei Lösungsvorschläge zur Bekämpfung von Hunger: Gentechnik und nachhaltige<br />

Landwirtschaft ____________________________________________________ 29<br />

4.4.1. Gentechnik ____________________________________________________ 30<br />

4.4.2. Nachhaltige Landwirtschaft ________________________________________ 31<br />

5. Was unternehmen wir, die Zivilbevölkerung im Westen?________________ 34<br />

5.1. Übergewicht und Untergewicht _______________________________________ 34<br />

5.2. Unser Umgang mit Nahrungsmitteln ___________________________________ 35<br />

5.3. Verantwortung?____________________________________________________ 38<br />

5.4. Spenden __________________________________________________________ 38<br />

5.5. Was können wir gegen Hunger tun, was wird getan? Drei konkrete Beispiele. ___ 39<br />

6. Schlusswort _________________________________________________________ 41<br />

Anhang _________________________________________________________________ 43<br />

Literaturverzeichnis ______________________________________________________ 46<br />

3


1. Einleitung<br />

Motivation<br />

Ich interessiere mich sehr für die Probleme und Herausforderungen, welchen Entwicklungsländer in<br />

der heutigen Zeit begegnen müssen. Dies hat seinen Ursprung darin, dass ich in einem solchen Land<br />

aufwuchs und darum viele Schwierigkeiten selber sah und hautnah miterlebte. Die weitverbreitete<br />

Armut, Umweltverschmutzung oder die grosse Abholzung des Regenwaldes waren immer gegenwärtig.<br />

Ich bin ausserdem der Ansicht, dass uns diese entfernten Regionen auch etwas angehen und uns<br />

die Verbesserung ihrer Lage ein Anliegen sein sollte.<br />

Was mich besonders motivierte, gerade die Hungerproblematik in Angriff zu nehmen, waren ein Buch<br />

von Jean Ziegler und der Film „We feed the world“, welche die Absurdität unseres Verhaltens und der<br />

Zustände im Westen unter dem Blickwinkel des Welthungers betonen.<br />

Ziele<br />

Ziel meiner Arbeit ist, die verschiedenen Aspekte des Hungers genauer zu betrachten und zu erklären.<br />

Ich will aufzeigen, dass Hunger durch Einwirken verschiedener Komponenten entsteht, und diese dann<br />

erläutern. Eine genaue Differenzierung und Untersuchung der Umstände ist nötig, um einerseits ein<br />

Verständnis für die Probleme zu entwickeln und andererseits angebrachte Lösungsvorschläge erarbeiten<br />

zu können. Ausserdem will ich darauf aufmerksam machen, dass Hunger jeden von uns etwas angeht<br />

und nicht nur eine Angelegenheit der Dritten Welt ist, welche „die dort unten“ selber lösen sollen<br />

und können. Ich versuche, unsere Mitverantwortung und verschiedene Möglichkeiten zur Hilfe und<br />

Verbesserung der Situation aufzuzeigen.<br />

Vorgehen, Aufbau<br />

Um die oben genannten Ziele erreichen und das Hungerproblem aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten<br />

zu können, unterteilte ich meine Arbeit in vier Themengruppen.<br />

Während meinen Recherchen stiess ich auf interessante und aufschlussreiche Literatur über Hungersnöte<br />

in der Vergangenheit. Deshalb befasse ich mich zuerst mit einem Abriss der Geschichte des Hungers:<br />

Gibt es Gemeinsamkeiten, gleich verlaufende Entwicklungen wie heute? Was wurde unternommen?<br />

Welche Auswirkungen hatten Hungersnöte?<br />

Daraufhin untersuche ich die Umstände, die zu Hunger führen, genauer. Die zentralen Fragen dazu<br />

lauten folgendermassen: Wie entsteht Hunger? Welche Gegebenheiten haben einen Einfluss auf sein<br />

Vorkommen?<br />

Danach erscheint es mir wichtig, zu erwähnen, was von wem gegen den Welthunger unternommen<br />

wird. Was macht der betroffene Staat, was die kapitalreichen Industrieländer? Welche Projekte nehmen<br />

Hilfswerke in Angriff, um die Ernährungssicherung der Bevölkerung zu verbessern?<br />

4


Im dritten und letzten Teil befasse ich mich ganz spezifisch mit der Schweiz und ihrer Bevölkerung.<br />

Wie können wir helfen? Was für Zustände herrschen bei uns? Wie kann man Überernährung mit Unterernährung<br />

vereinbaren? Wie kann man Überernährung angesichts der weltweiten Unterernährung<br />

verantworten?<br />

Erfahrungen<br />

Während der Zeit, in welcher ich diese <strong>Maturarbeit</strong> schrieb, befasste ich mich nicht nur eingehend mit<br />

dem Thema Hunger, sondern mit vielen anderen interessanten Materien, die in direktem Zusammenhang<br />

mit meinem Schwerpunktthema stehen. Da die Hungerproblematik ein äusserst weitläufiges Gebiet<br />

ist, musste ich mich auf einen kleinen Teil dessen beschränken. Ich versuchte, mich auf das Wesentliche<br />

zu konzentrieren, was angesichts der Informationsflut, vor allem im Internet, ein schwieriges<br />

Unterfangen war. Das Verfassen der Arbeit war mir in vielem eine grosse Bereicherung. Das erste Mal<br />

beschäftigte ich mich während eines halben Jahres intensiv mit einem Thema, lernte viel Neues und<br />

kam mit Personen und Ansichten in Kontakt, von denen ich sonst wahrscheinlich nie etwas erfahren<br />

und gewusst hätte.<br />

Danksagung<br />

Die Arbeit konnte ich nur durch die Hilfe vieler Personen zu verfassen, denen ich hier meinen Dank<br />

aussprechen möchte:<br />

Herrn Müller für die Betreuung meiner Arbeit, Herrn Nussbaum für das interessante Interview und das<br />

Informationsmaterial, Herrn Ammann, der mich an die richtigen Stellen verwies, WorldVision und<br />

CSI, die meine Fragen beantworteten, meinen Eltern, welche mir mit Rat und Tat zur Seite standen,<br />

und allen anderen Personen, die mich während dieser intensiven Zeit unterstützten.<br />

5


2. Hungersnöte in der Vergangenheit<br />

Vor nicht allzu langer Zeit mussten auch unsere Vorfahren in Europa und sogar in der Ostschweiz mit<br />

Hunger kämpfen. In Krisenzeiten waren hauptsächlich die Mittelschicht und die Armen davon betroffen,<br />

da sie nicht genügend Geld hatten, um die benötigten Lebensmittel zu beschaffen. Die Wohlhabenden<br />

hingegen konnten sich durch ihren Reichtum den Zugang zu einer gesicherten Nahrungsversorgung<br />

auch in prekären Situationen erkaufen.<br />

2.1. Allgemeine Entwicklung mit dem Schwerpunkt auf Europa 1<br />

1750-1850: Dank der gesteigerten Agrarproduktion, Agrarreformen, der<br />

Industrialisierung und Verbesserungen in den Bereichen der Medizin und<br />

Hygiene wuchs die Bevölkerung in Europa rasch. Weil die Nahrungsmittelproduktion<br />

aber nicht in gleichem Masse gesteigert werden konnte, waren hohe<br />

Ausgaben für Essen und somit Ernährungsunsicherheit im 18. und bis Mitte des<br />

19. Jahrhunderts keine Seltenheit. Sobald die Ernten auf Grund von schlechtem<br />

Wetter gering waren oder ganz ausfielen, verteuerten sich die Lebensmittel und<br />

die ärmeren Leute konnten ihre Familien mit ihrem Lohn nicht mehr<br />

ausreichend versorgen. Vor allem die unteren Bevölkerungsschichten litten<br />

deshalb häufig an Unterernährung und Hunger.<br />

Seuchen wie die Pest, Kriege, etwa der Dreissigjährige Krieg, und die einseitige Ausrichtung der<br />

Landwirtschaft auf einen einzigen Anbauzweig, wie zum Beispiel in Irland die Kartoffel, verstärkten<br />

das Risiko einer grossflächigen Hungersnot.<br />

1850-1960: Ab Mitte des 19. Jahrhunderts blieben die klimatisch bedingten Hungersnöte aus.<br />

Grund dafür waren vor allem die Erfolge im Bereich der Ertragssteigerung durch Düngung, Herbizid-<br />

und Pestizideinsatz und resistente Pflanzenzüchtungen. Das Bevölkerungswachstum stabilisierte<br />

sich, was sich ebenfalls positiv auf die Ernährungssicherheit auswirkte. Die Nahrungsnachfrage<br />

wurde zunehmend nicht mehr von der Bevölkerungszahl, sondern vom Preis abhängig.<br />

In den 1930er Jahren schienen Sorgen um die Beschaffung des täglichen Brotes endgültig vergessen.<br />

Lebensmittel waren im Überfluss vorhanden und die Regierungen versuchten, die Geburtenzahlen<br />

wieder ansteigen zu lassen.<br />

Doch das Glück währte nicht lange. Während dem 2. Weltkrieg änderten sich die Zustände wieder.<br />

Versorgungsprobleme gehörten zum Alltag. In vielen Ländern war die Waffenproduktion an<br />

Stelle der Nahrungsmittelproduktion getreten. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges gelang die Si-<br />

1<br />

Von Blanckenburg, Peter: Welternährung, München 1986; S. 36- 39, 42- 49.<br />

6


cherung und Stabilisierung der Ernährungslage in Europa jedoch relativ schnell und grosse Hungersnöte<br />

sind hier bis heute nicht mehr aufgetreten.<br />

Die anderen drei Kontinente (Afrika, Asien, Südamerika), in denen das Hungerproblem weitaus<br />

gravierender war, erreichten dies nicht. In Indien herrschte 1943/44 eine Hungersnot, die zwei bis<br />

vier Millionen Tote forderte. Für diese Entwicklung in den Dritt-Welt-Staaten gab es verschiedene<br />

Gründe. Die Bevölkerungszahlen schnellten in die Höhe, da die Sterblichkeitsraten sanken und die<br />

Geburtenraten gleichzeitig stiegen. Dies war vor allem medizinischen Fortschritten und der verbesserten<br />

Hygiene zu verdanken. 1950 lebten etwa 1,7 Milliarden Menschen in Entwicklungsländern,<br />

diese Zahl verdoppelte sich bis 1980 auf beinahe 3,2 Milliarden. Die Landwirtschaft konnte<br />

sich nur langsam und ungenügend an die neuen Gegebenheiten anpassen. Die Entwicklungen in<br />

Europa 1750 bis 1850 wiederholten sich also in den Entwicklungsländern. 1952 litten laut der<br />

FAO (Food and Agriculture Organization of the UN) etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung an<br />

Unterernährung.<br />

2.2. Hungersnot in der Ostschweiz 2<br />

Wie schon erwähnt, litt auch die Ostschweiz 1816/17 unter einer grossen Hungersnot, welche viel<br />

Leid und Tod mit sich brachte. Darauf will ich konkreter eingehen, da dies wenig bekannt ist, aber<br />

ein Bild grossen Elends aus nächster Nähe zeigt.<br />

Auslöser der Hungersnot war der Ausbruch des Vulkanes Tambora in Indonesien zu Beginn des<br />

Jahres 1815. Er ging als der grösste in der neueren Zeit in die Geschichte ein. Riesige Mengen<br />

Asche und Staub gelangten dadurch in die Atmosphäre und schirmten die Sonnenstrahlen ab. Dies<br />

hatte Auswirkungen bis nach Europa. Die Temperaturen sanken merklich. Der folgende Winter<br />

war lang und der Sommer kalt und regnerisch. Die Bauern litten unter Missernten und Ernteausfällen.<br />

Durch die Entwicklungen in den Jahren vor der Eruption war eine solche Katastrophe aber schon<br />

vorprogrammiert. Immer mehr Menschen suchten und fanden Arbeit in Fabriken, da die Industrialisierung<br />

schnell voranschritt. Die Löhne waren aber so niedrig, dass die Arbeiterfamilien von der<br />

Hand in den Mund lebten. Der harte Bauernberuf verlor an Attraktivität und die weniger arbeitsintensive<br />

Viehhaltung trat an die Stelle des Ackerbaus. So mussten Grundnahrungsmittel wie Getreide<br />

zum grössten Teil aus dem Ausland importiert werden. Vorgeschlagene Neuerungen, um<br />

diese Abhängigkeit zu vermindern, wurden nur von wenigen ernst genommen und dann auch ausgeführt.<br />

Die vorangegangen zwanzig Kriegsjahre trugen zu einer Schwächung der Bevölkerung<br />

bei. Alle Reserven waren aufgebraucht, die Leute müde und ausgelaugt und anfällig auf jegliche<br />

Schwankungen ihres Umfeldes.<br />

2<br />

Specker, Louis: Die grosse Heimsuchung. Das Hungerjahr 1816/17 in der Ostschweiz, Rorschach; 1. Teil 1993 und 2. Teil<br />

1995.<br />

7


Schon im Herbst 1816, nach einer schlechten Ernte, begannen die Preise für Lebensmittel in die<br />

Höhe zu steigen, während die Fabrikarbeiter immer weniger verdienten. Da kaum jemand über finanzielle<br />

Mittel verfügte, stellte sich der Hunger bald ein. Die Teuerung nahm weiter zu, als die<br />

Nachbarländer und -kantone ihre Grenzen für den Getreideexport in die Ostschweiz schlossen.<br />

Das Gewerbe und der Handel kamen in den folgenden Monaten beinahe ganz zum Erliegen und<br />

durch ausländische Konkurrenz in der Textilindustrie nahm die Arbeitslosigkeit und damit auch<br />

die prekäre Ernährungslage der Bevölkerung zu. „Kinder, Männer, Greise zogen scharenweise<br />

durchs Land und klopften an die Türen der Wohlhabenden. Wie Heuschrecken fluteten die Bettler<br />

von Dorf zu Dorf, gefoltert von quälendem Hunger.“ 3<br />

Der Staat und die Obrigkeiten versuchten, trotz ihres kleinen Budgets zu helfen. Sie setzten Preisüberwacher<br />

ein, die Wucher zu verhindern versuchten, verschenkten den Armen Brot, kontrollierten<br />

Bäcker und Müller, damit diese sich die Not nicht zu Nutze machten, oder zwangen reiche<br />

Bürger, Bettler bei sich zu beherbergen. Hilfswerke, die in dieser Zeit wie Pilze aus dem Boden<br />

schossen, nahmen, finanziert durch private Spenden, ihre Arbeit auf. Sie schenkten eine speziell<br />

für Unterernährte entwickelte Suppe aus, unterstützten die Mittellosen durch Verteilung von Nahrungsmitteln<br />

und errichteten Arbeitsanstalten. Auch das Ausland, allen voran der russische Zar,<br />

half der Ostschweiz durch Geldspenden. Dass die Hilfeleistenden jedoch überfordert waren, sieht<br />

man daran, dass trotz grossen Anstrengungen viele Menschen nach Amerika auswanderten.<br />

1817 verschlechterten weitere Naturkatastrophen in der Ostschweiz die Ernährungslage nochmals.<br />

Schwere Unwetter und Winde zerstörten die vielversprechende Ernte, im Rheintal trat der Rhein<br />

über die Ufer. Als sich die ganze Lage im Herbst 1817 endlich wieder zu beruhigen begann, stellte<br />

sich eine neue Plage ein. Der Typhus hatte bei den geschwächten Menschen leichtes Spiel.<br />

Glücklicherweise flaute die Hungersnot trotzdem ab. Damit gab man sich aber nicht zufrieden,<br />

sondern machte sich sogleich daran, die günstigen Voraussetzungen für weitere Hungerkatastrophen<br />

auszumerzen oder wenigstens zu verringern. Die Massnahmen reichten von der Umstrukturierung,<br />

Förderung und Weiterentwicklung der Landwirtschaft über Anreize für Bauern, mehr zu<br />

produzieren, bis hin zur Konstruktion von Strassen, um mit anderen Regionen besser handeln zu<br />

können. So hatte die Hungersnot indirekt auch einen positiven Aspekt, war sie doch die Grundlage<br />

und Ursache für viele Neuerungen und Verbesserungen.<br />

Heutzutage ist uns kaum bewusst, dass Hunger früher auch im Westen Angst und Schrecken verbreitete<br />

und ein überall gefürchtetes Ereignis war. Wir haben uns daran gewöhnt, dass er zu Entwicklungsländern<br />

gehört. Doch warum sollten die Staaten südlich des Äquators es nicht schaffen, den Hunger zu<br />

besiegen, wenn es der westlichen Welt gelang? Aus der Vergangenheit können wir lernen. Momentan<br />

wiederholt sich heute in Dritt-Welt-Gegenden genau die gleiche Entwicklung wie damals in der Ost-<br />

