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Die Formierungsphase(n) der Angewandten Geschichte - Docupedia

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Marcus Ventzke<br />

<strong>Die</strong> <strong>Formierungsphase</strong>(n) <strong>der</strong> <strong>Angewandten</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

deutschen Gesellschaft eng verbunden. Also sollte man sich folglich eher die Reformer<br />

des Geschichtsunterrichts aus <strong>der</strong> 1848er-Zeit, beispielsweise um Hermann Köchly und<br />

den 1845 gegründeten Dresdner Gymnasialverein, ansehen. <strong>Die</strong>se Reformer traten für<br />

eine selbstgewonnene Einsicht junger Menschen in die Entstehungs- und Wirkungsweisen<br />

von <strong>Geschichte</strong> ein, wenn sie eine „gründliche [. . . ] auf einigen Hauptquellen<br />

beruhende Kenntniß <strong>der</strong> Entwicklung des deutschen Volkes, namentlich in Staat und<br />

Verfassung einerseits, in Poesie und Nationalliteratur an<strong>der</strong>erseits”, for<strong>der</strong>ten. 25 Auch<br />

kann auf die Bemühungen um eine geistesbildende Geschichtsarbeit rekurriert werden,<br />

wie sie Richard Kroner (1884-1974) in <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit betrieb: „Wenn aber <strong>der</strong><br />

Geist diese Unmittelbarkeit nicht durch Selbstbildung sich vermittelt, wenn er seine<br />

Ursprünglichkeit nicht durch historische Selbsterkenntnis prüft und läutert, dann fällt<br />

er <strong>der</strong> Gefahr zum Opfer, ein bloß geschichtlich und natürlich vermitteltes, d. h. ein<br />

unfreies und seiner selbst nicht mächtiges Wesen zu werden, das seiner Fesseln spottet,<br />

ohne ihrer ledig zu werden.” 26<br />

<strong>Die</strong>se Denkhaltungen <strong>der</strong> geistigen Befreiung sowie <strong>der</strong> Selbstermächtigung zu Zeitdeutung<br />

und Sinngebung finden sich letztlich auch in den Geschichtswerkstätten <strong>der</strong><br />

1970er- und 80er-Jahre, sie beflügelten die Anfänge des von Gustav Heinemann mitinitiierten<br />

Geschichtswettbewerbs und reichen in <strong>der</strong> Gegenwart bis in die europaweiten<br />

Werkstattprojekte, die von <strong>der</strong> Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung, Zukunft’ betrieben<br />

werden. 27<br />

Angewandte <strong>Geschichte</strong> ist keine ‚an<strong>der</strong>e’ <strong>Geschichte</strong><br />

Partizipation in Angewandter <strong>Geschichte</strong> ist darauf ausgerichtet, Menschen auf die<br />

Notwendigkeit eines selbstbestimmten Umgangs mit Vergangenheit und <strong>Geschichte</strong><br />

aufmerksam zu machen und ihnen die Möglichkeit zu geben, den gesamten Prozess<br />

historischen Denkens durchlaufen zu können. Dazu ist eine institutionelle Diversifizierung<br />

hilfreich, denn Akteure benötigen Anlaufpunkte, die Möglichkeit zur Quellensammlung<br />

o<strong>der</strong> zur Befragung von Zeitzeugen und am Ende auch Publikationsplattformen,<br />

um am öffentlichen Diskurs teilhaben zu können. <strong>Die</strong>ser Prozess scheint sich<br />

erst in den Anfängen zu befinden. Wenn er verstärkt betrieben würde – gerade auch<br />

von akademisch ‚bestallten’ Historikern –, könnte eine Demokratisierung des Fachs Ge-<br />

25 Zit. nach Jonas Flöter, Eliten-Bildung in Sachsen und Preußen. <strong>Die</strong> Fürsten- und Landesschulen in<br />

Grimma, Meißen, Joachimsthal und Pforta (1868-1933), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 104. Vgl. dazu<br />

insgesamt Ernst Weymar, Das Selbstverständnis <strong>der</strong> Deutschen. Ein Bericht über den Geist des Geschichtsunterrichts<br />

<strong>der</strong> höheren Schulen im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t, Stuttgart 1961.<br />

26 Richard Kroner, Vom Wert historischer Bildung (Antrittsvorlesung, 24.2.1926 an <strong>der</strong> Technischen Universität<br />

Dresden), in: <strong>Die</strong> Erziehung. Monatsschrift für den Zusammenhang von Kultur und Erziehung<br />

in Wissenschaft und Leben, Son<strong>der</strong>druck, Leipzig 1926, S. 570-581.<br />

27 Stellvertretend für an<strong>der</strong>e sei auf die Berliner Geschichtswerkstatt verwiesen<br />

http://www.berliner-geschichtswerkstatt.de/. Zu Geschichtswettbewerben: Ute Frevert (Hrsg.),<br />

<strong>Geschichte</strong> bewegt. Über Spurensucher und die Macht <strong>der</strong> Vergangenheit. Mit Reportagen<br />

von Frank Aures und Claus Hornung, Hamburg 2006. Motivation und Ausrichtung <strong>der</strong> Geschichtswerkstatt<br />

Europa erschließen sich über die typografische Animation ‚Geschichtswerkstatt<br />

Europa‘ http://www.youtube.com/watch?v=I7mnwHpSJro. Zur Geschichtswerkstatt Europa:<br />

http://www.geschichtswerkstatt-europa.org.<br />

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