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Die Formierungsphase(n) der Angewandten Geschichte - Docupedia

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Marcus Ventzke<br />

<strong>Die</strong> <strong>Formierungsphase</strong>(n) <strong>der</strong> <strong>Angewandten</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

nerbarkeit ihrer Ergebnisse wahrgenommen werden will, müssen alle an ihr Beteiligten<br />

akzeptieren: „Es gibt keine ‚unterschiedlichen Wahrheiten’.” 16<br />

<strong>Die</strong> Debatte über Ethikkodizes für Historiker und Historikerinnen ist eine Folge dieser<br />

grundlegenden Auseinan<strong>der</strong>setzung. Dass sie einerseits vor allem aus dem angloamerikanischen<br />

Raum kommt und also nicht in Deutschland mit angestoßen wurde, ist<br />

die Folge einer hierzulande immer noch starken institutionellen Bindung ‚freier’ Historiker/innen<br />

an die akademische Welt. 17 Deren Standards sind bis in die Gegenwart<br />

hinein in großem Umfang prägend und handlungsleitend geblieben. Dass die Kodexdebatte<br />

an<strong>der</strong>erseits aber auch in Deutschland zunehmend für relevant gehalten wird,<br />

verdeutlicht den Erosionsprozess dieser universitären Prägung.<br />

<strong>Die</strong> von Historikern geführte Diskussion über die Einhaltung wissenschaftlicher<br />

Standards im Prozess des Forschens und bei <strong>der</strong> Nutzung von Ergebnissen spiegelt die<br />

dahinterliegende und viel ältere Debatte über den Charakter <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> an sich:<br />

Handelt es sich bei ihr um eine wissenschaftliche Disziplin o<strong>der</strong> um Literatur? 18 Aber<br />

gerade in ihrem Verständnis <strong>der</strong> Verantwortung des Historikers für die Gestaltung einer<br />

kritischen Öffentlichkeit unterscheiden sich partizipations- von auftragsgeschichtlichen<br />

Zielsetzungen und Nutzungserwartungen. Wird dies nicht gerade durch die Bemühungen<br />

um Ethikkodizes deutlich? 19 Geht es bei den Regelkatalogen nicht letztlich darum,<br />

die Verantwortung für spätere Nutzungen historischer Arbeiten von Auftragshistorikern<br />

abzuwenden, wenn <strong>der</strong>en Auftraggeber eben nur an ein vermarktbares Image,<br />

die Erhöhung <strong>der</strong> Mitarbeiterbindung o<strong>der</strong> die Absicherung von Marktpositionen denken?<br />

Sollen diese Nutzungen aber nicht einfach zur privaten Angelegenheit herabgewürdigt<br />

werden, reicht es nicht, mit dem Verweis auf die Begrenztheit des Auftrags<br />

die Hände in Unschuld zu waschen. Es reicht auch nicht, auf einen irgendwie gear-<br />

16 Daniel Schläppi, Angewandte und akademische <strong>Geschichte</strong> – keine Gegensätze, in: Wolfgang Hardtwig/Alexan<strong>der</strong><br />

Schug (Hrsg.), History Sells!, S. 31-41, hier. S. 32. Vgl. zu den Konflikten in <strong>der</strong> nichtakademischen<br />

Firmengeschichtsschreibung – stellvertretend für viele an<strong>der</strong>e Fälle – den Streit um die<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Deutschen Lufthansa in <strong>der</strong> NS-Zeit (Lutz Budraß, <strong>Die</strong> Lufthansa und ihre ausländischen<br />

Arbeiter im Zweiten Weltkrieg, Frankfurt a. M. 2001). <strong>Die</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Studie wurde von<br />

<strong>der</strong> Konzernleitung <strong>der</strong> Deutschen Lufthansa AG mit dem Hinweis auf die Eigentumsrechte an diesem<br />

Auftragswerk verhin<strong>der</strong>t. Allerdings kann die Arbeit in broschierter Form inzwischen bei <strong>der</strong> Kommunikationsabteilung<br />

des Konzerns bestellt werden. Vgl. zu den medialen Reaktionen u.a. Joachim<br />

Huber, Passagier Hitler. Fliegen heißt siegen: <strong>Die</strong> verdrängte <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Lufthansa, in: Der Tagesspiegel,<br />

21.7.2010, online unter http://www.tagesspiegel.de/medien/passagier-hitler/1887584.html.<br />

17 Christoph Kühberger, Verkaufte Zunft? Ein Beitrag zur Ethik des History Consulting, in: Wolfgang<br />

Hardtwig/Alexan<strong>der</strong> Schug (Hrsg.), History Sells!, S. 372-380; <strong>der</strong>s./Christian Lübke/Thomas Terberger<br />

(Hrsg.), Wahre <strong>Geschichte</strong> – <strong>Geschichte</strong> als Ware. <strong>Die</strong> Verantwortung <strong>der</strong> historischen Forschung<br />

für Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge einer Internationale Tagung im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg<br />

Greifswald, Rahden/Westf. 2007; Christoph Kühberger/Clemens Sedmak, Ethik <strong>der</strong> Geschichtswissenschaft.<br />

Zur Einführung, Wien u.a. 2008.<br />

18 Hayden White, Auch Klio dichtet o<strong>der</strong> <strong>Die</strong> Fiktion des Faktischen. Studien zur Typologie des historischen<br />

Diskurses. Einführung von Jürgen Koselleck (=Sprache und <strong>Geschichte</strong>, Bd. 10), Stuttgart 1991,<br />

bes. S. 101-122.<br />

19 Vgl. Christoph Kühberger, Verkaufte Zunft? Ein Beitrag zur Ethik des History Consulting, in: Wolfgang<br />

Hardtwig/Alexan<strong>der</strong> Schug (Hrsg.), History Sells!, S. 372-380.<br />

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