3 Specker, Louis: Die grosse Heimsuchung. Das Hungerjahr 1816/17 in der Ostschweiz, 2. Teil, Rorschach 1995; S. 9.<br />

8


schweiz. Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadt, geben die Landwirtschaft auf und hoffen<br />

auf eine bessere Anstellung. Dies war 1816 wie auch heute ein Faktor, der zu Hunger führte. Da<br />

man um die Folgen dieser Entwicklung weiss, besteht die Chance, ihr entgegenzuwirken und so zu<br />

verhindern, dass sich die Not in der gleichen Weise wiederholt.<br />

9


3. Ursachen von Hunger in Entwicklungsländern<br />

Heute unterscheidet man zwei verschiedene Ursachen und somit auch Arten von Hunger: den strukturell<br />

und den konjunkturell bedingten Hunger.<br />

3.1. Strukturell bedingter Hunger<br />

Der strukturell bedingte Hunger zeichnet sich durch chronischen Hunger und Unterernährung aus.<br />

Die Ursachen für die missliche Lage der Menschen bestehen schon seit längerer Zeit und erstrecken<br />

sich über breite Massen. In den meisten Ländern Asiens, Afrikas, Südamerikas und vermehrt<br />

auch wieder Europas ist er ein grosses Problem sowohl bei der Land- als auch bei der ärmeren<br />

Stadtbevölkerung. 90% aller Hungeropfer sind den unmittelbaren Folgen von chronischem<br />

Nahrungsmangel zuzuschreiben. Trotzdem findet diese „Hungerart“ in den Medien nur wenig Beachtung,<br />

da es keine spektakulären Bilder zu zeigen gibt. Die Leute sehen nicht dünn und erbarmenswürdig<br />

genug aus und erregen so weniger Mitleid als die dürren, abgemagerten Gestalten, die<br />

über die Bildschirme flimmern. 4<br />

3.1.1. Armut<br />

„Hunger ist beides, eine Ursache und eine Auswirkung von Armut.“ 5 Verarmung grosser Bevölkerungsschichten<br />

ist der Hauptgrund für die weitverbreitete Unterernährung und verunmöglicht<br />

es den Betroffenen, aus eigener Kraft aus ihrer Situation auszubrechen. Dadurch<br />

werden sie in einen Teufelskreis von beinahe unüberwindbaren Problemen hineingezogen.<br />

In den Städten sind es die Slumbewohner, die durch Arbeitslosigkeit mit der Armut zu kämpfen<br />

haben. Mit verschiedensten Gelegenheitsjobs halten sie sich über Wasser. Der Verdienst<br />

ist aber gering und variiert stark, weshalb sie bereits in wirtschaftlich guten Zeiten nur wenig<br />

Geld besitzen, um die verhältnismässig billigen Lebensmittel zu kaufen. Für eine abwechslungs-<br />

und nährstoffreiche Ernährung reicht es erst recht nicht.<br />

Etwa drei Viertel der Landbevölkerung leiden an Unterernährung. Dies ist besonders erschreckend,<br />

da sie die Nahrung produzieren sollten. Diejenigen, welche im Besitz von Feldern sind<br />

und auf diesen eigentlich den grössten Teil der benötigten Lebensmittel anbauen müssten, haben<br />

viel zu kleine und wenig fruchtbare Parzellen. Die Anpflanzung einer ausreichenden und<br />

ausgewogenen Ernährung ist nicht gewährleistet. Es ist erst recht unmöglich, Produkte für den<br />

Verkauf auf dem Markt zu erzeugen. Dieses Geld wäre wichtig, um über finanzielle Reserven<br />

zu verfügen und um Medizin und Schulbildung für die Kinder zu bezahlen. Da es keine ande-<br />

4 Deutsche Welthungerhilfe (Hrsg.): Hunger. Ausmass, Verbreitung, Ursachen, Auswege, Bonn 2005; S. 4.<br />

www.das-hunger-projekt.de/index.php?menuid=1&titleid=63 (4.10. 21:23).<br />

5 UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger; S. 27.<br />

10


en Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, sind die Bauern von der landwirtschaftlichen Produktion<br />

abhängig. 6<br />

Ein Fünftel der Hungernden (500 Millionen Menschen) besitzt gar keine eigenen Anbauflächen.<br />

Sie verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Arbeiter oder Pächter. Der Lohn und die<br />

Erträge sind niedrig, die „Miet- und Lebensverhältnisse“ teuer, weshalb viele hoch verschuldet<br />

sind.<br />

Im Gegensatz dazu besitzen einige wenige Grossgrundbesitzer viel Land, von welchem beachtliche<br />

Teile brach liegen oder kaum bebaut werden. In Guatemala gehören 3% der Bevölkerung<br />

65% des ganzen Landes.<br />

Folgen sich mehrere Jahre mit Missernten, müssen alle, sowohl Kleinbauern, Landarbeiter als<br />

auch Pächter, ihre Reserven zu Nahrung machen. Die Familien essen ihr Saatgut, verkaufen<br />

ihr Vieh und ihre landwirtschaftlichen Geräte. Ein Neuanfang wird dadurch verunmöglicht.<br />

Gibt es keine positive Veränderung der Lage oder auswärtige Hilfe, bleibt den Familien nichts<br />

anderes übrig, als abzuwandern, um anderswo Arbeit zu finden, oder Nahrungsmittelhilfe in<br />

Empfang zu nehmen. 7<br />

Einseitige Ernährung führt auf dem Land wie in der Stadt zu Mangel- und Unterernährung.<br />

Konstante Unterernährung und der damit verbundene Vitamin- und Mineralstoffmangel verursacht<br />

geistige und körperliche Behinderungen und Rückstände, hohe Krankheitsanfälligkeit,<br />

oft vorzeitige Erblindung, Schwachheit und Müdigkeit der betroffenen Personen. Dies hat einerseits<br />

eine geringere Arbeitsproduktivität und somit eine schwache Wirtschaft, andererseits<br />

eine hohe Sterblichkeitsrate bei Kindern und älteren Leuten zur Folge. Eine instabile Wirtschaft<br />

wiederum wirkt sich auf die Arbeitsplätze in der Stadt aus, die dementsprechend dünn<br />

gesät sind. Dadurch sind viele, vor allem schlecht ausgebildete Leute, arbeitslos. Sie verdienen<br />

kein Geld und können ihre Familien nicht erhalten. Das bewirkt wiederum Unter- und Mangelernährung<br />

und der Kreislauf beginnt wieder von vorne. 8<br />

3.1.2. Unzureichende Infrastruktur<br />

In den ländlichen Regionen ist die Infrastruktur äusserst mangelhaft. Strassen- und Transportsysteme<br />

zwischen diesen Gebieten und den Städten sind schlecht ausgebaut, was einerseits<br />

den normalen Nahrungsaustausch zwischen den Märkten, andererseits die Versorgung der Bevölkerung<br />

in abgelegenen Regionen in Krisensituationen stark beeinträchtigt. Dadurch sind<br />

6 Deutsche Welthungerhilfe (Hrsg.): Hunger. Ausmass, Verbreitung, Ursachen, Auswege, Bonn 2005; S. 6.<br />

Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 68, 72.<br />

7 UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger; S. 50.<br />

Nussbaum, Dieter (Caritas Schweiz): Landesprogramm Äthiopien 2005-2009, 2004; Anhang 16.<br />

8 Von Blanckenburg, Peter: Welternährung, München 1986; S. 61, 62.<br />

Deutsche Welthungerhilfe: Herausforderung Hunger, Bonn 2006; S. 9.<br />

11


die Bauern abhängig von Händlern, welche ihre Situation ausnützen und die Produkte in den<br />

Dörfern kurz nach der Ernte billig erstehen, um sie dann mit Gewinn weiterzuverkaufen.<br />

Wegen fehlender Wasserversorgung und Produktionsmittel<br />

ist auch die Produktionsmenge relativ gering. Es fehlen Lagerungsmöglichkeiten<br />

und Speicher für Überschüsse nach<br />

guten Ernten. Dazu kommen oft schwierige klimatische<br />

Bedingungen. Es ist schwer, Vorräte so zu lagern, dass sie<br />

über längere Zeit hinweg haltbar sind und in Krisensituationen<br />

schnell verteilt werden können.<br />

Höhere Investitionen in die Infrastruktur sind äusserst<br />

wichtig. Verbesserungen in diesem Bereich, wie die<br />

Bereitstellung von sauberem Trinkwasser oder sanitären Einrichtungen, führten in den Jahren<br />

1970 bis 1995 zu einer zwanzigprozentigen Verringerung der Unterernährung bei Kindern. 9<br />

3.1.3. Politik<br />

Viele Regierungen tun zu wenig im Kampf gegen Hunger und Armut und kümmern sich kaum<br />

um eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. In ruralen Regionen wird der<br />

Ausbau des Bildungs- und Gesundheitssektors zu wenig gefördert. Der Aufrüstung und den<br />

Investitionen in den Städten wird viel mehr Beachtung geschenkt, da sich dort viele Wähler<br />

und ausländische Firmen befinden. Da auf dem Land kaum alternative Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

ausserhalb der Landwirtschaft vorhanden sind, ist die Abwanderung in die Städte<br />

hoch und die wirtschaftliche Attraktivität dieser Räume nimmt weiter ab. 10<br />

Man kann feststellen, dass Hungersnöte in demokratisch regierten Staaten kaum oder gar nicht<br />

auftreten. Diese Regierungen haben ein Interesse daran, dass es der Bevölkerung gut geht, da<br />

sie ja wiedergewählt werden wollen. Die Opposition und die Medien können der Regierung<br />

nicht vorwerfen, sie hätte die Bevölkerung tatenlos sterben lassen und nichts für sie getan. Eine<br />

wirksame Demokratie ist jedoch in vielen Ländern der Erde noch nicht eingeführt worden.<br />

Das Beispiel Zimbabwe verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Demokratie und Hunger:<br />

„Seit beispielsweise die Demokratie in Zimbabwe nicht mehr funktioniert, hat sich auch die<br />

Fähigkeit des Landes vermindert, in schwierigen Situationen Hungersnöte zu vermeiden (was<br />

in den 70er und 80er Jahren hervorragend gelang). Ein autoritär geführtes Zimbabwe läuft nun<br />

ernsthaft Gefahr, eine Hungersnot zu erleiden.“ 11<br />

9 Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 68.<br />

Deutsche Welthungerhilfe: Hunger. Ausmass, Verbreitung, Ursachen, Auswege, Bonn 2005; S. 15.<br />

UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger; S. 49.<br />

10<br />

Deutsche Welthungerhilfe (Hrsg.): Hunger. Ausmass, Verbreitung, Ursachen, Auswege, Bonn 2005; S. 14.<br />

11 Kälin, Walter. Müller, Lars. Wyttenbach, Judith. (Hrsg.): Das Bild der Menschenrechte, Baden 2004; S. 195.<br />

12


In vielen, hauptsächlich afrikanischen Ländern ist die politische Lage unsicher und instabil.<br />

Rebellen und andere paramilitärische Gruppen stellen sich gegen die momentan herrschende<br />

Gruppe oder die Regierung selbst versucht, ihre Machtposition durch Waffengewalt zu festigen.<br />

Rüstungsausgaben verschlingen grosse Teile des Bruttoinlandproduktes der Staaten. Laut<br />

einer Studie der FAO geben viele Länder zwei bis drei Mal mehr Geld für die Aufrüstung und<br />

Verteidigung aus als für die Landwirtschaft. 12<br />

Agrarpolitik<br />

Die Agrarpolitik der Entwicklungsländer bedarf vieler Verbesserungen, zum Beispiel Landreformen.<br />

Anreize und Unterstützung für die Bauern, die Nahrungsproduzenten, sind nur in ungenügendem<br />

Masse vorhanden. Das Interesse und die Fähigkeit, die Erträge auf den schon<br />

vorhandenen Anbauflächen zu steigern und so genügend Nahrung im Inland zu produzieren,<br />

sind deshalb kaum vorhanden. Auch der grossflächige Anbau von Waren für den Weltmarkt<br />

(cash crops), also Kaffee, Kakao oder Baumwolle, die zur Erwirtschaftung von Devisen dienen,<br />

verdrängt den Anbau von Lebensmitteln, die vermehrt importiert werden müssen. Da<br />

cash crops aber starken Preisschwankungen unterliegen, verschulden sich viele Länder immer<br />

mehr, weil sie beim Verkauf der Waren wenig erhalten, die Staatsausgaben jedoch hoch sind.<br />

Wegen fehlender Devisen kann die benötigte Nahrungsmenge oft gar nicht erstanden werden.<br />

Viel Geld wird auch nicht für den Kauf von Essen, sondern für den Import von technischen<br />

und industriellen Gütern aus dem Westen eingesetzt. 13<br />

3.1.4. HIV/Aids und andere Krankheiten<br />

HIV/Aids ist ein Problem, das von Tag zu Tag gravierendere Ausmasse annimmt und vor allem<br />

im Afrika südlich der Sahara zum Hunger der Bevölkerung beiträgt. Ende 2003 lebten<br />

dort 25,4 Millionen Menschen mit HIV/Aids. 2004 waren drei Viertel aller Aids-Toten in dieser<br />

Region zu beklagen. In Ost- und Zentralasien sowie in Osteuropa steigt die Zahl der Neuinfektionen<br />

erschreckend schnell und ist eine ernst zu nehmende Angelegenheit geworden.<br />

Die schnelle Ausbreitung dieser Krankheit ist nicht nur deshalb so schlimm, weil sie viele<br />

Menschenleben fordert und den Angehörigen grossen Schmerz bereitet, sondern weil sie auch<br />

Auswirkungen auf die Ernährungslage der Hinterbliebenen hat. Vor allem auf dem Land sind<br />

die Folgen deutlich spürbar. Überproportional hoch sind nämlich die Ansteckungen bei Menschen<br />

zwischen 15 und 45, also gerade bei den Personen, die erwerbstätig sind und körperlich<br />

am meisten zu leisten vermögen. Mit deren Tod verschwindet nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern<br />

auch das Wissen und Können dieser Altersstufe.<br />

12 UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger; S. 34.<br />

13 Aufhammer, Walter: Getreide- und andere Körnerfruchtarten, Stuttgart 1998; S. 34, 36-38.<br />

13


Grosseltern und Kinder müssen die Stellung der Verstorbenen einnehmen und damit auch den<br />

Anbau und später den Verkauf der erwirtschafteten Lebensmittel. Mit dieser Aufgabe sind sie<br />

überfordert, sie können niemals das Gleiche leisten. Eine Studie der UNO in Uganda ergab,<br />

dass mehr als die Hälfte der befragten Haushalte nach dem Tod eines Angehörigen zwischen<br />

20 und 35 weniger assen. Dies gilt sicher auch für Familien in anderen Ländern und Gebieten.<br />

Viele nehmen auch kranke Verwandte bei sich auf. Die Frauen können nicht mehr auf den<br />

Feldern arbeiten, da sie sich um die Kranken kümmern. Ein Drittel des Einkommens der Familien<br />

wird für die Pflege und den Kauf von Medikamenten aufgewendet. Reicht das nicht, opfern<br />

viele ihre Ersparnisse und verkaufen ihr Vieh und ihre Ackergeräte. Die Nahrung wird<br />

dadurch immer knapper, was Auswirkungen auf das Wohlergehen aller hat, sich aber vor allem<br />

für die Kranken negativ auswirkt. Ist nämlich die Ernährung nicht ausgewogen oder ungenügend,<br />

bricht Aids nach der Infektion schneller aus und führt rascher zum Tod. 14<br />

Da das Immunsystem durch die HI-Viren geschwächt wird, ist Tuberkulose in den letzten Jahren<br />

wieder auf dem Vormarsch. Auch andere Krankheiten werden viel leichter verbreitet, einerseits<br />

wegen der Schwächung des Immunsystems durch die Viren, andererseits weil die<br />

Abwehrkräfte des Körpers durch ständige Unter- oder Mangelernährung nicht mehr in Form<br />

sind. Malaria könnte durch ausreichendes Essen nachhaltiger bekämpft werden, weil sich der<br />

kranke Körper selber wehren könnte. 57% der Menschen, die an Malaria sterben, leiden ausserdem<br />

an Unterernährung. 15<br />

3.1.5. Stellung der Frau<br />

Frauen und Mädchen sind laut Statistik stärker und häufiger von<br />

Hunger betroffen als Männer. Dies liegt am traditionellen<br />

Stellenwert der Frauen in der Gesellschaft. Sie werden weniger<br />

wertgeachtet als Männer, arbeiten jedoch mehr und härter auf den<br />

Feldern und zusätzlich noch im Haushalt. In Afrika produzieren<br />

sie mehr als 80% der Nahrung. Ohne ihre Arbeit würde die<br />

Versorgung zusammenbrechen. Ihre Bedeutung nimmt weiter zu,<br />

da immer mehr Männer Arbeit in der Stadt suchen. Trotzdem erhalten sie meist weniger Nahrung<br />

als alle anderen Familienangehörigen. Der Hausherr darf sich zuerst vom Essen nehmen,<br />

dann folgen die Kinder und die Mutter erhält, was zurückbleibt. Besonders gravierend wirkt<br />

sich dies während der Schwangerschaft und der Stillzeit aus, da dann mehr Nährstoffe benötigt<br />

werden, um eine zweite Person mit Essen zu versorgen. Dies wird jedoch kaum beachtet und<br />

ist oftmals nicht genügend bekannt und hat für die Frauen wie auch für deren Kinder schwere<br />

14 Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 57-60, 64.<br />

15 Ebenda. S. 59.<br />

Deutsche Welthungerhilfe: Herausforderung Hunger, Bonn 2006; S. 22.<br />

UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger; S. 29.<br />

14


Folgen. Bei Schwangeren besteht ein grösseres Risiko, während der Schwangerschaft durch<br />

Eisenmangel anämisch zu werden, die Kinder leiden schon bei der Geburt an Unterernährung.<br />

Dadurch sind sie krankheitsanfällig, in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung „normalen“<br />

Kindern hinterher und die Kindersterblichkeit ist hoch.<br />

Wegen mangelnder Bildung ist es für alleinstehende oder alleinerziehende Frauen viel schwerer,<br />

einen Arbeitsplatz in der Stadt zu erhalten und somit sich und die Familie zu ernähren.<br />

Auf dem Land sind die Vorurteile gegenüber Frauen gross und ihnen gehört nur wenig Land.<br />

Traditionen verbieten ihnen das Ausführen bestimmter Tätigkeiten, wodurch sie auf die Hilfe<br />

anderer angewiesen sind. Auch in landwirtschaftlichen Förderprogrammen wird ihre wichtige<br />

Rolle im Bereich der Landwirtschaft meist zu wenig berücksichtigt oder gar ignoriert. 16<br />

3.1.6. Veränderungen der Umwelt<br />

In Zukunft werden der Klimawandel, die leichtfertige Ausbeutung der Ressourcen, die Zerstörung<br />

von Ökosystemen, beispielsweise durch Abholzung, und der damit verbundene Rückgang<br />

der Biodiversität, vermehrt eine Ursache für Ernährungsunsicherheit sein. Durch immer<br />

stärkere Schwankungen der Regenfälle und abnehmende Niederschlagsmengen in einigen Regionen,<br />

in den anderen Regionen dafür immer häufigere Überschwemmungen, denen die ländliche<br />

Bevölkerung hilflos ausgeliefert ist, wird sich die Versorgungslage verschlechtern. Die<br />

Nahrungsmittelproduktion in Afrika und Lateinamerika könnte in diesem Jahrhundert um 30%<br />

abnehmen. Das würde die Lebensmittelpreise zu ungunsten der Armen in der Stadt in die Höhe<br />

treiben und der Landbevölkerung das Überleben kaum mehr sichern.<br />

Schon heute gibt es mehr als 25 Millionen Umwelt- und Klimaflüchtlinge. Man spricht davon,<br />

dass mehr Menschen fliehen, weil ihre Böden austrocknen, erodieren oder versalzen oder Küstenstreifen<br />

überschwemmt werden, als es Leute gibt, die aus politischen Gründen fliehen. 17<br />

3.1.7. Ungenügende Produktionssteigerung<br />

Mangelnde Steigerung der Nahrungsmittelproduktion wird oft als eine der Hauptursachen für<br />

Hunger in Entwicklungsländern angesehen. Wenn in den Staaten selber genügend Lebensmittel<br />

zur Verfügung ständen, könnte das Hungerproblem endgültig gelöst werden. Doch man<br />

stellt vermehrt fest, dass mehr Nahrung nicht die Lösung aller Probleme ist, da sich die Länder<br />

unterschiedlich entwickelten und sich heute in verschieden Situationen befinden.<br />

16 UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger; S. 29, 31.<br />

17 Ebenda. S. 42, 54.<br />

DRS 1, Echo der Zeit: Umweltflüchtlinge haben keine Lobby. Sendedatum 29.1. 2007.<br />

15


Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion in Prozenten (1994- 2004)<br />

Obenstehende Grafik verdeutlicht dies. In beinahe allen Länder konnte die landwirtschaftliche<br />

Produktion gesteigert werden. In den letzten dreissig Jahren verdreifachte sich die Lebensmittelproduktion<br />

der Entwicklungsländer und die Preise der wichtigsten Getreidesorten sanken<br />

um 76%. Trotzdem gibt es noch immer Hungernde. Auf der Erde wird genügend Essen produziert,<br />

um alle Menschen sättigen zu können, nur leider oft am falschen Ort. Überschüsse werden<br />

aus wirtschaftlichen Gründen vernichtet. Alle fünf Sekunden werden zwölf Tonnen Nahrungsmittel<br />

zerstört. 18<br />

Gerade in Ländern, in denen es Getreide über den Eigenbedarf hinaus gibt, leiden mehr Kinder<br />

an Unterernährung als in Ländern, in denen es nicht ausreichend vorhanden ist. Staaten in<br />

Asien oder Lateinamerika, zum Beispiel Indien, produzieren genügend Getreide und trotzdem<br />

ist dort die Zahl der unterernährten Kinder erstaunlich hoch. Dies liegt daran, dass politische<br />

Misswirtschaft häufig ist. Die Kaufkraft der Armen blieb ungeachtet der erhöhten Nahrungsmittelproduktion<br />

klein, sodass sie nicht vom Überfluss profitieren können. Vermehrt werden<br />

Getreide und andere Nahrungsmittel Tieren verfüttert, um dem Wunsch der wohlhabenden<br />

Oberschicht nach Fleisch gerecht zu werden.<br />

Da Asien und die meisten lateinamerikanischen Staaten in der Lage sind, genügend Lebensmittel<br />

zu produzieren oder zu importieren, kann dort Ertragssteigerung nicht oberstes Ziel sein.<br />

Der fehlende Zugang zu Nahrungsmitteln ist eine Ursache von Hunger, weshalb die Produktionssteigerung<br />

nichts nützt, da diejenigen, welche sie am nötigsten haben, nicht davon profitieren<br />

können. Investitionen in die Infrastruktur wären viel effizienter.<br />

Auf dem afrikanischen Kontinent ist die Ertragssteigerung oft gar nicht möglich, auch wenn<br />

sie nötig wäre. Ausgelaugte und nährstoffarme Böden, sowie mangelnde Bewässerungsmöglichkeiten<br />

der Felder, verhindern eine Erhöhung der Produktion. Bodenschutz- und Bewässerungsmassnahmen<br />

und die Förderung der nötigen Arbeitsgeräte und Techniken werden nur<br />

18 World Food Programme: Hunger; S. 2.<br />

16


ungenügend in Angriff genommen. Den Bauern ist es dadurch gar nicht möglich, auf ihren<br />

Feldern mehr zu produzieren. Diese Grundlagen müssen geschaffen werden, will man auf den<br />

Feldern höhere Erträge erwirtschaften. 19<br />

3.2. Konjunkturell bedingter Hunger<br />

Von Zeit zu Zeit erreichen uns spektakuläre Bilder und Berichte von grossen Hungersnöten mit<br />

vielen Toten. Sie beherrschen die Medien und prägen unsere Vorstellung von Hunger. Doch obwohl<br />

beinahe ausschliesslich über diese Hungerart informiert wird, können „nur“ 10% der Toten<br />

diesem Hungertypus zugeschrieben werden.<br />

Der konjunkturell bedingte Hunger tritt oftmals in Gebieten auf, in denen die Bevölkerung durch<br />

Unterernährung schon geschwächt ist. Doch im Gegensatz zum strukturell bedingten Hunger ist<br />

der Nahrungsmangel nicht chronisch, sondern meist zeitlich befristet und kommt „nur“ in einem<br />

Landteil oder einer Region vor. Die Ursachen treten überraschend und unvorhergesehen auf. Die<br />

Menschen in den betroffenen Gebieten verhungern ohne schnelle Nothilfe buchstäblich oder sterben<br />

an den Krankheiten, die eng mit dem Hunger verbunden sind. Von ihrem schwer geschwächten<br />

Immunsystem können sie nicht mehr bekämpft werden. 20<br />

3.2.1. Klimatische Ursachen und Katastrophen<br />

Die Abhängigkeit vom Klima ist in der Landwirtschaft besonders ausgeprägt. Die Bauern<br />

betreiben häufig Regenfeldbau und sind so auf Niederschläge<br />

zur richtigen Zeit angewiesen. Bei Dürren fehlen Bewässerungssysteme<br />

und Brunnen, um Pflanzen zu kultivieren. Heuschreckenplagen<br />

richten ebenfalls verheerenden Schaden an.<br />

Die oft grossen Herden der Nomadenvölker, ihr Reichtum und<br />

letzte Notration, müssen verhungern und verdursten, wenn sie kein Gras und Wasser mehr<br />

finden, oder zu Schleuderpreisen verkauft werden.<br />

Werden Ernte und Vieh in einem Gebiet von solchen Umwelteinflüssen heimgesucht, steht die<br />

Bevölkerung bald ohne Nahrung da. Die Familien sehen sich gezwungen, vor dem Hunger in<br />

Auffangzentren zu fliehen oder abzuwandern, um an einem anderen Ort Arbeit und Nahrung<br />

zu erhalten. 21<br />

19 UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger; S. 48, 49.<br />

20 www.das-hunger-projekt.de/index.php?menuid=1&titleid=63 (4.10. 21:23).<br />

21 Ziegler, Jean: Wie kommt der Hunger in die Welt?, München 2002; S. 32.<br />

Caritas: Not gehört ausgehungert, Wien 2006; S. 7.<br />

17


3.2.2. Kriege und Konflikte<br />

Laut einer Sprecherin von Oxfam sind 61% der afrikanischen Länder, in denen Hunger<br />

herrscht, auch in Kriege involviert. 22 Während der Dauer der Gefechte wird die Infrastruktur<br />

wie Strassen oder Schulen gezielt zerstört und muss danach wieder aufgebaut werden. Die<br />

Bauern können ihre Felder im Kampfgebiet nicht bestellen. Junge Arbeitskräfte werden rekrutiert<br />

oder verstecken sich, um nicht eingezogen zu werden. Die Truppen fordern oder stehlen<br />

Vorräte und Vieh zur Eigenversorgung. Ein Grossteil der Betroffenen flieht vor dem Terror in<br />

Städte oder Lager.<br />

Nach Beendigung der Gewalt ist es schwer oder sogar unmöglich, in die Heimat zurückzukehren<br />

und wieder Felder zu bestellen, da weite Gebiete total verwüstet oder vermint sind, zum<br />

Beispiel in Angola oder Afghanistan. Mancherorts wurden Dorfbewohnern während der Kriege<br />

einfach eine oder beide Hände abgehackt, was es ihnen verunmöglichte, weiterhin in der<br />

Landwirtschaft zu arbeiten.<br />

Unterstützung der Regierung nach dem Krieg kann kaum erwartet werden, da der Staat wegen<br />

der hohen Rüstungsausgaben oft nicht mehr in der Lage ist, die hohen Beträge für den Wiederaufbau<br />

bereitzustellen. Die Lage der Bevölkerung verbessert sich nicht entscheidend. Armut<br />

greift um sich und es herrschen Hunger und Unterernährung. 23<br />

3.3. Fazit<br />

Natürlich treffen nicht alle der oben erwähnten Ursachen für Hunger überall in gleichem Masse<br />

zu. Es gibt von Land zu Land und von Kontinent zu Kontinent Ursachen, die eine bedeutendere<br />

Rolle spielen, und solche, die kaum einen Einfluss auf die Lage ausüben.<br />

22 www.jungewelt.de/2006/10-06/009.php (7.12. 16:50).<br />

23 Deutsche Welthungerhilfe: Herausforderung Hunger, Bonn 2006; S. 11, 23.<br />

Deutsche Welthungerhilfe: Hunger. Ausmass, Verbreitung, Ursachen, Auswege, Bonn 2005; S. 14.<br />

18


Unterernährte Bevölkerung in Prozenten (2002-2004)<br />

In weiten Teilen Afrikas sind vor allem die vielen Kriege und Konflikte und die weitverbreitete<br />

Armut die Ursachen für Hunger. Die Grüne Revolution wurde nur wenig propagiert und erwies<br />

sich für etliche Gebiete als zu teuer. Dadurch verzögerten sich Verbesserungen im landwirtschaftlichen<br />

Bereich und Hunger ist ein ernst zu nehmendes Problem.<br />

In Asien hingegen wurde die Grüne Revolution gezielt gefördert und deren Methoden angewandt<br />

und setzten so ein wirtschaftliches Wachstum in Gang. Die Einnahmen wurden vielfach höher,<br />

während die Lebensmittelpreise sanken und die Bevölkerung sich so mehr und bessere Nahrung<br />

kaufen konnte. Ferner verstärkte man die Anstrengungen im sozialen Bereich und der Infrastruktur,<br />

was die positive Wirkung noch erhöhte. Mangelnde Bildung, vor allem bei Frauen, zum Beispiel<br />

das fehlende Wissen um eine ausgewogene und gesunde Ernährung, sind dort Grund für<br />

Fehl- und Unterernährung.<br />

Das gleiche Schema zeichnet sich auch für Osteuropa und Länder der ehemaligen Sowjetunion ab.<br />

Hier kommt jedoch die Ernährungsunsicherheit bei älteren Leuten hinzu. Sie haben zu tiefe Renten<br />

und niemanden, der sich um sie kümmert. Auch Strassenkinder leiden Hunger und müssen<br />

sich ihr Essen zusammensuchen und stehlen.<br />

In Südamerika sind die Gründe für Hunger bei der schlechten Regierungsführung zu suchen. Diese<br />

ist korrupt und wirtschaftet viel in die eigenen Taschen. Umweltprobleme durch Abholzung oder<br />

Bodenerosion erweisen sich als weitere Verursacher von Hunger. Die Infrastruktur in ländlichen<br />

Gebieten in den Bereichen des Verkehrs, der Bildung und Gesundheit ist im Verhältnis zu anderen<br />

Ländern schlecht ausgebaut. Eine gute Nahrungsversorgung der Randregionen ist so nicht vorhanden.<br />

24<br />

24 Deutsche Welthungerhilfe: Herausforderung Hunger, Bonn 2006; S. 10, 11, 14, 18, 21.<br />

19


4. Hungerhilfe<br />

Die Ursachen von Hunger sind äusserst vielfältig und verstärken sich meist gegenseitig. An keinem<br />

Ort und in keiner von Hunger betroffenen Region ist es möglich, zu sagen, dass durch Bekämpfung<br />

einer einzigen Ursache wie zum Beispiel HIV/Aids für die Bevölkerung ein hungerfreies Leben geschaffen<br />

werden kann. Im Folgenden will ich anhand von Äthiopien, dann aber auch allgemein, zeigen,<br />

was in Angriff genommen wird und was man noch tun müsste, um den Hunger in der Welt zu<br />

mildern.<br />

4.1. Ein Entwicklungsprojekt gegen Hunger in Äthiopien 25<br />

Seit 30 Jahren unterstützt Caritas Schweiz ein Projekt in Äthiopien namens „Adigrat Diocesan<br />

Development Action“ oder kurz ADDA, das der Bevölkerung ein gesichertes Leben über dem<br />

Existenzminimum ermöglichen und eine nachhaltige Ernährungssicherung gewährleisten soll. Ich<br />

befasste mich genauer mit den Zielen, der Geschichte und den Auswirkungen dieser langjährigen<br />

Zusammenarbeit und sprach mit dem Projekt-Koordinator Dieter Nussbaum.<br />

Sudan<br />

4.1.1. Projektgebiet<br />

Eritrea<br />

Kenia<br />

Somalia<br />

Das Projektgebiet, das Caritas Schweiz zusammen mit dem Sozialwerk der<br />

katholischen Diözese von Adigrat betreut, hat mit einer Fläche von 1'200<br />

km 2 etwa die Grösse des Kantons Aargau. Es liegt im Nordosten Äthiopiens<br />

an der Grenze zu Eritrea und umfasst etwa 27'000 Personen, die zum Volk<br />

der Irob-Shaho gehören. Die Lage im Regenschatten des äthiopischen<br />

Hochlandes hat zur Folge, dass Niederschläge nur in den Sommermonaten<br />

Juni, Juli und August fallen. In den anderen neun Monaten ist in der felsigen und kargen<br />

Halbwüste mit grossen Höhenunterschieden kaum Vegetation zu sehen. Pro Jahr fallen lediglich<br />

300 mm Regen. Dadurch sind Trink- und Gebrauchswassermangel ein ständiges Problem.<br />

Felder können nur in der Nähe der Flüsse, welche durch die Täler fliessen, bewässert werden<br />

und so während dem ganzen Jahr Erträge bringen. Die übrigen Anbauflächen werden durch<br />

Regenfeldbau kultiviert und sind von den Niederschlägen abhängig. Der Boden ist sehr begrenzt,<br />

lediglich 1/5 Hektar steht einer Familie im Durchschnitt zur Verfügung. Von dieser<br />

Getreideernte können die Haushalte nur ein bis zwei Monate lang leben.<br />

Im Vergleich zum übrigen Land ist die Bevölkerung hier arm. Aus dem Ackerbau und einem<br />

kleinen Handel kommen pro Jahr 70 CHF pro Familie zusammen, die durch Entwicklungshil-<br />

25 Nussbaum, Dieter (Caritas Schweiz): Landesprogramm Äthiopien 2005-2009, 2004.<br />

Caritas Schweiz: Nord-Äthiopien, Region Tigrai, Projekt No. p004-0121-01, 2004.<br />

Nussbaum, Dieter; Projekt-Koordinator Äthiopien: Luzern, Interview, 21.11.06.<br />

20


fe und Zuschüsse von im Ausland lebenden Verwandten im Rahmen von 40 bis 150 CHF ergänzt<br />

werden.<br />

4.1.2. Problematik<br />

Überbevölkerung<br />

Das Gebiet ist in Bezug auf die nutzbaren Weide- und Anbauflächen stark überbevölkert, wodurch<br />

der Boden oftmals überlastet und ausgelaugt ist. Der Grossteil der Bevölkerung besteht<br />

aus Hirten und Bauern. Diese bestellen ihr spärliches Land, wie es die Väter taten, ohne technische<br />

Mittel. Die erwirtschaftete Nahrung, bestehend aus Getreide und Hülsenfrüchten, die<br />

durch die Haltung von Rindern, Schafen, Ziegen, Kamelen, Geflügel und Bienen ergänzt wird,<br />

reicht mehr schlecht als recht zum Überleben. Treten Missernten und Dürren auf, gehen die<br />

Lebensmittel bald zur Neige und die Irob leben hauptsächlich von den wildwachsenden Kaktusfeigen<br />

und internationaler Nahrungsmittelhilfe. 2004 waren die Menschen zeitweise bis zu<br />

80% von ausländischer Nothilfe abhängig, die vor allem aus den USA kam und Soja-Öl und<br />

Getreide beinhaltete. Die Gefahr ist gross, dass eine starke Auslandabhängigkeit entsteht und<br />

die Eigeninitiative zerstört wird. In einem Gebiet im Osten des Landes sehen die Bauern keinen<br />

Sinn mehr darin, ein Feld zu bewirtschaften: „Bei uns regnet es einfach nicht und in Kanada<br />

regnet es, für was sollen wir uns noch abmühen. Wir warten, bis das Getreide kommt.“ 26<br />

Wassermangel<br />

Durch den Regenfeldbau ist die Abhängigkeit von Niederschlägen zur richtigen Zeit gross.<br />

Diese fallen in der Region jedoch unregelmässig und gering, was häufig zu Dürren und Missernten<br />

führt. Zieht ein Gewitter über das Land, kann der ausgetrocknete Boden die Wassermassen<br />

nicht aufnehmen und Humus und Geröll stürzen als regelrechte Lawinen zu Tal. Am<br />

folgenden Tag ist der Boden bis auf einige Tümpel und Rinnsale von der Sonne bereits wieder<br />

ausgetrocknet. Der Wasserhaushalt ist somit sehr unausgeglichen. Durch die starke Erosion<br />

und die Übernutzung des Bodens sind die Felder nährstoffarm, was den Ackerbau erschwert.<br />

Landmangel<br />

Viele Familien besitzen auf Grund von fehlenden Landreformen keine eigenen Anbauflächen.<br />

Es mangelt an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten zur Landwirtschaft, weshalb vor allem<br />

junge Leute in grössere Städte abwandern, um dort ihr Glück zu suchen. Doch die Arbeitslosigkeit<br />

in diesen Ballungszentren ist hoch.<br />

Als Herausforderung erweist sich darum eine bessere Regelung des Landrechts. Nach äthiopischem<br />

Recht gehören Land, Luft und Wasser dem Staat, wobei die Grundstücke in einem 7<br />

26 Nussbaum, Dieter; Projekt-Koordinator Äthiopien: Luzern, Interview, 21.11.06.<br />

21


Jahresrhythmus neu vergeben werden. Da die Parzellen der Irob jedoch bereits heute sehr<br />

klein sind, lohnt sich eine Neuverteilung und Zirkulation nicht und es ist schlichtweg unmöglich,<br />

neuen Familien Felder zuzuweisen. Dies erklärt auch die grosse Landlosigkeit. Etwa 42%<br />

der Haushalte besitzen keine eigenen Anbauflächen. Der Staat hat darüber hinaus das Recht,<br />

das Land jederzeit zurückzuverlangen, weshalb der Ansporn, etwas zu bauen und zu verbessern,<br />

klein ist, da man immer Angst vor Enteignung oder Umverteilung haben muss.<br />

4.1.3. Ziele<br />

Das Hauptziel des ADDA-Projektes ist die Ernährungssicherung durch die Förderung einer<br />

„nachhaltigen Entwicklung der Wasserwirtschaft“ 27 . Die landschaftsökologische Stabilität soll<br />

wiederhergestellt und gesichert und die landwirtschaftliche Produktion erhöht werden. Dazu<br />

sind Programme im Bereich der Speicherung und Bereitstellung von Trink-, Garten- und<br />

Gebrauchswasser, zum Beispiel durch den Bau von Dämmen, welche das Regenwasser speichern<br />

und so für später verfügbar machen, nötig. Ausserdem verhindern die Mauern, dass ganze<br />

Schlammlawinen die Hänge herunterstürzen, indem sie die Erde zurückhalten. So bilden<br />

sich mit der Zeit durch Auffüllen neue Anbauflächen.<br />

Es wird Wert darauf gelegt, dass die Bevölkerung in alle Aktivitäten miteinbezogen wird und<br />

eine Verantwortung für die verschiedenen kleineren Projekte übernimmt. Die Projekte werden<br />

dann von ihnen weitergeführt und ausgeweitet. Die Verbesserung der Wasserwirtschaft hat<br />

Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit, da die Felder auch während der Trockenzeit bewässert<br />

werden können und so höhere Erträge bringen. Im Gesundheitsbereich gibt es positive<br />

Auswirkungen, Krankheitsfälle nehmen durch die Verfügbarkeit von Brunnen mit sauberem<br />

Wasser ab. Die Beschäftigungslage verbessert sich, da es immer wieder Dämme oder andere<br />

kleinere Arbeiten in Angriff zu nehmen gilt. Viele erhielten automatisch eine Ausbildung als<br />

Maurer oder Steinmetz, die es ihnen ermöglichte, in anderen Orten Arbeit zu finden.<br />

Ein weiteres Ziel, das momentan in der Endphase steht, ist der Bau des Assabol-Staudammes,<br />

welcher als Wasserspeicher dient und die Bewässerung von Feldern in grossem Stil ermöglichen<br />

soll. Durch die ständige Verfügbarkeit von Wasser soll die landwirtschaftliche Produktion<br />

gesteigert werden, damit die Bevölkerung Nahrung für den Eigenbedarf und den Verkauf<br />

erwirtschaften kann.<br />

4.1.4. Geschichte von ADDA<br />

Der Start von ADDA geht auf das Jahr 1974 zurück. Damals herrschte eine grosse Hungersnot<br />

in Äthiopien, welche den Anstoss zur Zusammenarbeit von Caritas Schweiz mit der dortigen<br />

Diözese Adigrat gab. Schon zu Beginn zeigte diese Engagement und Eigeninitiative und hatte<br />

27 Caritas Schweiz: Nord-Äthiopien, Region Tigrai, Projekt No. p004-0121-01, 2004; S. 6.<br />

22


mit dem Bau einer Strasse begonnen, die eine bessere Erschliessung des Gebietes bezweckte.<br />

Während der ganzen Zeit sollte Caritas für die Führung, Begleitung, Finanzierung und Leitung<br />

verantwortlich sein. Der Partner vor Ort führte die Projekte durch. Bereits zu diesem Zeitpunkt<br />

spielte man mit dem Gedanken, einen Staudamm zu bauen, um die Lage der Bevölkerung so<br />

zu verbessern. Diese Idee verwarf man jedoch zu Gunsten eines „beschäftigungswirksamen<br />

Boden- und Wassererhaltungsprogramms“ 28 . Die Hilfe bestand darin, dass die Bevölkerung<br />

Stufenterrassen, Strassen und Brunnen baute, wofür sie Geld für den Kauf von Nahrung (cash<br />

for work) erhielt. So schlug man zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Menschen hatten Arbeit<br />

und einen gesicherten Lohn, konnten sich also mit Essen versorgen und mussten nicht abwandern,<br />

bauten aber gleichzeitig an der Verbesserung ihrer Zukunft und der Hungerprävention.<br />

Mitte 1976 zwang ein Bürgerkrieg den Projektberater, das Land kurzfristig zu verlassen. Bis<br />

1984 herrschte zwischen der Schweiz und dem Irob-Distrikt Funkstille. Vor Ort wurde der<br />

Brunnenbau aber von der lokalen Bevölkerung weitergeführt und verschiedene Selbsthilfegruppen<br />

bildeten sich.<br />

Als die Weltöffentlichkeit 1984 von der schweren Hungersnot in Afrika erfuhr, liefen gross<br />

angelegte Nothilfeprogramme vor allem in Äthiopien an. Dort wirkte sich die Hungersnot am<br />

verheerendsten aus, da dieses Land zusätzlich zu der mehrere Jahre dauernden Dürreperiode<br />

noch mit den Folgen eines Bürgerkrieges zu kämpfen hatte. 29 Auch Caritas Schweiz reaktivierte<br />

ihr Programm in der Irob-Woreda (Distrikt) und weitete es wegen des grossen Bedürfnisses<br />

auf Nachbargebiete aus.<br />

Es folgten die Phasen 2 bis 5, welche mit einem gewaltbedingten Unterbruch von drei Jahren<br />

bis ins Jahr 2004 dauerten. Während der ganzen Zeit traten immer wieder Dürren und gewalttätige<br />

Konflikte auf, weshalb das Schwergewicht weiterhin bei der Beschäftigung der Bevölkerung,<br />

also bei einer „kombinierten Not- und Entwicklungshilfe“ 30 lag. Zeitweise arbeiteten<br />

1'000 bis 3'000 Taglöhner am Bau von Steindämmen, Brunnen, bei Hangterrassierungs- und<br />

Aufforstungsprojekten. Dadurch konnten der Anbau von Nahrungsmitteln sowie die Landschaftsökologie<br />

sichtbar verbessert werden. Lange war ADDA die einzige auswärtige Hilfe<br />

und konnte etwa 60'000 Personen über die grösste Not hinweghelfen.<br />

Seit 2004 läuft die sechste Phase des Projektes, welche auf Grund von guten Fortschritten statt<br />

2007 schon Ende 2006 beendet werden kann.<br />

28 Caritas Schweiz: Nord-Äthiopien, Region Tigrai, Projekt No. p004-0121-01, 2004; S. 5.<br />

29 www.de.wikipedia.org/wiki/Hungersnot_in_%C3%84thiopien_1984%E2%80%931985 (25.11. 16:32).<br />

30 Caritas Schweiz: Nord-Äthiopien, Region Tigrai, Projekt No. p004-0121-01, 2004; S. 5.<br />

23


4.1.5. Wo steht ADDA heute?<br />

Ganze Berghänge wurden in den vergangenen dreissig Jahren terrassiert,<br />

andere aufgeforstet, die Infrastruktur wurde durch Brunnen- und<br />

Strassenbau verbessert und auch die Getreideproduktion konnte man dank<br />

dem Bewässerungssystem (Rückhaltesperren und Stufenterrassen) erhöhen.<br />

Durch Errichtung von Stufenterrassen schaffte man 500 ha (200 m 2 pro<br />

Kopf) neues Land, das flutbewässert wird und auch in Trockenzeiten Ertrag<br />

gibt. Durch das Fluten wird der Boden zusätzlich mit Nährstoffen<br />

angereichert. Das neu erschlossene Land erhielten vor allem arme oder<br />

landlose Familien und schon heute kommt die Hälfte der Getreideernte pro<br />

Jahr von diesen Feldern.<br />

1992 begann die Entstehung einer kleinen Stadt, Dauhan, die im Jahr 2000 mit Hilfe von<br />

USAID schnell wuchs. Sie ist das Handelszentrum der Region, Sitz der Verwaltung und<br />

Wohnort von mehr als 2'000 Menschen.<br />

Phase 6 und die Zukunft<br />

Während der laufenden Phase 6 liegt das Hauptziel nicht mehr wie bisher in der Beschäftigung<br />

möglichst vieler Personen, sondern in der Förderung und Entwicklung der Bewässerungskultur<br />

(Gartenbau), wodurch man die Anliegen und Anstrengungen der Bevölkerung aufgreift.<br />

Dies ist möglich, da momentan vor Ort mehrere Hilfswerke tätig sind, die sich um die unmittelbaren<br />

Bedürfnisse der Bevölkerung kümmern. Im ADDA 6 verkleinerte man das Gebiet<br />

wieder auf die ursprüngliche Irob-Woreda (Distrikt), um Projekte und Leute gezielt unterstützen<br />

zu können. Das weitläufige Tätigkeitsfeld mit den verschiedenen Programmen war immer<br />

mehr zu einer Überforderung hinsichtlich Betreuung und Organisation geworden.<br />

Anfang 2007 wird der 40 Meter hohe Assabol-Damm fertiggestellt und durch diverse Rohrleitungen<br />

und Bewässerungskanäle erweitert werden, welche das Wasser weiterverteilen. Im<br />

Endeffekt profitieren etwa 15'000 Personen von diesem Grossprojekt.<br />

Nach Abschluss der sechsten Phase sieht Caritas die Weiterführung von grossen baulichen<br />

Massnahmen und Projekten nicht mehr als ihre Hauptaufgabe an und wendet sich in der vorläufig<br />

letzten Phase 7 der Ausbildung von Fachpersonal, der technischen Beratung und der<br />

Schulung der Bauern zu, damit diese eine solide Grundlage haben. Der Assabol-Damm wird in<br />

Betrieb genommen und an die dortige Gemeinde übergeben werden, die danach die Verantwortung<br />

dafür übernimmt. Nach circa fünf Jahren ist vorgesehen, das ADDA-Projekt 2011<br />

ganz in die Hände der lokalen Partner zu legen und sich zurückzuziehen. Das Projektpersonal<br />

wurde bereits um 40% verkleinert und nach dem Abzug der restlichen Mitarbeiter werden lediglich<br />

noch einige Besuche unternommen.<br />

24


Die dreissigjährige Zusammenarbeit von Caritas Schweiz und der lokalen Diözese scheint mir ein<br />

erfolgreiches und sinnvolles Projekt zu sein, das immer Wert auf eine Förderung der Selbsthilfe<br />

der Bevölkerung legte und sich den entstehenden Umständen und Gegebenheiten gut anzupassen<br />

wusste. ADDA war nicht ein Projekt auf dem Papier, das ganz genau so umgesetzt werden musste,<br />

man nahm nötige Kursänderungen und Umstrukturierungen vor und versuchte, neue Ideen aufzugreifen.<br />

Es sind auch viele Erfolge aufzuweisen und wenn man die Fotos von früher mit denen<br />

von heute vergleicht, sieht man grosse Unterschiede: Die Umgebung ist grüner und überall sind<br />

Terrassen auszumachen.<br />

Die endgültige Bewährungsprobe, die Phase nach dem Rückzug der ausländischen Hilfe, muss<br />

ADDA in den kommenden Jahren freilich noch bestehen. Erst dann wird sich zeigen, ob die Menschen<br />

ihr Wissen wirklich sinnvoll anwenden können und ob die Hilfe zur Selbsthilfe die Bevölkerung<br />

genügend auf den Alleingang vorbereitete.<br />

4.2. Taten der betroffenen Staaten am Beispiel von Äthiopien<br />

Während ich mich mit dem ADDA-Projekt in Äthiopien genauer befasste, konnte ich mir auch ein<br />

Bild über die Anstrengungen des Staates machen, die dieser unternahm und unternimmt, um die<br />

Lage der Bevölkerung zu verbessern. Ich will kurz einige Aktivitäten im Kampf gegen den Hunger<br />

beschreiben. Ich beginne mit einer Rückschau in die Vergangenheit und wende mich dann der<br />

heutigen Situation zu.<br />

4.2.1. Rückblick in die Vergangenheit (1977-1991)<br />

Schon vor der Machtübernahme des sozialistisch und marxistisch orientierten Mengistu Haile<br />

Mariam 1977 herrschten in Äthiopien Hungersnot und Dürre. Die Beschlagnahmung und Umverteilung<br />

von Ackerflächen in den Anfängen seiner Regierungszeit, welche Gerechtigkeit<br />

schaffen sollte, zeigte keinen Erfolg. Zwar wurden die Kleinbauern durch Reformen von der<br />

Leibeigenschaft befreit, gerieten aber in die Abhängigkeit des Staates. Je länger Mengistus<br />

herrschte, desto mehr waren seine Leute bestrebt, mit Militäreinsatz die Macht zu halten. Um<br />

die Opposition im Norden unschädlich zu machen, erzeugte man absichtlich eine Hungersnot.<br />

Die Gebiete sollten entvölkert werden und so die Gegner zur Aufgabe zwingen. Armee und<br />

Krieg verschlangen viel Geld, das nicht mehr für die Entwicklung des Landes eingesetzt werden<br />

konnte. Durch Zwangsumsiedelungen der von Hunger betroffenen Bevölkerung 1984 versuchte<br />

der Herrscher, die Hungersnot etwas zu entspannen, doch dies erwies sich als Reinfall.<br />

Viele der Umgesiedelten wanderten den langen Weg wieder zurück in die Heimat, wobei zahlreiche<br />

starben.<br />

25


1991 musste Mengistu fliehen und die folgende Regierung erklärte Äthiopien zu einer Demokratischen<br />

Republik. Sie erstellte ein Programm, das ein Wirtschaftswachstum, Nahrungssicherheit<br />

durch Begünstigung der Landwirtschaft und die Verbesserung der sozialen Zustände<br />

anstrebte. 31<br />

4.2.2. Heutige Lage<br />

Wie jeder „Entwicklungsstaat“ hat Äthiopien heute mit vielfältigen Problem gleichzeitig zu<br />

kämpfen. Die Zahl Analphabeten muss unbedingt gesenkt werden. Momentan können etwa<br />

56% der männlichen und 67% der weiblichen Bevölkerung nicht lesen. Ausserhalb der Landwirtschaft,<br />

in welcher 82,8% tätig sind, sollten Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies stellt für<br />

jeden Staat eine grosse Herausforderung dar, welche mangels eigener Mittel nur mit finanzieller<br />

und logistischer Hilfe von aussen gemeistert werden kann. Hinzu kommt die politische Unsicherheit.<br />

Die jetzige äthiopische Regierung hält das ethnisch sehr gemischte Land mit Hilfe<br />

des Militärs zusammen.<br />

Trotz der grossen Probleme, oder gerade deshalb, ist es wichtig, dass der Staat Anstrengungen<br />

zur Bekämpfung von Missständen wie Hunger in Angriff nimmt. Im Folgenden werde ich einen<br />

kurzen Überblick über die Programme und Projekte geben.<br />

Seit etwa 20 Jahren unterstützt die Regierung zusammen mit NGOs (Non Governmental Organizations)<br />

den Bau von Terrassenkulturen. Sie organisiert Umsiedelungsprogramme, welche<br />

Bauern den Umzug von überbevölkerten Regionen in fruchtbare und erst gering bewohnte<br />

Gebiete ermöglichen. Im Gegensatz zur unglücklichen Aktion 1984 ist die Teilnahme an diesem<br />

Programm freiwillig und die Menschen werden nur innerhalb der Regionen umgesiedelt.<br />

Auf internationalen Druck startete der Staat 2002 ein Grossprojekt, das „Sustainable Development<br />

and Poverty Reduction Programme“ (SDPRP). Hauptziel sind verschiedene Reformen,<br />

die das Wirtschaftswachstum ankurbeln sollen, damit die Gewinne an die Armen weitergegeben<br />

werden können. Der aus vier Bausteinen bestehende Plan beinhaltet unter anderem<br />

die Armutsreduktion und die Stärkung der ruralen Entwicklung durch eine „verbesserte landwirtschaftliche<br />

Produktivität mit arbeitsintensiven Technologien“ 32 und vermehrte Investitionen<br />

in die bis anhin benachteiligen Gebiete.<br />

Eng verbunden mit diesem Grossprojekt ist auch die „Coalition for Food Security“ (CFS). Eine<br />

nachhaltige Entwicklung kann laut den Erkenntnissen dieses Nebenprogramms nur durch<br />

Reduktion der Armut und Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit geschaffen werden. Durch<br />

verschiedene Projekte, wie das oben erwähnte Umsiedelungsprogramm oder die Rückhaltung<br />

und Speicherung von Wasser, sowie Nahrungsmittelhilfe, soll dies möglichst bald gelingen.<br />

31 Matthies, Volker: Äthiopien, Eritrea, Somalia, Djibouti, München 1997; S. 80-90.<br />

Caritas: Not gehört ausgehungert, Wien 2006; S. 7.<br />

32 Nussbaum, Dieter (Caritas Schweiz): Landesprogramm Äthiopien 2005-2009, 2004; Anhang 5.<br />

26


Die Bereitschaft des Staates, etwas zu unternehmen, wird von Befürwortern, wie der Weltbank,<br />

den G-8-Staaten oder USAID, wie auch von Kritikern, wie der Zivilgesellschaft oder der<br />

UNICEF, positiv wahrgenommen. Alle Parteien sehen jedoch die grosse Auslandabhängigkeit,<br />

den anhaltenden Bedarf an kurzfristiger Nothilfe und die Langsamkeit der Reformen als Hindernis<br />

zum Erfolg der Projekte. Was die Kritiker zusätzlich beanstanden, sind die fehlende<br />

Einbindung der NGOs und der Zivilbevölkerung, die das Projekt wegen mangelndem Verständnis<br />

nicht mittragen wird und kann, die Überforderung der einzelnen Regionen hinsichtlich<br />

ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten und die Ansicht, dass sich die Lage langsam automatisch<br />

verbessert. 33<br />

In den vergangenen Jahren nahmen die Regierungen vieler Entwicklungsländer die Verminderung<br />

von Hunger und Armut in Angriff. Oft sind sie jedoch nicht in der Lage, grosse Projekte durchzuführen,<br />

da ihnen das nötige Geld und Wissen fehlt und sie zusätzlich dazu hoch verschuldet sind.<br />

Das Beispiel Äthiopien zeigt, dass dort nicht der Staat, sondern die Weltbank und USAID die<br />

Geldbeträge zur Verfügung stellen. „Entschuldung und Zweckbindung der eingesparten Schuldendienstmittel<br />

für Ausgaben im sozialen Sektor im Rahmen der Strategien zur Armutsbekämpfung<br />

können die nationalen Finanzierungsmöglichkeiten verbessern.“ 34 Auch die Auslandabhängigkeit<br />

könnte durch diese Maßnahme vermindert werden.<br />

4.3. Rolle und Aktionen der „internationalen Gemeinschaft“<br />

Auch die nicht direkt betroffenen Staaten stehen dem Hungerproblem nicht gleichgültig gegenüber<br />

und sehen die internationale Kooperation als einzige Möglichkeit, um den Hunger eines Tages von<br />

der Bildfläche zu eliminieren. An schriftlichen Zusicherungen, guten Ideen und Projekten mangelt<br />

es nicht.<br />

Bereits 1948, nach dem 2. Weltkrieg, während dem grosse Bevölkerungsteile an Nahrungsmangel<br />

litten, kam das „Recht auf Nahrung“ bei der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ zur<br />

Sprache. In der „Erklärung von Rom zur Sicherung der Welternährung“ 1966 sowie im „UN-Pakt<br />

über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Ziele“ 1966 wurde jedem Menschen das Recht auf eine<br />

angemessene und ausreichende Ernährung zugestanden. In der „Allgemeinen Erklärung zur Beseitigung<br />

von Hunger und Unterernährung“ 1974 hielt man fest: „Alle Menschen, ob Männer, Frauen<br />

oder Kinder, haben das unveräusserliche Recht, frei von Hunger und Unterernährung zu sein, um<br />

ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten voll entwickeln und bewahren zu können.“ 35<br />

33 Nussbaum, Dieter (Caritas Schweiz): Landesprogramm Äthiopien 2005-2009, 2004; Anhang 2, 3, 5.<br />

34 Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 73.<br />

35 Kälin, Walter. Müller, Lars. Wyttenbach, Judith. (Hrsg.): Das Bild der Menschenrechte, Baden 2004; S. 208.<br />

27


1996 bekräftigten die Mitgliedsstaaten der UNO am Welternährungsgipfel ihren Willen, etwas gegen<br />

Armut und Hunger zu tun. Bis ins Jahr 2015 sollten die Hälfte der damals 800 Millionen<br />

Hungernden satt werden. Im Jahre 2000, am Millenniumsgipfel, verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten<br />

der UNO dazu, die UN-Millenniumsentwicklungsziele einzuhalten. Das erste Ziel lautet,<br />

dass die Zahl der Hungernden und der Armen, welche weniger als 1$ im Tag verdienen, bis ins<br />

Jahr 2015 zu halbieren ist.<br />

Der Unterschied zur Erklärung von 1996 liegt darin, dass nun nicht mehr von der Halbierung der<br />

Zahl aller Hungernden in der Welt die Rede ist, „sondern von dem Anteil der Hungernden an der<br />

Weltbevölkerung, der halbiert werden soll.“ 36 Wenn man die Unterschiede der zwei Rechnungsarten<br />

kalkuliert, beläuft sich die Zahl der noch Hungernden 2015 nach der ersten Variante auf 400<br />

Millionen, nach der zweiten Variante auf 600 Millionen Menschen, da das Wachstum der Bevölkerung<br />

berücksichtigt wird. Die zweite Zahl stellt sich nach Berechnungen der FAO als möglich<br />

heraus.<br />

Das gesteckte Ziel soll durch die Zusammenarbeit der ganzen Welt erreicht werden: Die Länder<br />

des Südens arbeiten konkrete Pläne zur Verminderung der hungernden Bevölkerung aus, während<br />

die reichen Länder ihnen durch finanzielle und politische Unterstützung helfen.<br />

Die damit verbundenen Anstrengungen ergaben bis heute, dass der Bevölkerungsanteil der Hungernden<br />

auf der ganzen Welt in den letzten 40 Jahren (1975-2005) von 30% auf 18% reduziert<br />

werden konnte. Einen Grund, nun die Hände in den Schoss zu legen, gibt es aber noch lange nicht.<br />

Immer noch leiden 852 Millionen Menschen an chronischem oder vorübergehendem Hunger, 10<br />

Millionen mehr als letztes Jahr. In Asien ist die Zahl am grössten, wobei allein in Indien 221 Millionen,<br />

in China 142 Millionen Menschen leben. Die afrikanischen Länder, vor allem südlich der<br />

Sahara, sind mit 204 Millionen stark betroffen. Dies ist auch die einzige Region der Erde, in der<br />

die Zahl der Hungernden und untergewichtigen Kinder anstatt zu sinken immer noch steigt und<br />

weiterhin zunehmen wird. Sie wird das Millenniumsziel deshalb wahrscheinlich nicht erreichen<br />

können.<br />

„Das erste Mal in der Geschichte haben wir die technischen, finanziellen und menschlichen Ressourcen,<br />

um die extreme Armut auf der Welt zu bewältigen“, sagt Jeffrey Sachs, Professor für<br />

Wirtschaftswissenschaften. 37 Aber trotz vielen Lösungsvorschlägen und Anleitungen zur Bekämpfung<br />

von Armut und damit auch Hunger werden vor allem die nötigen politischen Anstrengungen<br />

kaum in die Tat umgesetzt.<br />

Wenn es um konkretes Handeln geht, ist das Zögern gross und lange. Dies zeigt folgendes Beispiel:<br />

1961 beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen, dass künftig mehr für die<br />

Entwicklungshilfe getan werden müsse. Die fortgeschrittenen Staaten verabredeten, dass sie von<br />

nun an statt 0,54% 1% ihres Einkommens an Dritt-Welt-Länder geben werden. Als diese Gelder<br />

36 Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 68.<br />

37 UN Millennnium Project 2005. Preparing National Strategies to Achieve the Millennnium Development Goals:<br />

A handbook; S. 7.<br />

28


is ins Jahre 1970 jedoch statt zuzunehmen sogar sanken, trafen die reichen Länder eine neue<br />

Abmachung. Bis Mitte der 70er Jahre sollten alle wenigstens 0,7% in die Entwicklungshilfe investieren.<br />

Doch auch daran halten sich bis heute nur ganz wenige, so zum Beispiel Dänemark, Luxemburg<br />

und Schweden. Die Schweiz konnte die Summe der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit<br />

von 0,32% (1995) auf gloriose 0,41% (2004) erhöhen. 38<br />

Bei den Rüstungsausgaben hingegen zeigt man sich gar nicht geizig. Etwa 6 Milliarden Menschen<br />

leben heute auf der Erde, für jeden Erdenbewohner wenden die Regierungen der Welt pro Jahr<br />

mehr als 160 US-Dollar für Waffen, Aufrüstung und Militär auf. In diesem Zusammenhang wird<br />

ein neuer und für die Entwicklungshilfe gefährlicher Trend diskutiert. „Da Sicherheit eine notwendige<br />

Voraussetzung für die Entwicklung sei, könne militärische Unterstützung für die Sicherheit<br />

eines Landes auch als eine Form der Entwicklungshilfe gelten.“ 39 Militärische Beiträge in Kolumbien<br />

oder in Sierra Leone bezeichnet man neuerdings als Anteil zur Entwicklung eines Landes.<br />

Wird die Definition noch weiter verändert, kann es sein, dass sich westliche Länder vermehrt darauf<br />

konzentrieren, Länder mit Waffen zu unterstützen. Soziale und konstruktive Programme werden<br />

auf den zweiten Platz verwiesen.<br />

Dabei ist klar, dass weder Armut noch Hunger abnehmen, wenn Länder grössere und besser ausgerüstete<br />

Armeen besitzen und steigende Summen in die Modernisierung ihrer Waffen stecken.<br />

Dadurch wird es immer häufiger zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen, welche die<br />

schon jetzt untragbare Lage der Zivilbevölkerung um ein Vielfaches verschlechtern und Ursachen<br />

von Hunger sind. 40<br />

4.4. Zwei Lösungsvorschläge zur Bekämpfung von Hunger: Gentechnik und nachhaltige<br />

Landwirtschaft 41<br />

Von den Befürwortern der Gentechnik wird diese Art der Landwirtschaft als die Lösung des Hungerproblems<br />

propagiert. Höhere Erträge können erzielt und mehr Menschen ernährt werden. Kritiker<br />

hingegen behaupten, dass dadurch das Gegenteil erreicht werde und der Hunger eher zunehme.<br />

„Gentechnik oder nicht“ ist ein heiss umstrittenes Thema. Doch wer hat recht, was stimmt?<br />

38 www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/die_schweiz_in_ueberblick/fuehrungsgroessen/die_uebergeordneten/6<br />

2/14.html (19.11. 18:03).<br />

Geo, November 2006, S. 106.<br />

39 www.welthungerhilfe.de/fileadmin/media/pdf/Welternaehrung/Welternaehrung_4_2005_72dpi.pdf (18.11, 20:55)<br />

S. 2.<br />

40 Ebenda. S. 2.<br />

41<br />

Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 35-37, 40-43, 47, 48, 52.<br />

29


4.4.1. Gentechnik<br />

Theorie<br />

Die gentechnisch veränderten Pflanzen, die momentan im Handel sind, zeichnen sich durch<br />

eine Herbizidresistenz, also eine Widerstandsfähigkeit gegen Unkrautvernichtungsmittel, oder<br />

die Produktion eines Insektizides gegen bestimmte Schädlinge aus. Die Arbeit der Bauern<br />

nimmt dadurch ab. Insektizide müssen auf Grund einer bereits vorhandenen Immunität der<br />

Pflanzen kaum gespritzt werden, was die Umwelt weniger belastet. Ernteausfälle durch Schädlinge<br />

sind bedeutend geringer. Durch die Eigenschaften der Wunderpflanzen erzielen die Bauern<br />

bessere Erträge und höhere Gewinne und können so einen gewissen Wohlstand erreichen.<br />

Dem weitverbreiteten Nährstoff- und Vitaminmangel wird ausserdem durch Einpflanzung von<br />

Vitaminen und Nährstoffen entgegengewirkt.<br />

Erfahrung<br />

Was in der Praxis sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern festzustellen ist,<br />

spricht eine andere Sprache. Zwar erwiesen sich die Pflanzen in den ersten Anbaujahren als<br />

resistent gegen Insekten und Unkrautvertilgungsmittel, doch schon nach kurzer Zeit passten<br />

sich Unkräuter und Schädlinge den neuen Bedingungen an und entwickelten eine Immunität<br />

gegenüber den angewandten Methoden. Einigen Maiszünslern zum Beispiel schadet das von<br />

den Pflanzen ausgeschiedene Gift inzwischen nicht mehr und um gegen unerwünschte Pflanzen<br />

anzukommen, müssen die Bauern grössere Herbizidmengen versprühen und immer häufiger<br />

einen Mix aus verschiedene Mitteln anwenden.<br />

Die Importeure von Gentech-Pflanzen missachteten die Essgewohnheiten der Bauern. Viele<br />

Pflanzen, die der Unwissende als Unkraut bezeichnet und darum durch den gezielten Einsatz<br />

von Herbiziden bekämpft, spielen eine wichtige Rolle bei der Ernährungssicherheit der ländlichen<br />

Bevölkerung. Auf den Äckern wächst ein Vielzahl von „Unkräutern“, die durch Anwendung<br />

von chemischen Mitteln deutlich abnimmt. Viele dieser Gewächse dienen als Ergänzung<br />

zu den Grundnahrungsmitteln. In einer Region Indiens wird ein Gewächs mit hohem Eisenanteil<br />

von den Frauen verwendet, um ihren notwendigen Bedarf zu decken. Solche und ähnliche<br />

Pflanzen tragen in ruralen Gebieten bis zu einem Viertel zur Ernährung bei. In Hunger- und<br />

Dürrezeiten machen sie sogar die Hälfte der eingenommenen Nahrung aus. Sind diese Rückgriffe<br />

nicht mehr möglich, nehmen Hunger und Mangelernährung der ländlichen Bevölkerung<br />

zwangsläufig zu.<br />

Bis zu 5 Millionen Kinder erblinden pro Jahr wegen Vitamin-A-Mangel. 42 Veränderter Reis<br />

mit hohem Vitamin-A-Gehalt ist trotzdem nicht nötig, sagt Vandana Shiva, eine indische Wissenschaftlerin<br />

und Gentech-Kritikerin. Würde man den Reis nicht polieren, wäre der Vitamin-<br />

42 www.uni-hohenheim.de/wwwin140/vitamine/vitamin_a.htm#Mangelerscheinungen%20und%20Überdosierungen<br />

(6.12. 17:57).<br />

30


Bedarf gedeckt. Auch andere Pflanzen, wie der rote Reis aus Indien, haben ohne Gentechnik<br />

einen ausreichenden Gehalt jenes Vitamins. Es wäre wichtiger, solche Pflanzensorten bekannt<br />

zu machen und zu verbreiten, anstatt Unmengen von Geld in die Entwicklung von „künstlichen“<br />

Gewächsen zu investieren.<br />

Ein anderes Kapitel sind die falschen Versprechungen, welche die Vertriebsfirmen von Gentech-Pflanzen<br />

den Bauern geben. Durch unvorstellbare Erntemengen wird ihnen der Anbau<br />

von Gen-Baumwolle oder Gen-Reis schmackhaft gemacht. Diese Erträge können aber nur<br />

dann gewährleistet werden, wenn grosse Mengen an Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmitteln<br />

zur Verfügung stehen.<br />

In Indonesien versprach man interessierten Bauern, dass pro Hektar 4 Tonnen Baumwolle geerntet<br />

werden könnten. Was dabei herauskam, war jedoch kläglich: Auf 500 Hektaren pflückten<br />

die Landwirte keine Baumwolle, die restlichen 3'500 Hektar lieferten nur einen Viertel der<br />

erhofften Erträge. In diesem Fall lag der Fehlschlag an den in Indonesien vorkommenden<br />

Schädlingen, gegen welche die Gentech-Pflanzen nicht resistent waren.<br />

Negativ ist auch die zunehmende Abhängigkeit der Bauern von grossen ausländischen Firmen,<br />

da das Saatgut nur für eine Ernte verwendet werden kann. Legt man einen Teil der Ernte für<br />

das nächste Jahr zurück, macht man sich am Patentgesetzt schuldig. Jedes Jahr müssen neue<br />

Samen gekauft werden und damit die Erträge auch hoch sind, werden spezielle Dünger und<br />

extra Herbizide benötigt. Viele Bauern verschulden sich, nur um wieder Saatgut kaufen zu<br />

können.<br />

4.4.2. Nachhaltige Landwirtschaft<br />

Merkmale<br />

Eine Ertragssteigerung auf den bestehenden Feldern soll durch den Gegebenheiten und Traditionen<br />

angepasste Methoden erreicht werden. Auch die natürlichen Ressourcen wie Wasser<br />

und Boden werden berücksichtigt, wobei letzterem besondere Aufmerksamkeit geschenkt<br />

wird. Durch den Anbau verschiedener Pflanzen wird er nicht einseitig ausgelaugt und oftmals<br />

sogar wieder verbessert. Auch auf die Mitarbeit und Beteiligung der Bauern wird grosser Wert<br />

gelegt, ihre vorhandenen Erfahrungen sollen so gut als möglich zum Gelingen der neuen Verfahren<br />

beitragen.<br />

31


Methoden<br />

Da meist keine neuen Anbauflächen mehr zur Verfügung stehen,<br />

konzentriert man sich auf die Intensivierung und Doppelnutzung der vorhandenen<br />

Flächen.<br />

In Südostasien wird der Reis hauptsächlich im Nassreisanbau erwirtschaftet.<br />

Die mit Wasser bedeckten Felder eignen sich nicht nur zum Reisanbau,<br />

sondern auch zur Fisch-, Krabben oder Schrimpszucht. Diese Tiere<br />

bereichern die Ernährung der Bauern und können bei grossem Vorkommen<br />

auf dem Markt verkauft werden. Ein weiterer Vorteil entsteht<br />

dadurch, dass die Fische die Mückenlarven fressen. So konnte im Distrikt Quanzhou in China<br />

die Malariahäufigkeit im gleichen Masse gesenkt werden, wie der Reis-Fisch-„Anbau“ gefördert<br />

wurde.<br />

Auch im Bereich des Pflanzenschutzes zeigt sich die nachhaltige Landwirtschaft erfinderisch.<br />

Auf chemische Herbizide und Pestizide wird weitgehend verzichtet, einerseits der Umwelt zuliebe,<br />

andererseits weil es natürliche Methoden gibt, die genauso effizient sind wie künstlich<br />

hergestellte Mittel und ausserdem den Geldbeutel der Bauern nicht belasten.<br />

In Zusammenarbeit mit kenianischen Bauern fand man eine Lösung gegen eine Motte, die den<br />

Mais frisst. Sudan- und Napiergras werden als Schutzmauern um die Felder gepflanzt, um die<br />

Motten vom Mais wegzulocken. Die Falter lieben dieses Gras für die Ablage ihrer Larven.<br />

Das vermeintliche Paradies erweist sich jedoch als tödliche Falle. Die Pflanzen setzen die<br />

Schädlinge durch Produktion einer Flüssigkeit gezielt schachmatt.<br />

Gegen ein Unkraut, das sich in den Maisfeldern schnell verbreitet, fand man ebenfalls eine<br />

pflanzliche Lösung namens Desmodium (Hülsenfrucht). Diese dient in den Feldern als Unkraut-<br />

und sogar Mottenschreck und gleichzeitig als Stickstofflieferant und somit als natürliches,<br />

umweltschonendes Düngemittel.<br />

Solche Methoden sind besonders in den ländlichen Regionen in Südamerika, Nordafrika und<br />

Asien gut geeignet, um die Ernährungslage der Bevölkerung zu verbessern. In den Subsahara-<br />

Gebieten, in denen Aids in letzter Zeit zum Tod von Millionen von Menschen führte, ist diese<br />

Wirtschaftsweise fraglich, da sie sehr arbeitsintensiv ist. Für die dortigen Gegenden muss<br />

möglichst bald eine Alternative zu den aufwändigen Techniken gefunden werden, die aber<br />

auch auf den Prinzipien der nachhaltigen Landwirtschaft aufbaut.<br />

Ein weiteres, für die nachhaltige Landwirtschaft hinderliches Problem sind die Eigentumsverhältnisse<br />

des Bodens, die in vielen Staaten noch nicht klar geregelt sind, oder sich, wie in<br />

Äthiopien, in den Händen des Staates befinden. Die Kleinbauern sind nicht bereit, viel Geld<br />

und Arbeit in die Verbesserung ihres Bodens zu stecken, wenn sie fürchten müssen, enteignet<br />

zu werden. Viele Vorschläge der nachhaltigen Landwirtschaft setzen aber gerade längerfristige<br />

32


Aktivitäten voraus. Bäume als Erosionsschutz für die Felder wachsen nun einmal nicht in einem<br />

halben Jahr.<br />

Die nachhaltige Landwirtschaft kann also nur gut funktionieren, wenn die notwendigen politischen,<br />

marktwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen stimmen. Es lassen sich<br />

auch nicht alle Methoden blind auf alle Länder anwenden, wenn die Pflanzen unbekannt sind<br />

und nicht dem Klima entsprechen oder wenn die Tradition es den Bauern eines Landes verbietet,<br />

zu tun, was die Nachbarländer machen.<br />

33


5. Was unternehmen wir, die Zivilbevölkerung im Westen?<br />

Täglich sterben mehr als 80'000 Menschen vor allem südlich des Äquators an Hunger, pro Jahr ergibt<br />

dies etwa 30 Millionen Personen, die verhungern oder an Folgeerkrankungen wie Masern oder Durchfall<br />

sterben. 43 Diese Zahlen sind unvorstellbar und unfassbar. Durch folgende Grafik will ich versuchen,<br />

die Situation zu verdeutlichen.<br />

6:30 Der Wecker reisst Sie aus dem Schlaf. Für viele von Hunger betroffene Personen<br />

wird dieser Tag ihr letzter sein.<br />

6:40 Fertig angezogen setzen Sie sich an den Während diesen zehn Minuten sind bereits<br />

Frühstückstisch.<br />

560 Menschen gestorben.<br />

7:00 Sie schliessen die Türe hinter sich und machen<br />

sich auf den Weg zur Arbeit.<br />

Weitere 1'120 Menschen sind zu beklagen,<br />

die ihre täglichen Pflichten nicht mehr erfüllen<br />

können.<br />

12:30 Mit vollem Bauch lehnen Sie sich im Restaurant<br />

gemütlich in Ihrem Stuhl zurück.<br />

Auf der Erde leben 20'000 Leute weniger,<br />

vielleicht weil sie kein Mittagessen hatten.<br />

12:31 Zur Abrundung Ihrer Mahlzeit bestellen Sie In dieser einen Minute starben 55 Menschen,<br />

sich einen heissen Cappuccino und Kuchen. Nachtisch war ihnen ein Fremdwort.<br />

17:30 Müde von der Arbeit legen Sie sich ins Sofa Die 37'000 Menschen, die umkamen, werden<br />

und schalten den Fernseher an.<br />

in keiner TV-Sendung erwähnt.<br />

22:00 Sie liegen halbwach im Bett und lassen Ihren<br />

ganzen Tag revue passieren.<br />

Die 52'000 Personen, die in dieser Zeit an<br />

Hunger starben, finden nur in wenigen Gedanken<br />

Beachtung.<br />

5.1. Übergewicht und Untergewicht<br />

Während ein Teil der Menschheit auf einer Seite der Weltkugel mit<br />

Unterernährung und Hunger zu überleben versucht, zeigt sich auf der<br />

anderen Hälfte der Erde ein gegenteiliger Trend.<br />

Seit einigen Jahren kämpfen westliche Länder mit einer dramatischen<br />

Zunahme der übergewichtigen Bevölkerung, schon kleine Kinder sind zu<br />

dick. Das Problem erweist sich als so gravierend, dass in Zeitungsartikeln<br />

von einer Pandemie gesprochen wird und die WHO es als eines der<br />

brennendsten Themen unserer Breitengrade bezeichnet. In der Schweiz<br />

43 Caritas: Not gehört ausgehungert, Wien 2006; S. 2.<br />

34


leiden 2,2 Millionen Menschen an Übergewicht oder Fettleibigkeit und jährlich kommen etwa<br />

50'000 Personen dazu. Übergewicht verursacht Kosten von bis zu 2,7 Milliarden Franken durch<br />

Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislaufprobleme. 44<br />

Doch nicht nur Übergewicht ist verbreitet, auch Untergewicht nimmt in einer Gesellschaft zu, in<br />

der es an materiellen Dingen nicht fehlt. Die Ursachen dieses Untergewichts, auch Magersucht<br />

genannt, sind nicht Mangel an Nahrung, sondern psychische Belastungen, Probleme im privaten<br />

Umfeld usw. Vor allem Frauen und junge Mädchen sind davon betroffen. Im Jahr 2000 wiesen in<br />

der Schweiz 8% der Frauen zwischen 16 und 19 Jahren ein gestörtes Essverhalten auf. 45 In<br />

Deutschland ist in den letzten dreissig Jahren die Zahl der Anorexiefälle bei Mädchen unter zehn<br />

Jahren auf das Achtfache angestiegen. 46<br />

Für mich sind diese beiden Phänomene erschreckend, zeigen sie doch die Gestörtheit unserer Gesellschaft.<br />

Es geht nicht darum, den zu Dünnen oder zu Dicken einen Vorwurf zu machen. Es geht<br />

nicht darum, die einen anzuklagen, dass sie das Essen nicht schätzen, oder die anderen dafür zu<br />

verurteilen, dass sie Hungernden die Lebensmittel wegessen. Es geht darum, zu zeigen, wie kontrovers<br />

die ganze Situation ist und dass das Hungerproblem auch uns, gerade wegen den Entwicklungen<br />

hier, etwas angeht.<br />

5.2. Unser Umgang mit Nahrungsmitteln<br />

Pro Schweizer werden jährlich 36 kg Nahrungsmittel weggeworfen. Gesamtschweizerisch ergibt<br />

dies die stolze Zahl von 250'000 Tonnen. Von dieser Menge wäre ein Zehntel, also 25'000 Tonnen,<br />

noch einwandfrei für Menschen geniessbar. 47<br />

Der „Schweizerische Bauernverband“ sandte mir ungefähre Angaben zu den jährlich verfütterten<br />

Nahrungsmittelabfällen in der Schweiz: Schätzungen zu Folge werden etwa 1'900 t Metzgerei-,<br />

106'600 t Haushalt- und 3'000 t Bäckereiabfälle an Schweine verfüttert. Leider konnte ich nicht in<br />

Erfahrung bringen, wie viele der nicht verkauften Lebensmittel, beispielsweise Mehl, Schokolade<br />

oder Fette, die Grossbetriebe an Mästereien weitergeben. Es könnte sich aber um weitere tausend<br />

oder mehr Tonnen pro Jahr handeln, die von Tieren gefressen werden. 48<br />

Warum werfen wir so viel weg?<br />

In der Schweiz herrscht ein Überfluss an Nahrungsmitteln. Dadurch schätzt man das, was man hat,<br />

nicht genug. Dazu kommt die gute ökonomische Lage. Wir können jederzeit und überall einkaufen,<br />

da wir genügend Geld haben und nicht fürchten müssen, dass eines Tages in den Regalen<br />

44 www.bag.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/01217/index.html?lang=de&msg-id=8262 (7.12. 19:44).<br />

45 www.essstoerungen.ch/Info/Essst%C3%B6rungen_1.pdf (7.12. 20:13).<br />

46 Natur und Kosmos, Dezember 2006; S. 81.<br />

47 www.schweizer-tafeln.ch/de/index.cfm?treeID=4http://www.schweizer-tafeln.ch/de/index.cfm?treeID=4 (7.12. 17:36).<br />

48 E-Mail von Iso Schmid (Schweizerischer Bauernverband).<br />

35


plötzlich keine Teigwaren oder kein Reis mehr stehen. Die Nahrungsmittelpreise sind so tief, dass<br />

sie im Haushaltsbudget einen immer kleineren Rang einnehmen und kaum ins Gewicht fallen. Im<br />

Jahre 1912 verbrauchte eine Arbeiterfamilie 44% ihres gesamten Einkommens für den Kauf von<br />

Nahrung. 49 Im Jahre 2005 beliefen sich die Ausgaben lediglich noch auf 11,4% inklusive Getränke.<br />

In die Gesundheitspflege und „Wohnen und Energie“ wurden durchschnittlich 16,3 beziehungsweise<br />

25,8% des Einkommens investiert. 50 Dadurch nimmt die Wertschätzung der Nahrung<br />

ab. Ein paar Franken mehr oder weniger fallen kaum ins Gewicht und wie viel Wert kann etwas<br />

haben, dass nichts kostet?<br />

Auch in Zukunft muss nicht mit einer Preiserhöhung der Produkte gerechnet werden, sondern eher<br />

mit einer Abnahme. Im Vergleich mit der EU müssen die armen Schweizer die Lebensmittel eh<br />

noch viel zu teuer kaufen. Doch das soll nicht mehr lange so sein. Alles muss billig sein und billiger<br />

werden, wir sind ja nicht blöd!<br />

Dabei ignorieren wir, dass Nahrungsmittel nicht immer günstiger werden können, ohne dass dabei<br />

jemand übervorteilt wird und zu Schaden kommt. Die Hersteller in der Schweiz, in Europa oder<br />

den Entwicklungsländern müssen bereits heute um ihr Überleben kämpfen. Die Märkte werden<br />

gnadenloser, die Konkurrenz härter und die Produzenten und Arbeiter erhalten immer weniger<br />

Lohn. Irgendwo müssen Abstriche gemacht werden, damit alles billiger wird. „Jenen, denen es<br />

schon schlecht geht und die wenig verdienen, macht das nicht so viel, es kommt ja eh nicht mehr<br />

gross darauf an.“ Auch die Umwelt ist eine Kandidatin beim Sparen, „die kann ja sowieso nichts<br />

sagen.“ (Ob sich das als wahr herausstellt, wird sich zeigen.) Nur durch die Einsparungen an allen<br />

Ecken und Enden lässt sich erklären, warum Aprikosen aus Südafrika trotz des weiten Transportweges<br />

um ein Vielfaches günstiger sind, als die in unseren Nachbarkantonen gewachsenen Früchte.<br />

Die Endbilanz muss nur in den Geldbeuteln der Konsumenten und Betriebe stimmen, unter<br />

welchen Umständen man in Genuss der guten Preise kommt, spielt keine Rolle.<br />

Die Entwicklung unserer Gesellschaft, die sich immer mehr in eine Konsumgesellschaft wandelte,<br />

sehe ich ebenfalls im Zusammenhang mit der Respektlosigkeit, der fehlenden Wertschätzung und<br />

somit der achtlosen Verschwendung von Nahrungsmitteln. In den letzten Jahrzehnten entfernte<br />

sich vor allem die Bevölkerung in den Städten immer mehr von der Produktion der Nahrungsmittel.<br />

Was in den Supermärkten zu sehen ist, stellt nur noch das Endprodukt, das Ergebnis einer langen<br />

Reihe von Prozessen und Arbeitsabläufen, dar. Der ganze Weg, bis das Erzeugnis endlich in<br />

den Regalen steht, ist vielen unbekannt. Somit ist auch der Bezug zur Nahrung und das Wissen,<br />

welche Schwierigkeiten und wie viel Arbeit zum Beispiel die Gewinnung eines Kilos Kirschen beinhaltet,<br />

nicht mehr vorhanden. Die Lebensmittel stellen für uns eine beliebig ersetzbare, künstlich<br />

hergestellte Ware dar. Der Skrupel, Essen wegzuwerfen, ist viel kleiner.<br />

49 www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16221.php (11.11. 16:45).<br />

50 www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/erhebungen__quellen/blank/blank/eve/02.ContentPar.0010.DownloadFi<br />

le.tmp/EVE%202006.pdf (11.11. 17:01).<br />

36


Mit dieser Kritik will ich keinesfalls sagen, dass die Lösung des Hungerproblems darin liegt, nun<br />

unsere Essensreste fein säuberlich abzupacken und in Entwicklungsländer zu schicken oder nur<br />

noch mit schlechtem Gewissen zu essen. Dies ist schlichtweg unmöglich und irrsinnig. Ich will<br />

nur aufzeigen, in welche falsche Richtung die ganze Situation in den reichen Staaten läuft. Ich bin<br />

der Ansicht, dass wir unser Verhalten und unsere „Beziehung“ dem Essen gegenüber ändern sollten<br />

und es gar nicht erst zu so grossen Abfallbergen kommen lassen dürfen, im Bewusstsein, dass<br />

es auf dieser Erde Leute hat, die hungrig schlafen gehen.<br />

Unser Fleischkonsum<br />

Der Fleischkonsum auf der Welt nimmt immer mehr zu, vor allem weil in den Industriestaaten<br />

immer mehr Fleisch gegessen wird. Natürlich steigt auch der Verbrauch in Entwicklungsländern,<br />

doch angesichts unseres hohen Fleischgenusses fällt das kaum ins Gewicht. Letztes Jahr wurden<br />

265 Millionen Tonnen Fleisch „hergestellt“. Dies ist eine Verdoppelung seit 1970. Um nur eine<br />

konkrete Zahl zu nennen: Weltweit lebten 1997 13,5 Milliarden Masthühner, etwa doppelt so viele<br />

wie die Zahl der gesamten Weltbevölkerung. 51<br />

Die Haltung einer so grossen Anzahl Tiere hat zur Folge, dass sie von Gras allein nicht mehr leben<br />

können. Getreide und Soja müssen in immer grösseren Mengen verfüttert werden. Um ein Kilogramm<br />

Rindfleisch zu erhalten, benötigt man auf einem Mastbetrieb sieben Kilogramm Getreide.<br />

Tiere verzehrten in den letzten 20 Jahren zwei Fünftel der Getreideproduktion.<br />

Um solch grosse Kornmengen anbauen zu können, braucht es viel Land. Momentan können zwar<br />

noch kilometerlange Flächen Urwald gerodet werden, doch auch dies hat einmal ein Ende. Eine<br />

weitere Erhöhung der Produktion kann hauptsächlich durch Flächenintensivierung erreicht werden.<br />

Je nach Methode hat dies eine höhere Umweltbelastung und die Zerstörung des Bodens zur<br />

Folge. Die Ernährungsunsicherheit der Bevölkerung in den Futtermittel produzierenden Ländern<br />

nimmt zu. Auf Ackerflächen, die früher zur Deckung der eigenen Bedürfnisse bebaut wurden,<br />

wächst heute Tierfutter für den Export. Argentinien ist so ein Beispiel: In den 70er Jahren lebten<br />

fünf Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Heute sind es nach Einführung von riesigen<br />

Sojafeldern mehr als 50% und der grösste Teil der Grundnahrungsmittel muss importiert werden.<br />

52<br />

Für Vegetarier liegt die Lösung des Problems auf der Hand: Weitere 225 Millionen Vegetarier<br />

könnten ernährt werden, wenn man von den jährlich 670 Millionen Tonnen Getreide lediglich<br />

10% weniger verfüttern würde. 53<br />

Ich plädiere nicht gerade dafür, dass alle Erdenbürger Vegetarier werden sollen, bin aber der Meinung,<br />

dass es unumgänglich ist, den Fleischkonsum einzuschränken, damit Menschen nicht hun-<br />

51 www.vegetarismus.ch/heft/98-3/zahlen.htm (7.12. 21:18).<br />

52 Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 36, 84.<br />

53 www.vegetarismus.ch/heft/98-3/zahlen.htm (7.12. 21:46).<br />

37


gern müssen, weil sie, anstatt Nahrung für sich, Futter für Tiere, die wir später essen, anbauen<br />

müssen.<br />

5.3. Verantwortung?<br />

Jeder Mensch trägt Verantwortung für das, was ihm anvertraut ist. Ich glaube, dass die Bewohner<br />

der reichen westlichen Länder gerade durch ihren Reichtum und wegen ihrem Privileg, in einem<br />

sicheren und wohlhabenden Staat zu leben, eine besondere Aufgabe haben. Es gibt eine Verantwortung,<br />

eine Pflicht denen gegenüber, die unter unmenschlichen Bedingungen leben und nur begrenzte<br />

Möglichkeiten haben, ihre Situation im Alleingang zu verbessern. Wenn wir diese Verantwortung<br />

wahrnehmen, wächst das Anliegen, anderen Menschen, gerade Hungernden zu helfen,<br />

damit auch sie die Möglichkeit haben, in einer besseren Umgebung und unter menschenwürdigen<br />

Bedingungen aufwachsen und leben zu können. Wir müssen uns unserer Aufgabe bewusst werden<br />

und unseren Teil dazu beitragen, dass das Recht auf Nahrung nicht nur leere Worte bleibt, sondern<br />

in Zusammenhang mit Aktivitäten auch wirklich sättigt. Entwicklungshilfe entsteht durch die<br />

Wahrnehmung dieser Verantwortung und „ist nicht nur ein Ausdruck des Mitleids, sondern auch<br />

ein wichtiger Beitrag für eine bessere und gerechtere Welt.“ 54<br />

5.4. Spenden<br />

Aus den Medien ist zu vernehmen, dass Hilfswerke immer grössere Schwierigkeiten haben, für all<br />

die anstehenden Aufgaben genügend Spenden zu bekommen. Glücklicherweise ist dies nicht überall<br />

so: Es gibt auch Organisationen, deren Einnahmen konstant blieben oder sogar leicht anstiegen.<br />

Dies ist ermutigend, doch angesichts der weltweiten Not reicht es nicht. Geld wird immer gebraucht,<br />

denn es gibt so viel, gegen das wegen Mangel an Mitteln noch nichts unternommen werden<br />

konnte. Oft prallen die Bitten von Hilfswerken um finanzielle Hilfe ab, die Summen, die für<br />

direkte Nothilfe oder von Dürren heimgesuchte Gebiete nötig wären, kommen nur langsam zusammen.<br />

Verzweifelte Aufrufe bringen kaum etwas.<br />

Ist es vielleicht, weil wir nicht genügend Geld besitzen, um Projekte zu unterstützen? Das Welteinkommen<br />

stieg seit 1970 auf das Zehnfache an. Der durchschnittliche Jahreserwerb des Einzelnen<br />

wuchs von 2'960 auf 28'150 Dollar (2003). 55 Wir haben genug Geld und verdienen viel mehr<br />

als noch vor 36 Jahren und trotzdem sorgen wir lieber für Tiere als für Menschen. Die Deutschen<br />

gaben 2006 für das Essen und das Zubehör ihrer Haustiere mehr als drei Milliarden Euro aus. 56<br />

54 Fragebogen von Reto Baliarda.<br />

55 Geo, November 2005, S. 106, 107.<br />

56 www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/:Haustiere-Drei-Milliarden-Hund,-Katze-Maus-/580422.html (29.1 20:00).<br />

38


Eine Kuh in den EU-Ländern wird jährlich durchschnittlich mit 913 Dollar subventioniert, die<br />

Entwicklungshilfebeiträge der EU für Afrika sind so klein, dass ein Afrikaner nur 8 Dollar Entwicklungshilfe<br />

erhält. Bei Tieren und Dingen, die uns unmittelbar betreffen, scheint uns das Geld<br />

nicht zu reuen. Warum geben wir uns so kleinlich, wenn es darum geht, Menschen in Not zu helfen?<br />

5.5. Was können wir gegen Hunger tun, was wird getan? Drei konkrete Beispiele.<br />

Schweizerische Allianz gegen den Hunger<br />

Im Oktober dieses Jahres wurde die Schweizerische Allianz gegründet. Sie ist Mitglied der Internationalen<br />

Allianz, welche den (Ideen-)Austausch und die Zusammenarbeit von Norden und Süden<br />

im Kampf gegen Hunger anstrebt. 40 nationale Allianzen, hauptsächlich in Entwicklungsländern,<br />

begannen in den vergangenen vier Jahren, aktiv zu werden.<br />

Die Ziele des Schweizer Bündnisses sind „das öffentliche Bewusstsein, den politischen Willen<br />

und die finanziellen Möglichkeiten zu mobilisieren, um die Zahl der Hungernden spätestens bis<br />

zum Jahr 2015 um die Hälfte zu verringern.“ 57 Absicht ist nicht, mit eigenen Projekten in Entwicklungsländern<br />

zu beginnen, sondern die Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung im Inland<br />

voranzutreiben. Hilfswerken und Mitgliedorganisationen soll durch diese Arbeit der Weg zur<br />

Beschaffung von Geldern für ihre Projekte vereinfacht werden. 58<br />

Schweizer-Tafeln<br />

Die Stiftung „Hoffnung für Menschen in Not“ initiierte die Schweizer-Tafeln basierend auf ähnlichen<br />

Projekten in Berlin und Amerika. Im Jahr 2001 wurde in Bern mit der ersten Tafel begonnen.<br />

Heute sind es deren elf. Die Aufgabe der Tafeln ist es, täglich bei Grossverteilern verfallene, jedoch<br />

einwandfrei geniessbare Nahrung umsonst abzuholen und gratis an Gassenküchen, Heime<br />

und Notunterkünfte weiter zu verteilen. Den Transport übernehmen freiwillige Helfer und Zivildienstleistende.<br />

2005 wurden jeden Tag 3,5 Tonnen (während des ganzen Jahres 800 Tonnen im Wert von circa<br />

3,4 Millionen Schweizer Franken) Lebensmittel an soziale Organisationen ausgeteilt. Diese konnten<br />

damit etwa 3,8 Millionen Mahlzeiten zubereiten und an Bedürftige weitergeben.<br />

Durch seine Arbeit leistet das Projekt einen Beitrag zur Bekämpfung der Armut in der Schweiz.<br />

Die Stiftung schätzt, dass 13% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Zusätzlich dazu<br />

werden Lebensmittel, die noch gut sind, aber entsorgt würden, weiterverwendet. Rose-Marie Ben-<br />

57 www.allianz-hunger.ch/schweizer_allianz.pdf (29.11 18:00).<br />

58 www.allianz-hunger.ch (29.11. 17:56).<br />

39


zinger, die Leiterin eines Heimes, das von den Schweizer-Tafeln beliefert wird, sagt: „Wir schlagen<br />

eine Brücke vom Überfluss zum Mangel.“ 59<br />

Das Bestehen der Organisation ist nur durch Spenden und Sponsorenbeiträge möglich. Geld und<br />

Lebensmittel sowie freiwillige Helfer sind jederzeit herzlich willkommen. 60<br />

Fair Trade<br />

Besonders wichtig scheint mir, dass tägliche Verhaltensweisen anders geprägt werden. Hier<br />

kommt Fair Trade zum Zug. In den letzen Jahren nahmen fair gehandelte Produkte wie Max Havelaar<br />

stark zu.<br />

Produzenten solcher Erzeugnisse in Entwicklungsländern erhalten für die gelieferten Rohstoffe<br />

und Produkte angemessene und feste Preise. Der stark schwankende<br />

Weltmarktpreis spielt dabei keine Rolle. Durch diese Bezahlung ist es den<br />

Arbeitern möglich, eine gesicherte Existenz und ein menschenwürdiges<br />

Dasein zu führen. Fair Trade Organisationen arbeiten hauptsächlich mit<br />

Kleinbauern und Genossenschaften zusammen, deren Förderung ein Ziel<br />

ist. Auch die Bildung und Verbesserung der Stellung der Frauen werden als<br />

wichtig erachtet. Der Anbau landwirtschaftlicher Produkte erfolgt nach<br />

umweltschonenden Kriterien.<br />

Der Kauf von fair gehandelten Artikeln trägt zur Bekämpfung von Hunger bei. Gerechte Ankaufspreise<br />

ermöglichen die Besorgung von ausreichender und ausgewogener Nahrung und helfen den<br />

Familien der Hersteller, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen. 61<br />

59 Via (SBB), August 2006, S. 43.<br />

60 www.schweizer-tafeln.ch (29.11. 18:10).<br />

61 www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade (9.12. 16:55).<br />

Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 32.<br />

40


6. Schlusswort<br />

Die Lösung des Hungerproblems ist eine der grössten Herausforderungen der heutigen Zeit, die sich<br />

den betroffenen Staaten, der internationalen Gemeinschaft und Einzelpersonen stellt. Es ist ein untragbarer<br />

Zustand, wenn man bedenkt, dass wir hier im Überfluss leben und aus wirtschaftlichen Gründen<br />

Nahrungsmittel vernichten müssen. Auch wenn viele an Hunger und Unterernährung leiden, sind die<br />

ganzen Umstände schwer zu erfassen und oftmals schwammig.<br />

Als problematisch erweist sich bereits die Erfassung von Hunger. Bei der Definition stiess ich auf<br />

zwei verschiedene Angaben. Laut FAO hungert ein Mensch, sobald er pro Tag weniger als 1'800 Kilokalorien<br />

zu sich nimmt, die UNHCR spricht bereits dann von Hunger, wenn einem Menschen weniger<br />

als 2'100 Kilokalorien zur Verfügung stehen. 62 Es existiert auch keine international und allgemein<br />

gültige Messgrösse, was die Bezifferung des ganzen Ausmasses erschwert. Oftmals fehlt es auch an<br />

aktuellen und ausreichenden Daten, wie zum Beispiel einer genauen Zahl zum Mangel an Vitaminen<br />

und Mineralstoffen der Bevölkerung, um Entwicklungen und Veränderungen feststellen zu können.<br />

Für viele andere Tatbestände wurden möglichst breit abdeckende und auf viele Länder anwendbare<br />

Indizes erarbeitet. Der HDI („Human Development Index“) gibt den Entwicklungsstand eines Staates<br />

wieder, der „Corruption Perceptions Index“ die Korruption in Politik und Verwaltung verschiedener<br />

Länder. Zwar wurden unterschiedliche Versuche unternommen, um auch für das Hungerproblem einen<br />

solchen Index zu kreieren, doch bis heute ohne Erfolg. 63<br />

Die vielen verschiedenen Ursachen von Hunger erleichtern dessen Bekämpfung auch nicht. An allen<br />

Ecken und Enden sollte begonnen werden, überall gibt es etwas zu verbessern. Wie so oft können die<br />

Betroffenen am wenigsten für die herrschenden Zustände, sie vermögen auch kaum etwas dagegen zu<br />

tun. Kriege werden von Regierungen oder Rebellen verschuldet, welche die Lebenssituation vieler in<br />

ihren Händen halten und für das Erreichen ihrer Ideale und Ziele buchstäblich über Leichen gehen.<br />

Die Zivilbevölkerung ist machtlos. Dem Klimawandel und den dadurch immer häufiger auftretenden<br />

Katastrophen sind Entwicklungsländer besonders ausgeliefert, da die Landwirtschaft vom Klima und<br />

regelmässigem Regen abhängt und gleichzeitig der grösste Arbeitsbereich dieser Länder ist. Die Wirtschaft<br />

reagiert äusserst sensibel darauf. Die Hauptschuldigen leben jedoch nicht in den betroffenen<br />

Staaten, sondern in der westlichen Welt, die während Jahrzehnten die Umwelt munter zerstörte und<br />

nur langsam bemerken, dass ein Wandel des Verhaltens nötig wäre.<br />

Zwar erteilen zahlreiche Organisationen immer wieder Empfehlungen und Lösungsvorschläge für einen<br />

erfolgreichen Kampf gegen Hunger. Doch bei der Ausführung stösst man immer wieder an Grenzen.<br />

Die Vorschläge müssen je nach Land den dort herrschenden Traditionen und Gegebenheiten angepasst<br />

werden. Dies erweist sich vor allem dort als schwierig, wo politische Unruhen herrschen. Einerseits<br />

verschlingen Kriegsausgaben die nötigen Ressourcen, andererseits können die Programme auf<br />

62 Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main 2005; S. 93.<br />

63 Deutsche Welthungerhilfe: Herausforderung Hunger, Bonn 2006; S. 7.<br />

41


Grund der häufig wechselnden Personen an der Regierungsspitze nicht konsequent und über lange Zeit<br />

hinweg verfolgt werden. Auch schlechte wirtschaftliche und finanzielle Voraussetzungen verhindern<br />

die Durchsetzung der nötigen Massnahmen. Viele Staaten sind hoch verschuldet.<br />

Die reichen Staaten sprechen zwar von Entwicklungshilfe und legen Richtlinien fest, um diese zu erhöhen,<br />

doch meist bleibt es bei Worten. An eindrücklichen Versammlungen wurden die Menschenrechte<br />

formuliert. Alle Menschen haben das Recht auf Gesundheit. Jedem wird das Recht auf Bildung<br />

zugesprochen. Freie Meinungsäusserung ist ein Recht, das alle, egal ob Mann oder Frau, besitzen. Das<br />

Recht auf Arbeit wird jedem zugebilligt. Jeder hat Anrecht auf eine gesunde Ernährung. Das sind<br />

grosse Worte und Zusicherungen, die Mut machen! Der Einzelne und ganze Völker können sich über<br />

diese Zusprüche freuen, doch das Menschenrecht auf Nahrung allein sättigt nicht!<br />

Feierliche Versprechen auf dem Papier oder in riesigen Kongresssälen sind nicht genug. Es reicht<br />

nicht, beim Reden stehen zu bleiben, das Leben keines einzigen Notleidenden wird sich dadurch verändern.<br />

Das zugesprochene Menschenrecht auf Nahrung muss etwas in Gang setzen. Jetzt heisst es,<br />

das Recht Realität werden zu lassen, von Worten zu Taten zu schreiten! Das ist nicht nur die Aufgabe<br />

von Regierungen und Staaten, dazu braucht es uns alle. Jeder muss mit seinen Möglichkeiten dazu beitragen,<br />

dass alle satt werden können. Wo viele günstige Voraussetzungen vorhanden sind, ist die Verantwortung<br />

gross. Wo weniger vorhanden ist, wird sie kleiner, doch sie besteht.<br />

42


Anhang<br />

Brief an Hilfswerke, Fragen (29.8.06)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Mein Name ist <strong>Rahel</strong> <strong>Weber</strong> und ich bin eine 18-jährige Kantonsschülerin. Für meine <strong>Maturarbeit</strong> habe<br />

ich den Themenkreis „Hunger und Hungersnöte in der Welt“ gewählt. Dabei geht es wahrscheinlich<br />

vorwiegend um die Kontinente Afrika und Asien, da dort die Hungerprobleme gravierender und weiter<br />

verbreitet sind als in Südamerika.<br />

Ich interessiere mich sehr für die Probleme von Entwicklungsländern und finde es interessant, die<br />

Zusammenhänge zwischen unserem Verhalten und den dort herrschenden Zuständen zu untersuchen<br />

und aufzuzeigen. Ich möchte diese Arbeit nutzen, um mich über dieses Thema speziell zu informieren.<br />

Meine Arbeit wird aus drei Teilen bestehen, wobei sich während der Entstehungszeit noch einiges<br />

ändern kann:<br />

Im ersten Teil möchte ich einen Überblick über das Thema geben und daraufhin noch insbesondere auf<br />

die Ursachen von Hunger/ Hungersnöten eingehen, welche sehr verschieden, jedoch eng miteinander<br />

verbunden sind. Warum z.B. herrscht in einem Gebiet, das vor 50 Jahren noch Essen im Überfluss zur<br />

Verfügung hatte, heute eine akute Hungergefahr? Zu diesem Teil habe ich schon einige Bücher<br />

gelesen und konnte mir einen guten Überblick verschaffen.<br />

Im zweiten Teil will ich näheres über die Arbeit von Hilfswerken in diesen Gebieten in Erfahrung<br />

bringen und schreiben. Was wird gemacht? Wie wird die Hilfe geleistet und hat sie Erfolg?<br />

Daraufhin stellt sich die Frage, wie das Ganze finanziert wird und diese Frage bildet den fliessenden<br />

Übergang zum dritten Teil, in welchem ich das Augenmerk vor allem auf Europa oder die Schweiz<br />

lenken will. Im Anbetracht dessen, dass es Millionen von hungernden Menschen gibt, liest und hört<br />

man doch sehr wenig von deren Situation und Not. Warum ist das so, sind wir schon zu stark<br />

abgestumpft oder ist es eine alte Geschichte, um die wir uns früher genug gekümmert haben, die uns<br />

nichts mehr anzugehen scheint? Auch die riesige Verschwendung von noch brauchbarer Nahrung in<br />

Industriestaaten wird ein Thema sein.<br />

Um eine fundierte Arbeit verfassen zu können, bin ich auf Hilfe von Menschen und Institutionen<br />

angewiesen, die sich für die Probleme in Zusammenhang mit Hunger einsetzen und dabei schon<br />

Erfahrung haben. Ich wäre deshalb froh, wenn Sie mir helfen könnten.<br />

Ich habe einige Fragen vorbereitet, deren Beantwortung mich beim Schreiben weiterbringen würden.<br />

1. Welche Ihrer Projekte zielen vor allem auf Hungerbekämpfung ab? (Projektbeschriebe,<br />

Prospekte)<br />

2. Welche Hilfe leisten Sie hauptsächlich; konzentrieren Sie sich auf Nothilfe oder auch auf<br />

Langzeitprojekte? Welche?<br />

3. Sehen Sie langzeitige Erfolge, Fortschritte?<br />

4. Wie wählen Sie die Orte, Leute aus, die von den Spendengeldern profitieren können?<br />

5. Welches sind die spezifischen Ursachen des Hungers in den von Ihnen betreuten Projekten<br />

und Gebieten?<br />

6. Bei Lebensmittelhilfen in akuten Fällen: Woher beziehen Sie die Nahrung, die Sie verteilen?<br />

7. Wie finanzieren Sie Ihre Projekte?<br />

8. Warum nimmt die Anzahl Spendengelder immer mehr ab? Stimmt das überhaupt? War es<br />

früher einfacher als heute für „Hungerprojekte“ zu sammeln?<br />

43


9. Was ist Schuld an der Gleichgültigkeit vieler Menschen in westlichen Ländern?<br />

Sind wir schon zu abgestumpft und gelangweilt von diesem Problem, dass wir lieber bei etwas<br />

Grossem, Spektakulärem spenden, das etwas Neues ist?<br />

10. Wie stehen Sie zu dem Zitat von Al Imfeld in seinem Buch „Hunger und Hilfe“: “Hilfe bringt<br />

nur etwas, wenn wir unsere Mitschuld, Mitverantwortung und Mitverwicklung sehen.“ ?<br />

Könnten Sie mir Personen nennen, die selber in einem solchen Projekt gearbeitet haben und die ich<br />

kontaktieren könnte? Vielleicht wäre es sogar möglich, mit jemandem ein Interview zu machen.<br />

Vielen Dank für Ihre Hilfe und Ihre Bemühungen.<br />

Herzliche Grüsse<br />

<strong>Rahel</strong> <strong>Weber</strong><br />

Meine Adresse:<br />

<strong>Rahel</strong> <strong>Weber</strong><br />

Grendelbachstr.42<br />

8307 Effretikon<br />

E-Mail: rahelweber@hotmail.com<br />

44


Interview mit Herrn Dieter Nussbaum, 21.11.06, Luzern<br />

Allgemeines:<br />

Wie funktioniert ein Frühwarnsystem gegen Hunger? (l S.25)<br />

Ist der Staat den Anforderungen gewachsen? Welche Auswirkungen hat eine Verbesserung<br />

und ein Interesse des Staats an der Hungerproblematik darauf? Gibt es einen Unterschied,<br />

wenn eine Demokratische Republik an der Macht ist? (l S.6,7)<br />

Wie nimmt die Bevölkerung Hilfe der Regierung und des Auslandes entgegen, gibt es<br />

Unterschiede?<br />

Was sind Strukturprobleme? (l S.8)<br />

Was geschieht, wenn ein Projekt keinen Erfolg hat? Kann man sich das leisten? (l S.30)<br />

ADDA-Projekt:<br />

Gehen solche Entwicklungsprojekte, wie ADDA eines ist, immer so lange? Wären Erfolge<br />

auch innert kürzerer Zeit sichtbar? (S.2)<br />

Ist die Bevölkerung im betreuten Distrikt durch ADDA weniger abhängig von internat.<br />

Nahrungsmittelhilfe?<br />

Auswirkungen: Profitiert wirklich die ganze Bevölkerung? Sieht man Unterschiede von<br />

Distrikt zu Distrikt im Hinblick auf die Verbesserung des Lebensstandards? (S.4) Zeigten sich<br />

Veränderungen in einzelnen Familien, in deren Ernähung, Lebensweise? (S.7)<br />

In der Bevölkerung zeigte sich ein Trend zum Gartenbau, was hätten Sie gemacht, wenn das<br />

nicht der Fall gewesen wäre? Was wären die aufkommenden Probleme gewesen? (S.4 u)<br />

Hätten Sie weitergemacht, wenn die Leute keine Eigeninitiative gezeigt hätten? -><br />

Voraussetzungen für Start (S.5)<br />

Warum wird Wert auf Gartenbau gelegt, dessen Produkte zum Verkauf bestimmt sind? Woher<br />

kommen dann die Grundnahrungsmittel? -> Abhängigkeit oder genug gute Strassen? (S.15 0)<br />

Warum steigt die Anzahl von Nothilfeempfänger? Ist dies auch in Ihrem Distrikt so? -><br />

Abhängigkeit? (l S.7) Die Lage verschlechtert sich im Lande wahrscheinlich noch weiter, was<br />

ist der Grund für eine Weiterführung der Projekte? Ist dies ein Indikator des Versagens von<br />

Entwicklungshilfe? (l S.17)<br />

Leiten Bauern übergebietlich auch andere Bauern an? –> Weiterverbreitung (S.9)<br />

Wäre es nicht besser, an einem anderen Ort anzufangen, damit auch andere profitieren?<br />

Sie sind nun schon lange in diesem Gebiet tätig, was geschieht aber, wenn Sie gehen und kein<br />

Geld mehr vom Ausland kommt? Gibt es Selbstfinanzierungsmöglichkeiten/ projekte im<br />

Land? -> Auswege, Lösungen. Findet auch Sensibilisierung im eigenen Land statt? (l Anh.9)<br />

Wie setzten Sie die Schwerpunkte/ Prioritäten, was zuerst kam usw.? Warum z.B. nicht zuerst<br />

ein Vorantreiben der Wasserwirtschaft? (Hauptproblem der tiefen Produktion?) (S.11, Anh. 7)<br />

Caritas ist im Irob-Distrikt die einzige auswärtige Unterstützung: Ist das einfacher, eher<br />

schwer im Hinblick auf Langzeitigkeit? (S.5 u)<br />

Nothilfe:<br />

Was gibt es für Alternativen zu Nahrungsmittelhilfe? (l S.4 u) Warum wird so viel Nothilfe<br />

betrieben, wenn diese besser wären? (l S.10)<br />

Gibt es einen Nutzen der kurzfristigen Nothilfe? Sieht man Verbesserungen, die auch von<br />

Dauer sind? Was geschieht nach der Nothilfe (wird normalerweise aufbauend auf das ein<br />

Projekt begonnen?), gibt es Organisationen, die einfach nur von Krisenherd zu Krisenherd<br />

ziehen? (Anh.8)<br />

Sind hohe Geldflüsse nach Katastrophen etwas gutes oder zerstören neue Projekte mehr -> im<br />

Hinblick auf die Bevölkerung, bereits bestehende Projekte... (S.6 m)<br />

Was heisst „geprägt von Nothilfeerfahrungen“? (S.14)<br />

Konkret zur letzten Reise:<br />

Gab es Rückschläge, gaben Sie eine Aufgabe, wurde diese erfüllt...<br />

Welche Finanzierung stellt das grössere Problem dar, privat oder grosser Firmen, OG<br />

45


Literaturverzeichnis<br />

Bücher<br />

Aufhammer, Walter: Getreide- und andere Körnerfruchtarten, Stuttgart 1998.<br />

Brot für die Welt (Hrsg.): Gesichter des Hungers, Frankfurt am Main, 1. Auflage 2005.<br />

Kälin, Walter; Müller, Lars; Wyttenbach, Judith (Hrsg.): Das Bild der Menschenrechte, Baden 2004.<br />

Matthies, Volker: Äthiopien, Eritrea, Somalia, Djibouti, München, 3. überarb. und erw. Auflage 1997.<br />

Specker, Louis: Die grosse Heimsuchung. Das Hungerjahr 1816/17 in der Ostschweiz, Rorschach,<br />

1. Teil 1993, 2. Teil 1995.<br />

Von Blanckenburg, Peter: Welternährung, München 1986.<br />

Ziegler, Jean: Wie kommt der Hunger in die Welt?, München, erw. Auflage 2002.<br />

Internetseiten<br />

www.schweizer-tafeln.ch<br />

www.fairtrade.at/phps/index.php?thema=fairtrade<br />

www.allianz-hunger.ch<br />

www.vegetarismus.ch/heft/98-3/zahlen.htm<br />

www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16221.php<br />

www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/erhebungen__quellen/blank/blank/eve/02.ContentPar.<br />

0010.DownloadFile.tmp/EVE%202006.pdf<br />

www.bag.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/01217/index.html?lang=de&msg-id=8262<br />

www.essstoerungen.ch/Info/Essst%C3%B6rungen_1.pdf<br />

www.uni-hohenheim.de/wwwin140/vitamine/vitamin_a.htm#Mangelerscheinungen%20und%20 Ü-<br />

berdosierungen<br />

www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/die_schweiz_in_ueberblick/fuehrungsgroessen/die_ueb<br />

ergeordneten/62/14.html<br />

www.de.wikipedia.org/wiki/Hungersnot_in_%C3%84thiopien_1984%E2%80%931985<br />

www.jungewelt.de/2006/10-06/009.php<br />

www.das-hunger-projekt.de/index.php?menuid=1&titleid=63<br />

www.welthungerhilfe.de/fileadmin/media/pdf/Welternaehrung/Welternaehrung_4_2005_72dpi.pdf<br />

www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/:Haustiere-Drei-Milliarden-Hund,-Katze-Maus-/580422.html<br />

Publikationen, Zeitschriften<br />

Caritas: Not gehört ausgehungert, Wien 2006.<br />

Caritas Schweiz: Nord-Äthiopien, Region Tigrai, Projekt No. p004-0121-01, 2004.<br />

Deutsche Welthungerhilfe: Herausforderung Hunger, Bonn 2006.<br />

Deutsche Welthungerhilfe: Hunger. Ausmass, Verbreitung, Ursachen, Auswege, Bonn 2005.<br />

46


Nussbaum, Dieter (Caritas Schweiz): Landesprogramm Äthiopien 2005-2009, 2004.<br />

UN Millennnium Project 2005. Preparing National Strategies to Achieve the Millennnium Development<br />

Goals: A handbook.<br />

UN Millennium Project 2005. Halving Hunger: It can be done. Task force on hunger.<br />

World Food Programme: Hunger.<br />

Fragebogen von Reto Baliarda.<br />

Geo, November 2005.<br />

Natur und Kosmos, Dezember 2006.<br />

Via (SBB), August 2006.<br />

Film, Interview, Radiosendung<br />

Wagenhofer, Erwin:We feed the world.<br />

Nussbaum, Dieter; Projekt-Koordinator Äthiopien: Luzern; 21.11.06.<br />

DRS 1, Echo der Zeit: Umweltflüchtlinge haben keine Lobby. Sendedatum 29.1. 2007.<br />

Abbildungen<br />

Abbildung 1, S. 6: Hungernde Familie. Aus: www.david-piper.de/hunger.htm (7.12. 18:31).<br />

Abbildung 2, S. 12: Infrastruktur. Aus: www.ac.lst.se/kommunikationer/ (7.12. 18:45).<br />

Abbildung 3, S. 14: Frauengruppe. Aus: www.fao.org/es/ess/faostat/foodsecurity/FSMap/<br />

map4_en.htm (6.12.15:34).<br />

Abbildung 4, S. 16: Landwirtschaftliche Produktion. Aus: www.caj.bistumwuerzburg.de/afrika/partnerschaft/04/04.shtml<br />

(7.12. 20:01).<br />

Abbildung 5, S. 17: Dürre. Aus: www.ihp.bafg.de/servlet/is/8397/drought1.jpeg (6.12. 16:06).<br />

Abbildung 6, S. 17: Überschwemmung. Aus: www.unimainz.de/Organisationen/SORC/content/view/75/42/1/3/<br />

(3.1. 21:21).<br />

Abbildung 7, S. 19: Unterernährte Bevölkerung. Aus: www.fao.org/es/ess/faostat/foodsecurity/<br />

FSMap/map14.htm (6:12 15:50).<br />

Abbildung 8, S. 20: Äthiopien. Aus: Caritas Schweiz: Präsentation ADDA, Evaluation ADDA Project<br />

“Limat Systems”, Luzern 5.11.03.; Folie 3.<br />

Abbildung 9, S. 22: Landschaft ADDA. Aus: Caritas Schweiz: Präsentation ADDA, Evaluation<br />

ADDA Project “Limat Systems”, Luzern 5.11.03.; Folie 4.<br />

Abbildung 10, S. 32: Reisanbau. Aus: http://www.ecoworld.de/service/main/archiv/212/arbeiter_reisfeld_m.jpg<br />

(29.1. 07 18:53).<br />

Abbildung 11, S. 34: Unsere Welt. Aus: www.klimabuendnis.at/root/start.asp?ID=987 (10.12 20:30).<br />

Abbildung 12, S. 40: Fair Trade. Aus: www.pomegranateseeds.net/focus/chocolate_update.htm<br />

(10.12. 21:16).<br />

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